wo die Finnen übernachten sollten. Dann standen wir da im Wohnzimmer herum, Sofa, Couchtisch, Kühlschrank, Gardinen, Zeit dehnten sich – zu einer Idee. Kurzes Gestöpsel, die letzten Zurückgebliebenen reingerufen, ein paar Bier auf, und dann ging es so schnell los, dass wir nicht wussten, wie uns geschah: Schlagzeug, Gitarre, das Wohnzimmer schüttelte sich und nach zwei Songs standen die Freunde und ich plötzlich oben auf dem Sofa: If you wanna talk about poetry / well baby, I’m your man / And if you wanna see me go wild / I can get … fucking … wild … / but Baby: Slap my ass! Wir slapten / schlugen auf den skandinavischen Hintern, sie stöhnten, sangen, My friend Sal / caught a fish / he caught a fish / That’s it, sie machten Pause, wir fielen runter aufs Sofa, tranken Zigaretten, redeten Ansteckung und Fieber, zwei Skate boards fuhren los für Getränke vom Kiosk. Die Finnen tranken, spielten weiter, wir tanzten das Sofa, die Fenster, die Tische, der Schweiß der Dinge lief Stirnen, Wände runter, von der Decke tropfte es – und wir hatten dies Wetter gemacht, nein, wir waren das Wetter, ich wusste nicht mehr, wo ich aufhörte und die anderen anfingen, wusste nur, dass mir gut ging und weiter ging und nichts ging kaputt in dieser Nacht, außer ein paar Bierflaschen und das Leben: Leistung und Gegenleistung, Dienstleister und Publikum, Eintritt, Getränkemarken, Türsteher, abgewiesene Gefühle, die gan ze elend lange Geschichte bis hierher galt
Einer will Moschee, einer will nach dem Tod auf keinen Fall weiterleben. nicht mehr, denn jetzt und hier, leibhaftig, war ihr Happyend: Slap my ass! Schlag dein Wohnzimmer auf den Arsch, es bettelt darum, sind deine Bedürfnisse Probleme, die gelöst werden müssen?, bist du nicht viel mehr als ein Haushalt, ein Bedarf?, zieh deinem Haushalt die Hosen runter, damit er vor aller Augen dastehe: der nackte Arsch und sein Gebrauchswert, der unendlich ist, denn es gibt weit mehr Arten, gut auf einen Arsch zu schlagen, als ein Wohnzimmer, einen Text, eine Beziehung nett einzurichten, hör auf, dich einzurichten!, nicht mehr einrichten, hörst du!, das Zeitalter des Einrichtens ist vorbei, der Innenausstatter in uns hat die letzte Schlacht verloren. Ich weiß nicht, ob es hinten auf den Etagen betten auch Sex gab, die ganze Nacht war ja Sex, wenn Sex dasselbe ist wie Hun ger nach Le ben, einem großen, überflüssigen Leben, machten wir weiter, bis wir nicht mehr konnten, die Finnen,
die Handvoll Leute, die Freunde, ich waren am Ende fix und fertig, auseinandergenommen und neu zusammengesetzt. Die besten Partys kommen aus dem Nichts. Das beste Konzert meines Lebens war ein ausgefallenes Konzert. Danach war nichts mehr, wie es war. Mein Körper war neu, das Leben nicht. Großes Fehlen. Alle Konzerte danach (auch die von Boomhauer) folgten der üblichen Logik. Von Leistung und Ge genleistung, Eintritt und Show, Bedarf und Bedarfsdeckung. Es war nichts Überflüssi ges daran. Allen Konzerten danach habe ich nicht verziehen, dass sie nicht waren wie dieses eine. Slap my ass. Das stimmt nicht. Bei No Means No im Gebäude 9 im Sommer fühlte ich mich auf andere Weise genauso gut. Die Stadt ist nicht immer gut zu einem. Oft ist sie lau, launisch, pampig oder bösartig. Jedoch, in meiner emotionalen Karte der Stadt sind einige Orte gespeichert, an die ich mich mit bestimmten Gedanken oder Gefühlen wenden kann. Etwa wenn ich jemand (immer noch) vermisse. Ein Teil will vermissen, ein Teil will das nicht mehr. Ein Teil will rechnen, ein Teil will vergessen zu rechnen. Ei ner will zukunftsplanen und haushalten, einer will den Rest Ju gend verschwenden. Einer will Ökologie, einer will dreckig lachen (Wenn Bäume schreien könnten, würden wir sie dann einfach so abholzen? Na klar, wenn sie nicht aufhören rumzuschreien, Jack Handey). Einer ist ambitioniert, einer ist unwillig. Einer will das perfekte Spiegelbild, einer will sich kein Bildnis machen. Einer will Moschee, einer will nach dem Tod auf keinen Fall weiterleben. Manchmal komme ich mir sehr schlau vor. Und manchmal denke ich mir, hey, ich weiß einen Scheiß. Nach dreimal Pius straße kann die Stadtwissenschaft lediglich drei Dinge festhalten: 1. Man kommt nicht mit nur einer Hal tung, einem Stil durch. Fürchte dich nicht vor den befremdlichen Leu ten, die in dir oder draußen auf der Straße herumlaufen. 2. Es ist nicht zu erwarten, dass irgendeine große Liebe einen erlöst aus dem großen Fehlen. 3. Es kann nicht immer die gleiche Sache sein, die einen rettet. Aber irgendwas wird es sein, morgen, übermorgen. Don’t panic. – Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass die Sitzbänke rund um den Brunnen auf dem 4711-Platz wieder aufgestellt werden müssen. Danke.
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4711-Platz Kölnisch Wasser gibt es hier nicht mehr, aber immer noch orange Rollos am Wochenende. Seite 36
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