Widerspenstige Drucksachen

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– wie Nänny ausführt auch in der Literatur ein besonders oft in ihrer Ikonizität genutztes Paar39 – wird hier durch die Überschneidung mit dem Bild in ihrer augenähnlichen Ikoniziät aktiviert. Der bei Nänny angedeutete Zusammenhang zwischen Evidenz und Ikonizität findet sich auch bei Peirce wieder: Evidenz kann für ihn in sich weder indexikalisch noch symbolisch operieren, da Indexikalität in ihrer gewaltsamen Aufmerksamkeitslenkung nicht der sanften Überredungskraft der Evidenz gerecht wird und die habituelle Natur reiner Symbolizität allein nicht als Evidenz gewertet werden kann.40 Betrachtet man allerdings die Rolle, die Störung für die Produktion ikonischer Evidenz einnimmt, wird deutlich, dass im engeren Sinne nicht die Rede von »Selbstevidenz« sein kann, da diese ikonische Evidenz nur im Zusammenspiel symbolischer und indexikalischer Prozesse entsteht. Bildliche Ikonizität kann prinzipiell auf jeder typografischen Ebene ansetzen. Neben der mikrotypografischen hat auch makrotypografische bildliche Ikonizität Tradition und tritt historisch oft im Kontext des Formsatzes auf. Hier sei wiederum auf Sabine Gross verwiesen, die zahlreiche Beispiele von Formsatz aus der konkreten Poesie analysiert.41 Abweichungen in der Satz-Form spielen auch im Editorial Design der ausgehenden Achtziger und Neunziger eine enorme Rolle. Bei diesem Formsatz der frühen digitalen Typografie handelt es sich allerdings in klarer Abgrenzung von der konkreten Poesie nur vergleichsweise selten um bildliche Ikonizität. In Ray Gun lassen sich einige Ausnahmen finden, so etwa der Artikel über David J (Haskins) aus Ray Gun Nr. 1.42 Hier handelt es sich ganz eindeutig um bildliche Ikonizität: Die Auslassungen zwischen den beiden Spalten formen einen Umriss, der qualitative Übereinstimmungen zu einer Kopfform – konkret zu der von David J – besitzt und dem Zeichengeflecht der Seite somit eine ikonische Dimension verleiht. Makrotypografische Ikonizität beschränkt sich allerdings nicht auf diese Form der Ähnlichkeit, sondern besitzt mit der Diagrammatizität auch eine von Zweitheit geprägte Spielform, die im Folgenden untersucht werden soll.

Ikonizität und Diagrammatik  —  65

39 Vgl. Nänny: »Alphabetic

Letters as Icons in Literary Texts«, S. 178ff.

40 Vgl. Charles Sanders Peirce:

»Prolegomena for an Apology to Pragmatism«, in: The New Elements of Mathematics, hrsg. v. Carolyn Eisele, Bd. 4, Hague: Mouton Publishers, 1976, S. 313–330, hier S. 316.

41 Vgl. Gross: Lese-Zeichen:

Kognition, Medium und Materialität im Leseprozess, S. 67ff.

42

Abbildung 6.4: Ikonischer Formsatz in Ray Gun Nr. 1. Aus: Anita Sarko: »David J«, in: Ray Gun 1 (1992), S. 14.


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