Widerspenstige Drucksachen

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Formen ein relevantes Thema. Hier wird vielmehr ein Raum geöffnet, in dem sich die Typografie zwischen chirografischer Bewegungslogik und geometrischer Konstruktion entfaltet. Um diesen Raum zu strukturieren, haben sich im 20. Jahrhundert zahlreiche Klassifikationssysteme entwickelt, die ihre Strukturen historischen oder grafisch-morphologischen Unterscheidungen verdanken. In den letzten Jahren geht der Trend in der deutschsprachigen Designtheorie dabei klar zu einer primär morphologisch motivierten Strukturierung,5 für die hier stellvertretend Indra Kupferschmids Klassifikationsmatrix vorgestellt werden soll (Abb. 2.1).

6 Abbildung 2.1: Schriftklassifikation nach Indra Kupferschmid.

Die erste Unterscheidung, die in Kupferschmids Matrix getroffen wird, ist, ob eine Schrift Serifen besitzt – diese Klasse nennt sich Antiqua – oder ob sie ohne Serifen auskommt – diese Klasse wird in der Regel als Grotesk7 bezeichnet. Wie alle Unterscheidungen in dieser Matrix handelt es sich hier nicht um eine binäre Opposition, sondern um ein Kontinuum: Es gibt durchaus Mix- oder Semi-Sans-Schriften, die als Hybride zwischen Grotesk und Antiqua stehen.8 Kupferschmids Klassen sind also eher als Prototypen zu verstehen. Innerhalb der serifenbehafteten Klasse existieren wiederum Schriften mit sehr betonten Serifen (etwa »Boton«), die unter dem Titel Egyptienne zusammengefasst werden,9 und solche,

10  —  Typografische Begriffsklärungen

5 Vgl. Indra Kupferschmid:

Buchstaben kommen selten allein, 2. Aufl., Sulgen, Zürich: Niggli, 2009, S. 29ff; vgl. Willberg: Wegweiser Schrift. Erste Hilfe im Umgang mit Schriften. Was passt – was wirkt – was stört, S. 49; vgl. Stephanie De Jong/Ralf De Jong: Schriftwechsel. Schrift sehen, verstehen, wählen und vermitteln, Mainz: Hermann Schmidt, 2008, S. 72ff. Gleichzeitig wird in den genannten Büchern allerdings auch die gängige DIN-Klassifikation (DIN 16518) diskutiert, die auf einer Mischung von historischen und morphologischen Unterscheidungen basiert. 6 Aus: Kupferschmid: Buchstaben kommen selten allein, S. 32.

7 In der DIN-Nomenklatur

wird die Grotesk als serifenlose Linear-Antiqua klassifiziert.Vgl. De Jong/De Jong: Schriftwechsel. Schrift sehen, verstehen, wählen und vermitteln, S. 69. 8 Vgl. ebd., S. 75. 9 Vgl. Willberg: Wegweiser Schrift. Erste Hilfe im Umgang mit Schriften. Was passt – was wirkt – was stört, S. 49.


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