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Keime

KEIMFÄHIG UND KEIMANFÄLLIG

Warum Sprossen ein idealer Nährboden für Krankheitserreger sind und wie sie im Handel überprüft werden.

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Sprossen haben längst den Weg in Haushalte, Gastronomie und in den Handel gefunden. Die gekeimten Pflanzensamen sind von einer Keimflora umgeben, die den Samen einerseits schützt, andererseits aber auch Krankheitserreger einschleusen kann. Wie gut diese sich während der Sprossenaufzucht vermehren können, zeigt der Ehec-Ausbruch des Jahres 2011. Zwischen Mai und Juli kam es in Norddeutschland zu einer vermehrten Anzahl von Krankheitsfällen mit dem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) und zu blutigen Durchfallerkrankungen, erklärt das Robert-Koch-Institut. Ausgelöst worden sind die Erkrankungen durch enterohämorrhagische Escherichia-coli-Bakterien, kurz Ehec. Die krankheitsauslösenden Stämme des Darmbakteriums Escherichia coli befanden sich auf handelsüblichen Bockshornkleesprossen, wie die Krankheitserreger auf die Samen kamen, ist weiterhin ungeklärt. Sicher ist jedoch, dass Sprossen aufgrund ihrer Produktionsbedingungen, nämlich in einem feuchten und warmen Milieu, einen idealen Nährboden für Krankheitserreger darstellen.

NÄHRBODEN

»Die Produktionsbedingungen von Sprossen sind ideal für bakterielle Lebensmittelerreger, sodass diese sich explosionsartig vermehren können. Selbst wenn sich nur einzelne Keime auf den Sprossensamen befinden, wächst sich

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Florian Jauk

Die EUVerordnung 2073/2005 setzt mikrobiologische Richtlinien für Lebensmittel. Sie legt auch Hygienestandards fest, die Sprossen und Keimlinge erfüllen müssen. das schnell zum Problem aus«, erklärt Matthias Fischer, Leiter der Fachgruppe Lebensmittelmikrobiologie beim deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Seit dem Ehec-Ausbruch hat sich laut Fischer einiges getan. In Herstellungsbetrieben herrsche seither eine noch striktere Qualitätsüberprüfung: »Sprossen haben Eingang in die mikrobiologischen Grenzwerte gefunden, was einen höheren Produktionsstandard setzt. Dadurch sind die Betriebe angehalten, hohe Hygienestandards einzuhalten, damit es nicht zu erhöhten Keimbelastungen während der Keimung kommt.«

KRANK DURCH SUPERFOOD

Das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) führte zwischen 2016 und 2022 an insgesamt 89 Sprossenproben aus Handel und Gastronomie mikrobiologische Untersuchungen durch. Der Großteil, nämlich 80 Proben, wurde im Zeitraum zwischen 2016 und 2020 analysiert. In neun Proben wurden Krankheitserreger wie Ehec, Salmonellen und Listerien nachgewiesen. »Letztere können starke grippeähnliche Symptome auslösen und bei Schwangeren sogar zu Fehlgeburten führen«, erklärt Hiltrud Schrandt, Pressesprecherin beim Laves. Ein besonderes Risiko können rohe Sprossen vor allem für immungeschwächte Personen, Kinder, Senioren und Schwangere darstellen. In den neuesten Untersuchungen konnten 2022 in acht Sprossenproben aus Gastronomie und Handel keine Krankheitserreger festgestellt werden, in einer Probe wurde zwar ein erhöhter Gehalt an Bacillus cereus, einem potenziellen Krankheitserreger, der Durchfall und Erbrechen auslösen kann, nachgewiesen. Die Menge der Bakterien überschritt allerdings nicht den Grenzwert, ab dem angenommen wird, dass eine erhöhte Chance für Erkrankungen besteht.

WER KEINE ROHEN SPROSSEN ESSEN SOLLTE

»Sprossen sind zwar kein großes Problem, aber ein Risiko besteht auf jeden Fall. Yopis, also jungen, alten, schwangerem und immungeschwächten Personen, empfehle ich, keine rohen Sprossen zu essen«, sagt Matthias Fischer. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte Keimlinge erhitzen, denn dadurch werden zwar hitzeunbeständige Nährstoffe wie Vitamin C, aber eben auch Krankheitserreger abgetötet. »Angebratene Sprossen sind die traditionelle und auch sichere Zubereitung, als Vitamin-C-Quelle gibt es auch andere gute Alternativen«, so Fischer.

Auch wenn Sprossen mittlerweile im Handel strengen Qualitätskontrollen unterzogen werden, sind sie weiterhin ein mit Risiken behaftetes Lebensmittel. Nicht weil die Wahrscheinlichkeit, dass Krankheitserreger auf Sprossen gelangen können, höher als bei anderen Lebensmitteln ist. Gesundheitsrisiken bestehen vielmehr aufgrund der Produktionsbedingungen der Sprossen, unter denen sich Krankheitserreger besonders gut vermehren und beim rohen Verzehr einfach mitgegessen werden können.