BIORAMA 71

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P.b.b. — 11Z038861 M — 1040 Wien

ausgabe 71 — Februar 2021 / März 2021. www.biorama.eu — Österreichausgabe

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Dinner for all

Foodwaste: Rezepte gegen die große Unbekannte. Kann das weg? Warum sich das MHD noch halten wird. Sag s durch die Blume: Wie gut kennst du deine Zimmerpflanzen? Der Berg ruft: Deftige Käse helfen gegen die Sehnsucht.

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Tiroler

e t k u d o r P o i B

Bio-Heumilch

H C IL M U E H IO B S AU 100

28039

Gerade jetzt ist es wichtig, regionale Kreisläufe zu stärken! Die frische Bio-Heumilch wird täglich von unseren Bio-Bergbauern abgeholt – hier im Alpbachtal, egal bei welchem Wetter. Auf den kleinen Familienbetrieben wird beste Bio-Milchqualität erzeugt. Aus der Region für die Region. Erhältlich bei MPREIS. Für den Tiroler Ursprung bürgt das Gütesiegel Qualität Tirol. biovomberg.at


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E d i t o r i a l , Im p r essu m

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Die Welt steht an der Müllkippe

W Bild bio ra ma/Michae l Mi ckl  Co verbild  isto ck. com/pikepi cture , istock.com/athe rton custo ms, istock.com/Div Vector, istock.com/seamartini, istock.com/TarikVision

enn mindestens ein Drittel der weltweiten Treibhausgase durch unsere Ernährung entsteht, dann ist die Reduktion von Lebensmittelabfällen eine zentrale ökologische Herausforderung. Wo genau wie viel eigentlich genießbare Lebensmittel für die Ernährung der Menschheit verloren gehen, wissen wir nicht. Was wir aber wissen: Wie man es auch dreht und wendet, ein erheblicher Anteil der Lebensmittel wird im Privathaushalt weggeworfen und somit sind wir EndverbraucherInnen ganz unmittelbar verantwortlich. Jedes Mal, wenn einE Zero-Waste-InfluencerIn aus Zwiebelschalen noch ein Textilienfärbemittel für Naturbraun zaubert, statt diese achtlos wegzuwerfen, fragen sich manche womöglich, wie weit die Verantwortung geht. Die haben nichts verstanden. Es geht um das Signal, es muss wieder Bewusstsein geschaffen werden. Essen wirft man nicht weg. Foodwaste ist etwas Ungehöriges. Zu gut haben sich mahnende Sprüche über Hunger und Undankbarkeit über Generationen immer tiefer in unser Gedächtnis gegraben. Jedes Mal, wenn man die Kühlschranktür aufmacht und etwas entdeckt, das man übersehen hat, das jetzt verdorben ist, hören wir Ökofundis Stimmen. Sie sagen: »Hauptsache, zuerst nach ausgeklügelten Nachhaltigkeitskriterien einkaufen, und dann vergammeln lassen!« Und sie sagen auch: »Erstmals seit vielen Jahren steigt nun seit 2017 die Anzahl der hungernden Menschen (absolut und als Anteil an der Weltbevölkerung) wieder.« Es ist kompliziert. Aber vielleicht doch gar nicht so sehr. Wir haben leichte Schuldgefühle, bevor wir an die Tonnen von Lebensmitteln denken, die schon nach der Ernte weggeworfen werden. Und dann erst im Handel, Supermarkt-Hinterhöfe mit Müllcontainern voller Lebensmittel. Und die wären sogar noch genießbar. Schrecklich ist das. Wenn man da bloß was machen könnte. Wir wünschen gute Lektüre und freuen uns, wie immer, auf euer Feedback!

Irina Zelewitz, Chefredakteurin zelewitz@biorama.eu

Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu @th_weber

impressum HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEURIN Irina Zelewitz AUTORINNEN Viktoria Kirner, Ursel Nendzig, Martin Mühl, Irina Obushtarova, Jürgen Schmücking, Leonie Stieber, Sasha Walleczek, Thomas Weber GESTALTUNG Michael Mickl Lektorat Mattias Feldner ANZEIGENVERKAUF Tanja Grossauer-Ristl, Thomas Weber, Bernadette Schmatzer DRUCK Walstead NP Druck GmbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION & MEDIEN­ INHABERIN Biorama GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien; www.biorama.eu, redaktion@ biorama.eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT www.biorama.eu/abo ERSCHEINUNGSWEISE 6 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien. BLATTLINIE biorama ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für den Menschen und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. biorama erscheint sechs Mal im Jahr.


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Au f tak t

71 Inhalt

03 Editorial 07 LeserInnenmeinung 08 Bild der Ausgabe 10 Meine Stadt 12 Global Village 14 Überfluss bei Ladenschluss Wo entsteht Foodwaste und welche Rolle spielt der Lebensmittelhandel? 22 Bio, regional, fair –

und ich bestimme!

So funktioniert eine Foodcoop. 24 Zu viel zu fairteilen Robin Foods dumpstert in Wien.

14 Überfluss bei Ladenschluss Um die wachsende Weltbevölkerung ökologischer ernähren zu können, muss diese Verschwendung weniger werden. Warum die kleinste Schraube – der Handel – die entscheidende ist.

26 Waste Cooking Das Beste für den Salat von vorgestern. 27 28 Days Later Rohe Eier verschwinden bereits vor Erreichen des mhd aus den Regalen. 30 Ordnung im Mikrokosmos So lagerst du Gemüse im Kühlschrank. 32 Kochen mit Plan Soft Meal-Prepping mit Sasha Walleczek. 35 Bio in the Making Markus Fadl vom Ökoverband Naturland im Gespräch. 41 Immer auf der Hut So wirst du BerufsjägerIn.

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Motivation per App Fitness-Apps motivieren zu mehr Bewegung.

54 ExpertInnen meinen ... 1 Frage, 5 Expertisen.

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Bio in the Making Markus Fadl vom Ökoverband Naturland über Neuigkeiten im Bioangebot, Standards und Innovationen, die ihn nicht interessieren.

56 Crowdinvestment Investments in nachhaltige Unternehmungen bieten die Chance auf Zinsen.

Marktplatz 59 Marktplatz Kosmetik 60 Marktplatz Food

Kolumnen 63 Aus dem Verlag 66 Elternalltag

Bild Istock.co m/Vi vali , wasteles s , Jü rgen sc hmü cking, Isto ck. com/fz an t, BD B Arch iv

44 Es grünt nicht grün Woher kommt deine Topfplanze?


41 Berufsjägerin

Ein Portrait einer Berufsperspektive, die polarisiert.

44 Grünraumplanung

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Durchatmen

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DiePresse.com/durchatmen

Lesen und gewinnen


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Le se r i nnen m e in u n g

Wir müssen reden … LeserInnen an und über uns – Mails, Tweets und hoffentlich Liebesbriefe an die Redaktion – und unsere Antworten. Betrifft:

»Fungutopia: Wie Pilze die Welt retten könnten«

bezieht sich allerdings auf frische Champignons, nicht auf getrocknete. Wir möchten uns für den Fehler entschuldigen! Einen entsprechend korrigierten und erweiterten Beitrag finden Sie unter biorama.eu/fungutopia

in biorama 70 (Dezember 2020/Jänner 2021)

Betrifft:

Liebes Redaktionsteam! Ich fand euren Artikel über Pilze sehr interessant, nur der Vergleich des Eiweißgehaltes Pilz und Rinderhüftsteak hat mich doch etwas überrascht. Auf Seite 25 unten steht, dass ein Kilo Biochampignons ein Drittel mehr Eiweiß enthält als ein Kilo Biorinderhüftsteak. Meine Nährwerttabelle sagt, dass Pilze circa ein Zehntel so viel Eiweiß haben wie Fleisch. Aber falls ich mich täusche, hätte ich doch gerne die Bezugsquelle ihrer Superchampignons. Viele Grüße, – Susanne Wolf, per Mail

Liebe Susanne Wolf! Im Text ist uns ein Fehler unterlaufen, wir bedanken uns für Ihren Hinweis (und die vieler anderer aufmerksamer LeserInnen) und möchten uns entschuldigen. Die Angaben zum Eiweißgehalt von Biochampignons beziehen sich auf getrocknete Champignons. Die Quelle für die Angaben zum Eiweißgehalt getrockneter Champignons war das MRCA (Mushroom research Center Austria). Dem entsprechen auch die Nährwertangaben des Bundeslebensmittelschlüssels (des deutschen Bundesministeriums für Ernährung): Ihnen zufolge enthalten 1000 Gramm frische Champignons etwa 27 Gramm Eiweiß, 1000 Gramm getrocknete Champignons hingegen 381 Gramm Eiweiß. 1000 Gramm Rindfleisch enthalten abhängig von Fettgehalt, Zustand und Zubereitungsart etwa zwischen 220 und 312 Gramm Eiweiß. Der im selben Satz genannte Wasserverbrauch

Die Hauptstädteausgabe BIORAMA Wien–Berlin in biorama Wien-Berlin Liebes Team von Biorama! Euer so ganz anders gemachtes, durchweg spannendes Magazin nehme ich jedes Mal, wenn es eine neue Ausgabe gibt, in meinem Bioladen mit. Dort liegt es wunderbarerweise an der Kasse aus. In der Dezember 2020/Jänner-2021-Ausgabe wird nun auf Seite 6 auf die Hauptstädte-Ausgabe Wien–Berlin hingewiesen, die ich leider nicht habe. Gibt es die Möglichkeit, diese Ausgabe von euch zu bekommen, am liebsten auf Papier, gerne aber natürlich auch als pdf? Was für euch leichter zu handhaben ist. Ich würde mich sehr freuen! Beste Grüße, – Bernd Marcel Gonner, per Mail

Lieber Bernd Marcel! Schön zu hören, dass dir unser Magazin gefällt! Wir bekommen erfreulicherweise immer wieder Anfragen für einzelne Ausgaben, wir haben diese daher (mit begrenzter Verfügbarkeit, abhängig davon, was unser Archiv hergibt) in unseren Shop biorama.eu/abo aufgenommen für alle, die eine ganz bestimmte Ausgabe des Magazins gerne gedruckt lesen möchten. Die Digital­ausgabe unserer ersten Hauptstadt­ausgabe findest du unter biorama.eu/ausgaben/wien-berlin-1 Bitte mehr davon an redaktion@biorama.eu!

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Bi l d d e r Au sga be

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»Sarah und Grünkohl. Sarah hatte als Kind einen Brandunfall und hat ihr Leben lang mit Blicken von Menschen zu kämpfen. Sie hat bei unserem Fotoprojekt mitgemacht, weil sie zeigen will, dass sie auch schön ist und dass auch Brandwunden etwas ganz normales sind. Die Gesellschaft muss mehr Verständnis dafür aufbauen. Der Grünkohl ist ›ausgewachsen‹, wurde also lediglich zu spät geerntet. Deswegen kann er nicht verkauft werden.« – Ines Futterknecht, Teil des Kollektivs »Wie gewachsen«

Veggie Positivity

Bild: Wie gewachsen

Das junge Wiener 5er-Kollektiv »Wie gewachsen« macht sich Gedanken über Lebensmittelverschwendung und zieht Parallelen: von Obst und Gemüse, das Standards nicht erfüllt und die ästhetischen Perfektionsansprüchen nicht erfüllt zu jenen, die unsere Gesellschaft auch an menschliche Körper stellt. 40 Menschen haben für ein Fotoprojekt die Hüllen fallen gelassen. Entstanden ist eine Serie ehrlicher Bilder, die Freunde, Natürlichkeit und Akzeptanz ausstrahlen. Für 2021 wurde ein erster Kalender daraus gestaltet, die Ausstellung der Bilder ist auf Frühjahr verschoben. Updates dazu und zum Folgeprojekt auf: wiegewachsen.at Irina Zelewitz


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Me i ne Sta dt

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MEINE STADT:

Sofia

Lieblingsplätze und Eco-Hotspots Text und Bild

Irina Obushtarova

Wildnis mitten in der Stadt Irina Obushtarova lebt seit 2018 in Sofia und gründet gerade »The Recursive«, ein Wirtschafts­ magazin für die Start-upund Innovationsszene in Südosteuropa. Sie lebte elf Jahre lang in Wien, wo sie Publizistik und Kommunikationswissenschaft studierte und arbeitete, unter anderem beim transkulturellen Magazin »Biber«.

Der Knjas-Borissowa-Garten wurde nach dem Zaren Boris III. benannt, dem Sohn des österreichisch-ungarischen Offiziers und späteren Königs von Bulgarien, Ferdinand I. Dieser Park ist der älteste und größte Park in Sofia und umfasst eine Fläche von 445 Hektar, von denen bis heute nur ein kleinerer Teil kultiviert wurde und der eher einem Wald mitten in der Stadt ähnelt. In dem Park erinnert das im Jahr 1956 gebaute Monument Bratska mogila (»Brüdergrab«) an das kommunistische Erbe Bulgariens, wo die sterblichen Überreste von PartisanInnen beigesetzt wurden.

Schicht für Schicht bis zur Antike Von der Rotunde des heiligen Georg wird behauptet, sie sei das älteste Gebäude in Sofia. Ihr zylindrischer Kuppelbau wurde bereits im vierten Jahrhundert zur Zeit des Kaisers Konstantin des Großen errichtet. Berühmt sind allerdings die im Inneren vorhandenen Fresken aus dem 12., 13. und 14. Jahrhundert, von denen bisher drei Schichten entdeckt wurden. Während der osmanischen Herrschaft wurde die Kirche übermalt und als Moschee genutzt – bis im 20. Jahrhundert die Fresken wieder freigelegt und restauriert wurden. Zwischen 1895 und 1897 fungierte die Kirche auch als Grab­ stätte für Alexander Graf Hartenau, der als Alexander I. von Battenberg der erste Fürst des neuzeit­lichen Bulgariens war. Bulevard Kniaz Aleksandar Dondukov 2, Sofia


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Coworking with a View Die Start-up- und Tech-Szene in Sofia boomt. Die bulgarische Hauptstadt landete unter den »Europäischen Städten und Regionen der Zukunft« auf dem dritten Platz (nach London und Dublin) für die Kosteneffizienz ausländischer Investitionen und in den Top 25 in der Rang­liste der »Städte der Zukunft« von fDi (Financial Times Intelligence Division). Gut versteckt hinter den schweren Türen einer alten Fabrik befindet sich der größte Coworking Space in der Balkanregion: »Puzl CowOrKing«. Und obwohl »Puzl« als Treffpunkt der »Hustler« gilt, bietet sein Co-Café (nicht bio) Mitgliedern und Gästen Entspannung auf der Dachterrasse – und eine atemberaubende Aussicht zum nahen Witoscha-Gebirge. Das Co-Café hat einen Fokus auf Zero-WasteLebensstil und organisiert auch entsprechende Events und Workshops. Es werden keine Plastikbecher und -halme verwendet. Der FairtradeKaffee wird in essbaren Bechern serviert (Cupffee) und es wird aus vor der Entsorgung »geretteten«, im Handel aussortierten Früchten Limonade gemacht.

Bild Nikolay Manchev, Istock.com/Lgagarych

Bulevard »Cherni vrah« 47, Sofia puzl.com

Sof i a


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Global Village

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Europa:

Zu kleine Schritte Der Anteil erneuerbarer Energien am EU-Strommix stieg 2020 unerwartet stark an. Großteils durch einen ge­sunkenen Gesamtverbrauch. 2020 hat der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien die fossilen Energieträger in Europa zum ersten Mal überholt – wenn auch nur knapp. Diese Analyse basiert auf Berechnungen und Einschätzungen der Initiativen Agora Energiewende und dem britischen Thinktank Ember, die unter anderem von der internationalen Stiftung European Climate Foundation gefördert werden. Die Europäische Kommission schreibt in ihren Berichten (zuletzt im Oktober 2020), dass die Wettbewerbsfähigkeit der erneuerbaren Energien die der konventionellen Energien überholt hat und immer mehr an wirtschaftlicher Bedeutung gewinnt, konkrete Zahlen zur Stromerzeugung für das Jahr 2020, wie sie in der Analyse behandelt werden, hat die Kommission bisher nicht veröffentlicht. Zusammenhängend mit dem Anstieg von Solarstrom erreichten die erneuerbaren Energien im zweiten Quartal 2020 einen Anteil von 43 Prozent in der EU-Stromerzeugung, was »die außergewöhnlichen Auswirkungen der Krise erneut hervorhebt«, so eine Veröffentlichung der Kommission. Der gestiegene Anteil erneuerbarer Energien liegt jedoch maßgeblich an dem gesunkenen Energieverbrauch durch die Pandemie statt an strukturellem Wandel in der Stromerzeugung – denn der ist zu langsam, um bis 2030 einen 55-prozentigen Rückgang der Treibhausgase (verglichen mit 1990) und bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Leonie Stieber

Bild pixabay /se ag ul

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Lockdown-Zeitvertreib Zu Hause bleiben muss nicht langweilig sein.

VOR DEM KÜHLSCHRANK:

Gemüsefachfrau

Bild Istock.co m/Andre i Kravtso v, Isto ck. com/Christian-Fi scher

Zero Waste bedeutet, mit dem arbeiten zu können, was da ist. Zero-Waste-Foodbloggerin Michi Titz sagt, das geht im Alltag wie von selbst. Aus dem Inhalt eines Gemüsefachs kann man immer ohne viel Nachdenken mindestens eines von zwei allseits beliebten Gerichten zubereiten, behauptet Titz. Nämlich ein Curry oder eine One-Pot-Pasta. Vorausgesetzt, man hat Basics wie Nudeln, Reis, Salz und Standardgewürze im Haus. Zwei Minuten zum Nachdenken und 30 Minuten zur Zubereitung sollten eingeplant werden, bis das »Restlessen« auf dem Tisch steht. Gehen die Reste in Richtung Karfiol, einer halben Dose Kichererbsen, Bohnen, Brokkoli und Frühlingszwiebeln, wandern sie gewaschen und geschnitten in eine Pfanne und werden mit Gewürzen, Obers oder (Kokos-) Milch weich gekocht. Dazu wird Reis aufgestellt. Gibt das Gemüsefach eher Tomaten, Auberginen, Zucchini oder Blattspinat und Mangold her, kommen sie wiederum gewaschen, geschält und geschnitten in einen Topf. Hinzugegeben werden außerdem mit 250 Gramm Nudeln auch 250 Milliliter Wasser und Tomatenpassata sowie Kräuter. Gekocht wird, bis die Nudeln al dente sind und die Sauce sämig. Wurzelgemüse oder Paprika sind klassische Joker, die fast immer noch dazupassen. Zwiebel und Knoblauch sowieso. Milch oder vegane Milchersatzprodukte sowie Obers und Rahm passen in jedes Curry, Käsereste wandern in die Pasta. Im März 2021 erscheint Titz Buch »Frühling, Sommer, Herbst und Küche« (Dachbuch-Verlag). Die Beiträge, die Michaela Titz für biorama zum Thema Zero-Waste-Kochen verfasst hat, sind online auf: biorama.eu/michaela-titz Irina Zelewitz

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Überfluss bei Ladenschluss

Ein Drittel aller Lebensmittel landet im Müll. Um die wachsende Weltbevölkerung ökologischer ernähren zu können, muss diese Verschwendung weniger werden. Warum die kleinste Schraube – der Handel – die entscheidende ist.

Bild Istock.co m/Ani ma flo ra, Isto ck. com/chpua, I stock.co m/Vladis lav Popo v, Istock.com/Nadiinko

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Fo o d Wa ste


15 Text Thomas Weber

F

rankreich machte 2016 den Anfang. Tschechien zog 2018 nach und 2019 wies das Verfassungsgericht in Prag sogar eine Klage zurück, die das Gesetz wieder kübeln wollte: Supermärkten und Diskontern ist es in beiden Ländern verboten, Lebensmittel einfach im Müll zu entsorgen. Stattdessen muss, was noch gegessen werden kann, an soziale Einrichtungen gespendet werden. Global haben die Vereinten Nationen ein ehrgeiziges Ziel vorgegeben: Bis 2030 sollen die Lebensmittelabfälle halbiert werden. Denn geschätzt ein Drittel aller produzierten Lebensmittel wird zu Foodwaste. Genaue Zahlen dazu gibt es nicht, aber man rechnet mit 1,3 Milliarden Tonnen an Genießbarem, die Jahr für Jahr verloren gehen. Diese Verluste – die Wissenschaft fasst sie als »Food Loss and Waste« zusammen – spielen mit eine Rolle bei der Beantwortung der Frage, ob sich eine wachsende Weltbevölkerung mit weniger intensiv und dafür umweltschonend produzierten Biolebensmitteln ernähren ließe. Nur wenn wir weniger Fleisch essen und insgesamt weniger vergeuden, so der Tenor.

Bild Istock.co m/fo ni kum, Isto ck. com/rambo18 2

95 Kilo Foodwaste pro Europäerin Zwar gibt es keine wirklich präzise und einheitliche Definition, was genau als Foodwaste gilt. In der EU zählen beispielsweise Feldfrüchte, die aufgrund einer Überproduktion und fehlender Nachfrage gar nicht erst geerntet werden, noch nicht zu den Lebensmitteln, während die Definition der fao (Food & Agriculture Organization) bereits bei »reif für die Ernte« beginnt. Die hochgerechneten Zahlen der »Lebensmittel, die nicht ihrem ursprünglichen Zweck entsprechend verwertet werden«, sind jedenfalls alarmierend: In der EU gehen pro Kopf 95 Kilogramm verloren, in den usa 115 Kilogramm. Im südlichen Afrika sind es nur 6 Kilo­ gramm, in den Ländern Südostasiens knapp doppelt so viel. An welcher Stelle des Lebensmittelsystems das Leck am größten ist, variiert von Land zu Land. Am Thünen-Institut der Bundesrepu­blik in Braunschweig ermittelte man 2015, dass in Deutschland 12 Prozent der Verluste bereits in

der Landwirtschaft und der Fischerei passieren. 18 Prozent gehen in der Verarbeitung, 14 Prozent in der Gastronomie verloren. Die 4 Prozent des Handels klingen bescheiden angesichts der 52 Prozent, die aus privaten Küchen, Kredenzen und Kühlschränken im Müll landen.

Krumme Gurken, fehlende Daten Dennoch ist es sinnvoll, dass die Politik den Handel in die Pflicht nimmt. Denn erstens profitieren Handelsunternehmen unmittelbar davon, wenn Gekauftes nicht gegessen und neue Lebensmittel benötigt werden. Und zweitens ist der Handel auch für einen Teil des Foodwaste, der in der landwirtschaftlichen Produktion oder in den Produktions- und Vermarktungsbetrieben anfällt, mitverantwortlich. Etwa dann, wenn Obst und Gemüse nicht den Handelsnormen entspricht oder den ästhetischen Gewohnheiten nicht gerecht wird. In Mitteleuropa vermarkten einige Handelsunternehmen einen Teil des Obsts und Gemüses abseits der Norm zwar seit einiger Zeit unter klingenden Namen wie »Krumme Gurken« (Hofer/Aldi Süd) oder »Wunderlinge« (Rewe Österreich). Wirklich ins Gewicht dürften diese Initiativen aber vorerst nicht fallen. Für Hans Ackerl sind sie sogar »lächerlich« angesichts dessen, was wirklich draußen auf dem Feld bleibt. Ackerl ist Biobauer und vermarktet mit seinem Unternehmen Pur Organics das Gemüse von 110 Biobäuerinnen und Biobauern in Österreich. Direkt oder indirekt beliefert er alle Supermärkte und Diskonter im Land. »Was am Acker wächst, ist weit entfernt von dem, was im Handel landet«, sagt er. Bei Karotten lande überhaupt nur die Hälfte im Handel. Und manchmal nicht einmal die. Warum, das rechnet der Biobauer an einem Beispiel vor: »Auf einem Hektar wachsen 1.600.000 Karotten. Wenn jetzt nach einem Starkregen die Karottenköpfe an den oberen 1,5 Zentimetern grün sind, ist das für die Qualität unerheblich, im Handel aber ein K.-o.-Kriterium. Wenn das bei 20 Prozent der Fall ist, wäre es teurer, diese 320.000 Karotten nach der Ernte auszusortieren, als der Ertrag für die verbleibenden 80 Prozent ausmacht. Deshalb werden


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Fo o d Wa ste

16 nicht mit jenen anderer Länder vergleichbar, Erhebungen und Befragungen sind aufwendig. Das Problembewusstsein der Bevölkerung in Dubai ist ein anderes als in Skandinavien. Verschwendung gibt es zwar ausnahmslos überall. In Mitteleuropa und Nordamerika sieht Biovermarkter Hans Ackerl die regionalen ProduzentInnen aber besonders unter Druck: »In Hochpreisländer wie Deutschland und Österreich werden von überall her nur die schönen Filetstücke importiert – das gilt für Knoblauch aus Spanien genauso wie für Kartoffeln aus Ägypten. Deshalb gibt es keinen Markt abseits des Instagram-Tauglichen.«

Einfache Gleichung: Weniger Müll, mehr Gewinn »Ganz ohne Überschüsse und Verluste wird es zwar nie gehen«, sagt Felicitas Schneider. Aber es sei offensichtlich, dass die Handelsunternehmen einiges daransetzen, Verluste zu reduzieren – zumindest was jene Ware angeht, die über alle Hürden hinweg in ihren Filialen gelandet ist. Das hat einen einfachen Grund: Dort zahlt es sich aus, Lebensmittelabfälle zu vermeiden. Das zeigte ein über einen Zeitraum von sechs Jahren in Großbritannien durchgeführtes Monitoring. »Für jedes eingesetzte Englische Pfund konnten im Durchschnitt 14 Pfund eingespart werden«, heißt es in einem im Herbst 2020 erschienenen Arbeitspapier aus Braunschweig. »Überschüssige Lebensmittel wegzuwerfen ist nicht

Lokale Lösung: Gemüse, das es aus ästhetischen Gründen nicht in den Handel schafft, wird von der Innsbrucker Genossenschaft »feld:schafft« zu Suppenwürze verarbeitet und im »Lunchhaus« der Lebenshilfe Tirol verkocht.

Bild Lebe ns hilfe Tiro l, wa ste d, Thünen Institut

100 Prozent eingeackert – weil der Faktor CO2 wie beim Verkehr nie eingepreist ist.« Dennoch sei, so Ackerl, »nicht bloß der böse Handel an allem schuld«. Er könne ordnerweise ausgedruckte Mails vorlegen, in denen ihn KonsumentInnen beschimpfen, weil in einer Tasse Gemüse ein einziges Stück ein wenig »Haben uns bewusst dazu anders ausgesehen habe. Auf Basis seientschieden, im Bereich ner 20 Jahre ErfahBistro und Backtheke rung schätzt Ackerl, dass ein Viertel aller nicht alle Produkte bis Feldfrüchte gar nicht Ladenschluss vorrätig geerntet oder gleich zu haben.« nach der Ernte vernichtet wird. —  Lukas Nossol, »Wie hoch dieser Dennree Anteil wirklich ist, da tappen wir leider weltweit im Dunkeln«, sagt Felicitas Schneider, die von Braunschweig aus eine globale Initiative zur Verringerung von Foodwaste koordiniert. Weshalb das am Thünen-Institut gesammelte Know-how und die daraus gezogenen Schlüsse weltweit zum Einsatz kommen. Neben regelmäßigen Updates und der Vorstellung von mustergültigen Initiativen (etwa der deutschen Kampagne »Zu gut für die Tonne!« des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft) geht es auch um das Zusammentragen von Daten. Oft sind die in einem Land gesammelten Daten


»Es fehlt am gesunden AugenmaSS« Convenienceprodukte sind praktisch, sorgen aber für mehr Foodwaste.

nur unter ökologischen Gesichtspunkten kritisch, sondern stellt auch ein wirtschaftliches Verlustgeschäft dar«, verlautet Stefanie Adler aus der Hamburger Edeka-Zentrale – und verweist darauf, dass »bereits bei der Beschaffung digitale Warenwirtschaftssysteme durch ein optimiertes Warenmanagement dazu beitragen, die Abschriften um bis zu 56 Prozent zu reduzieren«. Lidl Deutschland möchte seine Lebensmittelverluste bis 2025 um 30 Prozent reduzieren. Was öffentlichkeitswirksam unter dem Namen »Lidl-Lebensmittelrettung« firmiert, basiert auch hier, so Sprecherin Melanie Pöter, auf einem »ganzheitlichen Systemansatz entlang der Wertschöpfungskette«. Die Kundschaft selbst bekommt von alldem freilich vor allem in Form von reduzierter Ware etwas mit. Bevor Ware ausgemustert wird, versucht man sie vergünstigt abzuverkaufen. In Österreich landet auf solchen Waren bei vielen Filia­ listen schon seit Jahren ein auffälliger Sticker: »Lebensmittel sind wertvoll.«

Erschwerend: Convenienceprodukte Ob Diskonter, Supermarkt oder Biofachhandel: Zwei Entwicklungen arbeiten dem Ziel, Foodwaste zu vermeiden eher entgegen. Am stärksten »der Trend zu Convenience«, so Nicole Berkmann, Sprecherin von Spar Österreich. »Denn hier sind die KundInnen noch sensibler als beim Obst und Gemüse. Ein gefülltes Weckerl (Brötchen, Anm.) kann noch sehr gut sein, aber wenn ein nicht mehr ganz frisches Salatblatt herausschaut, wird es nicht mehr gekauft. Zudem haben diese Produkte, die ready

Felicitas Schneider, Expertin für Foodwaste am Thünen-Institut (Braunschweig), appelliert an unser Augenmaß und das Überdenken kontraproduktiver Normvorstellungen. biorama: Am meisten Foodwaste fällt zuhause an. Wie sehr fällt ins Gewicht, dass Menschen nicht wissen, dass vieles auch nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum (mhd) gegessen werden kann? Felicitas Schneider: Weniger als angenommen. Mittlerweile vertrauen die Menschen auch ihren Sinnen und wissen, dass sie von einem Schluck saurer Milch keine Lebensmittelvergiftung bekommen. Eher geht es um Kochplanung und Kreativität – was hab ich zuhause? Muss ich streng nach Rezept kochen? Es fehlt insgesamt am gesunden Augenmaß, wie man mit Lebensmitteln umgeht. Ich hab KollegInnen, die das darauf zurückführen, dass die Hauswirtschaftsfächer aus den Schulen verschwunden sind.

Der Handel ist direkt nur für vier Prozent des Foodwaste verantwortlich. Aber viele Waren landen gar nicht erst im Laden. Warum? Etwa weil angelieferte Ware nicht den Handel­snormen entspricht. Erdbeeren zum Beispiel brauchen einen bestimmten Durchmesser. Leicht Verderbliches wie Salat leidet beim Transport. Vieles wird bereits vorab aussortiert oder gar nicht geerntet. In der Statistik wird das nicht dem Handel zugeschlagen. Wann sind denn Lebensmittel für den Handel unverkäuflich? Neben dem, was rein mengenmäßig im Großlager übrig bleibt oder nicht in den Filialen verkauft werden kann, ist das teilweise Bruch, also z. B. wenn Stapel umfallen oder KundInnen etwas umschmeißen. Rechtlich wäre es zwar

Felicitas Schneider, Expertin für Foodwaste am Thünen-Institut (Braunschweig)

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18 möglich, Ware noch nach Erreichen des mhd zu verkaufen – solange diese in Ordnung und entsprechend gekennzeichnet ist. Aber das ist ein Gummiparagraph, auf den sich die Lebensmittelketten nicht einlassen. Wie soll man bei Verpacktem überprüfen, ob etwas in Ordnung ist, ohne dass es durchs Öffnen unverkäuflich wird? Deshalb wird das in Deutschland und Österreich leider nicht praktiziert. Normalerweise wird Ware am Tag des Erreichens des mhd aussortiert, manchmal vorher vergünstigt. Ein Gesetz zur verpflichtenden Weitergabe von nicht mehr verkäuflichen, aber genießbaren Lebensmitteln an soziale Einrichtungen, wie es das in Frankreich gibt, sehen Sie als Institut kritisch. Warum? Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass die praktische Durchführung mitunter an der Finanzierung von Ressourcen für Logistik oder Lager scheitert. Wenn Ware bloß woanders verdirbt, ist niemandem geholfen. Die meisten Tafeln sind außerdem Zusammenschlüsse von Freiwilligen. Denen kann die Gesetzgebung nicht einfach Aufgaben überantworten. Bei manchen Produktgruppen – etwa bei Brot und Gebäck – gibt es auch einfach viel zu viel Angebot. Da gehört weniger produziert. Und in einem Gesetz lässt sich ohnehin schwer festlegen, was als »noch genießbar« anzusehen ist. Gehört da eine harte Semmel oder überreife Tomate noch dazu? In Frankreich soll das entsprechende Gesetz nach einer Evaluierung nun nachgebessert werden. Als Thünen-Institut bezweifeln wir, dass eine Verpflichtung Vorteile gegenüber weiterentwickelten, auf Freiwilligkeit basierenden Kooperationen von Handel und gemeinnützigen Einrichtungen bringen kann. 52 Prozent des Foodwaste fallen zuhause an. Bleibt nicht ein unlösbares Problem, dass der Handel davon profitiert, wenn wir zu viel kaufen? Ja, ich hab mich anfangs auch gefragt, warum der Handel Kampagnen fürs Restekochen oder das richtige Lagern unterstützt. Offenbar ist wichtig, dass KonsumentInnen nicht das Gefühl haben, dass sie etwas wegwerfen müssen, weil ihnen etwas untergejubelt wurde oder nicht frisch war. Es gibt jedenfalls sehr gute Aktionen des Handels, die das Vermeiden von Foodwaste zuhause unterstützen.

to eat sind, ein sehr kurzes Ablaufdatum. Das ist im täglichen Business nicht ganz einfach.« Selbiges gilt für fix fertigen Quinoasalat aus dem Kühlregal, den abgepackten Rucola für die Mittagspause oder die mit Camembert gefüllte Breze.

Weniger Verpackung, mehr Foodwaste? Durchaus als ambivalent erachtet Spar auch den Trend zu weniger Verpackung. »Die größten Schwierigkeiten liegen bei den Produkten, die neuerdings aus Plastikspargründen keine Kunststoffverpackung mehr haben. Gurken zum Beispiel«, sagt Nicole Berkmann. »Hier kämpfen wir, dass wir nicht mehr wegwerfen müssen.« Beim Biofachhändler Dennree hingegen sieht man sich durch die KundInnen klar darin bestärkt, Foodwaste zu vermeiden und gleichzeitig »Mehrweglösungen weiter voranzubringen«, sagt Marketingleiter Lukas Nossol. In den Denns-Biomärkten und bei vielen Biomarkt-PartnerInnen dürfen eigene Verpackungen mitgebracht werden, um sie an Käse-, Fleisch- und Backtheken mit Frischwaren befüllen zu lassen. Nicht zuletzt setzt man auf ein breites Angebot an unverpackten Waren – was es auch ermöglicht, dass Singlehaushalte kleine Mengen kaufen können. Auch Rewe Österreich verkauft seine Eigenmarkenprodukte in Bioqualität bei Billa, Merkur, Penny und Adeg verstärkt lose. Verhältnismäßig ruhig ist es um das Thema »Dumpstern« und »Containern« geworden, das einst für das Problemfeld Foodwaste sensibilisierte. Dass KonsumentInnen selbst weggeworfene Lebensmittel aus den Müllräumen der Märkte holen – vor Jahren eine Bewegung mit subkulturellem Drive –, hat an Bedeutung und medialer Beachtung verloren. Was vor allem daran liegt, dass es kaum mehr eine Filiale gibt, die abgelaufene, aber noch genießbare Ware nicht an lokale Sozialmärkte, Tafeln oder Obdachlosenheime spendet und von diesen abholen lässt. Dennoch gibt es sie noch, die Selbstversorgung aus dem Container. Während es in Deutschland zuletzt sogar vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Verurteilungen wegen schweren Diebstahls gab, geht man in Österreich eher entspannt damit um. »Wir dulden es, solange man keine Unordnung hinterlässt«, heißt es bei Spar.


WAS MACHT DIE CLARO 100% PRODUKTE SO BESONDERS?

»Flüssiges Brot«: Aus altem, nicht verkauftem Biobrot von Spar braut das Salzburger Brauhaus Gusswerk ein besonders malziges Brotbier.

Brot zu Bier Auch wenn unvermeidbare Überschüsse gespendet werden, gibt es seitens des Handels auch Ansätze, sie selbst zu verwerten. »Äußerlich weniger perfekte, aber geschmacklich einwandfreie Tomaten werden beispielsweise püriert als Tomatenbasis verarbeitet und in der Obst- und Gemüseabteilung angeboten«, erzählt Melanie Pöter von Lidl Deutschland. Fast überall werden, wie bei Edeka, in vielen Märkten Waren, »die den optischen Erwartungen der VerbraucherInnen weniger entsprechen, aber qualitativ einwandfrei sind, direkt weiterverarbeitet«, erklärt Stefanie Adler – »beispielsweise zu frisch zubereiteten Smoothies, für Früchtebars oder Suppenstationen, die eine individuelle Portionierung ermöglichen«. Rewe Österreich kooperiert mit der Manufaktur »Unverschwendet« und veredelt Überschüssiges aus seiner Obst- und Gemüseabteilung zu Delikatessen. Spar sammelt überschüssiges Biobrot und -gebäck und lässt daraus von der Salzburger Biobrauerei Gusswerk ein Brotbier brauen.

Bild Eva Trifft fot ografie

Der Backautomat – besser als sein Ruf? Quantitativ fallen solche herzeigbaren Initiativen freilich (noch) kaum ins Gewicht. Technologische Ansätze scheinen hier vielversprechender – sowohl was das Verwerten als auch das Vermeiden von Überschüssen angeht. Beliebt und mittlerweile auch weit verbreitet für Rabattaktionen ist die App »Too Good To Go«. Dennree kooperiert in Ber-

strengste ECOCERTZertifizierung frei von Farb- und Duftstoffen kompostierbarer Graskarton spart CO2 und Wasser vollständig biologisch abbaubar

claro.at


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20 lin und Brandenburg ebenso mit der App, über die Überschüssiges und Convenienceprodukte kurz vor Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums vergünstigt zum Selbstabholen abgegeben werden. In Österreich verkündete Spar gerade eine Zusammenarbeit mit dem Start-up. Eine deutliche Reduktion an Überschüssen brachte auch, worüber Gourmets gerne die Nase rümpfen: die Backautomaten für Brot und Gebäck in den Filialen. In Österreich setzte der Diskonter Hofer bereits 2014 darauf, in seinen Filialen bedarfsgerecht aufzubacken. »An umsatzschwächeren Tagen werden beispielsweise am späteren Nachmittag nur noch einzelne Bleche und keine vollen Öfen mehr gebacken. Dies hilft dabei, dass wir unseren KundInnen bis zum Ladenschluss ofenfrisches Brot und Gebäck anbieten können, jedoch nur Kleinstmengen übrig bleiben«, heißt es aus der Hofer-Zentrale.

Künstliche Intelligenz senkt Kosten Während man dort auf die Erfahrung der Filial­ leitung und deren Gespür für Nachfrage und händische Bestellung setzt, hält bei der Konkurrenz auch im Backofen die Digitalisierung Einzug. Rewe Österreich testet in ausgewählten Märkten gerade sein »Smart-Shelf«: Ein punktgenaues Wiegesystem, das automatisch erkennt, wann welches Gebäckstück aus dem

Wann hat Foodwaste Hauptsaison? 3 Befragte, 3 doch ziemlich unterschiedliche Antworten: Wann fällt im Handel der meiste Foodwaste an? »Im Sommer, weil die Haltbarkeit von Obst und Gemüse hier hitzebedingt kürzer ist«, berichtet Nicole Berkmann, Sprecherin von Spar Österreich. Beim Biohändler Dennree hingegen fällt genau dann am wenigsten an: »Im Sommer kommen mehr Waren aus der regionalen Umgebung«, sagt Lukas Nossol. »Dadurch ist der Anteil verdorbener Ware deutlich geringer als im Winter, wenn beispielsweise Tomaten geliefert werden, die etwa aus Spanien zu uns kommen.« Die laufende Zusammenarbeit mit Tafeln sei deshalb im Winter besonders intensiv. Bei Rewe Österreich berichtet Alexander Hell von Peaks »besonders an Feiertagen« oder zu bestimmten Anlässen, an denen mehr als sonst eingekauft und gekocht wird. »Das bedeutet für uns eine Herausforderung, das Angebot und die Nachfrage in der Balance zu halten, ohne am Ende des Tages Lebensmittel wegschmeißen zu müssen.«

Regal entnommen wurde, und diese Information an den angebundenen, ebenfalls automatisierten Backofen schickt. Der liefert daraufhin backfrischen Nachschub. »Hat das intelligente Regalsystem einmal genügend Daten gesammelt, wird die Gebäckproduktion an Wochentage, Uhrzeiten und sogar an das Wetter angepasst«, erklärt Alexander Hell aus der Nachhaltigkeitsabteilung des Konzerns. Zudem verfügt das »Smart-Shelf« über eine dynamische automatisierte Preisanpassungsfunktion: »Sollte gegen Ende der Öffnungszeiten doch noch eine große Menge einer bestimmten Gebäcksorte übrig sein, reduziert das System automatisch den Einkaufspreis, was mehr KundInnen zugreifen lässt.« Im Biofachhandel setzt man dem Reduk­­­­t­ion gegenüber. »Wir haben uns bewusst dazu entschieden, im Bereich Bistro und Backtheke nicht alle Produkte bis Ladenschluss vorrätig haben zu müssen. Das bedeutet, außer Brot und Brötchen können alle anderen Waren schon vor Ladenschluss ausverkauft sein. Das reduziert mögliche Übermengen um ein Vielfaches. NachahmerInnen sehen wir hier gerne«, sagt Lukas Nossol (Dennree).

Sensor prüft Frische von Fleisch Nichtsdestotrotz dürften selbstlernende Bestellsoftware (Machine Learning) und automatisierte Preisreduktionen, die über digitale Preisschilder ausgespielt werden, bald an Bedeutung gewinnen. »Die Nachfrage in den Filialen ist so komplex, dass künstliche Intelligenz offenbar besser steuern kann als Erfahrung«, meint Felicitas Schneider vom Thünen-Institut. »Man kann ja immer noch händisch eingreifen. International testet der Obstkonzern San Lucar derzeit Fruchtsalate, die von lernenden Kühlschränken nachbestellt werden. Und für Frischfleisch, bei dem die Einhaltung der Kühlkette besonders wichtig ist, werden in Übersee bereits Verpackungen ganz ohne aufgedrucktes Mindesthaltbarkeitsdatum getestet. Winzige Sensoren messen den Anteil an Gasen und Zersetzungsprodukten«, erklärt Schneider. Daran zeigt sich auch das Dilemma mancher Digitalisierungsschritte. Denn die Lösung des einen Problems schafft manchmal gleich ein neues: das Recycling solcher Verpackungen. Wenig Begeisterung für technikgestützte Preisnachlässe haben die meisten Produ­


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Dynamische Preisanpassung durch künstliche Intelligenz: je näher das Verbrauchsdatum oder das MHD rückt, desto günstiger. Das digitale Preisschild des Start-ups Wasteless zeigt zwei unterschiedliche Preise für Biorindfleisch.

zentInnen. Man befürchtet, dass automatisierte Abverkäufe die Wertschätzung für Lebensmittel nicht steigern, sondern womöglich sogar den gegenteiligen Effekt haben. »Dass zu viel produziert wird und Lebensmittel viel zu billig sind, bleibt ein Systemfehler«, sagt Björn Rasmus. Er ist Geschäftsführer der Vermarktungsgenossenschaft Bioalpin, die mit der Marke Bio vom Berg in Deutschland im Naturkostfachhandel und auf dem Tiroler Heimmarkt auch in Supermärkten wie MPreis vertreten ist: »Es ist den KonsumentInnen einfach zu egal geworden, ob sie von zehn günstig eingekauften Semmeln (Brötchen, Anm.) die Hälfte wegwerfen. Dafür sind auch die 1+1-Aktionen des Handels verantwortlich, weil sie zum Wegwerfen animieren.« Auch ein anderer Branchenkenner bleibt skeptisch, ob sich das Problem Foodwaste wirklich allein durch Technologie lösen lässt. 15 Jahre hat Martin Gerstl in ganz Europa in der Rewe-Gruppe gearbeitet. Anfangs in der IT, war er zuletzt einige Jahre für die Osteuropastrategie der Gruppe verantwortlich. Heute ist er Unternehmensberater – auch für seine einstige Arbeitgeberin – und engagiert sich ehrenamtlich beim Ernährungsrat Wien. Als Teil dieser zivil-

gesellschaftlichen Organisation möchte Gerstl das Lebensmittelsystem »umkrempeln«, wie er sagt. »Foodcoops und Unverpackt-Läden sind wichtig und nett, aber sie lösen das Problem nicht.« Es kranke ganz grundsätzlich am System, wie Handel funktioniert und wie dieser die KonsumentInnen erzogen habe. Der Handel habe die größten Hebel in der Hand. Wenn 30 Prozent einer Ernte rein aus optischen Gründen eingeackert werden, wäre das ja vielleicht sogar gut für den Humusgehalt im Boden, »das kostet aber Wasser und Energie, was wir uns als Gesellschaft eigentlich gar nicht leisten können«. Sein Ziel ist deshalb eine re-regionalisierte Produktion mit kleinen flexiblen Verarbeitungseinheiten im Gegensatz zu auf Effizienz getrimmten Fabriken für den gesamteuropäischen Exportmarkt. »Einen von Mäusen angebissenen Kohlrabi wird im Supermarkt vielleicht wirklich niemand kaufen«, sagt Gerstl – und bezieht sich auf die Plage des »Mäusesommers« 2020. »Für eine Suppenküche sind angebissene Kohlrabis aber gut geeignet. Wenn allerdings eine fette Maschine ausgelastet werden muss, damit sie sich selbst rechnet, dann rechnet sich das halt nicht.«


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Ko o pe r ative

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Bio, regional, fair – und ich bestimme! Text Viktoria Kirner

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n einer Foodcoop, auf Deutsch »Lebensmittelkooperative«, schließen sich Privathaushalte zu einer Einkaufsgemeinschaft zusammen, um – ohne lange Lieferketten und ZwischenhändlerInnen – regionale Lebensmittel direkt von ihren ErzeugerInnen zu beziehen. Das sind zumeist kleine naturnahe landwirtschaftliche Betriebe, deren Erhalt hier gezielt gefördert werden will. Wie viele Foodcoops es in etwa im deutschsprachigen Raum gibt, ist nicht bekannt. »Da die Foodcoops selbstorganisierte Systeme sind, wissen wir großteils nur von jenen, die Mitglied im Verein IG Foodcoops sind oder mit uns in Kontakt stehen«, sagt dazu Lorenz Miller für die IG Foodcoops in Österreich. Auf der Website der Interessensvertretung beläuft sich die Zahl der registrierten Foodcoops auf knapp 100, die meisten davon in Wien. In Deutschland sollen es laut Thomas Albrecht, Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft der Lebensmittelkooperativen e.V., jedenfalls mehrere Hundert sein, doch auch dort gebe es keine offiziellen Zahlen oder Erhebungen.

Wozu die Vereinsmeierei? Jede Foodcoop ist anders. Auch ein loser Zusammenschluss von NachbarInnen, um ein

Mal pro Monat gesammelt beim Biobauern zu bestellen, kann den Zweck einer Foodcoop bereits erfüllen. Es gibt also Foodcoops mit nur 15 Mitgliedern, andere haben wiederum 600. Sie unterscheiden sich nicht nur in ihrer Größe, sondern auch in ihrer Organisationsform. Um die richtige Form zu wählen, sollte man sich fragen: Was will unsere Foodcoop? Und was braucht sie, um Rechtsgeschäfte abschließen zu können? Braucht sie ein Lager oder einen Versammlungsort? Wenn ja, wer mietet an? Wer haftet? Ab einer gewissen Größe ist es daher sinnvoll, die Vereinigung auf rechtlich sichere Beine zu stellen. Die gängigste Rechtsform von Food­coops in Österreich sind Vereine. Auch Vera de Hesselle, deutsche Wirtschafts- und Steuerrechtsexpertin, die seit rund 30 Jahren Foodcoops bei der Gründung berät, empfiehlt: »Für den Anfang macht ein Verein für eine Food­coop sicherlich Sinn. Ab einer gewissen Größe wird man aber vielleicht über eine andere Organisationsform nachdenken müssen. Vor allem, wenn das Element der Gewerbsmäßigkeit ins Spiel kommt. Große Foodcoops mit 600 bis 700 Haushalten sind in Deutschland häufig als Genossenschaften oder gemeinnützige GmbHs organisiert.«

Bild Istock.co m/Rudzhan Nagie v

Wer bioregionale Produkte ohne ZwischenhändlerInnen einkaufen möchte, ohne regelmäßig alle Bauernhöfe selbst anzufahren, könnte es mit dem Modell Foodcoop versuchen. Ein Beginner’s Guide.


Wann ist die Foodcoop eine Foodcoop? Anders als beispielsweise beim Modell der »solidarischen Landwirtschaft (csa)«, in der man als Privatperson einen realen Anteil an der jährlichen Ernte eines Bauernhofes erwirbt, bleibt bei Foodcoops die Trennung zwischen KonsumentIn und ProduzentIn prinzipiell aufrecht. Abhängig vom Bedarf wird dem Betrieb regelmäßig eine Liste der gerade benötigten Lebensmittel übermittelt. Auch dürfen Foodcoops nicht mit gewerblich betriebenen Handelsunternehmen und Vertriebsplattformen verwechselt werden, denn Foodcoops beziehen Lebensmittel meist nur für den Eigenbedarf und sind prinzipiell eine in sich geschlossene Bezugsgruppe. Gewerbsmäßig agieren können Foodcoops unter bestimmten Umständen dennoch. Ist das der Fall, muss ein Gewerbe angemeldet werden. In der Praxis wird bei einer Foodcoop Gewerbsmäßigkeit häufig dann angenommen, wenn sie aufgrund ihrer Größe Angestellte braucht, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, und/oder öffentliche Einkaufstage einführt. Auch das Erzielen anderer Einnahmen als der für einen Verein üblichen (Mitgliedsbeiträge, Förderungen, Spenden) lässt Gewerbsmäßigkeit vermuten. Es bedarf aber einer Prüfung im Einzelfall. Ob eine Foodcoop gewerblich tätig ist oder nicht (abgesehen von der Meldepflicht), hat auch Auswirkungen auf die Komplexität der jährlichen Buchhaltung und die Frage, ob und wie viel Steuern für die ausgeübte Tätigkeit anfallen. Ist das rechtliche Konstrukt gewählt und hat man sich auf grundlegende Ziele geeinigt, dauert es ein wenig, bis alles rundläuft, so Christian Steinbichler, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit bei Salzburgs ältester Foodcoop »Salzkörndl«: »Wie lange diese Phase des Auslotens dauert, hängt stark vom Gründungsteam und dem Know-how ab, das mitgebracht wird.« Die größte Hürde sei anfangs gewesen, ein Lager zu finden, das den Voraussetzungen entspricht und erschwinglich war: »In Salzburg sind die Mietpreise hoch, sogar für Garagen. Etwas zu finden, das auch geografisch für alle Sinn macht, hat gedauert.«

Wie viel Papierkram ist zu erledigen? Ist die Foodcoop als Verein organisiert, ist dieser zur Buchhaltung und Abgabe einer jährlichen

23 Einnahmen-Ausgaben-Rechnung verpflichtet. Die für den Verein typischen Einnahmen, wie Mitgliedsbeiträge, Spenden und öffentliche Förderungen, sind in der Regel steuerfrei. »Ist eine Foodcoop nun gewerblich tätig, in einer Genossenschaft oder sonstigen Körperschaft organisiert, müssen unter Umständen eine jährliche Bilanz und in jedem Fall zusätzliche Erklärungen, wie etwa eine Körperschaftssteuererklärung und eine Umsatzsteuererklärung, abgegeben werden«, betont Vera de Hesselle.

Mitbestimmung kostet Zeit In einer Foodcoop spielen Bewusstseinsbildung für das eigene Konsumverhalten und die damit verbundene Verantwortung sowie die aktive Teilhabe an der Gruppe eine wichtige Rolle. Die meisten Foodcoops setzen daher den Willen zum ehrenamtlichen Engagement voraus: Über Produktionsbedingungen diskutieren, Bestellungen verwalten und Abholungen organisieren, das alles steht auf der Tagesordnung. Wie viel Zeit man investieren muss, hängt aber von der jeweiligen Foodcoop ab. »Neben den monatlichen Plenarsitzungen muss man bei uns rund vier bis fünf Stunden pro Monat für Putzdienste oder Kochabende einplanen«, so Antonia Mittendrein, Mitglied bei der Wiener Foodcoop Möhrengasse, die aus 70 Mitgliedern besteht.

Keine Schnäppchenjagd Personen, die Foodcoops als gute Möglichkeit sehen, um regionale Biolebensmittel zu Schleuderpreisen einzukaufen, müssen an dieser Stelle enttäuscht werden. Preisdumping ist in Food­coops kein Ziel. Zwar kann man durch den Zusammenschluss von möglichst vielen Haushalten oft gemeinsam die Mindestbestellmengen für Großhandelspreise erreichen – vor allem in Deutschland gibt es einige große Food­coops (600 bis 700 Mitglieder), die primär diesem Zweck dienen –, dennoch ist faire Bezahlung ein zentraler Aspekt des Konzepts eines umfassend wertschätzenden Umgangs mit Lebensmitteln. Durch die gezielte Abnahme von Mengen von Betrieben, die nur so viel produzieren, wie im Voraus vereinbart wurde, kann Lebensmittelmüll vermieden werden. Und kurze Transportwege, die Vermeidung von Verpackungsmüll und der Verzicht auf Spritzmittel und chemische Dünger lassen den Planeten aufatmen.


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Zu viel zu Fairteilen Text Irina Zelewitz

Über die Plattform Food Sharing findet man für Food-Waste-Vermeidung engagierte (Wiener) Betriebe von Märkten bis Einzelhandelsfilialen. foodsharing.at

Das deutsche Pendant ist unter foodsharing.de zu finden.

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ch habe nicht den Eindruck, dass sich in den Supermärkten viel am Umgang mit oder Zugang zu Lebensmittelresten geändert hat«, sagt David Sonnenbaum auf die Frage, ob das mit dem Dumpstern überhaupt noch notwendig wäre, wenn der Lebensmittelhandel doch die aussortierte Ware mittlerweile auf Nachfrage oft einfach ausgibt oder an Tafeln und Sozialmärkte verteilt. Seit acht Jahren ist er Lebensmittelretter, Dumpster Diver hat man dazu auch einmal gesagt. Begonnen hat alles beim TüWi (ein Wiener Kulturverein, der in den Räumlichkeiten des ehemaligen Gasthaus Türkenwirt beheimatet war). Dort wurde ein Mal monatlich und mit geretteten Lebensmitteln gekocht, mitessen konnte, wer wollte. Das Gebäude, in dem der Türkenwirt beheimatet war, wurde abgerissen, von der nahe gelegenen Universität für Bodenkultur neu errichtet und der Verein TüWi und seine Küche durften bleiben. Dieses System, bei dem die gesammelten, aus Mülltonnen ertauchten oder geschenkten Lebensmittel verarbeitet oder unverarbeitet gratis weitergegeben werden, wird heute noch »Volxküche« genannt. Damit bleibt ein ideeller größerer Kontext klar, wer hier Zeit und Ener-

gie investiert, dem geht es nicht um die Gratismahlzeit. David hat inzwischen »Robin Foods« gegründet, eine Initiative, die sich der Vernetzung aller, die etwas zur Rettung von Foodwaste beitragen wollen, verschrieben hat. Die funktioniert vor allem durch Chatgruppen, für die man sich über die Website anmeldet. Diese Vernetzung hat zu Dumpstertouren mit wachsendem Radius und wachsender Beute geführt und erleichtert es nun jemandem, die oder der in Wien von einem Lebensmittel viel zu viel hat, es mit Unbekannten zu teilen – Robin Foods holen es ab und kümmern sich. Für Lebensmittelrettungstouren kann man sich auf der Plattform foodsharing.at registrieren, man bekommt einen Ausweis und Information in Form eines Ratgebers zur Weitergabe von Lebensmitteln (u. A. Hygiene). So hat das auch David gemacht. »Man bekommt eine Art Ausweis und Zugang zu einer Übersicht der teilnehmenden Betriebe. Über einen Kalender kann ich mich dann für einen Abholslot eintragen.« Abhängig davon, was grade in der Nähe ist und wo einem ein Haufen genießbarer Lebensmittel entgegenlächelt, probieren es die Leute von Robin Foods aber auch immer wieder auf gut Glück bei Geschäften, die hier (noch) nicht

Bild R obin Foods

Zu keinem anderen Thema bekommt die Redaktion so viele Anfragen von LeserInnen wie zum Thema Dumpstern. Wie funktioniert Lebensmittelrettung, wo kann man mitmachen? Ein – mutmaßlich in Teilen exemplarisches – Update zu Wien.


25 teilnehmen. Auf seinen Touren ist David mitunter mit Leuten unterwegs, die das schon zehn Jahre länger machen. Die relevanteste Veränderung, die er wahrgenommen hat, sei, dass der Handel seine Müllräume besser sichere. »Dass die jetzt vorzugsweise mit Magnet­schlüsseln versperrt sind, zeigt schon, wo der Fokus liegt.« Die Bedenken in Haftungsfragen, die der Handel gern als Grund dafür angibt, hält David »ein bisschen für eine Ausrede«. Manche Filialleitungen würden zeigen, dass es mit ein bisschen gutem Willen auch ganz anders geht: »Vor Ort ist es spannend. Es gibt aggressive Filialleitungen, die die Wege versperren und uns mit der Polizei drohen. Es wird dann aber selten wirklich versucht, denn die Polizei ist einfach nicht dafür zuständig, uns davon abzuhalten, aus zugänglichen weggeworfenen Lebensmitteln noch was Sinnvolles zu machen, und das ist inzwischen auch in manche Köpfe gesickert.« Im Übrigen ergebe das direkte Gespräch oft schnell angenehme Lösungen für alle Beteiligten: »Es gibt Filialen, die lassen die Gemüselager offen, damit wir Sachen abholen können. Bei Hofer war zuletzt zufällig die Regionalleitung da, als wir zum Dumpstern vorbeigekommen sind. Nach einem schwierigen Start hat man uns nach kurzem Gespräch einfach aussortierte Ware mitnehmen lassen.« Außerdem gebe es ganze Supermarktketten, die Verantwortung übernommen hätten, indem sie in ihren Filialen »Food-Sharing-Regale« aufstellen. »Dort schreiben sie dann hin: ›Ware über dem mhd. Verzehr auf eigene Gefahr.‹ Anscheinend ist das einfach machbar und gar nicht besonders gefährlich«, bemerkt David in Richtung jener, die kaum Möglichkeiten für eine Weitergabe abgelaufener Lebensmittel ohne komplexe rechtliche Absicherungsverträge sehen. Die Lösung sei das alles aber nicht, sondern nur ein Weg, das Beste aus einem üblen System zu machen. Und durch jeden Kontakt entlang dieser Waste-Wertschöpfungskette Bewusstsein dafür zu fördern, wie viel Müll anfällt, wo er reduziert und wo er sinnvoll weiterverwendet werden könne. »Es gibt inzwischen viele Kooperationen mit ProduzentInnen und mit dem Handel. Es gibt die Tafeln, es gibt die Vereinbarungen mit den Sozialmärkten, an die der Handel Retourware und Überschüsse abgibt.« Und da das funktioniere, gibt es Überschüsse bei den Sozialmärkten, »weil die so viel mit-

unter gar nicht anbringen können. Sie haben keine Schuld, sie sind das letzte Glied in einer dysfunktionalen Kette«. Sein erster Vorschlag wäre, das Mindesthaltbarkeitsdatum komplett zu überdenken. »Bei einer breiten Palette an Lebensmitteln ist es vollkommen sinnlos« und sei daher ersatzlos aufzugeben. Bisher lassen die richtig großen Würfe in Richtung Reduktion von Foodwaste auf sich warten, daher radeln jeden Samstag Leute von Robin Foods aus verschiedenen Bezirken zur Lebensmittelrettung nach Floridsdorf zum Verein Lebensmittelrettung Österreich, denn dort komme viel Ware an. »Hier landet Retourware und aussortierte Ware (d. h. Müll) aus dem Handel; die Mitarbeiter von Foodpoint fahren von Supermarkt zu Supermarkt und holen die Ware ab.« Es ist das Drehkreuz, an dem die Sozialmarkt-Filialen auch die Ware beziehen. Was die Sozialmärkte nicht brauchen, rettet zum Teil Robin Foods. »Das holen dann wir mit Lastenrädern und Rad­anhängern ab und fahren damit Fairteilungstouren. Etwa zum Floridsdorfer Bahnhof, um es dort zu verteilen. Dort treffen wir immer auf viele bedürftige Menschen. Dann sind wir schon einiges Gewicht los. Klassischerweise bringen wir den Rest in unsere Küche oder zu einer Demonstration, deren Sache wir unterstützen wollen«, erklärt David, wie es läuft. Denn inzwischen gibt es ein eigenes Vereinslokal in der Hasnerstraße im 16. Bezirk und geht es nach Robin Foods, wird es bald viele Open Kitchens in der Stadt geben. »Bei einer Tour holen wir derzeit zwischen 700 Kilogramm und einer Tonne Lebensmittel. Wir könnten das jeden Tag machen. Wenn noch mehr Leute mitmachen, könnten wir es mehrmals täglich machen.« Es gibt mehr als genug Foodwaste zu fairteilen. Aber an wen richtet sich das Angebot, das nicht auf der Straße verteilt wird – und wer nimmt es in Anspruch? David sagt, ihm sei es wichtiger, zu zeigen, was man mit den Resten noch machen kann, als soziale Umverteilung zu betreiben, doch als essende Gäste kämen »dann doch eher Leute, die drauf angewiesen sind. Leute, die wenig Geld haben, oft sind es kinderreiche Familien. Es gibt aber auch wohlhabende Menschen, die zum Kochen und Essen vorbeikommen, die sich einfach gerne nützlich machen«.

ECO-UFU (kurz für Environmental Consciousness Organization – Überschüsse für Umweltbildung) heißt der Verein hinter der Initiative Robin Foods.

Robin Foods Zentrale Inhalte der Vereinsarbeit sind Kommunikationsarbeit für eine Öffnung der Müllräume, damit ermittelt werden kann, wie viel Foodwaste anfällt, aber auch die Forcierung und Förderung ökologischer Landwirtschaft. Seit März 2020 existiert das Vereinslokal in der Hasnerstraße im 16. Bezirk. robin-foods.org

Verein Lebensmittelrettung Österreich lebensmittelrettung.at


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WASTEC OOKING

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»In the name of sustainable pleasure« Das Beste für den Salat von vorgestern.

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it dem Zitat im Titel hat Paul Svensson, schwedischer Starkoch, einen Wien-Aufenthalt 2018 auf Instagram zusammengefasst, zu dem ihn das Schwedenhaus (die schwedische Botschaft Wien) geholt hat. Zielpublikum waren – neben selbstredend InfluencerInnen aus dem Nachhaltigkeitssektor, GastrokritikerInnen und NachhaltigkeitsjournalistInnen – SchülerInnen aus den umliegenden Hotellerie- und Restaurantfachschulen. Unter dem Motto #greenswedishkitchen haben die Köche des Schwedenhauses mit ihrem Gast ein saisonales Zero-Waste-Menü von Knäckebrot aus Kaffeesud bis Pasta aus altem Brot improvisiert. Auf der Suche nach Foodwaste wurde bei den »GemüsestandlerInnen« des Wiener Naschmarktes um verwelkte Salatblätter & Grünabfälle gebeten und bei Sichtung anderer Küchenabfälle im Schwedenhaus entstand spontan das folgende Salatsuppenrezept:

Regional, saisonal, biologisch und zero-waste, waren die Nachhaltigkeitskriterien für das achtgängige Menü vom Tatar der Dry-aged Karotte bis zum Vintage-Brotkuchen. Bild: Lea Widén.

Salatsuppe von Paul Svensson & Schwedenhaus-Küchenteam Zutaten als Vorspeise für 6–8 Personen: • 1 Liter Gemüsebouillon

• 1 gepresste Zitrone

• 1 Glas Weißwein

• Salz & Pfeffer

• 3 große Salatköpfe

• Minze

Zubereitung: Wein und Bouillon aufkochen, auf Zimmertemperatur abkühlen lassen. Salat, Minze und Flüssigkeit im Standmixer fein pürieren und anschließend durch ein Sieb streichen. Mit Zitrone, Salz und Pfeffer abschmecken. Wird am besten kalt oder gekühlt serviert.

Bild Istock.co m/sfe-co2

Text Irina Zelewitz


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28 Days Later Rohe Eier verschwinden bereits vor Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums aus den Regalen. Das ist zwar gesetzlich vorgeschrieben – aber umstritten.

Bild Istock.co m/emilio zv

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er beim Eikauf aufmerksam ist, wird womöglich schon abgepackte rohe Eier entdeckt haben, die neben dem verpflichtenden Mindesthaltbarkeitsdatum (mhd) noch mit einem zweiten Datum gekennzeichnet sind: »Verkauf bis:«. Dieser Vermerk ist freiwillig, erleichtert es im Verkauf allerdings, den Überblick zu bewahren. Denn er kennzeichnet eine ganz besondere Frist, die im Handel ausschließlich für das »Frischei« gilt – als letztmögliches Verkaufsdatum. Denn während bei anderen Produkten vom Hersteller selbst eingeschätzt und vorgegeben wird, wie lange sein Erzeugnis mindestens haltbar ist, ist die Angelegenheit bei Eiern genauestens geregelt. Das mhd beträgt 28 Tage. Das geltende EU-Gesetz sieht außerdem eine weitere Besonderheit vor: »Eier dürfen nur innerhalb von höchstens 21 Tagen nach dem Legen an den Letztverbraucher abgegeben werden«, übersetzt die Zeitschrift »Konsument« des österreichischen Vereins für Konsumenteninformation (vki) das Amtsdeutsch der Hühnereiverordnung von 2006 ins Allgemeinverständliche. Bereits eine volle Woche vor Erreichen des mhd dürfen Eier also nicht mehr verkauft werden. Und genau dieses Datum kennzeichnen manche EierzeugerInnen mit dem Verkauf-bis-Datum. Ab dem 22. Tag nach dem Legen dürfen Eier nur noch »für

die Verarbeitung zu Lebensmitteln, die einem Erhitzungsverfahren unterzogen werden, in Verkehr gebracht werden«. Das heißt: ausschließlich an Betriebe, die zur Herstellung von Eiprodukten zugelassen sind, und nicht an Privatpersonen. Wurden Eier bis zum Ladenschluss des 21. Tages nicht verkauft, werden sie deshalb aus den Regalen sortiert. Theoretisch dürften sie dann noch weitergegeben werden – zum Beispiel als Spende an Tafeln oder andere soziale Einrichtungen. Praktisch landen sie vermutlich aber meist im Müll. »Das kann nur eine Fall-zu-FallEntscheidung sein, da ja nur wenige Tafeln aufkochen«, bedauert man in der Nachhaltigkeitsabteilung von Rewe Österreich. »Eier sind eine ganz, ganz seltene Spende, weil das dem Handel zu heikel ist«, bestätigt auch Ingrid Poppe, Projektleiterin der Schwäbischen Tafel e.V. in Stuttgart. Und falls doch einmal frische Eier gespendet würden, dann kämen die nie aus den Filialen, sondern »immer angekündigt als Extra­spende direkt aus dem Zentrallager«. Die Logistik großer Handelsketten kommt im Fall des Frischeis schnell an die Grenzen ihrer Effizienz. Der Aufwand, einzelne Eikartons, die nicht mehr verkauft werden dürfen, abzugeben, steht außerdem legistischen Bedenken gegenüber. Niemand möchte ein Risiko eingehen.

Text Thomas Weber

MHD / Mindesthaltbarkeitsdatum (Englisch: best before date) Fertigpackungen von Lebensmitteln sind rechtlich (EU-weit harmonisiert) mit einem MHD zu versehen. Kennzeichnet Zeitpunkt, bis zu dem ohne wesentliche Geschmacks- und Qualitätseinbußen und ohne gesundheitliches Risiko konsumiert werden kann. Voraussetzung: sachgerechte Lagerung (z. B. Kühlung oder Lagertemperatur).


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28 Schwerpunkt Bio, aber auch solchen aus Freilandund Bodenhaltung –, nennt die Hühnereiverordnung »eine mühsame Geschichte«. Die einstmals berechtigten Argumente für die strenge Regelung wären durch Salmonellen durchaus gerechtfertigt gewesen. Heute gebe es in den Betrieben aber Salmonellen-Monitoring und seit zehn Jahren verpflichtende Impfungen gegen Salmonellen. »Wenn man ehrlich ist, dann ist die Regelung falsch«, sagt Söllradl, »eine willkürliche Grenze«. Richtig gelagert wären auch 42 Tage und länger kein Problem. Bei Fehlern in der Logistik wären Eier aber – auch unter Einhaltung aller Vorschriften – schon binnen einer Woche kaputt.

Erleichterte Logistik

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Bild Istock.co m/So lange_Z

»Optimal« vs. »mühsam« »Begründet wurde diese Gesetzgebung durch die Salmonellengefahr, derentwegen die EU rohes Ei als Risikoprodukt eingestuft hat«, sagt Genia Hauer, die bei der Agrarmarkt Austria (ama) das Qua»Ein Gesetz zu ändern ist litätsmanagement für Eier verantwortet. »Dierichtig Arbeit, die sich ses Gesetz stammt allerdings aus einer Zeit, niemand antun will. Ich bevor Hühner flächenfürchte deshalb, dass deckend gegen Salmoalles so bleiben wird, nellen geimpft wurden. Wir sind jedenfalls nicht wie es ist.« glücklich darüber.« —M anfred Söllradl, Durchaus zufrieden mit der Regelung ist man im Erzeugergemeinschaft deutschen Finkenthal bei »Eiermacher« Rostock. Von dort aus vermarktet der Erzeugerzusammenschluss Fürstenhof – bekannt auch für seine Marke »Hähnlein« – die Eier von 19 Biobetrieben. »28 Tage mhd und 22 Tage ohne Kühlung sollten ausreichen für den Verkauf«, sagt Geschäftsführer Friedrich Behrens. Da die Eier überwiegend schon am Legetag abgepackt werden, sei der rechtliche Rahmen eigentlich »optimal«. Ganz anders sieht man das in Oberösterreich bei der Erzeugergemeinschaft »Eiermacher«: Gründer Manfred Söllradl, der den Handel jährlich mit 100 Millionen Eiern beliefert – mit

»Leider gibt es aufgrund der aktuellen Gesetzes­ lage keine Möglichkeit, Eiern eine längere Haltbarkeit zu geben«, bedauert man auch bei der Diskonter-Kette Hofer (Aldi). Grundsätzlich gehöre es zwar zu den Unternehmensricht­linien, politische Entwicklungen oder Entscheidungen nicht zu kommentieren, sagt Generaldirektor Horst Leitner. »Allgemein kann aber gesagt werden, dass es für unsere LieferantInnen von großem Interesse und auch logistisch ein großer Vorteil wäre, wenn der Gesetzgeber die Frist verlängern würde.« Und er bedauert, dass Versuche der Vergangenheit, ein längeres mhd für Frischeier durchzusetzen, bis dato ohne Erfolg waren. Eiermacher Manfred Söllradl, der diesbezüglich lange selbst engagiert war, hat die Sache vorerst ad acta gelegt: »Ein Gesetz zu ändern ist richtig Arbeit, die sich niemand antun will. Ich fürchte deshalb, dass alles so bleiben wird, wie es ist.« Auch wenn der Handel die Angelegenheit wie die sprichwörtlichen rohen Eier handhabt: Zuhause können frische Eier bedenkenlos noch einen Monat nach Verstreichen des mhd gegessen werden. Nur roh sollte man sie dann nicht mehr essen. Wer beim Eikauf aufmerksam ist, wird deshalb womöglich auch schon einen Vermerk auf abgepackten rohen Eiern entdeckt haben: »Nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums durcherhitzen.« Bei der Schwäbischen Tafel in Stuttgart freut man sich, dass frische Eier trotzdem keine Mangelware sind. »Wir bekommen die Eier direkt vom Hühnerhof gespendet«, sagt Ingrid Poppe, »legefrisch«.



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r i c h t i g kü h l e n

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ORDNUNG IM MIKROKOSMOS Text Irina Zelewitz

Sinn und Unsinn von Plastik und Wasser im Kühlschrank.

Obere Fächer Alles, was weniger Kühlung braucht und Aroma entfalten soll. Käse, Eingelegtes, Marmeladen, Milch­ produkte und verschlossen aufbewahrte Essensreste.

Der kühlste Ort ist für leicht verderbliches Essen wie frisches Fleisch, Wurst und Fisch reserviert! Die Lebensmittel sollten nicht direkt an die Rückwand geschoben werden, da sich sonst an ihnen Kondenswasser sammelt.

Gemüsefächer Bei einem Großteil des Obsts wird nur sehr bedingt eine Lagerung im Kühlschrank empfohlen, vor allem bei hohen Außentemperaturen ist sie ratsam. Gemüse hält am besten ganz ohne Verpackung – oder im nach EN 13432 zertifizierten Kompost-Sack. Zu erkennen beispielsweise am Keimling-Logo.

Bild Istock.co m/Vo lodymyrKo zin, Isto ck. com/s mar tboy10 ,Ge meinfre i/vi a Wiki media Co mmo ns

Unteres Fach


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»

Tür In die Tür kann das, was wenig Kühlung braucht und sich aufgrund der Form hier am besten aufbewahren lässt. Zum Beispiel Eier, Butter und geöffnete Getränke.

W

enn man keinen Hightech-Kühlschrank besitzt, sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Bereichen im Kühlschrank marginal«, betont Ines Fritz. Die Biotechnologin mit Spezialisierung auf biologisch abbaubare Kunststoffe forscht an der Universität für Boden­ kultur Wien an optimalen Verpackungen und Lagerbedingungen von Lebensmitteln. Der Unterschied zwischen der Tür und dem Rest des Kühlschranks liege meist bei unter einem Grad Celsius. Sie appelliert, sich beim Kühlschrankeinräumen zuallererst davon leiten zu lassen, was man am häufigsten braucht und am schnellsten verbrauchen will. Nun entsprechen das Kühlschrankdesign und die korrespondierenden Empfehlungen zur Verteilung der Lebensmittel darin häufig nicht unbedingt modernen Ernährungsempfehlungen – und auch nicht der klimaschonenden Diät. Die Gemüsefächer sind zu klein. Dass Gemüse im Gemüsefach gelagert werden soll, liegt vor allem an den Feuchtigkeitskreisläufen in einem Kühlschrank, betont Fritz. »An der kältesten Stelle – beim Kühlschrank meist die Rückwand – kondensiert das Wasser und an der wärmsten verdunstet es.« Mit den Gemüsefächern hat man besser abgeschlossene Räume, bei denen Feuchtigkeit nicht so leicht verdunsten kann. Zur Lagerung von Gemüse außerhalb des Gemüsefachs empfiehlt Fritz kompostierbare Bioplastiksäcke, sie betont aber, dass diese Empfehlung nur für die nach der EU-Bioplastiknorm EN 13432 (umgangssprachlich auch als »Kompostnorm« bekannten) zertifizierten gilt. Und sogar im Gemüsefach beobachtet sie eine verbesserte Haltbarkeit, denn die optimale Kombination aus Luft- und Feuchtigkeitsdurchlässigkeit dieser Biokunststoffe sei optimal für Gemüse, aber auch für Brot außerhalb des Kühlschranks. »Man kann Brot in das Bioplastiksackerl und dieses dann in die Keramikbrotdose geben, damit es schicker ausschaut. So mache ich es zuhause auch«, sagt Fritz. Das Wichtigste, um die Haltbarkeit von Obst, Gemüse und Gebäck zu verlängern, ist Fritz zufolge, es aus der PE-Verpackung zu nehmen, in der es derzeit noch meist gekauft wird.


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KÜC HENTIPPS

32 Text Sasha Walleczek

Kochen mit Plan 6 Tipps für all jene, denen konsequentes Meal-Prepping zu steil ist.

»Einfach besser essen – Besser für die Umwelt, dein Konto und dich!« von Sasha Walleczek. VG Verlag Gumpendorf, 2021.

Auf Basis einer Risiko­ bewertung zur Aufnahme von anorganischem Arsen über Lebensmittel durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA hat die EU-Kommission 2015 Arsen-Höchstgehalte für Reis- und Reisprodukte festgelegt.

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1 × kochen, 2 × essen

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Basis vorkochen – Gemüse frisch dazu

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Bohnen und Kichererbsen gekocht einfrieren

Aus jeder Mahlzeit sollte im Idealfall mindestens eine weitere werden. Der Beilagenreis von heute wird morgen mit Ei und Gemüse (und Gewürzen) zum leckeren Asia-Gericht. Aus der Hühnerkarkasse vom Brathendl wird Brühe – die kleinen Fleischreste abzupfen und mit Nudeln und Gemüse zum Eintopf »ausbauen«. Der Tofu-Aufstrich von der Jause passt übermorgen auf Ofenkartoffeln.

Vorkochen ist praktisch, aber vor allem Gemüse verliert beim Aufwärmen an Geschmack und Qualität. Eintöpfe, Gulasch und Currys (fast) ohne Gemüse vorkochen (und portionsweise einfrieren), erst beim Aufwärmen kommt dann frisches Gemüse dazu und kann in der Sauce gar ziehen (und dabei knackig bleiben).

Hülsenfrüchte sind gesund, günstig und nachhaltig. Aber nur, wenn man sie selber kocht. In der Dose produzieren Kichererbsen mehr CO2 als die gleiche Eiweißmenge Schweinefleisch. Prep-Tipp: gleich mehr auf einmal kochen und portionsweise einfrieren. So spart man über 90% CO2.

genau wissen, wie die nächsten Tage ablaufen werden, sonst bleibt Essen übrig. Einfacher ist es, zumindest für den Einstieg, das Prepping teilweise in den Alltag zu integrieren.

4

Naturreis vorkochen

5

Brot für Singles

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Langsam ist schneller

Naturreis liefert wesentlich mehr Nährstoffe als weißer Reis – aber die Kochzeit ist um ein Vielfaches länger. Prep-Tipp: mehrere Stunden einweichen und gut abspülen, in viel Wasser kochen und Kochwasser abgießen – das reduziert über 80% des Arsens, das man sonst mitisst. Portionsweise einfrieren.

In Singlehaushalten ist es oft schwierig, einen ganzen Wecken gutes Brot aufzuessen, bevor es hart wird. Tipp: allerbestes Brot kaufen und (die Hälfte) gleich in Scheiben schneiden und geschnitten einfrieren. Einzelne Scheiben entnehmen und im Toaster knusprig backen.

Ein »Slow Cooker« (oder Schongarer) kocht (fast) von alleine und wenn man nachhause kommt, ist das Essen schon fertig. Die doppelte Menge kochen und für ein anderes Mal einfrieren oder morgen essen. Damit wird auch das zäheste Suppenfleisch butterweich und er macht die allerbesten Eintöpfe und Suppen!

B ild Istock.co m/smartboy 10, VG Ve rlag Gu mp endorf

Die Ernährungs­ therapeutin Sasha Walleczek, vor allem als TV-Host im österreichischen Privat­ fernsehen bekannt, schreibt auch Ernährungsratgeber – im neuesten dreht sich alles darum, was gesund und was nachhaltig ist, und darum, ob es letztlich einen Unterschied gibt.

ood Prep ist in und es ist genial. Wenn man es denn auch wirklich macht. Denn es bedeutet, für eine Woche vorzukochen. Und das wiederum bedeutet viel Arbeit auf einmal. Und man muss sehr


Purer Bio-Genuss mit PENNY Bio geht auch preiswert, das zeigt PENNY mit ECHT BIO! Nun wird das Sortiment auf über 140 Artikel erweitert. »Nachhaltige Bio-Produkte überzeugen mit bester Qualität und natürlichem Geschmack, schonen die Umwelt und schützen das Tierwohl. Ich freue mich, dass wir unser Angebot bis Ende 2021 weiter ausbauen. So können wir den Wunsch unserer Kunden nach einer noch reicheren Auswahl an hochwertigen Bio-Lebensmitteln abdecken«, so PENNY Geschäftsführer Ralf Teschmit.

Bild Pe nny

Bunte Bio-Palette spielt alle Stücke Von frischem Obst und Gemüse über Milchprodukte bis zu krossem Gebäck – das neue ECHT BIO!-Sortiment von PENNY setzt auf Vielfalt. Dazu zählen knackige Karotten am PENNY-Markstand, erfrischendes Naturjoghurt und milder Butterkäse im Kühlregal sowie Trockenartikel wie Hafer­

flocken oder Dinkelmehl. Im Bereich Frischfleisch gibt es zertifiziertes Bio-Fleisch – von Faschiertem über Schnitzel bis Gulasch. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Artikeln aus Österreich. Viele Waren des ECHT BIO!-Sortiments werden von 36 ausgewählten heimischen Hersteller regional erzeugt. Bei der Qualitätskontrolle setzt PENNY auf Transparenz. Zudem steht die artgerechte Tierhaltung im Fokus. So werden bei der Produktion der ECHT BIO!-Eier nicht nur die Hennen, sondern auch die männlichen Küken aufgezogen. Die verpflichtende Freilandhaltung auf Wiesen ermöglicht jedem Tier ein artgemäßes Leben. Wer zu ECHT BIO! greift, unterstützt auch den Kampf gegen die Plastikflut. In Summe wurden im Rahmen der Initiative »Raus aus Plastik« seit 2018 bereits knapp 40 Tonnen Plastik eingespart.

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Bis Jahresende 2021 wird das ECHT BIO! Sortiment auf über 140 Artikel erweitert.


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BIOBRAN CHE

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Naturland Hahnenaufzucht. Naturland hat einen Fahrplan für den Komplettausstieg aus dem Kükentöten für bis Ende des Jahres 2021 beschlossen.

Bio in the Making

Markus Fadl vom Bioverband Naturland über Neuigkeiten im Bioangebot, Standards und Innovationen, die ihn nicht interessieren.

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Bild  istock.co m/fz ant , Naturla nd

io boomt, heißt es. Von geschätzt 17 Prozent Umsatzplus für Biolebensmittel ging die deutsche Ernährungs- und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner im Jänner für das vergangene Jahr 2020 aus. Was bedeutet das für die Biolandwirtschaftsverbände? Naturland ist einer der großen in Deutschland. Sein Pressesprecher Markus Fadl erläutert im Gespräch, was den 1982 gegründeten Verband derzeit beschäftigt – und was weniger. BIORAMA: Wie viele ProduzentInnen zertifiziert Naturland heute (2020) – und wie viele waren es vor zehn Jahren? Markus Fadl: Anfang 2011 waren es international etwas mehr als 50.000 Bäuerinnen und Bauern, heute sind es über 100.000, mit denen wir in etwa 60 Staaten zusammenarbeiten. Der Großteil davon sind KleinproduzentInnen in Kooperativen in Afrika und Lateinamerika. In unserem Hauptmarkt Deutschland waren es im Januar 2011 2400, heute sind es 4200. Wir erleben heuer eine Fortsetzung des langfristigen Wachstums, das wir seit Jahren, etwa

seit 2015, erleben. Daran sieht man, dass Bio kontinuierlich wächst. Naturland setzt unter den Biosiegeln auf dem deutschsprachigen Markt Standards. Mit wem vergleichen Sie sich national und international? Wir vergleichen uns nicht, wir kooperieren. So selbstbewusst sind wir. In Deutschland arbeiten wir vor allem eng mit Bioland, Demeter und den anderen Verbänden im bölw zusammen. Dass wir mitunter am Markt und in der Mitgliederwerbung in Konkurrenz stehen, gehört dazu. Außerhalb Deutschlands wäre zunächst die Abstimmung mit Bio Austria und Biosuisse zu nennen, in der so genannten dach-Gruppe. Weltweit betrachtet ist Biosuisse aufgrund ihres ebenfalls internationalen Engagements immer wieder ein Partner, mit dem man spricht. Je nach Projekt und Weltregion geht Naturland aber zunehmend auch Kooperationen mit lokalen Verbänden ein, wo es immer ein gemeinsames Ziel gibt, das Ökolandbau heißt.

Interview Irina Zelewitz

Der frühere Journalist Markus Fadl ist seit 2013 bei Naturland für die Pressearbeit verantwortlich.


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Verändern sich Vertrauen und Interesse der KonsumentInnen gegenüber der Komplexität von Biozertifikaten? Bei der Hier gibt es immer eine Doppelbewegung. In-Ovo-Selektion erfolgt Mit dem Wachstum von Bio wächst auch die die GeschlechterbestimNotwendigkeit für Information. Und Konsumung noch im Ei, damit mentInnen wollen sich an vertrauenswürmännliche Embryos vor dem Schlüpfen selektiert und digen Siegeln wie Naturland orientieren. getötet werden können. Gleichzeitig fragen auch viele nach und wollen es genauer wissen. Deshalb ist es wichtig, nicht nur Antworten parat zu haben, sondern im Zweifel auch offene Baustellen ehrlich zu be»Das Wichtigste ist, dass nennen. Die Entwickimmer klar ist, was ein lung von Bio ist längst nicht zu Ende, und sie Biolebensmittel ist« braucht Zeit. Das ist —  Markus Fadl, kein Makel, und wenn Naturland wir hier offen kommunizieren, können wir die VerbraucherInnen für den gemeinsamen Weg gewinnen.

Naturland arbeitet mit rund 1000 PartnerInnenbetrieben zusammen, die die Rohwaren der Bäuerinnen und Bauern handeln und verarbeiten. 2010 waren es 500.

Wünscht sich ein Verband weitergehende gesetzliche Bioregelungen von der EU? Eine Weiterentwicklung des »Mindeststandards«? Ich verwende die Bezeichnung Mindeststandard für die EU-Bioverordnung eigentlich nicht mehr. Sie ist der höchste gesetzliche Standard für Landwirtschaft und Lebensmittel, den wir haben, und das Fundament, auf dem wir stehen.

Damit das Fundament stimmt, haben wir Verbände viel Energie in die Reform der EU-Ökoverordnung gesteckt. Und wir tun das noch, damit die neue Verordnung 2022 hoffentlich in Kraft treten kann. Die Ökoverbände gehen darüber hinaus, Naturland etwa mit seinen Sozialrichtlinien und den zusätzlichen Tierwohlkontrollen. Aber wir sind froh über das Fundament. Außerdem geht es darum, dass wir die gesamte, also nicht nur die Bio-, sondern auch die konventionelle Landwirtschaft ökologisieren und auf ein höheres Niveau heben. Sie verfügen ja nicht nur über ein Siegel, sondern zwei. Ist Naturland Fair einzigartig? Wir verstehen uns als ökosozialer Verband. Wir haben im Jahr 2005 Sozialkriterien in unseren Katalog an Richtlinien aufgenommen, die für alle produzierenden und verarbeitenden Betriebe gelten. Naturland Fair ist deren Weiterentwicklung als Zusatzzertifizierung, bei der die Bedingungen des fairen Handels auch für heimische Bäuerinnen und Bauern gelten. Dadurch gibt es nicht nur faire Schokolade oder Bananen, sondern auch faire Milch. Das ist schon einzigartig. Wie wichtig die soziale Dimension von Nachhaltigkeit ist, zeigt sich an den hitzig geführten Debatten rund um ein Lieferkettengesetz, wie sie derzeit in Deutschland und auf europä-

Naturland ist Teil der deutschen »Initiative Lieferkettengesetz«, das wurde auch in der online stattgefundenen NaturlandDelegiertenversammlung im Mai 2020 zum Ausdruck gebracht.

B ild Natu rland

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ischer Ebene geführt werden. Die Schweiz ist kurz davor, ein solches zu verabschieden. Das, was ein solches Gesetz an menschen- und arbeitsrechtlichen Standards bringen würde, hat man dank unserer Sozialrichtlinien bereits mit einer Naturland-Zertifizierung schon erledigt. Das gibt es in dieser Form bei keinem anderen Biozertifikat. Und Naturland Fair setzt da noch eins drauf. Werden die Kriterien, die ein Bioprodukt ausmachen, durch die wachsende Palette zertifizierbarer Produkte undurchsich­ tiger für die KonsumentInnen? Wenn Bio ein Wort wird, das auf immer mehr Produkten erscheint, die mit Lebensmitteln nichts mehr zu tun haben, dann profitieren wir davon, dass wir für Lebensmittel durch die EU-Ökoverordnung ein klares Fundament haben. Die Zertifizierung von Landwirtschaftsprodukten außerhalb des Lebensmittelbereichs wie bei Textilien oder Kosmetik (für beides hat Naturland Zertifizierungsrichtlinien) ist begrüßenswert und beeinflusst unseren ureigensten Bereich Lebensmittel nicht negativ. Das Wichtigste ist, dass immer klar ist, was ein Bio­ lebensmittel ist. Darüber hinaus gibt es sie natürlich: Begriffe wie Biosprit, die mehr als ärgerlich sind. Was halten Sie denn davon, dass der Begriff »Bio« in der EU nicht geschützt ist, sobald wir den Lebensmittelbereich verlassen? Es gibt Grenzen dessen, was man schützen kann. Wir können uns glücklich schätzen, dass Bio im Lebensmittelbereich so gut geschützt ist. Wachsen eigentlich alle Bioinsekten in einer Fabrik in labor­ähnlicher Umgebung auf? Mit der landläufigen Vorstellung von Landwirtschaft hat Insektenzucht sicher wenig zu tun. Sie brauchen weder Äcker noch Weiden, sondern nur einen Raum, in dem Sie die In­sekten und Maden auf einem Substrat aus Biolebensmittelresten züchten. Da werden hochwertige Proteine aus Foodwaste gemacht. Das ist die alte Idee des ökologischen Kreislaufs in neuem Gewand. Seit Kurzem gibt es einen ersten deutschen Naturland-zertifizierten Betrieb, der In-

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sekten produziert. Ein junges Unternehmen in Bremen, das aus Grillen und Gewürzen Snacks für den menschlichen Verzehr macht. Perspektivisch ist die Bioinsektenzucht vor allem als Futtermittel-Proteinquelle relevant? Als wir die Richtlinie gemacht haben, hatten wir die Aquakultur im Blick (d. h. Unternehmen, die Insekten als Proteinquelle für Fischfutter herstellen, Anm.). Dass wir dann als erstes Unternehmen eines zertifizieren, das Snacks draus macht, hat uns selbst überrascht. Ich denke allerdings, dass die Insektenproduktion vor allem für die Tierfütterung zukunftsträchtig ist. Da mag die Zukunft mich auch Lügen strafen. Es ist vielleicht auch Geschmackssache.

Die 2010 eingeführte Zertifizierung Naturland Fair baut auf den Naturland-Kriterien für ökologischen Landbau auf und erweitert diese um Standards zu sozialer Verantwortung und fairem Handel.

Ein Ratespiel: In welchen Produktkategorien wird es 2021 den meisten Zuwachs an Bioprodukten geben? Ich will nicht raten, ich will hoffen. Nämlich dass es ganz viele neue Bruderhahnprodukte gibt. Denn aktuell hat unsere Delegiertenversammlung beschlossen, das Kükentöten mit Ende des Jahres komplett zu beenden. Und zwar ohne In-Ovo-Selektion. Wenn wir unser Ziel einhalten, bis Ende des »Da werden hochwertige Jahres zu jeder Natur­ land Henne auch den Proteine aus Foodwaste Bruderhahn nach gemacht. Das ist die Naturland-Richtlinien aufzuziehen, dann alte Idee des ökologibt es einiges an gischen Kreislaufs« Geflügelfleisch, das —  Markus Fadl, nach EsserInnen sucht. Aber ich bin da Naturland sehr zuversichtlich. Wie sehr verfolgen Sie Sortimentsentwicklung und Produktinnovationen mit? Sortimentsfragen befassen mich nicht. Wir müssen uns wohl daran gewöhnen, dass es inzwischen auch in der Biobranche zu einem gewissen Grad um das Neue geht: um Produkte, die vielleicht auf den zweiten Blick gar nicht mehr so neu sind; um mehr Convenience, die niemanden weiterbringt. Das Wichtige ist, dass wir den Biogedanken weiterentwickeln, da stecken wir als Verband unsere Energie hinein.


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THEMA WaSSER

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Wasser, Wetter, Wissen Was geschieht gerade in der Atmosphäre? Warum wird es jedes Jahr heißer? Um das hochkomplexe Thema zu begreifen, braucht es Basiswissen. Dafür gibt es die WasserWerkstatt »Klima und Wasser«. Die WasserWerkstatt befasst sich mit Fragen vom Wasserhaushalt über Wetterphänomene bis zu den Klima­ zonen der Erde in kurzen Kapiteln und mit einfachen Übungen. Dabei werden Begriffe wie Treibhauseffekt, Grundwasserbildung oder die Photosynthese als CO2-senkenden Prozess verständlich gemacht und ergründet, warum zu viel CO2

und Methan in der Atmosphäre die Erde erwärmen – die WasserWerkstatt stellt das Wissenswerkzeug bereit für LehrerInnen aber auch für Mamas und Papas.

Die WasserWerkstatt gratis downloaden: www.generationblue.at

Durch den Klimawandel stieg die Temperatur in Österreich stärker an als im weltweiten Durchschnitt – die Trinkwasserversorgung aus Quell- und Grundwasser bleibt trotzdem gesichert.

bild  Ma rt inStr/Pixabay, Wa ss erWe krstatt

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er Klimawandel ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Wie wirkt er sich auf die Ressource Wasser aus und was bedeutet die Erwärmung der Erde für uns Menschen? Zu diesen und ähnlichen Fragen wird aktuell auf der ganzen Welt geforscht, analysiert und diskutiert. Diese Fragen sind auch Thema der neuen Ausgabe der WasserWerkstatt. Verschiedene Kapitel behandeln in interaktiven und leicht verständlichen Übungen die klimatischen Phänomene, die jedes Tier, jeden Menschen und jedes Lebewesen auf dem Planeten Erde betreffen. Das Unterrichtsmaterial ist für sämtliche Unterrichtsfächer sowie Schulstufen offen und verwendbar.


Warum sind dir die Themen Wasser und Gewässerschutz ein Anliegen? Wasser ist unsere Lebensgrundlage und bedeutet Lebensqualität. Als Klimaaktivistin ist es mir ein Anliegen, dass Klimaschutz immer naturverträglich umgesetzt wird, besonders beim Schutz der Gewässer. Wenn man aufmerksam hinschaut, sieht man rasch, wie abhängig der Mensch von einer intakten Natur ist und wie wir sie trotzdem immer weiter ausbeuten. Man findet kaum noch Orte, an denen man den Eingriff des Menschen nicht deutlich sieht. Wie sich unser Lebensstil auf die Natur auswirkt, muss noch stärker ins Bewusstsein kommen.

bild  Pia Padl ews ki , Istock.co m/de signe r29, I sto ck. com/vladwe l

Wie soll das erreicht werden? Welche Rolle spielt die Schulbildung dabei? Alles hängt zusammen – woher unsere Produkte kommen, wie wir auf Urlaub fahren, wie unser Strom entsteht. Mein Wunsch an die PädagogInnen ist, dass sie die Auswirkungen unseres Handelns auf das Klima noch deutlicher machen. SchülerInnen sollten dazu inspiriert werden und auch die Chance bekommen selbst Konzepte zu entwickeln und die Zukunft proaktiv mitzugestalten – eine Exkursion oder ein Projekt mit externen ExpertInnen kann schon viel bewirken. Welche Rolle spielt das Wasser beim Klimaschutz? Am Wasser werden die Auswirkungen der Klimakrise sichtbar – Extremwetterereignisse, Gletscher- und Polkappenschmelze, steigende Meeresspiegel, längere Trockenperioden und sinkende Grundwasserspiegel. Dabei kann uns das Wasser beim Klimaschutz auch unterstützen! Ozeane sind riesige CO2-Speicher und ohne die Wasserkraft wären wir in Österreich noch abhängiger von fossilen Brennstoffen. Gleichzeitig muss beim Klimaschutz auch auf die Natur geachtet werden: Kein Großprojekt sollte Flüssen schaden oder zu viel Boden versiegeln. Klimaschutz können wir nur nachhaltig gestalten, wenn wir mit der Natur arbeiten und ihre regenerativen Kräfte kennen und nutzen.

Nur je eine Antwort ist richtig, die anderen sind frei erfunden.

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Im Vergleich mit dem globalen Mittel: Ist die Temperatur in Österreich mehr, weniger oder gleich stark angestiegen? a) mehr b) weniger c) gleich

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Die Sommer werden heißer und trockener – wo kann man am einfachsten Wasser sparen? a) Beim Trinken, Kochen und bei der Hygiene b) In der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion c) Beim Autowaschen, bei Swimmingpools und beim Rasengießen

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Trinkwasser ist das am besten kontrollierte Lebensmittel in Österreich: Es ist trotz steigender Temperaturen in höchster Quali­tät gesichert. Woher stammt Trinkwasser in Österreich? a) Regenwasser b) Grund- und Quellwasser c) Oberflächenwasser aus Seen und Flüssen

TERMINTIPP 22.3.2021 Weltwassertag mit dem Motto »Wert des Wassers« www.wasseraktiv.at

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Marielle Veillard ist Teil des Generation Blue Projekts und engagiert sich seit einigen Jahren für den Umweltschutz. Auf ihrem InstagramKanal @mariellenv postet sie Aktuelles zu Klima­ gerechtigkeit, Politik und Umweltschutz.

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Richtige Antworten: 1a, 2c, 3b

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Tierwohl-Pakt: Mehr Tierschutz im Stall

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Österreich gehört zu den Ländern mit den höchsten Tierwohl- und Lebensmittelstandards. Um diese Vorreiterrolle weiter auszubauen, hat das Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT) den „Pakt für mehr Tierwohl in der produzierenden Landwirtschaft “ initiiert. Der Fördertopf von 120 Mio. Euro jährlich soll Anreize für Neu- und Umbauten von tierwohlgerechten Ställen schaffen. Auch sieht der Pakt ab 2021 eine Erhöhung des Investitionsfördersatzes auf 35 % für besonders tierfreundliche Haltung bei Schweinen und Puten vor. Infos unter: www.landwirtschaft.at

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Be r u f & Be r u f u n g

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Immer auf der Hut In der Ausbildung zum/zur BerufsjägerIn werden Drohnen für die Kitzrettung und die Wildschadensverhütung eingesetzt.

Zum Alltag von BerufsjägerInnen gehört weit mehr als der in Kinderliedern besungene Umgang mit dem Schießgewehr.

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ägerInnen eilt ein gemischter Ruf voraus, klar ist aber: In Österreich ist knapp die Hälfte, in Deutschland ungefähr ein Drittel des Staatsgebiets von Wald bedeckt und BerufsjägerInnen leisten einen wichtigen Beitrag zum Schutz dieser Flächen, auch wenn TierliebhaberInnen ihnen mitunter kritisch gegenüberstehen. Ein intakter Wald speichert nicht nur Tonnen von CO2, sondern reinigt auch Luft und Wasser und schützt vor Naturgefahren. Lebt zu viel Reh- oder Rotwild in einem Wald, beißen die Tiere die Knospen, Zweige und Blätter der jungen, nachwachsenden Bäume ab und beeinflussen so die Waldverjüngung, also das Nachwachsen einer jungen Waldgeneration.

Bild B DB A rchi v

Weit mehr als die Jagd Die dreijährige Ausbildung zum/zur BerufsjägerIn, in Deutschland auch als RevierjägerIn bezeichnet, beinhaltet neben den Maßnahmen zur Regulation des Wildbestandes – also der Jagd – auch den Erhalt der Schutz- und Lebensräume der Tiere und die genaue Beobachtung des Waldes sowie aller darin lebenden Pflanzen und Tiere. Die Wildbretverarbeitung und -vermarktung sowie Informationsarbeit gehören ebenso zum Berufsalltag wie das Errichten von Hochsitzen, Futterstellen und die Ausbildung von Jagdhunden. Über den klassischen »Revierdienst« hinaus, wie Marius Pieper, angehender Berufsjä-

ger in Deutschland im dritten Ausbildungsjahr, die Arbeit im Wald nennt, spielt mittlerweile auch die Öffentlichkeitsarbeit eine immer größere Rolle im Berufsalltag. »Sehr interessant sind dabei die Umweltbildung und Erwachsenenbildung, aber auch die Fortbildungen in der Jä­gerInnenschaft an sich, beispielsweise für ehren­amtliche JägerInnen«, erklärt Pieper. Denn nur ein Bruchteil der Jagd ist in der Hand von BerufsjägerInnen. In weiten Teilen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz dominiert die ehrenamtliche Jagd in der Freizeit. Dass einem die Tiere, die man tötet, als JägerIn leidtun, hält er für die falsche Formulierung. »Man hat Ehrfurcht und Achtung vor jedem Lebewesen, egal ob Fuchs, Reh oder Wildschwein. JägerInnen töten Tiere aus unterschiedlichen Gründen: zum Zweck des Verzehrs oder zu dem des Seuchenschutzes, etwa zur Eindämmung der Verbreitung der Afrikanischen Schweinepest, oder aufgrund einer zu hohen Wilddichte in einer von Menschen geschaffenen Kulturlandschaft«, sagt Pieper. »Den Respekt und die Achtung vor dem Lebewesen verlieren wir dabei nie aus den Augen.«

Familienfreundlichkeit Aufgrund der zeitlichen Flexibilität sei es ein familienfreundlicher Beruf, erklärt Hermann Wolff, Geschäftsführer und Ausbildungsberater des »Bundesverbands Deutscher Berufsjäger«.

Text Leonie Stieber

Einkommen Das Bruttoeinkommen während der Ausbildung variiert abhängig von Staat, Region, Ausbildungsbetrieb und Lehrjahr zwischen zirka 700 und 1960 Euro.

Praktikum In Österreich und Deutschland ist ein Praktikum verpflichtender Teil der Ausbildung.


Be r u f & B er u f u n g

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Da die RevierjägerInnen in der Regel von zuhause arbeiten, können sie ihre Tagesplanung relativ frei koordinieren, Kinder können zum Beispiel nachmittags auch mal mit in den Wald genommen werden. Nicht selten komme es vor, dass sie einen ähnlichen Ausbildungsweg wie die Eltern einschlagen, erzählt Wolff.

Auch das Bauen von Hochsitzen gehört zur Ausbildung und zum Arbeitsalltag eines/einer BerufsjägerIn.

Ausbildungsbetriebe Eine Datenbank mit allen staatlich anerkannten deutschen Ausbildungsbetrieben ist unter bildungsserveragrar.de zu finden, weitere Infos unter: berufsjaegerverband.de

Keine einheitliche Regelung

In Deutschland ist die Ausbildung bundesweit geregelt, in Österreich bestimmen noch die jeweiligen Landesjagdgesetze den Ausbildungsverlauf. Eine bundesweit einheitliche Ausbildung wird auch hier angestrebt; noch sei jedoch unklar, wann diese final in Kraft trete, erklärt Veronika Käfer-Schlager von der Forstfachschule Traunkirchen in Oberösterreich. Manche Bundesländer schreiben den zweijährigen Besuch dieser Forstfachschule vor, anschließend verbringen die Lehrlinge ein beziehungsweise zwei Jahre in dem von ihnen gewählten Praxisbetrieb.

Ausbildung in Deutschland Voraussetzung für die Ausbildung ist in Deutschland eine erfolgreich abgeschlossene JägerInnenprüfung, die aus einem schriftlichen, einem mündlich-praktischen Teil sowie einer Schießprüfung besteht. »Das ist für manche InteressentInnen ein Hindernis, außerdem haben die BewerberInnen oft falsche Vorstel-

lungen davon, welch vielfältige Aufgaben einE BerufsjägerIn heute hat«, sagt Wolff. Der Beruf sei eher unbekannt, geeignete Auszubildende zu finden mitunter nicht einfach, mehr BewerberInnen wären wünschenswert. »Es gibt mehr Arbeitsplätze als noch in den vergangenen Jahren. Wer eine Ausbildung erfolgreich durchlaufen hat, findet anschließend auch einen Arbeitsplatz«, versichert er. Ausbilden lassen kann man sich in Deutschland in allen staatlich anerkannten Ausbildungsbetrieben, das Aufkommen variiert je nach Bundesland. Deutschlandweit gebe es momentan ungefähr 70 Betriebe, schätzt Wolff.

»Jagd ohne Hund ist Schund, ein Hund ist unabdingbar.« — Hermann Wolff, Bundesverband Deutscher Berufsjäger Nach der Ausbildung müsse man keine Sorge haben, im Berufsalltag allein auf weiter Flur zu sein. Ein Jagdhund sei ständiger, treuer Begleiter und für die Jagd unabdingbar, so Wolff. »Gemäß dem alten Sprichwort ›Jagd ohne Hund ist Schund‹.« Die meisten JägerInnen haben mehrere Hunde unterschiedlicher Rasse, abhängig vom Revierschwerpunkt – beispielsweise einen Schweißhund in einem Hochwildrevier.

Ausbildung in Österreich Etwas anders stellt sich die Lage in Österreich dar: Hier variiert der Ausbildungsverlauf je

Zumindest einen Hund hat jedeR JägerIn, dieser ist für die Jagd unabdingbar. Die Ausbildung der Jagdhunde ist Teil der Berufsausbildung.

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Die Auszubildenden beim Bau einer lebendfangenden Kofferfalle, die in der Prädatorenbejagung, der Bejagung von Beutegreifern, eingesetzt wird.

nach Ausbildungsbetrieb und Bundesland. Ein großer Ausbildungsbetrieb sind die Österreichischen Bundesforste, sie bewirtschaften jeden zehnten Quadratmeter der Landesfläche. Zu Beginn der Ausbildung wird noch keine Jagdkarte benötigt. Voraussetzung ist lediglich ein Pflichtschulabschluss, bei dem das Abschlussjahr an einer Fachschule beziehungsweise einer berufsbildenden mittleren oder höheren Schule absolviert wurde. Der Besuch einer landwirtschaftlichen Fachschule vor Absolvierung der Forstfachschule sei hierbei sinnvoll, aber nicht verpflichtend, erklärt Petra Öllermayr, zuständig für Personalentwicklung und Recruiting bei den Österreichischen Bundesforsten. »Die BewerberInnenzahlen unterscheiden sich nach Region, insgesamt würden wir uns aber freuen, wenn es mehr BewerberInnen gäbe«, sagt Öllermayr.

Mehrere Wege, dasselbe Ziel Auch wenn die Ausbildungswege unterschiedlich sind, sie verfolgen dasselbe Ziel. Nach ihrer Ausbildung kümmern sich die BerufsjägerInnen in ihren Dienstbezirken um die Wildbewirtschaftung sowie das Jagd- und Wildtiermanagement. Die Akzeptanz und somit die Zukunftsfähigkeit der Jagd seien wesentlich von der Qualifikation und dem Auftreten der JägerInnenschaft in der Öffentlichkeit abhängig, sagt Wolff. »Ein Ziel muss es daher sein, die Aus- und Fortbildung kontinuierlich zu optimieren. Dabei ist eine intensive Zusammenarbeit zwischen der ehrenamtlichen JägerInnenschaft und den BerufsjägerInnen unabdingbar«, betont er. Es sei noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten, um deutlich zu machen, dass die Jagd nichts Böses, sondern eine nachhaltige Nutzung und Pflege der natürlichen Ressourcen sei und zum Leben mit dazugehöre, schließt er.

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Es grünt nicht grün

Die Topfpflanze hat die Concept Stores und die Wohnzimmer Instagrams erobert. Kaum jemand weiß, woher sie gekommen ist.

Text Irina Zelewitz Illustrationen von Maaike Koster, aus dem Buch »Urbane Botanik«

E

in bisschen Natur in der Wohnung ist in. Wo vor Kurzem noch Cold Brew Coffee und Palettenmöbel feilgeboten wurden, gibt’s jetzt Zimmerpflanzen. Zum Teil ähnliche wie auch in den großen Einrichtungshäusern oder Baumärkten, aber eben liebevoller verpackt und als Designobjekte in Szene gesetzt, zum Teil wird ganz gezielt auf Raritäten gesetzt. Schön, aber gar nicht so gut für uns und die Umwelt, wie uns das Pflanzliche vielleicht suggeriert.

Selber handeln ist das Gebot der Stunde und an der Idee, sich dem folgend seinen CO2-Kompensationswald gleich ins Wohnzimmer zu pflanzen, ist nicht alles verkehrt, aber doch einiges. Denn einerseits ist ein kleiner Kaktus noch kein Wald – und ein erheblicher Teil des CO2 wird im Ökosystem Wald unterirdisch gespeichert –, andererseits ist es gar nicht unwahrscheinlich, dass man mit dem Kauf einer gewöhnlichen Topfpflanze mehr Schaden als Nutzen anrichtet. Ein bisschen Erde in ei-


nem Topf, tropische Pflanze drin – ist ja auch logisch, weil sie soll sich ganzjährig bei Zimmertemperatur wohlfühlen –, in Europa gezogen, beim Händler am Eck bezogen, wo ist also das Problem?

Globalisiertes Grün Die meisten der gehandelten Zimmerpflanzen wurden konventionell produziert, unter Bedingungen, die den Einsatz von chemischsynthetischen Insektiziden und Pestiziden und Düngemitteln notwendig machen. »Zimmerpflanzen stammen vielfach aus Betrieben, die auf bestimmte Kulturen spezialisiert sind. Bei diesen Kulturen gibt es mitunter kaum Erfahrungen dazu, wie sie ohne Einsatz von Spritzmitteln im großen Stil kultiviert werden können. Hier ist eine Umstellung auf eine nachhaltige Produktionsweise durchaus ein längerer Prozess«, sagt Andrea Frankenberg, zuständig für Zierpflanzen beim deutschen Verband Bioland. Zur Düngung werden Kunstdünger, unter anderem auf Erdölbasis, eingesetzt. Die Belastung durch Umweltgifte und Erdölderivate ist also schon durch die Pflanzenschutzmittel und Dünger erheblich. Wo keine Lebensmittel produziert werden, sind die Möglichkeiten für den Einsatz chemisch-synthetischer Spritzmittel andere, da die Rückstandsrelevanz insgesamt anders bewertet wird. Nach erschreckenden Ergebnissen einer Greenpeace-Studie aus dem Jahr 2014, in der Pflanzenschutzmittelrückstände unter anderem in Lavendel untersucht wurden, habe der Handel reagiert, erinnert sich Frankenberg. Dieser habe erste Schritte in die richtige Richtung unternommen, indem er nur noch Produkte mit einer begrenzten Anzahl an Wirkstoffen einkaufe. Grundsätzlich sei allerdings vielfach wissenschaftlich belegt, dass FloristInnen häufiger unter Kontaktallergien leiden als die Normalbevölkerung. »Man muss ja nicht nur an sich denken, sondern könnte auch an die Menschen denken, die in den Gärtnereien und Blumen­ läden arbeiten.«

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Wald- und Wiesenluft Kann man natürlich. Nur kommt man auch so womöglich zur selben Handlungsempfehlung: Pflanzen können grundsätzlich durch Photosynthese nicht nur Kohlenstoff, son-

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»Mit Blumen kann man viel transportieren. Weil sie alle berühren – erst recht, wenn sie bio sind« —  Andrea Frankenberg, Bioland

dern auch andere Schadstoffe aus der Luft filtern – und Sauerstoff produzieren. Zur diesbezüglichen Wirkung von Zimmerpflanzen hat Ende der Achtzigerjahre schon die nasa geforscht und die ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Topfpflanzen die Konzentration flüchtiger organischer Verbindungen (die klassischen Quellen für diese sind etwa Kunststoffe, Baustoffe, Möbel, Reinigungsmittel und Tabakkonsum) erheblich verringern – und so auch das damit verbundene Krebsrisiko. Das Studiendesign wird inzwischen kritisiert und in einer Studie (2019) mit deutlichem Titel »Potted plants do not improve indoor air quality: a review and analysis of reported voc removal efficiencies« wurde berechnet, dass zwischen zehn und 1000 Pflanzen pro Quadratmeter benötigt würden, um ein ähnlich gutes Reinigungsergebnis zu erzielen wie durch das zeitweilige Öffnen von Fenstern. Genau dieser Umstand, die Photosynthese, die wir auch als Atmen der Pflanzen beschreiben, sorgt aber auch dafür, dass in den Pflanzen enthaltene Gifte über die Luft emittiert werden. Frankenberg führt das Desinteresse daran, mit welchen Substanzen Zimmerpflanzen behandelt wurden, auf mangelnde mediale Berichterstattung zurück: »Der Weihnachtsbaum in Bioqualität wird nachgefragt. Denn da kapieren es die Verbrauch­ erInnen: Natürlich wollen sie keinen gespritzten Baum im Wohnzimmer stehen haben. Aber bei der Kaufentscheidung um Zimmerpflanzen scheint das noch nicht angekommen zu sein.« Dabei könne man mit »Pflanzen, etwa mit Blumen, so viel transportieren. Weil sie alle berühren – erst recht, wenn

Andrea Frankenberg ist beim deutschen Bioanbauverband Bioland für den Bereich Topf- und Zierpflanzen zuständig.

HändlerInnen können unter anderem über diese Website zertifizierte Biozierpflanzen bestellen bee-o.nl/de/growers Darunter findet sich auch der Bio-Orchideenbetrieb green-balanz.com Zweckdienliche Hinweise zu Bezugsquellen für Monstera (Fensterblatt) in Bioqualität bitte an redaktion@biorama.eu


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klar ist, dass sie nicht gespritzt sind«, ist sich Frankenberg sicher. Für Schnittblumen gilt im Übrigen dasselbe, auch sie geben Gifte an die Raumluft ab, obwohl sie schon »abgeschnitten« sind. Apropos Schnittblumen: Frankenberg weist hier darauf hin, dass derzeit in Europa keine Fairtrade-zertifizierten Rosen angeboten werden, die auch biozertifiziert sind. Dass in den Anbaugebieten der Rosen (sie werden in der EU großteils aus Afrika importiert) durch das Fairtrade-Siegel zumindest Schutzmaßnahmen der Arbei­ terInnen auf den Plantagen sichergestellt würden, sei ein großer Schritt – aber wir dürften daraus eben nicht schließen, dass die Blumen deswegen weniger gespritzt wurden.

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Wie unterscheide ich nun ökologisch problematisches von weniger problematischem Angebot? »Manche Pflanzen werden als nachhaltig angepriesen. Es gibt aber eigentlich kein Zimmerpflanzenlabel im Bereich, das ich für nachhaltig halte, außer der Pflanze mit einem Biozertifikat. Nur hier kann ich sicher sein, dass nicht mit chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln gearbeitet wurde.« Gemeint ist das EU-Biosiegel, Verbandslogos sind seriöserweise zusätzlich ausgewiesen, gehen in ihren Kriterien weiter – wie etwa das von Bioland – und können zusätzliche Orientierung bieten. Die bittere Wahrheit für alle aus der Neigungsgruppe Fensterblatt: Weder die Redaktion noch der Bioland-Verband konnten eine Quelle für den Bezug biozertifizierter Exemplare der im lateinamerikanischen Regenwald beheimateten Trendpflanze Monstera ausfindig machen. Doch die Expertin ist angesichts des rapide wachsenden internationalen Angebots an Spezialprodukten zuversichtlich, dass Nachfrage dies ändern wird: »Man kann seinem Blumenladen am Eck schon sagen, dass es viele Zierpflanzen bereits in Bioqualität gibt und wo. Und dann schauen, ob der die besorgen kann.« Man müsse dann aber auch bereit sein, ent­sprechend höhere Preise zu zahlen.

Erde zu Erde contains Fairtrade ingredients

Substrate im Gartenbau bestehen klassischerweise maßgeblich aus Torf. Torf ist nichts anderes als Moor bzw. der Erdboden eines Moores. Was am einen Ende der EU,


47 in Irland, noch zu Heizzwecken verbrannt wird, wird am anderen, im Baltikum, abgebaut, um die PflanzenproduzentInnen und Gartencenter Resteuropas mit Erde zu versorgen. Nun sind die Moore nicht »nur« Zentren der Biodiversität, sondern haben auch noch eine viel direktere, einfachere Funktion für Natur und Klima: In ihnen ist fast die Hälfte des in der Atmosphäre gebundenen Kohlenstoffs gebunden.

»Aloe vera – wenn man genug Licht hat – gibt’s in Bio. Da gibt’s auch Sorten, die sich wunderbar im Smoothie machen.« — Andrea Frankenberg

Sukkulenten wie der Geldbaum sind nicht nur pflegeleichte Biopflanzen, sondern auch bereits in Bioqualität verfügbar. »Ich topfe sie um und lasse sie wachsen, dann werden die größer, als viele vermuten«, berichtet Frankenberg.


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48 Die pflegeleichte Pilea Peperomia ist auch als Ufopflanze bekannt. Zumindest für Händ­ lerInnen ist sie in Bioqualität zu bekommen – im Großhandel bei fleischle.de

Bei Erden und Substraten, deren Zutaten aus Österreich oder Deutschland stammen, kann man davon ausgehen, dass enthaltener Torf auch durch Renaturierungsmaßnahmen wieder aufgebaut wird. Das dauert allerdings. Jährlich wächst beispielsweise

die Torfschicht eines Hochmoores auf natürliche Weise etwa einen Millimeter. Wichtig ist also, torffreie oder zumindest torf­reduzierte Erde in Bioqualität zu kaufen. Bio ist in diesem Produktsegment allerdings nicht geschützt, das heißt: Auch nicht biozer­


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Pflanzentausch Noch näher als die regionalen Torfabbaugebiete liegen NachbarInnen, die ihre Pflanzen nicht mehr wollen oder deren Pflanzen sich selbstständig oder unter Zutun der Besit­ zerInnen vermehrt haben und Platz greifen. Das ist einerseits der Klassiker Grünlilie, aber auch von vielen sogenannten Gummibäumen lassen sich ohne besondere Botanikkenntnisse Stecklinge ziehen. So auch vom abgebildeten Geldbaum.

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Caring is Caring

tifizierte Produkte dürfen Bioerde heißen. Frankenberg verweist hier auf die in dieser Hinsicht vorbildliche Schweiz, die zumindest für die für EndverbraucherInnen bestimmte Erde Torffreiheit gesetzlich vorgeschrieben hat.

Wenn man die Pflanzen dann zuhause hat, kann man immer noch vieles richtig machen: nicht nur beim Einkauf neuer Erde und von Düngemitteln. »Ich habe biozertifizierte Sukkulenten und eine Zimmerfeige, die ich geschenkt bekommen habe, die ist konventionell, aber ich dünge sie zumindest organisch«, erläutert Andrea Frankenberg ihren persönlichen Umgang mit dem noch begrenzten Angebot an Biopflanzen auf dem Markt. Bei Dünger sei das am einfachsten. Man bekomme mittlerweile im Bioladen biozertifizierte Dünger, zum Beispiel Wolldünger. Wer sie zum Beispiel aus den oft zu kleinen – schließlich ist im Transport Volumen teuer – Töpfen in größere umtopft, tut seiner Pflanze Gutes und beschleunigt ihr Wachstum. Gar nicht so seltene Ausnahmen hiervon sind Pflanzen, die durch Spritzmittel in ihrem Wuchs gehemmt wurden: »Die Produ­ zentInnen behandeln die Pflanzen, damit der Wuchs klein und kompakt bleibt. Oft wachsen die Pflanzen dann bei den Verbrauch­erInnen gar nicht sofort weiter, sondern erst stark verzögert. Im Biolandbau halten wir die Pflanze durch gärtnerisches Handwerk kompakt, durch organische Düngung, durch die Regulation der Wasserzufuhr und Klimasteuerung. Diese Pflanzen wachsen natürlich, sobald sie bei KonsumentInnen zuhause den Ansprüchen der Pflanze entsprechend gegossen werden.« Wer seine Pflanze nicht durch Vernachlässigung aushungern lässt oder mit zu viel Zuwendung überschüttet, hat länger was von ihr – und muss somit weniger oft neue nachkaufen, die dazu erst mal produziert werden müssen …

EndverbraucherInnen können etwa bei Austropalm aus einem breiten Sortiment an Palmen, Farnen, Strelitzien und Sukkulenten auswählen austropalm.at Bio-Aloe oder Bioeukalyptus neben vielen Gartenkräutern online bestellen auf blu-blumen.de

bio-zierpflanzen.de sammelt Informationen, die im vom deutschen Landwirtschaftsministerium geförderten »Projekt Bio Zierpflanzen« zusammengetragen wurden. Ein neuer aus dem Projekt entstandener Verein arbeitet an einer Erweiterung und umfassenden Neugestaltung der Website bis Ende des Jahres 2021.

Inspiration Emma Sibley und Maaike Koster stellen im Buch »Urbane Botanik – Zimmerpflanzen für Moderne Gärtner« (LV Buch, 2017) ein breites Spektrum von Zimmer­ pflanzen vor. Von Sukkulenten über Kakteen bis Grünpflanzen erklären sie knapp formuliert, laienverständlich und wunderschön illustriert die Hauptmerkmale und Bedürfnisse der Pflanzen.


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Motivation per App Schwitzend Sportübungen vor dem Handy zu machen klingt nicht unbedingt attraktiv. Dennoch schaffen es Fitness-Apps mit psychologischen Tricks, zu mehr Bewegung zu motivieren.

B ild  Istock.co m/iwat1929

D

ie Zahl registrierter NutzerInnen von Fitness-Apps stieg 2020 auf über eine Milliarde, wie aus einer Erhebung (Statista Digital Market Outlook, 2020) hervorgeht. Somit nutzt mehr als jeder achte Mensch eine Fitness-App, also eine Fitness- oder Ernährungsanwendung für das Smartphone, wie beispielsweise Lauftracker oder Kalorienzähler. In Deutschland sollen sich die NutzerInnen von 2017 bis 2024 fast verdoppeln, prognostiziert der Statista Digital Market Outlook. Bliebe die EinwohnerInnenzahl gleich, wäre dann jedeR vierte bis fünfte EinwohnerIn NutzerIn einer Fitness-App. An der Johannes-

Kepler-Universität Linz wurde im März 2020 ein Überblick über wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Fitnesstracker erstellt und insgesamt knapp 121.000 Fitness-Apps gezählt, fast 93 Prozent davon waren kostenfrei erhältlich.

Motivation durch Gamification Die Apps funktionieren, indem sie unterschiedliche psychische Bedürfnisse der NutzerInnen erfüllen und diese so zu mehr sportlicher Betätigung motivieren. Eine im März 2020 im »European Journal of Management and Business Economics« veröffentlichte Studie hat ergeben, dass die Bedürfnisse Kompetenz, Un-

Text Leonie Stieber Das Literaturreview mit dem Titel »Warum wirkt sich Fitness-Tracking auf die Gesundheit aus?« wurde im Oktober 2020 an der Johannes-Kepler-Universität Linz veröffentlicht.


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Fi t ne ss-Ap p s

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Soziale Interaktion

GamificationElemente

Noch motivierter sind NutzerInnen in einer Community: Soziale Elemente und virtuelle Wettbewerbe, wie das Erstellen von Teams oder Ranglisten, erfüllen das Bedürfnis nach Verbundenheit. Eine 2018 veröffentlichte Studie hat zwei Apps miteinander verglichen und berichtet von einer stetigen Leistungssteigerung und einer höheren Bereitschaft zur weiteren Nutzung der App, die auf Interaktion und Wettbewerb basiert, im Vergleich zu der, die über ein Belohnungssystem funktioniert.

sind spieltypische Elemente, die in einem spielfremden Kontext verwendet werden. Dazu gehören beispiels­weise Punkte, Ranglisten und Fortschrittsbalken.

Sport in der Pandemie

Als unspezifische Wirkfaktoren nennt der wissenschaftliche Artikel unter anderem die Verbesserung der körperlichen Gesundheit und das daraus resultierende psychische Wohlbefinden.

Malte Christian Claussen ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Facharzt für Neurologie an der Psychiatrischen Universitäts­ klinik Zürich, Privatklinik Wyss AG und den Psychiatrischen Diensten Graubünden.

Sport und Psyche in der Pandemie abhängigkeit und Verbundenheit durch leistungsbezogene Gamification-Elemente erfüllt werden. Beispielsweise ermöglicht das Erstellen eines individuellen NutzerInnenprofils mit eigenem Avatar das Eintauchen in eine andere Realität, die NutzerInnen fühlen sich kompetent und unabhängig. Weitere Studien bestätigen die gesteigerte sportliche Motivation durch Gamification-Elemente, zum Beispiel durch das Setzen erreichbarer Ziele und die Verwendung von Fortschrittsbalken, auf denen der Weg zum Ziel visualisiert wird.

»Virtuelle Vernetzung ist eine Ergänzung und eine Erweiterung des Angebots, kann aber die persönlichen Kontakte nie ganz ersetzen«, sagt Malte Claussen, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Neurologie an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. »Die Technik versucht auf immer raffiniertere Weise, die sozialen Aspekte des Sports aufzunehmen und nachzubilden, gänzlich ist das aber natürlich nicht möglich.« Dennoch sei Sport gerade während der Pandemie eine Möglichkeit, präventiv gegen die Risiken und Belastungen für die psychische

B ild  Privatkl inik W ys s AG/Natha lie Flubacher, Be ka Bitter li Fo togr afi e

Der Artikel »Psyche und Sport in Zeiten von Covid-19« ist im Mai 2020 in der »Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin« erschienen und beschreibt, welchen positiven Beitrag Sport auf die psychische Gesundheit haben kann.


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Gesundheit vorzugehen. »Unspezifische Wirkfaktoren der Bewegung, aber auch spezifische neurobiologische und neuroendokrinologische Veränderungen durch die körperliche Aktivität, also Veränderungen im Nerven- und Hormonsystem, können hierzu beitragen«, erklärt Claussen. Sport habe zum Beispiel Einfluss auf den Cortisolhaushalt, ein Hormon, das auch bei Stress und Depressionen erhöht ist – weshalb viele Menschen Sport zum Stressabbau nutzen.

B ild  Istock.co m/iwat1929

Erfolg durch Überwachung Unsere Selbstvermessung ist kein neues Phänomen, denken wir etwa an die regelmäßige Messung des Körpergewichts. Sie gewinnt allerdings neue Bedeutung. »Gerade für junge Leute ist es wichtig, sportlich auszusehen«, sagt Ursula Meidert, Dozentin am Institut für Gesundheitswissenschaften der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften. Der Körper wird als Ergebnis der persönlichen Leistung gesehen – Fortschritt ist dank Fitness-Apps und Wearables überprüfbar. Der persönliche Erfolg kann genauestens überwacht werden und motiviert so zu noch mehr sportlicher Betätigung. Doch die gestiegene Motivation wird mit sensiblen Daten bezahlt. Nutzungsgewohnheiten können analysiert und von AkteurInnen wie Pharmaunternehmen, Sportartikelherstel-

lerInnen und Krankenversicherungen unternehmerisch genutzt werden, um angebotene Produkte und Dienstleistungen an den Markt anzupassen. »Nicht alle gesammelten Daten sind relevant für die Funktionalität der Fitness-Apps«, gibt Meidert zu bedenken. »Irrelevant können beispielsweise der Nut­zerInnenstandort und der Name sein.« Die Möglichkeiten, bei den Apps nur die für die Bewegung relevanten Daten anzugeben, seien jedoch stark beschränkt. »Größer als die Konse­ quenzen auf persönlicher Ebene sind die Konsequenzen auf gesellschaftlicher Ebene. Denn je mehr Menschen bereit sind, ihre Daten abzugeben, umso mehr wird es auch gefordert werden«, schließt Meidert.

Medizin- oder Konsumprodukt

Neugier, lass nach

Die QuantifiedSelf-Bewegung

Die Apps haben noch einen Haken: eine meist nur beschränkte Nutzungsdauer. Verantwortlich dafür ist der nachlassende Neuigkeitswert, der besagt, dass sich Leistungen im Umgang mit neuen Technologien erst mal verbessern, auf lange Sicht und mit zurückgehender Neugier allerdings wieder nachlassen. Je länger die Apps genutzt werden, desto weniger spaßig und interessant werden sie meist für die NutzerInnen. Sollte die Motivation für die Nutzung einer App also schon bald nachlassen, gibt es immerhin noch 120.999 weitere Apps, die helfen könnten.

Die HerstellerInnen der Fitness-Apps entscheiden selbst, zu welcher Kategorie ihr Produkt zählt. Nur rund ein Viertel der Anwendungen fällt so unter das strengere Medizinprodukterecht – Fitness-Apps gehören nicht dazu.

Wearables sind am Körper getragene Computersysteme, die die Daten der NutzerInnen registrieren und verarbeiten.

ist ein Zusammenschluss aus Menschen, die Daten von verschiedensten Körper­ funktionen sammeln und auswerten. Das Ziel: den eigenen Körper besser kennenlernen und seine Leistungsfähigkeit steigern.

Ursula Meidert ist stellvertretende Projektleiterin der Studie »Quantified Self – Schnittstelle zwischen Lifestyle und Medizin« und Dozentin an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften.


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EXPERT TALK

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Expertinnen meinen ...

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portbegeisterte können aus 121.000 Fitness-Apps wählen, um sich mit der Hilfe ihres Smartphones zu mehr sportlicher Aktivität oder einem gesunden Lebensstil motivieren zu lassen. Von sanft angeleiteten Dehnübungen bis zu endlos scheinenden LiegestützWiederholungen ist für jede Vorliebe etwas dabei. Wissenschaftliche Studien unterstützen die Behauptungen,

1 Frage, 5 Expertisen.

dass Fitness-Apps zur Steigerung sportlicher Leistungen beitragen. Wer’s probiert hat, weiß: Statt sich nach Lust und Laune zu bewegen, wird dabei strengen Abläufen und Vorgaben gefolgt. Hält man sich nicht an den Zeitplan der App, verfallen virtuelle Abzeichen und Pokale als Zeichen des Fortschritts. Was meinen ExpertInnen dazu?

»Überwiegt der Nutzen von Fitness-Apps die Kosten, weniger selbstbestimmt zu agieren?« Ursula Meidert,

Malte Claussen,

Soziologin und Mitautorin der Studie »Quantified Self«

Psychiater, unter anderem an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich

»Im Moment ist es für junge Leute sehr wichtig, dass sie sportlich aussehen, also einen definierten Körper haben. Die Bilder sind von der Gesellschaft definiert, auf diese Idee kommt nicht jedeR Einzelne von alleine. Lustigerweise fühlen sich viele Leute dadurch nicht fremdbestimmt, sondern sehen die Apps als Hilfsmittel, um ein Ziel zu erreichen.«

»Bei den Fitness-Apps sollten wir uns vergegenwärtigen, dass wir uns in der Regel in einem Breitensport- und Gesundheitssportbereich bewegen. Menschen suchen im Sport einen Ausgleich zu ihren beruflichen und privaten Verpflichtungen. Welchem Zweck der Sport dient und dass es auch im Breitensport psychische Störungsbilder gibt, die entstehen können, wenn der Sport diesen verliert, sollten wir uns immer bewusst machen.«

Bild  zhaw Be ka Bi tterli Fotog ra fi e, Pri vatklini k W yss AG/Natha lie Flu bache r, E va Tritschler, Apollon Hochschule, PRivat

Text und Interview Die Redaktion


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Viviane Scherenberg, Gesundheitswissenschaftlerin an der Apollon Hochschule der Gesundheitswirtschaft »Für eine Pauschalantwort fehlen die Langzeitstudien, aber auch solche zu unterschiedlichen Zielgruppen. Nutzen können in den Bereichen Körperwahrnehmung, Selbstverantwortung und Verhaltensänderung liegen. Es kann aber auch zu einer Reduzierung der Körperwahrnehmung, zu einer Technologiegläubigkeit und der Abgabe der Eigenverantwortung kommen. Oder zum Beispiel zur falschen Umsetzung von Video-Übungen ohne Korrektur durch ExpertInnen.«

Remi Maier-Rigaud, Studiengangsleiter für Nachhaltige Sozial­ politik an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

Bild  Isto ck. com/iwat 1929

»Fitness-Apps können sogar dazu beitragen, dass man selbstbestimmter ist. Wie auch andere technische Hilfsmittel sind sie erstmal nur ein Werkzeug. Potenziell ist ein großer Nutzen da, der auch höher sein kann als die Kosten, sofern die Apps verbraucherschützend reguliert werden. Sonst drohen sie zu ungesundem oder nicht den individuellen Möglichkeiten angepassten Verhalten zu verleiten.«

1 0 Sit-

Ups!

Dieter Korczak, Soziologe und Herausgeber »Digitale Heilsversprechen« (2020), Mabuse-Verlag »Nein, der Nutzen überwiegt nicht, er ist zweifelhaft. Die Kosten, also die Lieferung der eigenen personalisierten Daten an unbekannte Dritte, sind hoch. Mit den Daten können Geschäfte gemacht und Profile erstellt werden, über deren weitere Verwertbarkeit derjenige, der diese Daten abliefert, keinerlei Informationen hat und auch keinerlei Vergütung bekommt. Wenn die NutzerInnen wissen würden, was mit ihren Daten geschieht, würden sie möglicherweise zu einer anderen Einschätzung hinsichtlich der Verwendung dieser Apps kommen.«


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I nv esti e re n

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Nachhaltige Unternehmungen suchen Geldgeberinnen Text Martin Mühl

Nachrangdarlehen werden im Fall eines Konkurses oder einer Pleite gegenüber anderen GläubigerInnen nachrangig behandelt – und gehen dann mitunter leer aus.

Manche Projekte beginnen zum Beispiel ab der Hälfte der Laufzeit, das Investment in Teilbeträgen zurückzuzahlen. Andere sind endfällig. Sie zahlen die Summe am Ende gesamt zurück. Zinsen werden entweder laufend ausgeschüttet oder am Ende mit der Rückzahlung.

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ie Warnschilder auf den Plattformen und ihren Geschäftsunterlagen sind groß und eindeutig: Bei Crowdinvestment ist die Gefahr, das eigene Geld zu verlieren, größer als bei anderen Investmentformen. Doch diese Form, Geld einzusetzen, bringt auch Vorteile: Die Verzinsung liegt oft über fünf Prozent und damit aktuell weit über allen klassischen Sparformen, das Investment hat meist eine klare Laufzeit und man kann selbst wählen, welche Projekte man unterstützen will und welche nicht. Das ist besonders relevant, wenn man Wert darauf legt, ausschließlich nachhaltige Projekte mitzufinanzieren. Teilweise werden diese dadurch überhaupt erst ermöglicht, da es für die Unternehmungen ein Weg ist, an das benötigte Kapital zu kommen, ohne an der Börse notiert zu sein oder neue Gesellschaft­ erInnen zu beteiligen.

Vorauswahl Die Auswahl an Projekten, die finanzielle Unterstützung suchen, wächst ständig – global pro Jahr zwischen rund zehn und 20 Prozent. Für 2021 schätzt man, dass mehr als 5,5 Milliarden Euro in Crowdfunding und -investment ange-

legt werden – und das in mehr als 55.000 Kampagnen. Europa ist hier mit 2,2 Milliarden Euro in 22.000 Kampagnen gut dabei. Im Bereich Nachhaltigkeit gehören dazu landwirtschaftliche ProduzentInnen, Eco-Fashion-Labels und natürlich BetreiberInnen von Windparks und Photovoltaikanlagen. Während Erstere sich mit ihren Ideen und Projekten auch direkt per Newsletter und auf anderen Kanälen an die KäuferInnen ihrer Produkte wenden, tun sich Unternehmungen ohne direkten KundInnenkontakt schwerer. In den vergangenen zehn Jahren wurden deswegen eigene Plattformen gegründet, die eine Vorauswahl treffen und den Zugang und die Abläufe organisieren. Im Bereich der tendenziell nachhaltigen Plattformen gehört Green Rocket zu den wichtigeren. Das europaweit tätige Grazer Unternehmen gehört mit Lion Rocket und Home Rocket zu einem Verbund von drei Crowdinvestment-Plattformen und ist nicht zu verwechseln mit dem Berliner Start-up-Inkubator Rocket Internet, der etwa hinter Hellofresh und Home24 steht. Green Rocket fokussiert auf die Bereiche Energie, Umwelt, Mobilität und Gesundheit. Dabei erfüllt nicht jedes Projekt öko-

Bild Istock.co m/Mykyta Do lmato v

Crowdinvestment gibt die Möglichkeit, einzelne Projekte direkt finanziell zu unterstützen – und die Chance auf Zinsen.


logisch nachhaltige Kriterien, allerdings hat Green Rocket den Ruf, anbietende Unternehmen genau zu prüfen, um das Risiko von Ausfällen möglichst gering zu halten. Crowd4Climate wird vom österreichischen Klimaschutzministerium und auch der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ögut) unterstützt. Hier gibt es deutlich weniger Projekte, aktuell drei, davon zwei zum Thema Solarenergie sowie einen Windkraftpark in Afrika. Crowd4Climate berücksichtigt beim VerbraucherInnenschutz sowohl das österreichische Alternativfinanzierungsgesetz als auch das deutsche Kleinanlegerschutzgesetz.

Einkaufs Erlebnis BioLaden

Kleine Summen Ecocrowd ist eine Plattform für Crowdfunding der deutschen Umweltstiftung und wird vom deutschen Umweltbundesamt und dem deutschen Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit unterstützt. Hier ist es möglich, Projekte mit kleinen Summen zu finanzieren und dafür nicht Geld, sondern Waren zu bekommen. Sogenanntes Tauschgut. Unter den aktuellen Projekten finden sich eine Streuobstbrennerei, die Entwicklung von nachhaltigem Haarwaschmittel oder auch die Rettung eines »Naturpara­dieses in Costa Rica«. Die meisten Projekte kommen aus Deutschland, Bedingung ist dies aber nicht. Bettervest aus Frankfurt ist global in den Bereichen Anleihen (ab 25.000 Euro) und Crowdinvest­ment (bis 25.000 Euro) tätig und listet vor allem Projekte mit starker sozialer Komponente. Dazu gehören Biomasse-Briketts für Kenia, ein Textilkonzept für das Gastgewerbe in Dubai oder auch Solardachanlagen in Indien. Bettervest kooperiert unter anderem mit der Triodos Bank. Die beiden Unternehmen sehen ein großes Interesse an nachhaltiger Geldanlage und einen Bedarf an einfachem Zugang und Beratung durch die Banken. Die gls Bank unterstützt mit gls Crowd die Verbindung von nachhaltigen Unternehmen mit ihren KundInnen. Seit 2017 wurden so 25 Projekte erfolgreich finanziert – mit Investments ab 250 Euro. So konnten in Kombination mit anderen Investitionsformen etwa 17 Millionen Euro für eine Photo­voltaikanlage aufgebracht werden. Für InteressentInnen zahlt es sich aus, die Invest­ mentmöglichkeiten nach den eigenen Vorlieben für Zinsen, Laufzeiten und Fälligkeiten sowie sozialen und ökologischen Kriterien zu überprüfen. Crowd­investment wird in Form von Nachrangdarlehen vergeben – damit ist schlicht das Risiko größer, das Geld zu verlieren. Meist gibt es aber auch mehr Zinsen und es lassen sich so sehr direkt sinnvolle Projekte unterstützen.

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Text Irina Zelewitz

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beschränken. Zumindest fast. Eine Auswahl der in den Drogerien erhältlichen zertifizierten Naturkosmetik, Basis ist dabei immer Rizinusöl oder Jojobaöl.

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Mar k t p l atz f o o d

60 Text und bild Jürgen Schmücking

Käse vom Berg »Käse vom Berg« ist mehr als Bergkäse. Gemeint sind Käsesorten aus alpiner Gegend. Also von überall dort, wo es steinig und steil ist, wo Ziegen und Felsen ebenso im Spiel sind wie Kühe auf Almwiesen.

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ir haben einmal unterstellt, dass Käse vom Berg kantiger, würziger und intensiver ist als der vom Flachland. Sicher waren wir aber nicht, also haben wir uns ein paar alpine Stinker aus den Regalen geholt und getestet. Und ja, klar: Bergkäse war auch dabei.


Bio-Ziegencamembert, Andechser Natur (Deutschland, Österreich)

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Camembert ist ein kleines Dorf in der Normandie, und irgendwie haben es die Franzosen nicht geschafft, den Namen des Käses, für den das Dorf weltberühmt ist, zu schützen. Also gibt es den Camembert überall auf der Welt. Auch im Ennstal. Dort wird der schneeweiße Ziegenweichkäse für die bayerische Biomolkerei gekäst. Wenn er reif ist, also ein, zwei Wochen über dem Mindesthaltbarkeitsdatum, ist er ein Traum. andechser-natur.de

Hofer’s Alptraum, Feinkäserei Capriz (Italien)

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Capriz ist eine Erlebnissennerei im Südtiroler Pustertal. Hofer s Alptraum gibt es sowohl von der Ziege als auch von der Kuh. Es ist ein affinierter Käse, das bedeutet, dass mit dem reinen Käselaib etwas gemacht wurde, um ihn zu verfeinern. In diesem Fall bekam der Käse eine Panade aus Schüttelbrot (Tirol) und Cognac (Erzfeind Tirols). Das Ganze schmeckt grandios (und der Held rotiert in seinem Grab). capriz.bz

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Bio-Brie, Bergpracht (Deutschland)

Genau wie der Camembert kommt der Brie ursprünglich aus Frankreich. Genauer gesagt aus der Stadt Meaux. Beide sind mit einem Pilzrasen aus penicillium camemberti überzogen und genau wie beim Camembert hat der Brie aus dem Supermarkt nichts mit dem originalen Brie de Meaux zu tun. Das war es aber auch mit den Gemeinsamkeiten. Brie hat Form und Ausmaße einer Torte. Bei Bergpracht (Allgäu) ist es zwar eine kleine, aber hochfeine Torte. bergpracht.de

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Bio-Graukäse, Bio vom Berg (Österreich)

Käse vom Berg von Bio vom Berg. Die Tiroler BiopionierInnen holen sich ihren Graukäse von der Erlebnissennerei Zillertal in Mayrhofen. Graukäse ist Sauermilchkäse und – nahezu – fettfrei. Dafür Protein ohne Ende. Der Rohstoff ist silofreie Heumilch, dazu kommen unjodiertes Salz, Kulturen und eine Prise Pfeffer. In Tirol Grundnahrungsmittel und existenziell notwendig für »Graukassippei«, Zillertaler Krapfen, »Kchaspresskchnödel«. biovomberg.at

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Bio-Bergkäse, Demeterhof Lengau (Österreich)

Der Bio-Bergkäse aus Ginzling in Tirol ist allein deshalb eine Rarität, weil er von einem der ganz wenigen Demeter-Höfe in Tirol stammt. Das ist so außergewöhnlich, dass ein kleiner Sidestep erlaubt sei: Rindfleisch (weil demeter, klarerweise vom behornten Vieh), Schweinefleisch (bestes Duroc), Jahrling, Kalb und Kitz. Deshalb auch Ziegenkäse und eben der sensationell würzige und hocharomatische Biobergkäse. lengauhof.at

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Bio-Ziegen-Bergkäse, Andechser Natur (Deutschland)

Auf der Verpackung steht neben »laktosefrei« auch noch »kontrolliert und verpackt in Oberbayern«. Das ist erst einmal verdächtig. Denn wo der Käse verpackt oder kontrolliert wurde, ist für Geschmack und Qualität ziemlich unerheblich. Und dass er laktosefrei ist, versteht sich von selbst, weil Hartkäse – naturgemäß – keinen Milchzucker mehr hat. Egal. Die Milch (frische Bioziegenmilch) kommt von Bioland-Höfen im Alpenvorland. Der Geschmack ist mild, aber ausgesprochen typisch und gut. Großartiger Käse, dessen einziges Manko seine Verpackung ist. Viel Plastik und viel heiße Luft. andechser-natur.de

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Das BIORAMA-Bookazine für alle ÖsterreicherInnen, die Wert auf biologische Küche legen, geht in die dritte Runde! Wir zeigen die Vorzeigebetriebe der Biogastronomie, Biomärkte und Biocatering genauso wie jene, die deren Grundlagenarbeit machen: BioproduzentInnen von Vorarlberg bis zum Neusiedler See. Ein Schwerpunkt widmet sich österreichischen Mehlspeisen, Rezepte gibt’s wie immer obendrauf!

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Die siebte BIORAMA-Niederösterreich-Regionalausgabe Im Herbst erschien bereits zum sechsten Mal die Regionalausgabe von biorama für Niederösterreich. Für all unsere LeserInnen, die mit der Geografie Österreichs nicht vertraut sind, weil sie zum Beispiel in Deutschland zuhause sind: Das Bundesland umgibt die österreichische Bundeshauptstadt Wien, enthält Berge, Seen, die eine oder andere Barockstadt, recht viel Gegend und knapp 1,7 Millionen EinwohnerInnen. Natürlich tut sich hier einiges, das aus biorama-Perspektive berichtenswert ist. Im Frühjahr erscheint die nächste Ausgabe.

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Oh-oh-Orakel Text Ursel Nendzig

Bei uns in der Familie wird nicht so lange gewartet, bis ein Berufswunsch ausgesprochen wird. Wozu auch, wenn es das Orakel gibt?

Autorin Ursel Nendzig, Mutter zweier Söhne, berichtet live aus der Achterbahn.

illustrat ion Nana Mandl

I

n meiner Familie wird gerne, ständig und mit Begeisterung herumorakelt. Vor allem das Berufsorakel ist sehr beliebt. Und weil meine (Herkunfts-)Familie, also die Großeltern meiner Buben, aus dem Schwäbischen kommt, beginnt das Berufsorakel immer mit fahren, dabei ist er erst drei!« »Des gibt den Worten »Des gibt amol an…«, zu Deutsch: »Der/ bestimmt amol an Sportler!«, rief die die wird einmal ein…«. Ich erinnere mich, als mein Großmutter, nach der Urgroßmutter die Cousin, heute zwei Meter hoch und Maschinenoberste Oraklerin, aus. So ging das mit bauingenieur, damals vier Jahre alt, in einer Tour sehr vielen vermeintlichen Talenten. Er »Zicke, zacke, Hühnerkacke!« sagte und sich von kann seinen Namen schreiben? Klarer Fall Mal zu Mal mehr hineinsteigern und begeistern von Schriftsteller. Er kann schon selber ein konnte für den unglaublichen Witz, den er darBrot schmieren? Koch, was sonst? in fand. »Des gibt amol an Komiker«, klare DiagLeicht ins Stocken kam das Ganze letztens nose. Oder Cousinchen, einen schönen Blumenbeim kleinen Sohn. Als vor kurzem ans Licht strauß pflückend, ganz klar: Floristin. Meine kam, dass er einen Pimmel auf den Gehweg Schwester, die recht oft und gerne etwas besser vor unserem Haus gesprüht hatte, schwieg das weiß, wurde sehr früh als Lehrerin diagnosgroßmütterliche Orakel am anderen Ende der tiziert. Was sie auch wurde. Allerdings ist es Leitung – mehr betreten als ratlos, wie ich festder bisher einzige überlieferte Volltreffer. stellen muss. Bei meinem Bruder war auch schnell klar, dass er ent­weder Brandstifter oder Computergenie werden würde,da war sich das Orakel » Was muss ein Kind vorweisen, nicht sicher. Er entschied sich für Letzteres. damit es heißt, es würde TikLogischerweise wurden auch Tok-Star werden, Umweltaktivist aus mir viele Berufe heraus­ oder Genderforscherin?« orakelt, keinen einzigen davon habe ich (bisher) ergriffen. Schauspielerin nicht. MusikeIch vermute jetzt, dass es daran liegt, dass es ein rin nicht. Gute Hausfrau nicht. Mode­ Update bräuchte. Viele der Berufe, die wir heute hadesignerin nicht. Ärztin nicht. Tierben, sind in seinem Wortschatz einfach nicht vorhanärztin schon gar nicht, genauso wenig den. Dass man Lehrerin wird oder Autorin oder Tierwie Flötistin. ärztin, kann ja jeder vorhersagen. Aber was muss ein Auch vor meinen Kindern macht Kind vorweisen, damit es heißt, es würde TikTok-Star das Berufsorakel nicht halt. Der growerden, Umweltaktivist oder Genderforscherin? ße Sohn war ein besonders appe­ Aber keine Sorge, was die Sprayaktion zu bedeuten hat, titliches Opfer, weil ich über jeden kann ich, a. k. a. das Nachwuchsorakel, euch ganz genau kleinen Scheiß, den er konnte, so sagen: Skandalkünstler. Oder, das kam dann beim verordbegeistert war, dass das Orakel neten Gehsteigschrubben recht deutlich raus: Straßenreinatürlich sofort ansprang. »Stellt niger. Oder halt irgendwas dazwischen. euch vor, der T. kann Fahrrad


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