BIORAMA Niederösterreich #8

Page 1

KOSTENLOS — ABER ABONNIERBAR

P.B.B. — 11Z038861 M — 1060 WIEN

BIORAMA NIEDERÖSTERREICH AUSGABE 8 — NOVEMBER/ DEZEMBER 2021   WWW.BIORAMA.EU

DI E N I E DE RÖS T E R R E IC H A U SG A BE #8

SIE HABEN IHREN ZIELKONFLIKT ERREICHT! Mobilität gegen Umweltschutz: Wo soll das noch hinführen? Muskelkräftemessen: Niederösterreich will vorausradeln. Milchbubenrechnung: Bio und Vegan werden Schule machen. Frühstücksdirektionen: Hier entlang zu den besten Biofrühstücksangeboten.

— — —

27 36 42


WIR MACHT’S MÖGLICH. Es ist nicht der Einzelne, der die Welt verändert. Es ist die Gemeinschaft, die stärker ist als alles andere. Das Wir, das füreinander sorgt und füreinander Mehrwert schafft. Aus der Region und für die Region und die Menschen, die darin leben. So ermöglichen wir die Verwirklichung großer Träume und gestalten eine nachhaltige Zukunft. wirmachtsmöglich.at Impressum: Raiffeisen-Landeswerbung Niederösterreich-Wien, F.-W.-Raiffeisen-Platz 1, 1020 Wien.


B IO R A M A N Ö

E D I T O R IA L , IM P R ESSU M

3

FLUIDE PROZESSE Wo die Grenze zwischen Niederösterreich und Wien ­unter der Oberfläche verläuft, wissen bekanntlich nur die ­GeologInnen. Sichtbar wird das nicht zuletzt an der Einigkeit, mit der Mobilitätsagenden gemeinsam in Richtung Bund vertreten werden. Dort werden Straßenbauprojekte derzeit recht grundlegend infrastrukturell hinterfragt, die beiden Länder nehmen das sportlich als Herausforderung an. Wenn es nicht gelingt, den Individualverkehr auf beiden Seiten der Lobau zu »redimensionieren«, könnte die Zahl der GewinnerInnen jedoch langfristig überschaubar bleiben. Apropos Zukunft: Von beiden Bundesländern bedeckt wird auch eine gemeinsame Lebensader in Form eines Grundwasserreservoirs im Wiener Becken, das womöglich längst mehr Prominenz und Behütung verdient hätte. Wir wünschen gute Lektüre!

BILD BIORA MA /SE LINA ALGE , SE LINA S CHO BEL

IMPRESSUM

Irina Zelewitz, Chefredakteurin zelewitz@biorama.eu

Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu @th_weber

HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEURIN Irina Zelewitz AUTORINNEN Samantha Breitler, Ruth Eisenreich, Andrea Heistinger, Florian Jauk, Martin Mühl, Werner Sturmberger GESTALTUNG Nanna Prieler, Selina Schobel, Lektorat Matthias Feldner COVER­BILD ­Selina Alge, Selina Schobel ANZEIGENVERKAUF Herwig Bauer, Tanja Grossauer-Ristl, Thomas Weber DRUCK Walstead NP Druck GmbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Windmühlgasse 9 / 14, 1060 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Windmühlgasse 9/14, 1060 Wien; www.biorama.eu, redaktion@biorama.eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT www.biorama.eu ERSCHEINUNGSWEISE BIORAMA 6 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSWEISE BIORAMA NIEDERÖSTERREICH 2 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien. BLATTLINIE biorama ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für den Menschen und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. biorama erscheint sechs Mal im Jahr. Zusätzlich erscheinen wechselnde BIORAMA-Line-Extentions.


B IO R A M A N Ö

INHALT Editorial Bild der Ausgabe 08 Splitter 03

06 10 13

Strike Talk »Zufrieden mit den Instrumenten« Landesrat Ludwig Schleritzko über Mobilität, Natur und Rechtsvertrauen.

18

Auf Sand gebaut Über ein Grabungsprojekt, bei dem es vielleicht vor allem darum geht, den Schatz nicht zu finden.

24

Transitstopp Anton Dorfinger aus Dobersberg im Interview zum internationalen LkwTransit im Waldviertel.

27

Radland Niederösterreich Das Land Niederösterreich will zum Vorzeigeland beim Radfahren werden.

35

Mischkultur Gärten brauchen Grenzen. Diese können richtig einladend sein, blühen und fruchten.

36

18

DER SCHATZ IM SANDSTEIN Die Donau transportiert etwa 2000 m3 Wasser pro Sekunde. Der strömende Grundwasserkörper rundherum im Wiener Becken transportiert ein Vielfaches davon.

Schulmilchmarkt Wer sie liefert, wer sie haben will und wie es um pflanzliche Alternativen steht.

42

Biobrunch Wo es in Niederösterreich Biofrühstück gibt.

48

Und sonst so ... Die Bioprodukte des Jahres 2022

KOLUMNEN 50

Hintaus

BILDER G EOLO GIS CHE BUNDES ANSTALT WIEN, I STPCK/ BROCHE, MATTHIAS LED WI NK A, F REI LER, I STO CK/ D INKASPELL,

4

AU F TAKT


5

24 »NICHT MAL AUF DER KARTE«

Waldviertler BürgerInnen wehren sich gegen den internationalen Lkw-Transit.

42 FRÜHSTÜCK IN BIO

Wo es in Niederösterreich 100% biozertifiziertes Frühstück gibt.

36 KALZIUM FÜR DIE KLEINSTEN

Wie zeitgemäß ist es, den Absatz tierischer Produkte zu fördern?

48 UND SONST SO ...

... im BIORAMA-Universum: Die Bioprodukte des Jahres 2022 sind gekürt.


B IO R A M A N Ö

BI L D D ER AU SGA B E

6

ÜBER DIE GRENZEN DES WACHSTUMS

BILD: STEFANIE GRÜSSL

Zersiedelung und Flächenfraß auf einen Blick. Die Luftaufnahme – fotografiert 2019, über den Siedlungen Gänserndorf Süd – zeigt, was die Raumplanung im Speckgürtel um Wien beschäftigt. Im selben Jahr wurde über den Ortsteil ein Baustopp verhängt. Untersagt sind sowohl Neubauten auf gewidmetem Bauland als auch – wohl vorerst – eine Verdichtung auf bereits teilbebauten Grundstücken. Die enorme Bautätigkeit hatte die Gemeinde über »die Kapazitätsgrenzen der infrastrukturellen Ausstattung« gebracht. Gebaut wird hier im Marchfeld übrigens auf den fruchtbarsten Böden der Republik. Der Masterplan eines »Grünen Rings« um Wien versucht, dieses Wachstum überregional zu bewältigen.


7

Mehr zum Grünen Ring um Wien

BIORAMA NÖ3 Ganz klein im Bild zu sehen: Vor jedem Einfamilienhaus steht mindestens ein Pkw. Vom BIORAMA.EU/NOE3 Sammeltaxi »Marchfeld mobil« haben viele BewohnerInnen vermutlich noch nicht gehört – mehr auf istmobil.at. Seit 2021 führen zwei Buslinien (521 und 524) nach Strasshof, DeutschWagram und Gänserndorf-Stadt – und damit über die Schnellbahnlinie S1 nach Wien. Das Foto ist Teil der Wanderausstellung »Boden für alle« des Architekturzentrums Wien, die das Architekturnetzwerk Niederösterreich ab 14. Jänner 2022 nach Waidhofen an der Ybbs bringt. THOMAS WEBER


B IO R A M A N Ö

SPL I T T E R

8

FISCH- UND VOGELPERSPEKTIVE:

REISEFÜHRER:

Ein Hightech-Beobachtungsmobil erforscht für die Bundesforste den Nationalpark Donau-Auen.

Ein Reiseführer zeigt auch Einheimischen, was sich in der Region zu erkunden lohnt.

Nach knapp zweijähriger Entwicklungszeit soll das sogenannte Spähikel ab dem Frühjahr 2022 im Rahmen von geführten Exkursionen jenen Teil des Lebens im Nationalpark zeigen, der uns bisher meist verborgen bleibt. Der witterungsfeste Beobachtungswagen wurde in Leichtbauweise aus einem Anhängerchassis für Tiny Houses und einer aufgesetzten Holzkonstruktion errichtet. Mit 360-Grad-Kameras, Nachtsichtgeräten und Drohnen nimmt das Spähikel im Wald, aus der Luft und unter Wasser Video- und Audiodateien auf und fügt sie zu einer Virtual-Reality-Erfahrung für BesucherInnen zusammen: Hier können Tiere aus neuer Perspektive beobachtet werden – inklusive Geräuschkulisse, die mithilfe einer Künstlichen Intelligenz erfasst wird. Es »soll das unmittelbare Naturerlebnis vertiefen, ergänzen und zusätzliche Horizonte öffnen«, sagt Johannes Wimmer, Betriebsleiter der Österreichischen Bundesforste im Nationalpark Donau-Auen. Zudem unterstützt es die Österreichischen Bundesforste im Langzeitmonitoring der Biodiversität und dient Schulen als mobile Forschungsstation. Details ab April online im Bereich »Natur Erleben« der Bundesforste. SAMANTHA BREITLER bundesforste.at

»Blickt man von einem der unzähligen Gipfel über das Land, könnte man es auch für einen riesigen Obstgarten halten«, schreibt Georg Renöckl, Journalist und mittlerweile mehrfacher Reisebuchautor. Wer sich bewusst ins Mostviertel aufmacht, weiß wohl, woher die Gegend ihren Namen hat – von den Streuobstwiesen beziehungsweise dem aus ihren Äpfeln und Birnen gepressten Most. Andere Kostbarkeiten oder Kleinode sind weniger offensichtlich. Renöckl führt uns in seinem 2021 erschienenen »111 Orte im Mostviertel, die man gesehen haben muss« zu ihnen, immer achtsam, aber ohne übertriebenen Respekt: vor romanische Kirchenfenster (»katholische Kirchen sind oft die reinsten Gruselkabinette«), in rührige Museen oder ins Wildnisgebiet Dürrenstein. Dass es dem Autor mitunter gelingt, den Blick fürs Detail zu schärfen – etwa vor einem Waidhofner Wimmelbild mit übermaltem Hakenkreuz (im Sitzungssaal des Gemeinderats) –, macht dieses Büchlein politischer als vergleichbare heimattümelnde Reiseführer. Was der im Emons Verlag erscheinenden Buchreihe ganz generell fehlt: Hinweise zur Erreichbarkeit der vorgestellten Orte mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. THOMAS WEBER emons-verlag.de

ÖBF-A RC HI V- F. KOVACS, E WS C ONSULTING GMBH, E MONS-VE RLAG , BETTI DRI NK

KIRCHEN ALS GRUSELKABINETTE

BILD

SPURENSICHERUNG


9

DIVERSES:

WASSERVERSORGUNG:

Hier wird Strom angebaut und Biodiversität und Nahrung erzeugt.

Automatischer Fortschritt bringt eisgekühlte Biolimonade und kostenloses Wasser.

In Bruck an der Leitha hat im Oktober die Umsetzung eines »Agri-Photovoltaik-Projekts« begonnen: Eine solche Nutzung landwirtschaftlicher Flächen auch zur Stromgewinnung kann als zweites Standbein für LandwirtInnen dienen, etwa als Abfederung in Jahren mit Ernteausfällen. Die für die Stromproduktion »verbrauchten« Flächen gering zu halten ist dabei wichtig, um der landwirtschaftlichen Nutzung möglichst wenig zu entziehen, aber auch für die soziale Akzeptanz solcher Doppelnutzungskonzepte. Auf dem 5 ha großen Versuchsareal »ews Sonnenfeld« werden nun 80% für die Lebensmittelproduktion genützt, 18% als Blühstreifen zur Biodiversitätsförderung und 2% für Photovoltaikanlagen – inklusive Wegenetz. So wird Strom gewonnen, mit dem 400 durchschnittliche Haushalte, 400 Wärmepumpen und 400 E-Autos versorgt werden könnten. Mit dem Energiepark Bruck und der Universität für Bodenkultur erforscht die ews Consulting hier, welche technische Auslegung und welche Pflanzenkulturen und Bewirtschaftungsformen sich optimal für eine Agri-PV-Anlage eignen. Dafür hat das Projekt einen Förderpreis des Klima- und Energiefonds bekommen und kann sich nun »Muster- und Leuchtturmprojekt Photovoltaik« nennen. Wer wissen will, ob auch ihr/sein Feld geeignet wäre, macht den »Flächencheck«. ews-sonnenfeld.com IRINA ZELEWITZ

Gerade dort, wo die Einkaufs- und Entsorgungsmöglichkeiten eher basal sind, ist der Verzicht auf Plastik besonders schwierig: zwischendurch, unterwegs, zum Mitnehmen. Der Neunkirchner Manuel Gollinger (24) hat einen Getränkeautomaten entwickelt, der weder pet-Flaschen noch Aludosen ausgibt. Statt Einweggebinden setzt er darauf, dass umweltbewusste KonsumentInnen – oder Unternehmen für ihre MitarbeiterInnen – seine Mehrwegtrinkfalsche »Betti-Bottle« kaufen. Der Automat Betty braucht einen Wasseranschluss – der ermöglicht, dass vor Ort gemixt und insofern erheblich weniger antransportiert wird. Die Zutaten haben Bioqualität und stammen aus österreichischer Herstellung – von Eistee bis zu Säften und süßungsmittelfreien Erfrischungsgetränken gibt es alles in den Varianten mit und ohne Kohlensäure. Sodawasser gibt’s auch. Bezahlt wird über eine App, die ein zuvor aufgeladenes Guthaben verwaltet. Außer man entscheidet sich für Leitungswasser, das gibt’s kostenlos. Pro Standort und Jahr spart »Betti« dem Unternehmen Bettydrink zufolge rund 1900 kg CO2 sowie 570 kg Rohöl und vermeidet 8,7 Kubikmeter Plastikmüll sowie Glas und Alu im Vergleich zu einem herkömmlichen Getränkeautomaten.. bettidrink.at IRINA ZELEWITZ

FELDKRAFT

PET: ZERO


B IO R A M A N Ö

10

ST R I K E TA L K

STRIKE TALK WIR FRAGEN IM PROTESTCAMP IN DER LOBAU, 10 EINNEHMENDE ANTWORTEN.

» WAS VERLIERST DU, WENN DER LOBAUTUNNEL GEBAUT WIRD?« INTERVIEW UND BILD FLORIAN JAUK

BIANCA

26, Jusstudentin »Ein Stück die Hoffnung auf eine zukunftsfähige Stadt und ein zukunftsfähiges Verkehrskonzept. Weil es klar ist, dass der Lobautunnel mit den Klimazielen überhaupt nicht vereinbar ist. Vor allem, weil neue Straßen den Klimawandel nur noch weiter anfeuern und zu mehr Verkehr führen. Außerdem werden Milliarden an Steuergeldern in klimaschädliche Projekte investiert, statt mit dem Geld eine bessere, klimafreundlichere Infrastruktur zu schaffen.«

MERLE

27, Aktivistin »Es ist nicht das Ende der Welt, wenn der Lobautunnel gebaut würd, und ich würde auch persönlich in keinen tiefen Graben stürzen, aber es wäre schon ein ganz massives Zeichen, das von der Politik gesetzt würde. Ein Zeichen dafür, dass in Kauf genommen wird, dass es immer weiter und schneller in Richtung Klimakatastrophe geht. Und dass sich die Politik nicht wirklich für die Menschheit und den Planeten einsetzt. Das Projekt ist ein Dreh- und Angelpunkt. Wenn der Lobautunnel nicht gebaut wird, ist es für mich ein riesiges, gutes Zeichen, dass wir das Ruder gemeinsam rumreißen und die Weiterentwicklung der Gesellschaft in ordentliche Bahnen lenken können. Ich weiß nicht, wie viel wir damit wirklich beeinflussen können, aber mehr, als wenn wir einfach weitermachen wie bisher – ohne Mobilitätswende und ohne Umdenken.«

RUDI

79, pensionierter Manager in der Fluglinienbranche »Ich war in Hainburg. Der Lobautunnel ist so etwas wie eine Wiederholung davon. Persönlich würde es mich nicht berühren, wenn der Lobautunnel gebaut wird. Ich bin 79 Jahre alt und habe keine Kinder. Deswegen könnte es mir völlig egal sein, was in sechs Jahren mit der Lobau ist. Aber die Umwelt und die Lobau waren mir immer ein Anliegen und ich freue mich, dass es so viele junge Leute gibt, die auch andere Methoden sehen, um ihren Protest zu äußern, als auf Likes zu klicken. Und ich möchte sie unterstützen, soweit es möglich ist. Deswegen versorge ich als Anrainer das Camp hier mit Wasser.«


LUKA

21, Soziologiestudentin »Ich verliere ein bisschen meine Liebe zu Wien, weil es eine Stadt ist, die sich durchaus für eine klimagerechte Zukunft einsetzt und mit diesem vor 20 Jahren beschlossenen Projekt veraltete ­Politik macht und damit auch meine Zukunft aufs Spiel setzt. Natürlich ist die Lobau außerdem ein Ort, an dem ich mich gerne bewege. Dieses Naturschutzgebiet steht für so vieles von diesem Wiener Flair mit vielen Grünflächen. Dass die Stadt selbst da einen solchen Strich durch die Rechnung machen möchte, zeigt einfach, dass sie dem Naturschutz nicht den Stellenwert gibt, der lange propagiert wurde. Damit verliere ich und verlieren wir einen Teil der Wiener Identität.«

HENRY LADEN SHOPPEN FÜR DEN GUTEN ZWECK Unterstützen Sie jetzt Sozialprojekte in Ihrem Bezirk - mit einem Einkauf im Henry Laden! BEI UNS FINDEN SIE • Casual Mode & Designer Klamotten • Accessoires, Taschen & Schuhe • Geschirr, Kleinmöbel & Bücher zu leistbaren Preisen. KAUFEN SIE • NACHHALTIG • ÖKOLOGISCH • SOZIAL

PHILIPP

35, derzeit arbeitssuchend »Ich verliere die Hoffnung in die aktuelle Politik und dass diese die Zeichen der Zeit erkennt und endlich loslässt von Verkehrskonzepten des letzten Jahrhunderts. Der Lobautunnel wäre meiner Meinung nach nicht nur ein Verlust der Natur. Ich sehe ihn als negatives Sinnbild der derzeitigen Politik.«

WWW.HENRYLADEN.AT


B IO R A M A N Ö

ST R I K E TA L K

12

BASTIAN

MATTHIAS

33, EDV-Kaufmann »Die Community, die hier alles aufgebaut hat. Das zu verlieren würde mir persönlich am meisten wehtun, weil ich mich schon lange nach so einer Community gesehnt habe. Lässt man meine persönlichen Bedürfnisse außen vor, würde natürlich der Nationalpark abgehen, sobald der kontaminiert ist mit Erdöl, das austritt, wenn er für den Bau des Tunnels angebohrt wird.«

MALVE

22, Vollzeitaktivistin »Ich hab Angst, dass ich meinen Lieblingsplatz in der Lobau verliere. Das ist nämlich der Donau-Oder-Kanal, wohin ich gerne mit dem Rad fahre und schwimmen gehe. Ich habe Angst, dass durch den Lobautunnel die Biodiversität und die Natur danach nicht mehr das Gleiche ist und es ein zu großer Eingriff in die Natur sein wird.«

OMID

26, Elektrotechnikstudent »Perspektive und Hoffnung, dass eine Mobilitätswende in unserem Sinne möglich ist. Wenn wir es in diesem Jahrzehnt immer noch nicht schaffen, umzudenken und Sachen von Grund auf neu zu denken, dann fürchte ich, werden wir es nie schaffen. In der Klimakrise geht es ja darum, die schlimmsten Szenarien abzuwenden – das ist das Ziel. Mit dem Lobautunnel stirbt für mich diese Hoffnung. Ich sehe das Projekt als Sinnbild: Es steht viel mehr dahinter als nur der Asphalt. Das System Auto, das System der fossilen Energieträger und das kapitalistische System, das unseren Planeten und damit unsere Lebensgrundlage ausbeutet.«

22, Kfz-Mechaniker »Was es lange nicht in Wien gab, war ein widerständiger Ort. Wenn der Lobautunnel gebaut wird, würde das auch damit einhergehen, dass die Besetzungen in der Lobau verschwinden. Für mich ist es wichtig, dass es in Wien Orte gibt, an denen Alternativen zur derzeitigen kapitalistischen Zerstörungswut gelebt werden. Wo Träume möglich sind und Beziehungen entstehen, die im normalen Stadtleben nicht möglich sind. Deswegen ist die Lobau ein kleines Licht in einer grauen Stadt.«

ALEXANDER

76, pensionierter Übersetzer »Ich würde das verlieren, was absolute Notwendigkeit ist – nämlich den Autoverkehr zu reduzieren. Jegliche Bespielung mit Massenverkehr der Lobau – ganz egal, ob es eine Brücke, eine Autobahn oder ein Tunnel ist – zieht noch mehr Verkehr an.«


BIO R A M A NÖ

MO BI L I TÄT U N D N ATU R

»ZUFRIEDEN MIT DEN INSTRUMENTEN«

Die Kamptalbahn führt von Hadersdorf am Kamp über Horn, wo Landesrat Ludwig Schleritzko lebt, an die Franz-Josefs-Bahn. Durch deren Ausbau wird auch Horn schon bald noch besser ans Schienennetz angebunden sein.

BILD

LIBERALE R HU MANIST .

Ein Gespräch mit Landesrat Ludwig Schleritzko über Mobilität und Natur. Über Konflikte, Rechtsvertrauen und Zufriedenheit mit dem, was er in der Hand hat, um Politik durchzusetzen. BIORAMA: Landauf, landab gibt es Proteste für und gegen Straßenbauprojekte. Manche davon – nicht nur das Lobau-Bauprojekt – sind seit Langem geplant. Gibt es einen klassischen Weg, wie man mit dem Zielkonflikt zwischen Mobilitätsbedürfnissen und Umwelt-, Natur- und Klimaschutz umgeht LUDWIG SCHLERITZKO: Es gibt keine Patentlösung. Aber es gibt erprobte rechtsstaatliche Verfahren, um einen gewissen Ablauf zu gewährleisten und Konfliktsituationen zu bewerten und vielleicht auch zu entschärfen. Es ist ja nicht nur ein Zielkonflikt zwischen Mobilität und Umwelt-, Natur- und Klimaschutz. Es gilt auch Faktoren wie Lebensqualität und wirtschaftliche Entwicklung zu betrachten. Dafür braucht es die rechtsstaatlichen Verfahren wie die Strategische Prüfung Verkehr (spv), die in Österreich sowohl für hochrangige Projekte auf der Straße als auch der Schiene stattfindet. Auch bei Schienenprojekten gibt

es immer wieder den angesprochenen Zielkonflikt. Und es gibt natürlich auch die Umweltverträglichkeitsprüfung (uvp). Die gewährleistet aus unserer Sicht ja auch die Teilnahme von BürgerInnen beziehungsweise BürgerInnenbewegungen bei großen Bauprojekten. Brauchen wir hier neue Entscheidungsfindungsverfahren? Ich glaube, die derzeitigen Instrumente sind ausreichend. Und wir kennen das ja bei unterschiedlichen Bauvorhaben. Wenn man von der Lobau weggeht, zum Beispiel zur S8, der Marchfeld-Schnellstraße, die gerade bei Gericht anhängig ist: Hier müssen nun RichterInnen oder Behörden entscheiden, in welche Richtung es gehen soll. Du wirst es bei solchen Bauprojekten im 21. Jahrhundert nie allen recht machen können. Es braucht natürlich übergeordnete Instanzen. In Ihrer vorherigen Tätigkeit im Nationalpark Thayatal waren Sie fast nur dem

INTERVIEW Irina Zelewitz

13


B IO R A M A N Ö

MO BI L I TÄT U N D N ATU R

14

Ludwig Schleritzko Der Agrarökonom Ludwig Schleritzko ist seit März 2017 Landesrat (ÖVP) für Finanzen, seit 2018 auch für Mobilität (Straßenbau und öffentlicher Verkehr) in der niederösterreichischen Landesregierung.

Hüten der Natur vor menschlichem Eingriff verpflichtet. Fehlt es Ihnen manchmal, einen so klaren Auftrag zu haben? Als Nationalparkdirektor ist man mehr als nur der Hüter der Natur. Jedenfalls habe ich meine Rolle damals im Nationalpark Thayatal so angelegt. Und auch die KollegInnen machen das fast in allen Nationalparks so. Es geht auch hier darum, Ausgleich zu finden. Den zwischen Tourismus und Naturschutz, weil diese Schutzgebiete unter touristischem Druck stehen. Den zwischen Jagd und Naturschutz, im Nationalpark Thayatal findet Jagd zum Beispiel auf Schwarzwild statt. Glassturzpolitik im Naturschutz ist oft kontraproduktiv für das eigentliche Naturschutzziel. Was meine ich damit? Der Natur ihren freien Lauf lassen, das gibt es auch in manchen Nationalparks nicht. Das Nationalparkprinzip »so wenig wie irgendwie möglich eingreifen« gilt ja außerhalb des Nationalparks so nicht. Na ja, in unserer Denke natürlich schon. Wir asphaltieren ja nicht aus Prinzip irgendwelche Straßen. Auch hier geht es darum, mit Augen-

»Zu diskutieren ist, ob es ein Zweit- und Dritt- oder ein Viertauto braucht in einem Haushalt.« —  Ludwig Schleritzko maß zu arbeiten und maßvoll mit der Natur umzugehen, zum Beispiel mit dem Verbrauch von Boden. Im kürzlich veröffentlichten niederösterreichischen Doppelbudget sehen Sie ein klares Bekenntnis zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Gleichzeitig haben Sie auch Einsparungen bei Infrastrukturprojekten angekündigt. Kann man daraus schließen, dass manche der jetzt diskutierten Straßenprojekte gar nicht umgesetzt werden? Wir haben uns darauf verständigt, dass wir gewisse Straßenbauprojekte durchführen. Etwa Projekte, die unmittelbar die Menschen in ihrer Lebensqualität und ihrem Lebensumfeld betref-

ANTEIL DER WEGE UNTER 5 KM UND ANTEIL AKTIVER MOBILITÄTSFORMEN NACH VERKEHRSZWECK

BILD

GERA LD L ECHNE R

Quelle: Mobilitätserhebung Niederösterreich 2018.


fen. Ortsumfahrungen sind zum Beispiel von diesen Kürzungen nicht betroffen. Auch bei Unfallhäufungsstellen werden wir infrastrukturelle Maßnahmen setzen und notwendige Sanierungen weiterhin vornehmen. Warum haben wir das jetzt gemacht? Ich bin ja nicht nur Mobilitätslandesrat in Niederösterreich, sondern eben auch Finanzlandesrat. Wir erleben enorme Preissteigerungen im Baubereich und diese Preistreiberei wollen wir nicht mitmachen. Es ist volkswirtschaftlich gescheit, jetzt darauf zu verzichten. Jetzt bin ich seit vier Jahren als Verkehrslandesrat auch für den öffentlichen Verkehr in Niederösterreich zuständig. Für diesen haben wir heute mit rund 438 Millionen Euro drei Mal so viel Geld wie vor zehn Jahren. Das ist schon gewaltig, was wir in den öffentlichen Verkehr investieren.

Hol dir die bunte Vielfalt

Heißt das, dass diese Straßenbauprojekte später nachgezogen werden, großteils aus Budgetgründen? Manche Dinge werden wir verschieben. Aber Straße und öffentlichen Verkehr gegeneinander auszuspielen ist die falsche Herangehensweise, weil öffentlicher Verkehr in Niederösterreich nicht nur Schiene ist. Wir brauchen die Straße in Niederösterreich, um öffentlichen Verkehr zu gewährleisten, sprich Busverbindungen. 40 Prozent des öffentlichen Verkehrs finden auf der Straße statt, mit einem gut ausgebauten Busnetz. Das Flächenbundesland Niederösterreich hat ganz andere Planungsaufgaben als zum Beispiel Tirol mit klaren Hauptachsen in den Tallandschaften, wo auch der ÖV nur einen möglichen Weg hat. Gibt es eine Zielsetzung, die 40 Prozent perspektivisch in die eine oder andere Richtung zu verschieben Wir gehen davon aus, dass die Busse weiterhin in dieser Größenordnung bleiben. Wir wollen aber, was den Modal Split betrifft, den Anteil des Individualverkehrs senken durch verschiedenste Maßnahmen: sei es durch bessere Angebote auf der Schiene – also bessere Taktverbindungen –, sei es durch bessere Angebote auf der Straße, mit den Bussen, aber eben auch solche für aktive Mobilität. Also fürs Radfahren und Zu-Fuß-Gehen. Wir haben das Ziel, bis 2029 das Angebot bei den Bussen um 30 Prozent und bei der Bahn um 25 Prozent zu steigern. Wir haben schon ambitionierte Ziele, was den Ausbau des öffentlichen Verkehrs betrifft. Der niederösterreichische Landesumweltanwalt Thomas Hansmann hat in einem Onlineinterview 2019 gesagt: »Manchmal, da nehme ich mir auch das Recht heraus, strategische Eisen anzufassen.« Wie funktioniert eigentlich die Abstimmung zwi-

Die Schätze unserer Bio-Landwirtschaft, das Gemüse unserer Felder und die Kräuter aus dem Kräutergarten veredeln wir bei uns am BioHof oder gemeinsam mit ausgewählten Bio-Partner*innen zu unseren vielfältigen ADAMAH Bio-Produkten. Genieße BioPestos mit Biss, fruchtige Säfte, würzige Kräutermischungen, wohltuende Tees sowie Öle, Nudeln, Reis und vieles mehr. www.adamah.at/adamahbioprodukte


B IO R A M A N Ö

MO BI L I TÄT U N D N ATU R

16

Landesrat Ludwig Schleritzko zwischen der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Infrastrukturministerin Leonore Gewessler, nachdem die Verhandlungen zum österreichweiten Klimaticket Ende September zu einem Ergebnis gekommen waren. Der Verkauf der regional gültigen Klimatickets startete am 25. Oktober. Sie sind seither in allen Verkehrsmitteln des VOR gültig.

In der Grenzregion Wien/Niederösterreich: Was sollte getan werden, um die Verkehrssituation für jene, die nach Wien von Norden einpendeln, und auch für die, die diesen PendlerInnen im Weg wohnen, zu verbessern? Einige Verbesserungen gibt es in den kommenden Jahren, zum Beispiel auf der Franz-

FLO RIAN SCHRÖTT ER

Wie werden NiederösterreicherInnen in Zukunft typischerweise das nächste Zentrum erreichen Es braucht einen Mix an Mobilität für uns in Niederösterreich. Unser Ziel ist es, den Umweltverbund zu stärken, das heißt, mit dem ÖV unterwegs sein, zu Fuß gehen, Rad fahren mit den genannten Steigerungsraten. Nicht nur im Öffi-Ausbau, sondern auch im Bereich Mobility on Demand wollen wir große Fortschritte machen. Aber klar ist für uns auch, dass es in manchen Regionen den Individualverkehr brauchen wird. Die Frage ist, wie diese Autos möglichst umweltschonend angetrieben werden. Wir wollen Angebote derart ausbauen, dass zu diskutieren ist, ob es ein Zweit- und Dritt- oder ein Viertauto in einem Haushalt braucht.

Ist für einen Stau immer ein bisschen mitverantwortlich, wer drin steht? Die Devise muss lauten: Wer kann, sollte vom Privatauto auf Öffis und andere Angebote umsteigen. In der Ostregion – also in Niederösterreich, Wien und dem Burgenland –, in unserem Verkehrsverbund, wo wir 60 Prozent des österreichischen Aufkommens von PendlerInnen im öffentlichen Verkehr haben, merken wir: Wenn es die Möglichkeit gibt, funktioniert das schon sehr gut. Da haben wir mit dem Klimaticket und seinem Preis wirklich einen wichtigen Schritt gesetzt. Wir haben es finanziell leichter gemacht, den öffentlichen Verkehr zu nutzen. Wir wollen es aber nicht extraschwer machen, mit dem Auto unterwegs zu sein. Oberstes Motto ist, sicher durchs Land zu kommen.

BILD

schen einem Landesrat mit Ihren Kompetenzen und der Umweltanwaltschaft? Diese Abstimmung liegt natürlich im Wesentlichen auf Ebene der FachexpertInnen. Es ist nicht so, dass ich mit dem Umweltanwalt jedes Straßenbauprojekt in Niederösterreich bespreche, auch deswegen, weil es erprobte rechtsstaatliche Verfahren gibt. Dann läuft das natürlich immer korrekt und sachorientiert.


Josefs-Bahn, dem wichtigsten Verkehrsträger im Waldviertel, der auch das Weinviertel mitbedient. Im Nordosten wird die Laaer Ostbahn, dazwischenliegend auch die Nordwestbahn und im Osten der Marchegger Astausgebaut. Hier wird wirklich viel getan für die PendlerInnen. Wir in Niederösterreich merken aber natürlich schon, dass wir in Wien die Schiene betreffend sehr stark an die Grenzen stoßen, konkret auf der Stammstrecke. Auf der Hauptverkehrsachse durch Wien durch wird es bald einmal infrastrukturelle Ausweitungen brauchen. Dort wird man sich überlegen müssen, ob man nicht eine neue Schienentrasse plant, damit mehr Züge nach Wien und durch Wien durchkommen. Für VerkehrsplanerInnen ist es ganz logisch, dass das kommen wird müssen. Ich bin da ein bisschen Mahner und Rufer und weiß, dass das auf vielen Ebenen, egal ob in den großen Verkehrsbetrieben, die auf der Schiene unterwegs sind, in zuständigen Ministerien und in den zuständigen Landesverwaltungen, sehr wohl gehört wird. Das ist aber zum einen mit riesigem finanziellen Aufwand verbunden und zum anderen mit Zielkonflikten. Das bedeutet eine zweistellige Zahl an Jahren von Planung zur Fertigstellung und eine große Baustelle, damit werden viele Menschen keine Freude haben. Da kann es sein, dass ein neues Gutachten dazwischenkommt. Es kann sein, dass ein neues Gutachten in den Weg kommt oder die Befindlichkeit einer Anrainerin oder eines Anrainers. Damit muss der Rechtsstaat dann halt umgehen können. Wir reden immer nur vom Straßenbau, wenn wir an Zielkonflikte denken. Auf der Schiene kann es auch Konflikte geben. Mit dem Eisenbahngesetz gibt es natürlich andere gesetzliche Instrumentarien, aber es gibt auch Menschen, die nicht unbedingt eine Schiene vor ihrer Haustür haben wollen. Sie mahnen in Richtung Bund? Wir reden von Menschen, die aus Niederösterreich, aber auch aus dem Burgenland oder der nördlichen Steiermark nach Wien einpendeln. Das betrifft vier Bundesländer, das betrifft den bevölkerungsreichsten Raum

»Wir in Niederösterreich merken natürlich schon, dass wir in Wien die Schiene betreffend stark an die Grenzen stoßen.« —  Ludwig Schleritzko in Österreich. Den Raum mit dem höchsten PendlerInnenaufkommen. Das ist aus meiner Sicht eindeutig als Bundesprojekt zu betrachten. Werden wir mal weniger konkret. Wünscht man sich aus Länderperspektive manchmal andere Konzepte der Entscheidungsfindung, um große Dinge wie Klimaziele zu erreichen und mit dem Föderalismus besser zu vereinbaren? Die demokratischen Spielregeln, die uns in der Republik Österreich zur Verfügung stehen, sind aus meiner Sicht ausreichend. Das ist halt Politik – das oft zitierte »Bohren dicker Bretter«. Dafür braucht es Überzeugungsarbeit und Diskussion. Ich bin zufrieden mit den Instrumenten, die ich in der Hand habe, um Politik durchzusetzen, Ich sehe sie auch als Demokrat als ausreichend an. Welches ist derzeit Ihr Lieblingsbrett? Das allererste Doppelbudget, das wir im Landtag beschlossen haben, war schon ein großer Wurf für uns in Niederösterreich. Zum Zweiten das Klimaticket. Das hat uns eineinhalb Jahre lang sehr stark beschäftigt und schlussendlich haben wir in der Ostregion doch zugestimmt. Weil zwei Dinge gewährleistet waren: zum einen die Einführung aller Ticketstufen gleichzeitig – als erste Region, die zwischen drei Bundesländern auch das regionale Ticket, das Metropolregionsticket und das Österreich-Ticket eingeführt hat. Zum anderen war es auch eine Frage der Finanzierung, da konnten wir uns durchsetzen. Es wird gut angenommen, aber da ist aus meiner Sicht auch noch mehr Luft nach oben. Drittens auch das angesprochene Thema Stammstrecke der Zugverbindungen im Osten Österreichs. Ich halte sie für notwendig. Es wird für ganz Österreich essenziell sein, wie man Menschen von der Straße auf die Schiene und dann auch rechtzeitig an ihr Ziel bringt. .

17


B IO R A M A N Ö

GR U ND WA SSER

18

AUF SAND GEBAUT

TEXT Werner Sturmberger

8

,2 Kilometer liegen zwischen den beiden Enden des geplanten und nun in neuerlicher Prüfung befindlichen Lobautunnels. Noch weiter sind die Positionen von BefürworterInnen und GegnerInnen des Riesenprojekts voneinander entfernt. Selbst nach zwei debattenreichen Jahrzehnten besteht keine Einigkeit darüber, ob das Straßenbauprojekt die richtigen Antworten auf die verkehrs- und entwicklungspolitischen Herausforderungen der Stadtregion Wien bereithält. Nicht zuletzt deshalb, weil zwischen Planung und möglicher Fertigstellung mehr als 30 Jahre vergehen würden. Aufgrund der stetigen Verzögerungen könnte der Tunnel frühestens in den 2030er-Jahren eröffnet werden. Also nur we-

nige Jahre bevor die selbsternannte Klimamusterstadt Wien CO2-neutral sein will. Das soll im Jahr 2040 passieren, geht es nach der rot-pinken Stadtregierung. Für die ausführende Asfinag wird das Projekt zunehmend zum Spießrutenlauf zwischen Umweltverträglichkeitsprüfung, UmweltschützerInnen, BürgerInneninitiativen und GemüsegärtnerInnen. Doch nicht nur in juristischer Hinsicht bewegt sich die Asfinag auf unsicherem Terrain. Auch die Streckenführung des Tunnels ist aus technischer Sicht als zumindest herausfordernd zu beschreiben und lässt UmweltschützerInnen um das intakte Grundwasser bangen. In etwa einem Kilometer Entfernung vom Friedhof der Namenlosen sollen

BILD ISTOCK.CO M/OAT_PHAWAT

Der Tunnelbau zu Wien: Über ein Grabungsprojekt, bei dem es vielleicht vor allem darum geht, den Schatz nicht zu »finden«.


19

die beiden Tunnelröhren unter die Erde abtauchen. Der Verlauf führt dabei unter dem Alberner Hafen, der Donau, dem Ölhafen Lobau und dem Nationalpark hindurch. Hinter dem Donau-Altarm Groß-Enzersdorf bahnt sich der Tunnel schließlich seinen Weg ans Tageslicht und soll so die Nordost-Umfahrung der Stadt Wien vervollständigen.

WIEN IST ANDERS – AUCH IM UNTERGRUND Erschwert wird das von der sehr speziellen geologischen Beschaffenheit des Wiener Untergrunds – und vom Ölhafen Lobau. Wer im Geografieunterricht aufgepasst hat, weiß, das Wiener Becken ist ein inneralpines Einbruchsbecken. Starke Bewegungen des Untergrundes haben es in eine Vielzahl tektonischer Schollen zerbrochen, die sich bis zum heutigen Tag bewegen. Während es topografisch die Alpen von den Westkarpaten trennt, stellt es geologisch betrachtet über die Gesteine im Untergrund

eine Verbindung her. Das sogenannte Zerrbecken verläuft in Rautenform von Gloggnitz in nordöstlicher Richtung bis hin nach Ungarisch Hradisch (Uherské Hradišt) in Tschechien. Es hat eine Länge von 250 km und eine Breite von 60 km. Der Wiener Stephansdom liegt etwa 1,5 km über dem alpinen Untergrund. Der tiefste Punkt im Raum Wien befindet sich aber unweit südwestlich: »Die Lobau liegt inmitten des Wiener Beckens über einer geologischen Tiefenstruktur, dem 5,5 km tiefen Schwechat-Tief. Genau hier sind die geologischen Schichten regional maximal abgesenkt und tektonisch verstellt«, erklärt Markus Fiebig, Geologe an der Universität für Bodenkultur (boku) Wien. Dass das Wiener Becken dennoch eine recht flache Angelegenheit ist, liegt an der Donau, die dieses seit Jahrmillionen durchfließt und mit Sedimenten und Wasser befüllt. Während man nur wenige Kilometer flussabwärts – etwa auf Höhe des Flughafen Schwechats – im Unter-

5 Milliarden Kubikmeter Trinkwasser lagern in den weitläufigen Sandschichten tief unter der Lobau. Genug, um die Stadt Wien 35 Jahre lang mit Trinkwasser zu versorgen.


B IO R A M A N Ö

GR U ND WA SSER

20

8,2 km lang sollte der Lobautunnel werden und dabei den Alberner Hafen, die Donau, den Ölhafen Lobau, den Nationalpark und Donau-Altarm Groß-Enzersdorf unterqueren.

Damit wäre es nur eine ­Frage der Zeit, bis die Röhren undicht und zu einer Verunreinigung des Grundwassers führen würden. Diese würde aber wahrscheinlich nicht nur das strömende Grundwasser, sondern auch ein bislang kaum thematisiertes Grundwasserreservoir unter dem Nationalpark betreffen.

grund der Donau bereits in geringerer Tiefe auf dichtende Schluffe und Tone stößt, herrschen unter der Lobau andere Voraussetzungen. Der Untergrund der Lobau zeichnet sich durch einen besonders massiven Grundwasserkörper aus. Dieser besteht aus einer etwa 30 Meter dicken Kies- und einer etwa ebenso starken, darunter liegenden Sandschicht. Erst in etwa 60 Metern Tiefe stößt man auf die wasserundurchlässige Schicht aus Schluff und Ton, die den Grundwasserkörper begrenzt. Die von der Asfinag geplante Routenführung soll bis zu 60 Meter tief in den Boden reichen. Damit berühren die Tunnelröhren die dichtende SchluffTon-Schicht, queren aber auch den durchströmten Grundwasserkörper darüber. Der Tunnel unterquert zudem den stark verunreinigten Untergrund im Bereich der Altlast Zentraltanklager Lobau. Durch Bombardements im Zweiten Weltkrieg und Leckagen in den folgenden Betriebsjahren sickerten große Mengen Mineralölprodukte in den Untergrund. Um das Einsickern von Wasser aus der Neuen Donau zu verhindern, wurde dort 2009 eine 60 Meter tiefe Dichtwand errichtet. Der Lobautunnel soll quer durch diese verlaufen.

»VOR DER HACKE IST ES DUSTER« Darum sorgen nicht nur die entwicklungspolitischen Implikationen, sondern auch die konkrete Routenführung des Projekts für Kritik. Die Asfinag versichert zwar, dass weder Tunnel noch Bauarbeiten den Grundwasser-

strom beeinträchtigen ­würden, ­ ritikerInnen teilen diese ZuK versicht jedoch nicht. Eine so vermeintlich robuste Prognose sei aufgrund der komplexen geologischen Situation schlichtweg nicht haltbar. Die Umweltorganisation Virus, die selbst acht Gutachten zur Grundwassersituation in Auftrag gegeben hat, beschreibt die Grundwasserplanung als »Achillesferse aller Asfinag-Projekte«. Auch für Markus Fiebig stellt sich die Situation nicht so eindeutig dar: »Es gibt den alten Bergmannspruch: Vor der Hacke ist es duster. Was so viel heißt wie, dass man noch so viel untersuchen und noch so viel nachschauen kann – was dann wirklich kommt, das sieht man erst, wenn man dort am Graben ist. Wir verfügen nach wie vor nicht über die Werkzeuge, um ins Erdinnere, geschweige denn in die Zukunft zu blicken.« Das gilt umso mehr für ein so komplexes und dynamisches System wie das Grundwasser: »Im Vergleich zum strömenden Grundwasserkörper ist die heutige Donau in puncto Wasserführung ein Zwerg. Allerdings strömt dieser blaue Grundwasser-Riese nicht überall gleichmäßig im Untergrund, sondern richtet sich nach den lokal verschiedenen Lockergesteinen, deren Porenräumen, deren Struktur, deren Material und deren Verfestigung«, so Fiebig. Über den Grundwasserkörper der Lobau weiß man, dass seine Strömungen in Stockwerken verlaufen und miteinander verzahnt sind. Das Strömungsverhalten ist aber nur in Grundzügen bekannt: »Die Durchströmung des Grundwasserkörpers ist abhängig vom Wasserstand der Donau. Herrscht Niederwasser, bewegt sich der Grundwasserstrom aus dem ­Marchfeld in Richtung Donau. Herrscht ein höherer Wasserstand, ist es umgekehrt, dann füllen sich die Grundwasserkörper in der Au und in weiterer Folge auch im Marchfeld«, erklärt Severin Hohensinner, Gewässermorphologe an der boku Wien. Auch Niederschläge nehmen Einfluss auf den Grundwasserspiegel: Das abfließende Oberflächenwasser kann die Pegel von Bächen und Flüssen rasch ansteigen


lassen und so Druck auf das Grundwasser ausüben. Wie schnell Regenwasser in den Boden einsickert und so den Grundwasserspiegel direkt anhebt, hängt hingegen stark von der Art des Bodens ab. »In dieses komplexe System, dessen Details zwar an den einzelnen Bohrpunkten untersucht wurden, deren genaue Eigenschaften aber trotzdem in der großen Fläche weitgehend unbekannt bleiben, hat der Mensch bereits eingegriffen«, sagt Fiebig mit Blick auf die Donauregulierungen der letzten 150 Jahre und die Dichtwand der Altlast Zentraltanklager Lobau. Der Tunnel stellt einen weiteren Eingriff dar. Dass eine 8,2 km lange, wasserabweisende Barriere das Strömungsverhalten beeinflusst, dürfte unstrittig sein. Offen ist aber, wie sich Grundwasserströme und -niveau durch das Bauwerk verändern.

VERSTECKTER SCHATZ Als Worst-Case-Szenario gilt den KritikerInnen des Projekts ein nachhaltiges Absinken des Grundwasserspiegels. Während UmweltschützerInnen ein sukzessives Vertrocknen des Nationalparks befürchten, sorgen sich die Gemüse-

»Herrscht Niederwasser, bewegt sich der Grundwasserstrom aus dem Marchfeld in Richtung Donau. Herrscht höherer Wasserstand, füllen sich die Grundwasserkörper in der Au und in Folge auch im Marchfeld« —  Severin Hohensinner, Gewässermorphologe gärtnerInnen aus der Donaustadt, Simmering, Kaiserebersdorf und Schwechat um das Versiegen ihrer Brunnen. Für die rund 150 in der Region tätigen Unternehmen wäre das der »Todesstoß«, sagt Leopold Brazda, Bezirksobmann der Gärtnervereinigung Schwechat, in einem Interview mit dem »Kurier«. Doch selbst wenn ein solches Szenario ausbleibt und der Tunnel das Niveau und Strömungsverhalten des Grundwassers nicht massiv verändert, ist der Grundwasserkörper in Gefahr. Zwar werden die Tunnelröhren

21


B IO R A M A N Ö

22

GR U ND WA SSER

»Wir sollten uns der Bedeutung von sauberem Wasser und sauberer Luft als wichtigstem und wertvollstem Schutzgut bewusst werden.« —  Markus Fiebig, Geologe an der Universität für Bodenkultur

Der G ­ rundwasserkörper unter der Lobau ist ­besonders mächtig. Bis zu 60 Meter Tiefe erreicht der oberste wasserführende Grundwasserkörper, bevor er von Schluff und Ton begrenzt wird. Die Donau transportiert etwa 2000 m³/s. Der strömende Grundwasserkörper rund um den Strom transportiert ein Vielfaches dessen.

wasserdicht ausgeführt, um Verunreinigungen des Grundwassers zu verhindern. Offen ist jedoch, wie lange die Dichtheit des Tunnels – in einem tektonisch nach wie vor aktiven Gebiet – gesichert werden kann. Zudem ist völlig ungeklärt, was nach Ablauf der Nutzungsdauer mit dem Bauwerk passieren soll. Eine övp-Gesetzesnovelle aus dem Jahr 2018 hat die Dokumentation von Maßnahmen zur Nachsorge, wie sie durch das Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetz vorgeschrieben wäre, für Bundesstraßen und damit für die geplante ­Nordost-Umfahrung ausgehebelt. Da ein Rückbau des Tunnels technisch schwierig, aber vor allem teuer wäre, ist ein Verbleib des Tunnels im Untergrund das wahrscheinlichste Szenario.

Damit wäre es nur eine Frage der Zeit, bis die Röhren undicht und zu einer Verunreinigung des Grundwassers führen würden. Diese würde aber wahrscheinlich nicht nur das strömende Grundwasser, sondern auch ein bislang kaum thematisiertes Grundwasserreservoir unter dem Nationalpark betreffen. Kaum jemand kennt den Wiener Untergrund so gut wie Godfrid Wessely, der jahrelang als leitender Geologe der omv tätig war. Im Zuge seiner Erkundungen stieß er auf weitläufige Sandschichten, die ein riesiges Grundwasserreservoir bilden. Die von ihm errechneten 5 Milliarden Kubikmeter Trinkwasser entsprechen dem 35-Fachen des Jahresverbrauchs der Stadt Wien im Jahr 2019. Damit wäre es möglich, in einer Notsituation die Metropolregion Wien über Jahre hinweg mit sauberem Trinkwasser zu versorgen. Im Falle von atmosphärischen Bedrohungen wären die Hochquellwasserleitungen von Rax und Hochschwab direkt betroffen. Dass so ein Unglücks-

Der Grundwasserkörper unter der Lobau ist besonders mächtig. Er besteht aus einer etwa 30 Meter starken Schicht aus Donauschotter (gelb) und einer etwa gleich dicken Schicht Sand (orange) darunter. Nach unten hin begrenzt wird der etwa 60 Meter tiefe Grundwasserkörper von Schluff und Ton (ocker). Die projektierte Route des Lobautunnels (violett schraffiert) quert den Grundwasserkörper und dringt an der tiefsten Stelle in den obersten Horizont des Grundwasserreservoirs ein. Grafik: Modifiziert nach wgm.wien.at/hydrogeologische-forschung/lobau.


Das Wiener Becken ist inneralpines Einbruchsbecken zwischen Alpen und Karpaten. Die alpinen Gesteinsmassen liegen hier tief unter der Oberfläche. Besonders stark abgesenkt sind sie im Südosten Wiens direkt unter der Lobau. Erst 5,5 Kilometer unter Tage stößt man dort auf festes Gestein. Grafik: Geologische Bundesanstalt Wien

fall keine graue Theorie ist, zeigte nicht zuletzt der Störfall im akw Tschernobyl. Seitdem hat die Anzahl der Reaktoren rund um Ostösterreich weiter zugenommen. Das tief liegende Wasserreservoir unter der Lobau ist dagegen vor solchen Bedrohungen zumindest mittelfristig sicher. Nicht aber vor dem Lobautunnel. Dieser würde in den obersten Horizont des Reservoirs eindringen. Damit riskiere man dessen Verschmutzung, erklärte Wessely im Rahmen einer Pressekonferenz der Umweltschutzorganisation Virus. Im schlimmsten Fall wäre das Grundwasserreservoir damit als Trinkwasserquelle verloren. »Godfrid Wessely hat einen unwiederbringlichen Schatz erforscht», ist sich Markus Fiebig sicher. »Jede Störung, jeder Eingriff ist dabei eine potenzielle Quelle von zukünftiger Verunreinigung. Wir sollten uns der Bedeutung von sauberem Wasser und sauberer Luft als wichtigstem und wertvollstem Schutzgut im Vergleich zu allen anderen Ressourcen bewusst werden.« Letztlich wirft die Debatte um den Lobautunnel die Frage auf, ob wir überhaupt Nachhaltigkeit und, wenn ja, in welcher Form wir sie wollen: Ist Nachhaltigkeit die Schaffung von Rahmenbedingungen für die Nutzung von oder die Koservierung natürlicher Ressourcen? Eine Option, die beide Perspektiven vereinen würde, ist derweil nicht in Sicht.


B IO R A M A N Ö

T R ANSITSTO P P

24

»WIR WAREN NICHT MAL AUF DER KARTE« Waldviertler BürgerInnen wie Anton Dorfinger aus Dobersberg wehren sich gegen den internationalen Lkw-Transit, der ihre Dörfer lautstark belastet.

Anton Dorfinger

BIORAMA: Wie ist es zu der Belastung durch den Transitverkehr gekommen? ANTON DORFINGER: Mit der Grenzöffnung vor fast 30 Jahren haben die Menschen im oberen Waldviertel gehofft, dass es für diesen Landstrich am Eisernen Vorhang wieder aufwärtsgeht. Leider wurde nach der Grenzöffnung in unserem Gebiet die Infrastruktur weiter abgebaut. Beim EU-Betritt Tschechiens 2004 wurde der nur für Lastwagen bis 3,5 Tonnen zugelassene kleine Grenzübergang Fratres zu einem Hauptgrenzübergang erklärt. Damit begann sich eine Lawine von Schwerstlastkraftwagen über kleine Dörfer wie Dobersberg zu ergießen. Die AnrainerInnen waren ab diesem Zeitpunkt Tag und Nacht der Wucht des Transitschwerverkehrs ausgesetzt. Besonders schlimm wurde die über Jahre ständig zunehmende Belastung der Bevölkerung vor Weihnachten 2020.

Sie haben damals verschiedene Aktionen gestartet und sich auch direkt an Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner gewandt. Ich habe mich mit betroffenen BürgerInnen ans Gemeindeamt gewandt. Dort wollte man in

dieser Sache nichts unternehmen. Deswegen habe ich mich mit einem Brief an die Landeshauptfrau von Niederösterreich gewandt. Die hat mir geschrieben, dass sie die Angelegenheit an den zuständigen Landesrat weitergegeben hat. Man war sehr freundlich, aber wirklich geschehen ist bis heute nichts – außer, dass das Problem allmählich anerkannt wird. Was wird denn durch das Waldviertel transportiert? Mit dem Abholzen der Wälder im Norden der EU werden riesige Mengen Holz nach Österreich transportiert. Von Österreich wird das Holz bis in die usa und nach China exportiert. Gleichzeitig blieben die Waldviertler Bäuerinnen und Bauern auf ihrem Holz sitzen. Die kleinen ansässigen holzverarbeitenden Betriebe werden nicht mit Material beliefert oder erst zu späten Terminen und hohen Preisen. Das Anliegen der Petition ist daher Ausgewogenheit: Bei aller Wichtigkeit des Verkehrs sollten Menschen doch auch in Gesundheit und mit einer gewissen Lebensqualität leben können. Wir beklagen den Lärm, die Gefährdung durch

BILD MATTHIA S LE DWI NKA

INTERVIEW Martin Mühl


CO2, Bremsstaub und Reifenabrieb – viele haben Angst um die Sicherheit ihrer Kinder. Ihre Initiative geht weit über Dobersberg hinaus … Für das Verkehrsproblem im oberen Waldviertel soll Dobersberg tatsächlich nur ein Beispiel sein. Wir DobersbergerInnen haben bald festgestellt, dass diese Verkehrslawine aus dem Norden das gesamte Waldviertel plagt. In den »Niederösterreichischen Nachrichten« Anfang Jänner 2021 erschien ein Artikel über ein Verkehrskonzept für das Waldviertel. Unser Grenzgebiet war nicht einmal auf der Karte, auf der Stellen eingezeichnet waren, wo straßenbauliche Entlastungmaßnahmen vorgesehen waren. Ein Konzept für das obere Waldviertel war nicht angedacht. Nicht einmal eine vorläufige Beruhigung der problematischen Stellen in den Dörfern schien im Gespräch mit der Verwaltung möglich. Wie sieht die Vernetzung mit anderen Initiativen aus? n den Bezirken Gmünd und Zwettl gibt es längst ähnliche Initiativen. Das gemeinsame Dach all dieser Bestrebungen von Waldviertler BürgerInnen ist der Verein »Lebenswertes Waldviertel«. Über ein zukünftiges Verkehrskonzept herrscht Einigkeit: Holz und ähnliche Güter gehören auf die Schiene! Der Ausbau der Franz-Josefs-Bahn ist oberstes Gebot. Für uns DobersbergerInnen ist es besonders schmerzhaft, da man erst nach der Grenzöffnung Gleise unserer Zubringerbahnlinie von Waidhofen an der Thaya nach Tschechien weg-

»Für uns DobersbergerInnen ist es besonders schmerzhaft, da man erst nach der Grenzöffnung Gleise unserer Zubringerbahnlinie von Waidhofen an der Thaya nach Tschechien weggerissen hat.« — Anton Dorfinger gerissen hat. Seitdem donnern überladene Fünfachser, zum Teil auch mit Anhängern, fast ungehindert und fast unkontrolliert durch unsere Dörfer. Die ungeeigneten Straßen in den Dörfern sind stellenweise eingebrochen und werden auch nicht ordnungsgemäß saniert. Gibt es Kontrollen und Einschränkungen auf einer Straße, weichen die Lkw auf benachbarte Routen aus. Und wie reagiert die Politik in Niederösterreich? Die Politik und die Verwaltung lassen seit kurzem Hoffnung bei uns aufkommen, dass verkehrsberuhigende Maßnahmen jetzt auch bei uns zur Diskussion stehen, wie etwa eine 30-km/h-Beschränkung für den Transitverkehr bei den Ortseinfahrten. Der Dobersberger Bürgermeister hat sich bereits dafür ausgesprochen. In den anderen Bezirken des Waldviertels sind bereits Radargeräte aufgestellt worden. Dass bei uns etwas geschieht, glaube ich allerdings erst, wenn ich es sehe. Ich wünsche mir, dass auch für den Güterverkehr Kostenwahrheit gilt – und das umfassend und global!

Petition Seit Anfang 2021 kann auf ­transitstopp-waldviertel.at eine Petition gegen den Schwerstverkehr auf der L67 und weiter auf der B36 unterzeichnet werden. Natürlich nicht nur von WaldviertlerInnen.

25


WEIDEGANS, FISCH & FREILANDENTE IN BIOQUALITÄT AUS NIEDERÖSTERREICH*

Sie profitieren von den Vorzügen regionaler Bioqualität: Gesund, weil reich an wertvollen Inhaltsstoffen Fütterung ausschließlich mit Biofutter Verzicht auf vorbeugenden Einsatz von Antibiotika Kein Einsatz von Gentechnik Jederzeit in ihrer Herkunft nachvollziehbar *laut Gebietsdefinition lokaler Markt

NÄHERE INFORMATIONEN: Tel. 02822/213 24 office@biovermarktung.at biofleisch.biovermarktung.at

Entgeltliche Einschaltung

Profitieren Sie von ein er Sammelbe stellung mit Zustell ung direkt zu Ihnen n ach Hause!


BIO R A M A NÖ

R AD L AND

27

PLÖTZLICH RADLAND

Das Land Niederösterreich will mit einer neuen Mobilitätsstrategie zum Vorzeigeland beim Radfahren werden. Kann es das schaffen?

BILD ISTOCK.CO M/HAPPY VE CTOR

A

ls Kristin Harrich im Jahr 2014 nach Gmünd im Waldviertel zog, fühlte sie sich bald als Exotin. Mit dem Rad zum Einkaufen fahren, zu Bekannten, zum Schwimmen – »das macht man hier nicht«, stellte sie fest. »Man steigt ins Auto, und wenn es nur für die zwei Kilometer zum Billa sind.« Dass sich die Situation in der Kleinstadt von der in Graz und Wien, wo sie zuvor gelebt hatte, unterscheidet, damit habe sie natürlich gerechnet, sagt Harrich – »aber nicht in diesem Ausmaß«. Radfahren von etwas Exotischem zur Normalität zu machen, das ist das Ziel der neuen Mobilitätsstrategie des Landes Niederösterreich. »Niederösterreich will zum Vorzeigeland bei der aktiven Mobilität, speziell beim Radfahren, werden«, hieß es im Frühling in einer Presseaussendung des Landes. Was Amsterdam und Kopenhagen im urbanen Raum vormachten, nehme man sich als Flächenbundesland vor, wird Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (övp) darin zitiert, und: »Unsere Landsleute

schaffen es bereits heute, über 22 Prozent aller Wege mit ihrer eigenen Muskelkraft zurückzulegen. Diesen Wert wollen wir auf 44 Prozent steigern.« Erreicht werden soll das mit einer neuen, ebenfalls im Frühling veröffentlichten »Strategie für mehr Aktive Mobilität«, für deren Umsetzung die neu gegründete Radland GmbH – mit vollem Namen »Radland Niederösterreich – Agentur für Aktive Mobilität « – zuständig ist. Auf der Website radland.at wird das 44-Prozent-Ziel der Landeshauptfrau konkretisiert: Noch »in den 20er-Jahren« wolle man den Anteil der zu Fuß und auf dem Fahrrad zurückgelegten Wege auf 44 Prozent verdoppeln.

ZU WENIGE DATEN Können diese Ziele durch die Initiativen des Landes erreicht werden? Aktuell werden in Niederösterreich sieben Prozent aller Wege mit dem Fahrrad und 15 Prozent hauptsächlich zu Fuß zurückgelegt. Ein Bundesländervergleich ist schwierig, weil die letzte österreich-

TEXT Ruth Eisenreich


B IO R A M A N Ö

R AD L AN D

28

Diese Regionen sollen Rad-Basisnetze (früher “Grundnetze”) bekommen. Quelle »Strategie für mehr aktive Mobilität in NÖ – Fit in die Zukunft«, Schriftenreihe Heft 40, 2021. In Niederösterreich nutzten 2019/2020 31,9 % der Bevölkerung ab 16 Jahren an, das Fahrrad täglich oder mehrmals in der Woche als Verkehrsmittel zu nutzen. 69,7 % nutzen es zumindest gelegentlich. In den Bundesländern Wien, Oberösterreich Kärnten und Tirol sind eist der Anteil geringer gewesen. (Daten: Statistik Austria, VCÖ 2021).

weite Erhebung zu dem Thema aus dem Jahr 2013/14 stammt. Einer aktuellen vcö-Analyse auf Basis von Daten der Statistik Austria zufolge nutzen 70 Prozent aller NiederösterreicherInnen »zumindest gelegentlich« das Fahrrad als Verkehrsmittel, 31 Prozent tun das täglich oder mehrmals pro Woche. Damit liegt Niederösterreich im Bundesländervergleich im Mittelfeld – Spitzenreiter ist Vorarlberg mit 77 beziehungsweise 49 Prozent. In seiner Mobilitätsstrategie nennt Niederös-

terreich nun fünf Handlungsfelder, die es seinem Ziel näherbringen sollen: Erstens die Infrastruktur; zweitens die Multimodalität, also die möglichst reibungslose Verknüpfung von Rad-, Fuß- und öffentlichem Verkehr; drittens sollen neue Möglichkeiten etwa durch E-Mobilität und Sharing-Angebote bestmöglich genutzt werden; der vierte Punkt sind Bewusstseinsbildung und Information; der fünfte die Förderung und Beratung der Gemeinden. Die neue Radland GmbH wird auf ihrer


29 Agenda der Agentur allerdings stark zusammen: Die Radland GmbH sei dezidiert für die Bewusstseinsbildung da, sagt sie – es gehe darum, das Radfahren als eine selbstverständliche Möglichkeit der Fortbewegung in den Köpfen zu etablieren. Die Agentur organisiere unter anderem Kurse und Workshops für Kinder und SeniorInnen, Infostände sowie Gewinnspiele und Wettbewerbe, bei denen besonders radfreundliche Städte und Gemeinden ausgezeichnet werden, und betreibe das Leihradservice Nextbike. Dass Bewusstseinsbildung vielerorts sinnvoll und nötig ist, zeigen Erfahrungen wie die von Kristin Harrich, der Radlobby Niederösterreich und ExpertInnen der Mobilitätsorganisation vcö. Sie sagen allerdings auch: Der Kultur-

»Es braucht eine ernst zu nehmende Infrastruktur, die genauso durchdacht und lückenlos ist wie die für pkw.« —  Elisabeth Füssl, Radlobby NÖ

Website als »zentrale Anlauf- und Servicestelle für alle Fragen und Belange zur Förderung des Alltagsradverkehrs und Fußgängerverkehrs« beschrieben. »Sie vernetzt, informiert und unterstützt alle Partnerorganisationen, Gemeinden, Betriebe, Bildungseinrichtungen und Dienststellen des Landes NÖ, die gemeinsam an der Förderung der aktiven Mobilität zusammenarbeiten«, heißt es da. Unterhält man sich mit Radland-Geschäftsführerin Susanna Hauptmann, schrumpft die

wandel allein reicht nicht aus, solange es an der Infrastruktur hapert. Und die sei in Niederösterreich auf touristischen Routen wie dem Donauradweg oft sehr gut – wenn es um den Weg in die Arbeit oder gar um einen sicheren Schulweg für Kinder gehe, aber nicht. Gerade zwischen den Gemeinden hätten Radfahrende oft keine Alternativen zum Radeln auf Landesstraßen, auf denen lkw mit 100 km/h vorbeirasen. Kristin Harrich erzählt von einem vor einigen Jahren gebauten Strandbad drei Kilometer außerhalb von Gmünd, wo sofort für viel Geld ein großer Parkplatz für pkw geschaffen worden sei – einen sicheren, für Jugendliche oder Familien geeigneten Radweg dorthin gebe es hingegen bis heute nicht, ebenso wenig einen Bus. Natürlich sei die Infrastruktur wichtig, sagt Radland-Geschäftsführerin Susanna Hauptmann, zugleich Radbeauftragte des Landes. »Aber ich lasse das nicht als Ausrede gelten. Es kann, überspitzt formuliert, nicht für jeden seinen persönlichen Radweg geben.« Die Infrastruktur sei besonders für die Menschen


B IO R A M A N Ö

30

R AD L AN D

wichtig, die bereits Rad fahren – für jene, die das noch nicht tun, sei die Bewusstseinsbildung wesentlicher. Elisabeth Füssl, Soziologin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am auf Mobilität spezialisierten privaten Forschungsinstitut Factum und stellvertretende Vorsitzende der Radlobby Niederösterreich, sieht das anders: »Wenn Leute das Radfahren einmal ausprobieren und dann endet plötzlich der Radweg im Nichts und sie werden auf einer Landesstraße von lkw mit 100 km/h überholt, dann ist das frustrierend und sie lassen es wieder.« Wolle man das Radfahren als ernst zu nehmende Alternative zum Auto etablieren, »dann braucht es auch eine ernst zu nehmende Infrastruktur, die genauso durchdacht und lückenlos ist wie die für pkw«. Tatsächlich plant das Land Niederösterreich auch neue Infrastrukturprojekte. Auf ausgewählten Strecken will es bis 2030 insgesamt 200 Kilometer an neuen Radschnellwegen bauen, breit, baulich getrennt, möglichst direkt, mit gutem Belag und Schneeräumung im Winter. Und innerhalb regionaler Zentren hat es in den vergangenen Jahren die Planung sogenannter Rad-Basisnetze finanziert, die sowohl an die Schnellwege als auch an den öffentlichen Verkehr angebunden werden sollen. Es sind Projekte, die ExpertInnen und Alltagsradfahrende durchwegs für sinnvoll halten und die

Niederösterreich seinen Zielen deutlich näher bringen könnten. Wie so oft wird es hier allerdings darauf ankommen, ob und wie gut die schönen Pläne umgesetzt werden. Die Region Gmünd-Schrems etwa, wo Kristin Harrich wohnt, soll sowohl ein Rad-Basisnetz als auch einen Radschnellweg bekommen. Doch das Projekt Basisnetz liege derzeit auf Eis, sagt Harrich, die sich bei der örtlichen Radlobby engagiert. Sie befürchtet, dass jetzt alle Energie ins langfristige Prestigeprojekt Radschnellweg fließt und in den Jahren bis zu seiner Fertigstellung beim Basisnetz nichts weitergeht.

IN DEN KÖPFEN BEWEGT SICH WAS Für alles, was innerhalb von Gemeinden geschieht und keine Landesstraßen betrifft, sind die Gemeinden zuständig. Auch dort, bei vielen BürgermeisterInnen und GemeinderätInnen, sei in den vergangenen Jahren das Bewusstsein für die Klimakrise und für nötige Veränderungen bei der Mobilität gewachsen, sagt Elisabeth Füssl von der Radlobby: »Da tut sich schon einiges, was bis vor Kurzem undenkbar war.« Aber mit gutem Willen allein ist es nicht getan. Mitunter scheitern Radverkehrsprojekte an örtlichen Gegebenheiten oder Widerständen von Einzelnen, etwa von GrundbesitzerInnen. Manchmal an der Angst davor, dem Autoverkehr etwas wegzunehmen, Parkplätze, einen

Oft ist für RadfahrerInnen die einzige Alternative zur Landesstraße ein geschotterter Güterweg.


BILD ISTOCK.CO M/FO TOFRITZ16

Offenlegung: Die Autorin ist freie Journalistin und Chefredakteurin des Fahrradmagazins Drahtesel, das von der Radlobby Österreich herausgegeben wird.

BILD: © LEITNER

Freier Fluss. Wilder Wald. Wir feiern 25 Jahre Nationalpark Donau-Auen. Die einzigartige Flusslandschaft zwischen Wien und Bratislava wird seit 1996 durch den Nationalpark Donau-Auen geschützt. Eine Fülle an Leben ist hier beheimatet, darunter 800 höhere Pflanzenarten, 33 Säugetier-, 100 Brutvogel-, 8 Reptilien-, 13 Amphibien-, 67 Fisch- und tausende Insektenarten. Renaturierungsprojekte geben der Donau seit der Gründung des Schutzgebiets wieder Raum, ihre Auen und Ufer zu gestalten. Die Umwandlung von einst forstwirtschaftlichen Flächen zurück zu Naturwäldern schreitet voran. Denn das Nationalparkmotto lautet: Freier Fluss. Wilder Wald. Zugleich dient der Nationalpark Donau-Auen als Naherholungsgebiet und kompetenter Ort der Umweltbildung. Geführte Wanderungen, Bootstouren, Familienfeste und Camps bieten eine Vielfalt an Naturerlebnissen. Mit dem schlossORTH Nationalpark-Zentrum und dem Nationalparkhaus wien-lobAU wurden zwei Besucherzentren errichtet, die als Infostelle und Ausflugsziel rege genutzt werden. Willkommen in der grünen Wildnis am großen Strom. www.donauauen.at

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DES NATIONALPARK DONAU-AUEN

Teil der Fahrbahn oder auch ein bisschen Geschwindigkeit durch die Senkung eines Tempolimits. Manchmal scheitere es am Geld, sagt Elisabeth Füssl: »Das Land fördert zwar bauliche Maßnahmen, die Formalitäten erscheinen manchen GemeindevertreterInnen aber langwierig und kompliziert, das macht es für einige Gemeinden unattraktiv.« In seiner neuen Mobilitätsstrategie hat das Land ein erhöhtes Budget für den Radverkehr angekündigt, allerdings ohne das zu beziffern. Auf Nachfrage schreibt die Sprecherin der Radland GmbH, man habe in den Jahren 2015 bis 2020 durchschnittlich rund zwei Millionen Euro pro Jahr für Radwege investiert (gut die Hälfte davon für touristische); 2021 seien es drei Millionen für Infrastruktur, eine Million für die Bewusstseinsbildung und zwei Millionen für touristische Radwege gewesen, und für 2022 und 2023 stünden jeweils vier Millionen zur Verfügung. Aus Sicht der Grünen ist das immer noch zu wenig: »Das entspricht der Errichtung von nicht einmal 10 Kilometern eines gut ausgebauten Rad-Schnellweges pro Jahr«, sagt der Landtagsabgeordnete Georg Ecker. Außerdem seien im entsprechenden Budgetposten auch »Dotierungen von Rückstellungen« in der Höhe von 4,25 Millionen Euro enthalten, sodass unklar sei, wie viel von dem Geld tatsächlich in die Radinfrastruktur fließe. Das Budget für den Straßenbau wurde wegen der Coronakrise gekürzt – es beträgt jetzt für die kommenden beiden Jahre 175 Millionen Euro. Und manchmal scheitert es an der Kompetenz: »Die Menschen, die in den Gemeinden die Verkehrsplanung machen, sind es seit Jahrzehnten gewöhnt, alles autooptimiert zu gestalten«, sagt Christian Gratzer vom vcö. »Aber wenn man darauf hinweist, dass man nur eine Kleinigkeit verändern muss, ist der Wille bei vielen vorhanden.« Dass das Land den Gemeinden laut Mobilitätsstrategie in Zukunft verstärkt Beratung anbieten will, sieht er daher besonders positiv. Gratzer hält das 44-Prozent-Ziel des Landes für sehr ambitioniert, aber für machbar – wenn Niederösterreich wirklich alles bestmöglich umsetzt, was es angekündigt hat. Wichtig sei dabei aber nicht nur, was gemacht wird, sondern auch, was in Zukunft nicht mehr gemacht wird: neue Supermärkte auf der grünen Wiese etwa oder der Bau neuer Straßen. Man kann dabei zum Beispiel an große Projekte wie die Ost-Umfahrung Wiener Neustadt denken. Die kostet nicht nur viel Geld – sie wird, sagt etwa die Initiative »Vernunft statt Ost-Umfahrung« oder die Klubobfrau der Wiener Neustädter Grünen, Selina Prünster, auch mehrere schon bestehende Radwege kappen.


Gegen Jahresende hin scheint die Welt im Hochmoor still zu stehen. Der Naturpark Heidenreichsteiner Moor bietet Ruhe, schärft die Sinne und entschleunigt.

Gut zu Fuß

Die Ruhe, die Stille, der Dunst über dem Teich. »Wer bei uns Klimaschutz – die grenzüberschreitende, konsequent zweiunterwegs ist, findet keine schroffen Felsen«, sagt Horst Dosprachige Naturschutzarbeit empfunden. Und nicht zuletzt lak. »Alles hier ist nicht sehr actiongeladen und eher besinndie Möglichkeit, das Moor sinnlich zu erleben. Am besten gehe das, wenn man sich etwas Zeit nimmt, beim Wandern, lich.« Gerade gegen Jahresende hin ist es im Hochmoor als so Dolak. Begeistert ist er, dass das Angebot auch von tschewürde die Zeit stillstehen. Die vielen Farben des Herbsts, Moospolster auf Pappeln und Birken, eine reife Landschaft; chischen Gästen immer besser angenommen wird. Das weiß das strahlende Weiß des zugeschneiten Moores oder das er anhand der Downloadzahlen des in beiden Sprachen verFunkeln und Knirschen, wenn die Landschaft nach Tauwetfügbaren Audioguides für den Moorlehrpfad. Sonst unterter wieder gefriert und man sich fest angezogen hinauswagt. scheiden sich die Gäste aus Österreich kaum von jenen aus Dolak hört nicht auf zu schwärmen, wenn er von seiner HeiTschechien: Familien, naturbegeisterte Genussmenschen, mat spricht. Seit 2015 führt der Forstwirt die Geschäfte des die sich für eine Frischkäseverkostung bei Käsemacher Naturparks Heidenreichsteiner Moor. 2021 wurde dieser unoder eine Biergustation in der Schremser Brauerei begeister allen 47 österreichischen Naturparken als »Naturpark tern können. Wobei es einen kleinen Unterschied dann doch des Jahres« auserkoren. »Eine schöne Auszeichnung für gebe. Vielleicht ein Klischee, »aber ja, die TschechInnen sind unser Team«, sagt Dolak, »vor allem wirklich extrem outdooraffin und sehr weil wir es als zweitkleinster Naturinteressiert an richtiger Information.« park von allen binnen weniger Jahre gleich zweimal geworden sind«. Schon WEITWANDERN IN DER WACHAU 2005 hatte die Jury sich für die engaAngebote für jeden Aktivitätsangierten W ­ aldviertlerInnen aus der urspruch gibt es auch weiter südlich, tümlichen Moorlandschaft entschieim Naturpark Jauerling-Wachau, wie den. Wer sich für diese Auszeichnung Mathilde Stallegger erzählt. Die dorbewirbt, muss mit jeder der vier Säutige Geschäftsführerin hat lange beim Umweltdachverband »an der Schnittlen, die einen Naturpark ausmachen stelle von Biodiversität und ländlicher (also: Naturschutz, Erholung, Bildung und Regionalentwicklung), überzeuEntwicklung gearbeitet«, und widmet gen. Als herausragend wurde neben sich nun im Kleinen dem, was sie dader Renaturierung des Moores – ein Horst Dolak, Naturpark Heidenreichsteiner vor konzeptuell im Großen beschäftigt wichtiger Beitrag zum Natur- und Moor. hat. Höhepunkt ist - im Wortsinn - das

B ILD NATURPARKE NIE DE RÖSTERRE ICH

Schrittgeschwindigkeit ist das ideale Tempo, um sich die Kulturlandschaft eines Naturparks zu erschließen. Wandern ermöglicht echten Genuss.


BILD NATURPA RKE NIE DERÖSTE RRE ICH, MARTINA S EIB ENHANDL

»Dach der Donau«: Die Gipfelrunde um den Jauerling belohnt mit einem Ausblick über die zu jeder Jahreszeit reizvolle Wachau.

Mathilde Stallegger, Naturwark Jauerling-Wachau.

GUT UND GÜNSTIG: HECKEN FÜR BIENEN Wie eine Hecke mit regionalen Gehölzen zum summenden Hort der Biodiversität wird. Wenn in den Naturparken von Bienen die Rede ist, dann sind damit Wildbienen und andere Insekten ebenso mitgemeint wie Singvögel. Sie alle profitieren von naturnahen Geländestrukturen, abwechslungsreicher Landschaft und Gehölzen, die an den jeweiligen Standort angepasst sind. Um sie zu fördern sind die Naturparke Niederösterreich eine Kooperation mit der vom Land und der Landwirtschaftskammer ins Leben gerufenen Initiative »Wir für Bienen« eingegangen. Für all jene, die sich ohne viel Aufwand im eigenen Wirkungsbereich für Wildtiere und ganz besonders für Nützlinge einzusetzen wollen, wurde ein eigenes Pflanzenpaket geschnürt: die »Wir für Bienen-Hecke«. Es wird um günstige 39 Euro gegen Vorbestellung abgegeben und enthält 10 Gehölzarten, die für Vielfalt sorgen: Schlehdorn, Sal- und Purpurweide, Hunds-Rose, Himbeere und Holz-Apfel, Gewöhnliche Traubenkirsche und Gewöhnliche Berberitze, Roter Hartriegel und Faulbaum. Sie alle blühen - und bieten Bestäubern Nektar, Pollen und teilweise auch Lebensraum. Nicht zuletzt lassen sich die Früchte einiger dieser Bäume und Sträucher auch vom Menschen nutzen: als reife Wildfrüchte, in Fruchtgelees oder zum Schnaps veredelt. Die »Wir für Bienen-Hecke« kann online bestellt werden und wird entweder zugestellt oder kann bei einem lokalen Abgabestandort abgeholt werden. www.heckentag.at www.wir-fuer-bienen.at

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DER NATURPARKE NIEDERÖSTERREICH

»Dach der Donau«, eine seit einigen Saisonen ausgewiesene Gipfelrunde um den 960 Meter hohen Jauerling. Er führt in 10 Stationen in eineinhalb Stunden zum ausschließlich zu Fuß erreichbaren Naturparkgasthaus. Deutlich mehr Zeit kann man sich für die sogenannte »Jauerling-Runde« nehmen: einen Weitwanderweg, insgesamt 90 Kilometer, die in sieben Tagesetappen, aber auch in wesentlich kürzeren Abschnitten gegangen werden können. Etwas zu schaffen macht der Region noch die öffentliche Anbindung, wobei neben der ab Krems verkehrenden Wachaubahn an Wochenenden auch ein VOR-Bus (die Linie 722) zwei Mal täglich alle Naturparkgemeinden anfährt. Um aufgegabelt zu werden, reicht es, sich eine Stunde davor telefonisch anzumelden. Weiter oben im Norden, in Heidenreichstein, hofft man auf einen Ausbau des Bus- und Bahnnetzes. »Der öffentliche Nahverkehr bei uns ist eine Katastrophe«, sagt Horst Dolak. Es bestehe »extremer Handlungsbedarf, auch weil viele Jugendliche aus Klimaschutzgründen keinen Führerschein mehr machen möchten«. Die kleinräumige Regionalentwicklung gerate da an ihre Grenzen. »Da können wir als kleiner Naturpark nur an die Politik appellieren, sonst liegen wir touristisch irgendwann im Abseits.«und Bahnnetzes. »Der öffentliche Nahverkehr bei uns ist eine Katastrophe«, sagt Horst Dolak. Es bestehe »extremer Handlungsbedarf, auch weil viele Jugendliche aus Klimaschutzgründen keinen Führerschein mehr machen möchten«. Die kleinräumige Regionalentwicklung gerate da an ihre Grenzen. »Da können wir als kleiner Naturpark nur an die Politik appellieren, sonst liegen wir touristisch irgendwann im Abseits.« naturparke-niederoesterreich.at


GPS statt Glockenläuten Stefan Knöpfer, Ziegenhirte und Ranger im Naturpark Sierningtal-Flatzer Wand, über Mosaike, Bulgarenziegen und Beweidungsarbeit. Sie leiten den Verein Hirtenkultur. Warum brauchen Landschafts- und Naturschutz Schafe, Ziegen und vor allem HirtInnen? Stefan Knöpfer: Beweidung garantiert eine seit Jahrtausenden existierende Kulturlandschaftspflege, an die sich viele Vogel- und Insektenarten angepasst haben. Braunkehlchen und Neuntöter z. B. folgen den Herden, weil sie wissen, dort wo die Weidetiere sind, gibt es Nahrung. Auch viele Blühpflanzen verschwinden, wenn die Weidetiere verschwinden. Mähen ist nie das gleiche, weil selbst eine schonende Mahd auf großer Fläche die Struktur komplett binnen einer Stunde verändert. Beweidung hingegen ist nicht radikal, sondern lässt Mosaike der Biodiversität stehen und entstehen. Davon haben viele Arten profitiert, die durch die Modernisierung der Landwirtschaft nun bedroht sind. Als Verein wollen wir zur Koexistenz von Mensch, Weidetieren und Kulturlandschaften zurückkehren. In Österreich gibt es 35 alte Weidetierrassen. Welche Bedeutung kommt ihnen heute zu? Alte Rassen sind viel robuster. Ganzjährig im Stall zu sein, wie heute oft, das gab es früher ja nie. Sonne, Regen, Wind, Schnee, Eis, Parasiten - all das halten alte Rassen aus. Es ist wichtig, dass sie nicht verloren gehen. Wir probieren gerade, welche Ziegen für den durch die Klimakrise oder Klimaveränderung heißer werdenden Osten Österreichs geeignet wären. Ange-

passte alten Rassen sind bereits verschwunden. Erhalten gebliebene alpine Rassen stehen im Sommer in den heißen Niederungen apathisch im Schatten. Deshalb versuche ich gerade die Bulgarenziege zu etablieren, weil sie Hitze, Fliegen und Insekten gut aushält. Wie sieht denn der/die typische HirtIn heute aus? Wir nutzen viel Technologie und statten z.B. die Leitziege einer Herde mit GPS aus, um verloren gegangene Tiere schnell zu finden. Glocken sind laut und nicht mehr zeitgemäß, weil unangenehm für die Tiere. Hunde nutzen wir mittlerweile alle wieder – allerdings nicht die altösterreichischen Rassen, sondern meist Border Collies. Die sind einfach perfekt. Finanziert sind HirtInnen heute meist über groß angelegte Naturschutzprojekte. Ab nächstem Jahr versuchen wir Beweidungsarbeit niederösterreichweit fair zu entlohnen. Es wäre wichtig, dass jeder engagierte landwirtschaftliche Betrieb diese Leistung honoriert bekommt. Theoretisch gibt es dafür EU-Geld, wir müssen es nur abholen. Der Wolf als Rückkehrer in unsere Kulturlandschaft wird das möglich machen, davon sind wir überzeugt. Er hat deutlich gezeigt hat, dass wir ihm nicht aktiv geführte und bewachte Herden am Tablett servieren. www.hirtenkultur.at www.naturpark-sierningtal-flatzerwand.at

B ILD BA RBA RA MCA LLISTER

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DER NATURPARKE NIEDERÖSTERREICH

Wiesenleben lässt sich im Naturpark Sierningtal-Flatzer Wand nicht nur bei geführten Ziegenwanderungen erleben. Die Herde von Hirte Stefan Knöpfer ist die Vegetationszeit über landschaftspflegend im Einsatz. Beliebt sind auch die Sensen-Workshops.


BIO R A M A NÖ

GAR T E NK ULTU R

35

MISCHKULTUR Gärten brauchen Grenzen. Doch diese können richtig einladend sein, blühen und fruchten und auch noch die Landschaft beleben.

J

BILD ISTOCK/ ISTOCK.COKANCE M/LORINA REMIPS UM, LO RE M I PSU M

etzt im Winter, nachdem die ersten Fröste eingefallen sind, sind sie essbar. Am besten direkt vom Strauch genascht und im Garten ausgezuzelt: die köstlichen Mispeln. Auch Asperln genannt. Nun hängen die braunen teigigen Früchte erntereif im rot-orange-gelben Laub der Sträucher. Vielerorts werden sie neu gepflanzt. An einer Hauswand oder eben auch in einer Hecke aus verschiedenen Wildobstarten. Dort und da hat ein Mispelstrauch – botanisch Mespilus germanica genannt – die letzten wildobstverachtenden Jahrzehnte überlebt. Das ist gut so, denn die Früchte haben heilende Wirkung. Vor allem Menschen, die an chronischen Darmerkrankungen leiden, erfahren rasch Linderung durch die verdauungsregulierende Frucht. Eine andere Frucht, die sich nahezu perfekt als Naschhecke eignet, ist die Kornelkirsche, auch Dirndl oder Cornus mas genannt. Sie lässt sich gut in Form halten und dort und da immer wieder

schneiden, ja sogar richtig in Form bringen, und trägt trotzdem Früchte. Einzige Voraussetzung: Kornelkirschen vertragen sommertrockenes Klima schlecht; hier müssen sie bewässert werden. Kornelkirschen reifen schon im September. Auch sie lassen sich frisch vernaschen. Größere Erntemengen lassen sich zu Marmelade oder Saft verarbeiten. Eine naschbare Heckenpflanze, die auch Trockenheit verträgt, ist die essbare Ölweide. Auch wer schon einen Zaun hat, kann diesen begrünen und zum Beispiel Minikiwis (Actinidia arguta) am Zaun entlang ziehen. Die eignen sich besonders für Menschen, die gerne schnippeln: Sie brauchen nämlich regelmäßigen, starken Rückschnitt, damit sie nicht aufs Früchtetragen vergessen. Apropos Klima: Hecken schaffen ein wunderbares Kleinklima. Ein Richtwert lautet, dass eine 1 Meter hohe Hecke 10 Meter Land schützt. Hecken bremsen den Wind, die dahinter angebauten Gemüsepflanzen verlieren dadurch weniger Wasser durch Verdunstung, können gleichmäßiger wachsen und müssen weniger gegossen werden. Die alte Gartenbauliteratur weiß das und gibt eine Wachstumssteigerung von 40 bis 50 Prozent an. Viele Hausgärten im verbauten Gebiet sind bereits gut vor austrocknenden Winden geschützt. In ausgesetzten Lagen ist die Anlage von Hecken hingegen auch aus diesem Gesichtspunkt besonders wichtig.

TEXT Andrea Heistinger

Agrarwissenschafterin und Gartenbuchautorin Andrea Heistinger weiß, welche Obststräucher sich für Hecken eignen. andrea-heistinger.at


B IO R A M A N Ö

SC H U L M IL CH

36

KALZIUM FÜR DIE KLEINSTEN

TEXT Thomas Weber

C

hristoph Freiler hat die Schlüssel für fast alle Schulen und Kindergärten in der Umgebung. Fünfmal die Woche macht er oder sein Mitarbeiter spätabends im VW Caddy die Runde und bringt die schweren Steigen in die Gebäude; 1400 Viertelliterbecher insgesamt. Trinkmilch, Kakao, Erdbeertrinkjoghurt, Vanille- und Bananenmilch führt er im Kühlwagen aus. Je nach Witterung dauert das drei, vier Stunden. Der Milchhof der Freilers liegt abseits, im Ponholz, ganze drei Kilometer außerhalb von Krumbach auf 750 Metern Seehöhe. Hier in der Buckligen Welt fühlt sich manchmal schon der Spätherbst an wie Winter. Die Tage des Biobauern sind lang. »Wenn du Lebensmittel für Kinder produzierst, ist das aber wahnsinnig motivierend«, sagt der

38-Jährige. »Da weißt du, warum du um halb sechs in der Früh zu melken beginnst.« Auch alle drei Kinder der Freilers bekommen in die Schule die Trinkmilch vom eigenen Hof geliefert. Die älteren in der Mittelschule finden das nach Einschätzung des Vaters cool. Der Jüngste, der neunjährige Johannes, »der macht fest Werbung für uns in der Volksschule«. Ab Frühjahr möchte man am Milchhof auch Kindergartengruppen begrüßen. Schon seit Langem engagiert sich die Familie, die mittlerweile in zweiter Generation biologisch wirtschaftet, im Rahmen des Bildungsprogramms »Schule am Bauernhof«. Während der Pandemie pausiert man zwar. Aber dass eine Kuh nur Milch gibt, wenn sie regelmäßig ein Kalb bekommt, und dass die saftigen Wiesen, auf de-

BILD ISTOCK.CO M/S MOLAW11

Schulmilch ist in vielen Gegenden schwer wegzudenken und seit Jahrzehnten fest in der Hand bäuerlicher DirektvermarkterInnen. Aber wie zeitgemäß ist es, den Absatz tierischer Produkte zu fördern?


37 ren begann man auch selbst Milch zu verkaufen, weil sich die Direktvermarktung von Rindund Schweinefleisch bewährt hatte. Doch erst seit dem laufenden Schuljahr, seit September 2021, füllt der zweite Mitarbeiter der Freilers die Biomilch in der Hofmolkerei in die kleinen Jausenbecher ab. Auch was dafür zugekauft werden muss – Fruchtzusätze wie Erdbeer- und Bananenmus und für die Haltbarkeit ganz wenig Zucker –, hat Bioqualität und wird in Wiener Neustadt gemischt. Regionalität ist den Freilers ein Anliegen. Dass sich die Investition in die moderne Abfüllanlage irgendwann rechnen wird, verdankt das Paar einer glücklichen Fügung: Als zwei alteingesessene Schulmilchlieferanten altersbedingt aufhören mussten, gab es im Bezirk zwar weiterhin Bedarf, aber plötzlich kein Angebot mehr. So wurden die Freilers gefragt, ob sie nicht mit ihrem Milchhof einspringen wollten. Und so kamen sie von null auf eine treue Stammkundschaft von 35 Schulen. An die nöm gehen nun nur mehr zehn Prozent der Milch ihrer 30 Kühe. »Was und wie viel bestellt wird, ist von Schule zu Schule wirklich vollkommen verschieden«, sagt Christoph Freiler. »Wir beliefern Schulen, da trinken alle Kinder Schulmilch. Und es gibt welche, da trinkt nur ein kleiner Prozentsatz Milch.« In der Volksschule, sagt er, da ist Schulmilch am weitesten verbreitet.

URSPRUNG IN DEN 1930ER-JAHREN

nen die Rinder grasen, die Grundlage für kostbare Lebensmittel wie Milch, aber auch Trinkjoghurt und letztlich Fleisch darstellen, das sollen die Kinder am besten selbst sehen und begreifen. Derart mit eigenen Erlebnissen angereichert wird auch die tägliche Bananenmilch zur Botschafterin regionaler Produktion. »Schulmilch tut dem Image der Landwirtschaft insgesamt gut«, sagt Christoph Freiler. Man meint herauszuhören, dass er das durchaus für nötig hält.

SCHULEN ALS STAMMKUNDEN Freiler und seine Frau Cornelia sind neu im Geschäft mit der Schulmilch. Milch gab es hier am Hof zwar immer. Über Jahrzehnte ging sie zur Gänze an die Molkerei nöm. Vor zwei Jah-

Theoretisch müsste die »Schulmilchschiene« – wie Freiler die für seinen Betrieb neue Form der Direktvermarktung nennt – boomen. »Wir liegen voll im Trend«, sagt Josef Weber von der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, »wir haben ein hochwertiges regionales Lebensmittel, das nicht weit durch die Gegend geführt und vor Ort ausgeliefert wird.« Auch er ist von der Sinnhaftigkeit von Schulmilch zutiefst überzeugt. Seine Mailsignatur weist ihn als Milchwirtschaftsberater aus und er könnte vermutlich stundenlang vom gesunden, nahrhaften Lebensmittel Milch schwärmen. Die in manchen Gebieten Österreichs flächendeckende Verfügbarkeit von Schulmilch ist gewissermaßen sein Lebenswerk. Josef Weber weiß, wie man Lust auf Milch weckt. Er neigt aber auch dazu, Kritik am übermäßigen Milchkonsum – oder was er für ein Hin-


B IO R A M A N Ö

SC H U L M IL CH

38 erlaubt worden, ihre Milch direkt zu verkaufen. Der Rest ist eine Geschichte, die Josef Weber maßgeblich geprägt und entwickelt hat.

EU FÖRDERT SCHULMILCH (UND SCHULOBST)

terfragen hält – persönlich zu nehmen. Das ist durchaus verständlich. Es ist mit sein Erfolg, dass in ganz Österreich heute noch täglich 2400 Schulen und Kindergärten mit Milch beliefert werden. Zwar hat Schulmilch in Österreich eine lange Tradition, die bis in die 1930er-Jahre auf die Ausspeisungsaktion des Sozialministeriums zugunsten unterernährter Kinder zurückreicht. Doch spätestens nach dem Beitritt zur Europäischen Union entwickelte sich der Milchmarkt auch in Österreich hin zur Massenproduktion. Mehr als die Hälfte der Molkereien verschwand seither. Obwohl die Europäische Union Schulmilch bis heute fördert – Eltern zahlen nur zwischen 50 und 70 Cent pro Produkt –, war die Schulmilchschiene für die bis dahin dominierenden Molkereien unattraktiv geworden. Bereits kurz davor war es Höfen

WIE VIEL MILCH IST GESUND? Frische, gesunde Lebensmittel vom Bauernhof, direkt vermarktet in der Region – theoretisch ist das voll im Trend. Doch die Theorie und die Unionsbeihilfe sind das eine. Die Praxis, die Pandemie und neue Ernährungsgewohnheiten sind das andere. Im Frühjahr 2020 waren für wenige Wochen fast weltweit alle Schulen geschlossen. Lockdowns und einzelne Klassen in

B ILD BI OHOF HANS INGE R, FREI LER

Biobauer Günter Hansinger und seine Familie beliefern immer noch zwei Schulen mit Milch. Den Fokus legen die Hansingers mittlerweile aber auf ihr Bioeis.

Allein in Niederösterreich gibt es neben dem Milchhof Freiler derzeit 15 Bauernhöfe, die Schulmilch vermarkten. Sechs davon produzieren biozertifiziert. Für Josef Weber ist dieser Anteil nicht maßgeblich, wie er betont. Für den Kammermitarbeiter in Altersteilzeit geht es allein um Regionalität. Und natürlich um gesunde Ernährung. Letzteres fördert die EU, zuletzt 2016 geregelt in einer Verordnung des Europäischen Parlaments über Schulobst und Schulmilch. Es ist ein langer Satz, dessen Inhalt Josef Weber in Varianten zitiert: »In Anbetracht des derzeit rückläufigen Verbrauchs von frischem Obst und Gemüse und Milcherzeugnissen, insbesondere bei Kindern, und der Zunahme der Zahl fettleibiger Kinder aufgrund von Ernährungstrends, bei denen in erster Linie stark verarbeitete Nahrungsmittel verzehrt werden, denen zudem oftmals hohe Mengen von Zucker, Salz, Fett oder Zusatzstoffen zugesetzt sind, sollte die Unionsbeihilfe zur Finanzierung der Abgabe ausgewählter landwirtschaftlicher Erzeugnisse an Kinder in Bildungseinrichtungen stärker zur Förderung gesunder Ernährungsgewohnheiten und des Verzehrs lokaler Erzeugnisse beitragen.« Die Teilnahme am europäischen Schulmilchprogramm ist für alle Länder freiwillig. Gezielte Maßnahmen, »um dem zurückgehenden Verbrauch von Milch in der Zielgruppe zu begegnen«, werden allerdings angeregt. Dementsprechend viele Werbemaskottchen hat Milchwirtschaftsberater Josef Weber bereits miterlebt. Willy Milchzahn und Professor Lactosius zum Beispiel. Derzeit repräsentiert die gezeichnete Kuh Gerda das Gemelk ihrer Artgenossinnen.


BILD BIO HO F HANSI NG ER

Quarantäne haben die Abwicklung erschwert. Manche Schulen wollen sich die Mühsal des Hin und Her derzeit nicht antun. Ob überhaupt Schulmilch bezogen wird, entscheidet jede Schule autonom. Im Wesentlichen liegt es an der Direktion oder einzelnen engagierten LehrerInnen. Ganz praktisch hinterfragen auch Eltern immer öfter, ob es noch zeitgemäß ist, dass Kinder, wie von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen, täglich drei Portionen Milch zu sich nehmen. Für ein Kleinkind empfiehlt die AGES, die österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, zum Beispiel täglich zwei kleine Gläser Milch ( je 125 Milliliter) und eine Scheibe Käse. Für die »Planetary Health Diet« hingegen haben internationale WissenschafterInnen der eat-Lancet-Kommission ermittelt, was der Gesundheit des Menschen und des Planeten gleichermaßen zuträglich wäre. Sie empfehlen genau die Hälfte davon. »Ich höre, dass es in manchen Schulen bei Elternabenden Dis-

»Es muss nicht Kuhmilch sein. Eine mit Kalzium angereicherte Hafermilch ist gleichwertig. Hafermilch hat zwar weniger Eiweiß, dafür aber wichtige Ballaststoffe, die in Milch gar nicht vorhanden sind.« — Andrea Fičala, Ernährungswissenschafterin kussionen gibt«, sagt Josef Weber. »Aber die Kinder haben ja die Wahl. Und es spricht gar nichts dagegen, auch vegane Drinks aus der Region anzubieten.«

EIN LEBENSMITTEL, KEIN GETRÄNK Zumindest Letzteres wäre mit der Forderung der Veganen Gesellschaft vereinbar. Sie propagiert die Verfügbarkeit von alternativen pflanzlichen Angeboten an Schulen. Radikaler denkt man beim vgt (Verein gegen Tierfabri-

39


B IO R A M A N Ö

SC H U L M IL CH

40 ken). Dort hat man bislang zwar keine ausdiskutierte Position zum Thema Schulmilch, wie vgt-Sprecher Georg Prinz gesteht. Man tendiere aber vermutlich »eher in Richtung Abschaffung von Schulmilch«. Auch, weil eine aktive Absatzförderung tierischer Lebensmittel im Widerspruch zum Klimaschutz stehe. Teilweise gibt es an Schulen ohnehin die Möglichkeit, rein pflanzenbasierte Produkte zu bestellen, etwa gespritzten Apfelsaft im Mostoder Traubensaft im Weinviertel. Im Rahmen

»Wenn du Lebensmittel für Kinder produzierst, da weißt du, warum du um halb sechs in der Früh zu melken beginnst, da siehst du Sinn in deiner Arbeit.« —  Christoph Freiler, Biobauer

der EU-Schulaktion gefördert werden diese allerdings nicht. Zuletzt forderte in Deutschland zwar der Bundesrat, das Schulmilchprogramm künftig zu erweitern, beispielsweise um regionale Drinks aus Hafer. Zumindest seitens des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (bmel) reagierte man aber klar ablehnend, weil »pflanzlichen Drinks in der Regel viele der für die kindliche Entwicklung förderlichen und in Milch enthaltenen Nährstoffe fehlen oder in erheblich geringeren Mengen vorhanden sind«, wie die Plattform Top Agrar eine Sprecherin zitiert. Auch Josef Weber kann mit pflanzlichen Drinks als Alternative erwartungsgemäß wenig anfangen. »Milch ist kein Getränk«, sagt er bestimmt. »Aufgrund der Nährstoffdichte sprechen wir bei Milch von einem Lebensmittel. Und aus Umfragen wissen wir, dass unsere Milch in der Schule für immer mehr Kinder die erste Mahlzeit des Tages ist, weil sie zuhause nicht mehr frühstücken. Irgendein Getränk kann mit einem hochwertigen Lebensmittel wie Milch nicht mithalten.«

Herbert Hansinger beim Füttern des Fleckviehs. Schon seit 1929 wird am Hof der Hansingers in Kilb Milch produziert. Immer arbeiten mehrere Generationen am Betrieb.


BILD FRE ILER, BIO HOF HA NS INGER

AM HORIZONT: DER HAFERDRINK Das letzte Wort in dieser Diskussion ist freilich längst nicht gesprochen. Denn die Farm-toFork-Strategie im Rahmen des Green Deal der EU stellt viele Gewohnheiten und Gepflogenheiten infrage. Auch das EU-Schulprogramm wird in den nächsten Jahren evaluiert. Die britische Zeitschrift »Economist« regte zuletzt an, die Fleischrinderhaltung mit dem Verbrauch von Kohle gleichzusetzen – und den Rinderbestand in einer gemeinsamen globalen Kraftanstrengung zu reduzieren. Auch wenn sich Weidehaltung im Alpenraum schwer mit intensiver Kraftfuttermast vergleichen lässt. Ganz entziehen wird man sich solch dringend fälligen Debatten auch in der Buckligen Welt und Umgebung nicht können. »Es ist keine abgemachte Sache, dass Schulmilch ewig Milch bleiben wird«, meint Otto Gasselich. Der Obmann des Verbands Bio Austria in Niederösterreich geht davon aus, dass Dinkel- und Haferdrinks früher oder später auch an den Schulen auftauchen werden. Für entscheidend hält der Biofunktionär, dass diese Haferdrinks dann von direktvermarktenden Betrieben kommen und nicht aus industriellen Anlagen. »Es wird Alternativen geben«, sagt Gasselich, »und ich bin ehrlich: Bis dahin freuen wir uns über jeden Liter Biomilch, den wir in den Schulen absetzen dürfen. Wer als Kind damit in Kontakt kommt, wird auch später eher daran Gefallen finden.« »Rein ernährungsphysiologisch ist Milch eine gute Sache«, meint Andrea Fičala, die als Ernährungswissenschafterin und Köchin in der Ernährungsbildung tätig ist. »Und superregionale Angebote, oft in Mehrweggebinden – an solchen Modellen gibt es wenig auszusetzen.« Aber »es muss nicht Kuhmilch sein. Eine mit Kalzium angereicherte Hafermilch ist ähnlich wertvoll. Hafermilch hat zwar weniger Eiweiß, dafür aber wichtige Ballaststoffe, die in Milch gar nicht vorhanden sind.« Als erklärter Fan der Direktvermarktung hofft Fičala, dass bald Bäuerinnen und Bauern auf die Idee kommen, Haferdrinks ab Hof an Schulen auszuführen.

SPEISEEIS STATT SCHULMILCH Pragmatisch ist man jedenfalls am Biohof Hansinger. Und »ein bissl traurig«, wie Bäuerin Anneliese Hansinger gesteht. Seit 27 Jahren füllt die mittlerweile 59-Jährige mit ihrem

41 Mann Herbert Schulmilch ab. 11 Schulen hat man früher beliefert. »Bis 2006 ist das relativ gut gegangen, dann wurde es weniger«, erzählt Hansinger. Heute beliefert der Hof aus Kilb nur noch eine Volks- und eine Mittelschule. »Durch Corona sind einige gleich ganz abgesprungen«, sagt sie. Unsicher seien viele aber schon vor der Pandemie gewesen. Einerseits, weil man sich die Extraarbeit an den Schulen oft nicht mehr antun wolle. »Die LehrerInnen und SchulwartInnen stehen zum Großteil nicht mehr dahinter. Auch die Eltern sind manchmal unsicher, weil umstritten ist, wie gesund Milch für Kinder wirklich ist.« Selbst denkt sie, dass man früher oder später draufkommen werde, dass das Kalzium für die Kinder vielleicht doch gut gewesen wäre. »Aber ich glaub fast«, sagt sie und stockt, »dass das ein Auslaufmodell ist«. Wirklich ein Geschäft ist die Schulmilch für die Hansingers schon länger keines mehr. Deshalb hat man das Angebot reduziert. Gab es früher Schulmilch in einer breiten Produktpalette, bietet die Bauernfamilie den Schulen jetzt nur noch Milch und Kakao an – und Apfelsaft von den eigenen Streuobstwiesen. Trotzdem läuft das Milchgeschäft gut für den Biohof. »Wir müssen zum Glück nicht jammern«, sagt die Bäuerin, »es wird relativ viel Joghurt und Flaschenmilch gekauft«. Und für ihr Eis sind die Hansingers mittlerweile weithin bekannt. Sie haben 2004 begonnen, mit Speiseeis zu experimentieren. Heute produziert man, je nach Saison, bis zu 60 Sorten. Während früher auch Vanillemilch den Hof verließ, ist jetzt Vanilleeis der Absatzbringer. Am Milchhof Freiler in der Buckligen Welt setzt man derweil voll auf die Schulmilchschiene. Christoph Freiler sagt zwar, dass der Betrieb nicht größer werden solle. Gegen mehr Wertschöpfung hat der Biobauer aber nichts einzuwenden. »Wir wollen veredeln und direkt verkaufen«, sagt er. Da stimme der Preis; da könne man den KonsumentInnen den Wert der hochwertigen Produkte direkt vermitteln. Das Fleisch ihrer Schweine und Rinder verkauft die Familie deshalb bereits größtenteils über die Plattform »Nahgenuss«. Und wer aufmerksam gelesen hat, erinnert sich: Noch geht ein Zehntel der Milch des Milchhofs an die nöm. Am Schlüsselbund von Christoph Freiler ist also noch ein wenig Platz.

Wer in Niederösterreich Bioschulmilch liefert Biohof Hansinger Anneliese und Herbert Hansinger Petersberg 9 3233 Kilb Bioladen & Café Hansinger Raiffeisenplatz 1 3233 Kilb hansinger.at Biohof Freiler Cornelia und ­Christoph Freiler Ponholz 54 2851 Krumbach man vermarktet Fleisch von Schwein und Rind auch über nahgenuss.at freiler-milch.at Adele Fuchssteiner Sonnleitgraben 4 3153 Eschenau Milchhof Langschlag (stellt gerade auf Bio um) Familie Paul Mayerhofer-Sebera Bahnhofstraße 3 3921 Langschlag milchhof-langschlag.at Teufl-Zehnbacher Erb 7 3251 Purgstall Biohof Buchinger Gerald Buchinger Wieser Höhe 45 3340 Waidhofen an der Ybbs


B IO R A M A N Ö

K U L I NAR IK

42

FRÜHSTÜCK IN BIO Ob als entspannter Business-Brunch, zur Stärkung nach einer zeitigen Bergtour oder zur ausgiebigen Völlerei an Feiertagen: Wo es in Niederösterreich Biofrühstück gibt – eine Übersicht. SUPPERIÖR Das Konzept des Supperiör sieht ­keine Reservierungen vor. Von Montag bis Donnerstag gibt es hier, im Zentrum von St. Pölten, ein paar Schritte vom Rathausplatz entfernt, von 7.30 bis 11 Uhr Frühstück in 100 Prozent Bioqualität. (Danach werden bis 13 Uhr Suppen, Eintöpfe, Currys und im Sommer Salate angeboten, zum Gleichessen oder zum Mitnehmen im Pfand-Schraubglas.) Das pikante Frühstück ist recht klassisch, süß bietet die Suppenküche Porridge, Ayurvedabrei und Chiasamenpudding an. Spezialität des Hauses ist die süße Eierspeise. »Da sind viele anfangs skeptisch«, erzählt Geschäftsführerin Kathrin Tanzer, »dann sind sie aber megabegeistert«. Für die süße Eierspeise werden zerdrückte Bananen mit Zimt in Kokosöl angebraten, bevor mit dem Küchenfreund zwei Eier so eingearbeitet werden, dass alles eine homogene Masse ergibt, auf die dann Früchte der Saison und Honig kommen. Trotzdem sind im Supperiör auch VeganerInnen richtig. Das Publikum ist bunt gemischt: von Schlipsträgern über alternative ZeitgenossInnen bis zu »Omis, die keine Lust mehr haben zu kochen« (Kathrin Tanzer). Marktgasse 3, 3100 St. Pölten suppendesign.at

BILD UNSPLA H/ A LEXANDE R MI LS, I ST OCK/ DI NKASPE LL

TEXT Thomas Weber


43

PANORAMAHOTEL WAGNER Pandemiebedingt steht das Biohotel am Semmering über den Winter nur für Gästegruppen zur Verfügung, die getestet das ganze Haus buchen, erklärt Hotelier Robert Wagner am Telefon. Er führt eines der allerersten Biohotels des Landes mit 21 liebevoll ausgestatteten Zimmern (zwei Suiten, 16 Doppelbzw. Zweibettzimmer und drei Einbettzimmer). Erst ab Sommer freut sich der Hausherr, nach diesem »absoluten Ausnahmejahr« wieder Individualgäste begrüßen zu dürfen. Er ist nicht nur Biopionier, sondern auch Realo: »Die Leute sind schon so verwöhnt und die Qualität beim Frühstück wird immer sensationeller, da muss man als kleines Hotel froh sein, wenn man überhaupt mithalten kann.« Auch wenn es deshalb viele Häuser gebe, die sich vom Buffet verabschieden und bewusst zum kleinen Frühstück zurückkehren – im Panoramahotel Wagner möchte man das Buffet beibehalten. Alles, was zertifizierbar ist, wird hier in Bioqualität aufgetischt. Am Buffet gibt es viele Produkte regionaler ProduzentInnen, unter anderem eine breite Palette an auf Wunsch auch warmen Cerealien, saisonalen Früchten, Fleisch, Käse und auch zum Frühstück bereits viel Salat und Gemüse. Beim Platz auf der schönen Frühstücksterrasse mit Blick auf Rax und Schneeberg haben Hausgäste Vortritt, aber bei Reservierung am

Vortag freut sich Wagner auch über Gäste von auswärts. Aufgebaut ist das Frühstücksbuffet von 8 bis 10 Uhr. Hochstraße 62 panoramahotel-wagner.at

KARL LUDWIG HAUS Für einen spontanen Besuch ist das auf 1804 Metern über dem Meeresspiegel gelegene Karl Ludwig Haus eher nichts. Am Hochplateau der Rax kehren vor allem Wandersleute und BergsteigerInnen ein. Es gibt aber auch leichte Familienwanderungen auf die Bio-Schutzhütte. Und selbst das Frühstück ist nicht ausschließlich den Nachtgästen vorbehalten. Für diese ist es allerdings im Nächtigungspreis enthalten (lediglich für Wurst, Käse und Eierspeise müssen jeweils 3,90 Euro aufgezahlt werden). Allen, die nur zum Frühstück vorbeikommen wollen, empfiehlt Hüttenwirt Gunnar Niehusen, vor dem Aufstieg anzurufen, am besten am Vortag. Dann ist auch für diejenigen, die es im Sommer bereits im Frühtau zu Berge zieht, ein Frühstück ab 7 Uhr früh möglich. Geboten werden neben Brot herzhafte und süße Aufstriche, Cornflakes und Müsli, Tee, Kaffee und, so Hüttenwirt Niehusen, »ein bisschen Obst, ein bisschen Gemüse«. Alles in Bioqualität. 2654 Prein an der Rax karlludwighaus.at


B IO R A M A N Ö

K U L I NAR IK

44

LANDHOTEL YSPERTAL,

JOE TEECAFE E.U Der Name dieses Lokals – »Joe« – ist die zum Kosenamen verkürzte Würdigung eines ehemaligen Bewohners des Hauses, in dem es untergebracht ist. Joseph Hyrtl (1810 bis 1894) war ein wohlhabender Forscher und Arzt, der Waisenhäuser finanzierte und sich auch sonst tatkräftig für menschenfreundliche Lebensbedingungen einsetzte. Dementsprechend versteht das Teecafe sein Tun ganzheitlich nachhaltig und beschränkt sich nicht nur auf die Verarbeitung von Bioprodukten, sondern setzt als Social Business auch auf fairen Handel und ganz generell auf Umweltschutz und faire Arbeitsbedingungen. Das Angebot ist vegan und vegetarisch. »Auch Rinder, Schweine und Hühner können sich bei uns sicher fühlen«, heißt es auf der Website. Ein Besuch vor Ort war lockdownbedingt vorab nicht möglich. Das »Joe« wurde aber gleich von drei BiokennerInnen wärmstens als Frühstückslokalität empfohlen. Leonhardberggasse 12380 Perchtoldsdorf joe-teecafe.at

B ILD MA RTIN MÜ HL

Ein stimmungsvolles Haus und die richtige Adresse für anspruchsvolle BiogenießerInnen ist das Landhotel Yspertal. Allerdings sollte man zumindest von September bis Mai unbedingt vorab nachfragen, ob es geöffnet ist. Denn in der ­k älteren Jahreszeit läuft der Betrieb im Hotel nur, wenn Seminargruppen zu Gast sind. Dann ist auch für Externe ein Besuch am Frühstücksbuffet möglich. In den Sommermonaten ist die ganze Woche hindurch von Montag bis Sonntag Betrieb. »Wir haben sehr gute Rückmeldungen auf unser Buffet«, sagt Geschäftsführerin Elisabeth Haslinger, die Wert auf viel Selbstgemachtes und Saisonales aus der Region legt. Meist gibt es zwischen 8 und 10 selbstgemachte Aufstriche, viel Veganes, alles wird offen und unverpackt angeboten. Kaffee und Tee sind nicht nur bio, sondern s­ tammen auch aus fairem Handel. Selbstgemachte Kuchen, Sirupe, Mohnzelten und Marmeladen werden auch zum Mitnehmen angeboten. Ysper 1, 3683 Yspertal landhotelyspertal.at


Entgeltliche Einschaltung der „Tut gut!“ Gesundheitsvorsorge GmbH

DER SCHUHPFLEGE-PIONIER

AUGEN ZU!

made in Austria

WWW.PEP-UP.EU

Was sehen Sie, wenn Sie Ihre Augen schließen? Urlaubserinnerung, Wohlfühlmoment oder Kraftplatz? Laden Sie Ihre Batterien wieder auf, steigern Sie Ihre Widerstandsfähigkeit und genießen Sie entspannende Momente. Nicht nur, bevor Sie weiterlesen. Am besten täglich.

der knabbersnack direkt vom biohof 100 % sonnenblumenöl • glutenfrei • vegan

schorns.at


BIORAMA

29,–

6 AUSGABEN BIORAMA + PRÄMIE*

NORDERD PURE POTATO VODKA AUS DEM WALDVIERTEL Die Essenz des Waldviertels in 700 Millilitern: Für den Norderd Pure Potato Vodka werden frisch geerntete Bioerd­äpfel aus der Erde geholt, gewaschen und zu feinem Brei vermust. gvo-freie Hefekulturen leiten danach die Gärung ein – 72 Stunden, in denen sich der Spirit der Erdäpfel ungezügelt frei entfaltet. Vielfach destilliert, feingebrannt, gefiltert und mit Wasser verdünnt erstrahlt ein Geist aus der erdigen Dunkelheit des Waldviertels – und überstrahlt ­geschmackvoll oberflächliche Trugbilder.


ENTGELTLICHE KOOPERATION

IM ABO

ZUR AUSWAHL STEHEN DIR ZAHLREICHE FAMOSE PRÄMIEN*.

BIOKÜCHE ÖSTERREICH 2021

OLIVENSET VOM BIOPIONIER

KOCHBUCHEMPFEHLUNG

Das biorama-Bookazine zur Weiterentwicklung der Biolebensmittelszene für alle, die Wert auf biologische Küche legen.

Öl und Olivenmix von MANI: Kalamata und grüne Oliven mit Chili & Kräutern + grüne Oliven mit rosa Pfeffer & Koriandersamen.

»Immer wieder vegan« von Katharina Seiser; Brandstätter, 2020. * So lange der Vorrat reicht.


AU S D EM VE R L AG

48

UND SONST SO, IM BIORAMAUNIVERSUM ... KOOPERATION

AUSGEZEICHNET Bioprodukt des Jahres 2022

Bereits eine Institution sind der Award und die Auszeichnung der österreichischen Bioprodukte des Jahres. Seit 2018 küren die Messe Wieselburg und BIORAMA gemeinsam Herausragendes auf dem wachsenden Biomarkt. Die Entscheidung, welche Produkte ausgezeichnet werden, hat eine 6-köpfige Fachjury (darunter Food-Journalistin Katharina Seiser und Bio-Austria-Obfrau Gertraud Grabmann) getroffen. biorama.eu/bioprodukt-des-jahres

BIO-PUSZTAHOF MICHLITS JA! NATÜRLICH BIO-INGWER Frisch, regional und wunderbar saftig: der im Folientunnel im burgenländischen Seewinkel für Ja! Natürlich angebaute Ingwer von Biobauer Oliver Michlits.

6 AUSGABEN

VETTERHOF RANDIG-INGWERSIRUP Die Essenz Roter Rüben (Vorarlbergerisch: ­Randig) als sachte scharfer, wohlig wärmender Randig-Ingwer-Sirup aus Lustenau – die Urkraft der Erde.

NATÜRLICH FÜR UNS SAATGUT Konsequent: Dieses Biosaatgut (mit 100 verfügbaren Sorten) genügt sich nicht mit ökologisch vorbildlicher Gewinnung, es packt das künftige Gemüse auch in Graspapier.

BRAUEREI STIEGL WILDSHUTER BIO-HOPFEN-GIN Aromatisches vom Stiegl-Gut Wildshut: Dieser feine Gin mit seiner sanften Hopfen- und Latschenkiefernote lässt sich auch pur trinken.

ROMAN & STEFAN ROMSTORFER BIO-ERDNUSSBUTTER »100% bio, 100% Erdnüsse und ein bissl Salz, 0% Klumpat«, sagt der Raggendorfer Biobauer Stefan Romstorfer. Fein geröstet eine Weinviertler Delikatesse.

29,–

SONNBERG BIO-KALBFLEISCH »Ich bleib am Hof«: Derart gekennzeichnetes Fleisch stammt von Betrieben, die ihre Kälber mit hofeigener Biomilch aufziehen. Erspart Transportstrapazen, bietet besondere Qualität.

BILDER JA !NATÜ RLICH, STIE GL BRAUE REI, NEU LAND, SO NNB ERG, RE BEL ME AT, ROBE RT WEI SSEN GRUBER, GENUSSKOARL

B IO R A M A N Ö


REBEL MEAT KÄSEKRAINER MIT GEMÜSE

30 Jahre

Zart, saftig und wirklich würzig: Die Käsekrainer von Rebel Meat garantieren mit ihrem 60% Veggieanteil (Karfiol, Hirse und Emmentaler) vollen Wurstgenuss.

Herbst 2021 Simone Hirth 365 Tassen Kaffee mit der Poesie Prosaminiaturen Mit Illustrationen von Renate Stockreiter 14x20 cm, 180 Seiten, € 20,– ISBN 978-3-902717-63-4

Isabella Feimer Cadavre exquis

Isabella Feimer

Cadavre exquis

mit Bildern von Manfred Poor

Erzä h lu ng

17x24 cm, 192 Seiten, € 20,– ISBN 978 3 902717 64 1

ROBERT WEISSENGRUBER BIO-RINDERSPECKPULVER Klingt paradox, aber das Mühlviertler »Speckup« hilft als hochkonzentrierte Würze weniger Fleisch zu essen. 97 Prozent geräucherter Ochsenspeck, der Rest: hochwertige Gewürze.

GENUSSKOARL BIO-KICHERERBSENMISO Ein traditionelles Miso aus Weinviertler Biokichererbsen in traditionell grobstückiger Tsubu-Qualität – ideal zum Verfeinern und Würzen.

Literaturedition Niederösterreich

COVER_150x240.indd 1

26.08.21 11:20

Barbara Neuwirth Eurydike überlebt Hörspiel. Mit Bildern von Jutta Müller

Barbara Neuwirth

Eurydike überlebt

13,5x20,5 cm, 104 Seiten, € 18,– ISBN 978 3 902717 59 7

Literaturedition Niederösterreich

literaturedition-noe.at | www.kultur.noe.at


B IO R A M A N Ö

H I NTAU S

50

ZUM GELEIT

Wie die Marillenblüte helfen kann, das alljährliche Drama auf Asphalt – Tausende Frösche und Kröten als Todesopfer des Straßenverkehrs – zu verhindern.

Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu

S

chwer vorstellbar gerade, aber: Bald blühen wieder die Marillen. In der Wachau wird es dann wie jedes Frühjahr zu erhöhtem Verkehrsaufkommen kommen. Einerseits, weil Schaulustige auch von weit her anreisen, um die Blütenpracht der Bäume zu bestaunen. So ein Landstrich ganz in vergänglichem Weiß wird gemeinhin als besonders romantisch empfunden. Andererseits, weil dann auch te der Wachau-BesucherInnen alle Jahre der Grasfrosch (Rana temporaria) dem Ruf der wieder exakt mit der Wanderung der triebWildnis folgt. Um an die für seine Fortpflanzung gesteuerten Amphibien zusammenfallen. notwendigen langsam fließenden oder stehenZumindest war das in den Jahren 2000 bis den Gewässer zu gelangen, muss der Grasfrosch 2018 so, wie die Universität für Bodenkultur Brücken, Straßen und sonstige Barrieren queren Wien (boku), die Zentralanstalt für Meteo– und wird dabei allzu oft von Autos plattgefahrologie und Geodynamik (zamg), der Naturren. Fast schon seit Menschengedenken, aber schutzbund Österreich und das Naturhistorijedenfalls seit Menschen Autos lenken, spielt sche Museum Wien nun gemeinsam heraussich dieses Drama ab. Der achtsame Mensch gefunden haben. Mit dem Vorsatz, den Beginn möchte dem Einhalt gebieten. Mancherorts der Amphibienwanderungen besser vorhersawurden deshalb Amphibientunnel gegragen zu können, haben sie 11.500 Beobachtunben. Meist sind es aber temporäre Zäune, gen aus dieser Zeit analysiert und dabei herauswelche die Tiere an Sammelpunkte gefunden, dass die Blühzeitpunkte von Marille lotsen, wo sie von Freiwilligen aufund Salweide gut vorhersagen, wann die Amphigelesen werden. Manchmal sieht man bien aufbrechen. Konkret zeigten sich dabei zwei deshalb UmweltschützerInnen mit Konstellationen: Marille/Grasfrosch und Salweiklammen Fingern Kübel voller Frösche de/Erdkröte. Im Detail nachzulesen sind diese Erund anderem Getier über die Straße trakenntnisse im renommierten Wissenschaftsmagagen und dort freilassen. Oft kommen die zin »Nature« unter dem Titel »Predicting spring Freiwilligen aber – was sich dann ebenmigration of two European amphibian species with falls auf der Straße abzeichnet – zu spät. plant phenology using citizen science data«. Von ReDenn die sogenannte Amphibienwandelevanz sind sie deshalb, weil die Marillenblüte dem rung ist wetterabhängig; wie die MarilSchöngeist schwer verborgen bleibt und den Pollenlenblüte. Sie geht jedes Jahr zu einem flug der Weide verlässlich alle Allergiegeplagten ananderen Zeitpunkt los. Natürlich nicht zeigen – während man nach den ersten Fröschen und nur in der Wachau, doch bleiben wir Kröten schon ganz bewusst im Unterholz Ausschau der Überschaubarkeit halber einfach halten muss. Freiwillige kommen künftig also seltener in der Gegend. zu spät, wenn sie Frosch und Kröte über den Asphalt geleiten wollen. Und wer selbst beschaulich durch die ALLERGIEAUSBRUCH ZUR Gegend cruisen möchte, prägt sich am besten folgenKRÖTENWANDERUNG de aus dem Nature-Beitrag abgeleitete Bauernregel ein: Bislang war niemandem aufgefal»Obacht, blüht draußen die Marille! Sonst pickt der Graslen, dass die romantischen Gelüsfrosch in der Rille.«

ILLUSTRAT ION I STO CK/ RE TROROCKET

KOLUMNE Thomas Weber


ose l n e Kost dung & el Anm oßes gr iel p s n in Gew

FRÜHLINGSERWACHEN 2.0 22. Jänner 2022 | 16 bis 18 Uhr Online-Veranstaltung über Zoom mit Biogärtner Karl Ploberger Alle Informationen zur Veranstaltung finden Sie unter www.naturimgarten.at


JETZT NEU IM KÜHLREGAL: TIERWOHL UND KLIMASCHUTZ VEREINT!

GUT FÜR UNS

Unsere Bio-Milchkühe sind das ganze Jahr rund um die Uhr frei und genießen damit höchste Tierwohlstandards. Außerdem bekommen sie ausschließlich österreichisches Bio-Futter.

Unser neuer Milchkarton wird mit Holz aus FSC-zertifizierter Forstwirtschaft hergestellt und ist ungebleicht.

Bei der Herstellung wird weniger Material und Energie verbraucht und damit rund 20 % weniger CO 2 erzeugt als bei herkömmlichen Milchkartons.

UND DIE NATUR NATÜR LICH. Gibt’s bei:

janatuerlich.at


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.