Widerspenstige Drucksachen

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Buchs zu Umweltfragen. Der eigentliche Titel des Artikels steht auf der rechten Seite des Pfeils. Die durch den Pfeil geschaffene Relation ist somit diagrammatische Abbildung einer zeitlichen Differenz – der Zeit des ökologischen Blindflugs. Diesen diskutiert Maldonado am Produktdesign und vor allen Dingen an der italienischen Automobilindustrie. Umweltbilanzen von Drucksachen werden im Heft nicht diskutiert. Wo Fragen der Ökologie behandelt werden, beziehen sich diese primär auf Produktdesign und teilweise auch auf Architektur.232 Quer zu allen thematischen Schwerpunkten bleiben Fragen des Grafik- und Editorial Designs bis 1995 in Form+Zweck unterbeleuchtet. Die Auseinandersetzung mit der ostdeutschen Frauenzeitschrift »Für Dich« und ihrem Wandel zwischen 1988 und 1991 in Ausgabe 2+3 stellt eine der spärlichen Ausnahmen dar. Auch hier wird allerdings kaum über Gestaltung geschrieben, im Zentrum des Artikels steht vielmehr eine Textcollage mit Ausschnitten aus den drei Jahrgängen, deren typografische Gestaltung völlig getilgt wurde.233 Raum für Typografie bleibt im Heft nur auf den letzten Seiten, die kurz einige Workshops zu aktuellen Entwicklungen in Typografie und Grafikdesign erwähnen.234 Dieser Themenmix in Form+Zweck bedingt, wie mit der Herausforderung der Digitalität umgegangen wird: Die Gestaltung mit Computern steht in den ersten Ausgaben der neuen Zählung weniger im Fokus als die Gestaltung von digitalen Interfaces. Dass Interface-Design so schnell zum Thema wird, hängt stark mit Gui Bonsiepe – wie Maldonado in den Sechzigern eine der treibenden Kräfte an der HfG Ulm – zusammen. In Ausgabe 2+3 widmet er dem Thema »Grafische Gestaltung von Interfaces« sechs Seiten, und in seinem Grundsatzprogramm »Die sieben Säulen des Design« in Ausgabe 6 (1992) ist die Digitalisierung Ausgangspunkt für eine Erneuerung der Lehre und Forschung im Design und darüber hinaus. Zentrale Perspektive ist dabei die »Entmaterialisierung«,235 die einen unmotivierten visuellen Raum eröffnet, der von einer neuen Generation von Designern erschlossen werden muss. Dieser Ausgangspunkt hindert

166  —  Störungen in der digitalen Typografie

232 Architektur gehört schon

lange zum Portfolio von Form+Zweck und ist zu DDR-Zeiten auch teilweise Ort des politischen Widerstands. Vgl. Wolfgang Kil: »In der Rückschau. Der Traum von der idealen Zeitung«, in: Zwischen »Mosaik« und »Einheit«. Zeitschriften in der DDR, hrsg. v. Simone Barck/ Martina Langermann/Siegfried Lokatis, Berlin: Ch. Links, 1999, S. 258–264, hier S. 261. 233 Vgl. Antje Kraemer/Martina Moede: »Für dich. ›Wende‹ einer Frauenzeitschrift«, in: Form+Zweck 2+3 (1991), S. 66–67, hier S. 67. 234 Vgl. Ohne Autor: »DIDOTWorks«, in: Form+Zweck 2+3 (1991), S. 121.

235 Gui Bonsiepe: »Die sieben

Säulen des Design«, in: Form+Zweck 6 (1992), S. 6–9, hier S. 6.


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