Widerspenstige Drucksachen

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At the same time, the goblet that is used so frequently that we no longer take notice might as well be invisible for it is rendered transparent through conventional usage.75 Diese Transparenz ist somit nicht mehr allein der Garant für Wissensproduktion, sondern gerade das Zusammenspiel mit Störung stellt sicher, dass ein verkörpertes Wissen jenseits immaterieller Idealvorstellungen vermittelt wird. Im Anschluss an Jäger könnte man herausstellten, dass es gerade die von Emigre forcierte Oszillation zwischen Störung und Transparenz ist, die den Fortbestand einer geteilten Kultur sicherstellt, und nicht die makellose Vervielfältigung, welche Kinross propagiert. Die Identität eines Zeichens kann nur durch zwangsläufig unvollkommene Kopien seiner selbst gesichert werden. Dass dieses Prinzip der Iteration auch angesichts der Digitalisierung und ihrer scheinbar fehlerfreien Kopien greift, zeigt einerseits die immer gegebene Abweichung des Sinzeichens im Druck und die Tonalität der Schrift, so wie sie in Emigre herausgearbeitet wird. Was aus Abbildung 7.13 nicht hervorgeht, ist, dass Emigre 34 nicht mehr im überdimensionalen Tabloid-Extra-Format erscheint, sondern 1995 ab Nr. 33 auf 8,5 x 11 inch (etwa 21,6 x 28 cm)76 zusammenschrumpft.77 Dieser Formatwechsel korrespondiert mit einem veränderten Anspruch des Magazins, das nun zunehmend Raum für designtheoretische Essays bietet. »Know Questions Asked« zeigt, dass dieser Wechsel kein Ende des diagrammatischen Experiments bedeutet, dessen epistemische Möglichkeiten hier klar als Teil der diskursiven Struktur über Wissen und Design genutzt werden. Dennoch leitet der Formatwechsel einen langen Abschied von der typografischen Störung ein, der Emigre letztendlich 2002 auf Taschenbuchformat bringt und die Gestaltung respektabler Buchtypografie annähert. Die Störung als solche endet damit nicht, denn der transkriptive Eingriff in den Designdiskurs bleibt Emigre erhalten.78 Die Forschung durch Design, welche die mikrotypografischen Erkundungen von Licko und das diagrammatische Experiment von VanderLans leiten, bleiben

108  —  Störungen in der digitalen Typografie

75 Vgl. Burdick/Sandhaus/

VanderLans: »Know Questions Asked. A Dialogue with Fellow Readers: Notes on Multiplied Language«, S. 57.

76

A4

77 Vgl. Emigre 69 – The

End (2005), S. 53. 78 Dass Störung für Emigre ein Thema bleibt, auch wenn sie auf den eigenen Seiten nicht mehr inszeniert wird, zeigen Artikel wie »Turn Up the Noise«, in dem sich VanderLans 2003 weiterhin für grafische Widerständigkeit einsetzt.Vgl. Rudy VanderLans: »Turn Up the Noise«, in: Emigre 65 (2003), S. 8–15.


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