Das Goetheanum – Sonderheft Grundeinkommen

Page 16

franziska schmidt-von nell

WENN DER INSTALLATEUR FLUGLOTSE WIRD Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen gibt es keine Überschwemmung mehr in der Küche. Eine Glosse.

Ich bin für das bedingungslose Grundeinkommen. Seit heute. Weil mein Zeigefinger blutet. Das ist zwar kein moralisch hochstehender Grund, aber das letzte Glied in einer Entscheidungskette, die mich dahin geführt hat, für das Grundeinkommen zu sein. Wenn es nämlich das Grundeinkommen gäbe, dann wäre der freundliche junge Mann mit Übergewicht, der sich heute Nachmittag bei mir zu Hause eine Dreiviertelstunde mit meiner Spülmaschine beschäftigt hat, nicht Kundendienstmitarbeiter einer renommierten Haushaltsgerätefirma geworden, sondern – naja, was ganz anderes bestimmt. Vielleicht Koch. Er sieht so aus, als würde er gerne essen. Oder Fluglotse. Da müsste er sich nicht so viel bewegen. Oder vielleicht Schreiner? Nachdem er nämlich an meiner Spülmaschine, die nicht sauber wäscht, kein Problem feststellen konnte, obwohl er intensiv bestimmt 15 Sekunden in ihr Spülmaul geschaut, alle Knöpfe gedrückt und den Kopf gewiegt hatte («Nichts gegen Sie, vielleicht müssen Sie mal so einen Maschinenreiniger nehmen!» «Äh, das habe ich schon probiert»), fand er plötzlich seine Berufung: die Spülmaschine steht schief! Und zwar in zwei Dimensionen, nach rechts und nach hinten! Da muss etwas unternommen werden! Und in einem unbeobachteten Moment schraubt der gute Mann die Maschine frei, entfernt die Leiste, die oben – nicht ganz fachmännisch, gebe ich zu – angebracht war, zieht einmal kräftig, schraubt ein paarmal heftig an den Füßen und überreicht mir stolz zwei Metallplättchen, die Holzleiste und sieben Schrauben: «Das habe ich entfernt, wenns Ihnen nichts ausmacht!» Strahlen über das ganze runde Gesicht. Vielleicht wäre Zahnarzt auch ein guter Beruf für ihn, er will ja helfen: was den anderen quält, herausrupfen und es ihm in einem weißen Plastikbecherchen mitgeben, als Andenken an die überwundenen Schmerzen. Ich bin etwas verdutzt, bedanke mich und unterschreibe alles, was er will. Mit einem jovialen «Auf Wiedersehen!» mit Betonung auf dem «Wieder» verabschiedet sich der Handwerker.

16

DAS GOETHEANUM 25 | 2011

Als ich am Abend die fertig gelaufene Spülmaschine öffne und den unteren Geschirrkorb zum Ausräumen herausziehe, da kippt die ganze Maschine nach vorn. Ich verhindere einen Scherbenhaufen, aber ein langer Fluch zerreißt den abendlichen Frieden. Meine Beschwerde muss ich am Montag noch mal vortragen, sagt die Dame am Telefon, dann liegt sicher der Rapport des Handwerkers vor. Wenn es ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt, dann brechen ja neue Zeiten an. Eigentlich bin ich mit dem, was ich arbeite, sehr zufrieden, aber Haushaltsgerätetechniker wäre noch eine ganz neue Nuance in meinem Leben... Als alles ruhig war heute Abend, habe ich mich vor meine Spülmaschine gesetzt und mir die Sache noch mal betrachtet. Dass sie umfällt, wenn sie geöffnet wird, das lasse ich erst mal, das soll meine Freundin reparieren. Aber ich will, dass das Geschirr sauber wird! Ich habe auch das Rätsel tatsächlich gelöst und mich somit als Spülmaschinenwart qualifiziert. Aber Lehrgeld gezahlt: Als ich zur näheren Untersuchung auf de n Boden des Siebes fasse, sticht mich was in den Finger. Ich fische es raus – es ist die achte Schraube! Mein Techniker hat sie wohl in die geöffnete Maschine fallen lassen. Und nebenbei kommt ein aufgelöstes Stück Papier raus, das zu einer Art Zelluloseschleim aufgeweicht ist und den seltsamen Film auf Geschirr und Maschine verursacht hat ... Jetzt gehe ich hin und schreibe mir eine Rechnung. Ob ich da Schmerzensgeld draufsetzen darf?

Franziska Schmidt-von Nell engagiert sich für Fragen der Familienkultur in der Sektion für Sozialwissenschaften. Sie hat drei Söhne.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.