Ein Tag mit den Roma - Ein Fotoessay von Uwe Dressler

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Ein Fotoessay von Uwe Dressler


Mein Dank an Inge, die mir dieses Erlebnis ermรถglicht hat!


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eine Künstlerfreundin Inge kümmert sich seit vielen Monaten intensiv um eine Romafamilie, die in ihrem Dorf lebt und permanent von der Abschiebung nach Mazedonien bedroht ist. Ich hatte ihre Berichte darüber bislang nur am Rande wahrgenommen. Weil nun, im September 2012, die Ausweisung unausweichlich scheint, möchte ich mir die Möglichkeit nicht entgehen lassen, diese Familie kennen zu lernen, die ohne Inges Einsatz schon längst nicht mehr in Deutschland wäre. Als ich ihr vorschlage, die Familie zu fotografieren, ist sie sofort einverstanden und vereinbart für die kommende Woche einen Termin. Zusammen machen wir uns auf den Weg zu der Wohnung, die nur wenige Straßen von Inges Haus entfernt ist. Ich bin gespannt auf meinen ersten Besuch einer Roma-Familie. Zwölf Menschen, die kurz vor der Abschiebung stehen - wie mag wohl die Stimmung sein, so kurz vor dem bedrohlichen Ereignis? Als die ersten Kinder Inge kommen sehen, ist die Freude groß. Die Kleinen springen ihr direkt um den Hals und wir werden sogleich in die Wohnung gelockt. Die Familie ist aber nicht vollzählig, nur etwa die Hälfte ist anwesend und beide Eltern fehlen. Der Vater ist irgendwo unterwegs und die Mutter zum Einkaufen. Ich bin enttäuscht und denke das Familienportrait wird leider unvollständig bleiben, später finden sich aber alle nach und nach ein. Sofort fühle ich mich akzepiert und obwohl keine Konversation möglich ist - nur die Kinder, die bereits die Schule besuchen können einige Brocken Deutsch - empfinde ich das nicht als Einschränkung. Die Situation ist so interessant und einnehmend, dass ich bald zur Kamera greife, um mir nichts entgehen zu lassen. Und von nun an drücke ich für die nächsten fünf Stunden hundertfach auf den Auslöser. Es entstehen Bilder von großer Authentizität - ohne Anweisungen zu geben fotografiere ich alles was sich mir bietet. Völlig verblüfft von der ausgelassenen Fröhlichkeit und Freundlichkeit habe ich Mühe, alle Eindrücke festzuhalten, da sich die Aktionen gleichzeitig rings um mich herum ereignen. Auch als der Vater Amet und die Mutter Mevljuda eintreffen, fühle ich mich gleich als 14tes Familienmitglied akzeptiert - oder besser gesagt als 15ter im Bunde, denn Inge ist ja schon längst von ihnen aufgenommen worden. Beiden gefällt das Treiben sichtlich und sie verhalten sich genau so entspannt wie ihre Kinder. Zwischen allen Familienmitgliedern herrscht Harmonie, gegenseitiger Respekt und Fürsorglichkeit.


Inge macht sich bei der Hausaufgabenbetreuung nützlich und repariert nebenbei noch eine defekte Naht an einer Jacke. Dann ihr beharrlicher aber erfolgloser Versuch, Amet die Krawatte zu binden, die er zur Komplettierung seines Posings benötigt. Ihre Stärken liegen klar woanders, aber die Aufnahmen sind den Versuch wert. Mevljuda setzt einen Brotteig an und amüsiert sich über die immer neuen Darbietungen. Dem Kleinsten geht plötzlich die Puste aus und ich finde ihn wenig später im Bett schlafend, für kurze Zeit. Den Mädchen werden lustige Zöpfe gebunden und es gibt Liebesbeweise unter den Geschwistern, ein demonstratives Knutschen vor der Kamera, das auch die Eltern ansteckt und mit einbezieht. Die Zeit vergeht wie im Fluge und ich merke wieder, dass Fotografieren eine zeimlich antrengende Sache ist. Die Aktivitäten verlagern sich nach draussen auf die Straße und auf den Hof mit dem kleinen Rasen hinter dem Haus, wo sich weitere Kinder dazu gesellen und wo ich die letzten Aufnahmen des Tages bei schon einbrechender Dunkelheit mache. Die Kondition der Kinder übersteigt die meine und ich deute an, dass ich erschöpft bin, worauf man noch auf einem gemeinsamen Abendessen besteht, das ich dankend annehme. Ich gehe aus dem Haus, nachdem mich alle zum Abschied in die Arme genommen haben. Das ist nun schon über ein Jahr her und Inge hat es geschafft, mit ihren unermüdlichen Einsätzen bei Ämtern und mit Rechtshilfe, dass die Familie sich, bis auf ihre zwei ältesten Söhne, noch immer in Deutschland befindet. Sie wurden leider schon ausgewiesen und es geht ihnen schlecht. Mit Sicherheit waren sie wichtig für das Zusammenleben der Familie - bei allen Geschwistern sehr beliebt und für die Betreuung der Kleinen unverzichtbar. Ich habe viel gelernt an diesem Tag und glaube, dass ein Abschieben der Familie das Dorf ärmer machen wird. An die Kraft, die intensive Lebensfreude und die unvoreingenommene Offenheit der Roma werde ich mich immer gern erinnern. Viel Glück! Uwe Dressler, im Dezember 2013



Mevljuda


Amet


Burhan


Sanela


Rafaela


Rukije


Emil


Ersun


Elisabetha


Ersan


Orhan


Sefket


Erdzan


Erdzan befindet sich schon seit längerer Zeit in Mazedonien, von der Familie getrennt. Er lebt in einer Baracke ohne Heizung, Strom und flieĂ&#x;endes Wasser. Sefket wurde inzwischen auch dorthin abgeschoben.



Inge




































































































Ein Tag mit Inge bei den Roma Ein Fotoessay von Uwe Dressler Fotografien vom 6.9.2012 Digital farbig fotografiert und in Schwarzweiß umgewandelt. Konzept und Layout Uwe Dressler Limitierte Auflage von maximal 50 Stück Digitaldruck, hergestellt bei Whitewall Vom Erlös jedes Buches geht eine Spende von 20 Euro an die Romafamilie. Uwe Dressler Erftstraße 92 . 41460 Neuss 0 21 31 - 40 88 194 info@dressler-design.de




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