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Fair Play

Drei Viertel aller weltweit verkauften Fußbälle kommen aus Pakistan, ihre Produktion ist meistens weder sozial noch ökologisch nachhaltig. Es gibt Alternativen.

TEXT Florian Jauk D ie 700.000-EinwohnerInnen-Stadt Sialkot im Nordosten Pakistans gilt als die Hauptstadt des Fußballs. Zumindest was die Produktion des für den Sport notwendigen runden Leders betrifft. Auch wenn Leder hier ein wenig irreführend ist – der Großteil der jährlich rund 40 Millionen handgefertigten Fußbälle besteht aus Kunstleder. Jedes zweite Jahr, zu Fußballgroßveranstaltungen wie Welt- oder Europameisterschaften, klettern die Produktionszahlen sogar auf 60 Millionen Stück. Diesen Boom spüren zwar die großen Sportartikelhersteller in ihren Verkaufszahlen, die NäherInnen, die mehr als zehn Prozent der Sialkoter Bevölkerung ausmachen und die Fußbälle herstellen, verdienen dennoch nur einen geringen Lohn, häufig unter dem nationalen Mindestlohn. Bezahlt werden sie in den meisten Fällen nicht pro Stunde, sondern pro genähtem Ball.

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Badboyzballfabrik

wurde 2014 von Robert Weber mit dem Ziel, faire und ökologische Sportbälle zu verkaufen, gegründet. Mittlerweile ist das Familienunternehmen in zweiter Generation, Tochter Alena Weber ist Geschäftsführerin, Robert Weber ist verantwortlich für das Marketing und den Vertrieb. badboyzballfabrik.com

VIEL HANDARBEIT, WENIG GELD

Innenleben – auch Blase genannt –, einem Grundgerüst um die Blase, das dafür sorgt, dass das Innenleben bei hohem Druck nicht platzt, sowie der sichtbaren Oberschicht des Balls.

Wie ein Fußball aussehen muss, ist genormt: 20 sechseckige Panels und 12 fünfeckige Panels werden benötigt, um aus dem Eckigen das Runde zu machen. In der Produktion werden zuerst laminierte und getrocknete Kunstlederstücke per Hand zu fünf- und sechseckigen Formen gestanzt und mit Schlitzen für die Naht versehen. Ein solches fünfeckiges Panel enthält ein Loch für die Blase und das Ventil, die meistens beide aus Latex bestehen. Nach dem Stanzen werden die Panels bedruckt und anschließend meist in Handarbeit zusammengenäht, insgesamt sind dafür mehr als 600 Nadelstiche notwendig. Der schwierigste Teil ist die Schlussnaht, die man von außen nicht sehen darf. Durchschnittlich brauchen ArbeiterInnen drei Stunden Nähzeit für einen Ball, laut Fairtrade Deutschland arbeiten die NäherInnen bis zu zwölf Stunden pro Tag, wo-

mit einE ArbeiterIn täglich durchschnittlich vier Fußbälle herstellt. Mittlerweile wird aber nicht mehr jeder Ball komplett per Hand genäht, es gibt maschinelle Fertigungstechniken und thermogeklebte Bälle. Die Schlussnaht muss jedoch immer per Hand erfolgen. Sind die Bälle fertig genäht, werden sie nachgerundet, gereinigt und genauestens inspiziert, bevor sie verpackt und aus Sialkot in die ganze Welt versendet werden.

BESSERE ARBEITSBEDINGUNGEN

Der Lohn für die aufwendige Fußballproduktion ist gering, die Tageslöhne betragen häufig nicht mehr als einen Euro. Eine Möglichkeit, die bessere Arbeitsbedingungen garantiert und diese auch für KonsumentInnen sichtbar macht, ist das Fairtrade-Siegel. Die Fairtrade-Zertifizierung soll unter anderem sicherstellen, dass zumindest die jeweiligen nationalen Mindestlöhne bezahlt werden, dass die Bälle ohne Kinderarbeit produziert werden und dass die ArbeiterInnen Prämien erhalten, die es ihnen ermöglichen, in gemeinsame Projekte zur Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen zu investieren. Die 2003 gegründete Flocert GmbH sorgt für regelmäßige Überprüfungen in den Produktionsstätten. Nach der Erstzertifizierung gibt es laut Fairtrade Deutschland innerhalb eines dreijährigen Zertifizierungszyklus mindestens zwei weitere Kontrollen sowie unangekündigte Überprüfungen.

Auch wenn bisher nur ein Bruchteil der

»Fairtrade ist ein rein soziales Siegel, weshalb wir unsere meistverkauften Modelle in einem deutschen Lebensmittellabor zusätzlich auf Schadstofffreiheit prüfen.«

— Robert Weber,

Sportartikelhersteller

Die sogenannten technischen Schichten eines Fußballs werden laminiert, um den Materialien mehr Stabilität zu verleihen. Die verschiedenen Schichten sorgen unter anderem für bessere Ballbehandlung und gute Flugeigenschaften.

FAIR

ist keine rechtlich geschützte Produktbezeichnung. Die bekanntesten Dachorganisationen im Bereich fairen Handels sind die Fairtrade Labelling Organizations International (FLO), kurz Fairtrade International. Ihr Gütesiegel, für das von Fairtrade definierte Standards aufgestellt wurden, die von der Zertifizierungsgesellschaft Flocert überprüft werden, findet man weltweit auf über 30.000 Produkten, es soll zu besseren Arbeitsbedingungen in der Produktion und im Handel von Waren beitragen. fairtrade.net

weltweit verkauften Fußbälle Fairtrade-zertifiziert ist, ziehen immer mehr große Anbieter nach. Laut dem Pressesprecher von Fairtrade Österreich, Bernhard Moser, gibt es in Österreich zurzeit drei Unternehmen, die Fairtrade-Bälle herstellen lassen. Vermutlich bei einer der derzeit sieben zertifizierten Produzentenorganisationen, die faire Sportbälle herstellen. Sechs davon befinden sich in Pakistan, eine in Indien.

GAR NICHT SO BÖSE JUNGS

Auch Robert Weber setzt auf Fairtrade. Seit 1975 arbeitet er in der Sportballbranche, bei seinem ersten Arbeitgeber wurden die Bälle zu Beginn noch in Deutschland produziert, 1982 wurde die Produktion nach Pakistan verlegt. Von fairen Bällen war damals noch keine Rede, doch das sollte sich ändern. 2014 gründete Weber in Nürnberg das Unternehmen »Bad Boyz Ballfabrik«, mit dem er in Sialkot Sportbälle unter Fairtrade-Bedingungen produziert und in seinem Onlineshop, in Weltläden und direkt an Vereine verkauft. Dafür zahlt das Unternehmen zwar insgesamt 22 bis 25 Prozent im Vergleich zur Nicht-Fairtrade-Produktion mehr, dieser höhere Einkaufspreis schlägt sich aber nicht im Verkaufspreis nieder, sagt Weber, der sich in seinem Sortiment auf Fußbälle konzentriert. Die Preise für die ab 30 Stück individuell gestaltbaren Kunstlederbälle liegen zwischen 30 Euro für einen Trainingsball und 150 Euro für einen thermogeklebten Matchball für Vereine, der aufgrund seiner Materialeigenschaften für noch mehr Ballkontrolle sorgen soll. Auch Hand- und Volleybälle finden sich im Katalog von Bad Boyz, Basketbälle sollen folgen. Alle Bälle sind nicht nur Fairtrade-zertifiziert, sondern auch frei Polyvinylchlorid (PVC),

»Wir und unser Entwicklungslabor in Pakistan haben bisher noch kein Material aus nachwachsenden Rohstoffen gefunden, das auch nur annähernd den hohen Ansprüchen an die Eigenschaften eines Fußballs gerecht wird.«

— Robert Weber,

Sportartikelhersteller

Fair Rubber e.V

ist ein Verein aus Bonn, der es sich seit 2012 zum Ziel setzt, einen Beitrag zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen für Primärerzeuger von Naturkautschuk, einem Rohstoff, der nicht von Fairtrade erfasst wird, zu leisten. fairrubber.org einem Kunststoff, bei dessen Produktion giftiges Chlor eingesetzt wird.

IT’S A BUBBLE

Ein wichtiger Bestandteil jedes Balls ist die Blase, die für den Luftdruck, das Gewicht und in weiterer Folge für die Flugeigenschaften des Balls verantwortlich ist. In den meisten Fällen besteht sie aus Latex, also flüssigem Naturkautschuk, oder Butyl, einem synthetischen Gummi. Butylblasen verlieren deutlich weniger Luft als Latexblasen und werden daher häufiger im Profibetrieb eingesetzt. Um Latex zu gewinnen, wird die Rinde des Kautschukbaums angeritzt, aus der der Milchsaft Latex fließt. Naturkautschuk ist einer der Rohstoffe, die nicht von der mit Fairtrade zusammenarbeitenden Zertifizierungsgesellschaft Flocert erfasst sind und deren fairer Handel nicht mit dem Fairtrade-Siegel bescheinigt werden kann. Der Verein Fair Rubber setzt sich für faire Arbeitsbedingungen im Handel von Naturkautschuk ein und vergibt ein Fair-Rubber-Siegel. Es ziert inzwischen einige Produkte, in denen dieser Rohstoff verarbeitet wurde, wie Kondome, aber auch Fußbälle. Die »Bad Boyz Ballfabrik« setzt seit 2021 in ihrer Produktion auf von Fair Rubber zertifiziertes Latex.

Das hat zum Beispiel auch das Unternehmen Fairsquared mit Sitz in Köln 2017 für Werbeartikel für den Investmentfonds Ökovision der Ökoworld AG so gemacht und hat Fußbälle in Sialkot herstellen lassen, die ein Fairtrade-Siegel trugen und für die Blase zusätzlich das Fair-Rubber-Siegel erhielten. Ins Standardsortiment von Fairsquared wurden Fußbälle allerdings nicht aufgenommen, wie Fairsquared-Geschäftsführer Oliver Gothe erklärt. »Wir haben uns auf Kosmetik- und Hygieneartikel spezialisiert. Wir bieten zwar Garten- und auch Freizeitprodukte an, bei Bällen gibt es aber schon sehr viele Anbieter«, sagt Gothe. Fair Rubber zieht sich durch das Produktsortiment von Fairsquared. So sind die von Fairsquared angebotenen Kondome und Menstruationstassen aus Latex, das von Fair Rubber zertifiziert ist.

FUSSBÄLLE AUS KOKOSFASERN?

Auch wenn Fairtrade- und Fair-Rubber-zertifizierte Bälle für bessere Arbeitsbedingungen bei der Rohstoffgewinnung und der Produktion von Fußbällen stehen, so besteht das Obermaterial so gut wie immer aus erdölbasiertem Kunstleder, selten kommt Echtleder zum Einsatz. Und wo mit Leder gearbeitet wird, liegen Herkunft und Verarbeitung des Rohstoffs meist erst recht im Dunkeln.

Einen veganen Ball aus nachwachsenden Rohstoffen sucht man derzeit noch vergeblich. Und das wird sich so schnell auch nicht ändern. Die Materialeigenschaften seien mit denen von Kunstleder nicht zu vergleichen und für die Fußballproduktion nicht brauchbar, erklärt Robert Weber. »Wir und unser Entwicklungslabor in Pakistan haben bisher noch kein Material aus nachwachsenden Rohstoffen gefunden, das auch nur annähernd den hohen Ansprüchen an die Eigenschaften eines Fußballs gerecht wird.«

Vielleicht geht der Sportsgeist demnächst ja so weit, dass die Produktionsbedingungen der Bälle im Zentrum des großen Sports nicht mehr Nebensache sind.

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GRÜNE ENERGIE AUS DER WASSERWIRTSCHAFT

Die Siedlungswasserwirtschaft könnte sich in fünf Jahren selbst mit Strom versorgen oder zum Produzent thermischer Energie werden.

Um den Klimawandel einzudämmen, sind Anstrengungen und Optimierungen in sämtlichen Bereichen erforderlich. Schon heute erzeugt die Siedlungswasserwirtschaft einen beachtlichen Teil jener Energie selbst, die für die Versorgung mit Trinkwasser und die Entsorgung von Abwasser im Umfeld von Siedlungen notwendig ist. Optimierungspotenziale gibt es noch: Der Austausch von Pumpen in der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung würden den Energieverbrauch ebenso senken, wie die Dämmung von Faultürmen oder die Optimierung der Abwasserbelüftung in den Kläranlagen. In den Anlagen der Siedlungswasserwirtschaft ließe sich zudem noch mehr Strom aus Klärgas und Sonnenenergie und Wärme aus dem Abwasser erzeugen.

Energieüberschuss möglich

Eine Studie, die das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaftwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft bei der Österreichischen Energieagentur in Auftrag gab, untersuchte, wie sich das Ausschöpfen der ungenützten Potenziale auf die Energie- und Treibhausgasemissionen der Siedlungswasserwirtschaft konkret auswirken würde. Dabei entwarfen die Autoren zwei Szenarien. Ohne thermische Nutzung des Abwassers könnte bis 2027 der Strombedarf der Siedlungswasserwirtschaft auf Null gesenkt werden. Beim Ausschöpfen sämtlicher Potenziale inklusive Abwasserwärmenutzung reduziert sich der elektrische Nettoverbrauch von derzeit 282 Gigawattstunden (GWh) auf 221 GWh pro Jahr. Denn die Wärmepumpen, die in diesem Szenario notwendig sind, benötigen Strom. Die positi-

ven Auswirkungen auf Treibhausgas- und Wärmebilanz

sprechen für die Maximalvariante: Die Anlagen der Siedlungswasserwirtschaft können dabei bis zum Jahr 2027 einen Überschuss von bis zu 883 GWh pro Jahr thermische Energie erzeugen. Diese Menge reicht aus, um das Warmwasser für etwa 725.000 Personen ein Jahr lang aufzubereiten. Die Autoren der Studie rechnen damit, dass längerfristig über 3.000 GWh pro Jahr Abwasserwärme aus dem Ablauf von Kläranlagen zu wirtschaftlichen Preisen gewonnen werden können.

Treibhausgassenke

Der Treibhausgasausstoß in der Siedlungswasserwirtschaft beträgt derzeit 277.714 Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr. Werden alle Maßnahmen umgesetzt, dann wird die Siedlungswasserwirtschaft nicht nur zum Energieproduzenten, sondern auch zu einer Treibhausgassenke. Die Studienautoren rechnen in diesem Fall mit einer Bilanz von minus 31.662 Tonnen CO2-Äquivalente jährlich. Die Umsetzung aller Maßnahmen sorgt zudem für einen massiven Beschäftigungseffekt von 4000 Arbeitsplätzen.

MEHR GEWÄSSERRAUM SCHÜTZT VOR HOCHWASSER

Starkregen und Überflutungen häufen sich als Folge des Klimawandels. Die negativen Auswirkungen von Hochwasserereignissen können mit ganzheitlichen Schutzkonzepten und ökologischer Sanierung von Gewässern jedoch deutlich reduziert werden.

Ein verheerendes Unwetter im Gegendtal in Oberkärnten löste Ende Juni 2022 in wenigen Stunden eine Hochwasser-Katastrophe aus: Bäche traten über ihre Ufer und die Wassermassen, Steine, Schlamm sowie Wildholz schädigten 130 Gebäude sowie Straßen und Brücken. Die Wasserversorgung sowie das Kanal- und Stromnetz fiel für etwa 1500 Haushalte in der Region längere Zeit aus. BestehendeSchutzbauten verhinderten Schlimmeres, wie etwa Überflutungen im nahen Villach.

An der Enns werden zwei Mäander-Bögen wieder hergestellt.

Diese Katastrophe zeigt einmal mehr: Die Klimaerwärmung begünstigt Unwetter und wir müssen uns darauf besser vorbereiten. In Gegendtal geschieht das gerade: Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (BML), das Land Kärnten und die Gemeinde beziehungsweise der Wasserverband stellen wieder ein geregeltes Abflussprofil her. Sie lösen zudem Grundstücke und Liegenschaften ab, um Retentionsräume zu schaffen, die Bächen und Flüssen den nötigen Raum zum Ausufern geben. Ein gesamtheitliches Schutzkonzept soll die Region resilienter machen. Es sieht mehrere Rückhaltebecken vor und wird etwa 20 Millionen Euro kosten.

Schutzsysteme

In Lavamünd zerstörte ein Jahrhundert-Hochwasser vor zehn Jahren die Lebensgrundlage vieler Menschen. Sofort danach entwickelte die Bundeswasserbauverwaltung ein nachhaltiges Hochwasserschutzsystem. Wie dringend die Stadt an der Drau ein solches benötigte, zeigte sich während der beiden Hochwasserereignisse im Herbst 2018 und 2019. Temporäre Schutzmaßnahmen verhinderten eine neuerliche Überflutung. Seit kurzem ist das neue Hochwasserschutzsystem voll funktionsfähig und wird bald ganz fertig gestellt sein.

Koordinierte Maßnahmen

Gewässer ökologisch zu sanieren und damit den Hochwasserschutz zu verbessern, ist auch Ziel des von der EU geförderten Projekt LIFE IP IRIS Austria (www.life-iris.at). Dieses umfasst österreichweit Gewässerentwicklungs- und Risikomanagementkonzepte und ermöglicht eine koordinierte Planung von Maßnahmen und begünstigt die Nutzung von Synergien aus allen Bereichen. An sieben österreichischen Flüssen auf einer Gesamtlänge von fast 600 Kilometer finden Planungen und Verbesserungsmaßnahmen auf dieser Basis statt. Am weitesten ist das Projekt am Enns-Abschnitt östlich von Mandling gediehen. Der Fluss ist hier, im Grenzgebiet von Salzburg und der Steiermark, wegen Regulierungen besonders strukturarm und ökologisch nur bedingt funktionsfähig. Bis April 2023 sollen die Bauarbeiten abgeschlossen und die natürlichen Prozesse auf diesem Abschnitt der Enns wiederhergestellt sein. Im Burgenland werden im Rahmen von zwölf Renaturierungsmaßnahmen an der Leitha unter anderem Neben- und Altarme wieder nutzbar gemacht. Info: www.bml.gv.at/wasser