Magazin «umwelt» 2/2015 - Leben mit Naturgefahren

Page 26

umwelt 2/2015 > DOSSIER NATURGEFAHREN

INFRASTRUKTUREN SICHERN

Aufrütteln für den Erdbebenschutz Eingestürzte Gebäude und Brücken gehören zu den Schreckensbildern von Erdbeben. Indes können auch weniger spektakuläre Folgen von Erdstössen ein Land lähmen. Dann etwa, wenn wichtige Anlagen zu Schaden kommen. Das BAFU engagiert sich für einen besseren Schutz vor Erdbeben. Text: Lucienne Rey

X

Seismische Gefährdung

X

Beschaffenheit des Baugrundes

Das Grauen im Wallis muss gross gewesen sein, als am­ 9. Dezember 1755 die Erde bebte: «Scheulich und ent­ sezlich» seien die Erschütterungen gewesen, und nie­ mand habe daran gezweifelt, dass «die Burgschaft Brig und alle umliegende stein gebäuw im zehnden müssen ohnfelhbarlich über ein hauffen fallen, und unter dem Schutt vergraben werden», hielt ein Chronist fest. Die Erdstösse waren in einem weiten Umkreis spürbar. Schäden gab es beispielsweise auch in Bern und Luzern. Der Schreck fuhr den Betroffenen nicht zuletzt deshalb in die Glieder, weil gut einen Monat zuvor, am 1. November, das Erdbeben von Lissabon Zehntausende in den Tod gerissen hatte. In der aufgeklärten Öffentlichkeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts war die Sensibilität für die Gefahr von Erdstössen jedenfalls gross. Sogar der Philosoph Immanuel Kant (1724–1804) schrieb eine Ab­ handlung über das Erdbeben, «welches 1755 einen Teil der Erde erschüttert hat». Er ging dabei sowohl auf die Katastrophe von Lissabon als auch auf das spätere Beben «durch die Schweizergebirge» ein.

26

Betroffene Werte

Die ganze Schweiz ist gefährdet Heute ist hierzulande die von Erdbeben ausgehende Gefahr gemeinhin aus dem kollektiven Gedächtnis ver­ schwunden, denn das letzte grössere Ereignis liegt fast 70 Jahre zurück. «Die Erinnerung ist jeweils von den jüngsten Naturereignissen geprägt», stellt Sven Heunert von der Koordinationsstelle des Bundes für Erdbeben­ vorsorge beim BAFU fest. Nach einem schneereichen Winter gelten Lawinen als besonders gefährlich, und nach einer niederschlagsreichen Saison fürchtet man sich vor Hochwasser. «Dabei sind es ausgerechnet die Erdbeben, vor denen keine Region gefeit ist», sagt der Erdbebenfachmann. Und die Zerstörungen der Erdstösse sind oft gewaltig: Das Beben vom 25. Januar 1946 in Siders (VS), das gemäss Schweizerischem Erdbebendienst (SED) eine Stärke von 5,8 auf der Richterskala erreichte, kostete vier Menschen das Leben, beschä­digte allein im Wallis rund 3500 Ge­ bäude und verur­sachte Kosten in Millionenhöhe. Zum Vergleich: Im Dezember 1755 bebte die Erde in Brig mit


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.