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VON DER PFLICHT, SICH ZU BEMÜHEN

Lieferkette: Ein Hoch auf die Macht der Unternehmen!

»Wollen wir uns verpflichten, uns für die Einhaltung von Klima- und Umweltschutzabkommen und Arbeitsrecht auf der Welt auch zu interessieren und zu bemühen?« – So könnte man die Fragen zusammenfassen, die sich unsere BürgerInnenvertreterInnen in einem der derzeit laufenden europäischen Gesetzgebungsprozesse zur Verbesserung der Auswirkungen unseres Wirtschaftens und Lebens auf globale Arbeitsbedingungen und Umwelt und Klimaschutz in unserem Namen stellen.

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Zu Menschenrechten, Klima- und Umweltschutz existieren freilich, wenn auch noch zu zahnlos, längst internationale Abkommen – und auch die EU und ihre Mitgliedsstaaten entwicklen ihre gesetzliche Standards hierzu langsam weiter. Für die Einhaltung dieser Standards außerhalb der EU ist aber innerhalb der EU meist schlicht keiner mehr zuständig.

Wir diskutieren über die 4-Tage-Woche, importieren aber Dienstleistungen und Waren aus Kinder- und Sklavenarbeit. Wir sind stolz auf die Trinkwasserqualität unserer Seen, kaufen uns aber Nordic-Walking-Outfits, die bei der Produktion des Ausgangsmaterials schon dafür gesorgt haben, dass es jetzt überall auf der Welt Teflon in die Gewässer regnet.

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Ein Unterschied zwischen der Ausbeutung (wo)anders lebender menschen und der Ausbeutung woanders befindlicher Natur: Bei Umwelt- und Klimazerstörung ist es schlicht nicht möglich, den Schaden an einem Ende der Welt zu verursachen und nur den Nutzen zum anderen Ende der Welt, zu anderen Menschen zu bringen. Dass wir nun erst als Konsequenz der Bedrohung unserer Lebensgrundlage (Klimakrise und Biodiversitätsverlust) wissen wollen, welche Wirtschaftsweise im globalen Süden durch unsere Importe verursacht wird, nun, wo wir zu spüren beginnen, dass wir die Schäden nicht dort belassen können, wird die Glaubwürdigkeit des europäischen Zeigefingers nicht stützen. Um so größer könnte da unsere Bereitschaft werden, unterstützend beizutragen, wenn wir von den Ländern des globalen

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Im Sommer wird die Küche nach draußen verlegt und der Griller angeheizt. Mit Bio auf dem Grill liegst du dabei richtig. Alles, was dein Bio-Herz begehrt, findest du bei uns am ADAMAH BioHof.

(Loi sur le) »Devoir de Vigilance«

verpflichtet große französische Unternehmen dazu, Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass ihre direkten Lieferanten soziale und umweltbezogene Standards einhalten. Es zielt darauf ab, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in den globalen Lieferketten zu verhindern. Das Gesetz betrifft Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern in Frankreich oder mehr als 10000 Mitarbeitern weltweit.

Südens Umstellung auf klima- und umweltverträgliche Wirtschaftsweisen verlangen.

Hinzukommt, dass die Klimawende – wie auch das Wachstum des fossilen Zeitalters –Ressourcen benötigt, die maßgeblich aus Weltregionen importiert werden, in denen Klima-, Umweltschutz und Arbeitsrechten, aber etwa auch Demokratie und Investitionssicherheit oft kaum zur Geltung verholfen wird. Im Rahmen des Milliardenpaketes European Green Deal werden Gesetze, öffentliches und privates Geld umgelenkt zu Wirtschaftszweigen und Wirtschaftsweisen, die fast zwangsläufig mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung verknüpft werden. Wenn dem nichts zur Eindämmung der Ausbeutung entgegengesetzt wird, unterwandert das einerseits die Effekte der Ökologisierungsmaßnahmen des Green Deal, andererseits womöglich aber auch einen Teil der Legitimität des Europäischen Projekts nach innen und außen.

DIE IDEE WAR ALT, ABER DIE WELT NUN BEREIT derarbeit, Sklaverei, Umweltverschmutzung oder Verlust der biologischen Vielfalt, zu ermitteln und erforderlichenfalls zu verhindern, zu beenden oder abzumildern«. Und diese Tätigkeiten schließen die ihrer Zulieferbetriebe mit ein. Dazu baut sie auf menschenrechtliche als auch umweltbezogene Sorgfaltspflichten und Vorgaben für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung, die auf den Geschäftsbereich und das einzelne Unternehmen abgestimmt durchgeführt werden sollen.

Prinzipienfragen

LkSG – Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz

richtet sich an Unternehmen einer bestimmten Größe mit Sitz oder Niederlassung in Deutschland: Seit dem 1. 1. 2023 gilt es für alle Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten, ab 2024 für Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten.

Da die Entscheidungen darüber, mit welchem Ausgangsmaterial und wessen Arbeitskraft wo in der Welt produziert und gearbeitet wird, private (und eigentlich auch staatliche, aber von denen ist hier nicht die Rede) Unternehmen treffen – sollen künftig auch diese ihre eigenen Lieferketten durchleuchten müssen. Nach jahrelangen Forderungen von zivilgesellschaftlichen Organisationen hat die Europäschen Kommission im Februar 2022 (nachdem sie mit dem European Green Deal bereits den größeren Rahmen vorgelegt hatte) einen Entwurf für ein »Lieferkettengesetz« präsentiert, dass den Unternehmen diese Verantwortung aufträgt. Genauer gesagt handelte es sich um einen Entwurf für eine Richtlinie »zur nachhaltigen Unternehmensführung«, die sogenannte Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD).

Sie soll Unternehmen gesetzlich verpflichten, »negative Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf die Menschenrechte und die Umwelt, wie Kin-

Darüber, ob das EU-Lieferkettengesetz sich die der beiden Mitgliedsstaaten Frankreich und Deutschland zum Vorbild nehmen soll wurde viel diskutiert – mehr aber über die scheinbaren Details der Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele wie auch darüber, für welche Teile des Produktzyklus das Gesetz gelten soll. Insgesamt kam im Mai 2023 Nervosität auf, ob die ParlamentarierInnen die in den Ausschüssen verhandelten Positionen auch beim Votum mittragen werden – die Mehrheit der Abgeordneten hat das. Nach dem Rat im vergangenen Dezember hat also am 1. Juni auch das Europäische Parlament mit 366 Abgeordneten dafür zu 225 Abgeordneten dagegen (bei 38 Enthaltungen) eine Position festgelegt und den Richtlinienentwurf damit in den Trilog geschickt. Die Verhandlungspositionen unterscheiden sich etwa darin, für Unternehmen ab welcher Größe die Gesetze gelten oder ob Dienstleistungen vom Gesetz miterfasst werden.

WAS STEHT IN DEN KOMMENDEN MONATEN AUF DEM SPIEL?

Die Parlamentsposition sieht vor, dass Unternehmen – und Tochterunternehmen – die Auswirkungen ihrer Partner in der Wertschöpfungskette bewerten, schreibt das Europäische Parlament in einer Aussendung – »und zwar nicht nur bei den Zulieferern, sondern auch im Zusammenhang mit dem Verkauf, dem Ver- trieb, dem Transport, der Lagerung und der Abfallbewirtschaftung«.

FÜR WEN SOLL DAS GESETZ GELTEN?

Laut Entwurf in der Fassung des EU-Parlaments für europäische Unternehmen (in der EU ansäßig) und in der EU tätige Firmen aus Drittstaaten ab 250 Mitarbeitenden und mehr als 40 Millionen Euro Umsatz weltweit fallen unter das europäische Gesetz.

So auch Muttergesellschaften mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 150 Millionen Euro. Und zwar unabhängig davon, in welcher Branche sie tätig sind.

Außerdem soll etwa die Erstellung eines Übergangsplans zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5° als Teil der Sorgfaltspflichten der Unternehmensleitung vorgeschrieben werden. Und: Die Dokumentation darüber, wie den Sorgfaltspflicht eines Unternehmens nachgekommen wird, soll öffentlich einsehbar sein. Und zwar über das derzeit ebenfalls im Trilog befindliche zentrale europäische Zugangsportal (European Single Access Point, ESAP). Dort sollen künftig jene Informationen gesammelt werden, die nachhaltige Unternehmen auf dem europäischen Kapitalmarkt für AnlegerInnen besser erkennbar machen sollen. Sie ist das Werkzeug, mit dem der Green Deal privates Kapital in die Finanzierung seiner Nachhaltigkeitsziele lenken will – da die Kommission berechnet hat, dass öffentliche Haushalte bei Weitem nicht ausreichen werden, um die Wirtschaftsweise so zu verändern, dass wir die EU-Klimaziele erreichen.

WAS, WENN NICHT?

Wenn nun Unternehmen diesen Informationspflichten nicht nachkommen, oder ihre Sorgfaltspflichten verletzen, sieht der Gesetzesentwurf vor, dass die Mitgliedsstaaten die Einhaltung des künftigen Gesetzes überwachen und durchsetzen. Erstens durch behördliche Kontrolle, einschließlich Bußgeldern – aber zweitens auch durch eine zivilrechtliche Haftung. Unternehmen werden im Schadensfall scha- denersatzpflichtig – Betroffene in Europa oder auch im globalen Süden könnten so, etwa unterstützt durch europäische oder internationale NGOs – ein nicht-europäisches Unternehmen für die Menschenrechtsverletzungen eines Zulieferbetriebes mit Gerichtsstandort in der EU klagen. Damit bekämen internationales Recht zum Schutz von Ressourcen und Menschenrechten eine bisher nicht dagewesene privatrechtliche Entsprechung.

Zudem soll die behördliche Kontrolle, die die EU-Mitgliedstaaten einzurichten haben werden, nicht nur Verstöße anprangern, sondern zum Beispiel auch Geldstrafen von mindestens 5% des weltweiten Nettoumsatzes veranlassen dürfen. Nicht-EU-Unternehmen könnten aufgrund von Verstößen gegen das künftige Gesetz von der öffentlichen Auftragsvergabe in der EU ausgeschlossen werden. Die Erwartungen, wie sehr dieses Gesetz unsere Wirtschaftsweise ändern wird, unterscheiden sich stark, es scheint Konsens darüber zu geben, dass die Richtlinie für ein Lieferkettengesetz sicherstellen wird, dass sich Unternehmen künftig systematisch damit auseinandersetzen müssen, wie sich ihre Geschäftstätigkeit auf Umwelt, Klima und die Wahrung von Menschenrechten auf der ganzen Welt auswirkt.

Die Hoffnungen, dass die Richtlinie um den Jahreswechsel beschlossen werden kann, sind groß. Wenn das gelingt, müssten alle EU-Staaten die Richtlinie bis Jänner 2026 in nationale Gesetze umsetzen, die dann mit einer Übergangsfrist von 3–5 Jahren geltendes Recht werden. Dazu muss die Richtlinie aber noch einige Hürden nehmen – wie groß diese werden, ist unklar – denn Verzögerungen des Zeitplans der Verhandlungen könnten dazu führen, den Prozess in die Legislaturperiode des 2024 neu gewählten Europäischen Parlaments zu schieben. Ungewiss ist, ob dessen Zusammensetzung das Lieferkettengesetz dann noch mehrheitlich unterstützen würde.