Biorama #12

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ausgabe 12 — oktober 2010. www.biorama.eu — www.facebook.com/biorama

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Schöne neue Kuhstallwelt: Das Hochleistungs-Rind als kapitalistischer Vorreiter

Gebrüder Stitch: Denim für ehrliche Hintern Club Benefactum: Das Fürstentum Liechtenstein als Zukunfts-Labor Fleischersatz: Veganes Vleisch im Test


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dynamowien | foto: viennale

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Biorama Nº. 12

start

05 Editorial 06 Global Village Die Welt im Großen und Kleinen

inhalt

Cover

10 Der mit der Kuh tanzt Bernhard Kathan über seinen grotesken Essay »Schöne neue Kuhstallwelt«. 16 Schöne Lily Wie das Jersey-Rind für einen ganzen Inselstaat identitätsstiftend ist. 18 Foto-Reportage Die Alm als Zeitkapsel, fest­ gehalten von Johannes Hloch

die alm als zeitkapsel .

Viele Städter sind über die Sommermonate Senner. Der Fotograf Johannes Hloch hat Mensch und Tier auf der schweizerischen Hobach Alm portraitiert. Auf 2.000 Metern lebt es sich hier ( fast) wie vor hundert Jahren.

Magazin

26 Ehrliche Haut Die Gebrüder Stitch machen Ökojeans für ehrliche Hintern. 40 Die Welt, die wir uns wünschen Der Club Benefactum als Think-Tank für ein besseres Leben. 42 Marktplatz Produkte, die nachhaltig begeistern: Mode und Kosmetik 46 Very Strange Cargo Eine Film-Doku über Container zeigt die Wege des Kapitalismus.

Ernährung

28 N atürliche Süße aus dem Regenwald: Palmzucker 30 Produkte: Fleischersatz 32 Produkte: Knabbern 34 Produkte: Bio-Wodka 36 Das Rezept im Bild: Kürbismarmelade

geselliger geist

gebrüder stitch

Norderd Wodka aus dem Waldviertel zeigt, dass Bio nichts mit Enthalt­ samkeit zu tun hat. Wie aus einer Kartoffel ein hoch-geistiges Qualitätsprodukt wird.

Jeans, die ökologisch sind, sozial verträglich und auch noch gut aussehen – das klingt utopisch? Die Gebrüder Stitch spinnen nicht nur Ideen um das zu ändern.

Kolumnen

38 Entscheidungsgeprüft: Ursel Nendzig 48 Gemüse-Genüsse: Wolfgang Smejkal 50 Und hinter mir die Sintflut: Johanna Stögmüller


lton Rolanu.dAA .

Das Buch Ethify Yourself erläutert mit den Grenzen des Wachstums verschiedene Ursachen von Krisen. Ein neunteiliger Wertekatalog beschreibt Übungen für das Leben in einer neuen Ethik, die Gerechtigkeit, Zufriedenheit, Fairness oder Balance fordert. Vorschläge für ein umsichtiges Leben und Wirtschaften werden mit Beispielen für Erwerb, Mobilität, Wohnen und der Organisation von Unternehmen illustriert.

Das Buch Ethify Yourself erläutert mit den Grenzen des Wachstums beta f l n e s r o u o t y l y f ethi nd A Rola u.A. verschiedene Ursachen von Krisen. Ein neunteiliger Wertekatalog beschreibt Übungen für das Leben in einer neuen Ethik, die Gerechtigkeit, ZufCommunity riedenheit, Fairness oder Das Online-Buch und die für achtsames Leben und Wirtschaften. Balance fordert.

Das Online-Buch und die Community für achtsames Leben und Wirtschaften. nachhaltig Mit 9 Werten irtschaften leben und w en n Text it ausgewählte Ein Entwurf m ikipedia. W n ge hi ac pr hs aus der deutsc

Roland Alton


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editorial, impressum

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EDITORIAL

U

m ehrlich zu sein: Der Fokus dieser Ausgabe – im weitesten Sinn: das Rind – war eigentlich nicht geplant. Er hat sich vielmehr aufgedrängt. Als sich plötzlich die zweite und irgendwann die dritte Story zum Thema anbot, fanden wir es irgendwann zwingend, es gleich zum Schwerpunktthema zu machen. Zumal dem Rindvieh oft unrecht getan wird. Dankbar für ein griffiges Beispiel wurde die furzende, Methan ausstoßende Kuh zuletzt zum Sündenbock der Klimaschutzbewegten stilisiert. Wobei es natürlich einzig an uns, den Menschen liegt, dass für den (Gen-)Sojaanbau unvorstellbar große Flächen Regenwald abgeholzt werden und dem Planeten für immer verloren gehen. Daran trägt – da gibt es keine Ausrede – mit Schuld, wer konventionell produziertes Rindfleisch kauft. Denn auch wenn ein Tier in Mitteleuropa gehalten und gemästet wird, werden die Futtermittel möglichst günstig am Weltmarkt eingekauft. Die einzig vertretbare Alternative: kein Fleisch essen. Oder, für mündige Fleischfresser: Bio-Fleisch (und –Milch) kaufen. Am besten direkt aus der Umgebung. Das spart unnötige Transportwege, ist am frischsten und stärkt die lokale Landwirtschaft.

Viel Vergnügen mit dieser Ausgabe und eine anregende Lektüre Thomas Weber Feedback freut weber@biorama.eu

intern / extern bleibt in Bewegung. Unser bisheriger Herausgeber Milo Tesselaar kam zu dem Entschluss, dass sich seine Arbeit an und für biorama mit seinem persönlichen Anspruch, auch selbst ein nachhaltiges Leben zu führen, nicht vereinbaren lässt. Wir bedauern sein Ausscheiden und hoffen, dass Milo uns auch weiterhin verbunden bleibt. Der Sache selbst bleibt er selbstverständlich treu – als freiberuflicher Berater ist er unter www.milotesselaar.com erreichbar. Chefredakteurin Ursel Nendzig und Fotograf Stefan Knittel gratulieren wir auf diesem Weg zum gemeinsamen Nachwuchs. Obwohl derzeit karenziert, berichtet Ursel in dieser Ausgabe über ihre Erfahrungen als junge, entscheidungsgeplagte Mutter. Auch anderweitig freuen wir uns über Frischfleisch: Neben anderen jungen Talenten mit Sendungsbewusstsein und Tatendrang verstärkt neuerdings auch Imre Withalm, 22, unser Team. Imre studiert am Joanneum Graz Journalismus. Mit den anderen Veganern in der Redaktion sorgte er dafür, dass in unserer Kuh-Ausgabe das Fleischfresserdasein nicht verherrlicht wird. www.facebook .com /biorama biorama

impressum HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTION Ursel Nendzig (karenziert) AUTOREN Sebastian Backhaus, Kirsten Brodde, Mirjam Bromundt, Miriam Damev, Marlene Duffy, Carmen Feichtinger, Michael Huber, Stephan Klein, Magdalena Miedl, Sara Mously, Karin Pointner, Joachim Schätz, Johanna Stögmüller, Erwin Uhrmann, Magdalena Vukovic, Imre Withalm FOTOGRAFIE Bernd Gossi, Stefan Knittel, Kurt Prinz, Michael Winkelmann COVERILLUSTRATION Johannes Figlhuber (www.jastorama.net) ILLUSTRATIONEN Johannes Figlhuber, Sig Ganhoer, Carita Najewitz ART DIRECTOR Sig Ganhoer GESTALTUNG Sig Ganhoer, Carita Najewitz (Super-Fi) LEKTORAT Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer ANZEIGENVERKAUF Herwig Bauer, Nina Daniela Jaksch, Micky Klemsch (Leitung), Christoph Ullmann, Thomas Weber WEB Super-Fi, m-otion DRUCK Neudörfl / Wien Leykam Druck GmbH & Co KG, Bickfordstraße 21, A-7201 Neudörfl, Österreich PRODUKTION & MEDIENINHABER Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6 / III, 1040 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Bernhard Schmidt KONTAKT Biorama c/o Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6 / III, 1040 Wien; Tel. +43 1 9076766; www.biorama.eu, www.monopol.at, redaktion@biorama.at BANKVERBINDUNG Monopol GmbH, easybank, Kontonummer 20010710457, BLZ 14200 ABONNEMENT siehe Website: www.biorama.eu ERSCHEINUNGSWEISE 4 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien VERLAGSPOSTAMT 1040 Wien erscheint, ebenso wie

, Magazin für Glamour und Diskurs, im

Medienhaus.

BLATTLINIE Biorama ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für Mensch und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. Biorama erscheint viermal im Jahr. Kostenlos, aber abonnierbar www.biorama.eu/abo


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global village

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BUCH

Nicht Fisch und nicht Fleisch Kann »Tiere Essen«, der Bestseller von Jonathan Safran Foer, auch in Europa eine Welle des Vegetarismus auslösen?

Großzügig gewobene Schals und kreative Verschlussmöglichkeiten prägen das Fashion-Label »Wandelbar«. Die mit natürlichem Indigo gefärbten Stoffe sind namensgebend für die Kollektion »Ins Blaue«.

fashion

foto Katarina Balgavy

Warum »öko« stylish ist: Lustwandeln im »Garden of Wandelbar« Julia Scharl ist eine Linzer Designerin, die nicht sich, sondern ihr Produkt in den Vordergrund stellen möchte. Alle von ihr verarbeiteten Materialen tragen die GOTSZertifizierung, Vieles wird aus textilen Abfallprodukten gefertigt und nicht-abbaubare Materialen wie Reißverschlüsse werden überhaupt vermieden und etwa durch kreative Bindetechniken ersetzt. Bei der Produktion ihrer Mode arbeitet Scharl auch mit regionalen oberösterreichischen Traditionsbetrieben zusammen und zeigt so, dass einander neue Ideen und alteingesessene Betriebe nicht ausschließen. Was als Diplomarbeit an der Uni Linz begonnen hat, ist zu einem Label für nachhaltige Innovationen geworden: Der »Garden of Wandelbar«. Um diesen Begriff »Garden« dreht sich auch die PRAktion für das Label – und zwar durch Guerilla Gardening der Gruppe Kampolerta in der Wiener Innenstadt, wo Fotos für das Lookbook 2011 entstehen. Das Ansetzen von Pflanzen im urbanen Raum steht für die Rückeroberung der Natur in den vermenschlichten Städten und spiegelt so den umweltbewussten Zugang dieses Labels wider, das Fashion und Nachhaltigkeit miteinander verbindet. www.wandelbar . at

Jonathan Safran Foer kann sich derzeit wieder einmal großer medialer Aufmerksamkeit erfreuen. Auch im deutschsprachigen Raum – seit im Sommer »Tiere Essen« in Übersetzung erschienen ist. Obwohl es als Sachbuch gehandelt wird, bleibt Foer hier seinem anekdotischen Stil treu. In »Tiere Essen« fokussiert Foer, im Gegensatz zur gängigen Argumentation, nicht vornehmlich auf Rind und Schwein. Er konzentriert sich auch stark auf das Thema Fischfang. Als Antwort auf den anhaltenden Sushi-Hype, das den Thunfisch sogar als Spezies bedroht, ist die Diskussion um Leid und Leiden der Meeresbewohner ein Schritt zur »Tierwerdung« des Fisches. Und das nicht nur aufgrund des so genannten Beifangs, der ein Vielfaches des eigentlichen Fangs ausmacht und tot wieder ins Meer zurückgeworfen wird. Trotz dieses bisher wenig beachteten Aspekts des Vegetarismus lässt Foer in »Tiere Essen« aber auch Dinge wie nächtliche Einbrüche in Massentierhaltungsbetriebe nicht aus. Eine Zukunft ohne Fleisch? — Ein Buch wie »Tiere essen« lässt sich nicht leicht übersetzen, zumal Foers Recherche vor allem in den USA stattgefunden hat. Deshalb hat der Vegetarierbund Deutschland für das Nachwort ausführliche Erklärungen und Ergänzungen zur Lage in der Bundesrepublik erarbeitet – auch wenn die Conclusio die gleiche ist: »Wer nicht möchte, dass Tiere unnötig leiden und sterben, sollte auch in Deutschland oder Österreich kein Fleisch essen.« Zwar gäbe es in Deutschland insgesamt weniger Fleisch aus Massentierhaltung, das sei allerdings nur sehr relativ anzusehen – denn es verbleiben immer noch 98% des Fleisches aus industrieller Produktion. Fraglich bleibt, ob »Tiere Essen« im deutschsprachigen Raum ähnlich starke Wellen schlagen wird wie in den USA, wo es einen neuen Vegetarismus-Hype ausgelöst hat. Die längerfristigen Auswirkungen muss man noch abwarten, Foer scheint sich allerdings schon ganz sicher. Die nächste Generation würde anders denken, schreibt er, ja gar den Geschmack von Fleisch nicht mehr kennen. Foer begründet dies unter anderem mit den 18% der USStudierenden, die vegetarisch leben. Doch der Vegetarismus der Elite ist keine Errungenschaft unserer Tage. Eine breitere, auf Fakten basierende Diskussion scheint aber möglich. Eine attraktive Gallionsfigur hat der Vegetarismus in Jonathan Safran Foer jedenfalls gefunden. »Tiere Essen«, von Jonathan Safran Foer, übersetzt von Brigitte Jakobeit, ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen.


07 *  FETCHING DATA

FETCHING DATA

21.OKTOBER — 3.NOVEMBER Tickets ab 16. Oktober 0800 664 010 A1-Freeline www.viennale.at

entwicklungshilfe

transparenz bei der entwicklungshilfe Was tun die westlichen Länder eigentlich, um die groSSteils durch sie verursachten Folgen des Klimawandels zu lindern? Eine Website sammelt nun in Partnerschaft mit UNO und Weltbank Daten von Geber- und Empfängerstaaten zum Thema Fast Start Finance, also jener Art von Entwicklungshilfe, die die Auswirkungen des Klimawandels ausgleichen soll. Die Fast Start Finanzierung an sich bleibt allerdings umstritten – es ist unklar, ob die Gelder, die nun den Folgen des Klimawandels gewidmet sind, nicht aus anderen Entwicklungshilfeprojekten umgeschichtet sind. Bisher sind sechs europäische Geberländer und 28 Empfängerstaaten in der niederländischen Initiative erfasst. Seitens der Empfängerstaaten liegen bisher nur wenige Daten vor. Die Initiative soll aber noch wachsen und so die Transparenz von Entwicklungshilfe erhöhen. www.faststartfinance.org Hauptsponsor


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global village

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filmpremiere

EINMAL MEHR ALS NUR REDEN Biorama feiert den Start des neuen Dokumentarfilms von Anna Katharina Wohlgenannt.

Joanna und Franck: „Es gibt immer mehr spannende Initiativen weltweit, die zeigen, dass es möglich ist, im Einklang mit der Natur zu leben. Diese zu entdecken treibt uns an.“

weltreise

grüne Reise um die Welt – in 30 Projekten

fotos Lupi Spuma, geyrhalterfilm.com, organicvision.org

Joanna und Franck, Weltenbummler und Nachhaltigkeits-Blogger. Franck und Joanna sind nicht das erste Paar, dessen Traum es ist, die Welt gemeinsam zu bereisen. Sie sind auch nicht die Ersten, die sich diesen Traum erfüllen. Aber sie sind die Ersten, die ihre Weltreise dem Geiste der Nachhaltigkeit widmen und die Welt, die sie bereisen, auch daran teilhaben lässt. Das deutsch-französische Ehepaar hat lange Zeit in Brüssel gelebt, kürzlich jedoch Job und Wohnung gekündigt und sich auf den Weg gemacht. Seit Anfang August lassen sich Franck und Joanna 18 Monate lang in ihrem Reise-Blog begleiten. Das ist nicht nur für Möchtegern-Weltenbummler interessant, sondern auch für all jene, die sich ganz generell für Nachhaltigkeit interessieren. Denn nicht nur die Reise selbst findet möglichst umweltschonend statt, auch die Orte, die Joanna und Franck besuchen, stehen für das Thema. 30 Projekte wurden ausgewählt, die eine nachhaltige Alternative zum vorherrschenden System vorleben. Mit dabei sind Projekte über Permakulturen und Transition Towns. Nach der Reise wollen Sie über ihre Erfahrungen eine Art Leitfaden zusammenstellen, der es für jedermann möglich macht, ein nachhaltiges Projekt selbst auf die Beine zu stellen. www.organicvision.org

»Es war viel guter Willen da und Gott sei Dank auch ein paar Handwerker, die das umsetzen konnten.« Fünfzig Österreicher bilden im Jahr 1984 eine Arbeitsbrigade und brechen nach Nicaragua auf, um den beschwerlichen Bau eines Kulturzentrums auf sich zu nehmen. Die Motivation: Solidarität mit der sandinistischen Revolution. Sie hatte 1979 die jahrzehntelange Somoza-Diktatur gestürzt. Nun ist die neue Regierung aber von der Invasionspolitik der USA unter Präsident Reagan gefährdet. Die Arbeitsbrigade »Februar 34« vereint Altkommunisten, Katholiken und Autonome zu einer Gruppe, die dem Hilferuf der sandinistischen Regierung folgt. Vor dem Hintergrund der Revolution lernen die Österreicher, dass eine Gesellschaft von mehr geprägt ist als dem politischen System und dass Solidarität weit über die Partei­ grenzen hinaus möglich ist. Der Film zeigt, wie Menschen voller Sehnsucht danach wirklich etwas zu verändern auch beschwerliche Wege auf sich nehmen. So scheint es vielleicht oft leichter auf einem anderen Kontinent ein Gebäude zu errichten, als zuhause den schwierigen ersten Schritt zu tun. Erst gegen Ende erfahren wir wer die Protagonisten wirklich sind und sehen, was es heißt endlich aktiv zu werden – auch im eigenen Land. Biorama feiert den offiziellen Filmstart zusammen mit Geyrhalter Film am Freitag, den 8. Oktober um 19.30 Uhr im Filmhaus Spittelberg in Wien. Wir verlosen 10 x 2 Karten. Einfach ein Mail mit dem Betreff: »Was Tun!« an gewinnen@biorama.eu schicken. Die Gewinner werden per Mail verständigt.


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Festival

Elevate 2010 Ende Oktober wird in Graz wieder an einer besseren Welt gearbeitet. Vom Vordenken und Feiern.

Workshops zeigen wies geht und was noch möglich wäre. Große Namen bedeuten nicht unbedingt weite Anreisen und die damit verbundenen Emissionen: Wie schon 2009 bemühen sich die Grazer um umweltschonende SkypeVerbindungen – diesmal unter anderem mit Auftritten von Nnimmo Bassey, dem Aktivisten von »Friends of the Earth International«. Einen Selbstversuch unternimmt das Elevate heuer auch mit dem Aufbau eines eigenen Medienkanals. Gesendet wird online – fünf Tage lang rund um die Uhr. Hier soll der Fokus auf weniger bekannten Künstlern liegen um die Aufmerksamkeit gleichmäßiger zu verteilen. Einen aktuellen Blog zum Elevate 2010 gibt es auf www.biorama .eu

H O C H 2 . AT

Das Elevate Festival schafft es sowohl ein Fixpunkt für elektronische Musik abseits des Mainstreams zu sein, als auch einen ernstzunehmenden Diskursraum zu öffnen – und das weit über den Veranstaltungsort Graz hinaus. Auch heuer lädt das »Festival for Contemporary Art, Music and Discourse« von 21. bis 26. Oktober kantige Artists und wegweisende Podiumsgäste in den Dom im Berg. Daniel Erlacher, Mitbegründer des Elevate, hat sich besonders dem Thema Klimawandel verschrieben und das merkt man auch dem diesjährigen Diskurs- und Film-Programm an. Die Demokratisierung der Energieversorgung ist Thema in »Energy Autonomy – die vierte Revolution« und »In Transition« zeigt wie man als Transition Town Schritt für Schritt eine nachhaltigere Welt schaffen kann. Das Elevate soll dieses Jahr selbst Grundstein einer solchen Transition-­Gruppe sein. Für die Frage, wie man sich nachhaltig und gesund ernähren kann, gibt es längst viele Antwortansätze – z.B. Foodcoops, also das gemeinsame, lokale und biologisches Einkaufen von Lebensmitteln. Diskussionsrunden und

Ich bin bio. Ich lebe bio. Wo das AMA-Biozeichen drauf ist, ist bio drin. Da kann ich mir sicher sein. Ich liebe das pure Leben.

FINANZIERT MIT FÖRDERMITTELN DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFT, DER REPUBLIK ÖSTERREICH UND MITTELN DER AGRARMARKT AUSTRIA MARKETING GESMBH.

Das AMA-Biozeichen, das Zeichen für kontrollierte Bio-Qualität.

www.bioinfo.at


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erlend neue kuhstallwelt schöne

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der mit der kuh tanzt


interview

Thomas Weber

fotos

Thomas Weber

Illustration

Johannes Figlhuber

Der Rinderhaltung verdankt die Menschheit bereits den Stacheldraht und die elektronische Fußfessel. Längst lassen wir uns auch wie Milchkühe bewirtschaften, meint der Kulturwissenschafter Bernhard Kathan. Ein Gespräch über Herrschaft, Kontrolle und Rinderhaltung.

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nsere Gesellschaftsordnung und das Herdenmanagement in der modernen Milchkuhhaltung haben immer mehr gemein. Zu diesem Schluß kommt Bernhard Kathan in seinem Buch »Schöne neue Kuhstallwelt«. Im Stall wie in der freien Wildbahn unserer Hochleistungsökonomie herrsche nur scheinbar Freiheit. Tatsächlich machen uns die gegebenen Wahlmöglichkeiten bloß effizienter zu bewirtschaften. Ein Gespräch mit dem Vorarl­ berger Kulturwissenschafter: biorama: Die Kuh ist seit jeher ein Produkt des Menschen und wie alle Nutztiere eine durch die gezielte Ausmerzung der Zucht geschaffene Kreatur. Jahrtausende lang lebten Mensch und Rind in nächster Nähe und engem Kontakt beieinander, noch aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt es Sonntagsfotografien, auf denen die Bauernfamilien mit ihren prächtigsten Kühen posieren als handelte es sich um Familienmitglieder. Kleine Bauern besaßen oft nur eine Kuh. Unsere heutigen Rinder hingegen schildern Sie als lebendiges Labor, mit dessen Hilfe sich Silage und Sojaschrot in den Rohstoff Milch verarbeiten lassen. Moderne Zuchtziele sind angepasst an maschinelle Bewirtschaftung – »Melkmaschinentauglichkeit« etwa ist ein absolutes Muss. Im kollektiven Bewusstsein allerdings ist die Kuh immer noch ein glockenbehangenes Geschöpf, das auf hochalpinen Wiesen weidet, im Einklang mit der Natur und in Symbiose mit dem Menschen lebt. Liegt diese Diskrepanz zwischen veralteten Vorstellungen und der Realität bloß am Marketing der Milchund Fleischlobby, oder haben wir es nicht auch mit einem sehr tief sitzenden romantischen Bedürfnis der Konsumenten zu tun, die nicht wahrhaben wollen, welches High-Tech-Produkt Milch und Fleisch längst geworden sind? bernhard kathan: Ursache dafür ist ein Mix aus Werbung, Vermarktung und fehlender Erfahrung im Umgang mit Rindern. Die wenigsten Menschen wissen heute über Rinderhaltung Bescheid. Die wenigsten kennen den Unterschied zwischen Mutterkuhhaltung, die ja nur der Fleischproduktion dient, und Milchwirtschaft.

Deshalb greifen sie auf diese Werbebilder zurück. Die Lebensmittelindustrie muss zum Verkaufen Vertrautes zitieren. Häuslichkeit, was Heimeliges, das kommt gut an. Sennereien bilden auch heute noch behornte Kühe ab, auf Käseverpackungen sehen wir den Hirten mit seiner Kuh. Das ist Werbung. Tatsächlich funktioniert das längst anders. Selbst die Tierschutzbewegung, die ganz bewusst die härtesten Bilder aus Ställen zeigt, führt nicht vor wie moderne Laufställe funktionieren. Sie zeigt ebenso Bilder, die auf andere Bilder aufsetzen und aufbauen, die zumindest antiquiert sind. Erst in Ihrem Buch habe ich erfahren, dass es eine eigene, auf die Kuhfotografie spezialisierte Profession gibt. Nach welchen Kriterien wird denn das professionelle Bild der Kuh geprägt? Beim Hobbyfotografen dominieren zwei Grundmotive: die niedliche Kuh und die dämliche Kuh. Die Profifotografen arbeiten für und innerhalb der Zuchtbewegung. Ihnen geht es um die Darstellung von Leistungsmerkmalen. Sie inszenieren die Kühe vor drei, vier Fototapeten auf Planen mit Fokus auf Euter, Euterform, die Ausprägung der Adern auf dem Euter. Kopf- und Ohrenstellung sind bezüglich Vitalität von Bedeutung. Gesagt werden muss, dass Züchter auch Fetischisten sind. Bei Züchtern sind diese Hochleistungskühe sehr hoch besetzt. Es ist nicht anders als bei Rassehunden. Eine moderne Hochleistungskuh gibt täglich bis zu 40 oder mehr Liter Milch. Sie schreiben, dass Kühe mit halber Milchleistung eigentlich wirtschaftlicher wären. Hochgezüchtete Tiere verursachen höhere Tierarztkosten. Außerdem ist eine gewisse Milchleistung nur mit erhöhtem Kraftfuttereinsatz und überproportional steigendem Nebenaufwand machbar – und damit mit höheren Kosten verbunden, nicht zuletzt mit einem höheren Energieaufwand. Lauf Alfred Haiger, dem ehemaligen Vorstand des Instituts für Nutztierwissenschaften an der BOKU in Wien, gibt die ideale Kuh im Jahr zwischen 5.000 und 7.000 Litern Milch, zahllose Faktoren freilich mitgedacht. In den frühen Schlachthöfen in Chicago gab es eigene Besuchergalerien, von denen aus man die Schlachtungen wie die Verarbeitung der Tiere verfolgen

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schöne neue kuhstallwelt

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konnte. Das ist heute undenkbar. Ans Schlachten wollen wir möglichst gar nicht mehr denken müssen und kaum jemand weiß, wie es im Inneren eines modernen Stalls zugeht. Stimmt. Allerdings hat erst vor Kurzem Gion A. Cami­ nada, einer der wichtigsten Schweizer Architekten, einen begehbaren Laufstall mit Besuchergalerie entwickelt. Dieser Stall versteht sich als Schnittstelle zwischen Landwirtschaft und ökonomisch-kulturellem Umfeld, das neu entwickelt werden muss. Ein interessanter Aspekt dabei ist, dass die Kühe in diesem Laufstall behornt sind. Viele Laufstallbetreiber stellen nämlich in Abrede, dass das möglich ist: Kühe mit Hörnern in einem Laufstall zu halten. Dabei sind das Problem ja nicht die Hörner, sondern dass die Tiere in der mechanisierten Rinderhaltung keinen Menschenkontakt mehr haben. Das Rind ist ein Haustier, ein Haustier braucht aber Kontakt mit dem Menschen. Reden wir von einem verwilderten Nutztier? Ja, in der Mutterkuhhaltung können die Tiere wirklich verwildern. Da bleiben die Kälber bis zur Schlachtung bei

Bernhard Kathan, als Sohn eines Bauern in Vorarlberg geboren, lebt als interdisziplinärer Kulturhistoriker in Innsbruck.

der Kuh auf der Weide. In der intensivierten Milchwirtschaft aber haben wir es mit höchst neurotischen Tieren zu tun, mit sinnlosem Fluchtverhalten und ähnlichen Begleiterscheinungen. Die Autorin Marlen Haushofer hat in ihrem Roman »Die Wand« ein Szenario geschildert, in dem das Schicksal des mutmaßlich letzten Menschen auf Erden von der Fruchtbarkeit und Trächtigkeit der letzten Kuh abhängt. Stirbt sie, dann fällt der Mensch auf die Zivilisationsstufe des Ackerbauern, oder gar des Jägers und Sammlers zurück. Ihrer Kuhstallweltlogik folgend ist es nur eine Frage der Zeit, bis die letzte Kuh geschlachtet wird – weil wir Milch womöglich bald als 100%iges Produkt von organischen Maschinen beziehen werden. Ja, auch Fleisch lässt sich in 20 Jahren serienreif mit den nötigen Omegafettsäuren im Labor herstellen. Die letzte Kuh wird dann verschwinden, wenn neue Technologien das Rind überflüssig machen. Milch und Fleisch werden sich in absehbarer Zeit in großtechnischen Labors produzieren lassen. In meinem Sinn ist die letzte Kuh dann schlachtreif, wenn die Rinderhaltung zu 100 Prozent durchorganisiert und technisiert ist. Das gilt, fürchte ich, letztlich auch für den Menschen. Fakt ist, dass sich heute auch Artenschutz und Vielfalt offensichtlich ausschließlich ökonomisch rechtfertigen lässt. Im ökonomischen Bedarfsfall kann man aus dem dadurch erhaltenen Genpool schöpfen. Was bedeutet denn der durchtechnisierte Milchproduktionsapparat für den Artenschutz? Der Alpenraum spielt eine gewisse Sonderrolle. Hier konnten gewissen Flächen historisch überhaupt nur mit Hilfe des Rindes besiedelt werden. Das Rind war ein Energiespeicher, um über den Winter zu kommen. Im Alpenraum ist wirklich intensive Landwirtschaft topographisch undenkbar. Anders sieht es in großen Flächen Argentiniens oder Norddeutschlands sowie den Niederlanden aus. Das beginnt schon bei den Monokulturen des Maisanbaus: Diese Landschaft und ihre Landwirtschaft setzen bei Rindern Maschinentauglichkeit und absolute Einförmigkeit voraus. Werden wir Kühe in Zukunft nur noch in hoch­ alpinen Freilichtmuseen oder im Zoo beobachten können? Man kann die Kuh nicht isoliert betrachten. Im Alpenraum gibt’s heute tatsächlich wesentlich mehr Rinderrassen als vor 100 Jahren: vom Hobbyrind wie das Tuxer Rind, das sich manch einer zum Vergnügen hält über Galloways und schottische Hochlandrinder. Den enormen Rückgang der Artenvielfalt gibt es weniger in der Rinderhaltung als auf den Flächen, auf denen das nötige Futter für das Rind produziert wird. Die Schweizer Landwirtschaftskammern setzen deshalb aktuell in einer Infokampagne auf die Bedeutung des Rindes als Kulturträger. Ob das der landwirtschaftlichen Realität entspricht, ist fraglich.


Der Kuhstall-Kapitalismus Über »Schöne neue Kuhstallwelt«, einen grotesken Essay des Kulturwissenschafters Bernhard Kathan.

Letztlich gehen die Analogien zwischen dem modernen Herdenmanagement in Rinderställen und kapitalistischer Gesellschaft davon aus, dass es da wie dort gefühlte Bewegungsfreiheit gibt und den Individuen einige Wahlmöglichkeiten des Konsums offen stehen. Es wird also Freiheit suggeriert, wohingegen wir es eigentlich bloß mit bürokratisch vordefinierten Modi zu tun haben, die auf den maximalen Leistungsoutput fokussieren. Bei Rindern hat diese sanfte Lenkung, das »Herdenmanagement«, allerdings massive Auswirkungen auf das Sozialverhalten der Tiere. In Milchviehlaufställen leiden die Tiere unter einem permanenten Stress. Laufställe werden oft als artgerechte Tierhaltung missverstanden. Sie verdanken sich einzig ökonomischen Überlegungen, die sich in verwandter Form auch im Humanbereich zunehmend beobachten lassen. Der moderne Mensch verwechselt Bewegungsfreiheit, letztlich das Ablaufen vorgegebener Routen, mit Freiheit. IKEA ist Herdenmanagement pur. Es gibt Pfeile, alles basiert auf Wahrnehmungspsychologie und der Befriedigung in der Warenausgabe. Ein perfektes System. Über den Kuhstall-Kapitalismus schreiben Sie: »Der Kunde ist nicht König, sondern ein Objekt der Steuerung«, und knüpfen an anderer Stelle an den Bürokratiebegriff des Soziologen Max Weber an. Er sieht im neutralen Fachmann, in der absoluten Büro­ kratie, welche anteilnahmslos Abläufe nach genau festgelegten, zielgerichteten Kriterien exekutiert, die ultimative Herrschaftsform – also auch im geschlossenen Kuhstallsystem? Bewegen wir uns ihrer Analogie folgend auf die totale Bürokratie zu? Max Weber hat vieles nicht sehen können. Etwa, dass sich die Bürokratie zu einem interaktiven, maschinengesteuerten System wandeln würde, welches in absehbarer

Wer wie der Vorarlberger Bernhard Kathan das Verschwinden der bäuerlichen Kultur und die maschinellen und strukturellen Veränderungen in der Landwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten aus nächster Nähe, aber doch aus kritischer Distanz beobachtet hat, dem offenbart sich der Zusammenhang von »Herrschaft, Kontrolle und Rinderhaltung« vermutlich rascher. Den meisten Zeitgenossen allerdings wird sich dieser erst durch die Lektüre von Bernhard Kathans bereits im Vorjahr erschienenen Buch erschließen. Es lautet – in Anlehnung an einen Titel des visionären literarischen Schwarzmalers Aldous Huxley – »Schöne neue Kuhstallwelt«, und der Titel stellt auch gleich klar, worauf sein Autor hinaus möchte. Dass wir uns als Gesellschaft aus Bequemlichkeit ganz freiwillig in eine Knechtschaft begeben, die jener unserer modernen Milchlieferanten frappant ähnelt. Wie in modernen, einzig auf Höchstleistung bedachten Kuhställen, in denen sich die Tiere »frei« bewegen, werde langsam, aber sicher auch unsere Gesellschaft nach den Prinzipien des Herdenmanagement durchorganisiert: Alles suggeriert Freiheit, ist aber eigentlich nur Bewegungsfreiheit. Tatsächlich blieben uns bloß noch die Wahlmöglichkeiten des Marktes. Bernhard Kathan als technikskeptischen Kulturpessimisten abzuurteilen, wäre einfach, hieße aber, es sich zu leicht machen. Freilich: Ein wenig Nostalgie steckt schon in seinem grotesken Essay über die »Schöne neue Kuhstallwelt«. Doch der Autor ist mehr als bloß ein Chronist, der anschreibt gegen eine geistlose Zeit. Bernhard Kathan, 1953 als Sohn eines Bauern geboren, ist interdisziplinärer Kulturhistoriker vom Typus eines moderaten Modernisierungsverweigerers mit Bewusstsein für das, was – unweigerlich – verloren geht und Gespür für das, was – unvermeidbar – kommt. ◄ Bernhard Kathans Buch »Schöne neue Kuhstallwelt. Herrschaft, Kontrolle und Rinderhaltung« ist im Berliner Martin Schmitz Verlag erschienen. Die Ausstellung zum Buch »Dora. Schöne neue Kuhstallwelt« ist noch bis 31. Oktober in der Artenne Nenzing / Vorarlberg zu sehen. www.artenne.at Informationen zu weiteren Projekten von Bernhard Kathan finden sich unter www.hiddenmuseum.net

Die Lebensmittelindustrie muss zum Verkaufen Vertrautes zitieren. Häuslichkeit, was Heimeliges, das kommt gut an. Das ist Werbung. Bernhard Kathan

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schöne neue kuhstallwelt

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Die Ausstellung »Dora. Schöne neue Kuhstall­ welt« erzählt von der Beziehung zwischen Mensch und Rind: eine Entwicklung, die weit über die Landwirtschaft hinaus geht.

Erst wenn die letzte Kuh geschlachtet ist, werden wir merken, dass Milch längst kein Naturprodukt mehr ist. Bernhard Kathan, sinngemäß zusammengefasst

Zeit in der Lage sein wird, unmittelbar, nahezu zeitgleich zu reagieren. Er konnte sich auch nicht vorstellen, dass der Bürokratie Menschen wie Orte abhanden kommen. All das steht heute noch am Anfang. Pflegedokumentation ist ein gutes Beispiel. Wenn wir die technologischen Möglichkeiten denken, sind das heute ja alles noch steinzeitliche Programme und Anwendungen. Das wird sich rasch ändern. Junge Krankenschwestern haben mit Pflege­dokumentationssystemen kaum ein Problem. Die verstehen nicht einmal, dass solche Systeme eigentlich auch zu ihrer Überwachung, ihrer eigenen Bewirtschaftung dienen. Krankenschwestern mit sehr langer Berufserfahrung, die bald in Pension gehen, können etwa wahrnehmen, dass ein Gerät ihren Umgang mit Patienten plötzlich grundlegend verändert, dass sich ein Gerät zwischen sie und den Patienten schiebt. Dass jede Maschine präfiguriert. Dass all diese Präfigurierungen an ihren Wahrnehmungen vorbeigehen. Sie meinen: Durch Datenerfassen geht Wissen verloren? Ja, es gibt immer mehr Daten, aber immer weniger erfahrungsbezogenes Wissen. Alles, was Sie kritisieren, ist aber auch sehr bequem. Frei nach Aldous Huxley fügen wir uns aus Bequemlichkeit wie Milchkühe in die Knechtschaft der

»Milchleistungsgesellschaft«. Ihr Buch schließt mit der Feststellung „Der moderne Mensch konsumiert seine Unterwerfung“. Gibt es einen – realistischen – Ausweg aus diesem dystopischen Zukunftsszenario? Nein. Der Philosoph Vilém Flusser hat geglaubt, es gäbe einen Ausweg. Noch sei Zeit genug. Und ich glaube das nicht. Bestenfalls gibt es so etwas wie einen individuellen Spielraum, aber auch da sehe ich eher schwarz. Man darf nicht vergessen, dass alle neuen Herrschaftstechnologien an Versprechungen geknüpft sind. Misstrauen zunehmend mehr Menschen solchen Versprechungen, dann öffnet sich damit bereits das nächste Marktsegment. Es ist alles Teil des Markts. Zum Abschluss noch ein Blick in die Zukunft: Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt mittlerweile in Städten. Die Zukunft der Agrikultur verlagert sich ins Urbane. Werden die Milch und das Fleisch der Zukunft in Städten produziert werden? Das ist nicht neu. Im Berlin der 30er Jahre gab es in der Stadt große Milchviehbetriebe. Futter ließ sich eben leichter transportieren als Milch. Es ist heute kein Problem mehr, in völlig künstlichen Habitaten auf Industriegeländen Rinderhaltung zu betreiben. Ein gutes Beispiel ist der größte Rinderstall der Welt. Er befindet sich in der saudiarabischen Wüste und in diesem Stall stehen 35.000 Holsteinkühe. Das muss ein wahnsinniger Energie- und Wasseraufwand sein, um in der Wüste 1 Liter Milch zu erzeugen. Der Grundwasserspiegel ist dort enorm gesunken. Man braucht eine unvorstellbare Menge an Wasser bloß für die Kühlung der Milch. Trotzdem ist dieser Stall ein tolles Beispiel: Es zeigt die Möglichkeiten – ein völlig künstliches Habitat ist möglich.


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Mutter

Natur macht’s

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identität

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Schöne Lily Im Inselstaat Jersey ist das kleinwüchsige Jersey-Rind eine Identität stiftende Ikone. Obgleich ein Exportschlager und ein Exempel früher »Markenpiraterie«, haben die Züchter genetisch lange die Schotten dicht gemacht, um den Fettgehalt der Milch nicht zu verwässern. Längst wird »Lily« auch touristisch vermarktet. Ein Besuch auf der Insel der Kühe.

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roße, dunkle, weiß umrandete Rehaugen, weiches karamellfarbenes Fell, eine feuchte, spitz zulaufende kleine Schnauze. Unter den Kühen dieser Welt ist sie das Topmodel: die Jersey-Kuh, in ihrer Heimat auch gerne »Lily« genannt. Die zierlich wirkende Kuh ist fast so etwas wie ein Unabhängigkeitssymbol, auf jeden Fall Maskottchen. Dort wo sie seit mehreren hundert Jahren grast, auf der Insel Jersey, 20 Kilometer vor der französischen Küste im Ärmelkanal gelegen, befindet sich ein Offshore-Paradies. Als sogenannte Crown Dependency gehören die Bewohner weder zur Europäischen Union, noch zum Vereinigten Königreich, sondern sind direkt der englischen Krone unterstellt. Eine eigene Verwaltung, Währung und ein

unabhängiges Steuersystem mit einem maximalen Einkommensteuersatz von 20 Prozent locken Investoren aus der ganzen Welt. Durch die Sonderstellung der Insel, die seit fast 1.000 Jahren mit England verbunden ist, war auch die Kuh geschützt, vor allem vor Kreuzungen mit anderen Rinderrassen.

Echt fett: die Milch der Jersey-Kühe Ihre Popularität erlangte die Jersey-Kuh nicht aufgrund ihrer Schönheit, sondern aus ökonomischen Gründen. Das Tier ist zart, hat aber einen enormen Output. Dabei gehört die Jersey Kuh zu den kleinsten Hausrindern. Maximal 450 Kilogramm Lebendgewicht bringt ein ausgewachsenes Tier auf die Waage. Im Vergleich dazu sind die meisten Hausrinder im Alpenraum doppelt so schwer. Der Fettgehalt ihrer Milch liegt bei 5 bis 6 Prozent, der Eiweißgehalt bei 4 Prozent, auch hier liegt »Lily« deutlich über dem Durchschnitt der gemeinen Milchkuh.


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Erwin Uhrmann

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World Jersey Cattle Bureau

Jersey ist nicht nur für Investoren und Touristen ein kleines Paradies, sondern auch für Kühe: ganzjährig mildes Klima, mehr Sonnenstunden als jeder andere Ort in Großbritannien und eine ungewöhnliche Vegetation. Farnüberwucherte Abhänge erinnern an urzeitliche Landschaften, üppige Weiden münden in lange Dünenstrände und Orchideenfelder. Jerseys Wirtschaft baut auf mehrere Sektoren. An erster Stelle ist der Tourismus, gefolgt von Finanzdienstleistungen und der Jersey-Kuh. In Jerseys Supermärkten sind regionale Produkte, vor allem jene der Marke Jersey Dairy, in hohem Maße vorhanden. Für eine Insel mit einer Fläche von 117 Quadratkilometern und 90.000 Einwohnern eher ein Ausnahmefall. Schnell denkt man an Autarkie, was James Godfrey vom World Jersey Cattle Bureau im Fall von Milchprodukten und einigen anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen auch unterstreichen kann. Für ihn ist die Jersey-Kuh »die Ikone der Insel. Überall sind Bilder von ihr, sogar auf der Währung, dem Jersey Pfund. Auf der ganzen Welt ist die Insel Jersey bekannt für ihre Kuh und die prämierte Züchtung.« Zahlreiche Wettbewerbe und Zeremonien finden jährlich nicht nur in Jersey statt. Das Jersey-Rind ist die zweitgrößte Züchtung von Milchkühen weltweit und längst außerhalb der Insel an vielen Orten zu Hause. Jersey-Rinder werden mit anderen Rassen gekreuzt, um die Melkbarkeit zu verbessern und den Fett- und Eiweißgehalt der Milch zu steigern. Während in anderen Ländern größere, schwerere und für die Milchwirtschaft ergiebigere Tiere erzüchtet wurden, folgt man auf der namensgebenden Insel der alten Linie. Jeder Einfluss von Außen durch Einkreuzungen war bis 2009 strengstens untersagt und ist jetzt nur unter strengen Auflagen erlaubt. Jersey Dairy, das Milchlabel der Insel, vereint alle Milchbauern und hat sich als Marke etabliert, aber auch die Milchwirtschaft zentralisiert. 1954 wurde auf der Insel das Milk Marketing Board gegründet, das Bedarf und Produktion kontrolliert und reguliert. Weideten Mitte des 19. Jahrhunderts noch 12.000 Kühe auf 1.800 Farmen, sind es heute nur mehr 3.500 Tiere auf 35 Farmen, die unter der Marke Jersey Dairy Milch, Butter und Käse produzieren. Streng sind Zuchtkonditionen, Haltung und Ernährung geregelt. Auch das Tourismusmarketing hat die zierliche Kuh zu einer fixen Größe gemacht. Bevor man noch die saftigen Weiden der Insel bewandert oder an einer der alten Farmen vorbeikommt, begegnet dem Reisenden die freundliche Kuh auf Tassen, Tellern oder als Stofftier in den Shops am Flughafen oder dem Fährhafen. Jersey Eis-

creme, von der Milch der Kühe gewonnen, wird als lokale Spezialität vermarktet, als Softeis oder klassisches offenes Eis in der Tüte angeboten.

Exportschlager Milchkuh Trotz aller Inselheimeligkeit ist die Jersey Kuh auch ein Tier, an dem sich die Globalisierung von Anbeginn festmachen lässt. Zwar weiß man nur wenig über die Herkunft des Rindes. Vom Charakter meint die Expertin Anne Perchard vom Weltzuchtverband der Jersey-Rinder, dass die Tiere aus einer semi-tropischen Region stammen könnten, etwa aus Ägypten oder Marokko. Die ersten Inselbewohner, die 7.000 vor Christus auf die Insel kamen, die Wikinger oder auch Kreuzritter könnten die Tiere mitgebracht haben. Während der landwirtschaftlichen Revolution im 18. Jahrhundert war das Jersey-Rind ein Shootingstar und wurde zum Politikum. Die Tiere waren so populär, die Nachfrage so groß, dass französische Rinder aus der Normandie auf die Insel gebracht und Richtung England als falsche Jerseys weiterverkauft wurden. Diese frühe Form der »Markenpiraterie« wurde 1786 verboten, und alle Bauern, die Rinder aus Frankreich importierten, mit einer Strafe belegt. Knappe hundert Jahre später wurde der Import von Rindern nach Jersey generell verboten, keine Kreuzung mit anderen Tieren mehr erlaubt. Bis zum Ersten Weltkrieg verbreiteten sich die Tiere in der ganzen Welt. Jersey-Kühe wurden zum wichtigsten Exportgut. In Richtung USA wurden jährlich tausende Tiere verschifft, ebenso nach Kanada, Südafrika, Brasilien, Guatemala, Neuseeland, Australien und in viele andere Länder. In den USA, wo Jersey-Kühe schon früh zu großer Popularität kamen, schaffte es eine Jersey-Kuh mit Namen Lily Flagg im Jahr 1892, mehr als 470 Kilogramm Butter zu produzieren. Ihre sagenumwobene Leistung wird bis heute gewürdigt, Ortsteile, Straßen, Gebäude und sogar ein Schwimmteam sind nach ihr benannt. Jersey-Rinder wurden im 19. Jahrhundert unter britischer Herrschaft nach Indien gebracht und mit den dortigen Rindern gekreuzt, um deren Leistung zu erhöhen. Die domestizierten Tiere wilderten mit der Zeit aus und leben heute im Himalayagebiet. In fast allen Ländern der Welt werden die populären Milchkühe heute gezüchtet. Erst seit 2009 dürfen JerseyKühe von auswärts mit den Kühen auf der Insel Jersey gekreuzt werden. Auf Jersey scheint die Kuh ihrem zarten Erscheinungsbild gerecht zu werden. Hier steht sie eher als Unabhängigkeitssymbol denn als böse Methanproduzentin, die den Klimawandel ankurbelt.


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Imre Withalm

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Johannes Hloch


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Die Alm als Zeitkapsel Bergbäuerliche Betriebe, wie dieser auf der Alp Hobach, funktionieren nach den gleichen Prinzipien wie schon vor hundert Jahren. Arbeiten, Essen und Schlafen bilden den Alltag. Die Kühe, um die sich hier im Kanton Wallis die Almwirtschaft dreht, verbringen ihre Sommer auf einigen der höchst gelegenen Weiden Europas und das im Schatten noch viel höherer Berge, wie dem Matterhorn.

Mit dem Auto wird nur im Notfall bis zur Hütte gefahren, das Fahrwerk leidet jedes Mal stark darunter. Die Kehren sind so eng, dass jedes Mal mehrmals reversiert werden muss.


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Die Kühe werden von der Alphütte (über 2.000 Meter Höhe) auf eine höher gelegene Weide getrieben. Sie müssen dabei laufend gehütet werden, da Absturzgefahr besteht.


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Auf 20 Quadratmetern findet über offenem Feuer die Käseproduktion statt. Gleichzeitig dient der Raum zum Wohnen, Essen, als Küche.

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ie meisten Älpler kommen heute gar nicht mehr aus bäuerlichem Hintergrund sondern sind eigentlich aus dem urbanen Raum. Viele Studenten und Akademiker aus der Großstadt verbringen ihre Sommer auf der Alm und das bedeutet nicht unbedingt Entspannung: Ein Almbetrieb heißt 14 bis 16 Stunden anstrengende körperliche Arbeit täglich. Gemolken wird auch bei Regen und Schnee und der ist auf über 2.000 Meter auch im Sommer keine Seltenheit. Johannes Hloch ist Landschaftsplaner und Fotograf. Er hat den Sommer 2008 auf der Alp Hobach im Kanton Wallis verbracht. Das künstlerische Ergebnis ist hier zu sehen. www.hloch.at


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Eine sehr alte Kuh ruht sich aus. Es ist wohl ihr letzter Almabtrieb. Sie ist nicht mehr besonders fit und der Sommer im Hochgebirge ist strapaziös. Für eine Kuh bedeutet das meist Schlachtung …


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barbara husar

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Alpwurm: Eines von Barbara Husars Eutergenomen aus der Serie Euterskizzen (2009).

Tausendfüssler: Nutztierästhetik ohne idyllisches Brimborium – tänzelnde Zitzen als Antrieb der Zivilisation.

kunst, euter! Das Rindvieh im Zeitalter seiner technischen Reduzierbarkeit aufs Wirtschaftliche ist eines von Barbara Husars wiederkehrenden Themen. Viele ihrer Druckgrafiken und Gemälde widmen sich dabei dem organischen Wachstum – ganz im Wortsinn.

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as überzüchtete Euter als entsinnlichtes Symbol für industrielle Produktion – die Euterskizzen der gebürtigen Vorarlbergerin Barbara Husar kommen ganz ohne Alpenkitsch und Agrarromantik aus. Die Künstlerin reduziert eines der beliebtesten Motive der Kunstgeschichte, die Kuh, ganz aufs wirtschaftlich Wesentliche: auf die Milchdrüsen. Dabei versteht sich die 35Jährige (aktuell Artist in Residence in Shanghai) selbst auf Serienproduktion. Sowohl in ihren Gemälden, etwa den 2009 entstandenen »Euterskizzen«, setzt sie auf die Variation ein und desselben Motivs, wie auch in ihren seriell angelegten Stempelarbeiten. Auf archaischer Fruchtbarkeitssymbolik basiert auch die für Barbara Husar selbst wichtigste und langfristig angelegte Arbeit: In der Wüste Sinai hat die Vielreisende eine Ziegenherde erstanden, die stetig wächst. Jedes Mal, wenn ein Kitz geboren wird, konservieren die Hirtinnen das »Abfallprodukt« Nabelschnur, welches ihnen die Herdenbesitzerin abkauft. Knapp einhundert Nabelschnüre hat Husar bereits erstanden. Demnächst wird sie daraus eine Hängematte knüpfen. www.husar .tk


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Thomas Weber

kunst

Barbara Husar

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Oben: »Monsignor Milk«, das Skelett sinniert am Drüsenorgan. Unten: »She is always: Rexy Rexa« – die Königin der Tyran­nen­echsen, als Säugetier gedacht.

www.okto.tv/5


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Carmen Feichtinger

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Christian Bezdeka Oliver Capuder

Ehrliche Haut Jeans von und für ehrliche Hintern – das propagieren und produzieren die Gebrüder Stitch in ihrem Hosenlabor in Wien Meidling.

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rägst du im Moment eine Jean? Ja? Weißt du, von wem, wo und wie die Baumwolle angebaut, geerntet, gesponnen, der Stoff gefärbt, gewebt, zugeschnitten, und die Jeans schließlich genäht und mit Used-Effekten versehen wurde? Im Normalfall verrät deine Jean darüber nicht viel – ein Blick auf das Etikett sagt eventuell Made in China oder Fabrique en Bangladesh und ihr billiger Kaufpreis hat dich vielleicht auch schon stutzig gemacht. Was ist zwischen Baumwollanbau und Umkleidekabine passiert?

Fabrique en Vienne Vergangenen Sommer in einem Wiener Kaffeehaus: Zwei Bekannte treffen sich und spinnen an einer Idee. Die beiden »Sturschädeln« (Selbsteinschätzung) sagen ihren alten Jobs in Marketing-Agenturen Adieu und beschließen, trotz skeptischer Stimmen im Bekanntenkreis, ein Vorhaben: Als Gebrüder Stitch wollen sie Jeans aus BioBaumwolle, nach Maß und in Handarbeit herstellen. »Wir sind die Sache mit der Einstellung angegangen, dass alles zu 100 Prozent nachhaltig, ökologisch und sozial verträglich sein muss«, erzählt der 31-Jährige Moriz Piffl. Nach drei Monaten im Betastore in der Wiener Gumpendorferstraße, wo sich die Geschäftsidee im Kleinen erproben ließ, übersiedelte das Hosenlabor Ende des Sommers ins Meidlinger KunstQuartier. Auf dem Weg dorthin freuten sich die Gebrüder Stitch nicht nur über Zuspruch und Zustimmung, sondern wurden, wie Piffl zwischen Nähtisch, ausrangierten Möbeln und gebrauchten Waschmaschinen gesteht, durchaus ernüchtert: »Wenn man sich näher damit beschäftigt, kommt man drauf, dass viele Produkte, von denen man als Konsument annimmt, dass sie total nachhaltig sind, es nicht sind.« Auch Stitch-Mitbruder Michael Lanner erzählt, gerade von der Münchner Stoff-


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messe Fabricstarts heimgekehrt, von den Schwierigkeiten eines kleinen Jeanslabels mit geringer Produktionsmenge und Öko-Anspruch in einer Branche, die von global operierenden Konzernen mit Riesenmargen und OrganicCotton-Linien als Green-Washing-Instrument dominiert wird. »Alles ist total intransparent. Es ist schwierig, dass dir die Weber überhaupt sagen, woher ihre Baumwolle stammt«, berichtet Moriz Piffl. Außerdem garantiere eine ausgewiesene Biobaumwolle noch lange nicht, dass bei den weiteren Schritten in der Produktionskette nachhaltige Material- und Sozialstandards eingehalten worden sind. Bis die Webereibetriebe ihre Denimstoffe auf den Messen feilbieten wird die Baumwolle nach der Ernte aufbereitet, gesponnen, gefärbt und gewebt – wo und unter welchen Bedingungen? Alles keine allzu einfach zu beantwortenden Fragen.

gestickten Label, den handgemachten Keramikknöpfen und individuellen Verwaschungswünschen in der Werkstatt in Wien zu fertigen Jeans werden. Die andere, die Vollmaß-Variante, wird in Wien komplett nach Maß zugeschnitten und genäht. Der höhere Preis bietet dann auch Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Denim-Sorten und nach persönlichen Nähgarn-, Naht- und Farbvorlieben – von knackeng bis Haremsschnitt.

Know-how aus dem Valle del Jeans Als anfängliche Laien auf dem Gebiet suchten Piffl und Lanner in den vergangenen Monaten intensiv nach Antworten. Sie besuchten Fabriken, bunkerten sich im Chemielabor ein, um herauszubekommen, womit umweltschonende Waschungen möglich sind, kauften bei zehn Webern aus Italien, der Türkei und Japan Baumwolle mit Bio-Zertifikat und ließen sich von Guido und Sam, zwei Denim-Veredelungsexperten aus Ulm, beibringen, wie mit Schmirgeln und anderen manuellen Verarbeitungstechniken auch neuwertige Ware schön getragen aussieht. In der Hoffnung auf hilfreiche Information über Zertifizierungen und Öko-Richtlinien kontaktierte man einschlägige Plattformen und NGOs. Enttäuscht über die insgesamt spärlichen Rückmeldungen bekam man von Fairtrade immerhin eine Liste mit zertifizierten Konfektionären. Einer davon, mit Sitz im italienischen Urbania im Metauro-Tal, das wegen seiner Bedeutung

in der europäischen Denim-Verarbeitung auch »Valle del Jeans« genannt wird, schneidet heute für das HalbmaßModell der Gebrüder Stitch die Hosenteile zu, die dann mit dem charakteristischen Siebdruck-Innenfutter, dem

Alles ist nach wie vor in Bewegung. »Wir haben jetzt irgendwie unseren eigenen Weg genommen und sind im Endeffekt radikaler als viele Labels, die von Konsumenten mit Nachhaltigkeit verbunden werden«, zwischenbilanziert Moriz Piffl. Dass man als kritischer Konsument zu seiner Hose stehen kann, ist noch zu selten der Fall. Frag deine Jean doch mal, woher sie kommt, und wie sie zu dem geworden ist, was sie ist. Ohne Druck und Nachfragen werden sich die undurchsichtigen Strukturen des globalen Warenverkehrs nicht lichten und große Hersteller werden weiterhin ungeschoren ausbeuterisch agieren und produzieren können. Ein Besuch im Hosenlabor der Gebrüder Stitch könnte, so Moriz Piffl, auch aufschlussreich sein: »Wer zu uns in die Werkstatt kommt, zuschaut und sich interessiert, kommt relativ leicht auf den Gedanken, dass irgendwo irgendwer draufzahlt, wenn beim KIK eine Hose 8 Euro kostet.« Die Gebrüder Stitch bieten in ihrem Hosenlabor auch »Nähkränzchen« und eine »Stitch Academy« an. www.gebruederstitch.at


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Wolfgang Smejkal

NATÜRLICHE SÜSSE AUS DEM REGENWALD Wenn »Bio« drauf steht, geht man häufig davon aus, dass etwas gesund ist. Beim Zucker ist das so nicht der Fall, denn Zuckerrohr und Zuckerrübe bleiben reine Energieträger – 100 Gramm liefern etwa 400 Kilokalorien – egal ob aus biologischem Anbau oder nicht. Etwas kalorienbewusster süßt man mit Palmzucker.


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Palmzucker: 5 natürliche Gründe » unraffiniertes und ungebleichtes Süßungsmittel aus Palmensaft, das durch Einkochen erhärtet und danach zu streufähigem Vollpalmzucker zerkleinert wird » nachhaltige Anbauweise – der Flächenertrag ist um durchschnittlich 60% höher als bei Zuckerrohr, der Nährstoff- und Wasserverbrauch in den Böden beträgt hingegen nur 1/5 der Vergleichsmenge » enthält wertvolle Mineralstoffe und Spurenelemente (Potassium, Zink, Eisen, Vitamin B1, B2, B3 und B6) » niedriger glykämischer Index (GI <35), der sich günstig auf den Blutzuckerspiegel auswirkt » verleiht Speisen und Getränken ein cremiges, karamellartiges Aroma

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ucker wird entweder aus Zuckerrohr, das aus tropischen und subtropischen Regionen stammt, oder aus der in heimischen Breiten angebauten Zuckerrübe gewonnen. Ein chemischer Unterschied besteht zwischen Rohr- und Rübenzucker nicht, es handelt sich in beiden Fällen um fast reine Saccharose. Mit »Biozucker« verbinden die meisten Konsumenten den aus den Ländern Südamerikas stammenden, biologisch angebauten und nach Europa exportierten braunen Rohr-Rohzucker. Brauner Vollrohrzucker enthält verglichen mit Weißzucker aufgrund seines Melasse-Anteils zwar geringfügig mehr Mineralstoffe und Vitamine, davon allerdings so wenig, dass es für die Nährstoffversorgung nicht wirklich ausschlaggebend ist.

Kalorienarm und gesund: Palmzucker Neben anderen natürlichen Süßmitteln wie Agavensirup bieten Bio-Lebensmittelimporteure ein traditionelles indonesisches Süß-Produkt als kalorienärmere und gesündere Alternative an: Palmzucker ist ein natürliches Süßmittel aus dem zuckrigen Saft unterschiedlicher Palmenarten, die vorwiegend in Südostasien und Indien vorkommen. Obwohl die Namen austauschbar benutzt werden, sind Palmenzucker und Kokos-Palmenzucker dabei nicht die gleichen. Der eine kommt von der Zucker-Palme (Arenga saccharifera) und der andere von der Kokos-Palme (Cocos nucifera). Beide werden vom süß-wässrigen Saft produziert, der aus den angeschnittenen Blütenständen tropft. Die Arenga-Palme, ursprünglich aus Malaysia stammend, hat einen stacheligen Stamm von sieben bis zwölf Metern Höhe, der dicht mit Blattansätzen bedeckt ist. Die 20–25 gefiederten, dunkelgrünen Blätter stehen aufrecht und können mehrere Meter lang werden. Hoch oben in den Wipfeln der Palme liefern die Blütenstände den braunen Zuckersaft.

Um den Zucker aus der Palme zu gewinnen, wird der Hauptblütenstamm zusammengebunden. Durch leichte Schläge werden die Zellen der Palmenblätter um die Blüte und der Blütenstamm verletzt. Das trägt dazu bei, dass der Saft ausfließen und der Blütenstand nach unten gebogen werden kann. Nachdem die Palme einige leichte Schläge erhalten hat, wird die Spitze der Blätter um den Blütenstand abgeschnitten, damit durch diese Öffnung der Palmensaft austritt. Der Saft wird mit Behältern aufgefangen. Diesen Prozess wird zweimal täglich wiederholt, um genügend Palmensaft zu sammeln. Bereits wenige Stunden, nachdem er aus den Blütenknospen abgezapft wurde, fängt der natursüße Palmsaft an zu gären, weshalb mit der Weiterverarbeitung schnellstmöglich begonnen werden muss. Er wird zuerst gefiltert, um Verunreinigungen zu entfernen. Danach wird er in einer Pfanne geschlagen, bis er eindickt und vom flüssigen in den kristallinen Zustand übergeht. Anschließend muss der Sirup auskühlen und erstarren. Zum weiteren Gebrauch wird die nun harte Masse zu streufähigem Vollpalmzucker zerkleinert. Der Vollpalmzucker ist eine Spezialität mit einem besonderen Eigenaroma, das leicht cremig und nach Karamell schmeckt. Er ist weniger süß als Rohrzucker und enthält weniger Kalorien als herkömmlicher Zucker. Spurenelemente und Mineralien (Potassium, Zink, Eisen, Vitamin Ba, Bb, Bc und Bf) sind reichlich enthalten. In ländlichen Gebieten Indonesiens stellt diese Art der Zuckergewinnung oftmals die Haupteinnahmequelle der Bevölkerung dar. Durch eine direkte Vermarktung mit Fairtrade-Initiativen erhöht sich der Verdienst für die Produzentengruppen, und die nachhaltige Nutzung der Palmwälder durch die ganzjährige Saftgewinnung aus den Blütenstämmen liefert zusätzlich ein wichtiges Argument für die regionale Wirtschaft gegen das weitere Abholzen der Palmwälder.


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Imre Withalm

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vleisch ohne kuh und schwein Wer seinen Fleischkonsum graduell oder auf Null reduzieren will, wird im Bioladen und vielen Supermärkten fündig. Die besten Alternativen zu Fleisch auf einen Blick.

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3 // Der Preisträger: Knackies aus Seitan (alnatura) Jüngst vom Vegetarierbund Deutschland (VEBU) mit dem Innovationspreis ausgezeichnet – können nun auch alle, die auf Fleisch verzichten wollen, ihre Würstchen haben. Die Würstchen gelten nicht nur als gelungener Fleischersatz, sondern als echte Ergänzung für das Wurstregal. Besser als jeder Leberkäs.

4 // Die Basis: Sojagranulat (davert) 1 // Der Klassiker: Tofu (sojarei) Gibt’s mittlerweile in (fast) jedem Supermarkt. Tofu zum Anbraten als klassischer Fleischersatz muss weich aber definiert sein. Deshalb fällt hier die Wahl auf den Naturtofu von Sojarei. Anders als Seidentofu, der für Desserts geeignet ist, wird der Tofu für Hauptmahlzeiten so zubereitet: Der Tofu sollte knusprig-goldbraun gebraten und mit ein wenig Sojasauce abgelöscht werden. So wird er außen würzig-knusprig und bleibt innen weich wie eine Wolke. (Tipp: gebratenen Tofu immer erst am Schluss zubereiten – je frischer desto besser.)

2 // Das Fast Food: Vleischkäse (vegavita) Billig, gut, schnell zubereitet. Der Vleischkäse von Vegavita ist perfekt für veganes Fastfood. Anbraten, Semmel aufschneiden, Ketchup drauf, zudecken. Kann nötigenfalls sogar kalt gegessen werden. Ein zusätzliches Plus bekommt Vegavita für die Adaptionen von Namen für »vleischige« Lebensmittel. Leider ist die Herkunft der Produkte nicht immer ganz klar feststellbar.

Die fertigen vegetarischen Bolognese-Saucen, die es zu kaufen gibt, kann man leider großteils vergessen. Aber hiermit bekommt man die allerbeste Bolognese hin (und hier nehme ich jede Challenge mit Fleisch-Bolognese auf ): Soja-Granulat in eine Schüssel, dazu ein wenig Knoblauch, Salz, Pfeffer, Olivenöl, ein Prise Paprikapulver, und ein 1:1-Gemisch aus lauwarmen Wasser und Tomatensauce – gerade so viel, dass das Granulat bedeckt ist. Nach 5 bis 10 Minuten (Flüssigkeit aufgesaugt, aber noch feucht) kann man das Ganze wie normales Faschiertes weiterverarbeiten. Tipp: Statt Oregano und Basilikum besser Rosmarin verwenden. Sojagranulat von Davert gibts in diversen Bioläden.

5 // Der Natürliche: Seitan (reinberger Naturküche) Natürlich, simpel, gut. Das perfekte Produkt um Wild zu imitieren. In einer Pfeffer-Sauce und mit Nockerl als Beilage hat man beinahe das perfekte Sonntagsgericht für den Herbst. Reinberger betreibt kontrolliert biologischen Anbau. Zu kaufen gibt es diesen Weizen-Seitan in diversen Bio-Läden und Naturkostgeschäften.


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auf die cracker, fertig, los! Snacks mit hohem Nährwert machen schnell und unkompliziert satt. Einfach, vollwertig und natürlich ist die Devise. Doch wie schmeckt biologisches Snacken? Wir haben uns bei einem Gläschen Birnensaft durch das vielfältige Angebot geknabbert.

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2 // Kann denn Dinkel sexy sein? Zusätzlich zu den bewährten Sonnentor-Gewürzmischungen gibt es jetzt Knabberstangerl in drei verschiedenen Geschmacksrichtungen. Wir haben uns nicht durch die ansprechende Namensgebung täuschen lassen – und blind getestet. Uns überzeugte die »Scharfmacher«-Knabberei, die wie frisch aus dem Ofen schmeckt (»Wie gut getoasteter Pizzarand!«) und einen angenehm scharfen Nachgeschmack auf der Zunge hinterlässt. Bei »Gute Laune« schmeckt man den Knoblauch raus und die Stangerl riechen köstlich. Der »Sonnenkuss« war zwar relativ würzig, schmeckt aber einfach irgendwie »zu gesund«. Die Zuordnung war nach dem Blindtest übrigens völlig richtig, denn wirklich scharf machen nur die »Scharfmacher«. sonnentor — Gute Laune, Scharfmacher, Sonnenkuss Dinkel Knabberstangerl mit Gewürzen, 100 g

3 // Asiatisches Vogelfutter Eine ungewöhnliche Knabberei sind die knusprigen Soja-Bohnen, die in japanischer Tamari-Sauce geröstet wurden. Klingt seltsam? Schmeckt es anfangs auch. Die Bohnen in der »Café del Mar«-Verpackung sehen aus wie Vogelfutter, und wurden deshalb von den Testern zunächst kritisch beäugt. Je mehr man davon isst, umso peppiger schmeckten sie allerdings. Der nussige Geschmack der österreichischen Sojabohnen wird vom »unaufdringlichen Sojasoßengeschmack« umspielt und ist nicht nur etwas für wahre Asia-Fans. Nussig und pikant. Auch in Salaten, Suppen oder Reisgerichten können wir uns diese Köstlichkeit für die besondere Note sehr gut vorstellen. landgarten — Bio Tamari – Soja, 50 g

4 // Sesam öffne dich! Da lacht das vegane Bio-Herz! Diese kleinen knusprigen Brotstreifen aus Dinkel, Gerste und Hirse haben uns sofort verzaubert. Den Schwarzkümmel und die Kräuter der Provence schmeckt man sofort raus, aber keineswegs unangenehm oder aufdringlich, denn diese Gewürze geben den kleinen Köstlichkeiten einen sehr leckeren, angenehm salzigen Geschmack. Gibt’s übrigens auch in den Sorten »Pane Picco Mohn« und »Pane Picco Asia«, aber pssst: die Sesam-Variante schmeckt am besten! sommer & co — Demeter Pane Picco mit Sesam und Schwarzkümmel, 150 g

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5 // Aufbrezeln Von der Firma selbst als »echte Spezialiät« bezeichnet, sind diese großen Dinkelbrezeln vor allem eins: sehr sättigend. So sieht gesundes Knabbern aus, denn nach einer Brezel ist der Magen voll. Noch gesünder: Die Brezeln sind statt wie sonst meist üblich nicht mit Salz, sondern mit extra viel Sesam bestreut. Ein bisschen mehr Salz wäre allerdings nicht schlecht gewesen. Fazit: Eine Knabberei die satt macht. Von der kleinen Brezelversion würden wir sicher eine ganze Packung verdrücken! erdmannhauser — Demeter Dinkel Brezel Sesam, 100 g

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Carmen Feichtinger

geselliger geist Bio als Konsumhaltung braucht weder Askese noch Weltuntergangsstimmung. Insbesondere, wenn es sich dabei um vergeistigte Edel-Kartoffeln handelt: Norderd Wodka aus dem Waldviertel.

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Hersteller

»Eigentlich wäre ein Konzept Bio 2.0 notwendig«, meint Johann Ackerl. Sein Projekt Norderd Wodka, an dem der im niederösterreichischen Waldviertel verwurzelte Biobauer in den vergangenen zwei Jahren gefeilt hat und dessen Endergebnis nun in einer bauchigen Flasche mit Henkel abgefüllt wird, entspricht diesem Gedanken. Norderd soll einen bewussten Stilbruch im bisherigen Bio-Sortiment darstellen. Aus ökologisch angebauten Erdäpfeln wird hochprozentiger Wodka, der dank der hellfleischigen Kartoffelsorte Lady Balfour (die übrigens nach der gleichnamigen englischen Pionierin der biologischen Landwirtschaft der 30er Jahre benannt ist) wie ein Edelbrand schmeckt – auf Wodka-Niveau destilliert.

aus der ruhe kommt die kraft »Ein Lieferant aus Laa an der Thaya hat noch eine alte Kartoffelbrennerei. Der macht mir den Rohalkohol«, erzählt Johann Ackerl. Für einen Brenndurchgang werden 150 Tonnen Bio-Kartoffeln zu einem Brei gemust, mit Wasser vermengt, kurz aufgekocht, ein unter gentechnikfreien Bedingungen hergestelltes Enzym wird beigefügt. Dann kommt eine Hefekultur hinzu, die den Zucker aufnimmt und ihn verstoffwechselt. In der dreitägigen Gärung der Maische vollzieht sich die Metamorphose zu Alkohol. Während billiger Industrie-Alkohol unter Zusatz von künstlichen, Schaum eindämmenden Silikonen hergestellt wird, darf die Waldviertler Maische vor ihrer Destillation in Ruhe gären. »Ich habe bis vor zwei Jahren überhaupt keinen Alkohol getrunken«, schmunzelt Johann Ackerl. Er ist dennoch einer, der sich auskennt. Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in der Biobranche ist er einer ihrer Vorreiter, als er 1988 zusammen mit seiner Frau Elisabeth den Hof seiner Eltern übernimmt. »Bio-Kartoffeln waren für mich spannend, denn alle haben mir erzählt, dass es unmöglich ist Kartoffeln anzupflanzen, wenn du sie nicht spritzt.« Die ersten ungedüngten Kartoffeln gedeihen prächtig, doch es fehlt ein Absatzmarkt. Erst als Billa 1992, damals noch unter Gründer Karl Wlaschek, vier Jahre vor Verkauf an die deutsche Rewe-Gruppe, die Marke Ja! Natürlich einführt, finden sich erstmals Waldviertler Bio-Kartoffeln im Einzelhandel. Heute versorgt die Pur-Bioprodukte VertriebsGmbH, die Johann Ackerl 2003 mit befreundeten Bauern gegründet hat, Spar, Rewe und Hofer mit Kartoffeln, Zwiebeln und Karotten von 150 ostösterreichischen Bauern. »Das ist ein Sammelbecken von kleinen bäuerlichen Betrieben, um großen Industriekonzernen ein Pendant zu bieten.« Als Vorreiter sieht sich Ackerl auch heute mit seinem Bio-Wodka. In ihm sieht er »eine Facette einer Klammer zwischen urbanem Leben und dem prachtvollen Leben am Land. Beides für sich ist irgendwie mühsam, aber kombiniert ist es etwas Geniales.« www.norderd.com


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Biorama Nº. 12

diy-Rezept

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Imre Withalm

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Bernd Gossi

das rezept im bild. diesmal:

kürbismarmelade Die meisten Marmeladenrezepte ähneln sich auf gewisse Art und Weise. Obst Kochen – Gelierzucker dazu – auskühlen lassen: diese Schritte sind gewissermaßen das 1×1 des Marmeladeneinkochens. Deshalb ist es wichtig, ein wenig Abwechslung ins Einmachregal zu bringen. Bestens für Konfitüre geeignet: der Kürbis.

Kaum etwas steht für den Herbst wie der Kürbis – er ist es auch, der die Kürbismarmelade von ihren Namensvettern Brombeer- und Erdbeermarmelade unterscheidet. Säuerliche Äpfel sorgen für die nötige Menge und bewirken auch einen Ausgleich zu dieser zuckerlastigen Angelegenheit. Eine Chilischote, die wir nur teilweise brauchen werden. Ingwer – keine Angst, die Knolle auf dem Bild wird noch für die Kürbismarmelade unserer Enkel reichen. Wie so viele Rezepte für den Herbst und Winter gehts auch hier darum, die Gaben der Natur möglichst lange haltbar zu machen. Diese Aufgaben übernehmen der Gelierzucker und die luftdichte Lagerung (luftdicht wird das Ganze beim Auskühlen). Der Zucker steht nicht gerade für die linientreuste Variante der Ernährung, aber er erfüllt nunmal seinen Zweck. Das Gute an diesem Rezept ist, dass man alles an übrig gebliebenem Obst mitverwerten kann – schmeckt eigentlich immer.

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Als Erstes müssen wir den Kürbis erstmal entkernen und schälen. Kreative dürfen die breiige Kernmasse gerne für Laibchen und ähnliches weiterverarbeiten. Den geschälten Kürbis schneiden wir in Würfel und wundern uns, wie etwas so Hartes einmal eine Marmelade werden soll. Dasselbe machen wir mit den Äpfeln – hier wundern wir uns schon weniger. Die Äpfel bleiben ungeschält. Möglich, dass man gegen Ende ein paar Apfelschalenstücke rausfischen muss.

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Den Kürbis sollten wir nun (ach ja, hart!) mit ein wenig Wasser vorkochen. Nach etwa zehn Minuten kommen dann Äpfel dazu. Das Ganze weich kochen. Bitte nicht Fernsehen gehen – durch die Struktur des Kürbis kann alles schnell anbrennen!

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ZUTATEN Wir füllen zirka vier 200 ml-Gläser mit Kürbismarmelade » 1 mittelgroßer Kürbis » 3 mittelgroße Äpfel (säuerlich) » die Spitze einer Chilischote » ein Stück Ingwer Alle Zutaten wurden großzügig von Naturkost St. Josef (Wien 7., Zollergasse 26) zur Verfügung gestellt.

Während wir darauf warten, dass die Hauptinhaltsstoffe endlich weich genug sind, kümmern wir uns um die Extra-Zutaten, die der Marmelade am Ende dieses Was-schmeck-ich-da-bloß-Aroma verleihen. Chili und Ingwer werden einfach klein gehackt. Es drängt sich hier auf, kurz inne zu halten und den IngwerDuft zu genießen.

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Die nun weich gekochten Kürbisstücke und Äpfel müssen noch in einen breiartigen Zustand versetzt werden. Am besten geschieht das mit einem Pürierstab (siehe Bild). Der Brei ist auch jenes Medium, das die Bestimmung von Chili und Ingwer zur Entfaltung bringen kann: Rein damit! Wir rühren noch einmal um und kommen zum entscheidenden Schritt:

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Wie kann ein solcher Brei tatsächlich zu einer Marmelade werden? Die Magie des Gelierzuckers wird uns faszinieren und wünschen lassen, wir hätten im Chemie-Unterricht besser aufgepasst. Jedenfalls wird nun aus der Masse etwas, das zwar wie Gelee glänzt, aber noch ganz flüssig ist (weil heiß). Jetzt heißt es: rühren, rühren, rühren, bis die Marmelade in spe aufkocht. Das kann ganz schön lang dauern. Wobei hier das Phänomen der gefühlten Zeit wohl eine Rolle spielt. Nach dem Aufkochen können wir den Herd schon abdrehen. Wir lassen die Marmelade aber noch fünf Minuten köcheln.

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Wichtig für Marmelade ist immer die richtige Wahl der Gläser, denn man kredenzt immer zu viel und sieht sich plötzlich mit einem idealen Geschenk für Freunde und Kollegen konfrontiert. Es bietet sich also hübsch und klein an. Wir sollten allerdings nicht vergessen, die Gläser mit kochendem Wasser zu desinfizieren. Nach dem Einfüllen (nicht ganz voll) – können wir wieder Zeuge von Magie werden: diesmal aus dem Bereich der Physik. Denn die Gläser produzieren beim Auskühlen automatisch ein luftdichtes Vakuum und die Marmelade hält so sehr, sehr lange ( jede zeitliche Angabe wäre aus den Fingern gesogen).

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Biorama Nº. 12 elternalltag / Ursel Nendzig

Die Ratschläge von Mutti, der Klick ins Netz. So viel Information! Und so wertlos. Weil die Elternteile ganz alleine sind, wenn es ans Entscheiden geht. Aber das ist schließlich der Job, in diesem neuen Leben mit Kind.

foto Corbis

entscheiden tut weh

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Da sagt die Kinderärztin: »Heute gibt’s die erste Impfung«. Sie sagt es wie »Bisquitroulade«, es klingt aber wie »Verkehrsunfall«.

E

s weint. Laut, oh, so laut. Wie aus einem so winzigen Körperchen nur so ein riesiger Lärm kommen kann. Und wie ausdauernd ein so unverdorbener Geist scheinbar schon ist, nur einen Tag alt. Und schon unbestechlich und unbeugsam. Und wie einsam sich dieser Moment trotz dieser ohrenbetäubenden Zweisamkeit anfühlt. Aus dem Krankenhausfenster blickt das Elternteil auf fremde Schlafzimmerfenster, hinter denen es kuschelig dunkel ist. So friedlich. Bestimmt schläft dort jemand. Schlaf. Wie herrlich das klingt. Wie Zu warm, zu kalt? Mützchen, Söckchen, erlösend. Im Moment klingt das kleine Bündel Strumpfhöschen? Badezusatz, Öl, nur aber noch lauter. Das Elternteil muss etwas undas Wasser? Überhaupt baden? Stillen, ternehmen. Fläschchen, beides? Kaffee, Wein, TotalEin Schnuller. Die Rettung. Das kleine Bündel abstinenz? Name des Vaters, Name der wird in sein fahrbares Bettchen gepackt. Und zu Mutter? Katholisch, evangelisch, gar nicht? den Krankenschwestern ins Kinderzimmer geKarotte, Spinat, Banane? Wie mächtig so ein fahren. »Bitte, wir hätten gerne einen SchnulElternteil doch ist. ler!« Die Antwort, auch wenn es keine Frage Obwohl es sich ohnmächtig fühlt. So wie war, ist ein tiefer, ein wissender Blick, geleian diesem einen Tag, als die Schreinacht tet von einem Schnaufen. »Haben Sie sich längst vorbei ist und alles entschieden scheint. also dafür entschieden.« Wieder keine FraDa sagt die Kinderärztin: »Heute gibt’s die erge, trotzdem die Antwort: »Ja! Wieso denn ste Impfung«. Sie sagt es wie »Bisquitroulade«, nicht? Es weint.« es klingt aber wie »Verkehrsunfall«. Und da ist Eine Viertelstunde später wird das weisie so stark wie nie, die Ohn-Macht. Der erste nende Bündel wieder zurückgeschoben. Fremdkörper im kleinen Bündel-Körper, muss Ohne Schnuller. Konnte ja niemand ahdas wirklich sein? Wieso schrillen die Alarmglonen, dass hinter dieser Ecke eine Entcken? Ist es eine böse Vorahnung oder doch nur scheidung gewartet hat! Konnte ja nieder Bericht über Impfschäden? So viele Pros im mand ahnen, dass das Bündel verwirrt Kopf und so viele Kontras, das ist doch komisch. werden kann wenn es statt an der Brust Ganz unerwartet trifft das Elternteil die Unfähigam Schnuller saugt, in beiden Fällen keit, hierzu Stellung zu beziehen. So viele Entscheivergeblich. Und ahnt auch nicht, dass dungen liegen noch vor ihm – wie kann es sein, dass gerade der Startschuss gefallen ist zu es bei dieser hier nicht weiß, was zu tun ist? Wieso einer wahren Entscheidungsorgie! stellt es sich überhaupt so an? Schließlich, sagt Mutti, Das mit dem Schnuller war nur der sagt Gabi, sagt unser Netz, sind wir alle irgendwie groß Anfang. geworden. Irgendwie.


Es geht um viel. Es geht um Wien. Am 10. Oktober entscheiden Sie über die Zukunft Wiens. Es geht dabei um die Menschen, die Werte und die Haltung in unserer Stadt. Überlassen Sie deshalb Ihre Stimme nicht anderen und gehen Sie bitte wählen. Ich lade Sie ein, mit mir gemeinsam den erfolgreichen Wiener Weg fortzusetzen.

535 35 35 wien.spoe.at

Dr. Michael Häupl


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die welt, die wir uns wünschen

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Wolfgang Smejkal

BILD

Christof Brockhoff

betrifft: enkeltauglichkeit Der Club Benefactum ist ein gemeinnütziges und parteipolitisch neutrales, interdisziplinäres Netzwerk, das sich für die Förderung nachhaltigen gesellschaftlichen Engagements in Liechtenstein einsetzt.

M

itte September 2010 fand an der Hochschule Vaduz, im Veranstaltungskalender zwischen dem Weiterbildungsseminar »Unvereinbarkeiten bei der österreichischen Privatstiftung« und »Liechtensteinische Steuerfachtagung 2010« gelegen, der dreitägige Kongress »Nachhaltige Entwicklung und verantwortliches Investieren« statt. Tagungsziel an dem finanzgewichtigen Ort war es, ein neues Verständnis dafür aufzuzeigen, welche Rolle Kapitalmärkte und Geschäftsideen auf dem Weg zu einer nachhaltigeren globalen Wirtschaft spielen können. Als Teilnehmer repräsentierte der 25-jährige Christof Brockhoff aus Schaan dabei eine regionale Nachhaltigkeitsinitiative, die er vor knapp zwei Jahren im Fürstentum gegründet hat. Der Club Benefactum (lat. Gutes Tun) ist eine Gruppe engagierter Menschen aus dem Alpenrheintal, die sich gegenseitig dabei unterstützen, zukunftsweisende Projekte in den Bereichen Wirtschaft, Bildung und Kultur zu starten. Im Frühling 2008 setzte Brockhoff mit einer Diplomarbeit zur Neudefinition der Philanthropie in Liechtenstein den Grundstein für die Benefactum-Bewegung. Nachdem seine Vorschläge für eine Neupositionierung der gemeinnützigen Landesstiftung nicht die gewünschte politische Unterstützung erhielten, beschloss er, die universitäre Auseinandersetzung mit den gängigen Wirtschaftstheorien abzubrechen und stattdessen mit dem erworbenen Wissen selbst Hand in der Praxis anzulegen. »Meine Ausgangsposition war es, neben jungen Menschen vor allem auch regionale Unternehmen, Institutionen und Privatpersonen dazu zu inspirieren, in Sachen

Nachhaltigkeit neue Wege zu gehen«, erzählt der 24-jährige Initiator. Dabei soll ein möglichst breites Spektrum an gemeinnützigen aber vor allem auch unternehmerischen Aktivitäten in Gang gesetzt und begleitet werden, welche die Nachhaltigkeit der Lebensqualität in der Region erhöhen.

Fabrique en Vienne Aus dem gemeinsamen Bedürfnis »etwas zu bewegen« sind schnell konkrete Projekte entstanden: BarCamps, Konzerte, Workshops, ein CD-Sampler, ein Kinderbuch, eine Grundeinkommensinitiative und natürlich das Benefactum Lab, der gemeinsame Co-Working Space in einem stillgelegten Hotel. Das Benefactum Lab ist eine Art Gemeinschaftsbüro und Netz-Werkstatt inmitten von Vaduz, welches allen Mitgliedern kostenfrei zur Verfügung steht. Durch die Förderung und Vernetzung finden Projektinitiativen dort die nötigen personellen und professionellen Ressourcen für die Umsetzung ihrer Idee und haben zugleich die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz einzurichten. Folgerichtig haben die Benefakter das Konzept für einen regionalen Online-Ideenkanal entwickelt, einem Ideenwettbewerb, bei dem junge Menschen unter 35 die Unterstützung von 25 Mentor/innen und jeweils 5.000,– Schweizer Franken für die Umsetzung ihrer Projekt­idee gewinnen können. Wie verbreitet und vernetzt man eigentlich sein persönliches Potenzial in einem relativ kleinen und eher konservativen Umfeld wie Liechtenstein? »Mit gutem Beispiel voran gehen, Stammtische pflegen, Feste feiern.


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Phalanx des Guten: Aus der Benefactum Initiative entstanden in den vergangenen zwei Jahren eine Vielzahl an Projektkooperationen im Alpenrheintal, wie z.B. der »Ideenkanal«.

Viele Menschen träumen von einer gerechteren Welt. Sie haben gute Ideen, vernetzen sich, werden laut. Doch leider agieren die meisten immer noch relativ isoliert voneinander und bündeln ihre Kräfte dadurch nicht. Dies möchte ich Christof Brockhoff, Club Benefactum ändern.

Soziale Medien nutzen, Informationen verwalten und frei zugänglich machen. Keine unnötigen Hierarchien aufbauen und vor allem Eigeninitiative fördern«, weiß Brockhoff aus dem Gründeralltag zu berichten. »Benefactum schafft Infrastruktur und bildet Bewusstsein, der Ideenkanal fördert Engagement und bietet fachliche sowie finanzielle Unterstützung und das MorgenLand Festival, das wir gerade für kommendes Frühjahr vorbereiten, erzeugt Lust an Veränderung und vernetzt Gleichgesinnte.« Auf die Frage, was denn bisher die außergewöhnlichste Erfahrung aus seinen Aktivitäten sei, hat Brockhoff eine ermutigende Erkenntnis parat: »Die Menschen, die mit unserer Gesellschaft am wenigsten klar kommen, sind meistens jene, von denen wir am meisten lernen können. Deshalb beeindruckt mich weniger die Umsetzung eines Projekts, sondern vielmehr die persönlichen Entwicklungen der zusammenwirkenden Personen. Dies ist auch der Grund, warum ich jeden Tag aufs Neue staune.« Das »MorgenLand Festival« findet erstmals vom 18. bis 22. Mai 2011 in Liechtenstein statt. Referenten, Workshop-Anbieter, Aussteller, Gastronomen, Schauspieler, Musiker und andere »Zukunftsspezialisten« laden fünf Tage lang zu einem internationalen Kultur- und Wissenschaftsfestival ins Alpenrheintal ein, um gemeinsam Wege in eine »enkeltaugliche« Zukunft zu erforschen und zu erproben. www.benefactum.li www.morgenland.li www.ideenkanal.com


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marktplatz

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Karin Pointner Magdalena Vukovic

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Hersteller

the good stuff Kind, Klamotten und Cremes – um so besser hier alles funktioniert, umso besser fühlen wir uns. Eine Sammlung von Feel Good-Produkten, die das Leben und uns selbst schöner machen. Denn wer sich gut fühlt, sieht gut aus und wer gut aussieht, fühlt sich gut.

Ein versautes Kleid In England ist People Tree schon längst kein Geheimtipp mehr. Das Label ist bekannt für seine femininen Schnitte, Kollaborationen mit jungen Designern und natürlich den fairen Handel. Dieses Schmuckstück aus Baumwolle mit Farbspritzer-Muster ist aufreizend kurz und tagsüber genauso ein Hingucker wie abends: besonders nett mit schwarzer Strumpfhose und hohen Schuhen. www.peopletree.co.uk


Schreib doch mal wieder!

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Beim Unternehmen Memo, ausgezeichnet mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis und zu dessen Philosophie es gehört, »qualitativ hochwertige, langlebige und ökologisch sinnvolle Produkte zu einem marktfähigen Preis« zu vertreiben, gibt es Briefwaren, bei denen nicht nur Karthografen das Herz höher schlagen lassen. Direkt recyceltes Original-Papier aus überholten Beständen diverser Landkartenverlage wird zu neuen Briefpapierprodukten verarbeitet. Diese Idee ist nicht nur ressourcensparend, sondern auch originell und authentisch. Veraltete Landkarten werden zu neuem Papier und Kuverts. Warum nicht wieder mal einen Brief an Mama schreiben? Am besten mit dem Memo-Kugelschreiber »Paper-Pen«. Der besteht nämlich zu 100% aus Recyclingpappe und ist in verschiedenen Farben im 10er-Pack erhältlich. Durch austauschbare Steckminen ist der Stift kein Wegwerfartikel. www.memo.de

Woom – Kleine Bikes für anspruchsvolle Kids. Durch ein Leasing-System wachsen die Räder gewissermaßen mit. Es zahlt sich aus in Qualität zu investieren.

Kind, tausch doch dein Fahrrad ein! Welches Geräusch machen Kinder, wenn sie das Wort »Fahrrad« hören? – Woom! Genau. Das Wiener Designstudio Bezdeka und der Händler und »Mountainbiker« Martin Rösner vertreiben ab Herbst qualitativ hochwertige, ergonomische Kinderfahrräder. Als Väter wissen Bezdeka und Rösner, dass das Angebot auf dem Kinderfahrradmarkt mehr als unbefriedigend ist. Sind gewöhnliche Kinderräder meist nur Kleinvarianten von Erwachsenenrädern, die wenig Rücksicht auf kindliches Fahrverhalten nehmen, sind Woom-Fahrräder speziell auf die Ergonomie von Kindern zwischen 2 und 12 Jahren angepasste Räder. Bei Woom bekommt man viel Sicherheit und hohe Materialqualität zu einem angemessenen Preis. Kindgerechte Reifengröße, geringer Griffdurchmesser, kleinen Kinderhänden angepasste Bremsen, Federgewicht und niedrige Durchschnittshöhe sind nur einige der innovativen Details für die kleinen Radler. Da viele Eltern meist nicht viel Geld für ein Kinderfahrrad ausgeben wollen, da die Bikes bald zu klein werden, hat sich Woom außerdem ein ressourcenschonendes Upgrading-System überlegt: Zur Auswahl stehen fünf, den jeweiligen Altersstufen angepasste Radmodelle. Das Rad wächst durch das Leasing-System quasi mit. Denn nach Rückgabe des gebrauchten Rades, das zum Normalpreis erworben wird, erhält man gegen einen geringen Aufpreis das nächstgrößere Fahrrad. Das gebrauchte Rad wird nach einem Rundumservice zu einem deutlich günstigeren Preis außerhalb des Leasing-Systems verkauft. Bezdeka und sein Team arbeiten nunmehr seit eineinhalb Jahren am Projekt. Ab Herbst werden die ersten Woom-Räder in den »Mountainbiker«-Filialen vertrieben, weitere Fahrradshops folgen. www.mountainbiker.at

Der Niedlichste Kinderparka von Kissa Bei der Kindermode von Kissa fragt man sich schon mal, warum es das nicht auch für Erwachsene gibt. Die Berliner Kinderbuchautorin Sybille Hein verschönert die wunderbareinfachen Kleidungsstücke mit ihren entzückenden Zeichnungen, von Katzen, Monstern oder Piraten. Der Parka für den Winter ist aus Biobaumwolle und bestickt mit einem netten, kleinen Kerl, der Eltern sicher alle mal lieber ist als Alf oder Spiderman. www.kissa-kinderwelten.de


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marktplatz

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1 // Unverschämt hohe Keilsandalen Das Label Vilde Svaner wurde 2008 Anne Gorke und Antje Wolter in Deutschland gegründet und steht für Nachhaltigkeit und Anti-Biobaumwoll-Basics-Fadesse. Die beiden jungen Designerinnen kreieren mitunter aufregende Abendmode, allerhand ausgefallenes Alltagstaugliches oder auch diese dramatischen Keilsandalen aus natürlich gebeiztem Lindenholz und gefärbten Jeans-Streifen. Die sind endlich richtig hoch und unpraktisch, aber sooo schön. www.vildesvaner.com

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2 // Gloss and Vibrancy Shampoo Endlich gibt es auch Produkte fürs Haar von der lettischen Kosmetikfirma Madara. Das Shampoo ist mit allem angereichert was die baltischen Wälder so zu bieten haben, von Lindenblüten bis Hopfen. Es schont die Kopfhaut, verleiht Glanz und duftet wie gewohnt wunderbar. Die Verpackung ist, ebenso wie deren leichtbekleidets Werbe-Model, auch wieder ganz bezaubernd. www.madaracosmetics.at

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4 // Ein fast echter Norweger-Pulli

6 // Jasmine & Grapefruit Organic Deodorant

Der Winter kommt bestimmt und kann am meisten genossen werden, wenn man ihm mit der richtigen Ausrüstung begegnet, wie z.B. einem stilechten Norweger-Pullover. Hier in der Light-Variante aus Bio-Baumwolle vom dänischen Label Knowledge Cotton Apparel, ist er zwar nicht so warm wie sein Vorbild aus Schurwolle, dafür aber umso anschmiegsamer. www.knowledgecottonapparel.com

Dieses kleine Sprühdeo in praktischer, reisetauglicher Verpackung riecht erfrischend und lecker nach Grapefruit und anderen Zitrusfrüchten. Wie es sich für ein anständiges Deo gehört, lässt es einen auch im blauen Hemd nicht im Stich und das ganz ohne Aluminiumsalze. Durch den hohen Alkoholgehalt ist es aber auf frisch rasierter Haut natürlich etwas schmerzhaft. www.erbaviva.com

5 // Lindenblüten-Balsam

7 // Seidenpuder

Es wird Zeit, dass man etwas mehr von dieser österreichischen Kosmetikmarke hört. Gründer und sympathischer Aussteiger Markus Forster hat aus einem tiefen Verständnis für Heilpflanzen heraus, beschlossen wirklich wirksame Produkte zu machen. Der AllzweckBalsam mit Sheabutter und Lindenblüten zum Beispiel ist auch für echte Problemhaut geeignet, hilft langfristig gegen raue Stellen und kann rechtzeitig angewandt sogar Fieberblasen stoppen. www.ambient.info

Obgleich dieses Produkt leider nicht ganz billig ist, gehört es dennoch zu unseren Favoriten. Mit seinem einzigartigen cremigweichen Duft von Reis, Salbei und Moos fühlt es sich an wie ein Seidekokon, der sich schützend um die Haut legt. Angereichert mit echtem Seidenpulver, nährt und mattiert es die Haut, ist damit aber leider nichts für strikte Veganer. Wie jedes andere Puder lässt es sich auch als (zugegeben) mildes Deo verwenden. www.hauschka.at

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3 // Augen-Pflegecreme Die empfindliche Partie um die Augen will genährt und geschützt werden, am besten mit einem sanften, reichhaltigen und vorallem duftneutralen Produkt. Ob die Augen dann auch tatsächlich so strahlend schön werden, wie die Packung verspricht ist natürlich fraglich, aber das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt hervorragend und die Creme ist vom BDIH zertifiziert. www.natuderm-botanics.de


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viennale

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Very Strange Cargo Ist der Transportcontainer die Pandorabüchse des Turbokapitalismus? Im Essayfilm »The Forgotten Space« spüren Allan Sekula und Noël Burch den Routen des internationalen Warenverkehrs nach.

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enn Allan Sekula auf das Meer schaut, fallen ihm nicht erhabene Weite und Fernweh ein, sondern die Wetterkapriolen des modernen Kapitalismus: In seiner Fotoserie »Fish Story« (1995) untersuchte der renommierte Fotokünstler Häfen und Frachtschiffrouten als geheime Hauptschauplätze des Konsumkapitalismus, im Filmtagebuch »The Lottery of the Sea« (2005) führte er Adam Smiths Wirtschaftslehre von der unsichtbaren Hand des Marktes auf ihre nautische Metaphorik zurück. Gemeinsam mit dem Filmtheoretiker und Filmemacher Noël Burch hat Sekula nun noch einmal Häfen in Europa, Asien und Nordamerika besucht, um den materiellen Spuren unserer angeblich so abstrakten Weltwirtschaft nachzuspüren. »The Forgotten Space«, der Titel des Essayfilms, meint zuerst einmal die spezifischen Orte, die das Filmteam besucht hat – eine chinesische Fabrik, ein

koreanisches Frachtschiff, ein einsamer Präzisionsarbeitsplatz am automatisierten Rotterdamer Hafen … – und die kaum je in den Blick einer westlichen Konsumentenöffentlichkeit geraten.

Auf Kurs zum groSSen Knall? Darüber hinaus spielt der Filmtitel auf ein generelles Unsichtbarwerden der Produktionsverhältnisse im Spätkapitalismus an, das Sekula und Burch – wiederum sehr konkret – am Gegenstand des Transportcontainers festmachen: Mit diesen farbigen Metallkisten in normierter Größe hat der Unternehmer Malcom McLean Mitte der 50er Jahre das internationale Transportwesen revolutioniert. Die »Containerisierung« des Warenverkehrs senkte in den Nachkriegsjahrzehnten die Kosten des Güterimports drastisch, erschütterte die Arbeitsstruktur der Hä-


Joachim Schätz

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Viennale

fen und machte die Auslagerung von Produktionsstätten in asiatische Staaten mit geringeren Lohnkosten lukrativ. Der eigentliche Skandal der Metallboxen scheint für Sekula und Burch aber einer der Sichtbarkeit: Die Container geben keinen Hinweis auf ihren jeweiligen Inhalt und fordern damit geradezu auf, unsere Abhängigkeit von Importen aus Billiglohnländern zu vergessen. Selbst die großen Hafenanlagen, die früher in urbanen Metropolen ein deutliches Zeichen des internationalen Seehandels setzten, sind längst in bevölkerungsarme Zonen ausgelagert worden. Produktionsverhältnisse wieder erfahrbar zu machen, bedeutet in »The Forgotten Space« aber nicht einfach die dokumentarische Bebilderung von Häfen und Fabriken, sondern eine Montage, die aus Bruchstücken Zusammenhänge gewinnt: Ein von Sekula gesprochener Off-Kommentar verwebt Beobachtungen und Interviews (Kamera: Wolfgang Thaler, Attila Boa) mit einschlägigem Archivmaterial und metaphorisch gesetzten Spielfilmausschnitten. Im frechsten Moment ikonografischer Aneignung wird der moderne Transportcontainer mit der nuklearen Pandorabüchse aus Robert Aldrichs NoirKlassiker »Kiss Me Deadly« assoziiert. Burch und Sekula malen zwar nicht den nächsten großen Wirtschafts-GAU an die Bordwand. Zwischen Börsensturz in Hongkong, Ausbeutung im chinesischen Hinterland und Hafentourismus in Bilbao entsteht aber doch das plastische Bild einer Weltökonomie, deren Trennung in produzierende und konsumierende Staaten mittelfristig alles andere als reibungslos erscheint. So schlüssig die generelle Stoßrichtung ist, schwankt die Überzeugungskraft der einzelnen Kapitel von »The Forgotten Space« doch beträchtlich. In den Abschnitten, die von Europa handeln, wirkt die Kritik mitunter kurios rückwärtsgewandt. Wenn der Film der Schönheit von Dampfloks und dem handwerklichen Raffinement von Holzschuhen nachweint, dann springt er selbst auf jenen folkloristischen Nostalgiezug auf, den er an anderer Stelle als Scheinlösung anprangert. Umso sehenswerter sind die Abschnitte in China und auf einem koreanischen Frachtschiff: weil die sozialen Spannungen hier so augenfällig sind, dass sich wohlfeile Ausflüchte in die Vergangenheit von selbst verbieten. »The Forgotten Space« – auf den Filmfestspielen in Venedig mit dem Spezialpreis der Jury in der Programmschiene »orrizonti« ausgezeichnet – wird auf der Viennale (21. Oktober bis 3. November) in Wien gezeigt. www.viennale.at

Natur

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Biorama Nº. 12

slow:feed / Wolfgang Smejkal

foto Aurore Deligny

Weise: Die belgische Stadt Gent propagiert zumindest einen fleischfreien Tag. Vom kulturellen Wandel unserer Essgewohnheiten.

kein beilagenesser

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»Beim richtigen Rezept für den vollendeten Genuss spielt inzwischen der Faktor Nach­haltigkeit eine unübersehbare Rolle.«

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m Paradies der Fleischfreuden schien Gefahr in Verzug. Es war schlichtweg eine Sensation in der internationalen Gourmet-Szene, als der französischer Spitzenkoch Alain Passard vor knapp zehn Jahren dem Guide Michelin seine radikaFleischlos genießen im »L Apège« in Paris. le Entscheidung verkündete: Von nun an verzichte er in seinem Pariser Restaurant »L Apège« auf die Zubereitung sämtlicher Sorten von rotem Fleisch. Erde als je zuvor, Schätzungen sprechen Auch heuer konnte er wieder seine drei Sterne halvon 60 Milliarden, und die derzeitige ten, obwohl Gemüse nach wie vor Hauptdarsteller Jahres-Fleischproduktion soll sich bis auf seinen raffiniert dekorierten Tellern ist. In2050 angeblich verdoppeln. In den Niezwischen lässt der 52-jährige Gastronom an drei derlanden werden bereits eiweißreiche verschiedenen Standorten jährlich 40 Tonnen Alternativlebensmittel aus Pflanzen, AlBio-Gemüse für sein Restaurant anbauen – und gen oder gar Insekten erprobt und an der das nicht nur ohne Pestizide, sondern auch Universität von Maastricht wird versuchsohne den Einsatz von Maschinen. Das Gemüse weise an künstlichem Fleisch geforscht. aus der »Region« bedeutete über lange Zeiten In einer kulinarischen Ästhetik des guten aber auch eingeschränktes Angebot und einGeschmacks erscheint der mit gutem Gefühl fache, wenn auch häufig mühsame Zubereigedämpfte Grünkohl zur selbstgemachten tung. Heute wird die nahegelegene Region Buchweizen-Crepe bereits heute die genussbei Erzeugnissen der Landwirtschaft als ein vollere Alternative zur Tiefkühl-Entenbrust weiteres Qualitätssiegel für Genuss assoaus dem Schlemmer-Land. Und ein fleischfreiziiert, das für viele im Einkaufsverhalten er Wochentag, wie ihn die belgische Stadt Gent ähnlich wichtig wie eine nachvollziehals erste europäische Großstadt seit einem Jahr bare organische Anbauweise ist. Genusskommunal und mit wachsender Beteiligung seivolles Slow-Food ist also auch für Nichtner Bürger propagiert, weist in eine Richtung, Restaurantbesucher durchaus leistbar die der Meinungsbildung über gute und schlechte – eine mögliche Hemmschwelle dafür Essgewohnheiten – schließlich gibt es kaum einen stellt die tief sitzende kulturelle PräLebensbereich, der privater, individueller und sinngung dar, dass Gemüse bestenfalls als licher wäre als die Ernährung – einen sachlichen Beilage, nicht aber als Hauptgericht öffentlichen Diskurs ermöglicht. Denn letztlich will geeignet ist. Beim richtigen Rezept sich niemand vorschreiben lassen, was und wie er für den vollendeten Genuss spielt eines Tages zu essen hätte. aber inzwischen der Faktor Nach­haltigkeit eine unübersehbare Rolle. Wolfgang Smejkal bloggt unter Slow:feed auf Heute leben mehr Nutztiere auf der www.biorama.eu


Glanz und Elend der Know Nothing Gesellschaft. Gesammelt im leistbaren Prachtband.

e üchtigt Die ber s u a e Kolumn

Illbilly the K.I.T.T. Jetzt unter dem Ladentisch und im gut sortierten Buchhandel. »Wer ist dieser Perversling?« »Eines der begnadetsten Schandmäuler überhaupt.« »Ich möchte kein Teil der ›Know Nothing Gesellschaft‹ sein.« »Was denkt sich der Junge bloß dabei?« »Ein bissl ein Saubartl.«

(Posting auf thegap.at) (Martin G. Wanko) (Susi Ondrušová, FM4) (Mama) (Thomas Maurer)

www.facebook.com / illbilly —— www.thegap.at Mit Bildern von: www.jakobkirchmayr.com


Biorama Nº. 12 und hinter mir die sintflut / Johanna Stögmüller

foto Fotolia

Oh bitte, nimmt irgendjemand den Nimbus des guten Öko-Gewissens von ihm, damit ich wieder ruhig schlafen kann.

der bulgur-mann

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»Könnte ja sein, dass Sie glauben, die Welt sei ganz in Ordnung …«

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achdem der Typ Anfang 30 seinen Räuchertofu und die vier Bulgur-Packungen am Förderband abgelegt hat, dreht er sich mit zufriedenem Blick und einem weltumarmenden Lächeln kurz zu mir um und ich krieg fast einen Herzinfarkt. Weil dieser Heiligenschein über seinem Kopf ist jetzt echt zuviel. NatürGenuss und Gewissen lich bild ich mir den nur ein, aber würde nicht der an vorderster Front Satz »Change will happen, when you change yourEr macht mich fertig, der Bulgur-Mann self« auf seine Baumwolltasche gebügelt sein und mit seinem Strahlenkranz. Doch eh alwürde er nicht aussehen wie der Prototyp eines les nur fake, sagt da eine Studie. Alles gar Kulturkreativen der ersten Stunde, dann wär’s nicht so glamourös, wie es scheint. Alles wahrscheinlich nie so weit gekommen. Dass Pharisäer, Egoisten, konservative Konsumer vorhin auch noch der Oma mit den Aschenhedonisten … Lifestyle-Ökos! Pfui. Anstatt becher-Brillengläsern die guten Zwetschken sich nämlich vor einem Atomkraftwerk aneinzeln in ihren Einkaufskorb gebettet und ketten zu lassen oder bei der Weltklimakondraußen vor dem Bio-Supermarkt mit ziemferenz zu demonstrieren, ist der Geist des licher Sicherheit sein Fahrrad geparkt hat, Bulgur-Mannes – laut Studie – zwar willig, sein mit dem er gleich in seine Wohnung fährt, Fleisch aber schwach. Ein bisschen bio reicht wo Ökostrom und Windowfarm auf ihn warihm schon. Mit Verzicht hat das alles nichts zu ten – das ist einfach zu viel des Guten. Oh tun. Mit Politik schon gar nichts. An vorderster bitte, nimmt irgendjemand den Nimbus des Front stehen der Genuss und das Gewissen. guten Öko-Gewissens von ihm, damit ich Bulgur-Mann, bist du wirklich so, wie plötzlich wieder ruhig schlafen kann und mich in alle behaupten? Bist du ein verkappter Hedonist? seiner Gegenwart nicht so fühlen muss, Einer, der den Weg des geringsten Widerstandes als wäre ich ganz allein schuld an diesem geht, seine grüne Seele schon verkauft hat, ehe er Eisbär, der mitten in der Arktis auf einer sie überhaupt besessen hat? Eisscholle übers Polarmeer treibt, ein»Zwetschke?«. »Was?«, frag ich. »Zwetschke?«, sam und allein. Ich fühle mich schlecht. wiederholt der Bulgur-Mann etwas lauter und hält Im Moment ist ja sogar der Papst ein mir ein pralles, dunkelblau-violettes Ding vor die Heiliger. Der hat immerhin auf dem Nase. »Warst du schon mal vor einem Atomkraftwerk Dach seiner Audienzhalle im Vatikan angekettet?«, frag ich ihn. »Nicht nur einmal«, sagt der Solarplatten montieren lassen. Bulgur-Mann.


Unsere Bauern bringen’s:

Wir sind Bio-Weltmeister

Unsere Bauern schauen auf uns und unsere Natur: Ein Fünftel der landwirtschaftlichen Fläche Österreichs wird biologisch bewirtschaftet – Tendenz weiterhin steigend. Kein Land schafft mehr. Unsere Bauern bringen’s: Leistungen, die unbezahlbar sind. Umweltminister Niki Berlakovich


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