Biorama #51

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P.B.B. — 11Z038861 M — 1040 WIEN —— WWW.FACEBOOK.COM/BIORAMA

KOSTENLOS — ABER ABONNIERBAR

AUSGABE 51 — OKTOBER / NOVEMBER 2017. WWW.BIORAMA.EU

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MILCH Über ein boomendes Verlustgeschäft. Und Bio als Alternative Alpen: Der Ausverkauf eines Gebirges. Kunst: Das Politische in Naturdarstellungen. Tiere tragen: Ist es okay, gebrauchtes Fell zu tragen?

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BIORAMA Nº. 51

NEWSLETTER

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bior a new ma.eu/ slet ter

Newsletter abonnieren und Wanderlust Tees gewinnen!* Unter allen Leserinnen und Lesern, die sich für unseren zweiwöchentlich ausgeschickten Newsletter anmelden oder diesen bereits abonniert haben, verlosen wir bis 15. Dezember 2017 insgesamt 70 Packungen der 20 neuen Wanderlust-Teesorten von Lebensbaum. Alle selbstverständlich in Bio-Qualität. Ganz ohne Geschmacksverstärker, Aromazusatz oder sonstige Zusatzstoffe — dieser Überzeugung von Lebensbaum sind auch alle 20 neuen »Wanderlust«Teesorten treu. Um den Reichtum an Geschmack und traditioneller Verarbeitungstechnik hervorzuheben, sind dafür die Zutaten besonders groß geschrieben, auch im Wortsinn. Sofort erschließt sich, womit man es als Teen-Genießer zu tun hat. Die Sorten selbst sind durchaus ungewöhnlich – etwa Karotte & Karma, Aloha & Apfel, Tulsi & Wildes, Wald & Kräuter oder Beeren & Waldmeister.

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Newsletter-Anmeldung unter biorama.eu/newsletter

* alle gewinner werden von der redaktion nach zufallsprinzip ermittelt und von uns per mail kontaktiert. sie erhalten in folge einen gutschein zugeschickt, den sie selbst einlösen können. der rechtsweg ist ausgeschlossen.

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AUFTAKT

INHALT

07 Editorial 08 Global Village Die Welt im Großen & Kleinen

Schwerpunkt: Milch

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18 Welche Milch darf’s denn sein? Milch ist nicht gleich Milch 22 Film: »Das System Milch« Regisseur Andreas Pichler im Interview 24 Weshalb der Preis für Biomilch stabil ist Interview mit Rüdiger Brügmann 28 Meterware Milch Welche Milch kann was?

Magazin 30 »Schwarzbuch Alpen« Matthias Schickhofer über die Entwicklung der Bergregion 36 Die Rückkehr des Wolfs Citizen Science in der Wildnis 42 Marken-Erlebniswelten Über das Fühlen, Riechen und Ausprobieren 48 Der digitale Mäzen Funktioniert Crowd-Sustaining? 54 Naturgeschichten Die Verklärung von Natur als Thema in der Kunst 62 Tierischer Vintage Trend Fell und Pelz aus zweiter Hand 66 Teerebellen Besuch in einer französischen Teefabrik

Marktplatz 72 Marktplatz Food Mostbarkeiten 74 Marktplatz Kosmetik Wannenwonnen 76 Eingebrockt & Ausgelöffelt Die Mohnpotize 78 Glasgeflüster »Best of Bio« von früh bis spät welche milch darf’s denn sein? Andreas Pichler hat für seinen Dokumentarfilm »Das System Milch« einen Blick auf das Geschäft aus dem Kuhstall geworfen. Wir haben mit dem Regisseur gesprochen und die Frage gestellt: Welche Milch darf ’s denn sein?

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Kolumnen 80 Malzzeit 82 Elternalltag

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.51 WAS

KOCHEN WIR

MORGEN FÜR

ZEHN MILLIARDEN

MENSCHEN WELTWEIT?

ZUKUNFT AKTIV MITGESTALTEN:

SKYBERRIES

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VERTICAL FARMING

DIE KONFERENZ ZU ERNÄHRUNGSSICHERHEIT,

der digitale mäzen Crowd-Sustaining-Plattformen wie Patreon sollen Digitalarbeitern zu regelmäßigem Einkommen verhelfen. Funktioniert’s?

URBANER LANDWIRTSCHAFT UND VERTICAL FARMING

28. FEBRUAR - 2. MÄRZ 2018 MESSE WIEN CONGRESS CENTER www.skyberries.at

74 part of

PENNY McBRIDE

DICKSON DESPOMMIER

SASKIA SASSEN

66 die teerebellen Wie die Teefabrik eines Konzerns zur Kooperative wurde.

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DANIEL PODMIRSEG

wannenwonnen Pflegendes für die Auszeit in der Badewanne.

vertical farm institute

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Die neue taz. Getragen von Vielen.

10 Wochen täglich taz für 10 Euro. Sind Sie dabei? taz.de/new-paper

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EDITORIAL, IMPRESSUM

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EDITORIAL

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Thomas Stollenwerk Chefredakteur stollenwerk@biorama.eu

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IMPRESSUM HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEUR Thomas Stollenwerk AUTOREN Claudia Diwold, Caroline Gierlinger Theresa Girardi, Irene Maria Gruber, Theresa Imre, Micky Klemsch, Stéphanie Krischel, Sarah Krobath, Magdalena Meergraf, Ursel Nendzig, Doris Neubauer, Sabine Schlimm, Bernadette Schmatzer, Jürgen Schmücking, Eléna Seitaridis, Wolfgang Smejkal, Werner Sturmberger, Bernadette Strohmaier, Manuela Tomic, Jonas Vogt, Helena Zottmann ART DIRECTOR Sig Ganhoer GESTALTUNG Sig Ganhoer, Michael Mickl LEKTORAT Hildegard Atzinger ANZEIGENVERKAUF Herwig Bauer, Micky Klemsch (Leitung), Bernadette Schmatzer, Thomas Weber DRUCK Niederösterreichisches Pressehaus, Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H. Gutenbergstrasse 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien; www.biorama.eu, redaktion@biorama.eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT siehe Website: www. biorama.eu ERSCHEINUNGSWEISE 6 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien

BLATTLINIE Biorama ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für Mensch und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. Biorama erscheint sechsmal im Jahr.

FOTO Elisabeth Els

ie 51. biorama-Ausgabe schicken wir ein paar Tage nach der deutschen Bundestagswahl und ein paar Tage vor der österreichischen Nationalratswahl in die Druckerei. Politik hat also gerade Hochsaison und in solchen Zeiten wird naturgemäß viel diskutiert. Manche Themen bekommen dabei (zu) viel Aufmerksamkeit. Und andere eher (zu) wenig. Letzteren widmen wir uns auf den 84 biorama-Seiten besonders gerne. Diese Themen haben nämlich ständig Saison: Umwelt- und Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung. In unserem Heft-Schwerpunkt zum Thema Milch nähern wir uns mit dem Dokumentarfilmer Andreas Pichler dem »System Milch« und werfen einen Blick auf das Geschäft rund um den Rohstoff aus dem Kuhstall. Wir beschäftigen uns mit einem Immigranten – nämlich dem Wolf, der als Rückkehrer in Mitteleuropa zum Forschungsobjekt von »Citizen Science« wird. Und wir stellen die Frage, ob sich durch Crowd-Sustaining möglicherweise nachhaltig von kreativer Digitalarbeit leben lässt. Wir hoffen, wir können damit Interesse gewinnen. Stimmen zu gewinnen, überlassen wir der Politik.

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BILD DER AUSGABE

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ZWISCHEN NATUR UND KUNST Irgendwo zwischen Landschaftsmalerei, Werbefotografie und Porträtkunst liegt die Fotoreihe »Tree …«. Bäume, umrahmt von einer weißen Leinwand, werden darin zu Kunstwerken der Natur. Durch die Bildin-Bild-Technik macht der koreanische Künstler Myoung Ho Lee die Veränderung und Verfälschung der Natur durch den Menschen spürbar: Als müsste man Bäume bald auf Leinwänden in die Landschaft hängen, um deren Fortdauer zu garantieren. So bringt Myoung Ho Lee den Themenschwerpunkt der Ausstellung »Visions of Nature« im Kunsthaus Wien auf den Punkt. 25 Künstlerinnen und Künstler reflektieren in ihrer Arbeit die Beziehung zwischen Mensch und Natur. Angelangt an dem Punkt, an dem wir Menschen uns nicht mehr zur Natur zählen, trifft die Ausstellung den Zeitgeist einer Gesellschaft, die ehrfürchtig vor den Langzeitauswirkungen der menschlichen Gewalt auf den Planeten steht und sich nach der Berührung mit intakter Natur sehnt. »Visions of Nature«, 13.09.2017 bis 18.02.2018 im Kunsthaus Wien. kunsthauswien.com

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TEXT Claudia Diwold BILD Myoung Ho Lee, Tree…#2, 2011, Courtesy Yossi Milo Gallery, New York

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30 Minuten

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vielfältig. köstlich. bio. Im 30 Minuten Rezeptkistl liefern wir dir schnelle, köstliche Rezepte mit genau passenden BioZutaten, frisch von unseren Feldern und den besten BioPartnern, direkt zu dir nach Hause. Alle Infos auf adamah.at/rezeptkistl

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STREET-TALK WIR FRAGEN, FÜNF EINSIEDLER ANTWORTEN.

»WÄRST DU EINSIEDLER, WO WÜRDEST DU LEBEN?« Jakob 19, Student

Katherina 22, Studentin

Island ist ein super Land, ich würde da einfach ins Hochland gehen und dort mit Schafen leben.

Ich könnte niemals Einsiedler sein, weil ich der fürchterlichste Stadtmensch aller Zeiten bin. Bei allem, was länger als eine Woche ohne Stadt ist, bin ich raus.

Georg 69, Selbstständiger

Marco 18, Maturant

Auf der Katrin, bei Bad Ischl in Oberösterreich. Das ist mein Geburtsort. Ich bin halt ein sentimentaler Typ.

Ich würde Richtung Irland oder England gehen, da war ich jetzt auch die letzten Jahre. Von der Natur her ist das das Schönste, was ich kenne. Südengland wär’ mir sogar zu heiß, deswegen dann doch lieber im Regen.

That’s a difficult one. Nowhere remote, I know that. In the countryside, near a village, somewhere. It would probably be a bit too hobo-ish to live in a town.

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INTERVIEW UND BILD Claudia Diwold und Anika Suck

Margaret 66, Pensionistin

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GLOBAL VILLAGE

TEXT Claudia Diwold BILD Econyl, My Human Kit, Gestalten-Verlag

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DEUTSCHLAND

FRANKREICH

VIERTEL VOR UMWELTMALHEUR

DIY-PROTHESEN

Nur noch kurz die Welt retten. Wovor? Uns selbst, oder zumindest unserem achtlosen Luxusalltag, das ist die Mission von »Viertel Vor«.

Die Umwandlung von Handicaps in Möglichkeiten zur Selbsthilfe nennt sich die Philosophie von My Human Kit.

Viele Blogs und Instagram-Channels leben von Selbstdarstellung, Product-Placement und Oberflächlichkeit. Dass man auch anders bloggen kann, zeigen die freie Journalistin Anna Schunck und der Fotograf Marcus Werner mit »Viertel Vor«. In ihrem Online-Magazin hinterfragen die beiden die Folgen von wachsendem Wohlstand und bedienen sich dafür der gewohnten Formate eines Lifestyle-Blogs. Wie wird unser Planet nach der Immer-mehr-Generation aussehen? Wo liegen die Grenzen unseres Handelns? Gemeinsam mit der Community und dem Netzwerk aus Menschen, die ihre Vision teilen, suchen sie zwischen Brandenburg und Berlin nach Antworten. In Interviews, Porträts und Produktempfehlungen vermitteln Anna und Marcus Anregungen für einen bewussten und ressourcenschonenden Alltag. Allerdings nicht mit erhobenem Zeigefinger, dafür mit bodenständigem Charme, wachsender Reichweite und viel Herz.

Selbermachen liegt im Trend. Von Marmelade über Waschmittel bis zum eigenen Paletten-Bettgestell, überall wird selbst Hand angelegt. Jetzt soll, wer eine Prothese braucht, diese auch selbst miterfinden und bauen können. In sogenannten »Human Labs«, offenen Werkstätten, werden mithilfe von kollektivem Wissen und digitalen Herstellungstools, wie 3D-Druckern und Lasercuttern, individuelle Lösungen geschaffen. Produkt dieser Zusammenarbeit sind personalisierte Prothesen, die sich vor allem auf psychischer Ebene von 08/15-Prothesen unterscheiden. Eine Beinprothese soll nicht bloß eine Gehhilfe darstellen, sondern auch schön sein und die Möglichkeit bieten, stolz auf den eigenen Körper zu sein. Diese Wertschätzung möchte My Human Kit international teilen. Seit Nicolas Huchet, Gründer der Assoziation, 2013 mit der ersten DIY-Prothese den Startschuss setzte, wuchs ein Netzwerk, das sich innerhalb von drei Jahren auf 20 Länder erweiterte.

viertel-vor.com

myhumankit.org

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ITALIEN

WELTWEIT

ENDSTATION WELTMEERE?

VON BUSSEN UND ABENTEURERN

Econyl möchte den Fast-Fashion-Trend des 21. Jahrhunderts entschärfen und die ökologische Wende in unseren Meeren einleiten.

Schon wieder ein Buch, das uns Aussteigerträume schmackhaft machen will. Doch »Off the Road« macht Schluss mit klassischer Traveller-Romantik.

Jede Wäschetrommel voll Kunstfaser überschwemmt die Umwelt mit Mikroplastik – eine unsichtbare Gefahr, die vor allem Meeresbewohnern zusetzt. Um dem verstärkten Aufruf der Konsumenten nach grünen Alternativen gerecht zu werden, entwickelte der italienische Kunstfaser-Hersteller Aquafil das Textil- und Teppichgarn Econyl. Das große Versprechen dahinter: Der Recycling-Kreislauf kann im Vergleich zu herkömmlichen Plastik-Recycling-Methoden ohne Qualitätsverlust endlos wiederholt werden. Ausgangspunkt sind herrenlose Fischernetze, alte Teppiche und Industrieabfälle. Diese werden weltweit eingesammelt, in Slowenien für die Weiterverarbeitung aufbereitet und in Italien mit ein bisschen Chemie zu Wundernylon verwandelt. Am Ende des einzigartigen Produktkreislaufs stehen synthetische Teppichbodenbeläge und Outdoor- sowie Badebekleidung. Marken wie Adidas, Volcom und Triumph sind bereits auf den Kreislauf-Zug aufgesprungen. Wer Wert auf Mülltrennung legt, sollte zukünftig also Fischernetze tragen.

Mal ist der Nachbar zehn Monate weg, mal das Zimmer in der Studenten-WG für ein Jahr zu haben, oder es ist die Katze. Den Alltag hinter sich zu lassen und einfach draufloszufahren, davon träumen immer mehr Menschen. 27, die diesen Traum Wirklichkeit werden ließen, erzählen in dem etwas anderen Travelguide vom Gestalten-Verlag die Abenteuergeschichten ihrer Roadtrips. Eine essenzielle Rolle spielen dabei ihre Fahrzeuge, die oft eigenhändig ins mobile Zuhause verwandelt wurden. Vom vollausgestatteten Campingbus über Oldtimer bis zum Motorrad sind die Fortbewegungsmittel so individuell wie die Reisenden und deren Ziele und Motive. Eine bunte Mischung aus Ländern, Fahrzeugen und Menschen, festgehalten auf großflächigen Fotos, macht schon beim ersten Durchblättern Lust aufs Unterwegssein, egal ob allein, mit Freunden oder Familie, Hauptsache ohne Alltag. »Off the Road« versorgt jene, die das Fernweh packt, mit spannenden Tipps, Packhilfen und Routenoptionen, lässt aber auch jene, die lieber von der Couch aus vom Roadtrip träumen, die Faszination der Reiseatmosphäre und den Cocktail aus Aufregung und Nervosität spüren.

econyl.com

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GLOBAL VILLAGE

TEXT Claudia Diwold BILD Marinka Grondel, Hong Yi-chen

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BELGIEN

TAIWAN

NAHTLOS ZUM KUNDEN

VERSCHMUTZUNG AM STIEL

Mittels Makerspaces, Open Source und DIY möchte Martijn van Strien Nachhaltigkeit in die Fast-Fashion-Industrie injizieren.

Drei taiwanesische Design-Studenten hauchen dem Thema Wasserverschmutzung neuen Wind ein – mit Eis am Stiel.

Drei grundlegende Aspekte machen die Modeindustrie laut Martijn van Strien so ausbeuterisch für Mensch und Umwelt: der Transport der Rohstoffe und Endprodukte, die Überproduktion, die 30 bis 40 Prozent der weltweit angebotenen Kleidung unverkauft zu Müll macht, und die Verwendung von billigem Material, ohne dabei einen Gedanken an Recycling zu verschwenden. Genau an diesen drei Punkten setzt The Post-Couture Collective an, um den ökologischen Fußabdruck der Modeindustrie zu minimieren. Die Alternative sind auf Anfrage vor Ort durch Lasercutter maßgeschneiderte Kleider aus recyceltem oder recycelbarem Material. So soll Müll und Transport eingespart werden. Noch einmal zum Mitschreiben: Man wählt online das gewünschte Design aus, gibt seine Körpermaße an, spaziert mit dem passenden Stoff zum nächsten Laserdrucker, füttert ihn mit der entsprechenden Datei und lässt ihn seine Arbeit tun. Das geschnittene Stück Stoff steckt man dann an den vorgegebenen Stellen zusammen, und voilà, fertig ist das eigene Post-Couture-Stück.

Zigarettenstummel, Flaschenstöpsel, Fischgerippe und Schiffsöl finden sich in den Gewässern Taiwans. Bilder, die immer mehr zum Tagesgeschäft sozialer Netzwerke gehören und durch den Gewöhnungseffekt wenig Aufsehen erregen. Mit »Polluted Water Popsicles« ernten Hong Yi-Chen, Guo Yi-hui und Cheng Yu-Ti jedoch international Aufmerksamkeit und bereits erste Preise. 100 Proben aus Bächen, Flüssen, Stränden und Häfen in Taiwan haben sie in Formen eingefroren und so zu Wassereis verwandelt. Der Kontrast zwischen Thema und Umsetzungsmedium kombiniert mit farbenfrohen Verpackungen visualisiert die Problematik ganz deutlich und ist konzeptuell der perfekte Humus für eine gelungene Umsetzung und folglich starke Aussage. Um die Kunstwerke in Ausstellungen zeigen zu können, fertigte das Trio Duplikate aus Polyesterharz an. Diese können an mehreren Plätzen in Taiwan bestaunt werden. Teil der Ausstellung sind auch das dazugehörige Buch und eine Landkarte mit genaueren Infos zur jeweiligen Wasserprobe.

postcouture.cc

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Was soll das eigentlich? Erdbeerjoghurt? Plastikbecher. Mineralwasser? Plastikflasche. Unvorstellbare 300 Mio Tonnen Plastik produziert die Menschheit pro Jahr. Mit ein wenig Sturheit haben wir erreicht, dass heute bereits 96% unserer Verpackungen wiederverwertet oder kompostiert werden können. So verwenden wir abbaubare Folien aus Holz, sowie Teebeutel aus Bananenfasern und Maisstärke. Die kosten zwar ein paar Cent mehr, aber dafür nicht die Welt. Mehr Infos findest du unter www.sonnentor.com/verpackung

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MEINE STADT

MEINE STADT: DRESDEN

VON SASCHA KORNEK

LIEBLINGSPLÄTZE UND ECO-HOTSPOTS

BILD Gartennetzwerk, Neustadt Geflüster, Sukuma arts e.V., Stadt Dresden, Nils Eisfeld, Lorenza Salati

Sascha Kornek (39) ist gebürtiger Dresdner. Er initiierte vor zwölf Jahren die Nachhaltigkeitsinitiative Sukuma arts e.V., die alltagstaugliche Bürger-Projekte für eine zukunftsfähige Entwicklung umsetzt. An Dresden mag er besonders die vielen Initiativen, die sich für eine enkeltaugliche Transformation der Stadtgesellschaft engagieren. sukuma.net

Gartennetzwerk Dresden In Dresden vernetzen sich über 20 Gemeinschaftsgärten. Sie verknüpfen mit dem Gärtnern bewusst gesellschaftliche Fragen, wie die nach ökologischen Lebensweisen, stellen Raum unkommerziell zur Verfügung, organisieren Nachbarschaftshilfe, üben Kooperation statt Konkurrenz und Selbermachen statt Konsum. dresden-pflanzbar.de

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Lose-Laden Lose ist ein verpackungsloser Tante-Emma-Laden mit gemütlicher Kaffee- und Kinderspielecke basierend auf einem nachhaltigen Gesamtkonzept – alles Interieur wurde selbst gebaut oder gebraucht gekauft. 95% der Produkte sind Bio, 5% regional und bewusst ausgewählt. Die Preise gestalten sich kundenfreundlich. Es finden regelmäßig Veranstaltungen zu nachhaltigen Themen statt. lose-dresden.de

Umundu-Festival Jedes Jahr Ende Oktober gibt es in Dresden ein BürgerFestival zur nachhaltigen Entwicklung. Mit jährlich wechselndem Fokusthema setzt sich das vielfältige Programm mit den globalen Entwicklungen und Zukunftsstrategien auseinander und diskutiert Potenziale für einen lokalen und globalen Wandel hin zur Nachhaltigkeit. umundu.de

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Zukunftsstadt Die Dresdner Bürgerinnen und Bürger haben eine Vision für die Zukunft ihrer Stadt – grüner und ruhiger soll sie werden, nachhaltig. Gemeinsam mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft diskutieren und entwickeln sie deshalb Projekte, die ihre Stadt in diese Richtung lenken. Nachhaltige Entwicklung geht eben nicht alleine, sondern: alle etwas an. zukunftsstadt-dresden.de

Rosenwerk Mit der offenen Werkstatt »Rosenwerk« entstand 2015 ein pulsierendes Zentrum der Selbstmachkultur für die Stadt Dresden. Hier stehen Repair-Cafés und Doit-yourself-Werkstätten für alle Menschen kostenlos offen. Das Rosenwerk gibt verschiedensten kulturellen, gesellschaftlichen und handwerklich-technischen Aktivitäten Raum. konglomerat.org

Streetfoodmarkt Bei Streetfood in der Markthalle in Dresden bieten lokale Händler Essen auf die Hand aus regionalen und saisonalen Zutaten an. Serviert wird auf ressourcenschonendem Einweg- oder Mehrweggeschirr. Jeder erzählt so seine Geschichte für mehr Nachhaltigkeit in der Gastronomie. sukuma.net/streetfoodmarkt

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Zukunftsstadt Die Dresdner Bürgerinnen und Bürger haben eine Vision für die Zukunft ihrer Stadt – grüner und ruhiger soll sie werden, nachhaltig. Gemeinsam mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft diskutieren und entwickeln sie deshalb Projekte, die ihre Stadt in diese Richtung lenken. Nachhaltige Entwicklung geht eben nicht alleine, sondern: alle etwas an. zukunftsstadt-dresden.de

Rosenwerk Mit der offenen Werkstatt »Rosenwerk« entstand 2015 ein pulsierendes Zentrum der Selbstmachkultur für die Stadt Dresden. Hier stehen Repair-Cafés und Doit-yourself-Werkstätten für alle Menschen kostenlos offen. Das Rosenwerk gibt verschiedensten kulturellen, gesellschaftlichen und handwerklich-technischen Aktivitäten Raum. konglomerat.org

Streetfoodmarkt Bei Streetfood in der Markthalle in Dresden bieten lokale Händler Essen auf die Hand aus regionalen und saisonalen Zutaten an. Serviert wird auf ressourcenschonendem Einweg- oder Mehrweggeschirr. Jeder erzählt so seine Geschichte für mehr Nachhaltigkeit in der Gastronomie. sukuma.net/streetfoodmarkt

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MILCH

WELCHE MILCH DARF’S DENN SEIN?

Das Angebot an unterschiedlicher Milch ist riesig. Aber welche Milch steht wofür, und weshalb sind die Preisunterschiede so groß?

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TEXT

Thomas Stollenwerk

Milch ist längst industrieller Rohstoff.

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beträgt die Körper-Innentemperatur von Milchkuh Connie um 6 Uhr früh. Der pH-Wert im Pansen liegt bei 7,3. Ganze 33,7 Kilogramm Milch hat sie am Vortag gegeben, und gelaufen ist sie 750 Schritte, und das bei einer Luftfeuchtigkeit von 47 Prozent im Boxenlaufstall. Connie lebt auf dem Bauernhof der Familie Siebers am Niederrhein. In der Nähe liegt ein Ort namens Rindern. 750 Milchkühe geben auf dem Hof zusammen ungefähr 20.000 Kilogramm Milch, jeden Tag. Ein Kilogramm Milch – das entspricht fast einem Liter. In einem deutschen Supermarkt bekommt man einen Liter Milch im September 2017 ab 63 Cent. Das »Preiseinstiegssegment« – so nennt der Einzelhandel das untere Ende der Preisskala – beginnt bei 1,5 Prozent Fettgehalt. Für eine Vollmilch mit 3,5 Prozent Fettgehalt sind fünf Cent mehr zu berappen. Immer noch sehr wenig. Für die ultrahocherhitzten haltbaren Varianten wird jeweils derselbe Preis verlangt. Eine Alpenmilch, auf deren Verpackung saftiges Gras in Großaufnahme und der Schädel einer grasenden Kuh zu sehen sind, ist schon deutlich teurer: 95 Cent pro Liter. Und ein Liter Biovollmilch kostet sogar stolze 1,59 Euro. Das Milchangebot in einem durchschnittlichen Supermarkt ist groß. H-Milch, Vollmilch, Alpenmilch, Wiesenmilch, Heumilch, faire Milch, Milch aus der Region, fettarme Milch, laktosefreie Milch, Milch in Pulverform. Die weiße Flüssigkeit aus dem Euter von Kühen wird in unterschiedlichsten Preisklassen mit Differenzen von

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BILD

Milchindustrie-Verband Jakob Stark, Tiberius Film Martin Rattini, Tiberius Film

mehr als 100 Prozent angeboten. Wer eher durchschnittlich viel mit Milch zu tun hat, verliert da schon einmal den Überblick und denkt sich: »Ich will doch einfach nur Milch.« Die Zeiten, in denen Milch »einfach nur Milch« war, sind längst vorbei. »Es ist wie bei Darwin«, beschreibt Aart Jan van Triest die Entwicklung im Dokumentarfilm »Das System Milch«. Er ist Marketingchef der niederländischen Großmolkerei Friesland-Campina. »Wer sich nicht weiterentwickelt, stirbt. Wir müssen uns also ständig verändern und wachsen, um innovativ zu bleiben und weiter investieren zu können.« Dem Filmemacher Andreas Pichler gewährte der Milchvermarkter einen überraschend offenen Einblick in das Geschäft international tätiger Großmolkereien: »Wir sagen immer, bei uns geht es vom Gras ins Glas. Wir haben die Kühe, die Produktion, den Verkauf und die Produkte. Man kann uns am ehesten mit einer Raffinerie vergleichen. Wir produzieren mit unserer Milch eine extrem breite Produktpalette.«

MEHR MILCH, WENIGER BAUERN Während die Produktpalette immer breiter wird, geben europaweit Jahr für Jahr tausende Milchbauern ihre Betriebe auf. In Deutschland sinkt die Zahl der Milchbetriebe jedes Jahr um zwei bis vier Prozent. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der deutschen Milchbetriebe fast halbiert. Heut gibt es noch rund 67.300 Milchbetriebe, die gemeinsam über vier Millionen Milchkühe halten. In Österreich ist die Zahl der Milchbauern von 134.000 im Jahr 1980 auf 30.000 im Jahr 2015 gesunken. Gleichzeitig steigen die durchschnittlichen Betriebsgrößen. In immer weniger Ställen stehen immer mehr Milchkühe, lautet der allgemeine Trend. Um als Produzent im Milchgeschäft zu bestehen, gibt es verschiedene Strategien. Milchviehhalter können wachsen und ihre Betriebe auf Leistungsfähigkeit trimmen. Sie können aber auch biologisch produzieren und ihre Milch teurer anbieten. Sie können den Weg der Selbstvermarktung wählen oder konsequent auf Regionalität setzen. Leicht ist keiner dieser Wege.

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MILCH

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links: Euterschau bei einer italienischen Agrarmesse. unten: »Milchfabrik« im Film »Das System Milch«.

Milchkuh Emma tritt um halb sieben am Morgen zum Melken an, auf dem Hof der Familie Höck in Lohmar. Bei den rund 100 Rindern dauert das ungefähr zwei Stunden. 2.500 Kilo Milch kommen so täglich zusammen. Kuh Emma gibt zwischen 6.000 und 10.000 Kilo Milch pro Saison. Eine Saison – das ist die Zeitspanne, in der eine Kuh nach dem Kalben Milch gibt und gemolken werden kann. Sie dauert etwa zehn Monate. Zweimal am Tag wird beim Familienbetrieb Höck gemolken. Ein Teil der Milch landet nicht im Tankwagen der Molkerei, sondern in der Milchtankstelle. Die besteht aus einem Automaten, der in einer Gartenhütte nahe der Hofeinfahrt steht. Hier gibt’s für einen Euro einen Liter Rohmilch ab Hof.

SELBSTVERMARKTUNG UND BIO

duzieren, Abfüllen und Vermarkten von Milch mache allerdings nicht für jeden Betrieb Sinn, gibt Antje Hassenpflug zu bedenken: »Was man auf jeden Fall haben muss, ist Freude am Kontakt mit Menschen, weil man in der Direktvermarktung eben an den Endverbraucher vermarktet. Wenn einem das nicht so liegt, dann sollte man nicht in die Direktvermarktung gehen.« Immerhin: Wer als Landwirt die Molkereien aus dem Spiel lässt, kann zum Teil deutlich höhere Preise für seine Milch erzielen. Von den Mitgliedern des Verbands der Milchdirektvermarkter weiß Antje Hassenpflug, dass Literpreise zwischen 1,20 und 1,80 Euro realistisch sind. »Man kann das ja nur machen, wenn es sich lohnt. Wenn kein Euro übrig bleibt, dann muss man es sein las-

Wenn die Milchpreise, die von den Molkereien gezahlt werden, für längere Zeit im Keller sind, dann sehen sich viele Bauern nach alternativen Vertriebswegen um. Das kann Antje Hassenpflug vom deutschen Verband der Milchdirektvermarkter bestätigen: »Das Hauptargument für die Direktvermarktung ist die Unabhängigkeit von den Molkereien im Preis. Wenn der Preis sehr niedrig ist, dann versuchen natürlich mehr Landwirte, in die Direktvermarktung zu gehen.« Ein Rohmilch-Automat, wie er auf dem Hof Höck steht, das ist nur der Einstieg in die Direktvermarktung im kleinen Stil. Wer seine Milch direkt in den Handel bringen will, der muss besondere Hygienestandards erfüllen und zunächst einmal in eine eigene Abfüllanlage investieren, erklärt die Schleswig-Holsteinerin Hassenpflug: »Die Investitionen liegen in aller Regel so zwischen 270.000 und zirka einer Million Euro. Wenn man die Tetra-PakAbfüllung wählt, ist das schon wahnsinnig teuer.« Günstiger ist das Mehrwegsystem. Die Kombination von Pro-

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sen. Man kann nur wenig aus Idealismus machen, wenn man von der Landwirtschaft leben muss.« Für Idealismus steht vor allem die Bio-Landwirtschaft. Dabei hat sie auch ganz ökonomische Vorzüge. Denn für einen Liter Biomilch zahlen Molkereien mehr als für einen Liter. konventioneller Milch. Besonders deutlich wurde das während der letzten Jahre. Während der Literpreis für konventionelle Milch teilweise auf 26 Cent abstürzte, hielt der Preis für Biomilch ein Niveau von über 40 Cent. Und der Marktanteil von Biomilch wächst. Beim Bio-Erzeugerverband Bioland führt Rüdiger Brügmann eine Statistik über die Entwicklung des Biomilch-Preises, den Landwirte erzielen. »Der Erzeugerpreis für Biomilch ist seit mehreren Jahren stabil auf dem Niveau, das die Bauern brauchen«, ist er überzeugt. Natürlich gibt es europaweit Unterschiede, erklärt Brügmann: »Die Preise für Biomilch in Europa liegen natürlich nicht himmelweit auseinander. Aber im deutschösterreichischen Vergleich zum Beispiel gab es in den letzten Jahren immer drei bis fünf Cent Unterschied. In Österreich wurde lustigerweise meist weniger für Biomilch gezahlt, obwohl für konventionelle Milch in Österreich mehr gezahlt wird als in Deutschland.« Nicht jeder Landwirt ist von der Bio-Landwirtschaft überzeugt. So mancher Bauer befürchtet sinkende Erträge und Umsatzeinbußen.

HIGH-TECH IM STALL Milchkuh Nr. 71 bestimmt selbst, wann sie gemolken wird. Denn auf dem Biohof von Andreas Driller in Altenbeken erledigt ein Roboter das Melken der 65 Tiere. Kuh Nr. 71 kommt derzeit dreimal täglich zum Melken. Der Roboter lockt sie durch Biokraftfutter in den Stall. Das gibt es auf der Weide, wo sie die meiste Zeit verbringt, nicht. Bis zu 8.000 Kilo Milch melkt der Roboter jährlich bei Kuh Nr. 71. Biobauer Driller sagt, der Roboter sei im Prinzip der wichtigste Mitarbeiter auf dem Hof. Dementsprechend teuer ist so eine Hightech-Investition. Ein vollautomatischer Melkroboter, der 24 Stunden am Tag im Einsatz ist, kostet allein in der Anschaffung um die 150.000 Euro. Mit Kosten ist auch das ständige Erhöhen der Produktionsleistung durch immer mehr und immer leistungsfähigere Tiere in der konventionellen Landwirtschaft verbunden. »Die Milchbauern stehen oft mit dem Rücken zur Wand«, hat Andreas Pichler bei den Recherchen zu seiner Dokumentation festgestellt. »Durch den Kreislauf von Neuinvestitionen zur Effizienzsteigerung und Schulden sind sie oft gezwungen, in der Spirale weiterzumachen.« Der Umstieg auf Direktvermarktung oder Bio-Landwirtschaft wird so für viele Milchbauern zur Hürde. Und manche Landwirte

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Melkroboter im Einsatz.

spekulieren ganz einfach auf hohe Milchpreise. Denn solange der Milchpreis ein hohes Niveau hat, lässt sich von konventioneller Milchproduktion gut leben. Phasen niedriger Milchpreise können so zum Teil finanziell abgefangen werden. Die Milchkühe Connie, Emma und Nr. 71 stehen für drei unterschiedliche Stile von Landwirtschaft. Connie lebt in einem Großbetrieb, Emma in einem konventionellen Familienbetrieb. Nr. 71 lebt auf einem Biohof. Für das Datenjournalismus-Projekt »Die Superkühe« des Westdeutschen Rundfunks wurden die drei Tiere mit Sensoren ausgestattet und einen Monat lang durch ihren Alltag im Stall und auf der Weide begleitet. Ziel des aufwendigen Projekts war es, Transparenz in den Alltag von Milchkühen zu bringen, um zu zeigen, was die unterschiedlichen Arten, Milch zu produzieren, für die Tiere bedeuten. Und diese Transparenz ist nötig. Denn auch wenn Milchkaufen keine Politik ist: Wer vor dem Milchregal steht, hat die Wahl zwischen verschiedenen Formen von Landwirtschaft. Und auch wer nur auf den Preis achtet, trifft damit eine Entscheidung für einen und gegen andere Stile der Milchkuhhaltung. Wer eine Vorstellung davon hat, was hinter den unterschiedlichen Einzelhandelspreisen für einen Liter Milch steckt, kann beim Einkaufen eine bewusste Entscheidung treffen. Es lohnt sich.

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»Es geht heute durch die Liberalisierung der Produktion darum, so billig wie möglich zu produzieren.« — Andreas Pichler

»Mehr. Größer. Rücksichtsloser.« Für seinen Film »Das System Milch« hat Andreas Pichler einen Blick in europäische Kuhställe und Molkereien geworfen. Dabei ist das Porträt einer Industrie entstanden, die sich selbst einem rasanten und gefährlichen Wandel unterwirft. interview: thomas stollenwerk Lässt sich das System Milch in drei Sätzen zusammenfassen? pichler: Mehr. Größer. Rücksichtsloser. Das sind ja sogar nur drei Wörter. Wann hat sich das System Milch denn zu jenem System entwickelt, das in Ihrem Film porträtiert wird? In dieser zugespitzten Form vor etwa zehn bis fünfzehn Jahren, aber die Weichen dazu wurden schon vor etlichen Jahrzehnten gelegt. Denn der Klüngel zwischen Bauernvertretern, Agrarindustrie, Banken und Politik besteht schon seit den 70er-Jahren. Vielen Landwirten ist die Entwicklung der Milchwirtschaft gar nicht recht. Trotzdem scheint es für viele kaum Alternativen zu geben, und sie wachsen lieber, anstatt sich nach alternativen Wirtschaftsweisen umzusehen. Woran liegt das? Die Milchbauern stehen oft mit dem Rücken zur Wand. Durch den Kreislauf von Neuinvestitionen zur Effizienzsteigerung und Schulden sind sie oft gezwungen, in der Spirale weiterzumachen. Vielen ist ein Umstieg auf Bioproduktion zum Beispiel zu aufwendig.

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Vielerorts wurde Bio auch jahrzehntelang als linker Blödsinn kleingeredet. Manche spekulieren aber auch. Denn wenn die Preise stimmen, lässt sich eine Zeitlang mit konventioneller Milch auch gut Geld verdienen. Bis die nächste Krise kommt. Wenn Landwirte gegen zu niedrige Milchpreise demonstrieren, wird Milch regelmäßig zum Nachrichten-Thema. Sinkende Milchpreise haben auch mit einem gigantisch angewachsenen Angebot zu tun. Zerstört die wachsende Effizienz der Betriebe den Landwirten das eigene Geschäft? Es geht heute durch die Liberalisierung der Produktion darum, so billig wie möglich zu produzieren, um mit den Milchpreisen auf dem Weltmarkt – die liegen zwischen 27 und 35 Cent – mithalten zu können. Diese sogenannte »Effizienz« führt aber zu einem gnadenlosen Selektionsprinzip auf Kosten von Bauern, Tieren und Umwelt. Die Frage ist nur, was angesichts der Kollateralschäden wirklich Effizienz bedeutet. Für die Milchwirtschaft bedeutet Effizienz doch zum Beispiel, dass Hochleistungsrinder heute bis zu 9.500 Liter Milch im Jahr liefern. Haben diese Tiere noch etwas mit Kühen, wie der Großteil der Leute sie sich vorstellt, zu tun? Die produzieren sogar 12.000 Liter im Jahr, einzelne noch mehr. Das sind hochgezüchtete, sehr sensible Tiere, die nur mehr im Stall leben. Sie leiden nicht unbedingt, wenn sie gut gehalten werden. Ob das dann aber noch artgerecht ist, ist eine andere Frage.«

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Es braucht natürlich nicht viel, um diesen Bio-Käse zu machen. Kühe mit Auslauf ins Freie. Eine herrliche Landschaft mit Wiesen. Saftige Gräser, Blumen und Kräuter, die auf den Wiesen wachsen. Kühe, die diese Wiesen während der Sommermonate beweiden.

Unser Bio. Unsere Qualität.

Natürlich wurden dafür ganze Wiesen aufgefressen.

Bauern, die diese Kühe melken. Bio-Milch in höchster Qualität. Mehrere Generationen Erfahrung im Käsemachen. Überlieferte Rezepturen. Viel Liebe zur Natur und zu den Tieren. Und dann braucht es noch Zeit; eine ganz wichtige Zutat, die man sofort herausschmeckt. Sonst braucht es nichts. Gar nichts.

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Der Inhalt dieser Veröffentlichung gibt allein die Meinung des Autors wieder, der allein für den Inhalt verantwortlich ist. Die Europäische Kommission haftet nicht für die etwaige Verwendung der darin enthaltenen Informationen.

DIE EUROPÄISCHE UNION UNTERSTÜTZT KAMPAGNEN ZUR FÖRDERUNG DES ABSATZES LANDWIRTSCHAFTLICHER QUALITÄTSERZEUGNISSE.

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Milch ist als industrieller Rohstoff relativ billig. Gleichzeitig wird sie als natürliches, ursprüngliches und regionales Produkt vermarktet. Bekommt die Milchwirtschaft mittelfristig Probleme, wenn diese Schere weiter auseinanderklafft? Auf jeden Fall. Ich denke nicht, dass man längerfristig die Verbraucher an der Nase herumführen kann. Und die werden – zumindest in Europa – auch immer kritischer. Das ist ja auch einer der Gründe, wieso die Milchwirtschaft mit allen Mitteln versucht, neue Territorien und Märkte zu erschließen. Und lassen sich Ansätze zum Systemwechsel in der Milchwirtschaft erkennen? Ja klar. Die ökologische und extensive Landwirtschaft besteht nicht nur aus Träumern. Ein Systemwechsel würde allerdings auch bedeuten, die Landwirtschaftspolitik dahingehend zu verändern, dass es EU-Förderungen nur mehr für Bioleistungen oder extrem schwierige Lagen, z.B. in den Bergen, gibt. Das zu fordern liegt an der Gesellschaft. Wäre auch weniger Milch eine Lösung? Schließlich gibt es einige Stimmen, die darauf hinweisen, dass Milch gar nicht besonders gesund ist, anders als es die Werbung seit Jahrzehnten behauptet. Wir haben Milch nicht nötig. Wer sie trinken will, soll das machen, aber nicht zu viel davon und möglichst in fermentierter Form, als Joghurt etwa – oder als Käse essen. Und natürlich möglichst aus Bioproduktion. Wenn Sie selbst im Supermarkt vor dem Kühlregal stehen. Für welche Milch entscheiden Sie sich dann? Da, wo ich lebe, in Südtirol, gibt es gar nicht so viel Auswahl. Daher regionale Biomilch. Zum einen hat Bio konstant gute Erzeugerpreise, und wenn man das im größeren volkswirtschaftlichen Zusammenhang sieht, also alle ökologischen Langzeitschäden und Kosten mit reinrechnet, ist sie sowieso ökonomischer.

»Das System Milch« läuft seit dem 21. September im Kino.

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»Der Markt für Biomilch ist ein ganz eigenständiger Milchmarkt.« Rüdiger Brügmann ist beim Bio-Erzeugerverband Bioland verantwortlich für die Website biomilchpreise.de, auf der man die Entwicklung des Markts für Milch aus ökologischer Kuhhaltung verfolgen kann. Wir haben uns von ihm erklären lassen, weshalb der Preis für Biomilch ziemlich unabhängig vom konventionellen Milchpreis ist. interview: thomas stollenwerk Kann man sagen, dass die Erzeugerpreise für Biomilch stabiler sind als die Preise für konventionelle Milch? rüdiger brügmann: Nun – da muss man sich ja nur die Entwicklung der letzten drei Jahre anschauen. Da lag der Biomilch-Preis stabil bei zirka 48 Cent pro Kilo netto ab Hof bei 4,0 % Fett und 3,4 % Eiweiß, während der Milchpreis für konventionelle Milch zeitweise massiv nach unten gegangen ist, 2015 auf unter 30 und 2016 unter 27 Cent. Wie kommt es zu dieser Entkopplung des BiomilchPreises vom konventionellen Milchpreis? Der Markt für Biomilch ist ein ganz eigenständiger Milchmarkt. Und die Molkereien haben ein Auge darauf, dass Angebot und Nachfrage in der Balance bleiben. Wie wird diese Balance von Angebot und Nachfrage erreicht? Inzwischen ist es zum Beispiel so, dass fast alle Biomolkereien eine Warteliste haben. In den letzten zwei Jahren haben ja viele Milchbetriebe auf Bio umgestellt, sodass momentan keine Betriebe mehr umstellen sollen, wenn sie nicht eine schriftliche Zusage von einer Molkerei haben, dass ihre Biomilch auch abgenommen wird. Eine Umstellung ohne Marktoption wäre einfach viel zu

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Naturlich.

Nicht nur bei Zeilen richten wir

diesen uns nach

unseren Milchkühen. Sondern bei allem, was wir tun. Deswegen gibt‘s bei Ja! Natürlich auch keine Anbindehaltung, sondern 365 Tage Freilauf im Jahr. Das macht Milchkühe so glücklich

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»Die Verbraucher sind den Biobauern treu und zahlen faire Preise, auch wenn die konventionelle Milch viel zu billig angeboten wird.« — Rüdiger Brügmann gefährlich für die Betriebe. Aber auch für den Markt insgesamt, weil dann der Preis zusammenbrechen würde. Gibt es Fälle, in denen Biomilch nicht abgenommen wird? Im Einzelnen gibt es das immer wieder mal. Weil ja der Landwirt als freier Unternehmer immer auf Bio umstellen kann. Auch wenn er keine Abnahme-Zusage hat. Aber das sind Ausnahmen. Es gab auch Zeiten, in denen es hieß: stellt um. Und dann war plötzlich zu viel Milch da und der Preis ging nach unten. Deshalb war es wichtig, mehr Absicherung zwischen Erzeugern und Molkereien herzustellen. In Deutschland wurde das vor allem durch die Gründung von Biomilch-Erzeugergemeinschaften erreicht. Dadurch erhielten Erzeuger und Molkereien Planungssicherheit. Und wird Biomilch angemessen bezahlt? Die Verbraucher sind den Bio-Bauern treu und zahlen faire Preise, auch wenn die konventionelle Milch viel zu billig angeboten wird. Daher ist der Erzeugerpreis für Biomilch seit mehreren Jahren stabil auf dem Niveau, das die Bauern brauchen. Gut – 50 Cent wären schon noch ein Ziel. Aber 48 Cent sind schon ein Preis, bei dem die Kosten der Biobauern gut gedeckt sind. Natürlich ist das individuell unterschiedlich. Es ist ja auch nicht jeder Mensch mit dem gleichen Lohn zufrieden. Aber es müssen eben mindestens die Erzeugungsskosten abgedeckt sein. Und in diesem Bereich liegen wir. Nach mehreren Jahren auf niedrigem Niveau steigt der Preis für konventionelle Milch im Moment. Hat das Auswirkungen auf den Biomilch-Preis? Wenn der konventionelle Milchpreis wie aktuell wieder nach oben geht, dann folgt der Biopreis ihm nur geringfügig. Der konventionelle Milchpreis hat ja einen gewissen Nachholbedarf. Der muss erst einmal wieder in einen Bereich kommen, in dem Milchbauern überhaupt wirtschaften können. Bei einem Milchpreis von 26 Cent kann ja kein konventioneller Bauer überleben. Da haben in den vergangenen Jahren viele Betriebe aufgeben müssen. Andere mussten Schulden aufnehmen, die sie nun erst einmal wieder abbauen müssen. Ist es anders herum für Molkereien kein Grund, den Preis für Biomilch zu drücken, wenn der Preis für konventionelle Milch sinkt? Also in den Jahren 2015 und 2016 ist der Preis für konventionelle Milch stark gesunken. Der Biopreis ist gleichgeblieben bzw. sogar gestiegen. Da gibt es komplett eigene Preisverhandlungen.

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Beim Erzeugerpreis für konventionelle Milch heißt es, dass er auf dem Weltmarkt gebildet wird. Spielt diese Art der Preisbildung für Biomilch keine Rolle? Die Preise für Biomilch in Europa liegen natürlich nicht himmelweit auseinander. Aber im deutsch-österreichischen Vergleich zum Beispiel gab es in den letzten Jahren immer 3 bis 5 Cent Unterschied. In Österreich wurde meist weniger für Biomilch gezahlt, obwohl für konventionelle Milch in Österreich mehr gezahlt wird, als in Deutschland. Die besten Preise für Biomilch werden momentan in Deutschland erzielt, gefolgt von den Niederlanden und Frankreich. Und bleibt es für Milchviehhalter interessant, auf Bio umzustellen? Es bleibt attraktiv. Aber Umstellen nützt nichts, wenn es keine Abnahmezusage für die Milch gibt. Ist der Biomilchmarkt etwa gesättigt, wenn die Abnahme nicht garantiert werden kann? Die Frage, ob ein Markt gesättigt ist, ist natürlich eine zeitliche Frage. Die Biomolkereien nehmen derzeit die Betriebe auf, die während der letzten zwei Jahre auf Bio umgestellt haben. Momentan gibt deshalb fast keine Zusagen für neue Betriebe. Der Marktzuwachs und der Rohstoffzuwachs müssen ja zusammenpassen. Wenn momentan ein Bauer in der Molkerei anruft, dann bekommt er in der Regel gesagt: Melde dich im Winter oder im Frühjahr wieder. Dann sehen wir, wie sich der Markt entwickelt und wie wir deine Milch auf dem Markt unterbringen können. Derzeit gibt es also eine temporäre Sättigung und deshalb haben die Molkereien ihre Wartelisten. Bedeutet das, dass die Produktionsmenge an Biomilch zuletzt schneller gewachsen ist, als die Nachfrage? Nein, diese Entwicklung verläuft schon parallel. Aber damit sie weiter parallel verläuft, muss eben gelegentlich gesagt werden: jetzt haben wir die Milchmenge die wir brauchen. Und mehr brauchen wir erst in einem halben Jahr. Man kann ja nicht allen Bauern Abnahmezusagen geben, wenn man nur eine bestimmte Menge absetzen kann. Aber wir gehen schon davon aus, dass der Markt weiter wächst, und es wird sicherlich so sein, dass die Molkereien neuen Biobauern wieder Abnahmezusagen geben können. Marktsättigung klingt so, als sei der Markt erschöpft. Das ist er nicht. Er entwickelt sich gut. Aber das geht nur Schritt für Schritt. Sonst hätten wir ja von heute auf morgen 100 Prozent Biomilch.

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MILCH

TEXT

Thomas Weber

Meterware Milch Regal-Check: Milch ist nicht gleich Milch. Welche Milch kann was? Und wo steckt doch mehr Marketing als Qualität drin? Vollmilch von der Kuh hat einen Fettgehalt von mindesten 3,5 %. Der natürliche Fettgehalt liegt meist bei etwa 4,2 % und variiert je nach Rasse und Fütterung. Gehandelt wird vor allem pasteurisierte Milch, die nach dem Melken für wenige Sekunden auf über 72 Grad erhitzt wird, um Keime und andere Krankheitserreger abzutöten. Für Rohmilch – laut EU-Recht »das unveränderte Gemelk von Nutztieren, das nicht über 40°C erhitzt und keiner Behandlung mit ähnlicher Wirkung unterzogen wurde« – gelten besonders strenge Hygienevorgaben. Rohmilch – ein wachsender Nischenmarkt – wird teilweise direkt ab Hof vermarktet, in Reformhäusern verkauft oder aber zu Käsen verarbeitet. Die neben Rohmilch »natürlichste« Milch ist also frische Vollmilch. Im Handel wird allerdings immer öfter länger haltbare Milch verkauft: esl-Milch (gekühlt bis zu 3 Wochen haltbar) sowie die H-Milch (ungekühlt bis zu vier Monate haltbar). esl-Milch ist mittlerweile sogar in Bio-Qualität erhältlich. »Wir haben lange diskutiert, ob wir eine esl-Milch ins Sortiment einführen sollen, weil es ein großer Schritt im Bio-Bereich ist,« erklärt Martina Hörmer von Ja! Natürlich. Schließlich bringt jeder Verarbeitungsschritt mehr die Bio-Bewegung einen Schritt weiter weg von ihrem ursprünglichen Verständnis von Bio. »Wir haben uns aber schließlich dafür entschieden.« Diese auch von anderen Vermarktern ähnlich getroffene Entscheidung dürfte mit ein Grund dafür sein, dass Milch und Molkereiprodukte neben Eiern die meistverkauften Bio-Produkte überhaupt sind.

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Was ist … Bio-Milch? Bio-Milch ist nicht gleich Bio-Milch. Einerseits weil einige Bioverbände (Naturland, Bioland, Bio Austria) aber auch Handelsmarken (Ja! Natürlich, Zurück zum Ursprung) von Mitgliedern oder Produzenten höhere Standards punkto Tierwohl einfordern als vorgeschrieben. Andererseits weil sowohl Bio-Frischmilch, als auch Bio-Heumilch, Bio-esl-Milch oder laktosefreie Bio-Milch verkauft wird. Der Naturland Verband hat sogar ein eigenes »Naturland Fair«-Siegel definiert, das etwa einige Bio-Produkte der Molkereien Berchtesgadener Land oder Söbbeke führen. Für Bio-Milchbauern gelten strenge Tierhaltungsauflagen, die auch jährlich kontrolliert werden.

Was ist … Heumilch? Seit kurzem ist Heumilch eine von der EU anerkannte und standardisierte »garantiert traditionelle Spezialität« in den Ländern entlang des Alpenbogens. Durch ihren höheren Anteil an Omega3-Fettsäuren ist Heumilch zwar bekömmlicher als normale Industrie-Milch, aber nicht automatisch auch Bio-Milch. Wobei sich auch im Bio-Bereich Heumlich durchsetzt. Philipp Thiel von den Ökologischen Molkereien Allgäu (öma) sieht darin »eine Zusatzqualifikation für hochwertige Bio-Produkte«. Fazit: Heumilch ist jedenfalls besser als »normale« Milch, aber nur Bio-Heumilch ist wirklich empfehlenswert.

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Was ist … Bio-Wiesenmilch?

Was ist … Demeter-Milch?

Bio-Wiesenmilch stellt gewissermaßen die Weiterentwicklung der »Heumilch« dar. Bio-Wiesenmilch garantiert Weidehaltung. Um zu zeigen wie aktiv die Tiere wirklich sind, treten seit einigen Jahren ausgewählte Kühe unter Social-Media-Begleitung bei einem „Kuhmarathon“ gegeneinander an. Bio-Wiesenmilch orientiert sich allerdings nicht nur am Tierwohl und ethischen Fragestellungen, sondern kommt gleichzeitig einer traditionellen, kleinstrukturierten bäuerlichen Milchviehwirtschaft entgegen.

Unverkennbar: der weiße Demeter-Schriftzug auf orangem Grund. Als Gütesiegel des weltweit aktiven Demeter-Verbands macht es besonders anspruchsvollen Konsumenten klar, dass sie es mit einem bio-dynamisch produzierten Lebensmittel zu tun haben. DemeterStandards gehen weit über die Vorgaben der EU-BioVerordnung hinaus. Für Demeter-Milch (erhältlich z.B. bei Denns) bedeutet das u.a.: Kühe werden wesensgerecht gehalten, dürfen nicht enthornt werden. Ihre BioMilch darf nur pasteurisiert, nicht aber homogenisiert werden. Sie behält also ihren natürlichen Fettgehalt und schmeckt besonders sahnig.

keine einheitliche kennzeichnung

Was ist … Weidemilch?

Was ist … esl-Milch?

Für Weidemilch gibt es – genau wie für so genannte Landmilch oder Alpenmilch – keine gesetzliche Definition. In den meisten Fällen handelt es sich um leere Werbehülsen für konventionelle Milch. Lediglich das norddeutsche Label »Pro Weideland« listet in seiner Deutschen Weidecharta verbindliche Kriterien für ihre Weidemilch-Produzenten – z.B. gentechnikfreies Futter, Weideauslauf an mindestens 120 Tagen im Jahr für mindestens 6 Stunden. Alpenmilch und Landmilch sind reine Marketingbegriffe, die einzig die Einhaltung absoluter Mindeststandards garantieren.

Oft wird die esl-Milch als »länger haltbar« beworben. esl bedeutet Extended Shelf Life, übersetzt in etwa »verlängertes Regal-Leben«. Das heißt: esl-Milch ist gekühlt länger haltbar als Frischmilch. Auf jeder Packung ist angegeben mit welcher Technologie haltbar gemacht wurde (z.B. Hocherhitzen, Filtrieren). eslMilch gibt es längst auch in Bio-Qualität. In Österreich hat der Absatz der Haltbarmilch mittlerweile jenen der Frischmilch überholt. Nur mehr ein Fünftel der Trinkmilch ist frische Milch.

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INTERVIEW

Thomas Stollenwerk

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BILD

Matthias Schickhofer

Werden die Alpen zur Allerweltsgegend?

DER PLATZ IN DEN ALPEN WIRD KNAPP biorama-Autor Matthias Schickhofer ist ein Kenner der Alpenregion. In seinem »Schwarzbuch Alpen« dokumentiert er, wie Verkehr, dichte Besiedlung und Tourismus die Bergregion gefährden.

biorama: Was die Infrastruktur angeht, sind die Alpen so erschlossen wie jede andere Gegend – ja, sogar besser als viele andere Regionen in Europa. Weshalb ist das gerade in den Alpen ein Problem? matthias schickhofer: Die Alpen sind ein Hochgebirge, das zu einem großen Teil – in den Höhen- und Steillagen – nicht dauerhaft bewohnbar ist. Daher konzentrieren sich Besiedelung, Gewerbe, Industrie, Landwirtschaft, Verkehr, Naherholung usw. auf die „Gunstlagen“ in den Tälern und Becken. Durch Versäumnisse in der Raumordnungspolitik breiten sich Siedlungsbau, Shoppingzentren oder Verkehrswege an vielen Stellen massiv aus, und es entsteht ein verkehrsreicher Siedlungsbrei, der die Täler zusehends zuwächst. Lärm, Abgase, Verlust von Grünflächen, Zerschneidung von Landschaften sind die Folge. Daher wird der Platz in den inneralpinen Tallandschaften knapp – auch für die letzten Reste der Naturlandschaften.

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biorama: Bekommen die Alpen als Kulturraum ein Authentizitätsproblem, wenn ihre traditionellen Produkte zur Industrieware werden? matthias schickhofer: Produkte aus den Alpen werden gern als besonders authentisch, gesund und rein vermarktet. Im Fall von Bioprodukten aus lokaler, kleinteiliger Produktion ist das auch korrekt. Und das bietet auch für viele periphere Gebiete eine Chance, erfolgreich zu wirtschaften und die Abwanderung zu bremsen. Allerdings blühen im Zusammenhang mit der alpinen Herkunft auch Kitsch und Etikettenschwindel. Und das kann das Vertrauen der Kunden untergraben und schadet denen, die keine Alternativen haben.

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Hotels: Im Sommer wird der Skiort Hochgurgl zum Geisterdorf.

biorama: Haben die Alpen eigentlich so etwas wie eine touristische Belastungsgrenze, und wann ist diese erreicht? matthias schickhofer: Das lässt sich natürlich nicht generell sagen. An vielen Orten ist diese Belastungsgrenze im Hinblick auf Verbauung, Massentrubel und Emissionen sicher längst überschritten. Überall dort, wo aus den alpinen Natur- und Kulturlandschaften industrielle Freizeitanlagen geworden sind, kann man nicht mehr von einer nachhaltig tragbaren Situation sprechen. Jede Art von Tourismus ist mit Mobilität, Aufenthalt von Menschen in Natur- und Kulturlandschaften und touristischen Einrichtungen verbunden. Wenn Blechkolonnen, Großparkplätze, Verkabelung und Planierung von ganzen Hängen oder Hotelsiedlungen in den Tälern dominieren, werden die Alpen aber zu einer Kulisse degradiert, die dabei sukzessive kaputtgeht.

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Ischgl vermarktet sich als Party-Hochburg.

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Kärntnermilch:

Der beste Bio-Käse Österreichs

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ei der diesjährigen Käse-Kaiser-Verleihung konnte die Kärntnermilch wieder ihre einzigartige Käsekompetenz beweisen. Der Käse-Kaiser 2017 ging in der Kategorie „Bio-Käse“ das zweite Mal in Folge an den würzig-kräftigen Bio Wiesenmilch Almkäse.

www.biowiesenmilch.at

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Eine hochkarätige Experten-Jury kürte den Bio Wiesenmilch Almkäse der Kärntnermilch somit zum besten Bio-Käse Österreichs. Die begehrte Auszeichnung ist eine Anerkennung der herausragenden Qualität und des hervorragenden Geschmackes.

www.kaerntnermilch.at

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Das Lesachtal gilt als eines der naturbelassensten Täler der Alpen.

biorama: Gibt es schonende Alternativen zur intensiven touristischen Ausbeutung der Alpenregion? matthias schickhofer: Der fortgesetzte Ausbau von Intensivtourismus führt zu einer Wettkampfspirale zwischen den Tourismusgebieten. Der Ausbau steigert die Verschuldung, also braucht es mehr Gäste und ergo noch mehr Ausbau, um die Konkurrenz zu überflügeln. Kleinere Orte haben keine Chance, da mitzuhalten. Intensiv-Wintertourismus oder entsprechende SommerFreizeitparks schmälern die Chancen, sanften, naturorientierten Ganzjahrestourismus auszubauen, weil die Landschaft verschandelt ist. Wegen des Klimawandels wird Skifahren (vor allem in tieferen Lagen) aber immer teurer bis unmöglich werden. Gleichzeitig nimmt die Sehnsucht vieler Menschen nach Natur und Ursprünglichkeit zu, und die Jungen sind nicht mehr so ski-affin wie vielleicht ihre Eltern. Die »Bergsteigerdörfer«, das Lesachtal (Kärnten), Mairatal (Piemont) oder Lechtal bzw. Reutte in Tirol, ziehen nun einen Vorteil aus ihren vergleichsweise unverbauten wie auch entspannten Landschaften (und Menschen). Dort wird auf Angebote gesetzt, die die Landschaft und ihre Bewohner nicht völlig kompromittieren.

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biorama: Heißt extensive Bewirtschaftung der Alpen auch, dass die Gebirgsregion mitten in Europa zum Luxusgut werden muss, um sie zu schützen? matthias schickhofer: Luxustourismus wie in St. Moritz ist kein brauchbares Generalmodell für die Alpen. Andererseits ist Trash out (Fritteuse-Küche, Alpenkitsch und Betonschachteln). Ein Freund aus dem Walis (Schweiz) hat mir berichtet, dass es dort in der Hotellerie ganz besonders an guten Köchen mangelt. Tourismus mit hochwertigen Landschaften, Qualitätskulinarik, einem hohen Erlebniswert und zeitgemäßem Marketing scheint hingegen zu funktionieren. Das hat aber nicht notwendigerweise mit Luxus zu tun. Es ist eher zu erwarten, dass Skifahren aufgrund der explodierenden Kosten für die künstliche Beschneiung immer mehr zum Luxus wird.

Das »Schwarzbuch Alpen« von Matthias Schickhofer erscheint im Brandstätter-Verlag.

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Europäischer Wolf.

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Sam Mittmerham

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Theo Gruentjens Sam Mittmerham Peter Schütte

DIE WILDNIS IST ZURÜCK Die Rückkehr des Wolfs in den deutschsprachigen Raum interessiert Menschen aus aller Welt. Citizen Science bringt sie auf seine Fährte.

A

ngestrengt schaut Peter Schütte, seines Zeichens Wolfsberater, in den Sand der Lüneburger Heide. Sachte umfahren seine Finger die Spur im Sand. Ein, zwei, drei, viele Trittsiegel, gestempelt in die feuchten Körner. Deutliche Hinweise auf ein sonst fast unsichtbares Wesen – scheu, vorsichtig, den Menschen meidend. »Das waren vier«, murmelt Schütte schließlich, »zwei Erwachsene und zwei Jungtiere, entspannt laufend in diese Richtung.« Vier Blicke folgen seinem ausgestreckten Arm in die Heide. Vier Blicke aus vier Kontinenten. Vier Blicke, die hier sind, weil der Wolf, und mit ihm der Hauch der Wildnis, zurück in Mitteleuropa ist. Julia aus Wien; Rasha aus Australien, Rechtsanwältin einer Naturschutzorganisation in Melbourne; Brian aus Kanada, der »Glasfaserkabelmann« aus Vancouver, wie er sich selbst nennt; Lalitha aus Indien, Lehrerin in Masuri. Sie sind alle hier, um Schütte zu helfen, Wildnis zu erhalten – oder wieder zu erhalten, denn vor 150 bis 200 Jahren rotteten die Menschen den Wolf in Mitteleuropa aus. Nun kehrt er seit geraumer Zeit zurück, nach Österreich seit 2009, und sein Schutz ist in der eu gesetzlich verankert. Er dringt, vor allem im ländlichen Raum, immer weiter vor.

ZUWANDERUNG AUS DEM OSTEN Rund um das Jahr 2000 begannen Wölfe über Polen bis in den Westen Deutschlands zurückzukehren. Im Jahr 2006 hatten sie Niedersachsen, und damit Schüttes Einsatzgebiet, erreicht. Und jetzt ziehen sie Menschen aus der ganzen Welt an, denn die gemeinnützige Naturschutzorganisation »Biosphere Expeditions« hat jüngst ein Wolfsprojekt in Zusammenarbeit mit dem niedersächsischen Wolfsbüro im nlwkn, dem Nieder-

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sächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, ins Leben gerufen. »Schon auf der Warteliste waren über 100 Personen«, berichtet Dr. Matthias Hammer, Gründer und Geschäftsführer von Biosphere Expeditions, »und als wir den Startschuss gaben, waren zwei Gruppen innerhalb von 24 Stunden ausgebucht.« Das Projekt ist offen für jedermann / jedefrau, es gibt keine Altersbeschränkungen, und es sind keine besonderen Fähigkeiten erforderlich. »Bürgerwissenschaft« (»citizen science«) nennt sich dieses eindrucksvolle Konzept, erprobt seit Jahrzehnten im angelsächsischen Raum; bei uns noch relativ neu, aber stark auf dem Vormarsch. Die Expeditionsteilnehmer werden im Rahmen des Projekts geschult, zum Beispiel im Erkennen von Spuren oder im Gebrauch eines gps-Geräts. Einmal als »Bürgerwissenschaftler« ausgebildet, unterstützen die Teilnehmer das Wolfsbüro und das Netzwerk der ehrenamtlichen Wolfsberater über einige Wochen im Jahr hinweg, wertvolle Felddaten über die niedersächsische Wolfspopulation zu sammeln. »Ich freue mich sehr, dass das Projekt so einen guten Start hingelegt hat«, sagt Wolfsberater Peter Schütte. »Mit Menschen aus Deutschland, sicher vielleicht auch aus anderen Teilen Europas, habe ich gerechnet, aber nicht mit den Anmeldungen aus den usa, Kanada und sogar Indien, Singapur und Australien. Sie alle wollen mithelfen, Daten über Wölfe zu sammeln. Es ist überraschend und ermutigend zugleich, zu sehen, wie viel Unterstützung es weltweit für die Rückkehr der Wölfe nach Deutschland zu geben scheint und wie Menschen bereit sind, ihre Zeit und ihr Geld zu investieren, um uns hier in Niedersachsen zu helfen.«

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Schafe in der Lüneburger Heide.

AKZEPTANZ IST ENTSCHEIDEND In Deutschland und anderswo in der Kulturlandschaft Europas hängt das Überleben des Wolfs »hauptsächlich von der Akzeptanz in der Bevölkerung ab«, so Schütte. Und der Wolf ist nicht immer gern gesehen. In der Tat reagiert zum Beispiel der wwf in Österreich mehr als deutlich auf die von der Jägerschaft wiederholt ins Spiel gebrachten Abschüsse von Wölfen. Es sei nicht nur ein Skandal, dass Teile der Jägerschaft offen für den Abschuss von geschützten Wildtieren werben, wer das mache, sei mit dem Straf-, Jagd- und Naturschutzgesetz konfrontiert und bewege sich hart an der Grenze der Legalität. Die Abschussfantasien bedeuteten für den wwf auch eine Überschreitung der Kompetenzen vonseiten der Jägerfunktionäre. »Die fortgesetzte Hetze gegen den Wolf muss sofort aufhören, sie ist kontraproduktiv und hilft nicht dabei, angemessene Lösungen zu erarbeiten. Der wwf wird der Entwicklung eines weiter um sich greifenden Rufes nach der Flinte jedenfalls nicht tatenlos zusehen«, so Christian Pichler, Artenschutz-Experte des wwf Österreich. Deutliche Worte, vor allem vor dem Hintergrund, dass sich Anfang der 1970er-Jahre nur kühnste Naturschützer vorstellen konnten, dass Mittel- und Westeuropa wieder von großen Beutegreifern besiedelt werden könnte. Trotzdem begannen damals einige Visionäre an der Verwirklichung der Utopie zu arbeiten. An Wölfe oder Bären war damals noch nicht zu denken. Aber mit dem Kleinsten der großen drei, dem Luchs, wollte man beginnen. So kam es zu den ersten Auswilderungsaktionen in Österreich, der Schweiz und Deutschland. Der Wolf indes brauchte keine menschliche Auswilderungshilfe, außer vielleicht den Wegfall des Eisernen

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»Die fortgesetzte Hetze gegen den Wolf muss sofort aufhören, sie ist kontraproduktiv und hilft nicht dabei, angemessene Lösungen zu erarbeiten.«

— Christian Pichler, wwf Vorhangs vor gut dreißig Jahren. Wildnis braucht der Wolf auch nicht. Er ist höchst anpassungsfähig und in der Lage, in einer vom Menschen dominierten Kulturlandschaft zurechtzukommen, solange er genug Beutetiere – Rehe, Hirsche, Wildschweine – findet und in Ruhe gelassen wird. Aber spätestens wenn tote Schafe auf der Weide liegen, ist die Willkommensfreude bei den Menschen getrübt. »Die Ausbreitung des Wolfs bedeutet, dass die Bedrohung durch den tatsächlichen und subjektiv empfundenen Konflikt mit Menschen, Vieh und Wildarten immer größer wird. Dadurch entsteht die Notwendigkeit der Information der lokalen Bevölkerung auf Grundlage einer soliden Datenbasis«, sagt Schütte. »Je mehr Wölfe in der Natur von Menschen gesehen und je mehr Nutztiere gerissen werden, desto höher wird die Berichterstattung in den Medien. Dies hat zu einer messbaren Abnahme der Akzeptanz von Wölfen bei der Bevölkerung vor Ort geführt, vor allem bei Jägern und Tierhaltern. Und gerade diese Menschen spielen eine entscheidende Rolle für das Überleben der Wölfe.«

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Zwei Bßrgerwissenschaftlerinnen dokumentieren eine Wolfsfährte.

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CITIZEN SCIENCE

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der Menschen in Österreich stehen aktuell der natürlichen Rückkehr des Wolfs »sehr positiv« oder »eher positiv« gegenüber.

Europäischer Wolf.

»Es war schon unverschämt und peinlich zugleich, wie unsere Expedition emotionsgeladen angefeindet wurde, vor allem von Jägern, die versuchten, alle möglichen Schauer- und Lügengeschichten über unsere Arbeit hier zu verbreiten und uns zu diskreditieren. Stattdessen sollten wir ruhig, kooperativ und basierend auf belastbaren Fakten unsere Energie darauf verwenden, an einem Strang zu ziehen. Denn das Interesse an einem möglichst konfliktfreien Nebeneinander von Mensch und Wolf verbindet ja sogar Jäger und Naturschützer.« Allerdings seien Abschussgelüste weder akzeptabel noch nützlich, da biologisch sinnlos – »das Territorium eines erschossenen Wolfs ist keine Lösung, denn ein anderer Wolf besetzt es einfach wieder. Dagegen sind Herdenschutzmaßnahmen effektiv und mitunter auch Kompensationsprogramme, wenn sie anständig finanziert sind«, so Hammer. »Bei der Rückkehr des Wolfs sind Zyklen zu beobachten«, beschreibt Hammer weiter. »Zuerst wird meist wild und emotionsgeladen diskutiert. Darauf folgt eine Beruhigungsphase und die Rückkehr zur Sachlichkeit, wenigstens bei den meisten. Sobald man dann merkt, dass der verteufelte Wolf doch nicht blutrünstig sämtliche Weidetiere auffrisst, setzt eine Phase der Lösungsfindung und des Arrangierens mit dem Wolf ein.« Dabei hingen die Lösungsansätze sehr deutlich vom politischen Umfeld und der Lobbyismus-Stärke der Jäger ab. »Die Lösungen – und davon gibt es viele – sind dabei so unterschiedlich wie die politischen Landschaften«, erklärt Hammer.

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Steckbrief Wolf Canis lupus, ca. 50 kg (Weibchen deutlich leichter), lebt in »Rudel« genannten Familien und kann so relativ große Tiere wie Hirsche oder Wildschweine erbeuten. Nach Jahrhunderten der Ausrottung bis ins 20. Jahrhundert hinein waren Mittel- und Westeuropa nahezu wolfsfrei, derzeit gibt es aber wieder etwa 12.000 Wölfe in 28 Ländern Europas. Um die 40 Wolfsrudel sind in Deutschland belegt sowie eine Gruppe in Österreich.

Biosphere Expeditions Biosphere Expeditions ist eine gemeinnützige, mehrfach ausgezeichnete Naturschutzorganisation und Mitglied der iucn (International Union for the Conservation of Nature) und des Umweltprogramms der UN. Freiwillige Helfer aus aller Welt arbeiten hier Hand in Hand mit Feldforschern und den Menschen vor Ort für den Erhalt der Artenvielfalt. Die nächste Wolfsexpedition in Niedersachsen findet von Juni bis Juli 2018 statt, Gruppenlänge jeweils eine Woche. biosphere-expeditions. org/deutschland (auf Englisch).

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Wölfe – Jäger der Nacht

Ein Fotoband mit 128 Seiten. Über 200 Farbfotos. Preis: € 39,–, SFR 55,–. Die Rückkehr des Wolfes löst gemischte Gefühle aus: Die einen fürchten, die anderen feiern ihn. Für die Schafbauern ein Schreckgespenst, für die Naturschützer ein heiliges Tier: für sie kehrt mit dem Wolf ein Stück „echte Natur“ zurück, oft im Unwissen, wie unberechenbar und wild echte Natur sein kann . . .

heißt Verbeugung – sie wird in vielen asiatischen Ländern mit vor dem Herzen zusammengelegten Händen ausgeführt. Wir verbeugen uns mit unserem Tulsi Chai vor den großen indischen Gewürztees.

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Ein Fotoband mit 128 Seiten. Über 130 Farbfotos. Preis: € 39,–, SFR 55,–. Vor hundert Jahren war der Luchs aus unseren Wäldern so gut wie verschwunden. Der Mensch hatte ihn als Konkurrenten rücksichtslos verfolgt – mit Falle, Gift und Feuerkraft. Zudem hatte man ihm zunehmend seine Lebensgrundlagen entzogen: Die Wälder waren heillos ausgeschlägert, die Beutetiere des Luchses für vogelfrei erklärt und seine Streifgebiete dramatisch beschnitten. Heute ist er hierzulande wieder anzutreffen . . . Fotobände erhältlich im Österr. Jagd- und Fischerei-Verlag 1080 Wien, Wickenburggasse 3 Tel. 01/405 16 36-25, E-Mail: verlag@jagd.at, Internet: www.jagd.at

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ERLEBNISWELTEN

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Thomas Stollenwerk

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Herrmannsdorfer Landwerkstätten Sonnberg Biofleisch

Hofmarkt, Erlebnis, Gasthaus – Shopping mit Erlebniss und Genuss.

Die Herrmannsdorfer Landwerkstätten wollen Bio-Landwirtschaft erlebbar machen.

FÜHLEN, RIECHEN, AUSPROBIEREN Warum Unternehmen gerade in Zeiten wachsender Online-Umsätze auf sinnliche Offline-Erfahrungen und Emotion setzen.

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in Hofladen ist eine feine Sache. Viel romantischer als ein Supermarkt. Nicht immer in der Nähe, dafür aber bei jedem Besuch aufs Neue eine Vergewisserung der Verbundenheit zwischen Landwirtschaft und dem eigenen Kühlschrank. Im Hofladen riecht es zu jeder Jahreszeit anders. Alles wirkt erdverbunden und traditionell. Die Regale sind aus Holz. Und die Kinder können beim Einkauf vielleicht eine Katze streicheln oder einen Traktor bestaunen. Hier kann man Lebensmittel nicht nur kaufen, sondern erleben. Solche Erlebnisse beim Einkauf werden wichtiger – nicht ohne Grund.

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»Im besten Fall dient das Erlebnis dazu, die Bindung auf einer emotionalen Ebene zu festigen.« — Alexander Schagerl, Erlebnis-Marketer

Wer sich fürs Einkaufen an einen bestimmten Ort auf E-Commerce und Digitalisierung? »Definitiv, ja. begibt, erwartet heute mehr als schlichte Regale vol- Der Mensch ist immer noch ein wissbegieriges, aber ler Waren – denn die gibt’s schließlich auch im Netz. auch emotionales Wesen. Beide Pole wollen abgedeckt Experten sprechen seit Jahren von anhaltenden Wachs- werden. Ein Live-Erlebnis lässt andere Möglichkeiten tumsraten um die 20 % im Online-Handel. Das bedeutet zu, Menschen anzusprechen. Im besten Fall dient das riesige Veränderungen für eine riesige Branche. Beim Erlebnis dazu, die Bindung auf einer emotionalen Ebedeutschen Einzelhandelsinstitut ehi wurden vor ein ne zu festigen.« paar Jahren Zukunftsszenarien für die KommunikatiIn manchen Branchen gehören Emotionen schon länger zum Kerngeschäft. Fast jede Brauerei bietet on im Einzelhandel entwickelt. Dabei ging es um zwei Fragen: Wie soll der Einzelhandel im Jahr 2025 kom- Besichtigungen mit anschließendem feuchtfröhlichen munizieren? Und mit wem eigentlich? Dabei stellten Abendessen an. Profi-Fußballklubs und Autokonzerne sich unterschiedliche Typen von Konsumierenden her- bieten Fans und Kunden gleich ganze Museen voller Emotion und Erlebnis. Im Bundestagswahlkampf präaus. Darunter finden sich kritische und wertorientierte sentierte die cdu in Berlin gar ein »begehbares ParteiVerbraucher, denen Marken nicht so wichtig sind und die gerne auch leihen statt kaufen. Sogenannte »Cyber- programm«. Inzwischen wird Experience-Marketing auch für Unternehmen interessant, die keine Konzerflaneure«, die sich dem Online-Shopping ausgiebig widmen, wurden ebenfalls identifiziert. Auch »Brand- ne mit weltweiten Zielgruppen sind, die aber dennoch Victims« und Genusskäufer konnten als Typen ausge- Wert darauf legen, sich durch Qualität und Originalimacht werden. Während Brand-Victims viel Wert auf das tät im Wettbewerb zu behaupten – statt nur durch den richtige Produktlabel legen, steht für Genusskäufer das Preis. Wer etwas anbietet – ob Bioäpfel, Elektroautos sinnliche Erleben von Artikeln und Produkten im Vor- oder Duschgel –, der legt Wert darauf, die Identität, die dergrund. Das Fühlen, Riechen, Ausprobieren. Online im eigenen Produkt steckt, auch so zu vermitteln. Wer sind solche Genusskäufer schwer zu bedienen. Und weil mit Liebe und Überzeugung biologisch Äpfel anbaut, der jeder hin und wieder Genusskäufer ist, müssen sich Ein- will auch, dass diese Äpfel, dort wo sie verkauft werden, zelhandel und Markenfür »Liebe« und »Überhersteller etwas einfalzeugung« stehen – und len lassen. Zum Beispiel: nicht etwa für »hochpreiMarken-Erlebniswelten. sig« und »klein«. Die IdenDie entstehen im Moment tität soll zum Image werüberall. Nicht nur bei den, Selbstwahrnehmung Großkonzernen, sondern zu Fremdwahrnehmung. auch bei bodenständigen, Im Fall der Bioäpfel kann mittelständischen Betrieein Hofladen dabei helfen, ben in ganz klassischen die »Markenidentität« zu Branchen. unterstreichen. Und das macht einen Hofladen zu Alexander Schagerl einer ganz klassischen ist Projektentwickler bei Habegger. Das österreiForm von Erlebniswelt. chische Unternehmen Dass viele Bio-Erlebunterstützt Firmen bei niswelten deshalb ratioder Schaffung von Erlebnale Überzeugungen mit nissen. Sieht auch SchaEmotionen verknüpfen, gerl den Trend zu Erleb- Hofmarkt, Erlebnis, Gasthaus – Shopping findet Alexander Schagerl ausgesprochen plaumit Erlebnis und Genuss. nis und Event als Antwort

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ERLEBNISWELTEN

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Das Kuhglockenrondell soll Wurst zum Erlebnis machen.

sibel. »Bei Bio stehen sowohl das Wo als auch das Wie der Lebensmittelproduktion im Mittelpunkt. Beide Fragen sind prädestiniert, durch eine Erlebniswelt am Produktionsstandort beantwortet zu werden. Dabei geht es aber nicht um ein Show-Erlebnis. Ganz im Gegenteil. Das Erlebnis soll echt und real sein. Bio ist der Ursprung unserer Essenskultur. Das soll überzeugend erlebt werden. An den Produktionsort zu gehen und mit den eigenen Sinnen zu spüren, worum es hier geht, das schafft wohl die beste Kundenbindung, die es geben kann.« Beim Schaffen von Erlebnissen kann Architektur helfen. Zum Beispiel indem eine Erlebniswelt ihre Besucher auf ganz ungewohnte Wege durch ein Gebäude schickt oder indem durch den Einsatz von Materialien an ungewohnten Stellen ein wenig Verwirrung gestiftet wird. Dass Architektur so eingesetzt wird, dass man sich zu ihr verhalten muss, kennt man aus Museen. Da wird zum Beispiel durch überraschende Geräuschdämmung plötzlich die eigene Stimme dumpf und

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intensiv wahrnehmbar. Spektakuläre Konzept-Architektur kostet natürlich viel Geld. Für räumliche Erfahrungen, die Menschen zu Erlebnissen fern ihres Alltags verhelfen, ist sie allerdings gar nicht zwingend nötig. Es geht auch einfacher. Zu einem räumlichen Erlebnis kann auch eine Betriebsbesichtigung oder ein Schaubetrieb führen. Auch wer bei der Produktion hautnah dabei ist, ihre Geräuschkulisse, Gerüche, Atmosphäre wahrnimmt, hat ein Erlebnis. Das macht man sich bei der Firma Sonnberg im oberösterreichischen Unterweißenbach zunutze. Hier wird Biowurst hergestellt und Biofleisch für verschiedene Einzelhandelsketten zerteilt und abgepackt. Ein Besucherprogramm soll Gruppen zum »Sonnberg Bio Wurst Erlebnis« verhelfen. Dazu gehören ein Quiz, eine Filmvorführung im schallgedämmten und verdunkelten »Wurstkino«, eine Besichtigung des Schaubetriebs und eine Speckverkostung in einem eigens gestalteten »Speckhimmel«. Bevor der Besuch im Shop endet, gibt es ein gemütli-

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Wenn der alte Heizkessel vor dem Burnout steht Die Diagnose ist erschütternd: In zahlreichen österreichischen Haushalten stehen alte Ölheizkessel kurz vor dem Burnout. Einst voll Energie entflammt, pfeifen sie heute aus dem letzten Loch. Der Experte empfiehlt: einen Kesseltausch und den Umstieg auf Erneuerbare Energie.

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ERLEBNISWELTEN

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Auch das Spielen im Stroh soll eine emotionale Bindung zu Bio-Produkten schaffen.

ches Beisammensein unter dem »Kuhglockenrondell«, einer Deckeninstallation, die aus stilvoll beleuchteten Kuhglocken besteht. Produkte auf solche Art und Weise erlebbar zu machen kommt Konsumgewohnheiten, die sich wandeln, entgegen. Man mag Marken-Erlebniswelten für den nächsten kommerziellen Trend der MarketingBranche halten. Doch wer bei Produkten Wert auf Qualität und bestimmte Standards in der Produktion legt – der kann in Markenwelten genau darüber viel lernen. Wenn sie gut gemacht sind. Denn »Konsumgüter sind Medien. Sie transportieren Botschaften, und diese Botschaften zu entschlüsseln ist eine Kulturtechnik wie das Lesen.« Das meint der Kunst- und Medienwissenschaftler Wolfgang Ullrich. Was vielleicht ein bisschen hochtrabend klingt, so, als stünde die Fähigkeit, sich für ein Duschgel zu entscheiden, auf einer Stufe mit der Fähigkeit, zu lesen, dürfte stimmen. Schließlich gehört es unter Akademikern zum guten Ton, daran zu erinnern, wie durchschaubar Markenbotschaften sind und welche Errungenschaft es ist, angeblich spielerisch im eigenen Shopping-Verhalten über sie hinwegsehen zu können. Gerade weil das Entschlüsseln von Produktkommunikation eine kulturelle Angelegenheit ist, lässt sich natürlich wunderbar darüber streiten, welche Produktkommunikation gelungen ist und welche nicht. Alexander

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Schagerl ist überzeugt: »Die größten Fehler geschehen dort, wo nicht die Botschaftsvermittlung im Zentrum steht, sondern nur die Selbstdarstellung eines Unternehmens. Wie spreche ich meine Kunden an, und wie kann ich mein Thema auf unterhaltsame, interessante und erlebnisreiche Art und Weise vermitteln? Das muss das Zentrum sein. Sonst gelingt das Erlebnis nicht.«

»Konsumgüter sind Medien. Sie transportieren Botschaften, und diese Botschaften zu entschlüsseln ist eine Kulturtechnik wie das Lesen.« — Wolfgang Ullrich, Medienwissenschaftler

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CREATORS, COME GET PAID WHAT IS PATREON?

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DER DIGITALE MÄZEN Auf Crowdfunding-Plattformen wie Patreon und Steady kann man Kreativarbeiter schnell, einfach und regelmäßig mit kleinen Beträgen unterstützen. Kann man so im Netz selbstständig und dauerhaft Geld verdienen?

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ack Conte hatte genug. Im Jahr 2013 war der Amerikaner ein verhältnismäßig erfolgreicher Indiemusiker mit über 150.000 Abonnenten auf seinem Youtube-Channel und Videos mit mindestens sechsstelligen Zuschauerzahlen. Doch eine Sache funktionierte nicht: die Monetarisierung. Youtube überwies Conte knapp 50 Dollar im Monat. Der Do-it-yourself-Mann ärgerte sich, nahm die Sache selbst in die Hand und gründete gemeinsam

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mit einem Partner die Crowdfunding-Plattform Patreon. Vier Jahre später stellen auf Patreon über 50.000 Kreative ihre Arbeiten zur Verfügung. Vom Reiseblogger über Autoren bis zum Comiczeichner tummelt sich dort ein bunter Haufen von »Creators«, wie sie genannt werden. Anders als bei anderen Crowdfunding-Formen fließt die Unterstützung nicht in einmaliger Form, sondern regelmäßig. Ein Unterstützer zahlt also grob gesagt nicht 50

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Jonas Vogt

»Man abonniert einen Kreativen, den man unterstützen will.«

Euro, damit ein Projekt zustande kommt, sondern fünf Euro im Monat, damit es am Leben bleibt. »Im Englischen hat sich dafür der Begriff ›crowd sustaining‹ etabliert«, erklärt Crowdfunding-Experte Wolfgang Gumpelmaier. »Im Deutschen kann man es wohl am besten als eine Art Abo-Crowdfunding beschreiben: Man abonniert einen Kreativen, den man unterstützen will.« Im Unterschied zu klassischen Mäzenen erhalten Patrons«, wie die Unterstützer genannt werden, im Normalfall für ihren Beitrag etwas zurück. Das kann von exklusivem Content bis zu einem persönlichen Dankesschreiben gehen. Darüber hinaus bietet Patreon wie andere Plattformen die Möglichkeit, direkt mit seinen Fans in Kontakt zu treten.

SCHWINDENDE WERBEEINNAHMEN Im deutschsprachigen Raum ist Patreon bislang eher spärlich angekommen. In den USA sieht das anders aus. Vor allem die Podcast- und Youtube-Szene nutzt die Plattform zunehmend als Einnahmequelle – vor allem seit durch Änderungen in der Werbe-Policy von Youtube die Einnahmen durch Werbung tendenziell zurückgehen. Das Technologiemagazin »The Verge« bezeichnete Patreon deshalb unlängst als »the economic engine of internet culture«. Natürlich spiegeln sich in Patreon deshalb auch die klassischen Konflikte der Netzkultur wider, die auch die Diskussionen um Google, Twitter und andere beherrschen. Neu-rechte Gruppierungen in den USA entdeckten Patreon schon vor Jahren zur Finanzierung ihrer Aktivitäten. Es gab einige Sperrungen, aber wie viele Tech-Unternehmen hat Patreon ein relativ breites Verständnis von Meinungsfreiheit. Patreon ist einfach für den Künstler, einfach für den Unterstützer, wächst rasant und zweigt relativ wenig von dem bereitgestellten Geld für sich selbst ab. Steht damit also die digitale Zukunft bevor, die Künstler unabhängig von individuellen Verkaufszahlen macht? Ganz so einfach ist es nicht. Die Gesetze der Aufmerksamkeitsökonomie machen natürlich auch vor Patreon nicht halt. Das heißt: Die Leute müssen vor allem

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erst einmal wissen, dass es dich gibt. Wer seinen Auftritt über bereits bestehende, erfolgreiche Kanäle wie einen Youtube-Channel bewerben kann, hat einen Startvorteil. »Das gilt aber für allen Formen des Crowdfundings«, relativiert Gumpelmaier. »Wer selbst kein Netzwerk mitbringt, wird sich schwertun.« Vor allem in den ersten Tagen einer Kampagne sollten die Unterstützer aus dem engeren Umfeld kommen, danach kämen meist erst erweiterte Netzwerke und später fremde Personen hinzu.

DIE OBEREN ZEHNTAUSEND Schaut man sich die beeindruckenden Zahlen von Patreon ein wenig genauer an, offenbart sich ein altes Muster: Wer hat, dem wird gegeben. Von den knapp zehn Millionen Dollar, die Patreon aktuell im Monat ausschüttet, fließen knapp 26 Prozent an die obersten 640 Creators. Je weiter man die Kette hinabsteigt, desto kleiner werden die Beträge. Trotzdem hört man kaum Kritik vonseiten der Creators. »Patreon gibt uns zusätzliche Sicherheit«, sagt Elisabeth Steib von Kurzgesagt. Das Designstudio mit Sitz in München produziert hochwertige Erklärvideos. Mit seinen 9.500 Patrons lukriert Kurzgesagt knapp 30.000 Euro im Monat und gehört damit zu den Top 5 der Creators. Patreon habe Kurzgesagt ermöglicht, 2016 sein Team zu vergrößern. »Das Wichtigste an Patreon ist für uns, dass die Einnahmen regelmäßig und sicher kommen.« Das ist letztlich wahrscheinlich der Knackpunkt. Kaum ein Account lebt von Patreon alleine, aber als eine von mehreren Einnahmequellen gibt es ein sicheres Standbein, selbst wenn es einen nicht alleine tragen kann. Vor allem, weil es keinen Schwankungen unterliegt. Als Teil des »digital shift«, also der Verschiebung von Monetarisierungswegen im digitalen Zeitalter, hilft Patreon Künstlern, unabhängiger von Einnahmeformen wie Werbung oder klassischen Vertriebswegen zu werden. Bis es sie ersetzen kann, dürfte es allerdings noch etwas dauern.

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Mehr Informationen auf: www.nachhaltigesoesterreich.at Träger der seit 2013 stattfindenden Aktionstage Nachhaltigkeit sind die NachhaltigkeitskoordinatorInnen aller Bundesländer sowie das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (bmlfuw)

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WASSER AKTIV

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LAND AM STROME DIE SCHÖNSTEN WASSERPLÄTZE ÖSTERREICHS Das Planschbecken im eigenen Garten, der nächste Badesee oder ein Ort der Ruhe an einem Fluss – jeder hat sein Lieblingsplätzchen irgendwo am Wasser. Diese Orte suchte wasseraktiv mit dem wasseraktiv-Fotowettbewerb.

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Unter dem Motto »Mein Wasser Land« schickten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Bilder ihrer schönsten Wasserplätze ein. 700 Bilder wurden zwischen 1. Juli und 31. August eingereicht und vom Publikum per Online-Voting gekürt. Jedes Jahr unter einem anderen Motto sucht wasseraktiv ausdrucksstarke Wasserfotos und belohnt die Gewinner mit kleineren und größeren Preisen. Hier zeigen wir eine Auswahl der beliebtesten Bilder.

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Sonnenaufgang am Wallerseesteig Die magische abendliche Stimmung am Wasser mit Spiegelungen und optischen Täuschungen faszinierte das Publikum und bescherte dem Urheber die meisten Votes im Publikumsvoting. (444 Votes)

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DES BMLFUW

MEIN WASSER LAND

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BILDER Embacher, Rumpler, Possegger, Millauer, Zahnt, Jöbstl, Johann, Engel, Josef Hinterleitner

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Herbst bei den Myrafällen Vorn schon ein bisschen Herbst, hinten noch der Sommer in der kühlen Klamm. (257 Votes)

Gewitter am Millstätter See Wenn das Wetter naht, heißt’s schnell raus aus dem Wasser. Besser man sucht sich mit seiner Kamera einen Unterschlupf und hält das Leuchten in der Ferne so spektakulär fest wie in diesem Bild. (213 Votes)

Hinterer Gosausee Verkehrte Welt im Bergsee. Oben und unten mögen verschwimmen, doch das Ziel bleibt stets vor Augen. (130 Votes)

Rundgang am Grünen See Nirgends lässt es sich besser entspannen als an einem bewaldeten Natursee. (77 Votes)

#friends #swimmingpool Die heißen Tage sind vorbei, übrig bleibt die süße Erinnerung an kühle Getränke am Pool. (28 Votes)

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WASSER ERLEND AKTIV

Morgennebel mit Fischerboot Wasser ist ein Ort der Erholung und der Ruhe. Wann warst du zuletzt auf einem Boot? (27 Votes)

Sonnenaufgang am Wallersee Es gibt kaum ein besseres Verkehrsmittel als das Fahrrad, um an einen See zu gelangen. (19 Votes)

Badespaß Die ganze Familie am Rad: Josef Hinterleitners Bild gewann in der Sonderkategorie »Mit dem Rad ins Bad«.

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Wasser und Luxus – eine Frage des Blickwinkels? Sicher – wir in Österreich haben einen anderen Bezug zu Wasser als Menschen, die in der Wüste leben, wie Menschen in Kalifornien, daher stand der Pool auch in Kalifornien. Zwischen 2014 und 2016 gab es dort unglaubliche Trockenheit, da war Wasser als knappes Gut ein großes Thema, und das Projekt hatte eine noch stärkere Wirkung. Worum ging es in dem Projekt? »Social Pool« hat mehrere gesellschaftliche Ebenen erreicht. Der Weg und die Anstrengungen, die man auf sich nahm, um den Pool zu erreichen, waren aber der zentrale Teil der Arbeit. Jeder Besucher musste eine Gallone Wasser in den Pool nachleeren, da mit dem Baden auch sehr viel Wasser heraustransportiert wird. Man musste also physisch, körperlich Wasser hintragen. Der ohnehin schon anstrengende Marsch wurde damit erschwert. Wasser ist außerdem der Ursprung jeder Zivilisation und Zentrum einer Gemeinschaft: Man geht in kleinen Gruppen hin und verbringt die Zeit dort gemeinsam, man versammelt sich seit jeher ums

Ein Pool in der kalifornischen Wüste, ein Schlüssel und gps-Koordinaten sowie die Auflage, nach dem Baden eine Gallone Wasser nachzuleeren – »Was tut man sich für den Luxus Wasser eigentlich alles an?«, fragt der Künstler mit seiner Arbeit.

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ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DES BMLFUW

ALFREDO BARSUGLIA Die Kunst als Botschafter und Wettbewerbe als Vermittler. Alfredo Barsuglia stellte einen Pool in die kalifornische Wüste und gewann damit den Neptun Wasserpreis in der Kategorie WasserKREATIV. Der Künstler über die Rolle der Kunst und die Rolle des Staates: Kunst muss Menschen erreichen.

Wasser. Außerdem musste der Schlüssel, der die Poolabdeckung öffnete, innerhalb von 24 Stunden wieder retourniert werden. Welche Rolle spielen Kunst und Kreativität für Bewusstseinsbildung? Kunst kann aufmerksam machen und Dinge aufzeigen, die sonst vielleicht nicht so wahrgenommen werden. Wer ein Museum oder eine Ausstellung besucht, ist aus der realen Welt herausgerissen und kann die Dinge anders betrachten. Im Museum geht es auch um Wertevermittlung, und das empfinde ich als einen ganz wichtigen Bildungsauftrag, den auch der Staat irgendwo zu erfüllen hat. Ihr Projekt wurde mit dem Neptun Wasserpreis ausgezeichnet. Wie finden Sie den Ansatz, dass der Staat Wettbewerbe ausschreibt? Damit Kunst geschaffen werden kann, die sich abseits der kommerziellen Flachware abspielt, braucht es Anreize und finanzielle Förderung – auch vonseiten einer staatlichen Institution wie dem Neptun Wasserpreis. Der öffentliche Bildungsauftrag bedeutet nicht nur, die Menschen ins Museum zu holen, sondern auch, sie aufzufordern, selbst aktiv zu werden und sich künstlerisch mit einem Thema auseinanderzusetzen. Dass man für ein Kunstwerk im Nachhinein einen Preis bekommt, ist eine wichtige Anerkennung. Hat man als Künstler die Möglichkeit, Bewusstsein für ein gewisses Thema zu schaffen? Natürlich! Kunst kann viel mehr, als bloß schön zu sein. In der Kunst geht man über sein eigenes Denken und seine Vorstellungskraft hinaus, das ist für mich der kreative Prozess. Ein Kunstwerk kann große Auswirkungen haben, auch »Social Pool« wurde medial groß diskutiert: Kunst, Architektur / Design, Lifestyle, Ökonomie und Ökologie waren die interdisziplinären Themengebiete. Das ist ja das Spannende an der Kunst, dass man über sein Gebiet und den eigenen Tellerrand hinausschaut.

BILD Alfredo Barsuglia

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KONSUMIERTE NATUR

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Das Foto von Candida Höfer aus dem Pariser Zoo zeigt die Vortäuschung von Idylle an einem Ort der Gefangenschaft. bild: mumok, wien

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SUPER VIECH! SUPER LANDSCHAFT! Die Ausstellung »Naturgeschichten. Spuren des Politischen« zeigt Kunst, die Verklärung der Natur zum Thema macht.

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KONSUMIERTE NATUR

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Candida Höfer Marcel Broodthaers Mark Dion

INTERVIEW

Thomas Stollenwerk

»Eine folkloristisch zurechtgeputzte Natur und Landschaft verfolgt uns auf Schritt und Tritt. Die Wohlfühlindustrie schläft nicht.«

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Die Installation Jardin d’Hiver II von Marcel Broodthaers lenkt den Blick auf koloniale Darstellungen von exotischer Natur. bild: museum of modern art, new york

atur wird gerne verklärt. Schon seit langem. Zur Zeit der Industrialisierung musste sie als Projektionsfläche für Exotik und koloniale Fantasien herhalten – auch in der Kunst. Heute entführt uns Werbung an Sehnsuchtsorte im Grünen. Massentourismus wird mit menschenleeren Palmenstränden beworben, Industrienahrung mit ländlichem Idyll. Darstellungen von Natur sind voller Widersprüche. Und in diesen Widersprüchen steckt Politik. Das Wiener Mumok zeigt Kunst, die diese Widersprüche zum Thema macht. Ein Gespräch mit dem Kurator Rainer Fuchs.

Auf den Plakaten zur Ausstellung »Naturgeschichten. Spuren des Politischen« ist eine Giraffe in ihrem Zoogehege zu sehen. Was steckt dahinter? rainer fuchs: Das Foto mit der Giraffe ist eine Arbeit aus einer ganzen Werkserie von Candida Höfer. Es vermittelt eine Idee, die hinter der gesamten Ausstellung steht. Im Bild wird ein Widerspruch sichtbar. Es suggeriert eine Idylle, die sich letztlich als Trugbild herausstellt. Auf den ersten Blick denkt man: Super Viech!

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Super Landschaft! Aber dann ist es doch nur ein Gefängnis. Es geht hier um eine konstruierte Natur, die das Eingesperrtsein verschleiern will und so tut, als ob das alles idyllisch wäre. Dieser Widerspruch wurde nicht einmal fürs Bild erfunden. In jedem Zoo ist das so. Wieso sind Menschen so offen für solche Verklärungen der Natur? Wenn man durch ein naturhistorisches Museum geht, durch einen Zoo oder durch einen botanischen Garten, dann nimmt man das ja gerne als etwas Erbauliches und Pittoreskes wahr, das noch dazu der Bildung und Forschung dient. Gleichzeitig sind solche Einrichtungen auch Orte der Verzerrung, der Zerstörung und der Gewalt. Man stopft Tiere aus, oder man sperrt sie ein. Man importiert Pflanzen aus ökonomischen Zwecken. Diese Ökonomisierung der Natur wird einfach gerne ausgeblendet. Was ist das Politische an der Verklärung der Natur? Ich fand es immer schon eigenartig und widersprüchlich, dass es Auffassungen von Geschichte gibt, die deren Verlauf als eine Art Naturprozess bestimmen. Man kann das bis in Wahlprogramme hinein verfolgen,

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KONSUMIERTE NATUR

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wenn politische Ziele mit Relikten der Naturrechtslehre wie der göttlichen Ordnung gerechtfertigt werden. Gleichzeitig wird auch Natur immer wieder als etwas der Geschichte Enthobenes, Außerzeitliches betrachtet. Solche Vorstellungen fordern zum Widerspruch heraus. Der Begriff »Naturgeschichten« wurde für die Ausstellung gewählt, weil Natur und Geschichte in ihm verknüpft sind und man ihn auch politisch verstehen kann. Es geht also um Politik, Geschichte und Natur. Worin besteht die Verknüpfung? Hier geht es um historische und zeitgeschichtliche Entwicklungen, die mit Kolonialismus und Imperialismus, mit totalitären Ideologien oder mit gesellschaftlichen Übergangssituationen zu tun haben. Neoimperiale Entwicklungen gibt es ja nach wie vor. Was wir heute erleben – die Migration zum Beispiel –, kann auch als Folge imperialistischer Politik begriffen werden, worin sich zeigt, dass Vergangenheit in der Gegenwart fortwirkt. Anhand der Naturthematik in der Kunst lässt sich das sehr gut zeigen – wenn auch vielleicht nicht immer auf den ersten Blick. Wie wird diese Verknüpfung in der Kunst zum Thema? In den 1960er- und 1970er-Jahren gab es in der konzeptuellen Kunst eine Reflexion der Kunst über ihre eigenen Rahmenbedingungen. In dieser Zeit kamen viele Bezüge zur Natur als gesellschaftskritischem Motiv auf. Das zeigt in der Ausstellung zum Beispiel Marcel Broodthaers mit seinem »Jardin d’hiver II« (1974). Da geht es um Kolonialismus und darum, wie sehr wir diese ganzen tropischen Idyllen verinnerlicht haben. Die idealisierten Bilder der Werbung und des Tourismus sollten verdecken, dass ja auch Gier und Ausbeutung in Verbindung mit den Kolonien stehen. Broodthaers zeigt diese Widersprüche auf. Es geht in seiner Arbeit darum, dem verklärten und idealisierten Naturbild ein kritisches, analytisches entgegenzustellen, das mehr dazu beiträgt, unsere Gegenwart zu verstehen. Das ist auch der Ansatz der Ausstellung. Auf welche Weise hat denn Kunst versucht, aus der Realität in die Natur zu fliehen, bevor sie die Widersprüche dieser Flucht zum Thema gemacht hat? Diese Natur als Gegenentwurf zur Realität entsteht schon zur Zeit der Industrialisierung. Denken Sie an Paul Gauguin zum Beispiel mit seinem Rückzug auf die Südseeinseln oder an die Expressionisten mit ihrer Vorliebe für primitive und außereuropäische Kulturen. Dieses Ausbrechen aus der Zivilisation, dieser Eskapismus, der sich auf ferne Länder und vorindustrielle Kulturen bezieht, ist typisch für die Moderne. Es war der Versuch, einer durch die Industrialisierung verursachten Entfremdung und Oberflächlichkeit zu entgehen.

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Kann man das bis heute weiterverfolgen, den Eskapismus, die Sehnsucht nach Exotik, die Flucht in die Natur? Weltflucht und Realitätsverdrossenheit wird es immer geben. Aber es hat sich in den letzten hundert Jahren auch vieles verändert. Allein schon durch die »postcolonial theories«. Die Theorie bestimmt nun einmal auch die Wirklichkeit. Da ist schon eine ganz neue Situation entstanden, die man nicht einfach mit der Zeit um 1900 vergleichen kann. Die damals unterdrückten Völker haben sich, auch mitgetragen von europäischen Forschern und Philosophen, Gehör und Stimme verschafft. Aber Eskapismus in die Natur lässt sich schon noch beobachten. Natürlich. In der Werbung oder im Tourismus ist er zum Beispiel ständig präsent. Einen massenwirksamen, populistischen Natur-Eskapismus wird es immer geben, solange die Freizeitindustrie boomt. Eine folkloristisch zurechtgeputzte Natur und Landschaft verfolgt uns auf Schritt und Tritt. Die Wohlfühlindustrie schläft nicht. Kann man denn in der Ausstellung auch etwas über heutige Natur-Projektionen lernen? Grundsätzlich fragt die Ausstellung nach dem Fortwirken und nach der Aktualisierung gesellschaftsgeschichtlicher Entwicklungen im Heute. Dies wird besonders in den Arbeiten der jüngeren Künstlergeneration deutlich. Es gibt in der Ausstellung auch einen ausgestopften Flamingo mit Teer-Überzug von Mark Dion. Mark Dion stellt museale Praktiken infrage und das auf sehr ironische Weise. Was er mit den geteerten Tieren bezweckt, ist ein Nachdenken über Musealisierung und Lebensferne. Er weist darauf hin, dass man anhand von ausgestopften Tieren im Museum nicht unbedingt gleich wahrnimmt, dass die tot sind. Die sind ja schließlich so präpariert, als ob sie lebendig wären. Erst durch den Teer-Überzug wird die Idee von verendeten, getöteten Tieren augenscheinlich. Erst dadurch sieht man sich mit dem Tod konfrontiert. Dions Arbeit verdeutlicht durch eine Art buchstäblich schwarzen Humor das Vortäuschen einer Wirklichkeit, die eigentlich gar nicht existiert. Die Arbeiten hinterfragen also den oberflächlichen, konsumierenden Blick auf Natur. Ja. Die Ausstellung dient ja dem Zweck, die Wirklichkeit differenzierter zu betrachten. Bevor man mithilfe vorgetäuschter Idyllen irgendeine Flucht unternimmt, die sinnlos ist, sollte man schauen, dass man sich in der Realität besser zurechtfindet. Solchen Zwecken sollte Kunst immer dienen – nicht nur diese Ausstellung.

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In der Werkserie »The Tar Museum« weist Mark Dion darauf hin, dass ausgestopfte Tiere kaum als tote Lebewesen wahrgenommen werden. Erst der Teerüberzug macht aus einem Flamingo eine verendete Kreatur. bild: mark dion und georg kargl fine arts, vienna

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DA IST DER (DRAHT-) WURM DRIN!

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Drahtwürmer sind von Erdäpfelbauern und -bäuerinnen gefürchtete Schädlinge. Die gefräßigen Käferlarven nagen Löcher in die Knollen und zerstören die Ernte – mitunter sogar vollständig. Bisher ist man ihnen mit hochgiftigen Pestiziden, wie dem im Eierskandal zu Berühmtheit gelangten Fipronil, zu Leibe gerückt. Diese sind erfreulicherweise schon eine Weile verboten. global 2000 erprobt nun umweltschonende alternative Abwehrmethoden gegen den leidigen Schädling gemeinsam mit besonders engagierten LandwirtInnen in ganz Österreich.

Vom Drahtwurm zum Schnellkäfer Die Larve des Schnellkäfers ist dafür bekannt, besonders ausdauernd und robust zu sein – daher auch der Name »Drahtwurm«. Nur besonders aggressive Insektizide konnten ihm in der Vergangenheit Einhalt gebieten. Leider sind aber Insektizide, die stark genug sind, um gegen den Drahtwurm anzukommen, meist ebenso schädlich für andere Lebewesen. Deshalb wurde die Anwendung dieser Insektengifte verboten. Starker Drahtwurmbefall führt jedoch dazu, dass die Erdäpfel ungenießbar werden oder nicht eingelagert werden können. Meist führt der Weg dann zur Biogasanlage. Das bedeutet nicht nur für die betroffenen LandwirtInnen große Einbußen, sondern es gehen auch wertvolle Lebensmittel, die unter großem Ressourceneinsatz angebaut werden, verloren.

Claudia Meixner und Anna Pollak, Global 2000 Agrartechnikerinnen

BILDER: Anna Pollak, Martin Aschauer, Global 2000

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TEXT Claudia Meixner, Agrartechnikerin bei

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GLOBAL 2000


Um diesem Problem zu begegnen, hat global 2000 im Jahr 2016 gemeinsam mit betroffenen LandwirtInnen und der Interessengemeinschaft Erdäpfelbau die arge Drahtwurm gegründet. Diese soll alternative, möglichst umweltschonende Bekämpfungsmethoden unter österreichischen Produktionsbedingungen erproben. Seither testen wir gemeinsam mit unseren PartnerInnen aus Wissenschaft, angewandter Forschung und Landwirtschaft die Wirksamkeit und Praxistauglichkeit verschiedener Methoden sowohl im Labor als auch auf dem Feld unter Freilandbedingungen.

Dem Drahtwurm zu Leibe rücken Eine Möglichkeit, den gefürchteten Schädling zu bekämpfen, besteht darin, ihn zunächst mit attraktiven Pflanzen wie etwa Weizen gezielt anzulocken und ihm danach mittels speziellem Bodenbearbeitungsgerät zu Leibe zu rücken. Eine weitere vielversprechende Methode ist der Einsatz von speziellen Pilzen, die in ungestörten Böden vorkommen, in Ackerböden jedoch nur vereinzelt bis gar nicht anzutreffen sind. Werden diese Pilze in den Boden ausgebracht, infizieren sie den Drahtwurm und führen so zu dessen Tod. Im Rahmen unseres Projekts erheben wir, welche Drahtwurmarten es in heimischen Erdäpfelanbaugebieten überhaupt gibt, und untersuchen dann, wie anfällig sie gegenüber verschiedenen Pilzstämmen sind. Gleichzeitig machen wir geeignete Versuchsstandorte ausfindig. Neben Laborversuchen testen wir auch die Wirksamkeit verschiedener Einsatzzeitpunkte und Aus-

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bringungstechniken mit der Unterstützung von betroffenen LandwirtInnen direkt am Feld. Unser wichtigstes Ziel ist es, die Versorgung der österreichischen KonsumentInnen mit qualitativ hochwertigen Kartoffeln zu sichern und dabei auf chemisch-synthetische Pestizide zu verzichten.

Befall rein optisches Problem Für uns KonsumentInnen stellen geringe bis mäßige Drahtwurmschäden ein rein optisches Problem dar. Oberflächliche Löcher können Sie beim Schälen einfach entfernen, und der Verzehr der Erdäpfel ist völlig unbedenklich. Leider hat der Handel sehr strenge Qualitätsnormen und schließt deshalb auch gering befallenene Knollen von der Vermarktung aus. Nicht selten müssen die Bauern und Bäuerinnen dann ihre gesamte Ernte entsorgen, weil das Aussortieren der betroffenen Knollen zu teuer ist. Um zu vermeiden, dass einwandfreie Lebensmittel weggeschmissen werden, fordert global 2000 den Handel auf, kleine Fraßlöcher zu tolerieren. Diese sollten kein Grund für eine Reklamation sein.  anna pollak: »Das Besondere an unserer Projektgruppe ist die Zusammensetzung: PraktikerInnen, BeraterInnen, Interessenvertretung, WissenschaftlerInnen und wir als Umweltschutzorganisation arbeiten hier gemeinsam an konkreten, praxisnahen Lösungen für dieses große Problem im Kartoffelanbau. Finanziert wird das Projekt von der EU, dem Bund und den Ländern mit Mitteln aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums.«

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG

Was tut GLOBAL 2000?

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ne Gierlinger Biorama 051 044-069 Story.indd 62

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VINTAGE-PELZ

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TEXT UND BILD

Caroline Gierlinger

TOTES TIER ALS ZWEITE HAUT Im Herbst ist der lässige Wildleder-Blouson vom Flohmarkt, im Winter der Fellmantel aus Opas Kleiderschrank der StreetStyle schlechthin. Solange die Teile gebraucht sind, scheint das Tragen aus ethischer Sicht unbedenklich. Bei Vintage-Pelz allerdings scheiden sich die Geister.

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chuhe, Taschen, Bälle, Autositze – Tierhaut ist ein gängiges und praktisches Material. Über die Herstellung von Leder- und Fellerzeugnissen lässt sich allerdings streiten. Die einen sagen, es handle sich ja bloß um Abfallprodukte der Fleischindustrie, die sozusagen nur »upgecycelt« werden, die anderen sind sich sicher, dass in Asien und andernorts viele Tiere eigens für die Lederund Fellgewinnung ihr Leben lassen müssen. Doch wie unethisch sind Leder oder Lammfell wirklich? Auch wenn das Lämmchen nicht »nur« wegen seines weichen Fells sterben muss, sondern auch als Fleisch im Supermarktregal landet, bleibt das Fell »die Haut toter Tierkinder«. So formuliert es die Tierrechtsorganisation peta auf ihrer Website. Laut peta sind nur 60 % der weltweiten Lederwaren Nebenprodukte der Fleischindustrie, ganze 40 % der Tiere werden nur ihrer Haut wegen getötet. Kauft man also Fell- oder Lederprodukte, ohne darauf zu achten, woher sie stammen, kommt das letztlich dem Kauf von Echtpelz gleich. Nikolai Köhle (25) ist Ethik-Student, liebt Fleisch und hält auch tierische Produkte wie Leder, Schaf- oder Lammfell in vielerlei Hinsicht für unschlagbar. Trotzdem verzichtet er auf all diese Dinge und ist Vegetarier, weil sein Gewissen anderes nicht mehr zulässt, sagt er. Letzten Winter hat er sich jedoch über das Online-

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Verkaufsportal willhaben einen gebrauchten Lammfellmantel zugelegt: »Mir war zugegebenermaßen noch nie so warm! Für mich persönlich ist das Ganze einigermaßen unproblematisch, solange die Sachen gebraucht und nicht ›extra für mich‹ produziert sind. Ich hätte z.B. auch wahnsinnig gerne echte Lederschuhe. Da diese gebraucht aber nur sehr schwer zu finden sind, besitze ich eben keine, denn die Leder- oder Fleischindustrie zu unterstützen kommt für mich einfach nicht mehr infrage, egal ob nachhaltig produziert oder nicht.« Schätzt man wie Nikolai Köhle Leder- oder Lammfellprodukte und möchte aber nicht wie er darauf verzichten, sollte man gut recherchieren und nur bei Marken einkaufen, die die Felle von regionalen Bauern nach der Fleischgewinnung weiterverarbeiten, Bioleder verwenden, welches ohne Chemikalien gegerbt wird, und auf Transparenz im Unternehmen Wert legen. Janna Meta Binder (29) ist Marketingleiterin von Xiling, einem Linzer Store, der ausschließlich faire und ökologische Mode vertreibt. Diese Prämisse schließt für sie den Vertrieb von Leder oder Fell aus: »Echtes Fell und Leder lehne ich prinzipiell ab und würde es auch unter keinen Umständen in unserem Shop anbieten. Unsere Maxime ist, dass niemand bei der Produktion unserer Mode zu Schaden kommt. Das fängt bei der

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VINTAGE-PELZ

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Seit Jahren begehrt: Blousons aus Ziegenvelours.

Gewinnung des Materials an und hört bei der Bezahlung der ArbeiterInnen auf.« Und wie sieht das Ganze bei Pelz aus? Ist es wirklich viel schlimmer, Pelz zu tragen, als Felle oder Leder? Ein Argument, welches zwischen Leder und Pelz unterscheidet, könnte sein: Wenn das Lammfleisch ja sowieso in die Regale muss, kann man sich dann nicht auch gleich die sterblichen Überreste des Tieres als Jacke umhängen, bevor sie ungenutzt weggeworfen werden? Mit unserem Fleischkonsum können wir das Tragen von Fellen jedoch kaum rechtfertigen. Es geht immer darum, abzuwägen und sich zu informieren, das gilt für Leder, Felle, Fleisch aus Massentierhaltung genauso wie für Baumwoll-Shirts aus Billiglohnländern. Ernsthafte Argumente pro Pelz sind allerdings kaum vorzubringen. Die Tiere werden meist auf grausame Art und Weise, teilweise noch lebend, gehäutet und ihre Überreste danach auf den Müll geworfen. Fur Europe gibt an, dass allein in europäischen Pelzfarmen 44 Millionen Tiere jährlich getötet werden, wobei laut Angaben des Deutschen Pelzinstituts 47 % der Felle dabei von Pelzfarmen und nur 15 % aus der Jagd kommen. Und selbst bei Labels, die mit Kunstpelz arbeiten,

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sollte man genau hinsehen. Denn trotz des EU-weiten Importverbots von Haustierfellen deklarieren manche Marken Hunde- oder Katzenfelle mit falschen Etiketten als Kunstpelz. In China sterben jährlich rund zwei Millionen Hunde und Katzen für die Pelzindustrie, denn ein echtes Fell aus China ist sogar billiger als ein gut gemachter Kunstpelz. Es ist also klug, sich damit auseinanderzusetzen, wie man Echt- von Kunstpelz unterscheiden kann und wie transparent die Herkunft der Materialien eines Labels ist, denn sonst kann es uns durchaus passieren, dass das Fell einer toten Katze unsere Mantelkrägen ziert. Heutzutage sind wir nicht mehr wie die Neandertaler angewiesen auf Tierhaut als wärmende Kleidung oder Fleisch als lebenserhaltendes Nahrungsmittel. Gerade deshalb sind beim Kauf von tierischen Produkten die Regionalität und eine nachhaltige Produktionsweise umso wichtiger. Gebrauchte Kleidungsstücke dieser Art zu tragen ist somit vielleicht auf den ersten Blick nicht ethisch verwerflich, diese sind aber in gewisser Weise eine Werbetafel für unethische Tierprodukte. Über diese Botschaft, die viele Menschen möglicherweise unbewusst am Körper tragen, sollte man sich klar sein.

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Sabine Schlimm

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Carlos Amarillo / Shutterstock.com Sabine Schlimm

DIE TEEREBELLEN Eine südfranzösische Fabrik wandelt sich von der Konzerntochter zur Vorreiterin einer neuen Art des Wirtschaftens: kooperativ, nachhaltig und regional.

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»Ich will gar nicht behaupten, dass Lindenblüten aus Südamerika schlechter sind – jedenfalls nicht bei der Ernte. Billiger sind sie deshalb, weil die Arbeiter in diesen Ländern noch stärker ausgebeutet werden.« — Olivier Leberquier

er Duft von Fenchel mischt sich mit dem von Minze. Begleitet von lautem Rattern, spucken die Anlagen frisch befüllte Teebeuteln in Pappschachteln. So sieht seit Jahrzehnten der Alltag in der Teefabrik im südfranzösischen Gémenos aus. Mit einem entscheidenden Unterschied: »Das sind jetzt unsere Maschinen«, erklärt Olivier Leberquier, und der Stolz ist seiner Stimme anzuhören. Früher gehörte das Werk zu Unilever, bis der Konzern 2010 verkündete, die Fabrik schließen und die Produktion nach Polen verlagern zu wollen. Allerdings hatte Unilever die Rechnung ohne die Belegschaft gemacht. Die stieg auf die Barrikaden und blieb über dreieinhalb Jahre oben. Am Ende zwangen die Angestellten den Weltkonzern, ihnen das Werk zu überlassen. Heute wird in Gémenos immer noch Tee in Beutel abgefüllt, aber nun hat dort die Belegschaft das Sagen: als Arbeiterkooperative namens Scopti. Alle wichtigen Weichen werden seitdem in der Vollversammlung gestellt, in der jedes Mitglied der Kooperative eine Stimme hat. Olivier Leberquier gehört außerdem dem dreiköpfigen Leitungsgremium an, das die alltäglichen Entscheidungen trifft. Aber er trägt immer noch den gleichen grünen Arbeiteroverall wie alle hier, und das Bild von Che Guevara über seinem Schreibtisch zeigt deutlich, dass es ihm um mehr geht als um Gewinnmaximierung.

EINE FRAGE DES AROMAS Eine Etage über den ratternden Maschinen in der Produktionshalle hängen 600-Kilo-Säcke, aus denen die Rohware in riesige Trichter rieselt. Hier oben duftet es noch intensiver. Grüner Tee mit Miwnze gehört im stark nordafrikanisch beeinflussten Frankreich zu den beliebtesten Sorten. Bei näherem Hinsehen sind in dem fein zerkleinerten grünen Tee winzige weiße Stäbchen zu erkennen: zugesetzte Aromastoffe.

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Che Guevara schaut immer zu, wenn Olivier Leberquier am Schreibtisch den Papierkram für die Fabrik bearbeitet, die er heute sein eigen nennt – zusammen mit den 57 anderen Mitgliedern der Kooperative.

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TEE

69 in der Teetasse der Verbraucher landet, ist kaum mehr als Staub.«

WIRTSCHAFTEN IN DER REGION

Grüner Tee mit Minze gehört zu den beliebtesten Sorten in Frankreich. Supermarktware enthält immer zugesetzte Aromen.

Sie sind ein Zugeständnis. Was hier vom Band läuft, ist die Hausmarke einer der großen französischen Supermarktketten. Diese Auftragsproduktionen sichern Scopti das Überleben und bezahlen die Rechnungen. Aber synthetische Aromen sind nicht das, was die Mitglieder der Kooperative eigentlich wollen. Eigenständigkeit hieß für sie von Anfang an auch, auf Qualität zu setzen. Sie haben nicht vergessen, welches Unbehagen es ihnen zu Unilever-Zeiten einflößte, dass sie die Kanister mit den Aromastoffen nur in Schutzkleidung öffnen durften. Sicher, die Stoffe waren für Lebensmittel zugelassen. Aber müsste es nicht auch ohne gehen? Eigentlich ja. In der Vergangenheit war die Provence bekannt für ihre Heilpflanzen. Die Kräuter, die hier unter der heißen Sonne wachsen, besitzen einen hohen Anteil ätherischer Öle. Küchenmischungen wie die Herbes de Provence und aromatische Kräutertees profitieren davon. Aber Anbau und Ernte waren den großen Lebensmittelkonzernen irgendwann zu teuer. Heute werden Zutaten wie Lindenblüten in Südamerika eingekauft, nach Europa verschifft, in Deutschland geschnitten, in Polen in Teebeutel gefüllt und nach Frankreich transportiert, wo man abends immer noch gerne eine Tisane de tilleul trinkt. Für Leberquier und seine Mitstreiter ein Unding. »Ich will gar nicht behaupten, dass Lindenblüten aus Südamerika schlechter sind – jedenfalls nicht bei der Ernte. Billiger sind sie deshalb, weil die Arbeiter in diesen Ländern noch stärker ausgebeutet werden. Außerdem verlieren getrocknete Pflanzen durch die langen Transportwege Aroma. Was

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Die Scopti-Mitglieder wollen das ändern. Bereits in der Phase des Arbeitskampfes knüpften sie Kontakte zu Produzenten, die ihren Vorstellungen von Qualität und nachhaltiger Produktion entsprachen. Leberquier und einige Mitstreiter reisten nach Vietnam zu einer Kooperative, die ihnen heute besten grünen Tee liefert. Sie suchten in der Provence Lieferanten für die traditionellen Kräuter, und sie fanden in Südfrankreich einige uralte Linden, die der Besitzer nicht mehr selbst abernten wollte. Seitdem fährt jedes Jahr im Frühsommer eine Delegation von Freiwilligen in die Region der Baronnies, um die aromatischen Blüten zu pflücken. Der Tee daraus schmeckt – je nach Wetter – jedes Jahr ein bisschen anders. Deshalb wird er als Jahrgangstee vermarktet; selbstverständlich in Bio-Qualität. Im Moment ist der Anteil der Scopti-Eigenmarken an der Produktion noch relativ klein, aber er soll wachsen, und die Produkte sollen auch über Frankreich hinaus erhä ltlich sein. Olivier Leberquier klingt optimistisch, wenn er das erzählt. Ob es gelingt? Abwarten und Tee trinken. Den Beutel »Menthe douce«, Leberquiers Lieblingssorte, zieht er aus einer Packung mit der Aufschrift »1336«. Der Name der Scopti-Marke erinnert an die 1336 Tage des Arbeitskampfes, der in dieser Fabrik alles verändert hat, weil es ein Ziel und eine Vision gab. Beides gibt es immer noch, stellt Leberquier fest: »Wir möchten beweisen, dass ein anderes Wirtschaftsmodell, eine andere Gesellschaft möglich ist.«

1336 Tage dauerte der Arbeitskampf. Stolz schmückt sich eine der beiden Scopti-Eigenmarken mit dieser Zahl.

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Von der Vielfalt der Bierkultur überzeugten sich Ende September ungefähr 2.500 Besucher bei unserem Craft Bier Fest in der Lösehalle der Linzer Tabakfabrik. Ein Wochenende lang konnten über 200 Biere von 62 Brauereien aus 18 Ländern verkostet werden. Dazu gab’s regionale Bio-Köstlichkeiten.

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MOSTBARKEITEN Der Most verändert sein Wesen. Was früher zu günstigen Preisen und ausschließlich ab Hof verkauft wurde, präsentiert sich zunehmend in schlanken Flaschen und pfiffigem Design.

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uch der Most selbst ist erwachsen geworden. Blitzsauber, kristallklar, kühlfruchtig und sortentypisch. Manche Sorten sind elegant und feingliedrig, andere kräftig und ausdrucksstark. Einige sind grandiose Essensbegleiter, andere famose Solisten. Wir reden immer noch vom Most. Die Winzer können sich schon einmal warm anziehen. Äpfel und Birnen sind ihnen dicht auf den Fersen. Hier ein paar Beispiele.

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PETERSEIL, HOAMATLAND Pfirsich, Erdbeeren, Trauben, Marillen. Und natürlich Äpfel (vor allem Gala) und Birnen (vor allem Williams). Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass sich die Familie Peterseil dem Obst verschrieben hat. Ohne Wenn und Aber. Der Betrieb liegt nahe Linz, nördlich der Donau. Wer Luftenberg oder Stratzing nicht kennt, kennt vielleicht St. Georgen an der Gusen. Oder Steyregg. Das wären die größeren Orte, zwischen denen die Peterseils schaffen. Herausragend in der recht beeindruckenden Mostkarte: der trockene Hoamatland. Ein gemischter Most aus Äpfeln und Birnen. In der Farbe klassisch hell, goldfarben. Das frische, sehr fruchtige Bukett spiegelt das vergangene Obstjahr wider. Hat alles, was ein strammer Mühlviertler braucht. Kraft, Gerbstoff, Struktur und Rückgrat. Alles in allem ein idealer Speisebegleiter von Leinölerdäpfeln bis zum Mostbratl.

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Jürgen Schmücking

KÖGLERHOF, SCHUSTERWIESE Wenn man (aus jeglicher Richtung aus Österreich kommend) durch Linz durch- und über die Donau fährt, kommt man ins Mühlviertel. Noch recht nah an der Landeshauptstadt, am Pöstlingberg vorbei, liegt Grammastetten und nicht weit von dort der Köglerhof. Für Slow Foodies und Bio-Genießer ist das längst kein Geheimtipp mehr. Der Hof hat Gänse, Schafe (Kärntner Brillenschaf ), Hühner (Sulmtaler und Bresse), Schweine (Schwäbisch-Hällisch) und Kühe (Limousin). Und natürlich Obstbäume. Jede Menge Obstbäume. Deshalb gibt es auch Saft und Most von Streuobstwiesen, von denen mein absoluter Favorit die Schusterwiese ist. Dicht, fruchtig und rustikal. Ein echter Mühlviertler Naturbursch mit Gerbstoff und herbem Charme.

FARTHOFER, MOSTELLO Mittlerweile ist er eine Art Legende. Der Mostello von Josef V. Farthofer ist nämlich kein Most. Auch kein Schnaps. Rechtlich muss etwas Sperriges auf der Flasche stehen. Wir sind in Österreich, und da muss alles seinen geordneten Gang gehen. Also ist der Mostello ein »biologisch zertifizierter Obstdessertwein aus Birnen«. Was allerdings dahintersteht, ist einzigartig. Farthofer nimmt besten Birnensaft und lässt ihn mit der alkoholischen Gärung beginnen. Zu einem Zeitpunkt, an dem die Hefen noch mitten in der Arbeit sind und Zucker in Alkohol umwandeln, gibt er ein Destillat dazu. Die Hefen sind überfordert und stellen ihr Werken ein. Was bleibt, ist ein restsüßes, alkoholisches Getränk, das – um seine innere Ruhe zu finden – noch für lange Zeit im Holzfass reifen darf.

ADELSBERGER, GRÜNE PICHLBIRNE Leopoldine und Adolf Adelsberger aus Randegg im Mostviertel haben sich der Birne verschrieben. Apfel und andere Obstsorten gibt es am Biohof natürlich auch. Genauso wie Mutterkuhhaltung, Bienenvölker und eine stattliche Forstwirtschaft. Die Birnen und ihre Moste sind aber schon ein bisschen die Liebkinder des Betriebs. Die Mostkarte ist vielfältig und umfasst Grüne-Winawitz-, Knoll- und Speckbirnen-Most. Und natürlich die Grüne Pichlbirne. Mit Letzterer räumten die Adelsbergers bei der Wieselburger Ab-Hof-Messe ab und stellten alle anderen Birnenmoste in den Schatten. Der Most ist strahlend gelb, extrem sortentypisch, kristallklar, fruchtig und hat eine erfrischende Note nach reifer Zitrusfrucht. Hoher Trinkspaßfaktor.

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Die Winzer können sich schon einmal warm anziehen. Äpfel und Birnen sind ihnen dicht auf den Fersen.

HECHAL, BLUTBIRNE Gar nicht weit vom Hof der Familie Adelsberger entfernt liegt der Biobauernhof Höhenberg. Auch »Hechal’s« genannt. Gemeinsam sind das die Bio-Mostbauern der Bio-Region NÖ Eisenstraße. Auch hier wieder: unglaubliche Vielfalt. Topaz, Bohn und Arlet bei den Äpfeln. Knoll und Speck bei den Birnen. Und dann ist da noch die Blutbirne. Klingt gefährlich, ist es aber nicht. Der Most heißt Red-Mo, ist extratrocken und eine Zierde seiner Art. Die Säure ist kräftig, kantig, der Gerbstoff hat den Gaumen fest im Griff, der Duft dagegen ist elegant, feinfruchtig, fast ein wenig fragil und erinnert an rote Waldbeeren. Außergewöhnlich ist natürlich die Farbe. Wahrscheinlich ist es der einzige rote Birnenmost überhaupt. Ein echter Heuler.

KÜHBREINHOF, CHAMPAGNER RENETTE Wie viele Kreuzungen ist die Champagner Renette zufällig entstanden. Vor über 300 Jahren und ausgerechnet in der Champagne. Heute bitzeln die ChampagnerWinzer und wollen weltweit und mit schwerem juristischem Geschütz durchsetzen, dass »Champagne«, »Champagner«, »champenoise« nur in Zusammenhang mit ihrem Schaumwein verwendet werden darf. Meist gelingt es, bei der Champagner Renette beißen sie sich allerdings die Zähne aus, zumal der – bestätigte – Ursprung nun einmal die Champagne ist. Egal, der überzeugte Bio-Mostbauer macht aus der Renette einen sensationell spritzigen, intensiv duftigen, vollen und über die Maßen köstlichen Apfelmost. Mit sieben Gramm Restzucker zwar immer noch trocken, aber Süße spielt schon recht kokett auf der Zungenspitze. Aber auch die anderen Moste des Hauses sind ein Gedicht. Sehr beeindruckend, was der Quereinsteiger David Kargl in Graden da auf die Beine gestellt hat.

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MARKTPLATZ KOSMETIK

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Bernadette Schmatzer

BILD

Claudia Diwold, Anika Suck

WANNENWONNEN Unsere liebsten Badessenzen zur Erkältungsauszeit!

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etterwechsel inklusive Regengüssen und erster Erkältungswelle sind bereits durch die Lande gezogen. Traditionelles Fazit: Wir ziehen uns in wohlige Wärme zurück. Beim ersten Schnupfen werfen wir uns gerne in die häuslichen Wogen: Dazu unsere liebsten Badezusätze in Bio-Qualität zum Notfalls-Erkältungsstopp. Hahn aufdrehen und abtauchen!

1 // ALL-TIME CLASSIC Perfekt bei Müdigkeit in der dunklen Jahreszeit ist das Rosmarin Aktivierungsbad von Weleda, das wärmend anregend der Erkältung etwas die Schwere nimmt. Rosmarinöl pflegt die Haut – und nur das, denn das Bad enthält keine schäumenden Tenside oder synthetische Emulgatoren, die die Haut austrocknen könnten. weleda.at

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75 2 // VOM BERG IN DIE WANNE

5 // DURCHATMEN

Sinnlich duftend nach Vanille, Kardamom und Ingwer, fühlt man sich fast schon im orientalischen Hammam, dennoch badet man mit dem Sisi and Joe Bad- und Duschgel mit Edelweiss in Extrakten ebendieser alpinen Pflanze. So if u really love me darling, bring me edelweiss … sangen wir beim Badegang. sisiandjoe.com

Zum Wiederaufatmen eignet sich das Dr. Hauschka Salbeibad besonders. Der intensive ätherische Duft befreit so richtig spürbar die Atemwege und erfrischt angenehm. Und der Zusatzeffekt: Salbei desodoriert auch noch, weshalb es sich auch für Fußbäder eignet. drhauschka.at

3 // BADEÖL IN PARFUMQUALITÄT

Verspielten Badespaß für Groß und Klein verschaffte uns die Dresdner Essenz Dreckspatz »Werde stark!« Der herrlich fruchtig-klärende Duft nach Melone und Pfefferminz und eine kleine Abenteuer-Geschichte brachten uns gleich wieder gute Laune – trotz verschnupfter Nase. Im Babysitter-Experiment approved! dresdner-essenz.com

Das Mitchell and Peach English Growers Bath Oil duftet mehr nach Unisex-Parfum denn nach Badeöl – wir würden es gerne täglich tragen. Doch bis der Duft als Parfum erscheint, baden wir gerne in dem wahren Duftreigen aus Mandel-, Zitronen-, Orangen-, Basilikum-, Zedern- , Koriander-, Lavendel- und Pfefferminzöl. mitchellandpeach.com

4 // OHNE BADEWANNE Wer nicht über den Luxus einer eigenen Wanne verfügt, kann sich in althergebrachter Manier auch an einem Fußbad im »Schaffel« erfreuen. Besonders luxuriös wird dies mit dem wärmenden Fußbad von Susanne Kaufmann. Kampfer, Menthol, Rosmarin und Eukalyptus pflegen und duften gleichsam eindringlich und wie ein ganzer Saunagang. susannekaufmann.com

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6 // NICHT NUR FÜR DIE KLEINEN

7 // FLÜSSIGE PFERDESTÄRKE Der Wegwartehof – Österreichs einziges Demeterzertifiziertes Stutenmilchgestüt – verarbeitet bereits seit 20 Jahren die besondere Milch zu Pflege für sensible Haut. Im Pflegebad des Hofes sorgen zusätzlich Sahne und Honig für spürbare Geschmeidigkeit, Rosenblüten, Blutorange und Bergamotte für ein stärkend harmonisierendes Dufterlebnis. Der Hof kann auch besichtigt werden. wegwartehof.at

6 HEILSAMES WALDBAD Wundheilend, antibakteriell und nebenbei ganz vegan. Für 5 Anwendungen brauchst du: • 150 Gramm frische Nadeln von der Tanne, Fichte, Lärche oder Kiefer aus dem Wald • Ein Glas (200 g) mit frischen grünen, gesammelten Moosspitzen • 500 g Natursalz Alles gemeinsam mit dem Mixer pulverisieren, anschließend durchsieben, um größere Pflanzenteile zu entfernen, und circa 150 g der Mischung dem Vollbad zusetzen. Das Badeöl ist 1 Jahr bei Zimmertemperatur haltbar. (Quelle: Gabriela Nedoma und Siegrid Hirsch: »Vegane Kosmetik«, Freya-Verlag)

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EINGEBROCKT & AUSGELÖFFELT

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Anna Zora & Esa Lotte

DIE MOHNPOTIZE D

Rechtzeitig zum Start in die kältere Zeit zaubern wir mit der frischen Ernte des Waldviertler Graumohns eine herzerwärmende Speise der besonderen Art.

ie Grundform des Rezeptes stammt von Esas Oma und ist ihr hiermit mit großem Dank gewidmet. Unsere saftige Mohnpotize ist die Vollendung des gemeinsamen Kaffeegenusses und sollte am besten noch lauwarm genossen werden. Die angeführten Mengenangaben entsprechen der einfachen Masse, auf den Fotos ist die doppelte Menge abgebildet, um dem Appetit der Gesellschaft gerecht zu werden. Man nimmt sich zuerst des wunderbaren Germteigs an. Dafür werden etwas weniger als ein Viertelliter Milch, 25 g Butter sowie 50 g Zucker gemeinsam erwärmt. Achtung! Die Mixtur soll – sobald sie auf die Germ trifft – nur lauwarm sein. Da fühlt sich die Germ dann am wohlsten, ihr wird es sonst oft zu heiß. Seid achtsam, und der Teig wird euch mit Geschmeidigkeit danken. Als Nächstes vermengt man Mehl und Trockengerm in einer großen Schüssel bzw. in der Rührmaschine. In diesem Fall wird Trockengerm gewählt, da sie den Teig gleichmäßiger aufgehen lässt und der Potize gut bekommt. Zum Mehl kommt das Ei sowie die lauwarme Milch-Zucker-Butter-Kombination. Beides wird gut eingearbeitet. Am Schluss fügt man noch die Schale einer Zitrone sowie etwas Salz hinzu. Der Germteig freut sich immer über ausgiebige Zuneigung und entschlossene Kneteinheiten – je umfassender, desto besser. Zu Germteig entwickeln wir immer eine ganz besondere Sympathie und widmen ihm uns mit ganzem Herzen und Körpereinsatz. Wenn er eine zart-zähe Konsistenz erreicht hat, braucht er an einem möglichst warmen Ort etwas Ruhe. Nach einer Stunde wird der aufgegangene Teig wieder geknetet und danach nochmals eine gute halbe Stunde in Ruhe gelassen. Die Fülle lässt sich ganz einfach herstellen und verströmt innerhalb kürzester Zeit einen unwiderstehlichen Geruch. Freut euch darauf! Zuerst kocht man die Milch auf und rührt Zucker, Honig und Mohn ein. Anschließend nimmt man die Fülle vom Herd und mengt ihr Zimt, Zitronenschale, Rosinen, Rum und die Brösel bei.

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DER GERMTEIG • 350 Gramm glattes Mehl • 1 Ei • 50 Gramm Butter – geschmolzen • Knapp ¼ Liter Milch • 70 Gramm Zucker • ¾ Packerl Trockengerm aka Hefe • Zitronenschale • Salz

DIE FÜLLE • ¼ Liter Milch • 100 Gramm Rohrzucker • 1 Esslöffel Honig • 250 Gramm (Grau-)Mohn gemahlen • 1 Messerspitze Zimt • 2 Esslöffel Rum • 1 Esslöffel Semmelbrösel (nach Bedarf) • Rosinen • Zitronenschale

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GLASGEFLÜSTER / Sarah Krobath und Jürgen Schmücking

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BEST OF BIO VON FRÜH BIS SPÄT

ILLUSTRATION Nana Mandl, Katharina Hüttler / agentazur.com

FÜR DIE PRÄMIERTEN SIEGER AUS 300 EINGEREICHTEN WEINEN FINDET SICH UNTERTAGS IMMER EINE GELEGENHEIT.

sarah: Von dem Sprichwort »Frühstücken wie ein Kaiser, Mittagessen wie ein König und Abendessen wie ein Bettelmann« kann man halten, was man will. Hauptsache, man lässt es sich nicht nehmen, schon vormittags wie ein Fürst zu trinken – oder wie eine Fürstin. Mit dem frisch-saftigen Verrenberg Muskateller 2016 vom Weingut Fürst Hohenlohe Oehringen lässt sich die Ladies Night nämlich prima zum Tag machen. Vorausgesetzt, die Mädels lassen sich nicht von der klobigen Flasche täuschen, in welcher der feingliedrige, leichte Wein recht verkleidet wirkt. Mit einem betörend muskatigen Bukett, vollem Geschmack und balancierter Säure ist er, wie die Frau von heute, auch ohne (Getränke-)Begleiter bestens aufgestellt. Wer sich zum Business-Lunch ein kühles Gläschen gönnen und dabei einen ebensolchen Kopf bewahren möchte, kommt mit Georg Forsters Riesling vom Kies 2016 ins Geschäft. Im besten Fall steht »Forelle Müllerin« am Tagesmenü, im allerbesten färbt die Harmonie des zart prickelnden, leichtfüßigen und extraktreichen Gentlemans von der Nähe auch auf die Tischgesellschaft ab. An einem »Best of Bio«-Tag darf selbstredend auch die Gutenachtgeschichte flüssig ausfallen. Im Fall des Pettirosce 2016 handelt sie vom Rotkehlchen, das auszog, die Wölfe in den Abruzzen zu retten. Mit dem zierlichen namensgebenden Vogerl hat der dropsige, rotbeerige Montepulciano Rosé samt 14 Prozent Alkohol wenig gemein, mehr mit der gewichtigen Botschaft der #soslupo-wwf-Kampagne, die mit dem Erlös aus seinem Verkauf unterstützt wird. In bocca al lupo!

jürgen: Wild am Morgen, ernsthaft um Mittag herum und exzessiv am Abend. So kann (und sollte) es sein, wenn man sich mit Wein durch den Tag (be)gleiten lässt. Lassen wir uns von einem Bastard wecken. Möglicherweise liegt er sowieso noch in Griffweite rund ums Bett. Der »Little Bastard« vom Staffelter Hof ist eine Cuvée aus Riesling (von einer Steillage) und Sauvignon Blanc. Das ist ungewöhnlich, aber nur auf den ersten Blick. Der Bursche ist nämlich ein waschechter Natural Wine. Unfiltriert und händisch abgefüllt. Ungeschwefelt. Ein sensationell grandioser Vertreter seiner Art. Zu Mittag sollte es dann ernster werden mit François de Nicolay, Ladoix 2014, einem tiefgründigen Burgunder. Obwohl der feingliedrige Wein mit nur 12,5 Prozent Alkohol daherkommt, macht er ordentlich Druck. Lindenblüten, Honigmelone, Haselnuss. Die Nase verzaubert ohne Ende. Die »Best of Bio«-Verkosterrunde schwelgte in Assoziationen: Pasta mit viel Olivenöl, kalabrischer Zitrone und viel Parmesan. Ein Mittagswein eben. Es ist nicht lange her, da wurde im Weingut der Brüder Loacker in Montalcino eingebrochen. Aus dem Weinkeller verschwanden unzählige Flaschen Brunello. Wir halten das natürlich für eine bodenlose Sauerei und wünschen den Loackers baldige Aufklärung. Allerdings muss man den Dieben zugestehen, dass sie Geschmack haben. Der 2012er-Brunello ist ein Konvolut aus dunklen Beeren. Also Brombeeren (fast schon in Likörqualität), Zwetschken (Powidl, my ass) und rot-schwarze Kirschen. Ein nobler Italiener, der peu à peu zeigt, was er kann, und am Schluss in barocker Pracht dasteht. Buona notte!

die weine, die für diese rubrik von sarah krobath und jürgen schmücking verkostet werden, sind allesamt bio-qualitätsweine, die im rahmen des »best of bio«-awards ausgezeichnet wurden. das glasgeflüster entsteht in kooperation mit »best of bio«.

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Schenkt toskanische Sonne im LaSelva Glas! Mediterraner Genuss beglückt Freunde, Familie, Mitarbeiter und Kunden umso mehr in der dunklen Jahreszeit. Warum also nicht die vollreife Ernte des Sommers als Bio-Feinkost, Olivenöl, Wein, Spumante, Grappa oder Passito verschenken? Bei dem Bio-Landgut LaSelva in der südlichen Region Maremma und seiner cantinaLaSelva aus dem Morellino di Scansano DOCG können Geschenkpakete im Onlineshop bestellt und Versendungen vom Vertrieb München aus beauftragt werden. Tomate, verschiedene Gemüse, Kräuter und Obst werden von den Italienern seit 37 Jahren unter anderem zu Antipasti, Salsa und Pesto im Glas verwandelt. ! nkgutschein Tipp: Gesche La Selva im ub la Ur Macht n Umgeben vo Agriturismo. drei Kilod un r ltu Natur, Ku ernt... Stra nd entf meter vom

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www.laselva.bio

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MALZZEIT

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Micky Klemsch

DIE BIENE IM BIER Jetzt, da der Herbst kommt, hol ich wieder den Honig aus dem Eck hervor, wo er den ganzen Sommer über gedarbt hat. Es ist die Zeit, in der ich wieder gerne Tee trinke und ihn immer gerne ein wenig mit Bio-Bienenhonig süße.

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uch im Bierbereich kommt Bienenhonig zum Einsatz. Nein, das ist keine Innovation der Kreativbierszene und Craft-Bier-Brauer, die hier schon wieder am Reinheitsgebot vorbeischrammen. Honigbier hat Tradition – eine sehr lange sogar. Schon die Germanen setzten ihrem aus Emmer und Gerste gebrauten Bier sehr früh Honig zu. Wissenschaftler haben das bei der Untersuchung germanischer Trinkhörner festgestellt. Angelehnt natürlich an den Honigwein Met, den laut Mythologie ja sogar die Götter getrunken haben sollen. Von den Wikingern ist überliefert, dass sie Honigbier speziell für das Julegilde, also das winterliche Festgelage, brauten. Im Mittelalter war Honig im Bier gang und gäbe. Der konservierende Hopfen für das Brauen war noch nicht entdeckt. Honigbier war einfach länger haltbar, da der Honig natürliche Konservierungsstoffe enthält. Es gibt aber mehrere Gründe dafür, warum Brauer gerne Honig fürs Bier verwenden: Er ist vielseitig einsetzbar, hoch fermentierbar und gibt fast jeder Sorte von Bier das spezielle Etwas. Durch seine Süße kann er den Alkoholgehalt steigern. Vor allem wenn man Honig schon früh zum Jungbier oder zur Würze hinzufügt, wird der Zucker zu Alkohol mitvergoren und das Bier kräftiger. Es hat dann allerdings kaum geschmackliche Honignoten. Um den Honigcharakter stark zu

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unterstützen, wird Honig oft erst zum fertigen, erhitzten Bier hinzugefügt. Dies wird zumeist bei Bieren, die schon vom Namen her an die nordischen Mythen erinnern, getan, zum Beispiel dem 5,4% starken Odin Trunk. Sehr erfreulich ist übrigens, dass viele Brauer gerade beim Honigbier auf Bioqualität setzen. So wurden meine drei Lieblingssorten dieses Biertyps alle ausschließlich mit biologischen Zutaten gebraut. Das Christkindl-Honigbier aus der Stieglbrauerei zu Salzburg zum Beispiel: »Der milde Geschmack des Bio-Honigs bleibt bis in den Abgang hinein tonangebend, wenngleich durch zarte Hopfentöne und eine feine Rezenz eine erstaunlich bierige Komposition, die den Gaumen mit einem Hauch von Weihnacht begeistert«, lesen wir in den Notizen des Bräus. Auch Peter Kramer aus dem Mühlviertel verwendet Biohonig von den Hochlandimkern für das Hofstettner Honigbier. Für seinen 2014erHonigbock verwendete er Kastanienhonig aus der Toskana. Das meistverkaufte Biobier in England ist auch ein Honigbier, das Organic Honey Dew von Fuller’s aus London. Eines der bekanntesten Honigbiere ist übrigens das White House Honey Ale, das auf Initiative von Barack Obama seit 2011 im Weißen Haus gebraut wurde. Das allerdings leider nicht in Bioqualität.

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www.biogastrotrophy.at

BIO AUSTRIA und BIORAMA vergeben die an die besten BIO AUSTRIAGastronomInnen

Eine Initiative von

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Foto: © David Faber

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ELTERNALLTAG / Ursel Nendzig

Ich halte mich für eine Feministin. Aber ganz sicher weiß ich das nicht, oft benehme ich mich trotz allem so unfeministisch. Was ich weiß: Ich will, dass meine Söhne Feministen werden. Könnte klappen.

ILLUSTRATION Nana Mandl

WAS FRAUEN KÖNNEN

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obbedingt beschäftige ich mich zurzeit mit Feminismus, sehr viel In-mich-Gegehe nach der Feministin in mir und wie gut sie eigentlich von mir gepflegt wird. Spannende Fragen tauchen dabei auf, in meinem Alltag, ob dieses oder jenes Verhalten feministisch ist. (Erster Listenplatz bei der SommerKinder-Betreuung? Eher nicht. Immer den Mann an den Griller lassen und derweil die Salate zubereiten? Vielleicht, Grillen macht mir keinen Spaß. Schminken? Figurgejammer? Beine rasieren? Grenzfälle.) Wobei die Überfrage natürlich ist, wie viel meines Feminismus bei meinen Kindern ankommt. Umso spannender, weil sie irgendwann einmal Männer Schubladen klemmen gewaltig. Der Mann: Werkzeug, Rasenmäher, Elektro, und eines möglichst nahen Tages, so mein Wunsch Holzhacken, Fahrradreparieren. Ich: und Ziel, jedenfalls Feministen sein sollen. Staubsaugen, Wäschewaschen, HosenfliIn einigen Dingen klappt das ganz gut, denke cken, Elternabende. Das ist doch erschreich. Zum Beispiel hier: Weil gerade im Familienckend, oder ist es das nicht? Ist es femikreis geheiratet wurde, kam die Frage nach dem nistisch, wenn ich nun mal lieber Wäsche Nachnamen auf, warum viele Familien einen gemeinsamen Nachnamen haben und wir eben wasche als Rasen mähe? Vielleicht eh. Aber nicht. Weil ich meinen behalten will, ganz es macht mich jetzt schon traurig, dass meine einfach. Weil ich mich nicht umdefinieren Söhne später bestimmt auch Elektro und so möchte und weil ich es veraltet und überweiter lieber machen. Nur beim Kochen habe holt finde, genau wie Heiraten an sich ja ich Hoffnung. eine riesige Verschwörung der HochzeitsWas mir hingegen ein total diebisches Verindustrie ist. Das kapieren die Buben zwar gnügen bereitet, ist, sie glauben zu lassen, dass noch nicht, aber: Sie wachsen, so meine Frauen geheime Superkräfte besitzen. Was ja im Hoffnung, in dem Wissen auf, dass nicht Grunde auch stimmt, nur kann man die meisten jede Frau als höchstes Ziel Ehefrau von davon so schlecht zur Schau stellen (das doppelte X-Chromosom, die Fähigkeit zur Produktion jemandem werden möchte. einer Plazenta, Nikolo, Christkind und Osterhase Oder auch bei der Job-Sache. Dass ich arbeite, meine eigene Buchhaltung, sein zum Beispiel). In letzter Zeit übe ich immer zu Hause Yoga, dazu schaue ich mir Youtube-Tutorials mein eigenes Konto und eine Sozialversicherung habe und genauso im Rean. Anfangs wurde ich von den Buben nur ausgelacht, staurant oder den Urlaub bezahle, ist inzwischen versuchen sie manchmal, eine Position nachzumachen, und schaffen das aufgrund ihrer ja schon mal ganz okay feministisch. Kochen, Kinderbetreuung, EinkauKinder-Körper-Proportionen natürlich nicht. Als der fen klappt gut bei uns, halbe-halbe. Kleine beim versuchten dreibeinigen Hund umfiel, Bei manchen Dingen klappt sprach er: »Wahnsinn, was Frauen alles können.« Nicht es aber schlecht, und die Genderschlecht für den Anfang, oder?

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Den Tieren alles geben. Aus Liebe. Niemand sagt, dass es einfach ist, rund um die Uhr auf das Wohlergehen der Tiere zu achten. Aber wir finden, das sind wir unseren Kühen schuldig. Regelmäßige Gesundheits-Checks durch externe Kontrolleure, reichlich Auslauf und regionales Futter – unsere Milchbauern sind tagtäglich motiviert, ihr Bestes zu geben. Aus einem einfachen Grund: Sie lieben, was sie tun. Das macht die Reine Lungau – Milch aus dem Biosphärenpark zu dem, was sie ist: gelebte, unverfälschte Regionalität. UNVERFÄLSCHTER, NATURBELASSENER GESCHMACK.

REINE-LUNGAU.AT

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Haus der Geschichte Haus der Natur

Di bis So, Ftg 9.00–17.00 Museum Niederösterreich Kulturbezirk 5 3100 St. Pölten Fotos © Christoph Fuchs, Eric Isselee; Grafik: Perndl+Co

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