Widerspenstige Drucksachen

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Frontpage flach und vergleichsweise zurückhaltend in seiner Farbigkeit.204 Auf einen Wettlauf, was die typografische Lautstärke der eige- 204Vgl. Interview Branczyk 13.10.2011. nen Seiten angeht, lässt sich das Heft nicht ein. Nichtsdestotrotz spielt Störung weiter eine Rolle in der Wahrnehmung von Frontpage, wie etwa die Interviews in »10 Jahre Technoclub« belegen. Auf die Frage, was die Technoclub-Betreiber Talla 2XLC und Alex Azary an der Frontpage von 1994 verändern würden, antwortet ersterer: »Die kleine Schrift – sie sieht zwar abgefahren futuremäßig aus, aber es ist jedes Mal eine Tortur, sie zu lesen«,205 und Azary meint: »Ne Leselupe beilegen«206. Auch in der 205Ohne Autor: »10 Jahre deutschen Designpresse wird das Störpotenzial von Frontpage diskutiert, 206Technoclub«, S. 26. Ebd. im Magazin »Page« etwa heißt es:

Die erste Lektüre der »Frontpage« beschert Augenflimmern und Kopfschmerzen. Hilflos sitzt der Technolaie vor den kreischenden Seiten, die nur ein Wahnsinniger gestaltet haben kann, bis irgendwann der Gewöhnungseffekt eintritt und man »Frontpage« als eine professionell gemachte Technozeitschrift anerkennt.207 Damit beschreibt Page genau das Oszillieren zwischen Störung und Transparenz. Dass der Störungsaspekt derart intensiv wahrgenommen wird, liegt auch an den gegenüber den USA und Großbritannien deutlich anderen Voraussetzungen der lokalen Designlandschaft. Eine kritische Auseinandersetzung mit den modernistischen Idealen in der Typografie hatte im Deutschland nur sehr zaghaft stattgefunden. Periodika für die Diskussion eines neuen Typografieverständnisses wie Emigre oder – in weniger ikonisch selbstreferenzieller Form – das britische Eye gab es in den Achtzigern und frühen Neunzigern nicht. Am dichtesten am digitalen Wandel liegt tatsächlich Page, die Mitte der Achtziger als Magazin mit einem Fokus auf Drucktechnik startet und den Fokus dann schrittweise in Richtung Design verschiebt.

156  —  Störungen in der digitalen Typografie

207 Antje Dohmann: »An

der Technofront«, in: PAGE 3 (1995), S. 20.


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