Das Goetheanum – Sonderheft Grundeinkommen

Page 12

enno schmidt

KEIN MODELL SONDERN EINE IDEE Das Wesen der Idee ‹Grundeinkommen› ist, alle Vorstellungen und Handlungsmuster zu hinterfragen. Zum Stand der Grundeinkommensbewegung.

Das bedingungslose Grundeinkommen ist kein Modell, sondern eine Idee. Dies zu erkennen, ist wichtig, wenn man sich eine Vorstellung macht vom Stand der Grundeinkommensbewegung. Das Wesen dieser Idee ist, alle gewohnheitsmäßigen Vorstellungen und Handlungsmuster zu hinterfragen und den Menschen als selbstständig denkend in den Mittelpunkt zu stellen. Eine Idee wächst, wo sie hinfällt, aufgenommen und gepflegt wird. Das braucht Zeit, wie das Leben, kann aber auch plötzlich aus allen Knospen sprießen. Im Frühjahr 2012 wird in der Schweiz die Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen lanciert. Erhält diese Initiative mehr als einhunderttausend Unterschriften, so folgt eine Volksabstimmung. Dabei müssen die Unterzeichner der Volksinitiative nicht unbedingt für ein bedingungsloses Grundeinkommen sein, aber für eine breite öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Denn die steht dann schweizweit an, wenn es zur Volksabstimmung kommt. Und dass die Bevölkerung eines ganzen Landes mit rechtlicher Konsequenz über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens diskutiert, das wiederum machte die Idee weltweit publik. Die Idee ist alt. Wie jede Idee. Sie erscheint nur ganz neu in geänderten gesellschaftlichen Umständen und anderer Form. Die zeitgemäße Form fand der deutsche Unternehmer Götz Werner im Austausch mit dem Wirtschaftsprüfer Benediktus Hardorp. Werners öffentliches Auftreten für das Grundeinkommen seit 2005 gab der Bewegung einen entscheidenden Sog. Nicht nur das Gewicht seiner Person, sondern mehr noch die Gestalt der Idee, wie Werner sie vertritt, lässt den Impuls immer weitere Kreise ziehen. Schon vor Werners Auftreten hatte sich etwas getan. Die Gruppe ‹Freiheit statt Vollbeschäftigung› war gegründet, das deutsche

12

DAS GOETHEANUM 25 | 2011

‹Netzwerk Grundeinkommen› formiert, aus der Katholischen Sozialakademie in Wien kamen Aktivitäten zum Grundeinkommen, und das weltweite Basic Income Earth Network (BIEN) griff sich neu. In Brasilien stand das bedingungslose Grundeinkommen schon im Gesetz. Aber da steht viel. Und lässt auf sich warten. Deutschland wurde zum hauptsächlichen Schauplatz der Vision eines neuen Gesellschaftsvertrages, eines wirtschaftlichen Bürgerrechtes, des Grundeinkommens. Lokale und regionale Gruppen bildeten sich, Veranstaltungen, große und kleine, viele politisch eher linke, viele, denen das Grundeinkommen vor allem Armutsbekämpfung ist. Parteinahe Stiftungen wiesen die Finanzierbarkeit eines Grundeinkommens nach, ein CDU-Ministerpräsident stellte ein Modell vor, das unter dem Strich noch Einsparung verspricht, eine Tagesmutter reichte eine Onlinepetition zum Grundeinkommen beim Bundestag ein, die binnen kurzer Frist von 50000 Menschen mit unterzeichnet wurde, die FDP propagierte ein Grundeinkommensmodell, das den Arbeitszwang verabsolutiert und die Sozialleistungen streicht. In den Medien ist das Grundeinkommen alle paar Tage, alle paar Wochen. Und natürlich bloggt es und youtubet es ununterbrochen. Auf Facebook hat das Grundeinkommen mehr Freunde als jede politische Partei. Die meisten Infos gibt es auf: www.archiv-grundeinkommen.de/. Hier und da wird es auch wieder stiller um das Grundeinkommen. Manchen verfliegt die Hochstimmung des Neuen, manchen fehlt ein Grundeinkommen, um sich für das Grundeinkommen einzusetzen. In Österreich wurde es still, nachdem sich die verschiedenen Pro-Grundeinkommensgrüppchen auf ein Modell geeinigt hatten. Und noch stiller, nachdem die Mindestsicherung im Lande


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.