Magazin «umwelt» 2/2015 - Leben mit Naturgefahren

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umwelt 2/2015 > WASSER

Das NFP 61 hat die Wasserforschung in der Schweiz ergänzt, aber an der Eawag zum Beispiel wird permanent zu Themen geforscht, die für uns wichtig sind. Ganz allgemein fliessen Forschungsresultate ständig in unsere Arbeit ein. Sie haben die steigenden Wassertemperaturen erwähnt. Welche Auswirkungen haben diese auf Mensch und Umwelt?

Sie sind ein zusätzlicher Stressfaktor für Gewässer, die durch Stoffeinträge bereits stark belastet sind, vor allem in Gebieten mit hohem Siedlungs- und Nutzungs­ druck. Mit steigenden Temperaturen sinkt der Sauerstoffgehalt des Wassers, was beispielsweise Folgen für die Fische hat. Wenn sich der Sauerstoffgehalt ver­ ändert, beeinflusst dies auch die Che­ mie des Grundwassers, aus dem wir­ 80 Prozent unseres Trinkwassers bezie­ hen – wovon zurzeit die Hälfte ohne Aufbereitung an die Konsumentinnen und Konsumenten abgegeben werden kann. Die Kombination verschiedener klimabedingter Veränderungen kann das Trinkwasser belasten. Indirekt war dies bereits im Hitzesommer 2003 der Fall, als in einem Pumpwerk im Kanton Zürich Eisen und Mangan ausgefällt wurden. Grund dafür war der tiefe Sauerstoff­ gehalt des gepumpten Grundwassers. Welche Rolle spielt der Klimawandel für die künftige Verfügbarkeit von Wasser? Wird das «Wasserschloss Schweiz» irgendwann trockengelegt?

Nein, das sicher nicht. Wir werden auch in Zukunft genug Wasser haben. Zwar zeigen Klimaszenarien, dass Hitzeperi­ oden künftig häufiger werden. Und im Sommer werden wohl auch die durch­ schnittlichen Regenmengen abnehmen, besonders in der Süd- und der Nordwest­ schweiz. Doch Trockenheit ist relativ. Im Vergleich zu Südeuropa wird die Schweiz immer privilegiert sein.

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Einzelne Gebiete allerdings werden bei uns hin und wieder unter Wasserknapp­ heit leiden. Die Folgen davon werden neben der Schifffahrt und der Landwirt­ schaft auch die Trinkwasserversorgung, die Kraftwerke und der Gewässerschutz zu spüren bekommen. Deshalb sind die Anpassung an den Klimawandel und ein nachhaltiges Wassermanagement Daueraufgaben, die in Zukunft in den verschiedenen Sektoren der Wasser­ wirtschaft selbstverständlich werden müssen.

mung über die Kantonsgrenzen hinweg. Denn wer am Oberlauf von Rhein oder Rhone lebt, gibt den Wärmeeintrag an die Unterlieger weiter. Das Nachsehen haben am Schluss Basel und Genf. Aber noch einmal: Die Gewässer werden mit den sich verändernden klimatischen Bedingungen am besten fertig, wenn sie sich in einem möglichst natürlichen Zustand befinden. Dazu brauchen sie mehr Raum, damit sie sich vielfältig ent­ wickeln können. Und die Wasserqualität muss gut sein.

Wie reagiert das BAFU auf diese sich abzeichnenden Probleme?

Wenn zu gewissen Zeiten weniger Wasser zur Verfügung steht, zeichnen sich Nutzungskonflikte ab.

Unsere Politik zielt darauf ab, die Ge­ wässer resilienter zu machen. Gesunde Gewässer, die sich in einem möglichst natürlichen Zustand befinden, reagieren weniger empfindlich auf Veränderun­ gen. Mit anderen Worten: Wir wollen den Druck verringern, unter dem die Bäche, Flüsse und Seen in der Schweiz heute stehen. Deshalb legt das neue Gewässerschutzgesetz den Schwerpunkt auf Renaturierungen und auf die Ab­ schwächung der negativen Folgen der Wasserkraftnutzung. In den nächsten Jahren werden aber auch Abwasserreinigungsanlagen aus­ gebaut, um problematische Mikrover­ unreinigungen unschädlich zu machen. Und auch die Landwirtschaft, die mit ihrem Pestizideinsatz viel zur Belastung der Gewässer beiträgt, muss in die Pflicht genommen werden. Und was geschieht als Reaktion auf den Klimawandel?

Da führen wir die bisherigen Anstrengun­ gen weiter und haben zudem das Projekt «Gewässertemperatur und Klima­wandel» gestartet, in dem wir eine Auslegeord­ nung erstellen und Handlungsoptionen aufzeigen. Das weitere Vorgehen disku­ tieren wir dann mit den Kantonen. Es braucht bei diesem Thema eine Abstim­

Ja, damit müssen wir rechnen. Doch in­ teressanterweise kommt das NFP 61 zum Schluss, dass nicht etwa der Klimawandel den grössten Einfluss auf die Verfügbar­ keit von qualitativ einwandfreiem Was­ ser hat, sondern der sozioökonomische und technische Wandel. Davon war in der Öffentlichkeit bis jetzt kaum die Rede.

Diese Erkenntnis ist neu, aber die For­ schung zeigt klar, dass der Nutzungs­ druck auf die Wasserressourcen vor allem durch das Wachstum von Wirt­ schaft und Bevölkerung steigt. Wenn der Verbrauch weiter wächst, geraten Nutzungsansprüche in Konkurrenz zu­ einander. Dies besonders in Zeiten von Trockenheit und Knappheit. Das könnte zu Nutzungskonflikten – etwa zwischen der Landwirtschaft und der Trinkwas­ serversorgung – führen, die durch den Klimawandel noch verschärft werden. Und wer entscheidet, ob das Wasser zum Bewässern genutzt werden darf oder ob genug Wasser in Bächen und Flüssen verbleiben muss, um das Überleben der Fische zu garantieren?

Zuerst müssen durch regionale Stu­dien die Gebiete identifiziert werden, in de­


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