Die Beste Zeit Nr. 22 2013

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S.D.W.T., 2011 (Lack auf Leinwand), 225 x 170 cm, courtesy Alexander Ochs Galleries Berlin/Beijing Felsformationen, die sich mächtig vor unseren Augen auftürmen, Bäume und Baumkronen, zu welchen wir emporblicken obwohl rangezoomt und auf menschliche Größe gebracht, bleiben die Orte, zu denen uns Sven Drühl schickt, immer noch ferne Räume. Sehnsuchtsorte sind das, die Drühl allerdings auf seine Art entzaubert: Er nimmt Versatzstücke aus bekannten Bildern, von berühmten oder auch weniger berühmten Künstlern, und re-interpretiert, abstrahiert, mixt sie mit hypermoderner Materialoberfläche. Eine neue, außerirdische Dimension von Landschaft, ob in Neon oder Silikon, wird uns da vorgestellt. Unnahbar, zwar in Drühls kontrollierter, formvollendeter aber unpersönlicher Gestaltung höchst attraktiv und einnehmend, klar, frisch, aber auch irgendwie kalt. Das, was uns so leicht verständlich erscheint und deshalb zunächst fast magisch anzieht, bleibt beunruhigend anonym und unemotional. Das früheste Werk der Ausstellung heißt: C.D.F. (Bastard) – wer sich hinter diesem Kürzel verbirgt, ist leicht zu entschlüsseln: Caspar David Friedrich bestimmt bis heute

S.D.L.B. III, 2009 (Öl / Lack auf Leinwand), 140 x 100 cm courtesy Alexander Ochs Galleries Berlin/Beijing

unsere Vorstellung von Romantik. Und nicht nur das, er ist der Landschaftsdarsteller schlechthin; er hat uns Flora, Fauna und Gestein, Himmel und Meer in stimmungsvolle Bilder gefasst, hat uns die Augen geöffnet für das, was wir wünschen in und von der realen Natur. Architekturstücke bilden die zweite Motivgruppe, die Drühl in der Von der Heydt-Kunsthalle vorstellt. Der Betrachterblick, mit starker Untersicht, wird auf Details gelenkt und provoziert Assoziationen, die Drühls Bauhaus-Architektur und seine Landschaftsbilder verbinden: edle Einfalt und stille Größe? Doch nüchtern, wie wir sind, empfinden wir heute weniger das Erhabene, fürchten vielmehr den sentimentalen Kitsch. Insofern können wir Sven Drühl dankbar sein, dass er mit seinen Neuformulierungen gern gesehene Bilder befreit vom verschrobenen Pathos, welches die historische Distanz bewirkt, und sie in eine populäre Formensprache überträgt. Herausgelöst aus dem Zusammenhang, herüber gerettet ins Hier und Jetzt, sind die Motive offen für neue Assoziationen.

Wir zeigen auch Arbeiten aus den Serien „Bastard“ und „Undead“ – die Worte im Untertitel einzelner Werke erscheinen wie eine geheime Losung zur subversiven Gruppenbildung. Alles was Drühls Landschaften so attraktiv macht, wird in diesen parallel entstandenen Bildern unterlaufen, durch Entzug der Farbe, Entzug des Volumens. Sie treten als die Gegenbilder zur satten, leuchtenden, manchmal fast glühenden Farbigkeit auf, die man gerne mit dem Künstler verbindet. Monochrom schwarz sind beispielsweise die „Undead“-Bilder, - die unheimlichen, geisterhaften Unkunst-Bilder, die erst zu Leben erweckt werden, wenn das Tageslicht auf sie fällt. Den Gegenpol dazu bilden die Lichtobjekte oder „Neons“, überdimensionale Umrißzeichnungen, deren Linien aus Neonröhren bestehen. Die Werkentwicklung mit der Verflechtung sich gegenseitig kommentierender Serien bleibt spannend. Gerhard Finckh Direktor Von der Heydt-Museum © alle Abbildungen: VG Bild-Kunst 2013

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