Magazin «umwelt» 2/2015 - Leben mit Naturgefahren

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einer Stärke von 5,7. Und für Lissabon wurde im Nach­ hinein eine Magnitude von 9 ermittelt. Zwar weist der Schweizerische Ingenieur- und Archi­ tektenverein (SIA) in seiner Karte mit den Erdbebenge­ fährdungszonen einem grossen Teil der Schweiz eine geringe Gefährdung zu. Jedoch wird die Heftigkeit der Erdbewegungen nicht allein durch die Magnitude des Bebens bestimmt. Vielmehr kommt es auch auf den lokalen Baugrund an. Eine grosse Rolle für das Ausmass der Schäden spielt zudem die Nutzungsintensität im betroffenen Gebiet. Oder mit den Worten von Sven Heunert ausgedrückt: «Ballungsräume wie Lausanne oder Bern haben unter Umständen das grössere Risiko als ein kleiner Ort in der Region Basel – selbst wenn dort die seismische Gefährdung stärker ist.»

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Wie verletzbar solche Netzinfrastrukturen sind, zeigt sich daran, dass es nicht einmal spektakulärer Natur­ ereignisse bedarf, um die Lebensader von Wirtschaft und Gesellschaft zu kappen: Am 28. September 2003 reichte es aus, dass bei Ingenbohl (SZ) der Ast einer Tanne der Stromleitung über den Lukmanier zu nahe kam. Dies führte zu einem Lichtbogen, der Strom sprang auf den Baum über und floss in den Boden. Oder in der Fachsprache: Es kam zu einem Erdschluss, der diese Nord-Süd-Transitachse des europäischen Stromnetzes unterbrach. Wegen Fehlschaltungen in Italien löste­ dies eine folgenschwere Kettenreaktion aus. «Ab 03:27 totaler Stromausfall in Italien», hält das Bundesamt für Energie in seinem Bericht über das Ereignis lapidar fest.

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Verletzbarkeit

ERDBEBENRISIKO

Das Erdbebenrisiko ist das Produkt aus der seismischen Gefährdung (Eintretenswahrscheinlichkeit), der Beschaffenheit des Baugrundes, den betroffenen Werten (Siedlungsdichte) sowie der Verletzbarkeit der Gebäude und Infrastrukturen.

Verletzbare Netze, die das ganze Land überspannen Wer auch immer ein Gebäude plant, müsste eigentlich an mögliche Erdstösse denken. Das wäre ebenfalls im Interesse der Hauseigentümerinnen und -eigentümer: Wird ihr Anwesen durch Beben beschädigt, tragen sie die Kosten in der Regel allein. Derzeit gibt es in der Schweiz nur in einzelnen Kantonen eine Gebäudeversi­ cherung, bei der das Erdbebenrisiko eingeschlossen ist. Um das Risiko schweizweit in den Griff zu bekommen, startete der Bund im Jahr 2000 ein Massnahmenpro­ gramm zur Erdbebenvorsorge. Einer seiner Kernpunkte besteht darin, die Bundesbauten erdbebensicher zu ma­ chen. Ein anderer zielt darauf ab, Infrastrukturen im Einflussbereich des Bundes zu sichern. Das betrifft insbe­ sondere die Stromversorgung sowie die Nationalstras­sen und den Schienenverkehr.

Karten und Bild: Schweizerischer Erdbebendienst (SED), 2009 CatFocus Partner Re, FEMA

Auch im Fall eines Erdbebens kann ein örtlich begrenz­ ter Schaden im Versorgungsnetz selbst weit entfernte Gebiete in Mitleidenschaft ziehen oder gar das ganze System zum Erliegen bringen. Zudem sind Erdbeben weiträumige Phänomene, sodass mit einer grossen Anzahl von Schadensorten zu rechnen ist. Umso ver­ letzbarer sind Infrastrukturnetze, die ein ganzes Land überziehen. Um diese vor den Folgen von Erdstössen zu schützen, setzt der Bund in einer ersten Phase auf sogenannte Verletzbarkeitsstudien. Diese ermitteln die Schwachstellen, die es vorrangig abzusichern gilt. Neuralgische Stellen aufdecken Eine solche Analyse hat das BAFU zusammen mit der Stromwirtschaft durchgeführt. Gestützt auf die Studien­ergebnisse erliess das Eidgenössische Starkstrom­­

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