Die Beste Zeit Nr. 22 2013

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Die jährliche Gedenkveranstaltung „Trösten und Erinnern"

Ruf und engagiert sich im Stadtsportbund als Frauenwartin. Beim traditionsreichen Barmer TV, der auf eine stolze 167 Jahre währende Geschichte und die glorreichen goldenen Jahre in der Leichtathletik zurückblicken kann, avanciert Barbara Neusel-Munkenbeck 2001 dann zur ersten Vorsitzenden. Vier Jahre lang führte sie den Traditionsclub. „Da sind Management-Qualitäten, Kommunikationsfähigkeit und Einfühlungsvermögen gefragt.“ Eigenschaften, die sie auch bereit ist für einen weiteren traditionsreichen Verein, den angeschlagenen Wuppertaler SV, in die Waagschale zu werfen. Gemeinsam mit anderen engagierten Menschen gründet sie eine Initiative, die Konzepte entwickeln, wie der Verein aus der sportlichen und finanziellen Krise geführt werden kann. Eine kurze Weile wird sie als mögliche Nachfolgerin des Vereinsvorsitzenden und Patriarchen Friedhelm Runge gehandelt. Doch der wiegelt das Konzept in gewohnt selbstherrlicher Art ab. Frustriert ist sie dennoch nicht. „Nach dem Rücktritt Runges braucht der Verein einen glaubwürdigen Neuanfang. Jede Krise ist immer auch eine Chance und die Initiative 2.0 kann den Verein in eine neue bessere Zukunft führen.“ Ihr gesellschaftliches Engagement ist bis heute ungebremst. Sie setzt sich für Radio Wuppertal ein, arbeitete 1996/97 in der Programm-Kommission des Lokalsenders mit, und war im Vorstand der Veranstalter-Gemeinschaft tätig. Heute freut sie sich darüber, „dass unser Lokalradio in

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Wuppertal von allen Sendern die meisten Menschen erreicht.“ Aber ihren kritischen Blick auf das Programm verstellt das nicht: „Wünschenswert wäre, dass die Moderatoren stärker lokal verortet wären. Und Kultur könnte für meinen Geschmack einen höheren Stellenwert bei der Berichterstattung haben. Allerdings hat Chefredakteur Georg Rose sehr engagierte Beiträge zur Situation des Theaters in Wuppertal gebracht.“ Engagements für Sportvereine und das Lokalradio, Wahrnehmung von Management- und Leitungsfunktionen: Da entsteht fast naturgegeben das Bild einer Power-Frau und Society-Lady. Aber dies ist nur die eine Seite der Persönlichkeit Barbara Neusel-Munkenbecks. „Mein Beruf als Bestatterin erdet mich. Der Tod ist der größte Gleichmacher. In unseren Räumlichkeiten ruhen Menschen aus allen Berufen, aus allen Schichten. Große Künstler wie Pina Bausch, bedeutende Stadt-Politiker und eben auch Obdachlose. Wenn man beruflich so viel mit dem Tod zu tun hat, wird man zwangsläufig bescheiden.“ Obwohl der Umgang mit dem Tod und der Trauer der Angehörigen in gewisser Weise zur Routine wird, ja sogar werden muss, gibt es doch immer wieder Situationen, die Barbara Neusel-Munkenbeck ebenso rühren wie die übrigen Mitarbeiter ihres Teams. „Für mich ist es besonders schlimm, wenn ein Kind stirbt und ich die Trauer und den Schmerz der Eltern wahrnehme.“ In diesen Situationen kann es ihr – wie auch ihren Mitarbeitern

geschehen, „dass auch wir weinen.“ Für sie und ihr Team ist es aber in jedem Falle wichtig, Vertrauen zu den Hinterbliebenen aufzubauen. „Das gilt auch für unsere Zusammenarbeit im Team. Nur wenn wir vertrauensvoll, ja familiär zusammenarbeiten, kann ich mich wohl fühlen und wir leisten gemeinsam gute Arbeit.“ Die Trauerarbeit ist für Barbara NeuselMunkenbeck ein wichtiges Anliegen ihrer Arbeit als Bestatterin. „Gerade in einer Zeit, in der der Tod immer mehr tabuisiert wird, in der immer mehr Menschen sich von der Religion abwenden und ihnen dann die Rituale zum Abschiednehmen fehlen, geht es in meinem Beruf um weit mehr als um Überführungen, die Übernahme von formalen Dingen und Beerdigungen. Wir sind auch Begleiter in der Trauer, Partner der Hinterlassen den in schwerer Zeit.“ Rituale sind für sie eine „Art Geländer, an dem man sich beim Gehen auf einem schweren Weg festhalten kann“. Daher arbeitet Barbara NeuselMunkenbeck mit einem Pfarrer im Ruhestand als Seelsorger und Trauerbegleiter zusammen. Und sie hat das Trostkonzert entwickelt, bei dem einmal im Jahr alle Angehörigen der Verstorbenen zusammen kommen können, um sich noch einmal an ihre Hinterbliebenen zu erinnern und die Trauer mit anderen teilen zu können. „Häufig erhalten wir handgeschriebene Briefe der Angehörigen, in denen sie sich für die Begleitung in einer für sie ungemein schweren Zeit bedanken. Solche Briefe kann man sich ja auch gar nicht als E-Mail denken“, sagt Barbara NeuselMunkenbeck. Es scheint, als ob mehr vielleicht als aus ihrem gesellschaftlichen Engagement Barbara Neusel-Munkenbeck die Erfahrung von sinnhaftem Leben aus solchen Momenten schöpft: „Wenn wir unser Leben nicht nur auf den sichtbaren Teil der Welt begrenzen, sondern auch seine unsichtbare Dimension in unser Bewusstsein einschließen, werden Tod und Geburt zu Toren zwischen beiden Bereichen.“ Jan Dieker


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