BIORAMA Niederösterreich #6

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Di e N i e de rös t e r r e ic h a u sg a be #6

neu

P.b.b. — 11Z038861 M — 1040 Wien, www.facebook.com/biorama

bestseller

KOSTENLOS — ABER ABONNIERBAR

Biorama Niederösterreich ausgabe 6 —Dezember 2020 / www.biorama.eu

neu

Wo kaufst du so?

Weniger Umwege: Landwirtschaftsprodukte und KonsumentInnen finden sich direkter. Alte Kiste: Seit 20 Jahren kursieren die Mehrwegkisteln mit Biogemüse von Adamah. Junge Mittelsfrau: Markta-Gründerin Theresa Imre hat die Kleinstrukturen größer gemacht. Heiliges Heim: In den Kirchtürmen des Mostviertels sind Falken wie Mauersegler willkommen.

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B io r a m a N Ö

E d i t o r ia l , Im p r essu m

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D Istock.com/shablon, Istock.com/paci77, Istock.com/no_limit_pictures, Istock.com/vitalssss, Istock.com/only_fabrizio, Istock.com/xxmmxx, Istock.com/AnryMos, Istock.com/Turnervisual, Istock.com/Azure-Dragon, Istock.com/Marina Bagrova, Istock.com/cobrid

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Zielgerade

ie direkte Verbindung zwischen zwei Punkten ist im Gelände oft gar nicht so einfach zu ermitteln. Das gilt auch für die zwischen dem Produktions- und dem Zielort eines landwirtschaftlichen Produkts. Für LandwirtInnen bedeuten direktere Wege ein größeres Stück vom eigenen Kuchen und im Idealfall auch Bindung zu und Rückmeldung von den KundInnen. Bezug zur Landwirtschaft und mehr Wissen darüber, wo die eigene Nahrung herkommt, bedeuten einen möglichst direkten Weg für die KonsumentInnen. Wir wünschen uns aus guten Gründen, dass die immer noch vergleichsweise kleinstrukturierte Landwirtschaft in Österreich erhalten bleibt. »Zur Einkommenssicherung« wird von vielen LandwirtInnen – gerade auch von den kleinen – Diversifizierung betrieben, heißt es im aktuellen Grünen Bericht für Niederösterreich. Zu den Strategien zur Diversifizierung wird hier auch die Direktvermarktung gezählt. Also der Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen ohne ZwischenhändlerInnen. Rund 25 Prozent der niederösterreichischen LandwirtInnen betreiben, so der Grüne Bericht weiter, Direktvermarktung. Die klassische Variante ist der Hofladen, doch auch der Marktstand gehört dazu oder die Zustellung nach Bestellung direkt beim landwirtschaftlichen Betrieb. Und in den vergangenen Jahren hat sich in Niederösterreich auch ein vielfältiges Angebot von Onlineplattformen zur Direktvermarktung und zum Onlinehandel entwickelt. Wir haben uns in diesem Heft schwerpunktmäßig mit den Absatz- und Einkaufsmöglichkeiten von Biolebensmitteln aus bäuerlicher Produktion befasst und wollen damit LandwirtInnen wie VerbraucherInnen ein wenig Inspiration für die Suche nach neuen Wegen zueinander bieten. Wir wünschen gute Lektüre!

Irina Zelewitz, Chefredakteurin zelewitz@biorama.eu

Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu @th_weber

impressum HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEURIN Irina Zelewitz AUTORINNEN Martin Mühl, Jürgen Schmücking, Leonie Stieber, Thomas Weber, Martin Zellhofer GESTALTUNG Michael Mickl Lektorat Mattias Feldner COVER­BILD Selina Alge, Michael Mickl ANZEIGENVERKAUF Tanja Grossauer-Ristl, Thomas Weber, Bernadette Schmatzer DRUCK Walstead NP Druck GmbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien; www.biorama.eu, redaktion@ biorama.eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT www.biorama.eu/abo ERSCHEINUNGSWEISE 6 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien. BLATTLINIE biorama ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für den Menschen und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. biorama erscheint sechs Mal im Jahr.


B io r a m a N Ö

Au f takt

Inhalt

03 Editorial 05 LeserInnenmeinung 06 Bild der Ausgabe 07 Splitter 08 Bio macht Schule In Obersiebenbrunn gibt man den SchülerInnen die Wahl. 09 Schulhof-Talk So erklären Landwirtschafts­ schülerInnen, was Bio ist. 13

20 Jahre Adamah-Biokistl Der Direktvermarktungspionier nützt das Abomodell, um neue Standards in Sachen Mehrweg zu setzen.

15

Der naheliegendste Hof Abhofladen bietet einen einfachen Einstieg in die Direktvermarktung.

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2 Jahre, 2 Millionen. Markta-Gründerin Theresa Imre im Gespräch über Grundsätze und Wachstum.

22

20 Marktplatz Wein 6 × Roter Veltliner direkt vom Weinbaubetrieb. 22 33 Jahre Landhausküche Ein Pensionsantrittsinterview mit Küchenchef Karl Grübler.

Das Schnitzel, die »Heilige kuh«

Karl Grübler war 33 Jahre lang Küchenleiter im Landhaus in St. Pölten. Ein Abschiedsinterview vor Pensionsantritt.

27 Schützen statt schießen Wie lassen sich Schaf, Ziege und Kuh vor dem Wolf schützen? 31

»So kitschig wie ein rosaroter Sonnenuntergang« Das Museum Niederösterreich bekommt das Österreichische Umweltzeichen.

37 Menschen, die

auf Türme starren Kirchtürme sind Lebensraum bedrohter Arten.

40 Geh-schwindigkeit Die Formel hinter den Zeitangaben in Wander- und Radwanderführern.

31 Seltene Art

Es gibt nur drei Museen, die das Österreichische Umweltzeichen tragen. Eines davon steht in St. Pölten.

42 Grenzenloses Radeln Radeln entlang der österreichischslowakischen Grenze. 46 Wein-Trauben-Kekse Rezept für Susumelli aus Katharina Seisers »Immer wieder vegan«.

Kolumnen 45 Aus dem Verlag 50 Hintaus

Bild NLK Burchhart, T he o Kust, Thomas Web er, Vi ktor ia Bayer, I stock.com/avtk

34 Plan auf Zeit Im Sonnenpark St. Pölten arbeiten Architekturstudierende »im Bestand«.


Biorama NÖ

Leserinnenmeinung

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Wir müssen reden … LeserInnen an und über uns Mails, Tweets und hoffentlich Liebesbriefe an die Redaktion – und unsere Antworten. Betrifft:

Von LeserIn zu Leserin

27 Schützen statt schieSSen

Wie sich Nutztiere am besten vor dem Wolf schützen lassen – und wieso ein EU-Projekt 2021 auch Städ­ terInnen für den Herdenschutz gewinnen möchte.

34

Sonnenpark

Im Sonnenpark in St. Pölten treffen alte Gebäude auf neue Pläne.

Bild Lis a Muhr

40 Wie lange noch?

So werden die Zeitangaben für Wanderwege berechnet.

Liebe biorama-Redaktion! Was mir unter den Nägeln brennt, ist: ein Hinweis auf die strukturelle Unternehmensunfähigkeit von uns allen und ein Denkanstoß, dass es anders geht. Ich wünsche mir, dass möglichst viele Menschen nachdenken, ob wir wirklich zum System vor Corona zurückkehren wollen. Das hält unser Planet nicht mehr aus! Denn die größte Frage im Angesicht der Klimakrise ist: Wird es die Menschheit schaffen, im 21. Jahrhundert zu überleben? Ich möchte daran glauben und mit eurer LeserInnenschaft hierzu ein neues Mantra teilen: Glaubensbekenntnis zur großen Transformation Ich glaube an Mutter Erde, unseren Planeten, den wundervollen, die Basis unseres Seins. Und an uns Menschen, die wir Gäste auf Erden sind, entstanden durch das Wunder der Natur, geboren von unseren Müttern, aufgewachsen durch die Kraft der Sonne und des Wassers, wissend, dass wir endlich und sterblich sind. Mit Vernunft und Gewissen begabt, kritisch reflektierend, was Mutter Erde braucht, damit wir Menschen überleben. Das Wirtschaftssystem lässt sich ändern, wenn wir begreifen, dass der Klimawandel unser Überleben gefährdet. Ich glaube an die Kraft des systemischen Wandels, den Mut der Politik, Macht der KonsumentInnen, Verantwortung von Unternehmen, schöpferische Zerstörung des Kapitalismus, und das gute Leben für alle. Buen Vivir. – Lisa Muhr, Lehrende an der FHWN, Campus Wieselburg, Kogründerin der »Göttin des Glücks«-Fairtrade-Genossenschaft


B io r a m a N Ö

Bi l d d e r Au sga be

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Künstlerische Aneignung der Ötschergräben

Bild: Steinbrener/Dempf & Huber

Eine Kunstintervention lenkt ein wenig mehr Aufmerksamkeit auf einen Ort, der womöglich gar nicht zu wenig davon bekommt: Dass Steinbrener/Dempf & Huber durch ihre Aktion »Cliffhanger« den Ötschergräben allerdings zu genau jenem Over­tourism verhelfen, den sie aufzeigen wollen, befürchtet Christoph Steinbrener nicht: »Am Wochenende steht man in den Ötschergräben Schlange, wochentags kann man aber noch in Ruhe die Natur genießen. Es ist also vielleicht genau der richtige Zeitpunkt, um sich zu überlegen, welche Form des Tourismus eine Region fördern will.« Am Start der Wanderung durch den Naturpark Ötscher-Tormäuer kann man sich via App Kurzfilme von Sylvia Eckermann und Gerald Nestler laden, um sie dann jeweils am Aufnahmeort anzusehen. Mehr zur Intervention und zum begleitenden filmischen Parcours auf theoriesinmind.net/parcours Irina Zelewitz


Bio r a m a N Ö

S pl i t t e r

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Wandern in ganz Österreich:

Wandern im Wienerwald:

Naturfreunde und ÖBB präsentieren kostenlosen Wanderführer »Mit Bahn und Bus in die Natur«.

Eine neue Wanderkarte bietet nun Extra-Infos zu Flora, Fauna und Kulturangebot entlang der Wege im Biosphärenpark.

46 Touren in ganz Österreich, teilweise durchaus abgelegen, aber allesamt ohne Auto erreichbar: Die für den neuen Naturfreunde-Wanderführer »Mit Bahn und Bus in die Natur« zusammengetragenen Urlaubs- und Ausflugs­ tipps sind gut mit Bus oder Bahn erreichbar – und als pdf verfügbar bzw. können kostenlos auf der Website der Naturfreunde bestellt werden. Das Gros der auf insgesamt 112 Seiten beschriebenen Routen führt zu Naturfreunde-Hütten oder daran vorbei. Sieben davon sind in Niederösterreich – von der gemütlichen Wanderung zur Gföhlberghütte bis zur Wanderung durch die Marchfelder Sanddünen. Letztere ist eine der »Natura Trails« der ngo. Diese sollen gleichermaßen Erholung bieten wie ökologisch besonders wertvolle Landschaften erschließen. Zu jeder Tour gibt es QRCodes, über welche detaillierte Routenbeschreibungen (auf dem Tourenportal der Naturfreunde) sowie korrekte Hütteninfos abrufbar sind – »damit der vorliegende Wanderführer möglichst lange aktuell bleibt«, wie Regina Hrbek, Abteilungsleiterin für Natur und Umweltschutz bei den Naturfreunden, erklärt. Thomas Weber

Der Wienerwald ist seit 2005 einer der weltweit 686 unescoBiosphärenparks und somit, laut Definition der unesco-Kommission, eine international repräsentative Region für nachhaltige Entwicklung. Die Parks sind einerseits Ökosysteme mit charakteristischer Landschaft, andererseits »Freiluftlabore«, in denen getestet und veranschaulicht wird, wie eine menschliche Nutzung mit der Natur in Einklang gebracht werden kann. Die Zusammenarbeit von Wienerwald Tourismus und dem Biosphärenpark Wienerwald verbindet den Tourismus mit der Modellregion für Nachhaltigkeit. Die beiden Organisationen arbeiten seit 15 Jahren im selben Gebiet und machen den Wienerwald für BewohnerInnen und BesucherInnen erlebbar, zum Beispiel durch eine neue, kostenlose Wanderkarte: Auf 30 Tageswanderungen können Wandernde Flora und Fauna bestaunen, die Karte gibt außerdem Informationen über Besonderheiten und Naturschutzprojekte auf dem Weg. Zusätzlich werden An- und Abreisemöglichkeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln beschrieben und besondere Ausflugsziele sowie kulturelle Highlights der Region hervorgehoben. Die Wanderungen reichen von leichten Familienwanderungen bis hin zu anspruchsvollen Tagestouren. Die Karte kann kostenlos bestellt werden und ist online und als App verfügbar. Leonie Stieber

Bild  regi na hrbe k, We rbe agentu r naro si

»Mit Bahn und Bus in die Natur«

Alle Wege führen in den Wienerwald

umwelt.naturfreunde.at wienerwald.info


B io r a m a n ö

Bi o i n der Sch u l e

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Bio macht Schule

In Obersiebenbrunn gibt man den SchülerInnen die Wahl.

In der Landwirtschaftsschule in Obersiebenbrunn werden alle SchülerInnen sowohl in konventioneller als auch biologischer Landwirtschaft unterrichtet.

2020 absolvierten etwa 40 Prozent der SchülerInnen ihr Praktikum auf einem Biobetrieb.

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»

nser Auftrag ist es, den SchülerInnen beizubringen, wie man gut Landwirtschaft betreibt«, erklärt der stellvertretende Schulleiter Arno Kastelliz. »Die Besonderheit besteht darin, dass dieser Auftrag in Obersiebenbrunn so verstanden wird, dass konventionelle und biologische Landwirtschaft gelehrt werden.« Die Einführung biologisch bewirtschafteter Praxisflächen – neben den konventionellen – erfolgte 2018. Nach einer zweijährigen Umstellungsphase konnte schließlich in diesem Jahr, zusätzlich zur konventionellen Ernte, auch die erste biologische Ernte vermarktet werden. Ein Grund für die Umstellung sei auch die Zunahme der biologischen Landwirtschaftsbetriebe. »Noch vor fünf Jahren waren 16 Prozent der österreichischen Betriebe Biobetriebe, mittlerweile sind es schon über 20 Prozent. Als Lehrbetrieb müssen wir deshalb auch eine biologische Ausbildung anbieten, die aus der Biolandwirtschaft kommende Innovation dürfen wir den SchülerInnen nicht vorenthalten. Man könnte auch sagen: Diesen Trend dürfen wir nicht verschlafen«, so Kastelliz. Es sei notwendig, dass den SchülerInnen auch die Vorteile einer biologischen Landwirtschaft nähergebracht werden. Diese schaffe die Möglichkeit, mit einem geringen Einsatz zugekaufter Mittel zu produzieren. Sie bringe eine höhere Wertschöpfung und neue Vermarktungsmöglichkeiten mit sich und könne so, trotz des höheren Arbeitsaufwands, auch für kleine Betriebe eine Möglichkeit bieten, mit ausreichendem Einkommen in der Landwirtschaft tätig zu sein.

SchülerInnen haben die Wahl In der die Schule Obersiebenbrunn umgebenden Region Marchfeld (die bis ins Bundesland Wien reicht) waren vor zwanzig Jahren knapp ein Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe biologisch. Mittlerweile arbeite rund ein Fünftel

der Betriebe biologisch, also 20 Prozent, schätzt Kastelliz das Verhältnis zwischen konventioneller und biologischer Landwirtschaft ein. »Und auch konventionelle Betriebe sind gut beraten, in der biologischen Landwirtschaft erprobte Maßnahmen zu übernehmen. Deshalb ist es auch für uns sinnvoll, den SchülerInnen

»Diesen Trend dürfen wir nicht verschlafen.« —  Arno Kastelliz, Landwirtschaftsschule Obersiebenbrunn zu vermitteln, welche alternativen Lösungen es für unterschiedliche Probleme gibt.« An der Schule würden Projekte und Versuche aus beiden Formen der Landwirtschaft durchgeführt, Erkenntnisse könnten so aus beiden Richtungen gewonnen werden, erzählt Kastelliz. Ein Beispiel hierfür sei ein eigentlich konventionell durchgeführter Versuch zur Bodenbearbeitung und -bewässerung. Dabei haben die SchülerInnen herausgefunden, dass bei vermehrter Bodenbearbeitung das im Boden enthaltene Wasser auch vermehrt ungenutzt verdunstet. Eine Erkenntnis, die selbstverständlich für jedeN LandwirtIn essenziell sei, egal ob konventionell oder biologisch, erklärt der stellvertretende Schulleiter. »Die SchülerInnen lernen beides, das bedeutet aber auch, sie kommen der biologischen Landwirtschaft nicht ganz aus. Das Wissen, das wir generieren, wird auf jeden Fall Einzug in den Unterricht finden – ganz gleich, ob konventionell oder biologisch«, erklärt Kastelliz den Umgang mit den unterschiedlichen Unterrichtsinhalten. Die SchülerInnen vertiefen im letzten Schuljahr ihre Ausbildung durch ein Wahlpflichtfach und ein viermonatiges Pflichtpraktikum in der präferierten Ausrichtung.

B ild Land Ni ederösterre ich, Leo ni e Stiebe r

text Leonie Stieber


SCHULHOF-TALK Wir fragen, 8 LandwirtschaftsschülerInnen aus Obersiebenbrunn antworten.

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» Wie erklärst du deinem Freundeskreis, was Bio ist?« interview und Bild Leonie Stieber

Schüler bei der Grünbepflanzung.

Natalija,

16, aus Strasshof »Ich würde versuchen zu erklären, dass Bioprodukte von der Qualität und vom Geschmack her besser sind. Ich rede mit meinen FreundInnen manchmal darüber, was der Unterschied zwischen Bio- und anderen Produkten ist, weil es viele Vor- und Nachteile gibt. Ich finde Bioprodukte besser, weil sie nicht gespritzt sind und generell keine Stoffe hinzugefügt werden. Wenn ich einen Betrieb hätte, würde ich den bio­ logisch führen wollen. Ich finde, dass Bio tatsächlich auch besser schmeckt.«

Lukas,

15, aus Bruck an der Leitha »Der Unterschied ist, dass man nicht spritzt und dass man keinen Dünger verwendet. Bio ist mehr Feldarbeit – dafür aber weniger zu lernen, weil man die vielen Pflanzenschutzmittel nicht lernen muss. Ich würde mich eigentlich der biologischen Richtung zuordnen. Ich glaube, Konventionell wäre mir fürs Praktikum lieber, weil das größere Betriebe sind. Ich denke aber, Bio ist für den Boden besser und für die Lebewesen generell, für das Grundwasser. Wenn ich einen Betrieb übernehmen würde, würde ich einen Biobetrieb übernehmen wollen.«

Matthias,

16, aus Schönfeld im Marchfeld »Ich würd’s gar nicht erklären. Ich würde sagen: Ich mach’s nicht, es interessiert mich nicht und fertig. Bei Bio hat man halt andere Auflagen. Ich find’s nicht so gut. Meine FreundInnen sind auch meiner Meinung. Aber Bio ist sicher nichts Schlechtes. Unser Nachbar ist auch bio, der verdient da eigentlich auch ziemlich gut. Aber bei ihm sehe ich: Es ist mehr Arbeit, er hat auch Probleme mit seinen Geräten und mit Unkraut. Für mich ist das nichts, ich würd eher spritzen und düngen.«


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» Wie erklärst du deinem Freundeskreis, was Bio ist?« Emely,

Christoph,

15, wohnt im Internat »Eigentlich rede ich mit meinen FreundInnen gar nicht darüber. Meiner Meinung nach macht Bio nicht viel Unterschied. Bio ist, wenn ein Betrieb auf Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger verzichtet. Aber ich find es schon sinnvoll, dass hier beides unterrichtet wird. Ich würde mich eher der konventionellen Richtung zuordnen und auch eher kein Praktikum im Biobetrieb machen wollen. Ich komme von einem Betrieb, auf dem konventionell gearbeitet wird. Ich finde Konventionell auch nicht schlecht, weil auch diese Bewirtschaftungsform das Produkt nicht direkt angreift, es nicht schlecht macht. Sondern einem gewisse Dinge als Land­ wirtIn leichter macht.«

16, aus Ollersdorf »Ich würde erklären, dass biologische Landwirtschaft das ist, was ich wirklich so in der Natur vorfinde. Ich rede mit meiner besten Freundin schon viel über Bio. In meiner Verwandtschaft haben wir eigenes Vieh und eine kleine Landwirtschaft. Bio macht einen Unterschied, zum Beispiel bei Obst: ob es gespritzt ist oder nicht. Oder bei Vieh: ob es dieses Standardfutter bekommt. Die Tiere wachsen auch anders auf und die Fleischqualität ist einfach besser. Mein Praktikum habe ich auf einem Biobetrieb gemacht. Wenn ich einen Betrieb übernehmen würde, würde ich diesen biologisch führen wollen. Ich weiß zwar, Bio ist etwas teurer, aber wenn ich den Hof (des Großvaters, Anm.) übernehme, würde ich das auf jeden Fall so weiterführen. Wenn ich mit den Leuten rede, bekomme ich zwiespältige Antworten. Manche finden Bio recht cool, andere unnötig, weil alles gleich schmeckt. Ich kenne noch mehr Leute, die gegen Bio sind. Zum Beispiel auch, weil es teurer ist.«

Marvin,

16, aus der Gegend Obersiebenbrunn »Ich würde erklären, dass es einfach besser ist für die Umwelt, besser für einen Betrieb im Ackerbau, aber auch für einen mit Tieren. Dass man, wenn man etwas isst, das ohne Chemie produziert ist, weiß, es ist reine Natur. Als Antwort bekommt man den berechtigten Hinweis auf das viele Unkraut im Biolandbau oder die höheren Biofuttermittelpreise. Dann sagen Leute, die sich auskennen: »Du darfst da ja im Biolandbau auch spritzen.« Das stimmt, aber eben nur so viel, wie sich auch abbauen kann. Mein Praktikum würde ich gerne auf einem herkömmlichen Betrieb machen, die Handarbeit ist nicht so meins, ich fahr gerne Traktor. Da gibt’s zwar viele Spritzmittel, aber ich kann mehr mit Maschinen machen. Mir ist wichtig, beides zu kennen. Ich kann noch nicht sagen, in welche Richtung ich gehen möchte. Wenn ich einen Betrieb gründen würde, wäre es ein Biobetrieb, weil ich einfach mehr dafür bekomme und weil ich auch gerne arbeite.«


Lukas,

15, aus Strasshof »Ich würde sagen, Biolebensmittel sind Lebensmittel, die nicht gespritzt wurden. Ich finde das Spritzen nicht wirklich vorteilhaft, denn es geht auch ohne. Für mein Praktikum würde ich mir, wenn’s geht, einen Biobetrieb aussuchen. Wenn ich mit den Menschen über Bio rede, bekomme ich verschiedene Antworten. Manche finden es unnötig, manche finden es besser, besser für den Körper. Mehr Leute sind für die konventionelle Landwirtschaft und finden Bio unnötig. Ein Argument ist, dass es einfach teurer ist. Ich finde es aber trotzdem sinnvoll.«

WAS BEI UNS AM SPEISEPLAN STEHT? NIEDERÖSTERREICH!

Wir kochen frisch, regional und saisonal –

Katharina,

15, aus der Gegend Obersiebenbrunn »Ich würde sagen, dass es im biologischen Anbau nicht so ist, wie viele denken, dass keine Spritzmittel eingesetzt werden. Es gibt einfach andere Regeln als im konventionellen Anbau. Ich komme von einem Betrieb mit konventionellem Anbau, würde mein Praktikum aber auch bei einem Biobetrieb machen. Dabei kommt es mir weniger auf den Anbau an als darauf, ob es mir dort gefällt oder nicht. Meine FreundInnen sind beim Thema Bio geteilter Meinung. Ich glaube, in der ländlichen Gegend ist es zum Beispiel anders als in Wien, wo die Leute eher für Bio sprechen würden. Es kommt also auch darauf an, was man zuhause hat.«

in unseren Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern, für unsere Betriebe und Senioren.

Guten Appetit!

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www.noetutgut.at www.noetutgut.at/vitalkueche


Wir schauen aufs Ganze. Die Biobäuerinnen & Biobauern www.bio-austria.at

Bio-Genuss und Bio-Information findest du online auf bio-austria.at und biomaps.at

© Shutterstock/asife

Bio. Gut für uns. Gut fürs Klima!


Bio r a m a N Ö

IN-DIREKT-VERMARKTUNG

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Alte Kiste Das Direktvermarktungssymbol AdamahGemüsekiste ist 20 – und bleibt Pionier: Demnächst sollen griechischen Bananen und Mehrwegweinflaschen das Sortiment ergänzen.

Bild Isto ck. com/aurie laki, S andra Taus cher

S

eit 20 Jahren nun kursieren die Kisterln von Adamah zwischen Glinzendorf im Marchfeld, wo der Adamah Biohof steht, und Wien, wo sich der Großteil der KundInnen befindet. 8000 KundInnen sind es insgesamt, 20.000 Kisterln werden da wöchentlich verlangt: Ein Kisterl ist eine Mehrwegbox aus Kunststoff, klassischerweise war es gefüllt mit unverpacktem Gemüse vom Adamah Biohof. Inzwischen ist das Adamah-Gemüsekisterl berühmt und gleichzeitig nur mehr eines von vielen Kisterlvarianten und Produkten. Die Zoubeks der GründerInnengeneration, also Sigrid und Gerhard Zoubek, haben klein begonnen, mit der Übernahme und Umstellung auf Bio des Betriebs von Sigrid Zoubeks Eltern, das Gemüse zuerst auf dem Wiener Biomarkt auf der Freyung verkauft und früh, nämlich im Jahr 2000, begonnen, Gemüse als Abo anzubieten. Im ersten Jahr konnten pro Woche 40 Gemüsekisterl verkauft werden, 2020 hat Adamah 15 Millionen Euro umgesetzt. Abhängig von der Perspektive ist Adamah inzwischen ein Händler, der selbst sein größter Produzent ist. Oder er ist ein Bauernhof, der seine eigenen Produkte und die anderer vermarktet. Im Jahresschnitt stammt die Hälfte der Füllung der Kisten direkt von den 120 Hektar Anbaufläche des Produzenten Adamah, die andere Hälfte von Partnerbetrieben. Wer mit Adamah als Zulieferbetrieb zusammenarbeiten möchte, verhandelt seine Konditio-

nen von den Abnahmeregelungen bis zu Preisen und Margen individuell. Bio ist alles, aber das Sortiment ändert sich laufend. Da ist von den Säften, Ölen, Getreideprodukten oder Pestos und natürlich dem Obst und Gemüse, die Adamah selbst produziert, bis hin zu Milchprodukten, Fisch, Fleisch und auch Obst und Gemüse, die von anderen Betrieben und auch anderen Händlern zugeliefert werden, alles für den Wocheneinkauf dabei. Der Schwerpunkt liegt auf regionalen Produkten, wobei regional hier bedeutet: in einem Umkreis von 300 Kilometern um Glinzendorf im Marchfeld hergestellt. »Für uns hier ist ein Vorarlberger Bergkäse nicht so regional wie Nüsse aus Ungarn«, betont Gudrun Hauser-Zoubek, die das Marketing des Familienbetriebs leitet. Eine der nächsten Stationen auf der steten Suche nach ökologischerer Lebensmittelversorgung wird die Mitberücksichtigung der Anlieferung durch die Partnerbetriebe in der CO2-Bilanz sein. Hier wird gerade mit der Universität für Bodenkultur nach einem Evaluierungsmodell gesucht, um Anpassungen auszuloten. Umgekehrt bedeutet Regionalität für Adamah aber auch, nur KundInnen im Umkreis von 100 Kilometern zu beliefern. Regionalität ist aber nicht alles – abhängig von Produkt und Jahreszeit gibt es auch Importware wie Avocados und Bananen. Alles Schiffsware, so weit wie möglich Fairtrade-zertifiziert, doch den KonsumentInnen

Text Irina Zelewitz

Gudrun Hauser-Zoubek leitet das Marketing des Familienbetriebs.


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IN-DIREKT-VERMARKTUNG

soll die Vielfalt des Supermarkts nicht abgehen. Die Bananen sollen versuchsweise demnächst aus Griechenland ins Kisterl kommen.

Mehr Mehrweg Mit der Produktvielfalt im Sortiment sind auch die Verpackungen mehr geworden. Im Rahmen eines von der Verpackungskoordinierungsstelle vks begleiteten Projekts konnte der Mehrweganteil der Produktpalette von 32 auf 50 Prozent erhöht werden. Vor allem die Verpackung der eigenen Produktion wurde adaptiert: Pergaminpapier statt Plastik für Gewürze oder Tees, Säfte in Mehrwegflaschen und künftig werden auch Marmeladen, Pestos, Aufstriche und Wein im Mehrweggebinde kommen. Derzeit wird eine Lösung zur Reinigung der Gläser organisiert. Wie weit ist der Anteil der Mehrwegverpackungen steigerbar? »Wir schaffen es derzeit nicht bei allen Produkten und mit allen LieferantInnen. Es ist bisher immer eine Entscheidung zwischen dem Wunsch nach Vielfalt im Angebot und dem nach Mehrweg. Wir werden künftig im Sortiment noch stärker berücksichtigen, ob Betriebe bereit sind, diesen Weg Richtung Mehrweg mit uns zu gehen oder nicht. Einwegglasgebinde etwa haben eine schlechtere Ökobilanz als Plastikflaschen, deswegen möchten wir unsere BioproduzentInnen überzeugen, auf nachhaltige Mehrweglösungen umzusteigen«, kündigt Hauser-Zoubek an. Auch hier steht bei Adamah räumliche Nähe im Vordergrund. Denn so unbeliebt Plastik zu Recht geworden ist, die CO2-Bilanz einer Verpackung ist nur bei ausgeklügelter Transport-

logistik im Mehrwegsystem besser als mit Einweggebinden. Damit die unterschiedlichen Mehrweggefäße sich auch ihren Namen verdienen, müssen die KundInnen mitspielen. Gudrun Hauser-Zoubek ist zuversichtlich: »Im Moment kommen 80–90 Prozent der Gebinde auch wieder zu uns zurück.« Das liegt wohl auch am Abomodell, dass er möglichst, dass der Händler die leeren Gebinde wieder vor der Haustür der KundInnen abholt. An einer Software für automatische Gutschriften von Pfandflaschen und Kisten wird parallel gearbeitet.

Transport wird erst durch die Masse klimaschonend Adamah verfügt über eine eigene Transportlogistik, die Auslieferung erfolgt durch 21 Kühltransporter, die sich im Laufe der Woche nach Bezirken geclustert durch Wien arbeiten. Ausgenommen sind Schulen, Kindergärten und Büros, die auf Wunsch standortunabhängig am Montag beliefert werden. Für diese Nutzung gebe es noch keine in der Ökobilanz besser abschneidenden E-Kühl-Transporter, so Hauser-Zoubek. Man blicke gespannt auf die Marktentwicklung, da sei besonders Ehemann Christian Zoubek dahinter, den technischen Fortschritt mitzuverfolgen und die Möglichkeiten für den Umstieg auf E-Mobilität auszuloten. Fünf Prozent werden durch die FahrradbotInnen von Heavy Pedals zugestellt, eine Ausdehnung dieses Anteils wird angestrebt. Doch schon jetzt ist für durchschnittliche Adamah-KundInnen nur der Weg zu Fuß zum Bauernmarkt eine CO2-ärmere Art, Lebensmittel zu transportieren, als sie sich vom Adamah liefern zu lassen: Denn zwischen den einzelnen KundInnen liegen im Schnitt, die Anreise zwischen Glinzendorf miteingerechnet, 800 Transportmeter. Wer in diesen Markt einsteigt, muss ohne diese KundInnendichte kalkulieren. Gefragt, was sie LandwirtInnen rät, die nach einem Weg zur Direktvermarktung suchen, empfiehlt Hauser-Zoubek, mit einer Website zu starten und den Schritt zwischen Website und eigenem Webshop nicht zu unterschätzen, denn die Investitionskosten und der Wartungsaufwand könnten schnell erheblich werden. »Da bieten die Plattformen, die es gibt, wohl derzeit den einfacheren Einstieg. Das Wichtigste ist, einmal in der eigenen Region bekannt zu werden, dabei sind gut überlegte Kooperationen natürlich auch sehr wichtig.«

Bild A damah/Wol fgang Le hne r

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IN-DIREKT-VERMARKTUNG

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Direkt bei ProduzentInnen wie dem Annahof lässt sich nicht nur einkaufen, sondern es gibt auch einen Einblick in den Betrieb.

Der naheliegendste Hof Abhofladen bietet ProduzentInnen eine einfache Möglichkeit, online und offline zu verkaufen.

Bild A nnahof-Laab

W

er genau wissen will, wo und von wem die eigenen Lebensmittel hergestellt wurden, der macht sich auf den Weg zu den ProduzentInnen. Online oder eben gleich persönlich. Für die leichtere Auffindbarkeit von LandwirtInnen und deren Angebot sorgen Plattformen wie Abhofladen. Vor allem, wenn man in Ostösterreich zuhause oder unterwegs ist, findet man in der Service-App in seiner Umgebung mit hoher Wahrscheinlichkeit einen von über 4000 Betrieben über eine Kartenansicht und so auch auf Ausflügen einen Hofladen für fast alles von Gemüse und Brot bis zu Milchprodukten, Fisch und Fleisch – roh und küchenfertig hergerichtet oder in verarbeiteten Produkten. Die meisten PartnerInnenbetriebe sind biozertifiziert, eine solche Zertifizierung ist aber keine Voraussetzung für die Aufnahme in die Plattform. Die österreichische Plattform setzt auch in weiteren Aktivitäten auf Information, Service und Austausch, um LandwirtInnen und KonsumentInnen den Weg zueinander zu erleichtern.

Niedrige Einstiegshürde Beim Einstieg von ProduzentInnen in die Direktvermarktung sieht Hannes Harborth, Mitgründer des Direktvermarkternetzwerks Abhofladen, vor allem zwei Hürden: Zum einen stellen Know-how und Budget oftmals eine Einschränkung im Aufbau der notwendigen Infrastruktur, wie eines Shops oder Marktplatzzugangs sowie des Aufbaus der notwendigen Logistik, dar, zum anderen erfordert die Darstellung und Präsentation der Produkte ansprechendes Text- und Bildmaterial. In beiden Punkten bietet Abhofladen Unterstützung: Die Präsentation der eigenen Produkte und des eigenen Betriebs verlangt wenig bis gar kein technisches Know-how und es werden vorgefertigte Online-Shop-Module und ein kostengünstiger Zugang zu professionellen Bildern angeboten. Die Produzentinnen kümmern sich weiter um Verkaufsabwicklung und Versand und erhalten Reichweite und Zugang zu neuen KundInnen – Abhofladen bekommt eine Vermittlungsprovision im Verkaufsfall.

Offenlegung: Abhofladen und Biorama sind in Anteilen im Eigentum derselben GesellschafterInnen.

Text Martin Mühl

»Medien, Digitales, Marketing« – das ist der Back­ground der GründerInnen von Abhofladen. Aus Interesse daran, was in die Pfanne kommt und mit welchem Wein angestoßen wird, wurde dann 2016 Abhofladen gegründet. Heute listet die App 4000 ProduzentInnen, bei denen man direkt einkaufen kann. abhofladen.at


Sujet: Perndl & Co

Klima

& Ich Ausstellung bis  29.8.2021

in Kooperation mit

museumnoe.at


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IN-DIREKT-VERMARKTUNG

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2 Jahre, 2 Millionen. Der digitale »Bauernmarkt« Markta ist selbst der Kleinstruktur entwachsen, will aber seinen Prinzipien treu bleiben: Gründerin Theresa Imre erklärt, wie das funktioniert.

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Bild  Pa me la RuSSmann

heresa Imre war jahrelang Teil des Food­ bloggerinnen-Duos hinter »Eingebrockt und Ausgelöffelt«. In dieser Funktion hat sie den Rezeptteil vieler bioramaAusgaben bereichert. Heute haben wir sie um ein Interview gebeten, denn sie betreibt inzwischen den Onlinebauernmarkt Markta, und das ziemlich erfolgreich. Wir wollten wissen, wie der »digitale Bauernmarkt« für Produkte »aus nachhaltiger Kleinproduktion« funktioniert, was man dort bekommt und wie er innerhalb eines Jahres um das Zwanzigfache wachsen konnte. BIORAMA: Ist Markta.at ein Onlinehändler oder eine Direktvermarktungsplattform? Theresa Imre: Wir verstehen uns in erster Linie als Direktvermarktungsplattform, sind aber natürlich dazwischen und beides. Und wir bieten LebensmittelproduzentInnen und KonsumentInnen grundsätzlich zwei Optionen an: einerseits die Shops auf dem Marktplatz auf unserer Website, wo der/die ProduzentIn dann alles vom Angebot bis zur Abwicklung der Bestellungen selbst übernimmt. Andererseits die Listung direkt in unserem Markta-Shop, wo

gesammelt durch uns verpackt und versendet wird. Für unseren Markta-Shop gibt es derzeit eine Warteliste von 250 Betrieben, wer im Marktplatz gelistet sein will, kann das innerhalb von drei Tagen sein.

Interview Irina Zelewitz

Wie viele entscheiden sich hier für welches Modell? Derzeit erzielen wird zehn Prozent des Umsatzes über den Marktplatz und 90 Prozent mit dem Markta-Shop. Das liegt vor allem daran, dass KundInnen meistens Produkte mehrerer ProduzentInnen in einem Paket geliefert haben wollen. Wo liegt eure Marge und wie ermittelt man die auf eine faire Art und Weise? Wir bekommen 30 Prozent des Verkaufspreises, 70 Prozent bekommt der produzierende Betrieb. In den 30 Prozent sind die Verarbeitung der Anlieferung, das Packen und das Ausliefern inkludiert. Uns bleiben zurzeit nur ein paar Euro pro Packerl, um die Fixkosten zu decken, dadurch müssen wir auch skalieren und größer werden, damit wir weiterhin den ProduzentInnen gerechtfertigte Preise bezahlen

Theresa Imre (30) ist Gründerin und ceo von Markta.


B io r a m a N Ö

IN-DIREKT-VERMARKTUNG

18 können, aber nicht als Bobo-Plattform abgestempelt werden. Unsere Durchschnittsbestellung wächst stark und liegt mittlerweile bei 70 Euro.

Der Umsatz von Markta konnte von 90.000 Euro im Jahr 2019 auf heuer zwei Millionen Euro gesteigert werden.

Markta ist als Marke stark präsent, wie ist die Balance zwischen eigener Marke und Namen und Marke der ProduzentInnen? Wir versuchen gezielt, ProduzentInnen und ihre Marke nach vorne zu stellen, etwa über den Newsletter, wo wir auch zeigen, wer hinter dem Produkt und der dazugehörenden Marke steht. Ist euch ein PartnerInnenbetrieb lieber, der schon eine Marke ist, oder ein noch unbekannter Newcomer? Wir brauchen beides. Natürlich sind wir stolz darauf, dass wir Produkte haben, die man vielleicht noch nicht kennt, die man bei uns entdeckt. Aber wir profitieren auch von starken Marken, die wir anbieten können. Was habt ihr dabei von anderen gelernt und was können andere von euch lernen? Wir werden im Jänner unsere Website relaunchen und mehr auf Storytelling setzen. Wir werden hierfür mehr Content über die Betriebe bieten. Wer besondere Produkte hat, soll das auch erzählen. Das interessiert unsere KundInnen. Was muss eine Bäuerin oder ein Bauer tun, damit ihre Marke über euch bekannter wird? Das Erste, was mir einfällt, wäre, an der Verpackung zu arbeiten. Das Produkt kann noch so gut sein, wenn alles in einförmigen Plastiktegerln mit handbeschriftetem Klebeetikett daherkommt, ist das zwar authentisch, aber da ist eben nicht nur der Umwelt zuliebe Luft nach oben, sondern auch in puncto Markenbildung. Apropos Verpackung: Wie versendet ihr Kühlware, wenn ihr ohne Kühlwagen ausliefert? Wir isolieren Kühlware durch Verpackung mit Schafwolle. Hat Markta.at Mitbewerb? Etwa die eigenen Onlineshops der Bauern?

Der Biohof Adamah ist schon ein Mitbewerb – aber eher Partner für dieselbe große Sache –, wir verkaufen auch seine Produkte. Wir versuchen halt, ein Kistl für viele Produkte anzubieten. Bei euch kann man so gut wie alle basalen Lebensmittel des täglichen Bedarfs beziehen – ist letztlich auch der Supermarkt eurer Mitbewerb? Bei uns kaufen viele Leute ein, die ihre Lebensmittel zuvor vorwiegend im Supermarkt eingekauft haben. Ich wünsche mir natürlich, dass unsere KonsumentInnen zu schätzen wissen, dass wir mit harter Arbeit hohe Standards ermöglicht haben. Es wird aber vermutlich künftig unterschiedlichere Onlineangebote geben. Etwa gurkerl.at? Ich bin gespannt auf das Sortiment, weil es aktuell nach sehr konventioneller Industrieware aussieht und regionale Betriebe als Aushängeschild benützt werden. Das macht mich skeptisch. Den Markt wird es beleben. Ihr habt euch im Bestellungsvolumen 2020 mehr als verzwanzigfacht – wie kann man Kapazitäten so schnell anpassen? Es ist anstrengend, aber auf eine gute Weise, denn es bedeutet ja Erfolg und Bestätigung für die viele Arbeit, die man reingesteckt hat. Wir mussten in den Strukturen in fast jeder Hinsicht wachsen. Da, wo wir noch nicht mitgewachsen sind, werden derzeit Lösungen gesucht. Druck macht uns aber auch die Erwartungshaltung der KundInnen. Fehler werden eigentlich nicht toleriert. Der Kunde/die Kundin hat die Bestellung mit den Plänen für das Abendessen abgestimmt, wenn dann ein Produkt in der Lieferung fehlt, wird das nicht ohne Weiteres akzeptiert. Da sind KundInnen, die gezielt regionale Produkte einkaufen wollen, auch nicht gnädiger als andere? Grundsätzlich sind die Erwartungen hoch, die KundInnen sind es von den Riesen aus dem klassischen Versandhandel gewohnt, dass es schnell geht und die Fehlerquote niedrig ist. Wir werden automatisch damit verglichen und sind jetzt an dem Punkt, wo wir sagen können:


19 Egal, was du bestellst, innerhalb von 48 Stunden ist die Lieferung bei dir. Wir haben allein zwei Mitarbeiterinnen, die im KundInnenservice arbeiten. Damit wir entsprechenden Service bieten und möglichst frühzeitig mitteilen können, wenn ein Produkt einmal nicht verfügbar ist und wir ein Ersatzprodukt in die Lieferung packen. Müsst ihr aufgrund eurer Größe schon wie Lebensmitteleinzelhandelsketten auftreten und euch PartnerproduzentInnen suchen, die zu berechenbaren Terminen sehr große Liefermengen garantieren können? Nein. Aber wir müssen streng sein, was die Einhaltung von Vereinbarungen angeht. Wir brauchen frühestmögliche Information, wenn etwas nicht klappt und beispielsweise die Rehe den Salat aufgegessen haben oder über Nacht ein Fischteich gekippt ist.

Bild Christoph Kleins ass er

Wenn Lieferungen nicht kommen? Nicht oder nicht zum vereinbarten Zeitpunkt. Wenn eine Bäuerin oder ein Bauer einfach zwei Stunden später kommt als zum vereinbarten Lieferslot, dann steht das Werkl. Dann stehen mehrere MitarbeiterInnen rum und warten darauf, Ware entgegenzunehmen, zu sortieren und zu verpacken. Und gleichzeitig kommen wir aus dem Zeitplan für die nächste Anlieferung. Es hat ein bisschen gedauert, bis wir manchen Betrieben vermitteln konnten, dass und warum das für uns nicht tragbar ist. Ihr habt standortbedingt einen Fokus auf Wien und Niederösterreich – bei den KundInnen, aber auch bei den ProduzentInnen. Wollt ihr auch da über euch hinauswachsen? Ja. In ein bis zwei Jahren möchte ich da eigentlich auch dezentraler sein. Mit einem weiteren Logistikzentrum in einem anderen Bundesland und regionalen PartnerInnen. Und eventuell auch mit einem Franchisesystem. Wie das genau ausschauen wird, weiß ich noch nicht. Auf eurer Website konnte man seit Beginn nach Bioprodukten filtern. Gestartet seid ihr mit niedrigem Bioanteil, da hat sich was getan, richtig?

Die Pakete von Markta werden durch mit Papier ummantelte Schafwolle gekühlt.

Ja, bei dem, was wir selber listen, sind jetzt über 80 Prozent biozertifiziert und dann weitere 15 Prozent in Umstellung, bleiben fünf Prozent an Produkten, die nicht bio sind, die wir zu unseren Kriterien derzeit nicht in Bioqualität bekommen. Wie ist diese Veränderung zu erklären, könnt ihr euch jetzt aussuchen, mit wem ihr zusammenarbeitet? Natürlich war die Richtung und der Wunsch, immer möglichst viel Bio zu haben. Und ja, wir haben inzwischen mehr Möglichkeiten, wichtiger ist aber: Es hat sich auch bei den ProduzentInnen was getan, es steigen laufend welche auf Bio um und wir freuen uns, wenn wir dazu beitragen.

Der digitale Bauernmarkt ist online auf markta.at, die Shops der ProduzentInnen auf markta.at/marketplace zu finden.

Bietet ihr Beratungsleistungen an? Wir treffen jeden PartnerInnenbetrieb zwei Mal jährlich für wechselseitiges Feedback. Das ist für uns wertvoll und wir geben auch Erfahrungen an die Betriebe weiter. Daraus hat sich ein Netzwerk an Kontakten zu SpezialistInnen ergeben, die wir gerne teilen. Etwa wenn es um professionelle Bilder geht von AnbieterInnen, die wissen, was gebraucht wird. Einige der Rezepte, die »Eingebrockt und Ausgelöffelt« in biorama veröffentlicht haben, sind online hier zu finden:

Biorama.eu/ blogs/eingebrocktausgeloeffelt


B io r a m a N Ö

Mar k t p l atz We in

Text Jürgen Schmücking

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Roter Veltliner ehn BiowinzerInnen (acht WagramerInnen, ein Kremstaler und ein Weinviertler) haben sich zusammengetan und sich auf eine Rettungsmission für eine alte, regionale und hochgradig gefährdete Rebsorte begeben. Als Teil des internationalen Slow-Food-Netzwerks hat für die

Slow-Food-Community Roter Veltliner Donauterrassen der Schutz der Umwelt höchste Priorität. Im Besonderen achtet sie auf den Erhalt und die Förderung der biologischen Vielfalt, den Wiederaufbau einer ökologischen Ernährungskultur sowie soziale und wirtschaftliche Fairness. Die WinzerInnen

Familienweingut Wimmer Czerny, Fels am Wagram, Roter Veltliner Alte Reben 2017

Weingut Familie Bauer, GroSSriedenthal, Roter Veltliner Wagram Terrassen 2019

Mit seinem Roten Veltliner Alte Reben zeigt der Demeter-Winzer, welch unfassbare Eleganz und Komplexität in der Sorte steckt. In hellem Gelb und grünen Reflexen strahlt der Wein aus dem Glas, riecht einerseits frühlingshaft und hell nach weißen Blüten und gelben Früchten, andererseits aber auch herbstlich nach gebratenen Maroni und geriebenen Nüssen. Die Weine können am Familienweingut verkostet (und gekauft) werden. Außerdem gibt es die Möglichkeit, via Website zu bestellen. wimmer-czerny.at

Hier einer von der verspielt-exotischen Art. Auch wieder Birne, ebenfalls reif, diesmal aber ganz klar diese runde, vollfleischige Nashi-Birne. Passionsfrucht und Mango, dann wieder Melone. Dabei aber frisch und mit hohem Trinkspaßfaktor gesegnet. Am Gaumen elegant, feingliedrig und unglaublich würzig im Abgang. Kommentierte Verkostung am Weingut mit Jausenbuffet? Kein Problem. Und wenn die Weinprobe länger dauert als geplant: Gästezimmer sind im Haus. Natürlich auch online shopbar: familiebauer.at

Weingut Herbert Schabl, Königsbrunn, Roter Veltliner Gutsreserve 2016

Weingut Mehofer – Neudeggerhof, Neudegg, Roter Veltliner Wadenthal 2019

Was für ein Wein. Opulent und hochfein, komplex und verwoben. Da sind kandierte Zitrusfrüchte ebenso deutlich wie reife Birne und etwas Marille. Butterweiche Textur, harmonisch, cremig und unglaublich kraftvoll. Auch am Gaumen macht diese Gutsreserve enorm Spaß. Weil: verführerischer Schmelz und Abgang praktisch endlos.Moderner Webshop, der alle Stückerl spielt, oder direkt ab Hof. Dann aber nur mit Voranmeldung. shop-weingut-schabl.at

Die Ried Wadenthal ist so etwas wie ein Grand Cru am Wagram. Also eine von der Natur eindeutig bevorzugte Lage, tiefgründig und voller Leben. Stephan Mehofer weiß das und macht großartige Rieslinge, Grüne und eben auch Rote Veltliner aus diesen Reben. Der Rote Veltliner ist jedenfalls eine Zierde seiner Art. Blut­orange ohne Ende, aber auch andere Zitrusfrüchte. Allesamt klar, deutlich und reif. Am Gaumen dann filigran und feinwürzig. Auf der Website der Mehofers gibt es ein Bestellformular mit allen Weinen, diese können abgeholt oder zugestellt werden. mehofer.at/de

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Bild Istock.co m/Geo rg ePe ters , He rstelle r

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Kleine Menge, großer Wein.


wollen mit ihren Aktivitäten für die nachhaltige Produktion von Lebensmitteln sensibilisieren und sie zu bewussten Konsumentscheidungen anregen. Moral und Ethik schön und gut. Wer es genauer wissen will, kann unter diesen seltenen Weinen echte Highlights entdecken.

Weinberghof Fritsch, Kirchberg am Wagram, Roter Veltliner unfiltriert 2018

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Wäre doch ein Wunder, wäre nicht auch ein naturbelassener, unfiltrierter Wein in der Riege. Und es wäre noch ein Wunder, würde nicht Karl Fritsch dafür sorgen, dass es ihn gibt. Die Eckdaten: Lage Steinberg, biodynamisch, im Akazienfass spontanvergoren, unfiltriert. Der Wein: enorm ausdrucksstark, kraftvoll und elegant. Nussig und nach warmem Hefeteig duftend, dabei aber auch klar mineralisch und straff. Groß. Besuchen kann man den Weinberg­hof – nach Voranmeldung – immer. Für den Einkauf wird auf die VertriebspartnerInnen verwiesen. fritsch.cc

Arkadenhof Hausdorf, GroSSriedenthal, Roter Veltliner 2019

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Helles, leuchtendes, fast strahlendes Gelb, leicht grünlich schimmernd. In der Nase elegant und nobel zurückhaltend. Typisch nach weißen Blüten und reifen gelben Früchten duftend. Am Gaumen dann von klarer und stoffiger Struktur geprägt. Wunderbare Kräuterwürze, hochreifer Pfirsich, aber auch exotische Anklänge. Ananas, Kokos, so in der Art. Übersichtlicher Webshop mit eigener »Geschenke-Abteilung«. Wein, aber auch noch viel mehr. hausdorf.at/wein-shop

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GEMEINSCHAFTSVERPFLEGUNG

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Karl Grübler wuchs auf einem kinderreichen Mostviertler Bergbauernhof auf. Der elterliche Betrieb – seit Jahrzehnten bio – wird mittlerweile von seinem Neffen bewirtschaftet.

»Die heilige Kuh: Das Schnitzel darf nicht teurer werden« 33 Jahre lang leitete Karl Grübler die St. Pöltner Landhausküche, bekochte Landesbedienstete, PolitikerInnen, Prominente. Ganz nebenbei schraubte er den Bioanteil in der Küche auf 70 Prozent hinauf. Wie geht das?

Karl Grübler leitete die Küche des St. Pöltner Landhauses von 1987–2020.

K

arl Grübler, 61, Mostviertler und Marathonläufer, wuchs in einer kinderreichen Bergbauernfamilie auf und knüpfte früh Biokontakte. In seinem Lehrbetrieb, dem Hotel Tulbingerkogel, wurde vom Sohn des Hoteliers die Olivenölmanufaktur Mani gegründet. »Deren ganzheitlicher Ansatz hat mich inspiriert«, sagt Grübler. Seit 1985 ist er Landesbediensteter und seit 1987 leitet er die Küche im niederösterreichischen Landhaus – anfangs noch in der Wiener Herrengasse (im Palais Niederösterreich), dann im Regierungsviertel in St. Pölten. Sein Team besteht aus 35 Angestellten. Mitte Dezember 2020 trat er sein Sabbatical an. Danach geht er in Pension. »Ich geh seit meinem 15. Lebensjahr arbeiten, hab 47 Versicherungsjahre beisammen und will zu Hause gärtnern, in

die Berge und aktiv in Pension gehen, nicht erst, wenn ich alt und krank bin.« BIORAMA: Die Landhausküche verköstigt Landesbedienstete, BeamtInnen und in der St. Pöltner Landespolitik Beschäftigte. Von welchen Mengen sprechen wir denn da? Karl Grübler: 2020 ist durch Homeoffice und das Wegfallen von Extraveranstaltungen alles anders geworden. Unter normalen Umständen sprechen wir im Schnitt von 1500 Essen pro Tag. Von tonnenweise Rind- und Schweinefleisch, Hunderttausenden Eiern. Um das genau sagen zu können, müsste ich im Warenwirtschaftsprogramm nachsehen. Da sind auch Rezepturen drin, alle LieferantInnen und bis zur Finanzbuchhaltung hin ist alles erfasst. Das läuft weitgehend automatisiert. Ich gebe eine

Bild NLK Burchhart

Interview Thomas Weber


Rezeptur und die Personenanzahl ein und das Programm macht mir Bestellvorschläge. Aber ich stelle natürlich auch selbst Sortimente zusammen. Letztlich beruht bei uns alles rein auf Erfahrungswerten. Wie viele Personen essen kommen, ist wetterabhängig, variiert in Wochen mit Fenstertagen oder wenn es Schulferien gibt. Wer kommt denn aller zum Essen? Überwiegend die Landesbediensteten, aber auch die im Regierungsviertel einquartierte Polizei, Beschäftigte von landesnahen Organisationen – etwa der Hypo NÖ, von Ecoplus, von der Fremdenverkehrswerbung, von der Landesgesundheitsagentur, von der Bildungsdirektion, wir beliefern auch den Bedienstetenkindergarten und ich hab sicher noch irgendjemanden vergessen. Ach ja, die PolitikerInnen essen natürlich auch bei uns. Sie sind selbst begeisterter Koch. Wie viel kulinarischer Anspruch ist in einer Kantine möglich? Ich glaub, es ist ein relativ hoher Anspruch möglich. Aber du musst die Rezepte so adaptieren, dass sie großküchentauglich sind. Alles muss in Warmhaltecontainern transportierbar sein. Schaumige Mehlspeisen z. B. sind da schwer. Aber zuerst musst du natürlich überhaupt definieren, was du mit Anspruch meinst. Für mich ergibt sich der durch die Frage, welche Art von Lebensmitteln ich einsetze. Und da bedeutet Anspruch: biologisch, frisch, regional. Theoretisch könnte man einen kulinarischen

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GEMEINSCHAFTSVERPFLEGUNG

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Anspruch ja auch über Fingerfood definieren und mit Tiefkühlware arbeiten.

Landhaus St. Pölten Das Landhaus, ein Gebäude­ komplex im Regierungs­ viertel der niederösterreichischen Landeshauptstadt, ist Sitz von Landesverwaltung, Landtag, Landesregierung und dem Amt der NÖ Landesregierung. Auch das Festspielhaus St. Pölten und das Museum NÖ sind Teil des Landhauses.

Ohne Auftrag und ganz selbstverständlich haben Sie den Bioanteil in der Landhausküche auf mittlerweile 70 Prozent in die Höhe geschraubt. Wie kam es dazu? Ich hab schon früh, 1989, erste Bioprodukte verarbeitet. Den Anfang hab ich mit den Erdäpfeln eines Waldviertler Biobauern gemacht. Dann hat er auch Kraut gehabt, dann auch Lagergemüse – und so hat sich das meiner Ambition der gesunden Ernährung immer mehr angenähert. Aber ich hab auch sehr viele Fehler gemacht! Meine ersten Vollkornlaberln waren ein voller Bauchfleck. Sie waren wirklich nicht gut und haben den Leuten auch nicht geschmeckt. Mir hat damals auch die Erfahrung gefehlt. In der Berufsschule hast du früher über vegetarische Gerichte genau nichts gelernt. Gab es Widerstände beim Erhöhen des Bioanteils? Oder überwog immer die Wertschätzung? Widerstände gab es insofern, weil ich immer wieder versucht habe, die Fleischportion zu reduzieren. Wir nannten das »Klimamenü«: weniger Fleisch, mehr Beilagen. Da hat die Personalvertretung sofort aufgeschrien. Es ist die heilige Kuh: Das Schnitzel darf nicht kleiner werden. So haben wir das halt mit »Klasse statt Masse« und mit »Fleisch in gesundem Maße« umschrieben. Aber die Wertschätzung überwiegt eindeutig

und ich habe wahrscheinlich auch keinen Gegenwind verspürt, weil ich die Menüs so zusammengesetzt habe, dass nichts weggeschmissen wird, wir alles verarbeiten und deshalb nichts teurer geworden ist. Auch viele prominente Gäste – Menschen aus Wirtschaft, Sport und Kultur – waren hochzufrieden. Oder zuletzt, in der Pandemiephase, wo viele Kantinen zu waren, kam auch vom Sanitätsstab viel Anerkennung, weil wir auch in Krisenzeiten da waren und frisch gekocht haben. Gibt es für den Einkauf in der Landesküche einen klaren politischen Auftrag? Unser Klimaprogramm, das besagt: mindestens 30 Prozent Biolebensmittel, die Eier mindestens aus Freilandhaltung. Aber das übererfülle ich alles. Und ich animiere auch alle und sage all denen, die mir erzählen, dass sie 30 Prozent Bioanteil haben, dass das ja keine Obergrenze ist und sie auch gern mehr Bio einkaufen können. Ich muss sagen, dass wir punkto Biolebensmittel und auch punkto nachhaltiger Beschaffung sehr viel Unterstützung von politischer Seite haben. Wolfgang Sobotka hat als Landesrat für Finanzen und Gesundheit ordentlich Gas in Sachen nachhaltiger Beschaffung gegeben. Auch die Zusammenarbeit mit Josef Plank (bis 2009 Agrarlandesrat, jetzt Raiffeisen, Anm.) war gut und auch Stephan Pernkopf trägt das alles mit. Politisch unterstellt sind wir aber der Landeshauptfrau. Was waren bzw. sind denn die kulinari-

Der alte und der neue Küchenleiter in der niederösterreichischen Landhausküche: Karl Grübler und Dietmar Stamminger-Weis.


schen Kantinenvorlieben von Erwin Pröll oder Johanna Mikl-Leitner? Ob die beiden das lesen wollen? Also Pröll war für zwischendurch und für schnelle Besprechungen eindeutig der Frankfurter-Typ. Er kann zu jeder Tages- und Nachtzeit Würstel essen. Bei mir waren das immer Biowürstel. Mikl-Leitner ist etwas vielfältiger und legt viel Wert auf Vegetarisches und Salate, sagen wir: auf vitalere Kost. Auch da merkt man, dass sich vegetarische Gerichte etabliert haben.

Bild NLK Burchhart, DPV

Was muss denn alles ausgeschrieben werden, um den Bestbietenden herauszufinden? Das Bundesbeschaffungsgesetz gibt den Rahmen vor. Ich schreibe Fleisch aus: also Rindfleisch, Kalb, Schwein, Hendl, Selch- und Wurstwaren. Mittlerweile nur mehr in Bioqualität, konventionell ist da gar keine Alternative mehr. Für Enten habe ich regionale ProduzentInnen, für Fisch Teichwirte in der Gegend. Auch das Trockensortiment – also Reis und Hülsenfrüchte – oder Schokolade und Rosinen sind rein biologisch ausgeschrieben. Wie viel anstrengender ist es, wenn man das, was man regional bekommt, direkt von den ProduzentInnen bezieht und nicht aus dem Gastrogroßhandel holt oder zustellen lässt? Ist das zumutbar? Ich hab in der Umstellungsphase viele EinzellieferantInnen gehabt, mehr als jetzt. Das war

Auf Basis der »Niederösterreichischen Leitlinie Gemeinschaftsverpflegung« entwickelte Küchenleiter Karl Grübler 2019 »Grüblers Empfehlung«. Auf der Speisekarte in der Landhausküche wird täglich ein Menü mit diesem Logo hervorgehoben. Wer es an fünf Tagen in Folge auswählt, ernährt sich in dieser Woche ausgewogen und gesund. Im November 2019 wurde es 7100 Mal gewählt, im September 2020 7900 Mal – obwohl pandemiebedingt 4000 Mahlzeiten weniger ausgegeben wurden. Der Anteil an vegetarischen Gerichten wurde so um 32 Prozent erhöht.

sehr, sehr, sehr aufwendig. Und ich bin wirklich froh, dass mir Bio-Lutz z. B. ein Gemüsevollsortiment bietet und dass ich einen einheitlichen Obstlieferanten habe und nicht der Apfelsaft ausbleibt, weil er wegen Glatteis nicht lieferbar ist. Das Bündeln von Sortimenten ist sinnvoll, erleichtert viel. Die Anfangsphase war speziell bei Biofleisch schwer. Da bin ich mit den LieferantInnen zusammengesessen und wir haben gemeinsam den Speiseplan erstellt, um alles bio zu haben und die Tiere auch zur Gänze und restlos verarbeiten zu können. Wie kann man als ProduzentIn an Betriebe wie Ihren herantreten? Wie kann man überhaupt auf sein Angebot hinweisen? Eine Kontaktaufnahme ist auf alle Fälle sinnvoll. Immer! Einfach mit der Küchenleitung in Kontakt treten. Sie wird entweder offen sein für Versuche – oder wird sagen, wann es wieder Ausschreibungen gibt. Wichtig ist es, Produkte gut vorzustellen, viel Information zu liefern. Großküchen müssen über vorhandene Mengen Bescheid wissen. Bevor Sie auf Sabbatical und dann in Pension gehen: Welches Gericht werden Sie an Ihrem letzten Tag in der Landhausküche auf die Speisekarte setzen? Es wird ein saisonales, regionales Gericht mit Wintergemüse gewesen sein. Natürlich in Bioqualität. Das Interview wurde Anfang Dezember 2020, zwei Wochen vor Karl Grüblers Sabbatical-Antritt, geführt. Das Landhaus verfügt derzeit über keine Bio­ zertfizierung. Diese hat – inklusive der dafür notwendigen getrennten Lagerhaltung – Karl Grübler für seinen Nachfolger vorbereitet.

Langfassung des Interviews unter

Biorama.eu/ landhaus-gruebler

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Bio r a m a N Ö

He r d e nsch u tz

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Die 230 Waldschafe des Langenloiser Landschaftspflegehofs Klaffl werden bereits von sechs Herdenschutzhunden der Rasse Maremmano-Abruzzese bewacht.

Schützen statt schieSSen Wie lassen sich Schaf, Ziege und Kuh vor dem Wolf schützen? Ein EU-Projekt bildet Bäuerinnen und Bauern aus und denkt das überkommene Berufsbild der HirtInnen weiter.

Bild  thomas Weber

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ch bin auch Jäger«, seufzt Otto Gasselich. »Mein erster Gedanke war ehrlich gesagt auch, mit welchem Kaliber man das Kapitel Wolf am besten aus der Welt schafft«, erinnert er sich daran, als er das erste Mal von gerissenen Schafen hörte. »Mittlerweile sehe ich das aber anders«, betont er, »bei allem Verständnis für Betroffene«. Otto Gasselich ist selbst Biobauer. Als Ackerbauer betrifft ihn die Rückkehr des Wolfs zwar nicht persönlich. Doch Gasselich ist auch Agrarfunktionär, stolzer Bauernbündler und oberster Vertreter der Biobäuerinnen und Biobauern in Niederösterreich und Wien. Als solcher beschäftigt ihn das Raubtier seit Jahren. Denn Niederösterreich ist Wolfsland. Seit 2015 auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig wieder Wölfe nachgewiesen wurden – erstmals in Österreich seit ihrer Ausrottung 1882 –, gab es dort jedes Jahr einen Wurf junger Wölfe. Weil die Jungtiere nach einem Jahr ihr Rudel verlassen und auch aus den Nachbarländern einzelne junge Wölfe zu- oder durchwandern, kann der Fleischfresser mittlerweile überall auftauchen. Vor allem Be-

triebe, die ihre Schafe, Rinder und Ziegen dauText erhaft im Freien halten, bangen seither um ihre Thomas Weber Tiere. Viele davon vertritt Gasselich als Obmann des Verbands Bio Austria. Schon lange rät man TierhalterInnen zu aktivem Herdenschutz: hohen Elektrozäunen, HirtInnen oder speziell ausgebildeten Schutzhunden, die ihre Herde Tag und Nacht begleiten. Denn wer seine Tiere nicht schützt, hat keinen Anspruch Gesucht: Freiwillige für auf Schadenersatz, sollten Zaunbau und Almabtrieb Wolf oder Bär doch einmal Ab 2021 sucht das EU-Projekt »Life Stock zuschlagen. Eine durchProtect« Freiwillige, die sich beim Bau dachte Strategie, wie man und der Kontrolle von Herdenschutzzäusich der neuen Realität stelnen engagieren, die HirtInnen unterstütlen könnte, gibt es bis heuzen sowie beim Almabtrieb helfen. te nicht. »Aber irgendwann lifestockprotect.info war klar, dass wir etwas tun müssen«, sagt Otto Gasselich – und dass es nur einen Lösungsansatz gibt: Weidemanagement mit integriertem Herdenschutz. »Rechtlich ist die Sache ohnehin eindeutig: Der Wolf ist in Europa streng geschützt und wird das auch bleiben, das hat die EU wiederholt klargemacht.«


B io r a m a N Ö

He r d e n sch u tz

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Schirmherren des »Life Stock Protect«-Projekts: Bio-Austria-Vordenker Otto Gasselich (links) und Max Rossberg von der European Wilderness Society.

von der European Wilderness Society, die das Projektmanagement überhat. Mit dem Tourismusverband Tiroler Oberland erarbeitet man praktikable Kriterien für den Umgang mit den scharfen Herdenschutzhunden – die auch Wandernde in Schach halten, wenn sie ihren Schäfchen zu nahe kommen. »Es gehört geklärt, was passiert, wenn ein Hund einen Wanderer beißt«, sagt er nüchtern. »Wir wollen den Tourismus unterstützen.« Seit Herbst wird bereits das Berufsbild der HirtInnen weiterentwickelt. »HirtInnen der Zukunft sind keine HilfsarbeiterInnen mehr, sondern Fachkräfte«, sagt Rossberg. »In der Stadt glaubt man ja, das ist der Peter auf der Alm. Doch die Nachfrage nach solchen ExpertInnen steigt.«

Wer Schafe schützt, schützt Wölfe Bei der Wahl ihrer KooperationspartnerInnen waren die Projektverantwortlichen konsequent. »Wir haben niemanden dazu genommen, der in der Öffentlichkeit pro Wolf ist«, sagt Biofunktionär Gasselich. Dazu polarisiert das Thema in der Bauernschaft zu sehr. »Es werden keine direkten Maßnahmen zum Schutz der Wölfe ergriffen oder propagiert« heißt es in der Projektbeschreibung.

Wolf vs. Nutztier

EU-LIFE-Projekt: Im Anschluss an einen biorama-Talk zum Thema Wolf im Sommer 2017 formulierten die DiskutantInnen spontan 7 gemeinsame Forderungen an die Politik. In Folge ergab sich aus dem Gespräch das staatenübergreifende EU-Projekt »Life Stock Protect«.

250 Fälle von gerissenen, verletzten oder abhängigen Nutztieren mit Bezug zum Wolf sind laut »Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs« mit Stichtag 30. November für 2020 bekannt. Mit Abstand die meisten Fälle gab es in Tirol, gefolgt von der Steiermark und Oberösterreich. »In Niederösterreich gab es wenig bis fast nix«, berichtet Albin Blaschka.

B ild  life stock prote ct, thomas We be r, BMLVS/Jo se f Kug ler, Micky kle msch

Mancherorts gibt es noch Abschussfantasien. Doch, immerhin: Fünf Jahre nach dem ersten Wiederauftauchen der Wölfe im Land startet nun – ein unmittelbares Verdienst des Biofunktionärs – das auf fünf Jahre anberaumte, drei Staaten übergreifende life-Projekt der Europäischen Union »Life Stock Protect«. In allen neun Bundesländern, in Bayern und in Südtirol werden NutztierhalterInnen darüber aufgeklärt und darin ausgebildet, wie sie ihre Herden bestmöglich vor den sogenannten »Großen Beutegreifern« schützen können. Anschaffungskosten für Hunde oder Zäune sind in den budgetierten 5 Millionen Euro keine vorgesehen. »Der klare Fokus liegt auf Bildung, Prävention und dem Definieren der Spielregeln im Umgang mit dem Wolf«, erklärt Max Rossberg


Schutzstatus und illegale Abschüsse Wölfe sind besonders gut geschützte Tiere. Grundlage dafür ist in Europa die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (kurz: ffh-Richtlinie). Abschüsse sind dennoch möglich – in Österreich z. B. von »Problemwölfen«, in Skandinavien gibt es Abschussquoten. In Niederösterreich wird der Wolf im Landesjagdgesetz als »nicht jagdbares Wild« geführt. Auf illegale Abschüsse drohen empfindliche Strafen. In Oberösterreich wurde einem Jäger nach dem Abschuss eines ebenso streng geschützten Luchses lebenslänglich die Jagderlaubnis entzogen. Außerdem gab es eine »hohe Geldstrafe im vierstelligen Bereich«, sagt Albin Blaschka, Geschäftsführer des Österreichzentrums Bär, Wolf, Luchs.

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Sein eigener Standpunkt jedenfalls habe sich mit dem Grad der Beschäftigung gewandelt, sagt Gasselich. »Der Wolf ist einfach Teil der Natur. Und ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass ich das gerade als Biobauer auch so sehen muss.« Warum es 2020 in Niederösterreich vergleichsweise ruhig um den Wolf geworden ist? »3 S«, sagt Gasselich wie aus der Pistole geschossen – und spielt auf die berüchtigte »3-S-Regel« an, die auf bäuerlichen Stammtischen kursiert. Schießen. Schaufeln. Schweigen. Illegal, keine Frage. Das Projekt »Life Stock Protect« ist eine klare Absage an diese Form der Selbstjustiz. Es weist den gegenteiligen Weg. Denn: Wer Schafe schützt, schützt Wölfe.

35 Wölfe leben laut WWF derzeit in Österreich. 2019 gab es bereits 49 Tiere: drei Rudel und 13 Einzeltiere. 2020 sind bislang nur ein Rudel und 15 Einzeltiere bestätigt. Die Sterblichkeit bei Welpen ist hoch. Auch illegale Abschüsse sind wahrscheinlich.

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Das Museum Niederösterreich wendet sich im Informationsmaterial zur Ökologisierung des Hauses auch mit der Bitte um Input an seine BesucherInnen: »Ihre Ideen und Vorschläge, wie wir uns verbessern können, sind herzlich willkommen«: museumnoe.at/de/das-museum/feedback

»So kitschig wie ein rosaroter Sonnenuntergang« Das Museum Niederösterreich trägt seit Dezember 2020 das Österreichische Umweltzeichen.

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Bild K laus E ngelmayer, Vo lke r We ihbo ld

elten schwärmen Menschen so vom Durchlaufen eines Zertifizierungsprozesses: Matthias Pacher leitet das Museum Niederösterreich und hat dessen zwei Bereiche, das Haus der Geschichte und das Haus für Natur, innerhalb eines Jahres durch die Umstellungen an die Standards des Umweltzeichens des Umweltministeriums geführt. Damit hat St. Pölten das österreichweit zweite Museum mit diesem Zertifikat. Der Historiker hat dazu nur Positives zu berichten und will andere inspirieren.

BIORAMA: Sie dürfen nun das Österreichische Umweltzeichen tragen, hat das Nachteile? Was geht künftig nicht mehr, das früher ging? Matthias Pacher: Da geht einiges nicht mehr! Aber nichts davon würde ich als Nachteil einordnen. Es ändern sich die Arbeitsprozesse quer durch alle Abteilungen im Haus. Von den Bestellungen von Arbeitsmaterial bis zur Weise, in der wir denken und kommunizieren.

Wird einem das beim Besuch auffallen? Den BesucherInnen fällt nicht auf, dass weniger Drucksorten produziert werden oder dass die Klospülung bei einem Spülgang kürzer

läuft. Aber gerade dort, wo sie durch ihr Verhalten auch einen Beitrag leisten, wird es explizit thematisiert: Bei den Müllbehältern wird dazu aufgerufen, keinen Müll zu produzieren und wenn doch, ihn entsprechend sachgerecht zu entsorgen. Wir liefern unseren Beitrag, indem wir sie nicht mit diesem Müll versorgen, unser Shopsortiment ist entsprechend umgestellt. Aufmerksamen BeobachterInnen wird die Umstellung in vielen Details auffallen, aber man wird nicht an jeder Ecke explizit mit dem Thema konfrontiert. Auffallen werden aber zum Beispiel die Photovoltaikanlagen auf den Dächern, die demnächst durch das Land Niederösterreich installiert werden. Kommunikation der Anstrengungen zur Ökologisierung ist ja auch Teil der Voraussetzungen für das Umweltzeichen. Wie vermittelt man das denn sinnvoll nebenbei? Indem man dort, wo jedeR BesucherIn vorbeikommt, durch einen Aushang zur Kenntnis bringt, dass Nachhaltigkeit hier eine Rolle spielt. Auch in der Kommunikation online und offline findet sich das in all unseren Informationsmaterialien wieder. Und: Ja, es wirkt nach außen bewusstseinsbildend und hilft auch bei

Interview Irina Zelewitz

Der Historiker Matthias Pacher ist Geschäftsführer des Museum Niederösterreich.


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Insgesamt gibt es bereits 1100 LizenznehmerInnen für das Österreichische Umweltzeichen aus den verschiedensten Branchen.

der Vermarktung eines Hauses. Letztlich muss man aber deutlich sagen: Der Knackpunkt sind die MitarbeiterInnen. Ich kann schnell andere Mistkübel anschaffen, aber aufwendiger ist es, den entsprechenden Umgang in einem Team zu etablieren. Das ist die eigentlich große Aufgabe: Der Umdenkprozess muss von ganz oben bis ganz unten durch die MitarbeiterInnenstrukturen gehen, von den Gewohnheiten zur Bestellung von Arbeitsmaterial bis zu Vereinbarungen zur Verzahnung mit der Abfallwirtschaft der Stadt. Helfen oder stören dabei die in Zahlen gegossenen Benchmarks? Ich muss meine MitarbeiterInnen nicht andauernd mit Zahlen füttern. In jedem Jour fixe steht das Thema Ökologisierung auf der Tagesordnung. Vieles ist in Zahlen messbar: in Geld und in CO2. Aber die Zufriedenheit, die es ins Team bringt, die bemerke ich auch dort, wo ich keine entsprechenden Zahlen in den Berichten hab. Wenn jedeR merkt, dass sie oder er etwas beiträgt und dass das gutgeheißen und gestützt wird. Wo stößt man an die Grenzen des Machbaren? Vorweg: Wir konnten auch deshalb so schnell die fürs Umweltzeichen notwendigen Standards erfüllen, weil wir nicht bei null begonnen haben. Das Gebäude ist relativ neu und außerdem wur-

Das Museum Niederösterreich ist das zweite Museum, das das Österreichische Umweltzeichen trägt. Was machen denn die anderen? Gerade bei Museen muss man auf die Bausubstanz schauen, da kann es schon schwierig werden. Es befinden sich derzeit einige auf dem Weg zum Umweltzeichen, das gerät gerade in Schwung. Je mehr Betriebe da positive Erfahrungen sammeln, umso größer ist der Mut in der Branche, sich auf solche komplexen Prozesse einzulassen. Wofür braucht es den meisten Mut? Es gibt eine Scheu, denn ein solcher Prozess bindet viele Personalstunden und die Budgets im Kulturbereich sind in der Regel knapp. Und da ist schon die Notwendigkeit groß, dass die Priorität bei publikumsanziehenden Aktivitäten liegt. Ich will die Scheu nehmen und betonen,

Bild Da nie l Hinterramsko gler, Vo n Friede ns re ich Hu nde rtwas se r/www.umweltzei chen .at, Ge meinfrei

Die Vorbereitung der noch bis August 2021 laufenden Ausstellung »Klima & Ich« gab den Anstoß zur Zielsetzung, das Österreichisches Umweltzeichen zu bekommen.

de in diese Richtung schon zuvor einiges unternommen. Aber zu den Grenzen: Wir sind ein Landesmuseum mit 6000 Quadratmetern, also ein großes Haus. Vor allem im Haus der Geschichte haben wir Objektschutz zu gewährleisten: Damit organische Exponate auch noch Generationen überdauern, müssen die Vitrinen temperaturgeregelt werden. Das braucht einfach Energie, da heißt es dann einsparen und nachhaltigere Energiequellen suchen. Eine wichtige Stellschraube war hier aber auch, umweltschonende Silikonmischungen zum Abdichten der Vitrinen zu finden. Aber auch bei der Verpackung von Ausstellungsleihgaben kann durch nachhaltige Alternativen sehr viel Kunststoffmüll vermieden werden. Unser Haus für Natur ist auch ein Zoo, in dem wir einen Teil der lebenden Tierwelt Niederösterreichs zeigen. Zur Wasserkühlung beispielsweise ist ein gewisser Energieverbrauch unvermeidbar. Im Winter kühlen wir mit einer Free-Cooling-Anlage, die das Wasser über kalte Luft aus der Umgebung kühlt. Aber wir haben auch unsere Stromverträge geändert und wir planen fünf Prozent Einsparung durch die künftige eigene Photovoltaikanlage.


Was hat Sie zur Pionierarbeit bewogen? Ich gebe zu, ich wusste auch nicht genau, worauf ich mich einlasse. Vor drei Jahren, als ich im Unternehmen begonnen habe, haben wir den Museumsgarten renoviert – gemeinsam mit der Initiative Natur im Garten des Landes Niederösterreich. So wird man mal sensibilisiert. Dann kam die Ausstellung »Klima & Ich«. Ich hatte damit gerechnet, dass die BesucherInnen mich fragen: »O. k., das ist alles interessant, aber was macht Ihr Haus dazu?« Und das war für mich der entscheidende Anstoß, das anzugehen. Mein Glück: Das Team hat hier mitgezogen – von der Haustechnik bis zur Gastronomie. Selten wurde ein Projekt so schnell auf die Füße gestellt: innerhalb eines Jahres, beginnend im November 2019, aufgesetzt und fertiggestellt.

Foto: Naturparke NÖ Eisenwurzen

dass man sich an uns als Sparringspartner wenden kann, um zu schauen, wie was machbar ist.

Landschaften voller Leben

Wie weit waren Sie im November 2019 weg von der Erfüllung der Kriterien des Umweltzeichens? Ich schätze, wir hatten 40 Prozent der Kriterien schon erfüllt, als wir mit der Umstellung begonnen haben. Wie sehr hilft externe Beratung und Evaluierung durch Beratungsunternehmen oder eben auch durch Zertifizierungsprozesse? Wir haben unseren Betrieb in Eigenregie durchleuchtet. Bei den aufbauenden Überlegungen haben wir Hilfe in Anspruch genommen, um den Effekt von Maßnahmen abschätzen zu können: wodurch man etwa kurzfristig Einsparungen erzielt, aber langfristig mit Nachteilen rechnen muss. Das Beste an Systemen wie dem des Umweltzeichens ist der kontinuierliche Charakter in Vier-Jahres-Plänen. Man holt sich nicht in einer einmaligen Anstrengung das Zeichen, sondern muss immer einen Plan für die kommenden vier Jahre miteinreichen. Nach zwei Jahren folgt eine interne Evaluierung und nach vier Jahren wieder eine Überprüfung. Gab es Überraschungen? Überraschend war zu sehen, wie viel Commitment es intern geben kann, dass das eine coole G’schicht ist. Denn der Erfolg geht weit über die Zielsetzung und das messbare Ergebnis hinaus. Wir haben einen anderen Drive im Team, weil alle miteinander kommunizieren mussten – ungewöhnlich in der sonst eher schwierigen Zeit 2020. Das klingt jetzt so kitschig wie ein rosaroter Sonnenuntergang: Es ist schlicht Teil unserer Unternehmensidentität geworden und wir profitieren davon umfassend. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das andere motiviert, einen ähnlichen Weg zu gehen.

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Plan auf Zeit Das Gemeinschaftsgefühl im Sonnenpark begeistert – und motiviert, die Herausforderungen der anstehenden Sanierung anzugehen.

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in »magischer Ort«, den die Menschen in St. Pölten lieben. Wer mit den TeilnehmerInnen des Architekturprojekts »design. build 2020« spricht, hat danach hohe Erwartungen an den über 50.000 Quadratmeter großen Sonnenpark und die beiden Vereinshäuser. Was vor über 20 Jahren als Proberaum für junge MusikerInnen genutzt wurde, ist mittlerweile Veranstaltungsort für Ausstellungen, Clubveranstaltungen, das Sonnenparkfest und das Symposium Parque del Sol, bei dem KünstlerInnen und Gäste gemeinsam an verschiedenen Kunstprojekten arbeiten. Darüber hinaus gibt es Werkstattbereiche und Projekte wie das »Klimaforschungslabor« und die Free University, ein vielfältiges Workshopangebot, die Wissen vermitteln sollen. Bis 2016 war unklar, ob das Gelände bestehen bleiben wird. Die Stadt hatte es an einen Bauträger verkauft, Wohnungen sollten entstehen. Diese Pläne wurden nach Protesten der BürgerInneninitiative »Sonnenpark bleibt« und durch

» Das Projekt muss in Stufen realisierbar sein. Das Budget ist zu gering, um sofort alle Ideen umzusetzen.« — Wolfgang Thanel, Assistenzprofessor am Institut für Architektur und Entwerfen der TU Wien

das Engagement der Vereine Sonnenpark und Lames, die den Park und die Gebäude bespielen und verwalten, wieder verworfen, der Verkauf wurde rückgängig gemacht. Im Rahmen ihrer Lehrveranstaltung am Design-Build-Studio der TU Wien entwickeln derzeit 21 ArchitekturstudentInnen Entwurfsideen für den Umbau und die Sanierung der über 100 Jahre alten Gebäude. Sie werden später auch eigenhändig an den Baumaßnahmen beteiligt sein. Geleitet wird das Projekt von Professor Peter Fattinger und seinem Kollegen Wolfgang Thanel, der es als Architekt schon länger begleitet und mit den Vereinen am Nutzungskonzept gefeilt hat.

Ein Ort der Gemeinschaft Der Park soll den Menschen in St. Pölten einen Ort geben, an dem jedeR zusammenkommen kann und an dem verschiedenste Projekte umgesetzt werden können. »Das Potenzial des Ortes liegt im Gemeinschaftsgefühl. Auch wenn die Bausubstanz nicht toll ist, merkt man, dass die Menschen diesen Ort lieben«, beschreibt Architekturstudentin Aknur Zhussip den Sonnenpark nach einer zweitägigen Exkursion ihres Studiengangs.

Im Dornröschenschlaf Bisher sei der Sonnenpark mit seinen Gemeinschaftsgebäuden noch nicht ausreichend bekannt unter den StadtbewohnerInnen, schätzt die an dem Projekt beteiligte Architekturstudentin Mia Neustädter den Bekanntheitsgrad

Bild Jasmina Dza ni c, Privat, Le onie Stie ber

Text Leonie Stieber


» Das Potenzial des Ortes liegt im Gemeinschaftsgefühl. Auch wenn die Bausubstanz nicht so toll ist, merkt man, dass die Menschen ihn lieben.« —  Aknur Zhussip, Architekturstudentin ein. »Viele, die zum ersten Mal vorbeikommen, sind überrascht, was es alles gibt«, ergänzt Student Max Lanske, der ebenfalls Architektur an der TU Wien studiert. Mit dem Umbau soll sich das ändern. »Ich glaube, wenn man zeigt, dass der Raum nicht exklusiv ist, sondern dass er von allen genutzt werden kann, öffnet er sich noch viel mehr der Öffentlichkeit«, sagt Mia Neustädter. Die Vereinsgebäude bergen nicht ausgeschöpftes Potenzial – seit 2006 wurden nur notdürftige Ausbesserungen vorgenommen, da unklar war, was aus dem Park wird. »Die Gebäude liegen im Dornröschenschlaf, der Bauzustand ist zum Teil sehr desolat«, bewertet Peter Fattinger die Ausgangssituation. Das Ziel ist es, die Räumlichkeiten zu flexibel nutzbaren Gemeinschaftsräumen umzubauen, die sowohl von den Vereinsmitgliedern als auch von den AnwohnerInnen genutzt werden können. Wie umfassend der Umbau stattfinden kann, ist derzeit noch Gegenstand von Verhandlungen.

»Die Gefahr ist noch nicht gebannt« Wie lange die Gebäude tatsächlich bestehen bleiben, ist immer noch unklar. Der aktuelle Nutzungsvertrag zwischen der Stadt und den beiden Vereinen, die auch die Bauherren des Projekts sind, ist für zehn Jahre abgeschlossen. Ob es im Zuge der Renovierung eine Verlängerung geben wird, ist noch offen. Im vergangenen Jahr fanden mehrere Wochenend-Workshops statt, um die Zukunftsmöglichkeiten des Parks zu erarbeiten. Der Architekt und Projektleiter Wolfgang Thanel hat den Prozess von Beginn an begleitet. »Ich denke, dass urbane Grünräume im Zuge der Klimaerwärmung künftig wichtiger werden und zum Beispiel nur schwer in Flächen für den Wohnbau umgewandelt werden können. Besonders, wenn sie nicht nur einen reinen Grünanteil haben, sondern darüber hinaus eine wichtige kulturelle Rolle spielen und außerdem Wissen vermitteln«, meint er. »Wir gehen bei unserem Projekt natürlich davon aus, dass der Park langfristig bestehen bleibt. Je besser und nachhaltiger wir den Umbau gestalten, desto mehr Berechtigung haben die Gebäude auch zu bleiben«, hofft auch Fattinger.

Flexibilität und Charakter Formale Vorgaben zur Umsetzung des Umbaus gibt es kei-


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» Je besser und nachhaltiger wir den Umbau gestalten, desto mehr Berechtigung haben die Gebäude auch zu bleiben.« —  Peter Fattinger, Architekt

»Sportliches Budget« Das Budget sei zu knapp, um alle Ideen sofort umzusetzen, so Thanel. Von Stadt, Land und Bund sind momentan in Summe (Stand Oktober 2020) 400.000 Euro zugesagt, das sei für eine nachhaltige Sanierung recht wenig und für ein Areal dieser Dimension generell »sehr sportlich«, sagt Fattinger. Da viele grundlegende Sanierungsarbeiten notwendig seien, wird ein großer Teil des Budgets in Maßnahmen wie neue Dachabdichtungen fließen müssen. Das bedeutet auch, dass sich alle Beteiligten darauf einstellen müssen, dass nicht alle Ideen sofort umgesetzt werden können. »Das Projekt muss in Stufen realisierbar sein«, erklärt Thanel.

Alte Gebäude dennoch eine Besonderheit Auch wenn nicht alle Ideen umgesetzt werden können, ist auch die grundlegende Sanierung bereits ein großer Fortschritt für die Zukunft des Sonnenparks und das Projekt eine wichtige Praxiserfahrung für die Studierenden, die so Entscheidungen treffen und Lösungen finden müssen – eine ideale Vorbereitung auf das Berufsleben. Eine Besonderheit des Projekts sei das Bauen im Bestand, erklärt Peter Fattinger. Die Studierenden sollen lernen, mit bestehenden Materialien und Raumstrukturen zu arbeiten. Das sei zum einen nachhaltiger als ein Neubau, zum anderen müsse man sich in die bestehenden Strukturen und Gegebenheiten hineinversetzen. Die Herausforderung ist, eine nachhaltige Entwicklungsstrategie zu konzipieren, die flexibel und über mehrere Jahre hinweg in Stufen umsetzbar ist. Es geht darum, einen »Ort« zu generieren, der aus St. Pölten in Zukunft nicht mehr wegzudenken ist — und mehr ist als ein Plan auf Zeit.

Bild  Vi kto ria Bay er, Privat , Ma rkus Fat ting er Ar chite ktu rfotog rafi e

Das »Klimaforschungslabor« wird ab 2021 ein Entdeckungsort zum Thema Klima und Energie für Kinder und Jugendliche sein, an dem sie zum Beispiel eigene Klimamessungen durchführen können.

ne, das bleibt den TeilnehmerInnen des Projekts überlassen. »Noch sind wir dabei, grob zu strukturieren, wie wir Räume schaffen können, in denen die Menschen sich wohlfühlen und sich ausleben können«, beschreibt Architekturstudent Max Lanske im November 2020 den Stand des Projekts. Die Herausforderung ist, die Räume möglichst flexibel zu gestalten und trotzdem den Charme und Charakter der ursprünglichen, alten Gebäude nicht zu verlieren. Die Ideen reichen von einer offenen Küche, die für alle StadtbewohnerInnen nutzbar sein soll, über erweiterte Probeund Musikräume bis zu Ateliers für GastkünstlerInnen und Ausstellungsflächen. Eine weitere Idee sind Gemeinschaftswerkstätten, die je nach Bedarf flexibel genutzt und einfach und schnell umgebaut werden können. Man könne es sich wie einen Mehrzweckraum vorstellen, wo kombinierbare Möbel je nach Bedarf platziert und umgesteckt werden können, erklärt Max Lanske das Konzept der flexiblen Raumnutzung. So könne der Charakter der Räumlichkeiten bewahrt und um neue Funktionen erweitert werden, erklärt Fattinger. Ein Beispiel sei der »schwarze Raum«, ein Clubraum mit alten, auffälligen Fabrikfenstern. Diese sind aus Schallschutzgründen luftund lichtdicht verschlossen. Wenn sie saniert würden, könnte der Raum wieder mit Tageslicht gefüllt und auch für andere Zwecke genutzt werden, schlägt Fattinger vor.


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Legt in der Kirche Flyer auf, um die KirchgängerInnen fürs Birdwatching zu begeistern: Pfarrer Herbert Reisinger.

Bild H ans Hochre iter

Menschen, die auf Türme starren

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Das Projekt »Kirchturmtiere« möchte auf die Lebensraumansprüche von bedrohten Vögeln und Fledermäusen aufmerksam machen. Besuch bei einem engagierten Mostviertler Pfarrer.

u ebener Erde, im Gotteshaus, war die Vertreibung aus dem Paradies wohl schon oft Thema. Fünfzig Meter darüber, am Glockenturm, ist sie gelebte Praxis. Immer wieder wechseln einander hier oben die gefiederten Bewohner der Pfarre Langenhart ab. Selten passiert das freiwillig. Der Kirchturm ist nicht nur ein gut frequentierter Aussichtsplatz, sondern auch ein umkämpfter Brutplatz. Auch

wenn der schnörkellose Kirchenbau der Nachkriegszeit, eingeweiht 1957, nicht viele Vorsprünge bietet: Mal sind es Tauben, meist aber Falken, die eine Nische im Kirchturm beanspruchen. Unzugänglich und vor Marder und Katze geschützt brüten sie dort ihren Nachwuchs aus. Ein paar Kilometer weiter, direkt unterhalb der Uhr der alten Stadtpfarre St. Valentin, spie-

Text Thomas Weber


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Nur wer genau schaut, wird die Falken über der Turmuhr entdecken. Unten am Vorplatz zeugen zerlegte Tauben von der Anwesenheit der Greifvögel.

seinen Kirchen auf: »Kirchturmtiere beobachten«. Geworben wurde für eine kostenlose App des Naturschutzbundes. »Kirchen und Kirchtürme stellen für Turmfalken, Dohlen, Mauersegler und viele weitere Vogelarten wertvolle Lebensräume dar. Helfen Sie mit, die Lebensräume dieser Tiere zu bewahren«, warben die Umweltbeauftragten der katholischen und evangelischen Kirche Österreichs gemeinsam mit den ngos Birdlife und Naturschutzbund. »Die Kombination Kirche und Tiere gefällt mir sehr gut«, sagt Pfarrer Reisinger. »Ich möchte die Vergangenheit nicht verklären, aber früher haben Tier und Mensch selbstverständlicher miteinander gelebt.« In der Stärkung dieses Miteinanders sieht auch der Ornithologe Remo Probst die Haupt-

Artenschutz per App Vor einiger Zeit legte Herbert Reisinger auch »Handzettel« in

»Kirchturmtiere« wie diese junge Waldohreule (links) oder Türkentauben (rechts) lassen sich auch in den Bäumen rundum beobachten.

Bild H ans Hoc hre ite r

gelt sich das Geschehen in luftiger Höhe auch in Kotspuren am Vorplatz wider. »Und immer wieder landen Teile von zerlegten Tauben vor der Kirche«, berichtet Herbert Reisinger. »Ein Nachbar beobachtet auch regelmäßig Kämpfe der Krähen gegen die Falken. Wanderfalken und Turmfalken wechseln einander ab«, weiß Reisinger, »dabei ist der Wanderfalke für unsere Gegend untypisch.« Herbert Reisinger ist Pfarrer und wenn auch kein leidenschaftlicher Birdwatcher, so doch begeistert, dass sich in seinen Kirchen nicht nur zu Messzeiten einiges abspielt. Für fünf Pfarren im westlichen Niederösterreich ist der 47-Jährige zuständig. »In der Kirche St. Pantaleon brüten auch Falken, im Turm in Ernsthofen leben Fledermäuse und wir hatten auch schon Störche am Kirchturm.« Ausführlich dokumentiert wurde das in den Lokalmedien und im Pfarrblatt. In einem Schaukasten hing lange auch ein Foto des Turmfalken Niko. So hatte ihn die Nachbarschaft getauft.


»Offener« Kirchturm als Ziel Unterstützt wird das Projekt auch von Leander Khil, Vogelkundler, Fotograf und bekannt als Autor einiger Bestimmungsbücher. »Jede Aktion, die auf die Lebensraumansprüche von Tieren aufmerksam macht und die Bevölkerung für Naturwahrnehmung sensibilisiert, ist zu begrüßen«, sagt er – und äußert einen klaren Wunsch: »Ich würde mir von den Diözesen und Pfarren einen aktiven Fokus auf die Öffnung und Wiederöffnung der Kirchtürme wünschen. Die meisten Türme sind heute vergittert und können von bedrohten Dohlen, Schleiereulen und Fledermäusen nicht mehr als Rückzugsort genutzt werden.« Dabei könne man mit Nisthilfen und Fledermausquartieren durchaus »kontrollierte« Zugänge schaffen – ohne die Gebäude der unerwünschten Besiedelung durch Straßentauben preiszugeben. Den Beweis dafür, dass der Vertreibungseffekt auf Tauben wirkt, hat Pfarrer Herbert Reisinger alle paar Tage vor seinen Füßen liegen.

in aller Munde Der Karpfen ist als traditionelles Weihnachtsgericht bekannt. Durch den exzellenten Geschmack und die gesundheitsfördernden Eigenschaften ist der nachhaltige Speisefisch jedoch nicht nur zu Feierlichkeiten ein sehr guter Fang! REZEPTTIPP

Gebackene Bio-Karpfenmilch Karpfenmilch in Stücke schneiden, würzen, durch Tempura-Teig ziehen und goldig backen. Als Beilage Bandnudeln kochen und diese mit Schlagobers sowie Gewürzen zur sämigen Soße einkochen.

Foto: Florian Kainz/Archiv Aqua

aufgabe der »Kirchturmtiere«-Kooperation. Er begleitet das Projekt als Fachmitarbeiter von Birdlife. »Der Mensch-Tier-Kontakt ist wichtig, denn die Bevölkerung ist nur bereit zu schützen, was sie auch kennt.« Wer sich mit dem Leben in alten Kirchenbauten beschäftige – »traditionell und über Jahrhunderte wichtige Brutplätze als Felsen- und Höhlenersatz, die es Höhlenbrütern ermöglicht haben, als Kulturfolger mit den Menschen in Dörfern und Städten zu leben« –, dem werde außerdem bewusst, dass »der moderne Hausbau nicht gerade freundlich für die Höhlenbildung« sei, so Probst.

Zutaten für 4 Personen: • 800 g Bio-Karpfenmilch • 200 g Bandnudeln • 250 ml Schlagobers • Salz, Pfeffer, Zitrone • Worcestersauce • 1 Packung Tempura-Teig • Pflanzenöl zum Backen

Bild H ans Hoc hre ite r

Dieses Gericht finden Sie auch im Kochbuch KARPFEN KULINARISCH. Auf der Website vom NÖ Teichwirteverband gibt es neben weiteren Rezepten und Kochvideos auch wertvolle Tipps sowie viele interessante Fachinformationen rund um den Karpfen und die Teichwirtschaft.

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EWrelgeznd e itLo r em ip su m

Geh-schwindigkeit auf Wanderwegen Die Formel hinter den Zeitangaben in Wander- und Radwanderführern.

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umindest als Kind hat sich jedeR mal gefragt, wer all die unzähligen Wanderwege abgehen musste, um die Gehzeiten zu ermitteln, die auf den Wegweisern zu finden sind. Die entzaubernde Formel der Wegzeitberechnung.

Einheitliche Norm Wer sich auf die europäischen Wegbeschreibungen verlassen möchte, hat so schnell zu wandern, wie es 2004 in der europäischen Norm »din 33466« festgelegt wurde. Demnach legen Wandernde pro Stunde auf gerader Strecke vier Kilometer zurück, beim Aufstieg 300 Meter und beim Abstieg 500 Meter.

Nach diesen Angaben werden auch die »Tut gut!«-Wanderwege berechnet, die mit über 200 unterschiedlichen Routen circa 1300 Kilometer an Wanderwegen ausschildern. Christian Paumann von der »Tut gut!«-Gesundheitsvorsorge bezeichnet die zur Berechnung verwendete Geschwindigkeit als »gemütliches Gehtempo«. Das sei wichtig, denn das Wandern solle Spaß machen und die Zeitangaben nicht demotivieren, weil sie nicht eingehalten werden können. Um auf die Gehzeit einer Strecke zu kommen, berechnet man zuerst die Zeit, die für die Distanz sowie den Auf- und Abstieg benötigt wird. Von diesen beiden Zeiten wird die kürzere durch zwei geteilt, dann werden beide addiert. Hier ein Beispiel: Angenommen, die Strecke ist 12 Kilometer lang und hat ei-

Hofstetten-Grünau

Wanderroute 3: • 12,6 Kilometer, • 596 Höhenmeter, • 4 Stunden

FamilienFahrradroute: • 11 Kilometer, • 27 Höhenmeter

Rabenstein an der Pielach

HofstettenGrünau

Wanderroute 2: • 8,3 Kilometer, • 419 Höhenmeter, • 2 1/2 Stunden

Eschenau

Rotheau

Wanderroute 1: • 3,9 Kilometer, • 150 Höhenmeter, • 1 1/4 Stunden

Rabenstein an der Pielach

Rothea Eschenau

Bild Ist ock.co m/lu shik

Text Leonie Stieber


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nen Anstieg von 300 Höhenmetern und einen Abstieg von 300 Höhenmetern. Für die Distanz würde man, laut EU-Norm, auf gerader Strecke drei Stunden brauchen. Für den Anstieg eine Stunde und für den Abstieg 0,6 Stunden. Die insgesamt 1,6 Stunden für den Auf- und Abstieg sind die kleinere Summe, sie wird also durch zwei geteilt, das Ergebnis: 0,8 Stunden. Rechnet man die beiden Werte zusammen, erhält man eine Gehzeit von 3,8 Stunden, in der Routenbeschreibung wahrscheinlich auf 4 Stunden aufgerundet.

Radfahren Auch für FahrradliebhaberInnen hat Niederösterreich jede Menge zu bieten. Unter radland.at oder touren.niederosterreich.at sind zahlreiche Radrouten aufgelistet, von einfachen Tagestouren mit Kindern bis hin zu anspruchsvollen Mehrtagestouren. Laut Erhebungen des Bundesministeriums für Verkehr fahren die meisten RadfahrerInnen mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 10 bis 15 km/h. Das ist allerdings ein eher gemütliches Tempo, konditionsabhängig können die Zeiten hier stark variieren, leidenschaftliche RadsportlerInnen kennen ihr Tempo, erkundigen sich über Distanz und Höhenprofil und berechnen ihre Zeiten deshalb meist selbst.

Ausflüge mit Kindern Wer mit Kindern unterwegs ist, braucht definitiv mehr Zeit. »Den Kindern geht es noch nicht um das Wandern oder Radfahren an sich, sondern um das Entdecken«, erinnert Paumann. Allgemeine Angaben für die Gehzeit mit Kindern mache man nicht, meist wüssten die Eltern am besten, wie viel zusätzliche Zeit sie einplanen müssen. Auch bei den Fahrradtouren für Kinder geht es nicht primär um die Zeit, die für die Strecke benötigt wird, erklärt Lisa Ribarich von der Tourismusorganisation Niederösterreich, sondern darum, ob die Strecken sicher sind und welche Attraktionen auf dem Weg liegen. Wie viel Zeit benötigt wird, könnten die Eltern anhand der Kilometerzahl abschätzen, das sei je nach Kind und Alter unterschiedlich. Die auf der Karte vorgestellte Radroute »An den Strand der Pielach« verläuft zum Beispiel entlang einer Bahnstrecke, sodass das Ziel bei mangelnder Motivation oder plötzlich einsetzender Müdigkeit auch mit dem Zug erreicht werden kann.

Tipps zu Wanderungen mit Kindern sind zu finden unter noetutgut.at, Fahrradtouren mit Kindern unter niederoesterreich.at

Zwanzig Kilometer südlich der niederösterreichischen Landeshauptstadt St. Pölten liegt das Wander- und Radgebiet rund um den Kaiserkogel. Während man auf den Wanderrouten zwischen Eschenau und Rotheau dem heimischen Obstanbau auf der Spur ist, bietet die Pielach weiter westlich besonders für Ausflüge mit Kindern eine erlebnisreiche Fahrroute. Für eine längere Radtour empfiehlt sich etwa der Triesting-Gölsental-Radweg, der in Traisen beginnt und gleich an zwei Flüssen, der Triesting und der Gölsen, entlang verläuft.

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Weitere Infos unter noetutgut.at oder touren.niederosterreich.at

St. Veit an der Gölsen

Kaumberg

Fahrradroute: • 62,6 Kilometer, • 506 Höhenmeter

Date n que l l e : n o e t u t g u t . at u nd r adlan d.at .

Berndorf

Schönau an der Triesting


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ENTGREN Z UNG

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Grenzenloses Radeln Text Martin Zellhofer

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erbst 2020. Die meisten Grenzen sind offen, der Bedarf, in die Ferne zu reisen, ist dennoch gering. Ein schneller Trip zu den NachbarInnen, noch dazu per Rad, geht aber immer. Inspiration dafür bietet die Neuerscheinung »Grenzenlos Radeln 2« aus dem Falter Verlag, die neun Etappen links und rechts der österreichisch-slowakischen Grenze und einen Spazierweg durch Bratislava beschreibt. Schon beim ersten Reinlesen wird klar: Hier geht es nicht ums Kilometerfressen, sondern um die ausführliche Entdeckung einer Region vornehmlich abseits touristischer Trampelpfade. Ein großes Plus der Gegend sind die zahlreichen Bahnverbindungen: Die Strecken Wien–Hohenau, Wien–Marchegg–Bratislava, Wien–Wolfs­ thal, Wien–Kittsee–Bratislava und Bratislava– Kúty lassen viele Punkte der Etappen problemlos öffentlich erreichen.

Wochentags, 9.35 Uhr, Angern an der March. Im Bistro »Das Leben ist schön« sitzen die männlichen Gäste schweigend bei Bier und Zigarette. Klingt nach Tristesse, täuscht aber. Das Bistro befindet sich in der nicht mehr benötigten Grenzstation auf der österreichischen Seite der March. Es steht auf Stelzen, ist mit einem enormen Flugdach überzogen und mit dem Preis des Landes Niederösterreich für »vorbildliche gestalterische Leistung« ausgezeichnet. Auf der Terrasse gibt es Kaffee und Kuchen, unten zieht malerisch die March vorbei, Angler versuchen ihr Glück. Eine kleine Fähre setzt mehr oder weniger regelmäßig Autos, Motorräder und RadfahrerInnen über den Fluss. Obwohl ich nur 36 Kilometer Luftlinie von daheim entfernt bin, fühle ich mich sehr weit weg. Wie im Urlaub. Vor mir liegt Etappe 4, fortgesetzt mit einem Teil der Etappe 5, von Angern an der March über Devínska Nová Ves nach Devín.

BBild  ild  Martin Zel lho lhofer fe R

Ein neuer Reiseführer hilft neugierigen RadfahrerInnen bei der Erkundung des österreichisch-slowakischen Grenzlandes.


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Die »Fahrradbrücke der Freiheit« verbindet Devínska Nová Ves mit Schloss Hof.

Entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs Der Reiseführer bringt neben einem kurzen historischen Abriss über Angern an der March auch die Highlights der Ortschaft zur Sprache: Den letzten stehenden Pfeiler des abgerissenen Schlosses und die moderne Pfarrkirche aus den 1950er-Jahren hätte ich ohne die Hinweise im Buch erst gar nicht beachtet. Zudem liefert es zu beiden Punkten ausführliche kulturgeschichtliche Erläuterungen und Biografien involvierter Personen. Um einen Euro bringt mich die Fähre (der Radtransport ist gratis) auf die andere Seite. Immer bedenken: Wir überqueren hier eine einst unüberwindbare Grenze! Der Reiseführer greift auch für Záhorská Ves, der westlichsten Ortschaft der Slowakei, ein paar interessante Plätze, wie die ehemalige Kaserne des Grenzschutzes oder die ehemalige Zuckerfabrik (an-

geblich eine der größten der Welt), heraus. In der Nähe der Ortschaft, informiert die Autorin Julia Köstenberger, haben 1934 flüchtige Schutzbündler nach dem niedergeschlagenen Februaraufstand durch eine Furt die Grenze überquert. Durch Felder, Wiesen und Wälder, vorbei an Storchennestern, Tümpeln und Altarmen der March geht es, die Kleinen Karpaten im Blick, flussabwärts. Es ist recht einsam, obwohl Bratislava nicht weit weg ist. Entlang der abgeernteten Getreidefelder riecht es hochsommerlich, in der Nähe des Wassers manchmal brackig. In den dichten Auwäldern ist es im Sommer wie im Winter feucht und kühl. Besonders romantisch ist die Fahrt durch das Naturschutzgebiet Dolný les, das größte zusammenhängende Auwiesengebiet Mitteleuropas. Zahlreiche Tafeln erklären auch auf Deutsch Fauna und Flora. Bei


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Sieht nicht danach aus, ist aber der internationale Grenzübergang zwischen Angern an der March und Zahorska Ves.

Julia Köstenberger: »Grenzenlos Radeln 2. Die schönsten Touren zwischen Österreich und Tschechien« Orte entdecken, Natur erleben, Geschichte erfahren (Falter Verlag, 2018).

Martin Leidenfrost: »Die Welt hinter Wien. Fünfzig Expeditionen« (Picus Verlag, 2008).

Köstenberger bettet kleine Geschichten in größere und große Zusammenhänge, fächert kulturgeschichtliche und historische Hinter­gründe auf und blickt auf kleine Details am Wegrand. Kilometerangaben und Kartenausschnitte (ich bin ohne zusätzliches Kartenmaterial gut durchgekommen), wichtige Adressen (Websites und echte) komplettieren den Reiseführer. Ist die Anreise nicht allzu weit, lassen sich alle Etappen als Tagesausflug erradeln.

Highlight der Tour: Der Zusammenfluss von March und Donau Am südlichsten Punkt der Fahrt, in Devín, mehren sich die AusflüglerInnen. Kein Wunder: Hier mündet die träge, dunkle March in die schnell fließende, hellere Donau. Unmittelbar daneben thront die Burgruine Devín auf einem hohen Felsen. Von der Burg aus bietet sich ein imposanter Blick auf die Vereinigung der beiden Flüsse und ins Marchfeld. Ostwärts stehen die Plattenbauten von Petržalka. Die beeindruckende Kulisse lockt zahlreiche TouristInnen, trotz Corona sind verschiedene europäische Sprachen zu vernehmen. Zahlreiche Gastgärten rund um die Burg und in Devín selbst laden zum Verweilen. Außer der traditionellen Limonade Kofola und dem Krügel Bier, das man immer noch unter zwei Euro bekommt, ist beim Wirt im vermeintlichen »Osten« allerdings nichts mehr günstig. Von Devín aus kehre ich über die »Fahrradbrücke der Freiheit« zurück nach Österreich. Schöner Ausflug, kundig begleitet. Julia

Bild  Martin Ze llhofer, Falter Ve rlag, Picu s Ve rlag

Zum Weiterlesen:

jedem Stopp plagen die Gelsen. Pausen sind aber eine wahre Bereicherung, denn die Autorin erzählt, locker und informativ, über die lokale und internationale Geschichte, über ehemals und immer noch bedeutende Gebäude aller Art, kleine Museen, jüdische Spuren, Bunkeranlagen entlang der Grenze, Naturschutzzonen und -projekte entlang der March, Denkmäler und ihre Hintergründe, Kirchen. All das will natürlich besichtigt werden.

Blick von der Burg Devín donauaufwärts Richtung Österreich.


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Au s d e m Ve r l ag 20 20

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Bereits zum dritten Mal in Folge kürten biorama und die Messe Wieselburg die »Bioprodukte des Jahres« – heuer gleich in acht Kategorien. Als Niederösterreichs Bioprodukt des Jahres wurden die Erdnüsse von Roman Romstorfer aus Raggendorf ausgezeichnet, für die der Bauer Ja! Natürlich als Vermarkter gewinnen konnte. Die umfangreiche Shortlist aller nominierten Produkte der beiden Hauptkategorien »Farm & Craft« und »Retail & Big Brand« sowie alle ausgezeichneten Produkte finden sich online. biorama.eu

Wel dein/ cher ist e Lie BioW blingsin Ös irt/in terr eich?

Biogastrotrophy Immer mehr Menschen kaufen für den Hausgebrauch Bioprodukte ein. Dieser erfreulichen Entwicklung hinkt die Gastronomie hinterher. Auch wenn heuer außer Haus essen mitunter schwierig war, hat Biorama auch im Jahr 2020 wieder gemeinsam mit Bio Austria die besten BiowirtInnen Österreichs in drei Kategorien gesucht. Für 47 Biobetriebe konnte online gevotet werden, außerdem gab es einen Preis für das beste neue Biolokal und den besten zu 100 Prozent biozertifizierten Betrieb. Gewonnen haben Kolariks Luftburg (Votingsieger), das Rosencafé in Salzburg (bestes neues Lokal) und das Biohotel Rupertus in Leogang für sein umfassendes Engagement und die großartige Bioküche. biogastrotrophy.at

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Bier Club Supersud Ende 2020 starteten die KollegInnen vom craft bier fest den Bier Club Supersud – und der bietet viele Vorteile. Eintritt zu allen Craft Bier Festen für ein Jahr. • Das österreichische Bier­magazin (Abo für 4 Ausgaben) 1 Jahr • Clubkarte ierclub B • 6-Pack Überraschungsbiere d supersu • 10 Jetons (Wert 10 Euro) Euro

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Ko c h bu ch em p f e h l u n g

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WEIN-TRAUBEN-KEKSE Die biorama-Kochbuchempfehlung aus den Neuerscheinungen des Herbsts 2020: Katharina Seisers »Immer wieder vegan«. Rezept aus:

A

nschließend an den Erfolg »Immer schon vegan«, in dem sie gezeigt hat, bei wie vielen Gerichten wir uns des veganen Charakters vielleicht gar nicht bewusst sind, hat Katharina Seiser im November 2020 »Immer wieder vegan« veröffentlicht. Auch hier wird ohne Ersatzpro­ dukte gekocht. Die Rezepte im Buch sind – abhängig von Verfügbarkeit der Zutaten, aber auch vom »Charakter« eines Gerichts – Jahreszeiten und den Themen Frühstück, kalte, warme oder süße Speise sowie dem Land, aus dem das Gericht stammt, zugeordnet. Unter »Herbst«, »süß« und »Italien« finden sich die Susumelli – mit (nieder)österreichischen Interpretationsvarianten.

Susumelli

Wahrscheinlich das Rezept im Buch, das mich am meisten gefuchst hat, weil es kaum (mehr) bekannt ist und es entsprechend wenige verlässliche Quellen und Rezepte »Immer dafür gibt. Susumelli stammen aus wieder vegan« den Abruzzen und sind ursprünglich Katharina Seiser, hufeisenförmige mürbe Kekse Brandstätter, 2020. aus einem Olivenöl-Wein-Teig, traditionell mit Traubenmarmelade oder -gelee gefüllt. Die Idee hat mir so gefallen, dass ich nicht lockergelassen habe und sie mehrmals (fluchend, weil sie nicht gehalten haben und die Marmelade ausgelaufen ist) probieren musste, bis ich sie endlich hingekriegt habe. Meine Version funktioniert nun sicher und schmeckt mit jeder säuerlich-aromatischen Marmelade.

B ild B randstätte r Verlag, Va ne ss a Mass

Text Irina Zelewitz


ZUTATEN FÜR CA. 30–32 STÜCK • 40 g Puderzucker • 3 g (knapp 1/2 TL) Salz • 80 g trockener Weißwein (am besten kühlschrankkalt) • 120 g mildes Olivenöl • ca. 300 g Weizenmehl (Type D 550, Ö 700 glatt) + Mehl zum Arbeiten • ca. 100–150 g passierte, möglichst feste säuerlicharomatische Marmelade (z. B. schwarze oder rote Johannisbeere, Preiselbeer, Kornelkirsche,

Himbeere ... traditionell wird Marmelade bzw. Gelee aus DirektträgerTrauben mit starkem Walderdbeeraroma dafür verwendet, in Österreich z. B. aus Concord- oder Isabellatrauben wie für Uhudler) • evtl. wenige EL geriebene Mandeln (egal ob geröstet oder ungeröstet) • Puderzucker zum Bestreuen

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hitze, bis die Ränder (und Unterseiten) leicht bräunen. Herausnehmen, vorsichtig auf ein Gitter transferieren und noch heiß bezuckern – so hält der Zucker besser. 7 Mit zweiter Teighälfte wiederholen. Reste zu den Resten der ersten Hälfte im Kühlschrank geben und ca. 30 Minuten ruhen lassen, dann als 3. Partie verarbeiten. Alle Kekse vollständig auskühlen lassen.

1 Gesiebten Zucker, Salz und Weißwein in eine Rührschüs-

sel geben. Mit dem Schneebesen rühren, bis sich Zucker und Salz aufgelöst haben. Olivenöl dazugeben, energisch zu einer Art Emulsion verrühren. Ein paar EL vom Mehl einsieben, mit dem Schneebesen einrühren. Restliches Mehl einsieben, mit dem Teigspatel einrühren, mit der Hand in der Schüssel rasch zu einer glatten Kugel formen. Der Teig ist homogen und kompakt, aber trotzdem weich. Er darf nicht kleben, gegebenenfalls wenig (esslöffelweise) Mehl ergänzen. Die Kugel etwas flacher drücken und auf einem Teller zugedeckt im Kühlschrank mindestens 1 Stunde ruhen lassen. 2 Ofen auf 180 °C Ober-/Unterhitze vorheizen. 2 Bleche mit Backpapier belegen. 3 2 weitere Bögen Backpapier, 1 runden Ausstecher mit ca. 7–8 cm Ø und 2 Kaffeelöffel bereitlegen. Flüssigere Marmelade mit 1–2 EL geriebenen Mandeln binden. 4 Die Hälfte vom Teig aus dem Kühlschrank nehmen. Zwischen den Backpapierbögen ohne zusätzliches Mehl mit dem Rollholz gleichmäßig dünn (ca. 2–3 mm) ausrollen. Oberes Blatt abnehmen. Den Ausstecher immer wieder in etwas Mehl tauchen und Kreise ausstechen. Teig zwischen den Kreisen herausnehmen, zusammendrücken (möglichst nicht kneten) und getrennt vom restlichen Teig wieder in den Kühlschrank geben. 5 Mithilfe der Kaffeelöffel je ca. gut 1/2 TL Marmelade (nicht zu viel, sonst lassen sich die Kekse schlecht verschließen) in die Mitte der Kreise setzen. Zusammenklappen, mit den Fingern verschließen und dabei möglichst keine Luft einschließen. Taschen in die Hand nehmen und mit Daumen und Zeigefinger der anderen Hand rundum fest zusammendrücken, um sie fester zu verschließen. Da der Teig ölig ist und die Kekse dazu tendieren, sich bei Hitze im Ofen zu öffnen, danach auch noch mit einer grobzinkigen, immer wieder bemehlten Gabel fest den Verschluss entlangdrücken (s. Bilder). 6 Sobald sie fertig sind, backen: ca. 15 Minuten auf mittlerer Schiene im vorgeheizten Ofen bei 180 °C Ober-/Unter-

TIPPS

Die Reihenfolge bei der Teigherstellung, die kühle Teigruhe und das rasche Verschließen und sofortige Backen sind wichtig. Wenn der Teig (auch die Reste) nicht ruht, schnurrt er, d. h. er zieht sich stark zusammen, und dann läuft die Marmelade garantiert aus. Susumelli halten gut verschlossen in einer Keksdose 1–2 Wochen und werden dabei immer mürber. Mir schmecken sie am allerbesten am Tag des Backens komplett ausgekühlt (mit einer Tasse Earl Grey), weil sie dann am knusprigsten sind.

VARIANTE

Abrieb von 1/2 Zitrone und/oder 1 Msp. Ceylon-Zimt in den Teig geben. In die Füllung kann man auch zusätzlich zu (Trauben-)Marmelade und Mandeln geriebene oder geschmolzene Schokolade, fein gehackte frische oder kandierte Zitruszesten und Zimt geben, ähnlich einer Bratäpfelfüllung.

Katharina Seiser war im Jahr 2016 eine BIORAMA-Ausgabe gewidmet.

Biorama.eu/ katharina-seiser


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»Immer wieder vegan« Staud s im Quartett: von Katharina Seiser; Bio Zwetschkenröster, Bio Rhabarberröster, »Immer Brandstätter, 2020. Bio Marille und Bio Rote Ribisel fein passiert. wieder vegan«

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Kaufhaus Niederösterreich Lässt sich durch Ab-Hof-Einkäufe das Bauernsterben stoppen? Von Tortendiagrammen, Kilokalorien und möglichen Learnings aus dem Lockdown.

Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu

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ein auf die Zahlen runtergebrochen könnte das größte Bundesland ganz Österreich ernähren; zumindest annähernd. Das belegen die Zahlen des im Spätherbst 2020 erschienenen »Grünen Bericht Niederösterreich«: Rund 5800 Milliarden Kilokalorien haben seine Bäuerinnen und Bauern 2019 erzeugt. »Bei einem mittleren Pro-Kopf-Tagesverbrauch von rund 2040 kcal hätte die niederösterreichische Agrarproduktion im Jahr 2019 für die Ernährung von 7,8 Mio. Menschen gereicht.« Bei einer bundesweiten Gesamtbevölkerung von 8,6 Millionen ist das eine beachtliche Produktivität. Kaufen können sich die bäuerlichen Betriebe von solchen Zahlenspielereien freilich wenig. Durch steigende Kosten und den laufenden Bedarf an Investitionen, um irgendwie am Weltmarkt bestehen zu können, reichen die Einnahmen auf vielen Höfen nicht aus – trotz Nebeneinkünfmarkt über den Eierautomaten in der Hofeinten und Ausgleichszahlungen für erbrachte fahrt bis zur Buschenschank. Aus dem alljähr»Umweltleistungen«. 38.054 bäuerliche Belichen »Grünen Bericht« des Bundesministetriebe gab es bei der letzten amtlichen Erheriums – also aus der »großen«, überregionalen bung 2016 in Niederösterreich. 1990 waren Bestandsaufnahme – wissen wir, dass es Bäuees noch 70.011 gewesen. Auch 2020 werden rinnen und Bauern tendenziell umso besser geht, es wieder weniger geworden sein. je mehr sie ihre Erzeugnisse selbst vermarkten, sprich: je besser sie es schaffen, keine anonymen, austauschbaren ProduzentInnen von Kilokalorien Anonym bedeutet austauschbar zu sein. Wichtige Verbündete dabei sind normalerWas aber sagen uns solche Zahlen, außer weise Tourismus und Gastronomie. 2020 mussten dass sich durch sie der anhaltende Strukdiese zweimal über Nacht für länger geschlossen halturwandel der europäischen Lebensmitten. Weshalb spontan nicht nur Tausende bäuerliche telproduktion auch auf lokaler Ebene in Websites um Onlineshops aktualisiert wurden, sonKurven und Tortendiagrammen nachdern plötzlich auch Plattformen breit wahrgenommen zeichnen ließe? Die Höfe werden wewurden, die das vielfältige Angebot an direkt Vermarkniger, größer, produktiver. Nichts Neutetem übersichtlich bündeln. Plattformen wie Markta es. Wirklich spannend zu sehen wird oder MyProduct, Nahgenuss, »ÖGreissler« oder »Bauerst sein, ob eine Entwicklung aus ernladen.at« sind mittlerweile allgegenwärtig. dem Coronajahr auch langfristig an Was davon bleibt oder ob das Bauernsterben gleichsam Dynamik behält: der offensichtlials Naturgesetz weitergeht, wird wesentlich davon abche Trend zum Direkteinkauf. Behängen, ob breite Bevölkerungsschichten nach den Lockreits 2019 setzte ein Viertel aller downs wieder zu ihren weniger reflektierten ErnährungsBetriebe auf Direktvermarktung gewohnheiten zurückkehren. – vom Gemüsestand am Wochen-

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Kolumne Thomas Weber


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Infos NÖ Wohnbauhotline: 02742 / 22133 noe-wohnbau.at


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