Biorama #46

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P.b.b. — 11Z038861 M — 1040 Wien —— www.facebook.com/biorama

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ausgabe 46 — DEzember/Jänner 2016/17. www.biorama.eu

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Digitalisierung: Der Mensch in der Industrie 4.0 Insektenschutz: Wie Dr. Reckhaus seine Branche umkrempeln möchte Paris: Wie Bürgermeisterin Anne Hidalgo die Stadt zur »Capitale du Vélo« machen will Quinoa: Wie ein niederländischer Landwirt das Andengetreide europäisiert

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HIN

zu den Kaffeepflanzen neigen sich die Bäume, in deren Schatten unser exquisiter Kolumbien Kaffee langsam heranreifen darf. In der üppigen Landschaft des höchsten Küstengebirges der Welt werden die kostbaren Bohnen mit viel Geschick und Erfahrung von unseren Kaffeebauern angebaut.

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Nur die Bohnen der reifen Kaffeekirschen finden ihren in unseren Kolumbien Kaffee. In Deutschlands ältester Bio-Rösterei veredeln wir sie langsam und schonend, um die über 800 Aromastoffe harmonisch auszubalancieren. So erhält dieser Lebensbaum Bio-Kaffee seinen unvergleichlich ausgewogenen Charakter. Sie finden all unsere Tees, Kaffees und Gewürze im Bioladen und auf www.lebensbaum.de.

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WEISS

In ein elegantes haben wir unsere vier neuen Tee Meisterwerke gekleidet: jede Dose eine ausgefallene Komposition erlesener Kräuter- und Früchtetees.

HEISS

geht es in Ihrer Tasse zu, wenn sich Rosa Beeren und Tulsi darin begegnen. Genießen Sie eine herrlich spritzige Mischung, raffiniert abgeschmeckt mit Ingwer und Zitronengras.

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auftakt

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inhalt

07 Editorial 08 Global Village Die Welt im Großen & Kleinen

Digitalisierung

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16 Zwischen Maschinen existieren Als Mensch in der nächsten industriellen Revolution 26 Werden wir jemals Strom sparen? Die Ökologie des Digitalen

Magazin 34 Reckhaus rüstet um Ein Biozidhersteller möchte seine Branche umkrempeln 40 Das Gesetz des am besten Angepassten Was Unternehmen von Pflanzen lernen können 50 Paris, great again Bürgermeisterin Anne Hidalgo ist Green Diplomat des Jahres 54 Wenn der Schnee die Erde zudeckt Kinderbücher für den Winter 60 Auf den Spuren des Wolfes Citizen Science im Wald 62 Die Craft des Bierbrauens Es war wieder Craft Bier Fest 64 »Erdbeeren kommen auch nicht von hier« Quinoa aus den Niederlanden 72 Eingebrockt & Ausgelöffelt Orangenkekserl

Marktplatz 74 Abtauchen Entsapnnendes für die Wanne 76 Hot Pot Spot Erwärmendes für kalte Tage

Kolumnen Digitalisierung Die ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit der Industrie 4.0 ist schwer abzuschätzen. Wir haben versucht, uns der rasant fortschreitenden Digitalisierung von mehreren Seiten zu nähern und Antworten auf Zukunftsfragen zu finden.

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68 Speis und Trank 70 Grasgeflüster 78 Elternalltag 80 Die Welt, die wir uns wünschen 82 Biss zum Ende

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50 Anne Hidalgo Die Bürgermeisterin von Paris wurde gerade mit dem Green Diplomat 2016 Award ausgezeichnet. Während überall die Rede von lautstarken Populisten ist, widmen wir uns der pragmatischen Kosmopolitin, die Paris zur »Capitale du Vélo« machen möchte.

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wannenzeit Die kalten Monate sind auch die Jahreszeit, in der die Badewanne ihre größte sanitäre Bedeutung erhält. Eine Auswahl der besten natürlichen Badezusätze.

quinoa Das Getreide aus Südamerika wird inzwischen auch diesseits des Atlantiks kultiviert. Zum Beispiel von Rens Kuijten in den Niederlanden. BIORAMA Anzeige Inhaltsverzeichnis 2017.indd 1 31.10.16 17:01

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Auch im Winter Freilauf genießendes Bio-Weidejungrind an sautiertem Bohnengemüse und herrlich wärmender Pastinakencreme

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EDITORIAL, IMPRESSUM

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2016 IST ÜBERSTANDEN.

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Thomas Stollenwerk, Chefredakteur stollenwerk@biorama.eu

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IMPRESSUM HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEUR Thomas Stollenwerk AUTOREN Alexander Berth, Sylvia Buchacher, Jasmin, Eiglmeier, Irene Maria Gruber, Micky Klemsch, Sarah Krobath, Ursel Nendzig, Georg Renöckl, Jürgen Schmücking, Stefan Seemann, Wolfgang Smejkal, Manuela Tomic, Sina Trinkwalder, Helena Zottmann ILLUSTRATIONEN agentazur.com ART DIRECTOR Sig Ganhoer GESTALTUNG Sig Ganhoer, Michael Mickl LEKTORAT Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer ANZEIGENVERKAUF Herwig Bauer, Micky Klemsch (Leitung), Thomas Weber DRUCK Niederösterreichisches Pressehaus, Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H. Gutenbergstrasse 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien; www. biorama.eu, redaktion@biorama.eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT siehe Website: www. biorama.eu ERSCHEINUNGSWEISE 6 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien VERLAGSPOSTAMT 1040 Wien

BLATTLINIE Biorama ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für Mensch und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. Biorama erscheint sechsmal im Jahr.

FOTO Elisabeth Els

o. Das war’s fast schon wieder. 2016 neigt sich seinem Ende zu. Kurz vor Schluss gibt’s noch die sechste Ausgabe von biorama in diesem Jahr, die 46. insgesamt. Klassischerweise bietet der Jahresausklang Anlass genug, kurz zurückstatt vorauszublicken. Ein denkwürdiges Jahr war dieses 2016, mit nachhaltigen Folgen. In bioramas österreichischer Heimat war das ganze Jahr über Wahlkampf – ein hässlicher noch dazu. Die Briten haben beschlossen, die EU zu verlassen, und die Amerikaner gewohnte Pfade der politischen Kultur. Sie haben sich einen Leugner des anthropogenen Klimawandels zum Präsidenten gewählt. Beim Oxford-Dictionary ist »post-truth« das Wort des Jahres geworden und bei der Gesellschaft für deutsche Sprache »postfaktisch«. Ob Sie den Medien das glauben oder nicht. Immerhin: Anfang November trat der neue UNOKlimavertrag in Kraft. Ein Erfolg, denn der Vertrag wurde dann doch deutlich schneller von genügend Staaten ratifiziert, als zunächst angenommen. Er soll – ab 2020 dann auch halbwegs verbindlich – dafür sorgen, dass dem Klimawandel noch irgendwie Einhalt geboten wird. »Was einst undenkbar schien, ist jetzt nicht zu stoppen« kommentierte das Ban Ki Moon. Zuversichtlich in die Zukunft zu blicken, fällt nicht jedem so leicht. Aber ehrlich: Für Zuversicht gibt es genug Gründe. Auch wenn Konflikte in den Medien dominieren: Mehr Menschen leben in Freiheit und überwinden die Armut. Die Lebenserwartung steigt. Überall auf der Welt arbeiten Menschen an konstruktiven Lösungen für Probleme. Und ihre Geschichten gehören erzählt. Das ist für uns ein schöner Vorsatz für 2017. Mal sehen, was das neue Jahr bringt. In der 47. Ausgabe von biorama wissen wir darüber schon ein kleines Bisschen mehr. Bis dahin!

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bild der ausgabe

08 Bild der ausgabe

Für den Fall der Fälle Sollte irgendwann eine Naturkatastrophe oder ein Weltkrieg große Teile der Landwirtschaft und der weltweit vorhandenen Saatgutvorräte vernichten, gibt es immer noch eine Hoffnung für die Menschheit. Die Svalbard Global Seed Vault, eine Samenbank auf Spitzbergen, nur 1.300 Kilometer vom Nordpol entfernt. 130 Meter tief unter der Erde liegen die immensen Regale. So sollen sie vor allen Arten der Zerstörung geschützt sein. Platz für 1,5 Mio. verschiedene Saaten bietet die Bank, denn sie ist das Back-up für Samenbanken auf der ganzen Welt. Auch syrisches Saatgut wird dort bereits vor Kriegsverwüstung oder Mutation durch Krankheitserreger geschützt. www.croptrust.org

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Text Jasmin Eiglmeier bild Flickr, Frode Bjørshol, CC BY 2.0

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voll die รถkomasche.

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street talk Wir fragen, fünf Menschen antworten.

Carol 60, Sekretärin

Gabriel 22, Student

Ich hätte gerne mehr über menschliche Beziehungen untereinander gelernt und über die tiefere Bedeutung der Welt. Das hört sich wahrscheinlich sehr philosophisch und langweilig an.

Ich hätte gerne schon in der Schule eine Zeitung als Klassenprojekt produziert. Keine Schülerzeitung, sondern mehr, was die Kinder während des gemeinsamen Schaffens wirklich interessiert.

Renaud 39, Universitätslehrer

Judith 27, Studentin

Diskutieren ist mir sehr wichtig, deshalb lehre ich es heute auch meinen Studenten. Immer sachlich bleiben und gute Argumente hervorbringen ist gar nicht so einfach.

Handwerkliches wie Kochen. Das hatte ich zwar auch während meiner Schulzeit, aber da war die Lehrerin nicht so optimal.

Carol 28, Französischlehrerin Künstlerische Themen und handwerklich hätte ich gerne mehr gemacht. In den Wald gehen und die Pflanzen verstehen, eine gute Ernährung erlernen – so etwas in die Richtung.

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Interview und bild Jasmin Eiglmeier und Stefan Seemann

» Was hättest du gerne in der Schule gelernt?«

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global village

Text Jasmin Eiglmeier bild Shutterstock, reCup, Second Baptist Union City

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Deutschland

Afrika

Pfand aufs Häferl

Ein Auge auf die Fische werfen

Coffee to go guten Gewissens und günstig genießen.

Das Netzwerk Fish-I Africa spürt Schiffe ohne Fischereilizenz auf.

Das Start-up reCup produziert bis zu 500-mal wiederverwendbare Kaffeehäferl to go und schafft so Abhilfe für ein Millionen Tonnen schweres Müll-Problem jedes Jahr. Die Papphäferl vom Coffeeshop sind praktisch zum Mitnehmen, allerdings auch sehr müllintensiv. In Deutschland landen jede Stunde 320.000 solcher Becher im Müll – oder auf der Straße, dem Park oder im Fluss. Das muss dank dem innovativen Jungunternehmen reCup nicht mehr sein, denn ihre aus Polypropylen (PP) hergestellten Häferl können erworben und wieder zurückgegeben und wiederverwendet werden. Der Kaffee ist als Anreiz dann sogar günstiger und bei der Rückgabe gibt es einen Euro als Pfand zurück. Dadurch entsteht ein nachhaltiger Kreislauf, mit dem einige Tonnen an CO2, Wasser und Holz eingespart werden können. Wenn das Pilotprojekt gut läuft, können wir unseren morgendlichen Coffee to go auf dem Weg zur Arbeit bald mit einem besseren Gewissen genießen. www.recup.de

Der Zusammenschluss ostafrikanischer Staaten zwingt viele illegale Schifferboote in die Knie, denn keines der zugehörigen Länder gewährt mehr eine Hafeneinfahrt. Das Projekt Fish-I Africa spürt Schiffe ohne Fanglizenz im westlichen Indischen Ozean auf und entzieht ihnen damit gleichzeitig jegliche Möglichkeit, in einem Hafen an der Ostküste anzulegen. Dabei wird nicht nur der illegalen Überfischung und Reduktion der Artenvielfalt vorgebeugt, sondern auch der heimische Fischfang gefördert und Arbeitsplätze sowie Lebensmittelquelle für die hiesige Bevölkerung bleiben erhalten. Gerade für Entwicklungsländer ist das natürliche Fischvorkommen im Meer ein wichtiger Wirtschaftszweig und Fangschiffe ohne Fischereilizenz bringen immense Verluste für die Staaten. 2012 Somalia, Tansania, Mosambik, Mauritius, Komoros, Kenia, Madagaskar und den Seychellen gegründet, bewacht Fish-I Africa bereits über fünf Mio. km2 und gilt als ein sehr effektives Netzwerk, das die Schiffe nicht nur aufspürt, sondern auch tatsächliche Folgen walten lässt. www.fish-i-africa.org

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USA

Schweden

Matten für Obdachlose

Welcome! Refoodgee

Aus alten Plastiksackerln werden warme Schlafunterlagen.

Diese Apps helfen Flüchtlingen, in einem neuen Land besser kommunizieren zu können und fördern den Austausch mit Einheimischen.

Einige älteren Damen aus einer baptistischen Gemeinde in Tennessee sind auf eine Idee gekommen, wie man alte Sackerl mit viel Nächstenliebe wiederverwenden kann. Sie schneiden sie in Streifen, binden diese zu ihrem sogenannten »Plarn«, dem Plastikgarn, und häkeln daraus Matten mit der Größe 90 µ 180 cm. Für eine solche Schlafmatte sind gut 600 Plastiksackerl notwendig, es wird also eine ganze Menge an Plastik wiederverwendet. Mittlerweile kommen mehr Plastiksackerl bei den »Bag Ladies« an, als sie überhaupt verarbeiten können, deshalb gibt es bereits eine kurze Anleitung inklusive Video, mit dem jeder und jede das Häkeln lernen kann. Die fertigen Matten gehen an bedürftige Obdachlose, denen somit eine warme, trockene und bequeme Schlafmatte zum Nächtigen unter freiem Himmel zukommt. www.secondbaptistuc.com/ministries/ bag-ladies

Apps Welcome! aus Schweden und Refoodgee von jungen Berliner Entwicklern verhelfen Flüchtlingen aus aller Welt zu einen gelungenen Start in ihrem neuen Land. Apps Welcome! ermöglicht es, neben den typischen staatlichen Hilfen soziale Kontakte zu knüpfen und eine geeignete Schule oder Jobangebote zu finden. Auch aktuelle gesellschaftliche Inhalte und Politik werden thematisiert, damit die Einwanderer mitreden können, was um sie herum passiert. Refoodgee dagegen setzt auf das gemeinsame Kochen und Essen als Eisbrecher zwischen verschiedenen Kulturen. Flüchtlinge können sich dort registrieren und angeben, welche Sprache sie sprechen, damit das gemeinsame Kochen auch sprachlich klappt. Die Erfinder der App sind sich sicher, dass nicht nur das zählt, was auf dem Teller ist, sondern auch die Geschichten der einzelnen Menschen und dass dies ein guter Weg zu einer reibungslosen Integration sein kann. www.welcomemovement.se

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Meine Stadt

MEINE STADT: Wien Neubau

Von Angie Rattay

Lieblingsplätze UND Eco-HotSpots

bild Christop Adamek

Angie Rattay zeigt uns Wiens siebten Bezirk. 1070 Wien – so heißt der Stadtteil postalisch – trägt den Namen Neubau, obwohl hier hauptsächlich Altbauten stehen. In einem davon lebt die Designerin, auch wenn sie sich eher als Nomadin betrachtet. Ein paar Jahre lang hat sie nämlich in einem alten Peugeot ein wahres Hippieleben gelebt. »Ich hatte fast alles, was ich zum Leben brauchte, im Auto dabei. Irgendwann habe ich dann das Auto gegen mein Stadtleben eingetauscht.« Heute benutzt Angie Rattay meistens die Öffis, um von A nach B zu kommen. Schließlich hat sie – als Mitveranstalterin der jährlichen Erdgespräche – eine schwer Ökoschlagseite. www.erdgespraeche.at, www.angieneering.net

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naturkost st. josef Hier erledigt die Vegetarierin den Großteil ihrer alltäglichen Einkäufe. Das Geschäft ist gleichzeitig Nahversorger und Restaurant. Morgens gibt’s Frühstück und mittags ein Buffet. www.facebook.com/naturkostst.josef

tian Das esoterisch angehauchte Bio-Bistro tian am Spittelberg ist ein Ort, an dem man Angie Rattay kennt. Im überdachten Innenhof gibt es Vegetarisches von morgens bis abends. www.taste-tian.com

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siebensternplatz Die meisten Menschen kommen wohl wegen der Mariahilfer Straße in Wiens siebten Bezirk. Die große Einkaufsstraße bietet alles, was große Einkaufsstraßen eben so bieten. Angier Rattay lockt die Straße eher weniger: »Auf der Mariahilfer Straße bin ich fast nie, auch wenn mich viele Freunde um die tollen Einkaufsmöglichkeiten beneiden. Vielleicht ein, zweimal im Jahr, dass ich dort was kaufe.« Für sie ist der SiebensternPlatz das Zentrum des Bezirks.

bonbons englhofer Wien Neubau mag ein typischer Hipster- und BoboInnenstadtbezirk sein, zur Gänze gentrifiziert und mit allen Annehmlichkeiten für solvente Großstadt-Bürger. Doch der Stadtteil bietet auch noch manches Kleinod für Nostalgiker. Zum Beispiel das alteingesessene Süßigkeitengeschäft in der Neubaugasse. www.bonbons-neubaugasse.at

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DIGITALISIERUNG

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TEXT

Thomas Stollenwerk

BILD

Erli GrĂźnzweil, Tomasz Sienicki, Werner-Streitfelder, Shutterstock.com

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ZWISCHEN MASCHINEN EXISTIEREN Tun Disruptionen weh? Geht es schon los? Was bringt das alles eigentlich? Vom Menschen in der Digitalisierung.

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digitalisierung

Seit es Industrieroboter gibt, bangen Arbeiter um Jobs. Die digitale Vernetzung von Produktionsmaschinen verschärft ihre Sorgen.

E

s dauert eine halbe Stunde, bis man vom historischen Stadtzentrum Wiens per U-Bahn dorthin gelangt, wo seit ein paar Jahren die Zukunft ausprobiert wird. Dort liegt die Seestadt Aspern, ein Stadterweiterungsgebiet, von dem viele Stadtforscher sagen, es sei vielmehr eine Stadtneugründung als eine Erweiterung. Hier entstehen Wohnungen für über 20.000 Menschen rund um einen künstlichen See in einer Smart City. Etwas abseits der neuen Wohnbauten und in Sichtweite eines OpelWerks steht hier auch ein Technologiezentrum namens Aspern IQ. Eines der ersten Unternehmen, die sich darin angesiedelt haben, ist researchtub. Das Kunstwort soll Research to Business bedeuten. Als Tochterunternehmen der Technischen Universität Wien probiert die Firma mit Partnern aus der Industrie das aus, was in Zukunft der Normalfall sein soll: vernetzte Produktion. Vernetzte Produktion – das bedeutet so viel wie, dass die Produktionsanlagen miteinander in Verbindung stehen und irgendwie miteinander kommunizieren. m2m – Machine to Machine Communication – nennt man das. Gerade wurden noch einmal Forschungsmittel locker gemacht, um hier ein Center for Digital Production auf-

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zubauen. Solche Zentren entstehen gerade überall – als revolutionäre Zellen der Digitalisierung.

Aller guten Dinge sind 4.0 Im Wiener Aspern IQ und an vielen anderen Orten ist eine industrielle Revolution im Gang, von der man sagt, sie sei schon die vierte ihrer Art. Deshalb wird ihr Resultat Industrie 4.0 genannt. Wer hätte gedacht, dass dieser Name tatsächlich eine Wortschöpfung aus der deutschen Wissenschaftsbürokratie ist? Im Oktober 2012 erschien ein umfangreiches Paper, das den Titel »Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0« trug. Urheber war die Deutsche Forschungsunion, ein Beratungsgremium der deutschen Bundesregierung. Der Begriff Industrie 4.0 hat sich seither irgendwie durchgesetzt. Zur Erinnerung: Die erste industrielle Revolution brachte Mechanisierung, die zweite Massenproduktion, die dritte Elektronik und nun, im Laufe der vierten industriellen Revolution, entsteht das Internet of Things – eine Welt von miteinander in kommunikativem Austausch stehenden Maschinen, gespeist durch

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EINE STADT IST (NUR) SMART, WENN SIE AUCH KLUG VORAUSDENKT. Die Zukunft kommt ja immer schneller, als man glaubt. Und Wien wächst in eine gute Zukunft. Vorausgesetzt: Ressourcen werden auf smarte Art und Weise geschont. Wien kümmert sich verantwortungsvoll um leistbares Wohnen, im Gemeindebau und dem geförderten Wohnbau. Lassen Sie sich bei der Wohnberatung Wien bei der Suche Ihrer Wunschwohnung beraten: www.wohnberatung-wien.at. Auch Forschung und Innovation werden unterstützt, um den Wirtschaftsstandort Wien zu stärken. Informieren Sie sich unter www.innovation2020.wien.at. Nur wenn alle Wienerinnen und Wiener etwas von der Wiener Lebensqualität haben, werden wir auch in Zukunft alle gemeinsam eine friedliche und wunderschöne Stadt genießen können. Smart, oder?

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»Die erste industrielle Revolution brachte Mechanisierung, die zweite Massenproduktion, die dritte Elektronik und nun, im Laufe der vierten industriellen Revolution, entsteht das Internet of Things.«

die Rechenleistung des Cloud Computing. Das Ziel: intelligente Produktion. Wie bei jeder Revolution wird es Gewinner geben – und Verlierer. Da fragt man sich nicht zum ersten Mal, was eine Revolution, bei der Jobs wegrationalisiert werden, um sie durch Maschinen zu ersetzen, bringen soll.

Wieso tun wir uns diese Revolution an? Die Frage ist vielleicht etwas pessimistisch gestellt. Dass Jobs überflüssig werden, ist schließlich Teil des Fortschritts. Der Gaslampen-Anzünder dreht schon seit einem Jahrhundert nicht mehr seine Runden durch abendliche Städte. Fahrkartenautomaten ersetzen »Schalterbeamte«. Und die Gratis-Smartphone-App ersetzt gleich die gesamte Taxizentrale. Gleichzeitig macht die Entwicklung immer komplexerer automatisierter Produktionsmaschinen viele Industrie-Arbeitsplätze überflüssig. Jobs entstehen dafür an anderen Stellen neu. Der allgemeine Trend geht von Industrie- zu Dienstleistungsjobs. Es ist natürlich auch nicht ganz falsch, dass es nicht allein disruptive Innovationen und Technologien sind, die Unternehmen erfolgreich machen und Jobs schaffen. Zum Erfolg gehört nicht selten auch Ignoranz gegenüber der unternehmerischen sozialen Verantwortung. Das werden auch die nächsten industriellen Revolutionen vermutlich nicht ändern – und so gehört die Skepsis untrennbar zum Fortschritt. Beim österreichischen Arbeitsmarktservice (ams) zum Beispiel. Dort geht man davon aus, dass Millionen von Menschen ihre Jobs verlieren werden, weil es diese nicht mehr geben wird. Das ist nicht dasselbe wie millionenfache Arbeitslosigkeit, schließlich sollen auch neue Jobs entstehen. Aber wo? Tatsächlich nur dort, wo Experten die Innovationen der Industrie 4.0 gestalten? Oder auch im Bereich niedrig qualifizierter Arbeit? Ein Teil der Antwort klingt sehr hart: Heutige

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disruption So bezeichnet man Innovationen und Technologien, die bestehende Geschäftsmodelle und ganze Branchen durch ihre Neuartigkeit ins Wanken bringen. Airbnb macht klassischen Hotels das Leben schwer, Uber stellt Taxi-Unternehmen vor Probleme. Die Digitalisierung beschert fast jeder Branche Disruptionen. Und nicht wenige sind mit prekären Arbeitsverhältnissen, mit moderner Ausbeutung verbunden. Oder mit negativen ökologischen Folgen.

Bullshit-Job Der Sozialanthropologe David Graeber beschreibt mit diesem Begriff Jobs, deren einziger Zweck es ist, künstliche Arbeit und damit Einkommen zu schaffen. Schließlich gibt es seit dem Beginn der Industrialisierung immer weniger Arbeit für immer mehr Menschen.Deshalb würden seither ständig neue (eigentlich überflüssige) Bedürfnisse und Dienstleistungen kreiert – und damit immer mehr unsinnige Jobs. Haben Sie sich schon einmal gefragt, was es für Folgen haben würde, wenn sie die Aufgaben in ihrem Job nicht erledigen würden? Wenn die Folgen nicht dramatisch wären, dann arbeiten Sie vielleicht auch in einem unsinnigen Job.

Entkopplung von Arbeit und Lohn Spätestens mit dem digitalen Copy-Paste-Zeitalter haben die Produkte unserer Arbeit nur noch entfernt mit der Arbeitszeit, die wir darauf verwenden, zu tun. Das gilt zumindest für ziemlich viele Jobs. Wenn es immer weniger Arbeit auf immer mehr Menschen zu verteilen gibt, weshalb wird dann die Bezahlung überhaupt noch so häufig an die Arbeitszeit geknüpft? Es gibt längst Modelle, die besser in die digitalisierte Zeit passen. Eines davon ist das Grundeinkommen, das oft als »bedingungslos« bezeichnet wird. Dahinter steckt eine simple Frage: Wie kommt man zu einer nachhaltigen Art und Weise, Menschen die gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, wenn es weniger Jobs gibt, aber mehr Menschen?

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22 Niedriglohnarbeit ist bereits so billig, dass es sich nicht lohnen würde, sie durch Maschinen erledigen zu lassen. Sie wird also bleiben. Das Haus- und Hofinstitut der Deutschen Bundesagentur für Arbeit, das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, hat für Deutschland die Prognose errechnet, dass bis 2025 rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze wegfallen werden und dass gleichzeitig auch rund 1,5 Millionen neu entstehen. Wegfallen würden Jobs vor allem in der Industrie, und zwar bei den klassischen Facharbeitern. Das Bedienen von Maschinen lasse sich schließlich noch eher durch Computersteuerung ersetzen als einfache Hilfsarbeiten. Stimmen die Prognosen, bietet die idealtypische Industrie 4.0 also Jobs, die so einfach sind, dass sie sich nicht durch Technologie ersetzen lassen – und Jobs für Expertinnen und Experten, die Technologie entwickeln, warten oder bedienen. Das klingt nach viel sozialer Polarisierung und eher nicht besonders wünschenswert. Die britische Arbeitssoziologin Ursula Huws beschreibt schon seit Jahren das Entstehen eines Cybertariats – einer sozialen Klasse von Cyber-Arbeiterinnen

und -Arbeitern. Andernorts ist die Rede vom Entstehen einer neuen, anonymen Dienstbotenklasse, die jene Jobs erledigt, die sich nicht digitalisieren lassen, und die mit den Services von Online-Plattformen verbunden sind. Angeblich begegnet man dieser Klasse schon heute an der Wohnungstür bei jeder Foodora-Bestellung. Oder hinter dem Steuer von Uber-Autos. Das kann man verteufeln – muss man aber nicht. Es gibt auch Studien, die ein entspannteres Bild der Verteilung von Arbeit in der digitalisierten Welt zeichnen. Melanie Arntz, Terry Gregory und Ulrich Zierahn haben ihren Blick im Auftrag der oecd auf die JobRisiken durch zunehmende Automatisierung gerichtet. Sie stellen fest, dass viele Studien, die sich mit der zukünftigen Verteilung von Arbeit beschäftigen, von der Annahme geprägt seien, Jobs würden durch Maschi-

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»Diese Studien folgen einem Ansatz, der auf Berufen basiert, und gehen davon aus, dass ganze Berufe durch Technologie automatisiert werden, statt einzelner Tasks im Job. Das dürfte zu einer Überschätzung der Automatisierbarkeit von Jobs führen.«

nen ersetzt. »Diese Studien folgen einem Ansatz, der auf Berufen basiert, und gehen davon aus, dass ganze Berufe durch Technologie automatisiert werden, statt einzelner Tasks im Job. Das dürfte zu einer Überschätzung der Automatisierbarkeit von Jobs führen«, heißt es da. Natürlich macht es einen großen Unterschied, ob einige Aufgaben von der To-do-Liste am Arbeitsplatz verschwinden, weil sie von neuen Tools oder neuer Software erledigt werden, oder ob die ganze To-do-Liste überflüssig wird. In 21 oecd-Staaten haben die Wissenschaftler erhoben, wie automatisierbar Jobs tatsächlich sind. Und dafür wurden die einzelnen Aufgaben von Berufstätigen analysiert. Das Ergebnis: Rund neun Prozent aller Jobs seien weitgehend automatisierbar. In Südkorea liege die Quote der »Risiko-Jobs« am niedrigsten: bei sechs Prozent. Am höchsten liege sie mit zwölf Prozent – genau – in Deutschland und Österreich. Ein bisschen mehr als jeder zehnte Job soll also verschwinden – das klingt schon weniger dramatisch als viele Studien, die bisher prophezeiten, die Hälfte aller Jobs in Deutschland würde bald überflüssig. Zur Beruhigung: Neu entstehende Jobs sind in diesen Studien nicht berücksichtigt – auch nicht in der weniger dramatischen oecdAnalyse. Es besteht also durchaus Grund, der Entwicklung entspannt entgegenzusehen. Wo Risiken sind, gibt es auch Chancen.

Wie nutzt man die Chancen? Es ist schön zu wissen, dass die Wissenschaft bisher nicht wirklich davon ausgeht, dass die Industrie 4.0 ein Jobkiller im großen Stil ist. Allerdings muss wohl auch noch einiges passieren, damit sie das wirklich nicht wird, und das auch nicht vorübergehend. Schließlich sind die wenigsten Menschen in der Lage, digitale Funktionen und Dinge zu entwickeln. Und das gilt heute sogar für Menschen mit Spitzenjobs. Die Sprache der Digitalisierung ist allgegenwärtig – und doch Expertensprache. Wenn unsere Bildung weiter so orga-

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Nicht jede Tätigkeit ist automatisierbar. An vielen Stellen allerdings wird menschliche Arbeitskraft kaum mehr gebraucht.

nisiert wird wie bisher, dann werden wir gerade vermutlich im großen Stil de-alphabetisiert. Das Problem ist nicht ganz neu. 1919, vor fast 100 Jahren und ungefähr zwei industriellen Revolutionen, meinte der Soziologe Max Weber, die Rationalisierung der Welt bedeute, dass man, wenn man nur wolle, jederzeit alles über seine Lebensbedingungen erfahren könne, »dass es also prinzipiell keine geheim-

Schaufenster im Zeitalter digitalen Shoppings: eine Paket-Abholstation.

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nisvollen Mächte gebe, die da hineinspielen, dass man vielmehr alle Dinge – im Prinzip – durch Berechnen beherrschen könne.« Weber beschrieb die Rationalisierung als »Entzauberung der Welt.« Diese Entzauberung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten als reichlich theoretischer Trick erwiesen. Und mit wachsender Rationalisierung und Digitalisierung hat der Trick immer weniger praktische Bedeutung. Denn: Praktisch ist kaum jemand in der Lage, auch nur annähernd die Funktion der alltäglichsten Gadgets und Maschinen zu verstehen. Wenn wir die Funktionen unseres Smartphones, unserer Digitalkamera, unseres Smart-TVs bedienen können, dann reicht uns das im Alltag schon. Die Literacy Gap zwischen Developern und Usern ist gigantisch, und was wir heute unter Digital Native verstehen, hat nicht unbedingt viel mit Programmierkenntnissen zu tun. Fast kleingeistig wirkt es da, wenn heutige Lehrer ihren Schülern die Smartphones abnehmen, statt sie in den Unterricht einzubinden. Wohin die nächste industrielle Reise auch geht: Mehr digitale Bildung schadet ganz sicher nicht. Denn in einer immer weiter technisierten und digitalisierten Welt bleiben am Ende sonst nur Experten, die Teile dieser Welt beherrschen – und eine riesige Menge von Menschen, die nicht länger Bürgerinnen und Bürger und

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mündige Konsumentinnen und Konsumenten, sondern nur noch Userinnen und User sind – die ständig Daten liefern. Was es bedeutet, abhängig von digital miteinander kommunizierenden Maschinen zu sein, bekommt man heute schon gelegentlich zu spüren, wenn im Zug die Sitzplatz-Reservierungen nicht rechtzeitig digital übertragen wurden oder wenn im Geschäft die onlinegestützte Registrierkassen-App sich partout nicht öffnen lassen will. Dann gerät die Organisation des Alltags kurzzeitig aus den Fugen. Natürlich kann es auch entspannend sein, wenn die vorübergehende Nichterreichbarkeit des Mailservers einem eine Zwangspause am Arbeitsplatz beschert. Allerdings: Diese harmlosen Beispiele sind auch Belege für die Wahrscheinlichkeit dramatischer Fälle von digitaler Abhängigkeit. Um die Chancen der Digitalisierung möglichst nachhaltig zu nutzen, ist also Unabhängigkeit von ihren Vorzügen ratsam. Die lässt sich nur durch Bildung erlangen – wie üblich.

AnAlog geht AuCh Die Frage nach dem großen Nutzen der Digitalisierung stellt sich ganz automatisch, wie bei allen vorangegangenen technischen Entwicklungen. Die disruptiven Innovationen, die uns die Digitalisierung beschert, machen so manches bisherige Geschäftsmodell obsolet. Das ist im Allgemeinen nichts Außergewöhnliches und doch im Speziellen oft traurig. Die Abhängigkeit von digitalen Maschinen gefällt nicht jedem unhinterfragt. Der Sozialpsychologe Harald Welzer befürchtet bei fortschreitender DigitalisierungsEuphorie den Weg in »Die smarte Diktatur« und Gerd Pfitzenmaier warnt vor dem »Leben auf Autopilot«. Es gibt eine Vielzahl anderer Antworten auf die Digitalisierung als die bestmögliche Eingliederung in die digitale Welt. Zum Glück bleiben auch Bereiche, die man der digitalen Sphäre entziehen kann. »Analog ist das neue Bio« schreibt zum Beispiel Andre Wilkens. Und der Schweizer Bildhauer Horst Bohnet bietet ein simples Gadget für Menschen an, die gerne bewusst offline sind: den iStone, polierten Granit im Format eines Smartphones. Wer sich die industrielle Revolution vor den Toren Wiens einmal ansehen möchte, der teilt sich die U-Bahn auf dem Weg dorthin nicht mit Robotern und findet sich am Ziel umgeben von einer Großbaustelle mit viel Platz zum Gestalten. So ist sie, die industrielle Revolution: vor der Haustür, ziemlich alltäglich, längst nicht fertig. Fast jeder kann sich seinen Platz in der Industrie 4.0 noch aussuchen. Zu den Optionen gehört hier in der Smart City Aspern auch der Selbstversorger-Biogarten, der keine digitale Schnittstelle hat – ganz analog und offline.

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Die smarte Diktatur Harald Welzer hat ein nicht unbedingt optimistisches Buch über die Digitalisierung geschrieben. Seine These: Während Geheimdienste sich früher noch bemühen mussten, Daten über Menschen zu sammeln, liefern die Menschen sensible Daten heute dauer- und massenhaft selbst, wen auch immer. Das führe früher oder später zu einer Diktatur der Datenmacht. (Erschienen im S. Fischer Verlag)

Leben auf Autopilot Gerd Pfitzenmeier hat ein Plädoyer dafür verfasst, die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung nicht überall auszuschöpfen, wo es denkbar ist. Denn damit würde der Mensch viel seiner Autonomie aus der Hand geben. Wer möchte schon, dass Computer ethische Entscheidungen fällen, und wer möchte in völliger Abhängigkeit digitaler Systeme leben? (Erschienen im Oekom Verlag)

Analog ist das neue Bio Andre Wilkens hat sich unseren digitalen Alltag genauer angesehen und festgestellt, dass sich unser Leben und Denken durch die Digitalisierung massiv verändert. In seinem Buch beschreibt er Strategien, auch in Zukunft analoge Freiräume zu schaffen, um menschlich und sozial gerecht zu leben. (Erschienen im Metrolit Verlag)

iStone »Im Zeitalter der hektischen, virtuellen Kommunikation sind Ruhe und Zeit der neue Luxus«, meint der Schweizer Künstler Horst Bohnet. Deshalb hat er 2.500 Anti-Burnout-Gadgets für

Kommunikationsgestresste geschaffen – aus Granit und im gewohnten Smartphone-Format. Der dauerhaft stummgeschaltete Smartstone ist leider nicht mehr erhältlich.

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Werden wir jemals Strom sparen? Die digitale Vernetzung lässt uns pausenlos Strom verbrauchen. An Orten, von denen wir noch nie gehört haben. Wie steht es um den ökologischen Footprint unserer digitalen Aktivitäten? Wird uns die zunehmende Digitalisierung jemals beim Stromsparen helfen?

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Links: Google Datencenter, rechts: Google Rechenzentrum in Hamina

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er an den Stromverbrauch seines Smartphones denkt, der denkt zuerst einmal an den Ladestand des Akkus und den Weg zur nächsten Steckdose. Doch um aus dem Handgelenk mit der ganzen Welt kommunizieren zu können, benötigt es eine gigantische Infrastruktur im Hintergrund. Und die frisst Strom. Viel Strom. Rund 5 % des globalen Stromverbrauchs sollen die Informations- und Kommunikationstechnologien weltweit verschlingen, so eine 2014 erschienene Studie der Universität Gent. Das sind mehr als 1.000 Terawattstunden pro Jahr – etwa der doppelte Stromverbrauch Deutschlands. Und das Wachstum ist rasant. Alle zehn Jahre soll sich dieser Energiebedarf der Studie zufolge verdoppeln. Dabei stammt ein großer Teil der notwendigen Energie aus fossilen Brennstoffen – allen voran (Braun)kohle. Die Entwicklung des Verbrauchs ist jedoch von Land zu Land stark unterschiedlich. So liegt der Wert in Deutschland laut Fraunhofer Institut bei etwa 10 % – überraschenderweise mit fallender Tendenz. Vor allem umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen seien dafür verantwortlich. Völlig andere Voraussetzungen finden sich in aufstrebenden Nationen wie China oder Indien wieder. Um die Ausmaße der vernetzten Industrie zu verstehen hilft es, sich vor Augen zu führen, was mit unseren Klicks auf Smartphone, Tablet und PC eigentlich passiert. Und das beginnt mit der Übertragung der Daten.

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Am Daten-Highway Immer und überall jagen wir unsere Daten durchs Netz. Sogar wenn wir gerade gar nicht auf unser Handy schauen. Dabei gibt es »das« Internet eigentlich gar nicht. Denn es ist nicht nur ein Netzwerk, es sind unglaublich viele. Sie versorgen Städte, Regionen, ganze Länder. Man bezeichnet das Internet auch als das Netzwerk der Netzwerke. Um diese Netzwerke miteinander zu verbinden, braucht das Web Knotenpunkte. Weltweit gibt es mehr als 700 davon. Per Kabel – an Land und unter Wasser – tauschen sie sich aus. Der wichtigste Internetknoten der Welt steht übrigens in Frankfurt. Er trägt den klingenden Namen de-cix. Rund 3 Terabyte an Daten werden hier pro Sekunde durchgeschleust. Das sind mehr als eine halbe Million Urlaubsfotos, jede Sekunde. Insgesamt besteht de-cix aus 21 über die Stadt verteilten Rechenzentren. Hier werden Bits und Bytes hin- und hergeschoben. Dass eine solche Leistung Energie verschlingt, liegt auf der Hand. Während die Betreiber das hohe Datenaufkommen anpreisen, sucht man Informationen zum Energieverbrauch vergeblich.

in der cloud Daten müssen verarbeitet werden. Jede elektronische Nachricht, jede Suchanfrage, jede Aktion in einer App – das alles löst Kaskaden von digitalen Vorgängen aus. Und selbst wenn der Benutzer das Smartphone nur

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29 »Jede Aktion in einer App – das alles löst Kaskaden von digitalen Vorgängen aus.«

in der Hosen- oder Handtasche trägt – es passiert so einiges. Denn viele Apps kommunizieren in regelmäßigen Intervallen selbstständig mit Servern und verschwenden somit (sinnlos) Energie. Hinzu kommen ständig neue und leistungsfähigere Services wie das Streaming von Videos in HD-Auflösung. All das trägt zum unglaublichen Wachstum des Datenverkehrs im World Wide Web bei. Beschränkte sich dieser 1997 noch auf 100 Gigabyte pro Stunde, sind es mittlerweile mehr als 27.000 Gigabyte pro Sekunde. Alle drei Jahre verdoppelt sich diese Zahl. Verarbeitet und gespeichert werden die gigantischen Datenmengen in Rechenzentren – heute gerne als Cloud bezeichnet. Eine schöne Umschreibung für riesige Hallen voller brummender Server. Alleine der Internetgigant Google betreibt weltweit 16 solcher Rechenzentren. Deren gemeinsames Problem: die große Hitzeentwicklung. So errichtet man Rechenzentren am Polarkreis, verwendet Meerwasser zur Kühlung und nutzt künstliche Intelligenz zur Optimierung. Die Infrastruktur wird effizienter, die Kosten werden gesenkt. Zusätzlich investiert Google in erneuerbare Energieprojekte, die mehr Strom produzieren sollen, als die eigene IT benötigt. Greenpeace schreibt dem Internetgiganten in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle zu. Jedoch sind Rechenzentren Tag und Nacht in Betrieb – auch wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Faktisch werden also auch Google, Facebook, Apple, Microsoft und die anderen Big und Small Player des Webs weiterhin auf fossile Energiequellen angewiesen sein.

Der Stromverbrauch des Smartphone Das Zentrum für energieeffiziente Kommunikation in Melbourne geht davon aus, dass pro Gigabyte an mobilen Daten rund 2 kWh an Energie verbraucht werden. Damit könnte man ungefähr 120 Scheiben Brot toasten. Das Laden des Smartphone-Akkus benötige im Vergleich dazu nur rund 4 kWh – und das auf ein ganzes Jahr gesehen. Auch wenn diese Zahlen von Land zu Land unterschiedlich sind: Sie geben ein Gefühl dafür, wie es um den Energieverbrauch unserer Smartphones tatsächlich steht. Über die energie- und rohstoffintensive Produktion des treuen Wegbegleiters wurde hier noch gar nicht gesprochen.

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Im Internet der Dinge Die nächste Stufe der digitalen Vernetzung ist schon greifbar: Das Internet der Dinge (engl. Internet of Things, IoT). Glaubt man Industriegiganten wie Cisco oder Ericsson, sollen 2020 bereits 50 Milliarden Kleinstcomputer unsere Erde bevölkern. In Form von Sensoren und Mikrochips integrieren sie sich in unser Leben und tauschen permanent Informationen aus. Sie können den Verkehr regeln, unsere Heizung steuern, ganze Städte »smart« machen. Kurz gesagt: Ein effizienteres und einfacheres Leben ermöglichen. Mit dieser digitalen Zukunft vor Augen ist nicht nur eine Debatte rund um Datenschutz- und Datensicher-

heit entbrannt. Viele Befürworter sehen in den vernetzten und intelligenten Infrastrukturen das Potenzial, Energie zu sparen und somit CO2-Emissionen zu verringern. Ein Zielsetzung, die Bettina Köhler kritisch betrachtet – zumindest so lange wir unsere energieintensiven Produktions- und Lebensweisen fortsetzen. Köhler forscht in der Gruppe Internationale Politische Ökologie an der Universität Wien. Schnelle Innovationszyklen würden die Produktion neuer Geräte ankurbeln und somit den Ressourcenverbrauch erhöhen. Lutz Stobbe vom Fraunhofer Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration bestätigt diese Ansicht: »Die eingebettete Umweltlast ist gerade bei Consumer-Produkten, also Endgeräten, auf Grund der hohen Stückzahlen enorm.« Wissenschaft, Industrie und Politik reagieren jedoch: Neben Energieeffizienz stehen heute materialseitige

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Optimierung, Langlebigkeit und Recyclingfähigkeit ganz oben auf der Agenda. Natürlich spielen hier auch

»Die eingebettete Umweltlast ist gerade bei Consumer-Produkten, also Endgeräten, auf Grund der hohen Stückzahlen enorm.« wirtschaftliche Interessen mit. Auch bei der Austrian Energy Agency ist man sich der Diskussion rund um das IoT bewusst: »Einerseits besteht ein großes Potenzial, weil wir damit viele Prozesse überwachen und auch steuern können. Die Frage ist, ob wir dieses Potenzial tatsächlich im

1992 1997 2002 2007 2015 2020

Hinblick auf eine Steigerung der Energieeffizienz ausnützen können«, so der wissenschaftliche Mitarbeiter Thomas Bogner. Und wie wird sich das Internet der Dinge nun auf den Stromverbrauch auswirken? Eine Quanitifzierung der Effekte sei derzeit noch nicht möglich, meint Lutz Stobbe. Deshalb werde das iot auch in der eingangs erwähnten Studie nicht berücksichtigt. »Es muss natürlich irgendeinen Effekt geben, wenn Milliarden von Sensoren, Objekten, Geräten und Maschinen vernetzt Daten produzieren und ferngesteuert werden«, so der Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts.

IN DER ZUKUNFT Düstere Aussichten? Nicht wirklich. Eine Betrachtung des digitalen Zeitalters sollte nicht einseitig ausfallen. Die fortschreitende Digitalisierung hat uns viele Aufgaben abgenommen, die zuvor mühsam manuell erledigt

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DIE ENTWICKLUNG DES WELTWEITEN INTERNET-TRAFFICS SEIT 1992 IN MEGABYTE PRO SEKUNDE Quelle: The Cisco VNI Forecast

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9 Das neue Google Datencenter in Delfzijl, Groningen, NL.

werden mussten. Einen ökologischen Impact verursachten diese ebenso – meist sogar einen größeren. Eine E-Mail ist wesentlich klimafreundlicher als ein Brief, um ein profanes Beispiel zu nennen. Die Wissenschaft bezeichnet einen Vorgang wie diesen als Dematerialisierung, also eine Reduktion von physischen Stoffströmen. Und auch abseits der direkten ökologischen Auswirkungen, ist der digitale Fortschritt ein wichtiger Schlüssel zur nachhaltigen Entwicklung. Globale Vernetzung ermöglicht – zumindest theoretisch – nahezu uneingeschränkten Informationsaustausch und kollektives Handeln. Bis 2020 sollen laut UNO auch die wirtschaftlich schwächsten Länder flächendeckend Zugang zum Internet bekommen. Zugang zu Bildung und Information, Einbindung von Menschen mit eingeschränkter Mobilität, wirtschaftliches Wachstum, gesellschaftliche Teilhabe. Das alles bringt das Informationszeitalter mit sich – wann man die Technologie richtig zu nutzen weiß. Trotzdem, oder gerade

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deshalb, ist es absolut legitim und notwendig, die ökologischen Auswirkungen dieser binären Welt zu hinterfragen. Man darf sich ruhig bewusst sein, was ein Klick am Smartphone so auslöst. Man könnte zumindest nicht genutzte Apps löschen und unnötigen Datenverkehr vermeiden. Ob uns das Informationszeitalter jemals helfen wird, Energie zu sparen? Zweifeln darf man.

»Es muss natürlich irgendeinen Effekt geben, wenn Milliarden von Sensoren, Objekten, Geräten und Maschinen vernetzt Daten produzieren und ferngesteuert werden.«

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rECkHAUS rÜStet uM Wie ein Biozid-Hersteller aus Bielefeld seine ganze Branche downsizen möchte, um vom »Giftmischer« zum Umweltdienstleister zu werden.

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ReimarOtt, Daniel Ammann, Bodo Ruedi, Jelena Gernert, Dietrich Reckhaus

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Die Gebrüder Frank und Patrik Riklin brachten Dr. Reckhaus auf eine Idee

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ir haben es durchgezogen«, sagt Dr. Hans-Dietrich Reckhaus, während er auf seinem Smartphone ein Video zeigt. Darin steht er an seinem Messestand auf der Nürnberger Biofach-Messe. Es geht um Insektengift und auf dem von ihm beworbenen Produkt steht sein Name: Dr. Reckhaus. In dem Handy-Video ist zu sehen, was er und zwei Künstler in Deppendorf angestellt haben. Der Ort heißt tatsächlich so und liegt in Ostwestfalen. Dieser Ortsname, das betont seriöse Auftreten des Dr. Reckhaus, die leicht altbackene Namensgleichheit von Mensch und Produkt und schließlich dieses Video auf dem Handy: Das alles muss man erst einmal mit ein bisschen Distanz analysieren, um sicherzugehen, dass man es nicht mit Performance-Kunst oder Satire zu tun hat. Schließlich besteht der Messestand des Dr. Reckhaus aus einem Wohnzimmer, das kopfüber von der Decke herabhängt. Irgendwann wird im Gespräch klar: Dieser Doktor aus Bielefeld meint es ernst. Er zieht es tatsächlich durch, denn er hat eine Vision. Der Westfale Reckhaus führt ein Unternehmen, das Biozide herstellt. Insektengift. Nicht gerade ein sympathisches Business, denken die einen. Wie praktisch, denken die anderen. Und viele denken beides gleichzeitig. Firmenerbe Reckhaus – er führt das Unternehmen in zweiter Generation – hat sich ebenfalls seine Gedanken darüber gemacht und ein Buch darüber geschrieben. Er möchte mehr tun als Insekten vernichten. Er möchte sie fernhalten, wo sie Menschen stören und ihnen anderswo Lebensraum gewähren. »Die ersten bekämpfungsneutralen Bekämpfungsprodukte der Welt« nennt er das. Dabei geht es um Ausgleichsflächen und um den Wandel eines mittelständischen Chemieunternehmens zu einem Umweltdienstleister. Letztlich aber geht es auch um das Umkrempeln einer ganzen Branche.

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deine produKte sind schlecht Begonnen hat dieser Prozess vor ein paar Jahren, als der kunstinteressierte Unternehmer Reckhaus die Künstler Frank und Patrik Riklin darum bat, ein Werbekonzept für eines seiner Produkte zu entwickeln, ein längst etabliertes Gift. Schon seit über 50 Jahren vertreibt die Firma Reckhaus Insektengift unter dem Markennamen Recozid. Dass es als Chemieunternehmer auch umweltfreundlichere Wege gäbe, Geld zu verdienen, war Reckhaus früh bewusst. Allerding verdrängte er das gerne. Als junger Student an der Universität St.Gallen war er 1990 der erste Diplomand, der seine Abschlussarbeit auf Umweltpapier abgab. Er hatte sie über Umweltschutz in der Chemiebranche geschrieben und anschließend im Unternehmen seines Vaters mit umweltfreundlichen Verfahren und Produkten experimentiert. Sie floppten allesamt. Hans-Dietrich Reckhaus verlor den Elan, an der Umweltfreundlichkeit der Firma zu feilen, machte Dienst nach Vorschrift, ohne die Umweltschutz-Ambitionen von einst. »Es ist für mich heute sehr enttäuschend, dass dieses schlechte Gewissen bei mir über 20 Jahre nicht zum Vorschein gekommen ist«, sagt er darüber heute. Seine Begeisterung für den Umweltschutz brachten ihm erst die Brüder Riklin

»Ich fühlte eine ganz besondere Verantwortung, weil wir als Biozidhersteller wissen, wie schädlich unsere Produkte sind. Und wir haben auch das Wissen, über den Wert von Insekten aufzuklären.«

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38 »Die beiden hatten nicht geglaubt, dass es tatsächlich zu ihrer Kunstaktion kommen würde. Ich fand das anfänglich natürlich auch schräg.« vom Atelier für Sonderaufgaben zurück. Anstatt eines Konzepts bekam Hans-Dietrick Reckhaus von den beiden Schweizern nämlich eine Absage. Kunst für Insektengift – dafür wollten sich die Konzeptkünstler nicht hergeben. »Deine Produkte sind schlecht.« An die Absage erinnert sich Reckhaus noch gut, denn sie brachte ihn neuerlich zum Nachdenken. »Ich weiß, ich finde meine Produkte auch nicht so gut«, hat er den Künstlern damals geantwortet, verbunden mit der Bitte, es sich noch einmal zu überlegen. Die Künstler dachten dann tatsächlich noch einmal nach und meldeten sich nach einiger Zeit wieder beim Chemieindustriellen. »Sie wollten gemeinsam mit einer dörflichen Gemeinschaft der Frage nachgehen, wie viel Wert eine Fliege hat. Um der Gesellschaft einmal ein bisschen den Spiegel vorzuhalten«, erinnert sich Reckhaus. »Die beiden hatten nicht geglaubt, dass es tatsächlich zu ihrer Kunst-

Durch Kunst den Wert der Fliege vermitteln.

aktion kommen würde. Ich fand das anfänglich natürlich auch schräg. Aber dieser Gedanke hat mich ganz tief getroffen. Nach zwei Tagen habe ich angerufen und gesagt: Wir realisieren das.«

mehr Als AKtionsKunst

Reckhaus seine Branche auf den Kopf stellen.

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Was Hans-Dietrich Reckhaus und die Gebrüder Riklin dann realisiert haben, zeigt Reckhaus nun stolz per Video auf seinem Handy. Gemeinsam mit den Bewohnern von Deppendorf wurde eine Fliege namens Erika gerettet – als ironisches Symbol für die gesellschaftliche Geringschätzung von Insekten und der Dienstleistungen, die sie für den Menschen erbringen. Bei der Kunstaktion blieb es nicht, denn Unternehmer Reckhaus fand Gefallen an dem Gedanken, eine Vision voranzutreiben. »Ich fühlte eine ganz besondere Verantwortung, weil wir als Biozidhersteller wissen, wie schädlich unsere Produkte sind. Und wir haben auch das Wissen, über den Wert von Insekten aufzuklären. Hier übernehme ich gerne die Verantwortung und kommuniziere sehr offen die Probleme meiner eigenen Produkte.« Er ist nicht der erste Vertreter seiner Branche, der die Probleme wahrnimmt. Allerdings gehen seine Mitbewerber nicht so weit wie er, wenn es darum geht, das Problem des Insektizideinsatzes klar zu benennen. »Viele Unternehmen machen einfach weiter und starten neben ihrem Kerngeschäft irgendwelche Bienenhotels oder so. Aber das eigentliche Geschäft lassen sie unbe-

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leckt. Und das geht nicht. Ich setze da beim Kerngeschäft an und sage: Vermeide Insektizid -Einsatz – und wenn es doch sein muss, dann mit Kompensation. Das ist für mich ein zeitgemäßes Einstehen für das, was man tut, auch wenn das vordergründig vielleicht schwer nachzuvollziehen ist.« Aus dem Kompensationsgedanken wurde das ökologische Gütezeichen Insect Respect für Insektizide, bei deren Kauf man gleichzeitig in Ausgleichsflächen investiert, auf denen Insekten der nötige Raum geboten wird. Diese Flächen sollen ermöglichen, unbehelligt von gestörten Menschen Insekt zu sein. Entwickelt wurde das Kompensationssystem gemeinsam mit dem Biologen Stefan Liersch vom Büro für Natur und Landschaft in Herisau im Appenzellerland.

häufig mit meinen Konkurrenten an einem Tisch und trotzdem spricht mich niemand auf mein Projekt an. Obwohl alle davon wissen. Das ist eine Farce.« Die Verärgerung darüber, dass niemand über die ökologischen Auswirkungen von Insektiziden auch nur sprechen möchte, ärgert Reckhaus spürbar. Wenn man sein Unternehmen in Bielefeld besucht, dann kommt man nicht darum herum, sich mit seinem Projekt Insect Respect zu beschäftigen. Es liegen seine Bücher auf. Es hängen Zeitungsartikel aus und die gerettete Fliege Erika hat einen Platz gleich beim Eingang gefunden. Die Gäste aus der Branche, die Reckhaus hier empfängt, ignorieren das. »Das ist ein Hammer. Schließlich wissen ja in der Branche alle um die ökologischen Folgen von Insektiziden. Also die Branche hat wirklich ein Problem.«

Weniger AngeBot, dAfür ein Besseres

Am doWnsizing WAchsen

Die ökologisch zertifizierten Produkte tragen nicht den Namen Recozid, sondern den Namen Dr. Reckhaus. Für Hans-Dietrich Reckhaus ist das auch ein Beweis dafür, wie sehr er sich mit seinen Produkten identifiziert. Was Reckhaus vorschwebt, ist nicht weniger als die Branche, in der seine Familie seit Jahrzehnten viel Geld verdient, umzukrempeln. In seinen Augen sind heute zu viele Biozide von zu vielen verschiedenen Anbietern auf dem Markt. Wenn es nach Reckhaus geht, gibt es in Zukunft weniger Anbieter, dafür aber bessere, die zeitgemäß mit ihrer Verantwortung umgehen. Klar ist – er möchte auf dem Markt bestehen: »Wir sehen für uns eine Zukunft in einem kleineren Marktumfeld. Und gerade weil es sich auch ökonomisch für uns auszahlt, können wir diesen nachhaltigen Weg in einem zurückgehenden Marktumfeld gehen. Ich sage ja nicht: Kauft mein Produkt, dabei braucht ihr kein schlechtes Gewissen zu haben. Das wäre nur Marketing. Ich sage: Kauft mein Produkt nicht, aber wenn es sein muss, dann habt ihr hier wenigstens Kompensation.« Dass seine Vision innerhalb der Biozid-Branche nicht

Das Downsizing der eigenen Branche als Reaktion auf die Erkenntnis, dass das Geschäftsfeld nicht mehr zu den eigenen Ansprüchen an gutes Wirtschaften passt: was Reckhaus da betreibt, ist wirklich bemerkenswert. Es ist in etwa so, als würde ein Autohersteller dazu aufrufen, nicht mehr so viel Auto zu fahren, und gleichzeitig Autos auf den Markt bringen, für deren Kauf man mit Emissionszertifikaten belohnt wird. Dahinter steckt

bei jedem Mitbewerber auf Begeisterung stößt, liegt auf der Hand. Darüber gesprochen wird aber nicht, sagt Reckhaus: »Ich erhalte keine Kritik aus der Branche. Ich erhalte auch keine offensive Ablehnung, aber ich erhalte auch keine Einladungen mehr. Die Branche ist so klein, dass man sich immer wieder trifft. Das heißt, ich sitze

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Kompensation: Ausgleichsflächen für Nützlinge

für Reckhaus mehr als nur eine Strategie, sein Familienunternehmen in die Zukunft zu führen: »Ich finde es schwierig, dass wir als Industrie immer noch denken, wir müssten den Markt vergrößern. Dahinter steht das Dogma, neue Bedürfnisse generieren zu müssen. Das ist längst überholt. Wir dürfen nicht dem Konsumenten Bedürfnisse generieren, die er gar nicht hat. Wir brauchen intelligente Dienstleistungen und Konzepte, die bewirken, dass wir grundlegend weniger verbrauchen. Da muss man neue Wege finden. Das versuchen wir.« Für sein unternehmerisches Handeln wurde HansDietrich Reckhaus 2015 mit dem Schweizer Ethikpreis ausgezeichnet. Er hält Vorträge und tritt öffentlich für mehr Nachhaltigkeit in Unternehmen ein. Seine Message ist simpel: »Wenn selbst ein Biozid-Hersteller nachhaltig sein kann, dann können eigentlich alle Branchen nachhaltig werden.«

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Stefan Sengl hat ein Buch über Wachstumsstrategien geschrieben. Er empfiehlt Unternehmen den Blick aufs Langfristige und Pflanzen als Vorbilder.

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Thomas Stollenwerk

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»Wachstumsstrategien-Was Unternehmen von Pflanzen lernen können« ist im Czernin Verlag erschienen

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Was Unternehmen von Pflanzen lernen können

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ls im September 2008 die Investmentbank Lehman Brothers aufsehenerregend in die Pleite rutschte, stand im Büro ihres Chefs Richard S. Fuld eine lebensgroße Gorilla-Nachbildung. Die wurde schnell berühmt, schließlich passte sie gut zu dem geltungsbewussten und kraftprotzenden Wall-Street-Manager. Vergleiche zwischen Managern und Tieren sind beliebt, um unterschiedliche Geschäftsstrategien und -stile zu veranschaulichen. Es wird vor Kredithaien gewarnt oder vor dem Raubtierkapitalismus. In Unternehmen nutzen Leitwölfe die Schwarmintelligenz ihres Teams. Die Ratgeberliteratur für Manager findet immer überraschendere Methaphern: »Die sieben Geheimnisse der Schildkröte« oder »Whale done – von Walen lernen«. Der Wiener PR-Berater und Publizist Stefan Sengl hat ebenfalls ein Buch über Business-Strategien geschrieben. Keinen Ratgeber. Eher einen Essay für mehr Nischenbewusstsein und langfristige Planung. Sein Blick richtet sich dabei auf das Reich der Pflanzen. Schließlich machen Pflanzen rund 55 Prozent der bekannten Lebewesen aus. Sie sind der Marktführer im Ökosystem, wenn man so will. Das war für Sengl Grund genug zu fragen, welche Wachstumsstrategien sich Unternehmen aus der Botanik abschauen können.

Anpassung statt Kraftmeierei Fast wäre Stefan Sengl Naturwissenschaftler geworden. Als Jugendlicher lautete sein Berufswunsch: Biochemiker. Damals, in den späten 80ern, war die Gentechnik ein Thema, über das er viel las. Doch mit 17 schwenkten seine Interessen in Richtung Gesellschaft und Politik. Er landete schließlich in der Kommunikationsbranche, wurde zum professionellen Kommunikator. Heute entwickelt sein Wiener Unternehmen politische Kampagnen und Unternehmens-PR. Ganz losgelassen hat ihn die Begeisterung für die Natur allerdings nie. Vor ein paar Jahren kam ihm beim Hören eines Radiobeitrags – es ging um die Hecke als Übergangszone zwischen Wald und Wiese – ein Gedanke, mit dem sich seine Tätigkeit als PR-Berater und die Biologie verbinden ließen: Steckte nicht in der Ökologie der Hecke vieles, was sich auch in Unternehmensstrategien wiederfindet? Den Gedanken verfolgte er weiter, bis daraus schließlich ein Buch wurde. In »Was Unternehmen von Pflanzen lernen können« beschreibt er genau das anhand von Beispielen aus Botanik und Geschäftswelt. Wenn man nach den Wachstumsstrategien von Pflanzen sucht, stößt man schnell auf ein csr-Modell, erklärt Sengl: »C steht dabei für Competitors, S für Stress Tolerance und R für Ruderals. Das sind drei Grundstrategien im Pflanzenwachstum. Das heißt, es gibt natürlich wettbewerbsorientierte Pflanzen, aber eben nicht nur. Es gibt auch zwei komplett andere Strategien, die nicht auf Konkurrenzorientierung aufbauen.« Wettbewerb, Stress-Toleranz

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Pusteblume: der Wind sorgt für Ausbreitung der LöwenzahnSamen in unerschlossenen Gebieten. In der Geschäftswelt kennen wir solche Pioniere.

und Ausbreitungsstärke – wie spiegeln sich diese pflanzlichen Anpassungstypen in Unternehmens-Strategien? An Beispielen dafür mangelt es im Buch nicht. Da sind die unterschiedlichen Standorte im Einzelhandel, die man in A-, B- und C-Lagen einteilt. In innerstädtischen A-Lagen gibt es viel Laufkundschaft, große Umsätze, viel Wettbewerb. Dort herrscht ein massiver Wettbewerbsdruck, wie unter Dschungelpflanzen. Nicht jedes Handelsunternehmen fühlt sich wohl in diesem Habitat und setzt auf eine adäquate Strategie. Denn auch B- oder C-Lagen können das passende Umfeld bieten, zum Beispiel, wenn Unternehmen sich am Konzept der Stress-Toleranz aus der Pflanzenwelt bedienen. »Das heißt, dass Pflanzen in weniger produktiven Habitaten, wo es wenig Wasser, Nährstoffe und Licht gibt, es als Vorteil nutzen, dass es weniger Konkurrenzdruck gibt. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Kaktee. Eine tolle Strategie.« Wenn Stefan Sengl über die botanischen Strategien erzählt, spürt man, wie sehr ihn das Thema fasziniert. »Im Buch beschreibe ich die Strategie der Adler-Modemärkte. Das ist eine Kette, die sich auf eine Zielgruppe spezialisiert hat, die über 60 ist. Die siedeln sich nicht in Innenstadtlagen an, sondern eher neben Baumärkten. Dort gibt es dann mehr Platz und deshalb können die Gänge in den Läden sehr viel breiter sein, als in anderen Geschäften. Das mag die Zielgruppe. Alles ist ordentlich, geräumig und aufgeräumt. So hat sich Adler in einer hochkompetitiven Branche eine Nische in Randlagen geschaffen. Ganz wie eine Alpenpflanze, die sich ebenfalls in schwierigem Terrain eine Nische sucht, die eine hohe Spezialisierung erfordert.«

Wurzeln schlagen wie ein Baum Dafür, dass wir Menschen uns im Allgemeinen lieber mit Tieren als mit Pflanzen vergleichen, hat Stefan Sengl einen einfachen Grund ausgemacht. »Auf der strategischen Ebene sind Pflanzen auf einer ganz anderen Zeitschiene unterwegs. Deshalb nehmen wir Pflanzen nicht als Organismen mit einem Plan war.« Dort, wo uns Pflanzen im Geschäftsleben begegnen, seien sie noch dazu meist zur Deko degradiert. Dabei haben viele Pflan-

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43 zen einiges gemein mit Unternehmen, so Sengl. Zum Beispiel die Verwurzelung: »Ab einer gewissen Größe ist es für ein Unternehmen schwierig, umzuziehen. Ich könnte mit unserer PR-Agentur zum Beispiel nicht einfach in ein anderes Land ziehen, mit all den Wurzeln, die wir hier in Wien haben. Außer ein paar Großkonzernen, die ihre Produktionsstandorte verlagern können, ist es kaum einem Unternehmen möglich, sich aus dem Staub zu machen, wenn sich die Umweltbedingungen ändern. Bei Pflanzen ist das auch so. Wenn der Waldbrand kommt, können sie nicht fliehen. Aus dieser Parallele lassen sich viele strategische Anregungen ziehen.« Ein festes Wurzelwerk sorgt bei Bäumen für Stabilität. Diese Stabilität fehlt in Unternehmen häufig. Sengl kennt das gut: »Es gibt irrsinnig viele Unternehmen, die quartalsgetrieben agieren, sehr kurzfristig orientiert, fokussiert auf schnelles Wachsen.« Stabilitätsverluste nehmen Firmen dafür oft leichtfertig in Kauf. Dabei zeigt die Waldökologie, dass Stabilität der wichtigste Erfolgsfaktor in der Botanik ist. Wo Wälder gedeihen, kann man das beobachten. Oder man lässt es sich von Stefan Sengl erklären: »Am Anfang kommen Pionier-Pflänzchen, dann Kräuter und Sträucher, und irgendwann kommen die Bäume. Je nach Standort und Umwelteinfluss entsteht dann nach einiger Zeit theoretisch ein Optimal-Maximum an Biomasse. Da ist die spannende Frage: Von welcher Baumart wird dieser sogenannte Schlusswald dominiert?«

sion hingeben. Es gibt auch sehr kompetitive Pflanzen. Die Würgefeige ist zum Beispiel ziemlich brutal. Die nimmt dem Baum, auf dem sie gedeiht, das Sonnenlicht und erwürgt ihn letztlich.« Inspirierend findet Sengl eher die weniger aggressiven Strategien, in der Natur wie im Geschäft. Denn einiges, meint er, laufe falsch in der Geschäftskultur. Das könnte auch an einem ural-

Die Würgefeige ist das pflanzliche Paradebeispiel für eine eher agressive Strategie des Wettbewerbs.

ten Missverständnis liegen. Aus der Evolutionstheorie von Charles Darwin seien nämlich vielfach nur die sozialdarwinistischen Aspekte übriggeblieben. Und die werden zu allem Übel auch noch fehlinterpretiert als »Gesetz des Stärkeren«. Dabei geht es beim »Survival of the Fittest« wörtlich um das Überleben des am besten Angepassten, nicht des Stärksten. Unter Fitness wird im Sport schließlich auch nicht nur Muskelaufbau verstanden. Wer sein »Habitat« genau kennt, der merkt vielleicht, dass Muskeln ihm gar nicht weiterhelfen, sondern Flexibilität gefragt ist. Oder dass Ausdauer wichtiger ist als hohe Sprint-Qualitäten.

Und was kommt nach dem Wachstum?

Kakteen sind an die Bedingungen ihrer widrige Bedingungen angepasst. So wie Unternehmen, die auf besondere und anspruchsvolle Nische setzen.

In Mitteleuropa ist es meist die Rotbuche, die sich durchsetzt. »Es gibt Untersuchungen, bei denen geschaut wurde, welche Bäume im Schlusswald am Ende die häufigsten sind. Das Interessante ist: Das sind in aller Regel nicht die am schnellsten wachsenden Bäume. Die sind vielleicht 50 Jahre lang die höchsten Bäume. Aber nach 100 Jahren sind sie längst vom Wind umgehauen worden. Und dann bleiben die stabilen Bäume mit hoher Holzdichte übrig. Schnell zu wachsen ist also auf lange Sicht kein Erfolgsrezept.« Es bleibt die Frage: Wird nicht der botanische Überlebenskampf genau so hart geführt wie der im Tierreich? Da widerspricht Sengl nicht: »Man darf sich keiner Illu-

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Für viele Ökonomen sind die Grenzen des Wachstums längst absehbar, wenn nicht schon erreicht. Da stellt sich fast automatisch die Frage nach den botanischen Strategien, die einsetzen, wenn Ressourcen zur Neige gehen. Hier wird Sengls Blick in die Botanik etwas flüchtig. Erst auf den letzten Seiten seines Buchs widmet er sich pflanzlichen Postwachstums-Strategien. Wenn Bäume im Herbst ihre Blätter abwerfen, dann sei das eine Strategie des kontrollierten Rückzugs und die Ökosysteme lehren uns, ganz von allein ein stabiles Gleichgewicht zu erlangen, schreibt er. Es bleibt der Verweis auf mehr Ausdifferenzierung bei den ökologischen Nischen. Und De-Growth, gibt’s das unter Pflanzen auch? Eher nicht. Höchstens zwischendurch. Von Pflanzen lernen heißt nicht automatisch siegen lernen. Inspiration bietet der Blick in die Natur allemal. Und das auch recht kurzweilig. In seinem eigenen Büro hat Stefan Sengl übrigens kaum Pflanzen. Dafür steht dort eine Skulptur seiner Frau, der bildenden Künstlerin Deborah Sengl: ein »Wolfsschaf« – ein Wolf im Schafspelz.

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WINTERZEIT ZITRUSZEIT Wenn es Winter wird, beginnt die Zitrussaison. Die Früchte kommen jetzt nicht mehr aus Übersee, sondern werden rund ums Mittelmeer geerntet. Doch Vorsicht: Auf der Schale von Orangen, Mandarinen und Co finden sich Pestizide, die für den Menschen schädlich sein können.

Pestizidfreier Vitamingenuss? Der Winter ist die Hauptsaison für Zitrusfrüchte. Die Erntezeit europäischer Zitrusfrüchte reicht von Mitte Oktober bis Mitte Juni. In dieser Zeit kommen Orangen, Mandarinen, Zitronen und Grapefruits aus Spanien, Süditalien, Griechenland, Türkei und Zypern. Im »PestizidReduktionsProgramm« von global 2000 werden pro Jahr mehr als 100 Zitrusfrüchte auf Pestizidrückstände untersucht. Die gesetzlichen Höchstwerte werden meist eingehalten. Auf der Billa-Homepage www.billa.at können Sie die aktuellen Analysenergebnisse abrufen.

Orangen sind grün, nicht orange Nicht der Reifegrad sondern die nächtlichen Temperaturen sowie die Verfügbarkeit von Stickstoff und Wasser entscheiden über die Farbe der Früchte. Nur in Ländern mit ausgeprägten Jahreszeiten und kühlen Nächten entwickeln die Früchte die für uns typische Reifefarbe. Auch Orangen und Clementinen aus dem Mittelmeerraum werden erst im Winter auf natürlichem Weg orange. Die EU hat Orangen jahrelang nach ihrer Farbe klassifiziert, nicht etwa nach Geschmack oder Saftigkeit. In der Folge hat sich die zweifelhafte Praxis des Entgrünens breitgemacht, die von Natur aus fleckigen und leicht verschieden gefärbten Einzelfrüchten eine Einheitsfarbe verpasst.

TEXT Claudia Meixner und Laté Lawson, Global 2000 AgrartechnikerInnen

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100 % der Bioproben sind unbelastet. Auf jeder konventionellen Probe fanden sich Rückstände von Pestiziden.

Betroffene Früchte Zitronen, Limetten, Orangen, Grapefuits, Pomelos, Clementinen, Satsumas, Mandarinen und andere Zitrusfrüchte, Melonen, Bananen, Ananas, Mangos und andere Exoten.

100 % 100 % 80 %

Bio

Konventionell

95 %

60 % 40 % 20 % 0 %

0 % unbelastet

unbelastet

5 % ein Pestizid

Mehrfachrückstände

Zitrusfrüchte im Test Pünktlich zur Mandarinen- und Orangenzeit hat Global 2000 Zitrusfrüchte genauer unter die Lupe genommen und auf Pestizidrückstände untersucht. Auf 100 % der getesteten Bio-Früchte ließen sich keine Rückstände nachweisen. Bei den konventionellen Früchten wurden bei 95 % der Proben sogar Mehrfachrückstände, also bis zu sechs verschiedene Pestizide auf einer Frucht, nachgewiesen. Die Ergebnisse unseres Einkaufstests finden sich unter: www.global2000.at/zitrusfrüchte-im-test

Degreening

Besser bio

Bei kontrollierter Temperatur und Luftfeuchte werden die Früchte mit dem Pflanzenhormon Ethylen begast. Damit kann zwar der gewünschte Farbton erreicht werden, als Nebenwirkung wird aber auch der Alterungsprozess beschleunigt, die Frucht wird anfälliger für Pilzbefall und Kälteschäden. Deshalb werden die Früchte in einem weiteren Arbeitsgang mit Pestiziden nachbehandelt. Diese Nacherntebehandlung wäre in manchen Fällen vermeidbar, würde der Handel auch grüne und ungleichmäßig gefärbte Früchte anbieten. Die sind nicht nur natürlich gereift, sondern schmecken auch besser.

Bei konventionellen Zitrusfrüchten, die nach der Ernte nicht behandelt wurden - oft als »unbehandelt« gekennzeichnet - kommen keine Schalenbehandlungsmittel zum Einsatz. Das heißt aber nicht, dass das Produkt frei von Pestizidrückständen ist. Denn auf dem Feld werden sehr wohl Pestizide eingesetzt, die sich in dem Produkt und auch auf der Schale wiederfinden können. Deshalb empfiehlt global 2000 Zitrusfrüchte aus biologischem Anbau. Hier kommen weder vor noch nach der Ernte chemisch-synthetische Pestizide zum Einsatz. Die Haltbarkeit von biologisch angebauten Zitrusfrüchten ist eingeschränkt, dafür können Sie sie pestizidfrei genießen und die Schalen über Ihre Biotonne entsorgen oder auf Ihrem Komposthaufen in den natürlichen Kreislauf zurückführen.

Hände waschen Die Schale vieler Zitrusfrüchte wird zur Verlängerung der Haltbarkeit mit Konservierungsmitteln behandelt. Ein Großteil dieser Schalenbehandlungsmittel verbleibt auf der Schale. Beim Schälen der Früchte gelangen diese Stoffe auf die Hände und beim Essen auch in unseren Körper. Daher empfiehlt die ages nach dem Schälen oder Pressen von Zitrusfrüchten die Hände gründlich zu waschen. Auch durch Waschen der Früchte mit lauwarmem Wasser und anschließendem Trocknen mit einem Tuch kann ein großer Teil dieser Mittel von der Schale entfernt werden.

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Kennzeichnungspflicht Früchte, deren Schale nach der Ernte behandelt werden, müssen zur Information für KonsumentInnen entsprechend gekennzeichnet werden. Diese Angaben über die verwendeten Konservierungsmittel müssen gut sichtbar und lesbar auf den Verpackungen oder auf Schildern an den Regalen angebracht werden. Oft entspricht die Kennzeichnung nicht den gesetzlichen Vorgaben. global 2000 hat deshalb im November einen Einkaufstest durchgeführt. Die Ergebnisse dieses Tests können Sie hier abrufen: www.global2000.at/zitrusfrüchte-im-test 

Entgeltliche Einschaltung

Schalenbehandlung Nicht alle Zitrusfrüchte gelangen sofort nach der Ernte in den Verkauf. Damit sie die Lagerung ohne Fäulnis und Schimmel überdauern können, werden Schalenbehandlungsmittel eingesetzt. Das sind pilzhemmende Mittel (Fungizide), die dazu dienen, Zitrusfrüchte und auch exotische Früchte während Lagerung und Transport vor Schimmelpilzen zu schützen. Aufgetragen werden diese Mittel beim Waschvorgang durch Besprühen oder Beimischung ins Reinigungswasser. Zu den Nacherntebehandlungsmitteln zählen Imazalil, Orthophenylphenol, Prochloraz, Propiconazol und Thiabendazol.

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Wasser Aktiv

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Helena Zottmann

WasserWerkstatT: Sachunterricht in seinem Element

Wasser ist ein knappes Gut

Wasser im Kreislauf

¾ unseres Planeten sind von Wasser bedeckt, aber nur 0,2 % des Wassers ist Trinkwasser. Der Großteil ist als Eis in Gletschern und den Polkappen gebunden. (Bild: blauer Planet)

Wasser befindet sich im geschlossenen Wasserkreislauf aus Verdunstung und Niederschlag. So geht zwar kein Tropfen verloren, durch Verschmutzung oder ungleiche Verteilung der Wasservorräte verknappt Trinkwasser in manchen Teilen der Welt aber zunehmend.

Lebensgrundlage Wasser

Wasser und Chemie

Flüssiges Wasser ist die Lebensgrundlage jedes Lebewesens auf der Erde. Leben entsteht im Wasser und ernährt sich vom Wasser und von den Nährstoffen im Wasser.

Eis, Wasser, Dampf: Wasser ist der einzige Stoff auf der Erde, der in allen drei Aggregatzuständen – fest, flüssig und gasförmig – vorkommt.

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Entgeltliche Einschaltung

Wasser ist der Quell des Lebens, wichtigste Ressource für Mensch, Tier und Umwelt. Den Wert von Wasser lernen wir auch in der Schule kennen. Auch wenn Österreich ein wasserreiches Land ist, müssen wir diese wertvolle Ressource schützen und sorgsam damit umgehen. Diese Dinge sollten wir schon von klein auf wissen.

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Wasser Aktiv

48 3. Weißt du, warum man im Win ter Salz auf die Straßen streut?

Wasser und Körper Im Körper erfüllt Wasser viele wichtige Funktionen: es ist Transportmittel (Blut), Kühlmittel (Schweiß), Lösungsmittel (alle Körperflüssigkeiten) und Baustoff (der menschliche Körper besteht zu einem Großteil aus Wasser).

Fragen werden Teste dein Wissen! Die und in der unten auf dieser Seite ortet. WasserWerkstatt beantw te Farbe els nk du 1. Die hellste und die r erzeugt – sse Wa m vo n rde auf der Erde we weißt du wie?

Wasser und Klima Im Laufe der Erdgeschichte gab es immer natürliche Schwankungen des Klimas, doch in den letzten 150200 Jahren beeinflusste der Mensch das Klima deutlich. Schon heute spüren wir die Auswirkungen des vom Menschen verursachten (anthropogenen) Klimawandels in Form von heißen Sommern, Trockenheit und Dürren, Überschwemmungen, schmelzenden Gletschern, steigendem Meeresspiegel.

4. Was glaubst du, wie lange kommt ein Mensch ohne Wasserzufuhr aus?

Wasser und Gefahr Wasser kann auch eine große Gefahr für den Menschen sein, etwa in Form von Muren, Lawinen oder Überschwemmungen. In Österreich werden zahlreiche Maßnahmen gesetzt um diese Naturgefahren einzuschränken.

2. Welche Farbe hat Wasser?

Antworten: 1. Weiß – Schnee und fast schwarz – der offene Ozean; 2. Wasser ist farblos, geruchlos und durchsichtig. Erst ab etwa 2 Metern Schichtdicke wird Wasser bläulich; 3. Wasser gefriert nicht immer bei 0° C – wird Salz hinzugefügt, sinkt der Gefrierpunkt. Salzwasser friert erst bei – 1,8° C; 4. Nur 2 Tage lang kommt ein Mensch aus, ohne zu trinken; 5. Kamele können bis zu 4 Wochen lang von ihren Wasserreserven zehren! 046_034-067_Story 02.indd 48

Wasser und Mangel Wer Durst spürt, hat bereits zu wenig Wasser im Körper. Weitere Anzeichen für Wassermangel sind Kopfschmerzen, Müdigkeit und Konzentrationsschwäche.

5. Kamele sind die Schnelltrinke r unter den Säugetieren – sie können 200 Lite r in nur 10 Minuten trinken. Weißt du, wie lange die Tiere dann ohne einen Schluck Wasser auskommen?

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Susanne Brandstetter ist Stabstelle für Kommunikation und Information für Wasser beim BMLFUW und Vorsitzende der ICPDR Public Participation Expert Group.

Was ist Ihre persönliche Beziehung zur Donau? Ich bin nahe der Donau in Niederösterreich aufgewachsen, das prägte meine Beziehung zum Fluss. Meine Kindheitserinnerungen sind Ausflüge in kleine Ortschaften wie Grein an der Donau oder in die Wachau, die nach wie vor eine faszinierende Landschaft für mich ist. Beruflich gesehen bin ich mit dem Fluss seit Jahren verbunden. In meinem Geografiestudium an der Universität Wien habe ich mich bereits auf Wasserwirtschaft spezialisiert. Natürlich wurde diese Beziehung mit meiner Arbeit im Ministerium und bei der Donauschutzkommission (icpdr) noch stärker. Wieso ist Öffentlichkeitsbeteiligung so wichtig? Information ist der entscheidende Punkt. Wer entsprechende Information bietet, wird jenen Interessierten die Türen öffnen, die Teil der Entscheidung sein möchten. Entscheidungen mit einer breiten Beteiligung unterschiedlicher Stakeholder, und insbesondere auch von der Öffentlichkeit, werden eher akzeptiert und führen letztlich auch zu besseren Ergebnissen. Wie motiviert man die Menschen sich zu involvieren?

internAtionAle zusAmmenArBeit für die donAu Die icpdr (International Commission for the Protection of the Danube River oder Internationale Kommission zum Schutz der Donau iksd) ist eine international zusammenarbeitende Kommission, die sich zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Donau zusammengetan hat. 15 Länder arbeiten gemeinsam daran die Donau-Deklaration 2016 umzusetzen. Sie gibt den Rahmen für die Verbesserung der Gewässer und zum Schutz vor Hochwasser vor. Die Qualität der Donau und ihrer Umwelt soll beibehalten oder verbessert werden. »Cleaner, healthier, safer« soll die Donau werden. www.icpdr.org

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die

grAtis WAsserWissen für die schule AufBereitet Die WasserWerkstatt ist eine Sammlung von Unterrichtsmaterialien für die 6. bis zur 12. Schulstufe, mit denen die Schülerinnen und Schüler aktiv mit den Lehrenden aktuelle Schwerpunkte zum Thema Wasser erarbeiten können. Sie behandeln zum Beispiel die Themen »Der blaue Planet«, »Wasser als Lebensmittel« oder »Wasserqualität«. Die WasserWerkstatt wurde von der Generation Blue, der Jugend-Plattform des bmlfuw (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) gemeinsam mit der övgw (Österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach) herausgegeben. Alle Unterrichtsmaterialien stehen kostenlos unter: www.generationblue.at/genblue/ schulservice/schulangebot/wasserwerkstatt

bild bMFlUw / Alexander Haiden

WAsser – eine öffentliche Angelegenheit

Man muss den Menschen zuhören. Jungen Leuten schenken wir viel Aufmerksamkeit und nehmen sie ernst. Sie spüren sofort ob ein wirkliches Interesse an ihrer Meinung besteht. Man muss gute Informations-Angebote machen. Jugendliche sind sehr gut für das Thema Wasser zu motivieren. Mit vielen Aktionen auf unserer Jugendplattform www.generationblue.at hatten wir bereits große Erfolge. Wo sehen Sie die Kommunikation und die Öffentlichkeitsbeteiligung in fünf Jahren? Öffentlichkeitsbeteiligung wird eine immer wichtigere Rolle spielen und in fünf oder zehn Jahren vermehrt digital stattfinden. Wir werden noch mehr Technologien und Methoden haben, die uns eine direkte Kommunikation ermöglichen und Online-Votings verstärken. Social Media wird definitiv noch wichtiger in Zukunft. Schon jetzt ist es ein sehr wichtiges Werkzeug für Ministerien, für Politik und natürlich auch für ngos, um auf größerem Feld zu mobilisieren. Jeder wird Zugang haben und wird abstimmen und mitreden können. Weiters ist wichtig, nicht auf die »soziale Evolution« zu vergessen, denn sonst geht die Botschaft in der Zukunft verloren.

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PARIS, GREAT AGAIN Die energische Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo ist »Grüne Diplomatin des Jahres«

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Georg Renöckl

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Shutterstock, Frederic Legrand -  COMEO / Shutterstock

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Autor Georg Renöckl kennt auch »Paris abseits der Pfade«. Sein Buch zur Welthauptstadt des Flanierens ist im Sachbuchverlag Braumüller erschienen.

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»Sie ist sanft, warmherzig, verführerisch und gleichzeitig hartnäckig und wild entschlossen«

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er eine redet, die andere tut. Während President elect Donald Trump sein Land wieder groß machen will, indem er es einzäunt, macht Anne Hidalgo ihre Stadt wieder groß, indem sie sie vernetzt. Von Paris ist die Rede. Viele halten die einstige »Hauptstadt des 19. Jahrhunderts« für ein Freilichtmuseum, das im 21. Jahrhundert bestenfalls noch für einen Wochenendtrip gut ist – vorausgesetzt, man ist bereit, in der meistbesuchten Stadt der Welt stundenlang Schlange zu stehen, will man Eiffelturm oder Mona Lisa besichtigen. Soviel zur Karikatur. Die Realität sieht freilich anders aus: Paris ist das Zentrum einer dichtbesiedelten Region von zwölf Millionen Einwohnern, die zu den bedeutendsten Wissenschaftszentren und – bei allen bekannten sozialen und urbanistischen Problemen – zu den reichsten und wirtschaftlich dynamischsten Regionen Europas zählt.

stAdtpolitiK ist WeltpolitiK Auch auf der weltpolitischen Bühne nimmt die Stadt einen bedeutenden Platz ein, und das nicht »nur« als Hauptstadt Frankreichs: Die Pariser Bürgermeisterin wurde als erste Frau zur Präsidentin des Städtebundes »c40 Cities Climate Leadership Group« gewählt. Vom renommierten amerikanischen Magazin Foreign Policy wurde sie für ihr globales umweltpolitisches Engagement nun mit dem »Green Diplomat of the Year«-Award ausgezeichnet. Wenn Anne Hidalgo Anfang Dezember in Mexiko das nächste Treffen der einflussreichsten Bürgermeister der Welt leiten wird – an dem auch die Stadtoberhäupter kleinerer deutscher oder Schweizer »Innovator Cities« wie Basel oder Heidelberg, aber keine aus Österreich teilnehmen –, dann mit klaren Zielen. Städte sind für 70 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich, bis 2050 werden zwei Drittel der Menschheit in Städten leben, schreibt sie in ihrem Statement. Wenn Klimaschutz wirksam sein soll, müssen die Städte vorangehen

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Anne Hidalgo, Bürgermeisterin von Paris.

und voneinander lernen, Hidalgo zitiert das Beispiel der größten E-Bus-Flotte der Welt, die in China im Entstehen ist.

mehr rAdfAhren, mehr flAnieren Als Pariser Bürgermeisterin hat Hidalgo längst bewiesen, dass sie es nicht auf Ankündigungen beruhen lässt. Seit sie das Amt im April 2014 – ein weiteres Mal als erste Frau – übernahm, lenkt sie die Stadt konsequent in die ökologische Richtung. Sie führt die Leuchtturm-Projekte ihres Vorgängers Bertrand Delanoë weiter, wie den Ausbau des dichtesten Leihradsystems der Welt, das in Abständen von maximal 300 Metern an die 30.000 Räder zur Verfügung stellt, geht dabei aber einen Schritt weiter: Das ehrgeizige Ziel der Bürgermeisterin lautet, Paris bis 2020 zur Welthauptstadt des Fahrrades zu machen. Und auch wenn Amsterdam und Kopenhagen schwer einzuholen sein dürften: Ein Budget von immerhin 150 Millionen Euro steht dafür zur Verfügung, 700 Kilometer Radwege werden neu errichtet. Derzeit unterzieht Hidalgo zudem die sieben bedeutendsten Plätze der Hauptstadt einem Umbau, der mehr ist als bloßes Facelifting: 50 Prozent mehr Platz für Fußgänger lautet die Grundregel, dazu kommen Begrünung und Radwege. 2017 wird ein Elektro-Bootstaxi-System auf der Seine eingeweiht und auch mit der Umsetzung eines der umstrittensten Vorhaben Hidalgos begonnen, das die Bürgermeisterin gegen erbitterten Widerstand der Konservativen und der Autolobby durchgeboxt hat: Nach dem Vorbild des linken Seine-Ufers werden über drei Kilometer Schnellstraße am rechten Ufer, über die heute noch täglich 43.000 Autos donnern, in eine Flanier-, Sport- und Fahrradmeile verwandelt.

migrAntin, soziAlistin Bei all diesen Projekten beweist Anne Hidalgo, die einst von der Rechten als »Hausmeisterin« des schillernden Bertrand Delanoë verspottet wurde, beeindru-

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53 ckendes Steh- und Durchsetzungsvermögen. Es kommt nicht von ungefähr: »Ich habe mein Leben lang doppelt so viel arbeiten müssen, weil ich eine Frau und eine Einwandererin bin«, erklärt die 1959 bei Cádiz geborene Tochter eines andalusischen Arbeiterpaares, das wegen seines politischen Engagements vor dem Franco-Regime fliehen musste. Ana wuchs in Lyon auf, mit zwölf Jahren wurde sie französische Staatsbürgerin. Sie studierte Sozialwissenschaften und Sozialrecht, als junge Arbeitsinspektorin ging sie nach Paris. 1994 trat sie in die sozialistische Partei ein und arbeitete in drei Ministerkabinetten, ehe sie von Bertrand Delanoë, dem ersten linken Pariser Bürgermeister seit 1871, in die Stadtregierung geholt wurde. »Sie ist sanft, warmherzig, verführerisch und gleichzeitig hartnäckig und wild entschlossen«, beschrieb Delanoë seine engste Vertraute. Mit Nicolas Sarkozy, der bereits als Innenminister verkünden ließ, er denke jeden Morgen beim Rasieren an seine künftige Präsidentschaft, teilt sie nicht nur die migrantische Herkunft, sondern auch den Ehrgeiz: 2012 schlug Anne Hidalgo einen Ministerposten aus, da sie längst den Entschluss gefasst hatte, Pariser Bürgermeisterin zu werden. Le Monde vertraute sie mit einem kleinen Seitenhieb in Richtung Sarkozy an, sie habe täglich beim Schminken daran gedacht.

Grüne Diplomatin Am 13. November 2015, als im Bataclan und in einigen Restaurants Islamisten dutzende Menschen ermordeten, erlebte Hidalgo ihre schwersten Stunden als Pariser Bürgermeisterin. Auf den Terror antwortete sie nach dem Gedenken an die Opfer mit einer Kampagne, die Hemingways berühmte Hommage an die Stadt zitierte: »Paris ist ein Fest« – und das lasse man sich nicht nehmen. Der Pariser Klimagipfel cop 21 ging ungestört über die Bühne. Im November 2016 fand unter Anne Hidalgos Vorsitz das Pariser »Cities for Life«-Treffen statt, an dem sich mehr als 100 Bürgermeister über Innovation und Inklusion austauschten. Wenig später flog Hidalgo nach Mexiko zum c40-Treffen, und auch in Paris stehen die nächsten Monate unter dem Zeichen der Innovation, unter anderem mit der Eröffnung des weltgrößten Start-up-Inkubators. »Make X great again« lautet das Motto der gerade stattfindenden reaktionären Wende. Anne Hidalgo interpretiert sie als Gegenmodell zu nationalem Egoismus und formuliert sie folgendermaßen um: »Meine Stadt ist der Rolle treu geblieben, die sie im Lauf der Geschichte eingenommen hat. […] Paris war immer ein Ort der humanistischen Werte, Paris hat stets den Fortschritt vorangetrieben. Oder, wie Victor Hugo sagte: Die Menschheit hat ein Anrecht auf Paris. «

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kinderbücher

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WEnn dEr SCHnEE dIE ErdE ZUdECkT. KinDerBÜcher FÜr Die KaLte JahreSZeit Frisch gefallener Schnee bringt Stille mit. Plötzlich ist die Welt verändert, wirkt wie verzaubert. Das ist auch in der Kinderliteratur zumeist so.

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eueste Bilderbücher zeigen aber auch das bunte Treiben im Schnee: Eines führt uns in die norwegische Fjell-Landschaft, wo wir Touristen und Einheimische bei diversen Aktivitäten im Schnee (durchaus auch kritisch) beobachten können; ein zweites, in Schweden erschienenes erzählt uns von der Begegnung mit fröhlichen Yetis in einem bezaubernden Winterwald. In anderen Kinderbüchern wird das Idyll aufgebrochen: Der Schnee wird zur Metapher für eine Leere, die mitunter Neuanfänge ankündigt. In einem sehr nachdenklichen iranischen Kinderbuch bauen Kinder einen Schneemann, der, zum Leben erweckt, ewiges Eis fordert, schließlich aber doch schmelzen muss, um dem neuen

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Frühling Platz zu machen. In einer weiteren Geschichte durchwandert ein kleines Mädchen unendlich weite Schneelandschaften, um eine Frau aus ihrem Einsiedlerdasein geleiten zu können. Das letzte hier vorgestellte Buch bietet eine moderne Auslegung der Weihnachtsgeschichte. Die ereignisreiche Reise durch klirrende Kälte und verschneite Wälder nach Betlehem hat ein nicht nur die Herzen erwärmendes Ende. Uns ist übrigens nicht egal, auf welche Weise und in welchen Teilen der Erde Bücher produziert werden. Daher liefern wir zu jedem Titel den Blickpunkt Umweltschutz und Nachhaltigkeit.

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COPYRIGHT

Bjørn Rune Lie / Kunstanstifter Verlag, Yeti Pleki Plek: Benjamin Chaud / Bohem Verlag

WINTERSPASS IM SLAPSEFJEL (Bjørn R. Lie, Kunstanstifter, ab 4 Jahren) Es zeigt das bunte Treiben im fiktiven norwegischen Wintersportort Slapsefjell (»Schneematschberg«). Im Bergdorf beginnt ein eisig kalter Wintertag, der Himmel ist klarblau, der seidenweiche Neuschnee glitzert in der Morgensonne, es hat minus 4 °C. Wir beobachten eine Menagerie von schrulligen Charakteren auf Loipen und Buckelpisten, im Sessellift und beim Après-Ski – und der Himmel ist, ach, so rosa, wie er nur im hohen Norden sein kann! Aber nicht alles ist so rosig. Wir sehen Waldarbeiter, die Bäume fällen, weil ein umstrittener Wochenendpalast gebaut werden soll, und einen Eisfischer, der eine verrostete Kandahar-Bindung und einen Schlittschuh aus dem zugefrorenen See holt. Die Slapsefjell-Rallye macht die Luft abgasschwer. Dann folgen wir den Einheimischen durch die Straßen, blicken in Schulzimmer und können uns nicht an der Abenddämmerung sattsehen. Ein einzigartig schönes Buch, das nicht nur Wintersport- und Skandinavienfreunde lieben werden. CO2-kompensierter Druck auf Papier mit fsc-Mix Label (aus verantwortungsvollen Quellen), Dr. Cantz’sche Druckerei Medien gmbh, Ostfildern (Deutschland).

YETI PLEKI PLEK (Eva Susso, Bohem, ab 3 Jahren) Endlich sind die Berge weiß, und die liebenswerten kleinen Jungs Uno und Max können Snowboard fahren gehen. Zwisch, zwosch, zwisch, zwosch. Schnell geht es den Hang hinab, in den Wald hinein – nach ein paar Schwüngen haben sich die Brüder schon verlaufen. Plötzlich steht ein Ungeheuer mit dickem Fell und großen Füßen vor ihnen: ein Yeti! Der Schneemensch schleppt Uno und Max mit in seine gemütliche Höhle, wo sie einen zweiten, Holzeulen schnitzenden Yeti kennenlernen. »Yeti Pleki Plek!« ist der freudige Ausruf der neuen Freunde. Uno und Max bekommen eine Holzeule geschenkt und Blaubeer-Tannenzapfensuppe zu essen, doch während Uno zufrieden seinen Mittagsschlaf macht, muss Max an Papa denken. Der Yeti bringt sie schließlich nach Hause, wo die Jungs erstmals die Holzeule, die im Regal steht, entdecken. Witzig erzählt, toll illustriert. Druck auf Papier mit fsc-Mix Label, Finidr (Tschechien).

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Kinderbücher

56 Der groSSe Schneemann

Es war noch nicht Mittag, als die Kinder eine Schneekugel gebaut hatten, die doppelt so groß war wie sie selbst. Der Junge, der den Hocker gebracht hatte, meinte: »So ist es gut. Nun holen die Mädchen Schnee und die Jungen klettern hoch, um den Kopf zu bauen.« Die Kinder arbeiteten schweigend weiter. Sie froren an den Händen und Füßen, sie waren hungrig und durstig, aber sie wollten den Schneemann fertig bauen, bevor sie nach Hause gingen. Es wurde immer kälter und schneite immer stärker. Doch dann war auch der Kopf des Schneemanns fertig.

.‫ ﺣﺎﻻ ﺷﺪ‬- :‫ ﮔﻔﺖ‬،‫ ﻫﻤﺎﻥ ﭘﺴﺮﻱ ﻛﻪ ﭼﻬﺎﺭﭘﺎﻳﻪ ﺁﻭﺭﺩﻩ ﺑﻮﺩ‬.‫ ﺑﭽﻪﻫﺎ ﻳﻚ ﮔﻠﻮﻟﺔ ﺑﺮﻓﻲ ﺩﻭ ﺑﺮﺍﺑﺮ ﻗﺪ ﺧﻮﺩﺷﺎﻥ ﺳﺎﺧﺘﻨﺪ‬،‫ﻇﻬﺮ ﻧﺸﺪﻩ‬ .‫ ﺑﭽﻪﻫﺎ ﺩﺭ ﺳﻜﻮﺕ ﻣﺸﻐﻮﻝ ﺷﺪﻧﺪ‬.‫ ﺳﺮﺵ ﺭﻭ ﺩﺭﺳﺖ ﻣﻲﻛﻨﻴﻢ‬،‫ﺍﺯﻳﻦ ﺑﻪ ﺑﻌﺪ ﺷﻤﺎ ﺩﺧﺘﺮﻫﺎ ﺑﺮﻳﺪ ﺑﺮﻑ ﺑﻴﺎﺭﻳﺪ ﻣﺎ ﻣﻲﺭﻳﻢ ﺑﺎﻻ‬ .‫ ﺍﻣﺎ ﻣﻲﺧﻮﺍﺳﺘﻨﺪ ﺗﺎ ﺁﺩﻡ ﺑﺮﻓﻲﺷﺎﻥ ﺗﻤﺎﻡ ﻧﺸﺪﻩ ﺑﻪ ﺧﺎﻧﻪ ﺑﺮ ﻧﮕﺮﺩﻧﺪ‬،‫ ﺧﺴﺘﻪ ﻭ ﮔﺮﺳﻨﻪ ﺷﺪﻩ ﺑﻮﺩﻧﺪ‬،‫ﺩﺳﺖ ﻭ ﭘﺎﻫﺎﻳﺸﺎﻥ ﻳﺦ ﻛﺮﺩﻩ ﺑﻮﺩ‬ .‫ ﻛﻪ ﺳﺮ ﺁﺩﻡ ﺑﺮﻓﻲ ﻫﻢ ﺗﻤﺎﻡ ﺷﺪ‬،‫ﻫﻮﺍ ﻛﻢﻛﻢ ﺳﺮﺩﺗﺮ ﻭ ﮔﺮﻓﺘﻪﺗﺮ ﻣﻲﺷﺪ ﻭ ﺑﺮﻑ ﺳﻨﮕﻴﻦﺗﺮ‬

(Seyyed Ali Shodjaie u. Elahe Taherian, Baobab, ab 5 Jahren) Ein tiefgründiges zweisprachiges Bilderbuch aus dem Iran thematisiert die Manipulierbarkeit von Menschen. Es beginnt – dem Persischen entsprechend – auf der letzten Seite, man blättert nach vorne. Als endlich Schnee gefallen ist, bauen die Kinder in einem Dorf einen riesigen Schneemann. Der Dorfvorsteher und ein Großvater spendieren Hut und Stock. Am nächsten Morgen erwacht »Der große Schneemann« zum Leben. Er fordert anfangs nur Essen und Eis, um dem Schmelzen entgegenzuwirken. Bald jedoch werden die Befehle zahlreicher und wunderlicher, und die Menschen lassen sich widerstandslos herumkommandieren. Sogar die Sonne lehnen sie schließlich ab: Ihr Schneemann würde ja schmelzen, der Frühling könnte Neues, Unbekanntes bringen – eine Erinnerung an die politischen Ereignisse der letzten Jahre? Die Sonne lässt sich jedenfalls ein Jahr lang nicht blicken, versucht es dann wieder und setzt dem kalten Leben im Dorf schließlich ein Ende. Druck auf fsc-zertifiziertem Papier »Design Offset«, Freiburger Graphische Betriebe, Freiburg im Breisgau (Deutschland).

Copyright Elahe Taherian / Baobab Books, Maria Jönsson / Oetinger

Das Mädchen von weit weg (Annika Thor u. Maria Jönsson, Oetinger, ab 4 Jahren) Einen beschwerlichen Weg hat »Das Mädchen von weit weg« wohl hinter sich, als es über eine weite Schneedecke wandert. Wie ein roter Ball sticht es aus dem Weiß. Als das Mädchen ans Haus der Grauen gelangt, versucht es, bei der Frau Unterschlupf zu bekommen. Obwohl die Graue lieber einsam in ihrer warmen Stube sitzt, verspürt sie Mitgefühl und lässt das Mädchen zum Ofen, gibt ihm zu trinken – ja, lässt es schließlich sogar in ihrem Bett übernachten. Nachdem die Graue das Kind am nächsten Tag wieder in die Kälte hinausgeschickt hat, kommt es zum Wendepunkt: Sie wagt sich hinaus in den tiefen Schnee, folgt den Spuren des Mädchens und findet es nach längerer Suche auch. Die Gegenwart des Kindes eröffnet der Grauen schließlich völlig neue Perspektiven. Eine wunderbar illustrierte, stimmungsvolle Geschichte – traurig und hoffnungsfroh zugleich. Druck auf Papier mit fsc-Mix Label, ohne Angabe der Druckerei.

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Kinderliteratur

58 Das Eselchen und der kleine EngeL

Copyright Christiane Hansen / Thienemann Verlag

(Otfried Preußler, Thienemann, ab 4 Jahren) »Es war einmal ein kleiner Esel, der war erst kürzlich zur Welt gekommen. Der Schnee auf den Feldern und Wiesen lag mindestens einen halben Meter hoch, in den Wäldern klirrte der Frost.« Das Eselchen, das im Stall liegt, wird vom Atem der Mutter gewärmt und bekommt immer wieder die Geschichte vom Jesulein in der Krippe erzählt. Eines Tages ist die Eselin plötzlich verschwunden, doch ein Engelchen, barfuß, seine Flügel als Schal getarnt, weiß, dass sie in Betlehem gebraucht wurde. »Das Eselchen und der kleine Engel« machen sich auf den langen Weg dorthin, und nicht alle nehmen die beiden wahr: Die im verschneiten Dorf herumeilenden, mit Geschenken und Christbäumen beladenen Menschen haben anderes im Kopf. Einige Kinder und Frauen aber, ein Bäcker samt Familie, ein Schäfer mit Hunden und Herde, eine Würstelfrau und der Polizeiwachtmeister begleiten die beiden auf ihrer Reise durch die Winterlandschaft. Schließlich erleben sie ein Weihnachtswunder, das sich für jeden, der aufnahmebereit ist, jährlich wiederholen kann. Eine Neuauflage der bezaubernden modernen Weihnachtsgeschichte. Druck auf Papier mit fsc-Mix Label, Phoenix Print gmbh (Deutschland).

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auf den spuren des wolfes

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LAien-Forscher auf den spuren des wolfes Peter Schütte, Wolfsberater in Niedersachsen, erklärt, warum es das Engagement ehrenamtlicher Laienforscher braucht, um die Akzeptanz für die Rückkehr des Wolfs zu erhöhen.

In Niedersachsen leben acht der derzeit 46 deutschen Wolfsrudel. Außerdem gibt es Nachweise einzelner Wölfe selbst in Gegenden, in denen Wildbiologen eine Ansiedelung von Wölfen eher ausgeschlossen hätten. Nun gibt es durch vermehrte Risse von Weidetieren auch einen messbaren Rückgang der Akzeptanz der Wölfe in der Bevölkerung. Warum braucht es nun Freiwillige, die Forstwege systematisch nach Trittsiegeln, Kot oder sonstigen Hinweisen auf Wolfsvorkommen absuchen?

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Ende November wurden mehrere Wölfe im Landkreis Rotenburg nachgewiesen. Die mit dem Wolfsmonitoring beauftragte Landesjägerschaft geht nun von einem neunten Rudel in Niedersachsen aus. Als eine sehr anpassungsfähige Tierart kann der Wolf dort leben, wo ausreichend Beutetiere und Rückzugsmöglichkeiten für die Welpenaufzucht vorhanden sind. Wölfe können aber dennoch auch in »wolfsuntypischen« Regionen auftauchen, beispielsweise beim Durchwandern eines Gebietes auf der Suche nach einem neuen Territorium. Einen messbaren Rückgang der Akzeptanz von Wolfspräsenz sehe ich nicht, aber es gibt vermehrt auftretende Nutztierrisse, die in der Presse oftmals großes Aufsehen erregen. Diese geschehen vor allem in Gebieten, wo Wölfe sich neu ansiedeln. Wir haben nicht genügend Informationen über Lebensweise, Bewegungsmuster oder Genetik der freilebenden Wölfe, die ein aussagekräftiges Bild der Population darstellen. Kenntnisse darüber sind aber essentiell, um ökologische Zusammenhänge, die Entwicklung der Wolfspopulation zu verstehen und schlussendlich auch das Wolfsmanagement inklusive des Herdenschutzes (der Viehherden, Anm. d. Red.) daran anzupassen. Daher können systematisch geplante Feldkampagnen, die aktiv nach verwertbaren Wolfshinweisen suchen, sehr hilfreich sein, um in kurzer Zeit viel Information zusammenzutragen. Dabei geht es um eine Ergänzung der bestehenden Strukturen und zusätzliches Datensammeln nach dem international bewährten, vielfach ausgezeichneten System von Biosphere Expeditions.

In Deutschland leben bereits 47 Wolfsrudel. In Österreich – wo der Wolf vom Naturschutzbund zum »Tier des Jahres« ernannt wurde – hat sich 2016 das erste Rudel seit über 100 Jahren formiert. Über diesen Wissensstand hinaus fehlen oft die Fakten.

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Interview

Thomas Weber Bild

Theo Gruentjens Es gibt allein in Niedersachsen über 100 ehrenamtliche Wolfsberater, die als geschulte Personen Kadaver gerissener Wild- und Nutztiere begutachten, die Hinweise aus der Bevölkerung sammeln und Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Wolf machen. Das klingt eigentlich nach einer Menge: 100 PR-Beauftragte für den Wolf in einem einzigen Bundesland. Kommt das Wissen über den Wolf wirklich nur dann an, wenn man persönlich aufgeklärt wurde? Was hat sich in der Branche in den letzten zehn Jahren getan? Niedersachsen hat eine Bevölkerung von 7,7 Millionen Menschen. Sind da 100 Personen, die sich einem offensichtlich sehr polarisierenden Thema – wohlgemerkt hauptsächlich ehrenamtlich – widmen, viel oder gar ausreichend für ein so vielschichtiges Aufgabengebiet? Ich glaube nicht; ich bin ja selbst Wolfsberater. Wie die Kolleginnen und Kollegen versuche ich in meiner Freizeit ehrenamtlich in Sachen Wolfsmonitoring, Rissbegutachtung und Herdenschutz sowie Öffentlichkeitsarbeit aktiv zu sein. Dazu gehören z.B. unzählige Gespräche, Anfragen oder Vorträge. Da bleibt oft keine Zeit noch rauszufahren, um nach Spuren zu schauen. Das Umweltministerium hat mit der Einbindung Ehrenamtlicher versucht, ein Netzwerk zu schaffen, dass sich in Fragen rund um die natürliche Wiederbesiedlung von Wölfen engagiert und das Thema in die Bevölkerung trägt. Das ist sicher ein guter Ansatz, ersetzt aber hauptamtliche Strukturen nicht, die letztlich aus den zur Verfügung stehenden Haushalten gestemmt werden müssen. Aus meiner Sicht ist in dem Bereich trotz Einrichtung des Wolfsbüros und neu geschaffener Stellen weiterhin Handlungsbedarf. Hinzu kommt, dass das Thema Wolf oft sehr emotional und teilweise postfaktisch diskutiert wird. Eine reißerische Schlagzeile in einer großen Tageszeitung kann Jahre der Aufklärungsarbeit in einem Tag zunichte machen. 100 Ehrenamtler, die Aufklärungsarbeit auf Basis von wissenschaftlich fundierten Wissen betreiben, sind da eher viel zu wenig, um solchen Effekten entgegenzuwirken. Ab 2017 sind in Niedersachsen jährlich zwei bis vier gemeinnützige Biosphere Expeditons geplant, auf denen interessierte Laien aktives Wolfsmonitoring betreiben sollen. Welche Daten können Laien überhaupt sammeln? Das Bemerkenswerte an einer solchen Expedition ist, dass begeisterungsfähige Leute zusammentreffen, die in ihrem Urlaub bereit sind, aktiv etwas zu tun. So werden beispielsweise in Kleingruppen Forstwege abgelaufen und nach Hinweisen auf Wolfspräsenz abgesucht. Wer die Dimensionen der niedersächsischen Forste

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kennt, weiß, wie mühselig und zeitraubend dies alleine wäre. Die Expeditionsteilnehmer werden in den ersten zwei Tagen geschult, z.B. nach welchen Hinweisen wir suchen, wie man sie erkennt, wie das entsprechende Datenblatt ausgefüllt wird oder in der Handhabung eines gps. Dann geht es raus ins Gelände. Funde werden notiert, fotografiert und vom Wolfsberater oder Wissenschaftler begutachtet. Stellt sich ein verwertbarer Fund (Fährte, Losung, etc.) heraus, wird dieser in die Datenbank des niedersächsischen Wolfsmonitorings integriert und abschließend dort von offizieller Seite bewertet. Die Erfahrung solcher Feldeinsätze mit Biosphere Expeditions zeigt, dass so Daten gesammelt werden können, die sonst nicht zur Verfügung stehen würden, schlicht weil niemand sie gesammelt hätte. Dabei ist das Prinzip ganz einfach. Ich führe hier gerne ein Beispiel aus dem Leoparden-Monitoring im Oman an: sechs Personen auf einem schmalen Bergpfad, kaum Vegetation, aber erst Person Nummer fünf hatte die Losung erspäht, die eines der dort vom Aussterben bedrohten Leoparden, wie sich später über die Genetik herausstellte.

Weiterführende Infos zu den gemeinnützigen Wolfs-Expeditionen in Niedersachsen unter www.biosphere-expeditions.org. Unter www.wikiwolves.org organisiert sich ein Netzwerk von Freundinnen und Freunden des Wolfs, die von der Rückkehr des Wolfs betroffene Bauern unterstützen – etwa beim Errichten von Herdenzäunen, beim Bewachen des Viehs oder als Hirten.

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Craft bier fest wien

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Die Craft des Bierbrauens Unser Craft Bier Fest Wien bot mal wieder der optimalen Einstieg in den Ausstieg aus dem simplen Biertrinken.

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ier ist nicht gleich Bier. Das weiß jeder, und trotzdem wird Bier meistens als Industrieprodukt wahrgenommen. Komisch – bei Wein wäre das unvorstellbar. Immer mehr Leute greifen gerne zum handwerklich gebrauten Craft Beer. Bier ist schließlich perfekt geeignet, um in geselliger Runde ein kulturell fest verankertes Genussmittel zum Objekt einer Passion zu erheben. Da kommt das alljährliche Craft Bier Fest von biorama gerade recht, um sich etwas Bier-Expertise anzueignen. Das Craft Bier Fest funktioniert so ähnlich wie eine Weinprobe. Nur ist das Ganze etwas niedrigschwelliger. Man kommt mit Freunden, bezahlt ein Eintrittsgeld und erhält im Gegenzug ein Bierglas. Damit schlendert man an den Ständen von über 70 verschiedenen kleinen Brauereien vorbei, um deren Biere zu probieren. Dabei lässt sich erlernen, die unterschiedlichen Brauarten und Geschmacksrichtungen zu unterscheiden. Wenn man

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vom Craft-Beer-Fieber nicht sofort gepackt wird, ist das auch nicht schlimm. Dann trinkt man eben einfach Bier. Oder man geht etwas essen. Denn ein solides Angebot an Street Food gehört auch zum Craft Bier Fest. Wir bei biorama sind ein bisschen stolz darauf, dass wir mit unseren Craft Bier Festen dazu beitragen, dass handwerkliche und individuelle Biere immer mehr zum Thema werden, auch über die Szene hinaus. Der renommierte Gastro-Kritiker Florian Holzer bescheinigt dem Craft Bier Fest Wien, »von der kleinen Nerd-Veranstaltung in wenigen Jahren zum wesentlichen KulinarikEvent« geworden zu sein. Und davon haben sich am 18. und 19. November mehrere Tausend Besucherinnen und Besucher in der Wiener Marx Halle überzeugt. Vielen Dank! www.craftbierfest.at

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Quinoa

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Erdbeeren kommen auch nicht von hier Der Landwirt Rens Kuijten baute als erster Quinoa in den Niederlanden an. Wie aus einem Eigenbrötler-Projekt ein europäisches Netzwerk wurde.

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Koolen Bergeijk, Shutterstock

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in Food-Trend? »Nein, so würde ich Quinoa nicht bezeichnen«, sagt Rens Kuijten. Der Ernährungsberater und Landwirt wirkt smart, spricht perfektes Englisch und sieht aus wie ein erfolgreicher Unternehmertyp. Er gehört zur neuen Generation von Landwirten, die dem Credo »Masse statt Klasse« mit einem ausgeklügelten Unternehmensmodell zu trotzen scheinen. Und er hat Erfolg. Heute ist er mit seinem Unternehmen, der Dutch Quinoa Group, mit einem ganzen Netzwerk von 40 Landwirten in den Niederlanden vertreten. Er verkauft hochwertiges Bio Quinoa, ohne Einsatz von Pestiziden, und mit dem Fokus auf Regionalität. Sein Quinoa wird lokal verkauft, lange Transportwege seien nicht notwendig und das mache das Ganze auch umweltschonender. Sein Businessmodell? Die 40 Landwirte werden für ein Jahr unter Vertrag genommen. Gleichzeitig werden sie beim Quinoa-Anbau von erfahrenen Landwirten begleitet. Die Bauern erhalten einen festgesetzten Preis für den Quinoa-Ertrag und die Garantie, dass die Dutch Quinoa Group den gesamten Ertrag zu diesem Preis aufkauft. »Hier tragen wir das Risiko für den Preis, da wir erst im Laufe des Jahres wissen, wie er sich entwickeln wird«, sagt Kuijten. Nach der Abnahme wird der Ertrag zur Reinigung gebracht und daraufhin weiterverarbeitet oder an größere Lebensmittelfirmen verkauft. Die

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»Wenn man sich die rasche Expansion von Quinoa in Südamerika ansieht, kann man leider davon ausgehen, dass die Qualität und Kontrolle des Anbaus auf Kosten des Ertrages geht.«

Dutch Quinoa Group arbeitet auch mit Universitäten zusammen, um den Anbau der Pflanze und den Reinigungsprozess weiter zu verbessern. Die Group schult im Ausland andere Firmen ein, die dabei sind, ein komplettes Netzwerk vom Anbau bis zum Verkauf regional aufzubauen. Und das Business stößt bei den Bauern durchaus auf Nachfrage: »Wir haben sogar schon weitere Landwirte auf der Warteliste«, sagt Kuijten. Mittlerweile haben sich Quinoa-Bauern europaweit zur European Quinoa Group zusammengeschlossen. Darunter sind Landwirte in Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, England und Spanien vertreten, die in ihren Ländern das machen, was Kuijten in den Niederlanden eingeführt hat.

Quinoa-Popcorn Neben der Einschulung anderer Landwirte in den Quinoa-Anbau geht es auch darum die ganze Kette am Laufen zu halten. Die Dutch Quinoa Group beliefert Lebensmittelunternehmen, aber auch Geschäfte. Aus dem reinen Quinoa-Business sind mittlerweile eigene Produkte unter der Marke Lola entstanden. Heute gibt es schon Quinoa-Flocken für das Frühstücks-Müsli, geröstetes Quinoa und sogar aufgepufftes Quinoa, eine Art Quinoa-Popcorn, aber auch Quinoa-Waffeln, die aussehen wie Reis-Waffeln. Natürlich habe auch er den aktuellen Trend um Quinoa gespürt. Diesen sieht er aber eher kritisch. »Wenn man sich die rasche Expansion von Quinoa in Südamerika ansieht, kann man leider davon ausgehen, dass der Ertrag auf Kosten der Qualität und Kontrolle des Anbaus geht«, sagt Kuijten. Pestizide, die bei uns verboten sind, kommen dort zum Einsatz, die Produkte landen dann in unseren Supermärkten, so der Quinoa-Bauer. Jährlich werden über 100.000 Tonnen Quinoa geerntet. Die Pflanze passt sich, laut der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (ages), erstaunlich gut an die unterschiedlichsten ökologischen Bedingungen an. Die ages kürte Quinoa im Jahr 2014 sogar zur Pflanze des Monats. Ob wüstenähnliche, trockene Gebiete oder Regionen mit hoher Luftfeuchte: alles ist möglich. Die Böden soll-

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Quinoa

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„Die Menschen vergessen aber oft, dass Erdbeeren und Kartoffeln ihren Ursprung auch in Südamerika haben und irgendwann in Europa kultiviert wurden.“

Landwirt Rens Kuijten europäisiert.

ten aber trotzdem eher locker sein und das Wasser lange halten. Bodenverkrustungen und Verschlämmung wären für den Anbau eher hinderlich, wie die Agentur auf ihrer Seite informiert. Eine gewisse Bodenhöhe ist ebenfalls von Vorteil. In Südamerika wird Quinoa vor allem im August auf Höhenlage der Anden, also auf etwa 2.000 bis 3.000 Meter Höhe, angebaut und das bereits seit 6.000 Jahren. »Quinoa in Europa zu kultivieren ist trotzdem keine leichte Sache«, sagt Kuijten. Es brauche viele Versuche und sei ein nie enden wollender Lernprozess. Unmöglich ist es, wie Kuijten und viele andere Bauern in Europa beweisen, nicht. »Ja, Quinoa stammt zwar ursprünglich aus Südamerika«, sagt Kuijten, »die Menschen vergessen aber oft, dass Erdbeeren und Kartoffeln ihren Ursprung auch in Südamerika haben und irgendwann in Europa kultiviert wurden. Und dasselbe machen wir jetzt mit der Quinoa-Pflanze«. Kuijten beschäftigt sich bereits seit 2001 mit dem Anbau der Pflanze, noch lange bevor der Ernährungshype in Europa losging. Ursprünglich wollte er Quinoa anbauen, um zu sehen, ob man mit dem proteinreichen Produkt Nutztiere verfüttern könne, erzählt Kuijten. »Ich hatte mir damals Gedanken darüber gemacht, wie man die Pflanze für die Fütterung

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von Kühen einsetzen könnte, um die Tiere gesünder zu ernähren und so auch den Menschen bessere Endprodukte zu liefern.«

Von Peru nach Bolivien Er startete seine ersten Anläufe auf einem Ackerfeld seiner Eltern, schnell aber musste er feststellen, dass der Quinoa-Anbau zu teuer war, um ihn an die Tierfütterung zu verkaufen. Zehn Jahre später sollte er die Arbeit am Anbau von Quinoa wieder aufnehmen, diesmal als Qualitäts-Endprodukt für Menschen: »Ich bin, bevor ich einen Neustart wagte, unter anderem nach Bolivien und Peru gereist, um Untersuchungen über den Anbau von Quinoa fortzusetzen«. Warum er sich voll und ganz dem Quinoa widmete? Quinoa trage zur vielfältigen Ernährung bei. Dadurch, dass diese Alternative zu klassischem Getreide so proteinreich ist, könne es Fleischprodukte im Alltag etwas ersetzen und Menschen mit Cholesterinproblemen helfen. Und das sei nur ein Vorteil der Quinoa-Pflanze. Ob er einfach nur mit dem Hype geht? Kuijten lacht: »Um so etwas wie die Dutch Quinoa Group aufzubauen, braucht es Jahre, das macht man nicht von heute auf morgen.« Damit wäre auch diese Frage beantwortet.

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sPEis und trank

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Micky Klemsch

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Bio Austria

WEIL Es EINFaCH BEssEr sCHMECKT Die Bio Gastro Trophy der Bio Austria: Als höchste Auszeichnung für nachhaltige Gastronomie wurde sie 2016 zum zweiten Mal vergeben.

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or wenigen Wochen durfte ich im Rahmen der Bio Österreich Messe in Wieselburg gemeinsam mit Gerti Grabmann, Obfrau der Bio Austria, die besten Bio Gastronomen des Landes auszeichnen. Mit einem Team von Testerinnen haben wir über mehrere Monate sämtliche Gastronomie-Partner der Bio Austria besucht und deren Angebot getestet. Am Foodblog www.richtiggutessen. at wurden die Lokale und die Caterer vorgestellt und bewertet. Seit dem letzten Jahr hat sich einiges getan. Auch die Agrarmarkt Austria (ama) hat sich für 2016 die Bio-Gastronomie zum Thema gemacht. Diverse österreichische Bio-Gastronomiebetriebe kann man nun auch über die Seite bioinfo.at finden. Die Mitglieder der neugegründeten Interessensgemeinschaft Die BioWirtinnen sind um einige prominente Betriebe gewachsen. Auch die Industrie unterstützt die Bewegung verstärkt, so konnten heuer erstmals Unternehmen wie Transgourmet oder Sonnentor gewonnen werden, um die Bio Gastro Trophy zu unterstützen. In den urbanen Zentren setzen neue, junge Betriebe immer mehr auf Bioqualität. Nicht immer zertifiziert, was natürlich zur Verunsicherung der Konsumenten führen kann. Für die Bio Gastro Trophy müssen die Teilnehmer nachweislich zertifiziert sein. Der Bewertung liegen aber noch zahlreiche andere Kritierien zu Grunde. Basis sind natürlich die klassischen Punkte, die auch bei konventionellen Gastrokritiken zum Einsatz kommen: Geschmack, Preis/ Leistung, Auswahl, Ambiente und Kompetenz/Freundlichkeit. Bei uns geht es aber noch einige Schritte wei-

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ter: Transparenz in den verwendeten Produkten, Soziales Engagement, Eigenversorgung, Regionalität und Saisonalität bei den angebotenen Speisen. Dabei wird es den Testern nicht immer leicht gemacht: Es wird nur in zwei Kategorien – Stationäre und mobile Gastronomie – unterteilt. Letzteres beinhaltet StreetfoodTrucks, Catering und Essenszustellung. Nun fällt es natürlich besonders schwer, Betriebe in der stationären Gastronomie zu vergleichen. Ein Deli mit zwei Mittagsgerichten gegenüber einem Haubenrestaurant in einem Bio-Hotel? Ein kultiger Burgerladen gegenüber einem veganen Spitzenrestaurant? Die fünfköpfige Jury, die an Hand der Tests, eigener Erfahrung und Aussagen des Bio Austria Qualitätsmanagments zu entscheiden hatte, machte es sich da nicht leicht. Schlussendlich fiel die Wahl auf zwei Betriebe, die nur 100 % Bioqualität auf ihre Karte lassen. In der klassischen Gastronomie konnte der oberösterreichische Köglerhof die holzgeschnitzte Trophäe mit heim nach Großamberg nehmen. Für jahrelanges Engagement für Bioqualität bei Großveranstaltungen wurde in der Kategorie mobile Gastronomie die Chefpartie geehrt. Aus der Großküche in Zell am See werden Veranstaltungen wie das Münchner Tollwood oder die Karate-WM in Linz mit Bioküche versorgt. Erstmals gab es auch eine Gästewertung, die über Gewinnkarten und ein Online-Voting funktionierte: Am meisten Unterstützung von ihren zahlreichen Gästen bekamen da Gunda und Klaus Dutzler vom Gasthaus Seebauer am Gleinkersee. So wie auch all ihre Gäste sind sich sämtliche Gastronomen sicher, als Biowirte nicht nur der Umwelt zu dienen, sondern auch geschmacklich das beste Angebot zu haben.

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70 Musikinspirierte Weine oder doch weininspirierte Musik?

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ZArTe TÖne, vOLLeS vOLuMen

Sarah

Jürgen

Wein und Musik stiften nicht selten zum Philosophieren an. Etwa über die Frage, ob sich Günther Schönberger und Jay Z gut verstehen würden. Musikalisch liegen die Kultband des Ex-eav-Saxofonisten und der US-Rapper nicht gerade auf derselben Wellenlänge, wohl aber, was die No-Bullshit-Philosophie im eigenen Metier angeht. Der eine verleiht ihr im Song »Death of Autotune« Ausdruck und versetzt damit der automatischen Tonhöhenkorrektur, die seit den 70ern Stimmen glattbügelt und verfremdet, den Todesstoß. Der andere lässt seine Charakterweine ein Loblied auf den biodynamischen Weinbau und die besonders schonende Handhabe der Trauben singen. Der Blaufränkisch Lehmgrube 2012 wird wie alle Weine mit Ente am Etikett spontan vergoren und ungetuned, sprich ungeschönt, unfiltriert und ohne Zusatzstoffe in Holzfässern gereift. Er darf seine naturgegebene Stimme behalten und so glockenklar vom knapp 50 Jahre alten Weingarten in Mörbisch am Neusiedlersee und dem »sechsten Sinn« erzählen. Als solchen bezeichnet Sohn Jakob gerne die zusätzliche Komponente, die nur Demeter einem Wein beisteuern könne. Ein saftiger Sortenvertreter mit ausgeprägter, kräutrig unterlegter Frucht, feinkörnigem Tannin und frischer Säure, bei dem auch ein zweites oder drittes Glas mehr als gut klingt.

Von Noten sprechen wir bei beidem. Meinen tun wir natürlich etwas anderes. Oder doch nicht? Es ist ein paar Jahre her, da hat ein junger Winzer vom Eisenberg die beiden Welten – Wein und Musik – auf ein Etikett gebracht. Betonung auf ein Etikett. Der Wein hieß »Feine Töne« und war ein extrem eleganter, feingliedriger Blaufränkisch mit wenig Alkohol und einer Finesse, die sich anfühlte wie die Sarabande einer Cello-Suite von Bach. Am Etikett waren auch ein paar Musiknoten zu erkennen. Sarah schlug das Thema vor und empfiehlt mir auch gleich einen Wein dazu. Anderer Wein, andere Musik. Ganz anders – und ich meine ganz anders. Der Wein kommt aus Sizilien, Weingut Vini Campisi, heisst Halleluja und ist ein Syrah für die Bucketlist. Extrem jugendlich, sogar ein wenig rebellisch und ruppig. Aber der sagenhaft kräftige Duft nach kühlen Kräutern und fleischiger Frucht zeigt, wo die Reise des Halleluja hingehen wird. Der Wein ist kompakt, dicht und hat trotzdem einen enorm hohen Trinkspaßfaktor. Ein wuchtiger Freudenspender, richtig reif aber erst in drei oder vier Jahren. Der Bezug zur Musik? Marcin Öz ist ShowbizDeserteur. Komplettaussteiger. Bevor er Winzer wurde, tourte er als Bassist mit seiner Band The Whitest Boy Alive durch die Clubs. Ihr Plattenlabel hieß übrigens Bubbles. Nimm es als Zeichen, Marcin. Wir wollen endlich einen ordentlichen Schaumwein aus Sizilien.

Woraus? Zalto Denk’Art Bordeaux. Wozu? Otis Redding, auf Schallplatte. Mit wem? Dem Chef vom Vinyl-Laden des Vertrauens – dann klappt’s auch mit dem Musikpairing .

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Woraus? Chianti-Glas. Also eh das Standardweinglas. Wozu? Nicht zur Musik von The Whitest Boy Alive. Die ist nicht auszuhalten. Gianmaria Testa, Paolo Conte – sowas in der Art. Mit wem? Mit den alten Fischern von Siracusa. Weil mich ihre Geschichten schon fasziniert haben, als ich noch ein kleiner Bub war.

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das OrangenKekserl Backt mit und für viele ist die Devise, denn gemeinsam ist das Leben ein Zuckerschlecken. Das gegenständische Kekserl stammt – woher wohl? – na wieder von der Omama und es ist das beste Kekserl, dass sich weit und breit in unsrem Zuckergoscherl finden lässt.

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Anna Zora und Esa Lotte

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sa’s Traudel-Oma, die am Fuße des Grazer Hausbergs Schöckel residiert, beschenkt ihre Kinder zu jedem Geburtstag damit. An Weihnachten kommt dann auch der Rest der Sippe zum Zug. Das Orangenkekserl ist so heilig, dass die Dose immer nur kurz geöffnet werden darf und man vor dem Verzehr das Kekserl huldig dankend Richtung Schöckel hebt. Zutaten: 250 Gramm Butter, 90 Gramm feiner brauner Zucker, 90 Gramm Staubzucker, 2 Eigelb, 3 ganze Eier, Prise Salz, 2 Teelöfferl Orangenpulver extra fein, 1 Teelöfferl Zitronenpulver extra fein, 1 Teelöfferl Vanille-Puderzucker, 300 Gramm glattes Mehl, Bitterorangen-Marmelade Kuvertüre. Und nun ans Werk. Alle Zutaten müssen bedingungslos zimmerwarm sein. Sie werden nach der Reihe mit Ruhe und Gespür zu einem Teig gemixt. Je kleiner die beigemengten Portionen, desto besser. Das Mehl kommt ganz zum Schluss dazu. Das Backrohr darf auf 170 Grad Umluft vorheizen. Mit der Teigspritze werden die Kekse in gezwirbelten Pyramiden aufs Backpapier platziert. Obacht: Abstand lassen – die Sache verläuft sich zu perfekten Kreisen. 5-10 Minuten ins Rohr damit, bis die Kreise goldig sind. Extra-Clou: wenn ihr länger braucht, lieber zwischenzeitlich mit dem Mixer Aufruhr schaffen und nie direkt auf das heiße Blech spritzen! Die ausgekühlten Kekse gehen dann auf Partnersuche nach der symmetrischen zweiten Hälfte und werden mit Hilfe von Orangenmarmelade vereint. Dann die Kuvertüre erwärmen und Kekse eintauchen. Die Orangenkekse halten sich gut. Sie werden sogar besser, je länger man sie in der Dose ‘abliegen’ lässt – Oma gibt ihnen immer ein bis zwei Wochen zum Reifen. Weitere Details & Feinheiten gibt’s online auf eingebrocktundausgeloeffelt.com

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MarktPlatZ kosMEtik

74 1 // absCHalten Der Duft von Lavendel ist für seine beruhigende Wirkung bekannt, außerdem wirkt die blau-violette Farbe des Badewassers stimmungsausgleichend. Das »Lavendel Entspannungsbad« von Weleda darf in keinem Badezimmer fehlen und lässt den Stress der Vorweihnachtszeit einfach verschwinden. Die Essenz fördert außerdem einen gesunden Schlaf. natrue-zertifiziert. weleda.at

2 // WannentrÄuMe

aBTaUCHEN Endlich Winter und Zeit für ausgiebige Badewannen-Rituale. Ob Erkältung, Entspannung oder Luxuspflege – in den Naturkosmetik-Regalen findet man für jedes Bedürfnis den passenden Badezusatz.

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ereits das Einlassen eines Bades beruhigt die Sinne und lässt uns wieder zur Ruhe kommen. Diese Art der Hydrotherapie (darunter versteht man Anwendungen mit warmem und kaltem Wasser) läuft in den ungemütlichen Wintermonaten Duschen den Rang ab. Kein Wunder, ist es nach einem anstrengenden Arbeitstag eine gute Möglichkeit, sich zu entspannen und abzuschalten. Doch auch beim Baden gibt es einige Regeln zu beachten, denn das heiße Wasser greift die Lipidschutzschicht der Haut an und kann diese in weiterer Folge austrocknen. Die ideale Badetemperatur sollte deshalb maximal zwei Grad über der eigenen Körpertemperatur liegen. Grundsätzlich gilt, nicht öfter als zweimal pro Woche für höchstens 15 Minuten in die Wanne zu steigen. Tip: Haarkuren oder Gesichtsmasken werden jetzt besonders gut aufgenommen und durch den Thermo-Effekt verstärkt. Bei den hier vorgestellten Badezusätzen ist für jeden garantiert das Richtige dabei.

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Häufiges Baden kann die Haut im Winter zusätzlich strapazieren. In die vegane »Bademilch« von PonyHütchen,, die in einer kleinen Manufaktur in der Schweiz noch per Hand hergestellt wird, möchten wir jedoch am liebsten jeden Tag abtauchen, weil sie mit Kokosmilchpulver und Mandelöl verwöhnt und ein samtweiches Hautgefühl hinterlässt. Gibt es in drei verschiedenen Duftrichtungen. ponyhuetchen.com

3 // KÄltesCHutZ Wenn man sich bereits im Mai auf Oktober freut hängt das damit zusammen, dass dann das »Wind und Wetter Bad« von Dr. Hauschka wieder erhältlich ist. Das ätherische Fichtennadelöl unterstützt die Durchblutung der Haut und wärmt in Kombination mit dem heißen Badewasser intensiv und langanhaltend. Das harzige Aroma eignet sich auch als erfrischender Raumduft. bdih- und natrue-zertifiziert. dr.hauschka.com

4 // luXuriÖses badeVergnÜgen Ein ganz besonderes Badeerlebnis garantiert das »Cleopatra s Milk Bath« von The Organic Pharmacy. Die ägyptische Pharaonin schätzte die wohltuende und pflegende Wirkung von Milch als Schönheitselixir. Der sinnliche Badezusatz aus organischer Milch, Rosenblütenblätter und essenziellen Ölen aus Jasmin, Ylang-Ylang und Rosen verspricht ein unvergessliches Spa-Erlebnis für zuhause. greenglam.de

5 // aroMa-tHeraPie Das »Aroma-Bad« von Saint Clouds wirbt mit dem Slogan »I want you naked«. Der Name ist Programm, denn in den von Hand gefertigten Produkten aus München stecken ausschließlich natürliche Blüten- und Kräuter-Mischungen, die im warmen Wasser ihre Duftund Wirkstoffe entfalten. Derzeit stehen drei Bäder zur Auswahl (aktivierend, entgiftend oder beruhigend). saint-clouds.com

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Sylvia Buchacher

Christoph Adamek

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6 // ÖlQuelle Das »Ölbad Winter« von Susanne Kaufmann ist mit seiner samtigen Konsistenz und dem angenehmen Duft nach Zimt, Nelken und Orangen ein Liebling der Redaktion. Den Alltag einfach für 10 bis 20 Minuten hinter sich lassen. Es gibt nichts Besseres nach einem nasskalten Wintertag. susannekaufmann.com

7 // ÖlQuelle

»aPHrodisierendes badesalZ«

Mit reinsten Aromaölen aus wärmenden Orangenblüten- und würzigem Zimtduft entführt das pflegende »Winter-Wonderland Badesalz« von Saint Charles in eine weihnachtliche Zeit ohne Stress und Hektik. Die ätherischen Öle fördern Ruhe und Gelassenheit. Was jetzt noch fehlt, sind frisch gebackene Kekse und eine Tasse Tee - dann ist das Glück perfekt saint-charles.eu

500 Gramm Meersalz in eine Schüssel geben. Anschließend drei Tropfen Sandelholzöl, zwei Tropfen Jasminöl, einen Tropfen Ylang-Ylang-Öl und einen Tropfen Rosenöl darüber träufeln und mit einer Gabel gut vermischen. Darauf achten, dass sich keine Klümpchen bilden. Das Badesalz in ein Schraubglas abfüllen und innerhalb von ein paar Wochen verbrauchen. (quelle: beautybad.de)

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HOT POT sPOT 3

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Noch vor wenigen Wochen, die Standler auf den Weihnachtsmärkten zimmerten gerade ihre Hütten fertig, hatten wir knapp 20 Grad. Ich hatte das Vergnügen, einen der ersten Tage am Salzburger Christkindlmarkt am Domplatz zu erleben.

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Jürgen Schmücking

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Michael Mickl

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eihnachtliche Stimmung wollte sich bei diesen Temperaturen nicht einstellen. Leichte Blusen und kurze Leiberl. Ein gekühltes Stiegl und nicht einmal ansatzweise war an Punsch, Glühwein oder Jagatee zu denken. Die Kessel dampften einsam, und die Standler kochten vor Wut. Zum Glück ist jetzt alles anders. Schnee ist zwar noch immer keiner da, aber die Temperaturen rechtfertigen, dass wir trinken, was uns zusteht. In der Adventzeit rauchen die Tassen. Das haben wir uns verdient. Mittlerweile sind es Rauchzeichen der Vielfalt. Neben den genannten Klassikern verführen uns fruchtige Glühmoste, alter Grogg, heisse Biere und Fruchtpunsch bis zum Handtuchwerfen. Die Qualität der angebotenen

Seelenwärmer schwankt wie die raue See. Richtig guten Stoff bekommt man etwa an den Bio-Weihnachtsmärkten und –ständen, von denen es zum Glück immer mehr gibt. Wer sich das Gefühl gönnen möchte, ohne gleich in den Strom der Punschpilger einzusteigen, bekommt hier ein paar Tipps für den heimischen Herd. Zur Not den/die Liebste(n) einfach auf die Terrasse oder den Balkon entführen und mit einer heissen Tasse überraschen. Aber Achtung: Heiße Schokolade (mit etwas Chili und Honig) gilt zwar als aphrodisierend, führt bei übermäßigem Genuss aber eher zu Herzrasen und Schweissausbruch (und verkehrt die Intention in ihr Gegenteil).

1 // Heisser HirsCH

terpunsch mit Noten von Brombeere, Kirsche, Lindenblüten, der deftigen Aronia, der milden Holunderblüte und etwas Honig. Heiß gemacht mit Abstand der spannendste Fruchtdrink in den Bio-Regalen. www.rotbaeckchen.de

Er heißt heißer Hirsch. Es gibt ihn in rot und weiss. In normalen Flaschen (also den 0,75 l – Weinflaschen) und im großen Tetra-Pack. Beim Wein heisst das BagIn-Box, fasst 10 Liter und ist damit eine solide Basis für jede Weihnachtsfeier. Der rote Hirsch wird aus Merlot gemacht, der weiße aus Airen (das ist so etwas wie der Müller-Thurgau Spaniens), beide verfeinert mit einer Reihe winterlicher Gewürze von Anis bis Zimt. Auch als (alkoholfreier) Fruchtpunsch für vorpubertäre Adventfeiern zu haben. www.heisser-hirsch.de

2 // neuMarKter laMMsbrÄu, Winterfestbier Das Winterfestbier der Neumarkter Brauerei ist seit Jahren ein Fixpunkt am weihnachtlichen Bierhimmel. Das Bier ist etwas stärker eingebraut (und damit auch etwas kräftiger im Alkohol), leuchtet Orange und hat einen cremig-duftigen Schaum. Außerdem riecht es nach gedörrten Zwetschken, Waldhonig und Malzkaramellen. Man kann es, muss es aber nicht heiß trinken. Das Winterfestbier überzeugt eiskalt genauso wie brennheiß. www.lammsbraeu.de

3 // rotbÄCKCHen WinterbÄCKCHen PunsCH Die meisten Fruchtpunsche sind für Kinder gänzlich ungeeignet, weil sie außer süß und aromatisiert eigentlich gar nichts sind. Rabenhorst macht das schon seit langer Zeit anders. Besser. Auf Basis von hochwertigem Apfel- und Traubensaft entsteht ein ausgewogener Win-

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4 // CuPPer leMon ginger infusion tee Eigentlich ist Lemon’ und Ginger’ ein kleiner Widerspruch in sich. Das Zitrusfrische im Tee erfrischt. Sogar, wenn er richtig heiß serviert wird, spürt man fast eine kühle Brise am Gaumen. Und der Zitrusduft erinnert eher an die Strände von Amalfi als an eine winterliche Rodelbahn. Aber da ist ja noch der Ingwer. Der wärmt. Im Cupper Infusion Tee so deutlich, dass es den Gaumen verwirrt. Allerdings ist die Verwirrung eine sehr spannende. Und über die Maßen köstliche. www.cupper-teas.de

5 // Zotter, trinKsCHoKolade Variation KlassiK Wenn wir über Schokolade sprechen, sprechen wir in Österreich unweigerlich vom Sepp Zotter. Man kann über seine Kreationen denken, wie man will (manche sind spannend, viele sind gut, einige sind legendär), aber Sepp hat für die Schokolade in Österreich mehr gemacht, als mancher Volksvertreter für sein Volk. Seine Trinkschokoladen – allen voran die Variation Klassik – kann man sich schütteln oder rühren. Rühren dauert ein bisserl länger, ist dafür aber atemberaubend cremig und flasht unglaublich. www.zotter.at

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EltErnalltag / Ursel Nendzig

Wie so ein kleiner Nager mich in Bedrängnis brachte. Nicht nur, weil er uns ärgerte. Sondern, weil er einfache Fragen aufwarf, die komischerweise keine einfache Antworten haben.

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illuStRAtiOn Nana Mandl

aUs die MAuS

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ir haben eine Maus getötet. Erst war da das Getrippel und Getrappel, das, sacht und irgendwie niedlich, auf eine kleine herzige, arme und vermutlich frierende Maus hindeutete. Und das sich kurz später in das Gefühl wandelte, dass da mindestens acht Mäuse oder eventuell sogar mutierte Riesensiebenschläfer den gesamten Dachstuhl abtrugen. Nix herzig, nix nen rühren (wie mich). Aber sie waniedlich, auch nicht irgendwie. Da war nur noch ren zu sehr damit beschäftigt, sich zu blanker Hass, das Tier oder wir, Mann gegen Maus, überlegen, ob man die Falle wieder öffvier gegen Siebenschläfer. Also wurde unter penen und die Maus nochmal töten könnibler Beobachtung der Söhne eine Falle aufgene. (Ich hoffe nur, das ist therapierbar!) stellt. Die lange Diskussion, was denn so einer Tagelang war unsere Maus, unsere tote Maus schmecken würde, dann die EntscheiMaus, die Ex-Maus, das Thema. Jedem wurde, gefragt oder ungefragt, davon bedung: Knackwurst. Jeder mag Knackwurst. Also spannten wir die Wurstfalle und stellten sie auf richtet, sie überschlugen sich dabei, fielen den Dachboden. Nächster Morgen, kaum ein sich gegenseitig ins Wort und überboten sich mit der Darstellung von KörperhalAuge auf, will der kleine Sohn sofort nachsehen, todesmutig. Sein Bericht, den er uns vom tung, Augenverdrehung und sogar Röcheloberen Ende der Dachbodentreppe zurief: geräuschen der toten Maus. Irgendwann »Knackwurst weg, Falle gespannt und sie war das Thema dann auch durch, dachte ich hat hingekackt.« Alles klar, die Maus wollte mir zumindest. Bis heute Morgen, noch im Bett. »Hat die Maus ein Baby gehabt?« »Öh. den totalen Krieg. Es war eine Art Kalter Krieg, bei dem uns, auf der einen Seite der Weiß ich nicht. Glaube nicht.« »Die Maus war Mauer, das Trippeln langsam die Nerauch einmal ein Baby. Und ich war auch einmal venbahnen freilegte. Und die Maus, auf ein Baby.« Schluck. »Und davor war ich in deinem Bauch.« »Äh, ja.« »Und dann bin ich rausihrer Seite der Mauer, ihr Spielchen mit uns trieb. Der Bericht des kleinen Sohgekommen. Aus der Scheide.« »Genau.« Kurzes nes änderte sich an keinem Morgen: Schweigen. »Und wie bin ich hineingekommen?« Wurst / Käse / Brot weg, hingekackt. Jössas. Vor dem ersten Kaffee. Und gerade als Bis zu dem einen Tag, an dem er rief: ich anfangen wollte zu erklären, von Samen und »Die Maus ist drin!« Ja, da lag sie, die Eizellen und Einpflanzen und Wachsen, da hörErdnuss brachte ihr das Verhängnis, ten wir es. Es trippelte wieder. Und noch bevor die mausetot. Ich war bereit für tröstenDankbarkeit für die Unterbrechung zu Mitleid mit der kleinen Maus, die auch einmal ein Baby war, de Worte, sicher in der Annahme, der Anblick eines toten, schnuffigen heranwachsen konnte, wurde es von meiner eigenen Felltiers würde die Söhne zu TräMordlust niedergerungen.

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die welt, die wir uns wünschen

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von wolfgang smejkal

Wasserwiederverwendung Vor allem für Landwirtschaft und Pflanzenzucht werden grosse Mengen an Wasser benötigt. Kluge Methoden der Aufbereitung und Wiederverwendung von Wasser sind daher ein lohnender Forschungsgegenstand.

Wasser wird in vielen Bereichen unserer Erde zu einem knappen Gut. Regionale Konkurrenzen um die Ressource sind keine Seltenheit. Durch Klimawandel, Urbanisierung und Verschmutzung könnten sich die Nutzungskonflikte in den nächsten Jahrzehnten noch verschärfen. Deshalb werden neue technische Verfahren für die Wasseraufbereitung und Wasserwiederverwendung benötigt. Will man der demografischen Entwicklung gerecht werden, müssen jetzt in großem Umfang neue Trinkwasser- bzw. Abwasseranlagen sowie sanitäre Einrich-

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tungen gebaut werden – in beinahe allen Teilen der Welt. Im Etosha-Becken im Norden Namibias beispielsweise sind natürliche Wasserquellen seit jeher knapp. Hier ist die Bevölkerung besonders stark von klimatischen Extremen wie Überschwemmungen und anhaltenden Trockenperioden betroffen. Im deutsch-namibischen Forschungs- und Entwicklungsprojekt »CuveWaters« ist es in enger Zusammenarbeit von Wissenschaft und Bevölkerung gelungen, Lösungen für eine nachhaltige Wasserver- und -entsorgung zu entwickeln und umzusetzen. Anlagen für Regenwassersammlung und Flutwasserspeicherung stellen Nutzwasser für die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen zur Verfügung. Eine Innovation für diese Region: Familien können inzwischen ganzjährig Gemüse anbauen und auf lokalen Märkten verkaufen. Im Zuge des Projekts ist aber auch ein neuartiges energieeffizientes Sanitär- und Abwasserkonzept mit anschließender Wasserwiederverwendung entstanden. Etwa 1.500 Bewohner der Region, meist aus einkommensschwachen Haushalten, können bereits Waschhäuser, Duschen und Toiletten aus dem System nutzen. Aus dem Abwasser wird nicht nur nährstoffhaltiges Brauchwasser für die Feldbewässerung gewonnen, sondern auch Biogas für die Strom- und Wärmeerzeugung. »Cuve Waters« ist somit Blaupause für andere sogenannte semiaride Regionen der Erde.

Pilotanlagen in Wolfsburg und New Jersey Doch nicht nur die Länder des globalen Südens stehen vor erheblichen Herausforderungen am Wassersektor, auch die meisten Industrieländer kämpfen mit veralteten Infrastrukturen. Besonders in wasserarmen Regionen beansprucht die landwirtschaftliche Produk-

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tion nicht selten den Großteil des vorhandenen Wassers. Große Mengen der knappen Ressource verdunsten dabei oder versickern in der Erde. Neue Technologien für die Abwasserwiederverwendung spielen auch hier eine große Rolle. Das deutsche Forschungsprojekt »HypoWave« in der Nähe von Wolfsburg untersucht derzeit ein wassersparendes Konzept für die Landwirtschaft. Das Projekt bedient sich des Prinzips der hydroponischen Pflanzenproduktion. Ähnlich wie bei der Hydrokultur, die man von Zimmerpflanzen kennt, werden dabei Pflanzen nicht in Erde, sondern in einem anorganischen Substrat gehalten und mit einer Wasserlösung ernährt. Dazu soll kommunales Abwasser in Kläranlagen speziell so aufbereitet werden, dass die Pflanzen optimal versorgt werden. Hierbei werden organische Verunreinigungen in den Energieträger Biogas umgewandelt, während die Nährstoffe, die als Dünger für die Pflanzen im hydroponischen System notwendig sind, erhalten bleiben. Die abwassertechnische Innovation besteht darin, die Aufbereitung des Bewässerungswassers gezielt auf die Nährstoffverwertung der Pflanzen auszurichten. Gleichzeitig garantiert die angepasste Abwasseraufbereitung eine hohe Produktqualität, die weitgehend frei von Schwermetallen, organischen Spurenstoffen oder pathogenen Keimen ist. Neben dem erstmaligen Einsatz einer biologisch abbaubaren Folie zur Verringerung der Wasserverdunstung oberhalb des Wurzelraumes der Pflanzen sollen außerdem die technischen Abläufe, die Pflanzenproduktion, die Wirtschaftlichkeit der Anlage sowie die Qualität der erzeugten Produkte untersucht werden. Konkret wollen die Forscher herausfinden, ob sich in einer solchen Anlage qualitativ hochwertige Nahrungsmittel produzieren lassen und ob ein wirtschaftlicher Betrieb möglich ist. Praktiziert wird

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die hydroponische Anbautechnik bereits von AeroFarms in New Jersey. In der weltweit größten vertikalen Farm werden in einem alten Stahlwerk jährlich 1.000 Tonnen Blattgemüse geerntet. Auf einer Fläche von 6.500 m2 sind in 24 Meter hohen Türmen Setzkästen übereinander gestapelt, die nicht nur platzsparend sind, sondern auch Aeroponik-Technik einsetzen. Die freiliegenden Wurzeln werden zusätzlich von Ultraschallzerstäubern mit einer Lösung aus Wasser und Nährstoffen benetzt. Dabei wird 95 Prozent weniger Wasser eingesetzt als in der Feldwirtschaft und 40 Prozent weniger als bei Hydrokulturen. Aeroponik setzt zudem keine Pestizide ein und 50 Prozent weniger Düngemittel als herkömmliche Methoden. Wenn die Wasserqualität gehalten werden soll, wird es darauf ankommen, auf den konkreten Bedarf abgestimmte Systemlösungen im Wassersektor zu entwickeln. Die Pflanzenproduktion und die Wiederaufbereitung von Abwasser miteinander zu verbinden, ist nur eine davon. Das Konzept der integrierten Systemlösungen geht weit über die herkömmliche Kombination einzelner Komponenten hinaus: Mit dem Ziel einer ressourcenschonenden Bereitstellung von Wasser werden sie flexibel an die jeweiligen ökonomischen wie ökologischen Bedingungen angepasst. Dabei wird nicht für alle Zwecke Trinkwasser verwendet, sondern für unterschiedliche Bedarfe werden verschiedene Qualitäten aufbereiteten Wassers zur Verfügung gestellt. Die Wiederverwendung von Wasser in der Landwirtschaft könnte wesentlich zur Entschärfung von Nutzungskonflikten rund um die Ressource Wasser beitragen. Das Forschungsprojekt »HypoWave« liefert einen neuen Ansatz dazu.

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biss ZuM EndE / Sina Trinkwalder

3x täglich Ugali-Brei und Milch geben Kraft, die man für harte Arbeitstage auf Tansanias Baumwollfarmen benötigt. An solchen Tagen bin ich froh über den Abend, der mit der Familie under dem Dem Neem-Tree verbracht wird.

illuStRAtiOn Nina Hübner

rEINHEITsGEBOT FÜr DIE KUH!

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ls ich das letzte Mal wieder nach Hause kehrte, war Weihnachtszeit. Wir verbringen den Abend Käufer gefunden hat, geht in in diesen festlichen Tagen ebenfalls oft mit der besten Fall noch an caritative Familie. Vor dem Baum. Der Nordmann-Tanne. Unter dem Baum: Geschenke. Ein kurzes Seufzen entEinrichtungen. Im perversesten glitt meinen Lippen, da diese Situation sinnbildlich war: Fall? Es wird verheizt. Manch ein Großbäcker kommuniziert Das Wichtigste ist unterm Baum. Während wir in Eudas Verfeuern der Altbrote vom ropa unter dem Baum Konsumgüter, mehr oder weniVortrag, durch deren Energiegeger hübsch verpackt, finden, trifft man in Afrika dort winn er die neuen Brötchen backt, auf den engsten Familienkreis, auf Menschen. Noch als »innovative Energierückgewindeutlicher wurde der Unterschied zwischen Afrika nung«. Dagegen ist die Überschussund Augsburg für mich, als ich über meine eigenen körperlichen Zipperlein zu sinnieren begann. In Tanvermarktung von Bioverbands-Milch sania schmerzt mir ausdauernd der Rücken, wenn geradezu anständig, wenngleich Konich unterm Baum sitze. Vom vielen körperlichen sumentenfairarsche: das weiße Gold Arbeiten. In Augsburg hingegen spannt mir allengeht ohne Label wie »bioland« oder falls der Ranzen, wenn ich vor dem Baum sitze. »demeter« als »egbio«-Milch den Weg Vom ausgiebigen Völlen. Schließlich herrscht in ins Discounter-Regal. »Immerhin schütmeinen heimischen Breitengraden alles andere ten wir sie nicht weg!«, sagte ein Bauer als kulinarische Überschaubarkeit. Menge und vor Kurzem zu mir, während wir in eiVielfalt an Essen überfüllt seinen Zweck. Es gibt ner Runde von Agrarökonomen standen. von allem viel zu viel. Und das verspeisen wir »Produziert doch weniger!«, entgegnete dann auch. Sollte etwas übrig bleiben, wird es ich. »Wie stellst du dir das denn vor, Mädachtlos weggeworfen. Schließlich versorgen chen? Tiere töten?«, fragte der Landwirt unsere Lebensmittelhändler uns täglich mit mich. Ich hatte keine Antwort. Dafür mein allem, was wir brauchen und wonach es uns Nebenmann, ebenfalls Bauer. »Seid ehrlich, gelüstet. Und wir kaufen es. Es ist das ganz wir könnten schon. Würden wir aufhören, normale Konsumentenverhalten in einer unseren Viehern das Kraftfutter zu geben und nur noch verfüttern, was auf der Wiese Wohlstandsgesellschaft, die geprägt wurde wächst, käme wesentlich weniger Milch herdurch den Überschuss der Wirtschaft. Die Butterberge und Milchseen der Siebziger aus.« Es ginge also, das Zurückbauen zum wedes vergangenen Jahrhunderts waren erst niger, aber besser. Es wäre möglich: qualitatives der Beginn einer Rohstoffvergeudung unWachstum statt quantitatives. Es könnte funktigeahnten Ausmaßes. Bis heute wird auf onieren, irgendwann auch in Augsburg wieder maximaler Höchstleistung produziert, ein Glas Milch zu bekommen, das wie in Tansania um in einem verdrängenden Wettbeschmeckt. »Man bräuchte ein Reinheitsgebot für werb den Kampf um den Verbraucher die Kuh, dann ginge es!«, lachte der eine Bauer. Der zu gewinnen. Trotz Ladenschluss um andere entgegnete: »Na, ma braucht nur an Glauben 20 Uhr werden die letzten »ofenfrian die Zukunft und an Respekt für die Rohstoffe!« schen« Tiefkühlteiglinge um 19.45 Mein Vorsatz für 2017? Ich glaube an eine Zukunft Uhr in das Backrohr geschoben, damit mehr Respekt für Mensch, Tier und Umwelt. mit der letzte Kunde ebenfalls ein Festzustellen, dass es mit mehr Wertschätzung, eiknuspriges Sounderlebnis beim nem sorgsameren Umgang von Rohstoffen und einem ersten Biss in seine Semmel hat. rücksichtsvollen Miteinander einfach besser geht, ist Was nach Ladenschluss keinen sicherlich nicht nur »bauernschlau«.

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Folge uns Fünf umweltschädigende Inhaltsstoffe in Kosmetik Von Julia Keith in Naturkosmetik

2 Kommentare

Es gibt eine ganze Reihe an Gründen, weshalb ich lieber Naturkosmetik als konventionelle Kosmetik verwende. Auf einen Grund möchte ich heute genauer eingehen: Mein Ziel ist es, möglichst auf Inhaltsstoffe zu verzichten, die der Umwelt schaden. Diese Belastung kann dabei vom Herstellungsprozess bis hin zur Abbaubarkeit des Rohstoffs reichen. In zertifizierter Naturkosmetik sind solche Stoffe nicht erlaubt, sie lassen sich jedoch oft in konventionellen Produkten finden. Glücklicherweise gibt es bereits eine ganze Reihe an naturkosmetischen Alternativen, die statt dieser umweltschädigenden Stoffe eingesetzt werden können und deutlich verträglicher sind – auch für den Menschen. Denn wie sage ich immer: Was der Umwelt nicht gut tut, kann auch für mich als Mensch nichts sein.

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