BIORAMA #36

Page 1

P.B.B. — 11Z038861 M — 1040 WIEN —— WWW.FACEBOOK.COM/BIORAMA

KOSTENLOS — ABER ABONNIERBAR

AUSGABE 36 — MAI / JUNI 2015. WWW.BIORAMA.EU

.36

ZUHAUSE DRAUSSEN Balkone zwischen Freiluft-Wohnzimmer und Fassaden-Element Online Shopping: Wo soll er stattfinden, der bewusste Konsum? Wohnpark Alt-Erlaa: Fotos aus der Satellitenstadt Sinn City: Neue Serie rund um die Stadt

— — —

54 31 49


Das Raiffeisen Yellow Bike! Nicht nur limited, sondern auch special – das Raiffeisen Yellow Bike exklusiv um EUR 499,–. www.raiffeisenbank.at/yellowbike



BIORAMA Nº. 36

AUFTAKT

04

INHALT

07 Editorial 10 Global Village Die Welt im Großen & Kleinen

18

Schwerpunkt: Balkon

18 Balkontraste Im Freiluftvergleich: Wien und Berlin 22 Welcher Balkontyp bist Du? Von Ausstattungsfetischist bis Verbarrikadierer: eine Typologie 24 Permakultur auf dem Balkon Judith Anger im Interview 28 My Balkon is my Castle Und wie nutzt man die knappe Fläche optimal? 31 Was heisst hier Plattenbau? Hertha Hurnaus in Alt-Erlaa 36 Hochwertiges für den Balkon Gimmicks für’s Freiluftzimmer

Magazin 38 Wo das Radabstellen am schönsten ist Eine Designkritik 46 Altes Wissen für neue Gärten Wie Niederösterreich Kunstdünger und Pestizide aus Gärten verbannen möchte 49 Sinn City Im Gastbeitrag verschmelzen Stadt und Land 54 Handel im Wandel Wo soll bewusster Konsum stattfinden? 57 Wie die Landwirtschaft auf ihren Burnout zusteuert Tanja Busse im Interview über Intensivtierhaltung

Marktplatz 64 Durchgekaut Kaugummis im Test 66 DIY-Rezept Eine Persische Frittata 70 Crème de la Crème Im Test: Tages-Crèmes

in wien beginnt der balkon

Kolumnen

Wer einmal einen hatte, möchte nie wieder ohne einen Leben. Die Rede ist vom Balkon, dem wir uns im Schwerpunkt dieser Ausgabe widmen. Was in Wien fast noch eine Seltenheit ist, gehört in vielen Großstädten mehr oder weniger zur Standardausstattung einer Wohnung. Wer nutzt sein Freiluftzimmer wo und wie? Wie nutzt man es optimal und was kann dabei hilfreich sein?

62 Glasgeflüster 69 Speis & Trank 74 Elternalltag 76 Die Welt, die wir uns wünschen 78 Gregorianische Moral


.36

FOTO John Donges / flickr.com

57

über wegwerfkühe

Tanja Busse hat ein lesenswertes Buch über die Fehlentwicklungen in der modernen Agrar-Industrie geschrieben. Darin geht sie der Frage nach, welche Mechanismen es sind, die Landwirtinnen und Landwirte dazu treiben, vom bäuerlichen auf den industriellen Agrarbetrieb umzustellen. Wir haben mit der Autorin gesprochen.

49

32

sinn city

harry glücks wohnbauten

DerWohnpark Alt-Erlaa gilt vielen als Musterbeispiel für eine funktionierende Satellitenstadt. In unserer Fotostrecke zeigt Hertha Hurnaus die Großsiedlung im Süden Wiens.

Von nun an regelmäßig werden wir uns unter dem Titel Sinn City Fragen rund um die Stadt widmen, und dabei setzt Biorama auf fachliche Expertise. Als Auftakt zur Urbanismus-Reihe hat OIKODROM, Institut für urbane Nachhaltigkeit ein Plädoyer für den Blick über die Stadtgrenze beigesteuert. BIORAMA Anzeige Inhaltsverzeichnis.indd 1

01.04.15 23:57


Š Fuhrer

Entgeltliche Einschaltung

NiederĂśsterreichische Landesausstellung 2015 jetzt Fan werden! noe-landesausstellung.at

25 . APRIL BIS 1 . NOVEMBER


BIORAMA Nº. 36

EDITORIAL, IMPRESSUM

07

DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHE FREUNDSCHAFT

A

Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu @th_weber

LESERSAFARI WIR LADEN WIEDER IN DIE NATUR! Am Samstag, 13.Juni geht es in den Nationalpark Donauauen. Dort gehen wir auf Lesersafari und widmen uns einer bedrohten Bewohnerin der danubischen Feuchtgebiete: Emys orbicularis. Das ist die Europäische Sumpfschildkröte. Die gelb gesprenkelte Art ist »Reptil des Jahres 2015«. Nach dem Start am Nationalparkzentrum Schloss Orth um 8.30 Uhr werden die TeilnehmerInnen der Lesersafari nicht nur viel über die Lebensweise der Schildkröten lernen, sondern sie werden auch selbst an der Datenerhebung vor Ort beteiligt. Für Interessierte, die aus Wien anreisen, wird es einen gemeinsamen Treffpunkt geben. Nähere Infos nach Voranmeldung unter lesersafari@biorama.eu

IMPRESSUM HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEUR Thomas Stollenwerk AUTOREN Mirjam Bromundt, Sylvia Buchacher, Karin Chladek, Chris Cummins, Iwona Dullinger, Anne Erwand, Juliane Fischer, Doris Fröhlich, Miriam Frühstück, Tina Gallach, Yannick Gotthardt, Katharina Grabner, Christa Grünberg, Susanna Hagen, Micky Klemsch, Ellen Köhrer, Franz Knipp, Sarah Krobath, Astrid Kuffner, Sarah Latussek, Martin Mühl, Ursel Nendzig, Susanne Posegga, Julia Preinerstorfer, Sebastian Rahs, Theres Rathmanner, Parvin Razavi, Werner Reiter, Teresa Reiter, Matthias Schickhofer, Jürgen Schmücking, Katja Schwemmers, Mara Simperler, Wolfgang Smejkal, Anna Sperber, Sarah Stamatiou, Werner Sturmberger, Erwin Uhrmann, Julia Unterlechner, Katharina Wiesler, Jörg Wipplinger PRAKTIKUM Ines Kerschbaumer, Helena Zottmann COVERBILD iStock FOTOGRAFIE ILLUSTRATIONEN Katharina Hüttler / agentazur.com GESTALTUNG Elisabeth Els, Sig Ganhör, Manuel Fronhofer, Erli Grünzweil, Katharina Kvasnicka, Thomas Wieflingseder LEKTORAT Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer ANZEIGENVERKAUF Herwig Bauer, Micky Klemsch (Leitung), Thomas Weber WEB SuperFi, m-otion DRUCK Niederösterreichisches Pressehaus, Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H. Gutenbergstrasse 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Favoritenstraße 4–6 / III, 1040 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Favoritenstraße 4–6 / III, 1040 Wien; Tel. +43 1 9076766; www.biorama.eu, redaktion@biorama.eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT siehe Website: www.biorama.eu ERSCHEINUNGSWEISE 6 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien VERLAGSPOSTAMT 1040 Wien BLATTLINIE Biorama ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für Mensch und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. Biorama erscheint sechsmal im Jahr.

FOTO Michael Winkelmann

uch wenn wir dank diesem Welthit von Wanda dieser Tage alle im Ohr haben, wie schwer es ist, das Auseinandergehen: S‘ist doch gut, dass wir in Bewegung bleiben. Und deshalb lassen wir hier schweren Herzens von Johanna Stögmüller los, die uns fast vier Jahre als Chefredakteurin und davor schon als Kolumnistin begleitet und biorama maßgeblich mitgeprägt hat. Nein, auch wenn das jetzt klingen mag wie ein Nachruf: Dass es Menschen wie Johanna in die Politik zieht, ist ein Glücksfall! Und so sehr sie unserem Team auch fehlen wird, so sehr wünschen wir ihr im Kommunikationsteam der Grünen Partei nun alles Gute. Uns freut, dass sie versprochen hat, uns bei Themen, wo es keinerlei journalistischen Interessenkonflikt mit ihrer neuen Aufgabe gibt, punktuell als Autorin erhalten zu bleiben. Die Entscheidung, wer künftig die Chefredaktion über hat, haben wir uns nicht leicht gemacht. Es gab eine Vielzahl toller Bewerbungen. Letztlich haben wir uns für einen Kollegen entschieden, der regelmäßigen Lesern kein Unbekannter ist: Seit er vor zwei Jahren als Praktikant bei uns begonnen hat, steuerte Thomas Stollenwerk als Freelancer zu fast jeder Ausgabe einen oder gleich mehrere Artikel bei; öfter auch die Coverstory. Jetzt heißt es also: Welcome to the Jungle! Wobei wir nicht nur seinen trockenen Witz als Bereicherung empfinden, sondern auch Thomas‘ akademische Versiertheit schätzen. Seine Uni-Abschlussarbeit über die Europäische Agrarpolitik ist am Fertigwerden. Und dass er Ahnung hat, belegt der gebürtige Westfale einmal mehr im Interview – diesmal hat er mit der deutschen Agrarjournalistin Tanja Busse über deren neues Buch »Die Wegwerfkuh« gesprochen (siehe Seite 56). Die deutsch-österreichische Freundschaft pflegt auch gleich der Eingangsartikel unseres diesmaligen BalkonSchwerpunkts: Yannick Gotthardt, ebenfalls Wahlwiener mit deutschen Wurzeln, vergleicht die beiden Metropolen Wien und Berlin balkontechnisch. Ebenfalls neu: die Kolumne von Diana Gregor auf der allerletzten Seite. Und ab dieser Ausgabe beginnt unsere Serie »Sinn City« zur Zukunft der Stadt – in Kooperation mit unserem Schwestermagazin The Gap, TED X Vienna und dem Institut oikodrom. Was uns wie immer freut: euer Feedback. Und einstweilen wünschen wir uns und euch einen schönen Frühling!


BIORAMA Nยบ. 36

08

BILDER DER AUSGABE


PLASTIKMÜLL

ENDSTATION MEER? Wie viel Müll in den Weltmeeren bereits herumtreibt, kann niemand mit Sicherheit sagen. Sicher ist, dass kein einziger Quadratkilometer Meer frei von Plastik ist. Als Mikroplastik gelangen die Teilchen bereits in unsere Nahrungskette. In Verbindung mit Meeresgeröll haben sich auch schon neuartige Gesteine gebildet: Plastiglomerate. Das klingt so unschön wie es ist.

TEXT Helena Zottmann BILD Plastikmüll am Strand, Papahanaumokuakea Marine National Monument, 2006, Foto © Paulo Maurin / NOAA

09


BIORAMA Nยบ. 36

10

BILDER DER AUSGABE


Die Ausstellung »Endstation Meer?« nähert sich dem Problem künstlerisch an und will mit einer internationalen Wanderausstellung Bewusstsein schaffen. Das Museum für Gestaltung Zürich initiierte die Ausstellung, die ab Mitte April Station in Graz macht. Sie soll einmal mehr die Konsequenzen des ungebremsten Plastikkonsums aufzeigen und stellt Ansätze vor, wie man die Probleme in den Griff bekommen könnte. »Endstation Meer? Das Plastikmüll-Projekt« Ab 17. April im Naturkundemuseum Joanneumsviertel Graz

BILD Plastikmüll am Strand, Papahanaumokuakea Marine National Monument, 2006, Foto © Paulo Maurin / NOAA

11


BIORAMA Nº. 36

Was soll das eigentlich? Regenwald abholzen für noch billigere Lebensmittel? Gigantische Monokulturen für eine besonders günstige Margarine? Nicht mit uns. Auch wenn Palmöl fixer Bestandteil vieler Lebensmittel im Supermarkt ist, so ist es auch verantwortlich für unvorstellbare Naturzerstörung. Daher setzen wir auf 100% palmfettfreie Produktion. Erfahren Sie mehr auf www.sonnentor.com/palmoelfrei

GLOBAL VILLAGE

Auch auf www.biorama.eu gibt es Interessantes zu entdecken. Hier eine Auswahl aktueller Interviews, Artikel und Videos unserer Online-Dependance:

1

Alles in

Butter statt Palmöl.

8 Apps für das gute Leben Wir haben uns Apps angesehen, die dabei helfen sollen, den KonsumentInnen-Alltag bewusster zu gestalten. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber mit ein paar wirklich sinnvollen Helfern für’s Handy. www.biorama.eu/8-apps-fur-das-gute-leben

Sonnentor Bäuerin Elfi Prohaska

Auch Parma-Schinken ist ein regionales Produkt Mit Otto Bauer, dem Manager der Bio-Marke „Natürlich für uns“ haben wir uns über patriotischen Konsum und darüber, was Menschen unter „regional“ verstehen, unterhalten. www.biorama.eu/ottobaueriv

PALMÖL

FREI Sonnentor produziert 100% palmölfrei!

Birkensaft selber zapfen - Das How-to Auf unserer Website gewähren uns Monika und Mario Thauerböck immer wieder Einblicke in ihren Alltag auf dem eigenen Bio-Hof. Dieses Mal zeigen sie uns, wie man selbst Birkensaft zapft. www.biorama.eu/birkensaft


13

STREET TALK WIR FRAGEN, FÜNF GENÜGSAME ANTWORTEN.

Heidi 61, Pensionistin Das Erben habe ich schon hinter mir. Ich habe eine Wohnung in Wien geerbt und die werde auch ich vererben.

Jan-Christoph 38, Diplomat

Gerhard 52, Selbständig

Ich habe schon geerbt! Das Rezept für Königsberger Klopse von meiner Großmutter aus Ostpreußen.

Ich bin kein Erbe, aber ich werde vererben. Leute, denen es geglückt ist, vom Geld ihrer Eltern zu leben, kenne ich nur aus Gerüchten.

Sabine 56, Hausfrau und Mutter:

Lilian 14, Schülerin (Tochter von Sabine)

Ich habe eine Wohnung geerbt, die werden wiederum meine Kinder erben. Erben ist etwas Gutes, denn Wohnraum wird immer knapper, doch man muss sich natürlich auch um das Erbe kümmern, damit es einem nicht zwischen den Fingern zerrinnt.

Wenn jemand Schulden vererbt, ist es vielleicht nicht so gut für den Beerbten.

LINKS TEXT ### — RECHTS INTERVIEW UND BILD ###

» WAS WIRST DU EINMAL ERBEN?«


BIORAMA Nº. 36

GLOBAL VILLAGE

Seit 30 Jahren stellen wir ökologisch unbedenkliche Wasch- und Reinigungsmittel von höchster Qualität und Effizienz her und:

wir denken noch weiter.

Uni Sapon Null-Müll-Konzept

1 Nicht jeder Fleck braucht ein eigenes Putzmittel = weniger Verpackungsmaterial

2 Konzentrate zum Selber - Mischen = weniger Transporte / weniger Co2 weniger Müll

3 Alle retournierten Nachfüllgebinde werden wieder befüllt =

Null Müll

SEIT 1984

Mehr Informationen unter www.uni-sapon.com

NÖLA 2015

MIT WANDERSCHUH UND PANORAMABLICK »Ötscher:reich – die Alpen und wir« heißt heuer die Niederösterreichische Landesausstellung von 25. April bis 1. November. Die Ausstellung nimmt die Besucher auf eine Expedition in die alpinen Regionen des Mostviertels mit. Dabei bieten sich drei Standorte als Ausstellungsfläche an: Die Reise beginnt in Frankenfels, hier ist das neue Betriebszentrum Laubenbachmühle zu besichtigen – alpiner Lebensraum des Menschen, regionale Landwirtschaft, Tourismus und Pilgern stehen dabei im Fokus. Die Mariazellerbahn bringt die Besucher dann weiter auf ihrer Wanderung zur zweiten Station Wienerbruck und damit auch zum neuen Naturparkzentrum ÖtscherBasis. Schlussendlich macht die Niederösterreichische Landesausstellung ihren letzten Halt in Neubruck bei Scheibbs. Eisenverarbeitung, Hammerschmiede und Walzwerke stehen hier beispielhaft für die Pionierfähigkeit der Alpen und die Schau stellt die Frage: »Wer ist heute federführend und wer morgen?« Die Ausstellung verbindet Geschichtliches, einzigartige Ausstellungsräume und Naturpanoramen. Wanderschuhe mitnehmen – sie könnten von Vorteil sein.


UMWELTSÜNDER-RANKING

TRENDSETTER AUF DEM DETOX-CATWALK 2011 nannte Greenpeace Modelabels, die giftig produzieren, beim Namen. Wer es 2015 besser macht, wird nun auf einem imaginären Laufsteg bilanziert. Kein Unternehmen auf dem Detox-Catwalk – zu deutsch Entgiftungslaufsteg – ist wegen rühmlichen Handelns dort hingekommen. Die Verwendung von gesundheitsgefährdenden Chemikalien, die Abgabe giftiger Stoffe in Gewässer oder auch die Produktion von toxischer Kleidung haben sie vor einigen Jahren da hingebracht. Einige Firmen wollten sich damals verbessern, andere Firmen haben sich verbessert und ganz andere ignorierten die Aufforderung von Greenpeace. Drei Gruppen gibt es damit auf dem Detox-Catwalk. Zu den »Trendsettern« zählen alle Unternehmen, die in der Vergangenheit bereits sauber handelten und es noch tun. Vor allem Billigketten wie H&M und Primark erhalten Bestnoten, auch Benetton, Esprit, C&A, Adidas und Mango sind Vorreiter. »Greenwasher« hingegen haben sich zwar auch zu Detox bekannt, bisher aber wenig getan, um eine Umweltverschmutzung durch giftige Chemikalien zu verhindern. Dazu gehören die Sportartikelhersteller Li-Ning und Nike. Die beiden wollten zwar gerne etwas verbessern, laut Greenpeace passierte effektiv aber nicht viel. Die »Schlusslichter« hingegen hatten bisher kein Interesse an einer Detox-

Verpflichtung. Gerade Luxusmarken wie Louis Vuitton, Armani, Versace, D&G, Diesel oder Hermès verlieren auf dem Catwalk und sollten sich schämen. Greenpeace zieht mit seinem Detox-Laufsteg heuer also öffentlich Zwischenbilanz. 2011 wurden eben diese Modefirmen und auch Zulieferer, denen beispielsweise die Abgabe giftiger Substanzen in Gewässer nachgewiesen werden konnte, aufgefordert, dies umgehend zu stoppen. Modeinteressierte, Blogger, Aktivisten und auch Konsumenten erhöhten den Druck auf betroffene Firmen damals so stark, dass viele Labels sich zum Handeln veranlasst sahen. Internationale Marken verpflichteten sich zur Detox-Kampagne – es wurde also Besserung gelobt und versprochen, bis spätestens 2020 weder in der internationalen Lieferkette noch in den Produkten toxische Stoffe zu verwenden und freizusetzen. Heuer zeigte sich also erstmals, wer Worten auch Taten folgen ließ und welche Firmen vor allem durch Nichtstun von sich reden machten. Man darf also schon gespannt sein, wer sich in fünf Jahren auf dem Catwalk von Greenpeace feiern lassen darf und wer nicht.

LINKS TEXT Ines Kerschbaumer BILD weinfranz.com — RECHTS TEXT Ines Kerschbaumer BILD Greenpeace / Hati Kecil Visuals

15


www.ebswien.at/e_os

Scheiße sagt man nicht!

20 20 Entgeltliche Einschaltung.

Ab 2020 erzeugt die Hauptkläranlage Wien aus dem Klärschlamm von 1,8 Mio. WienerInnen Ökostrom.

20 19

20

18

20

17

20

16

20

15

Die Hauptkläranlage Wien sagt dazu Biomasse.


17

DER SONNE ENTGEGEN

DIE ZUKUNFT DES FLIEGENS IST ELEKTRISCH Das Projekt der Schweizer Bertrand Piccard und André Borschberg zieht die Aufmerksamkeit auf sich, sie haben schon mehrere Rekorde mit ihrem Flugzeug aufgestellt. Mit Solarzellen auf 72 Meter Flügelspannweite wird tagsüber so viel Energie erzeugt, dass die vier Motoren nachts aus den Lithium-Polymer-Akkus versorgt werden können. Zusätzlich wird die potenzielle Energie genutzt: Am Tag steigt das Flugzeug, die Nacht wird im Sinkflug verbracht. Ob derartige Solarflugzeuge zur Serienreife gelangen, lässt sich nicht vorhersagen. Versuche mit elektrisch betriebenen Flugzeugen gibt es jedoch schon seit mehreren Jahrzehnten, seit 2004 wird der einsitzige Motorsegler Lange Antares 20E in Serie gefertigt. Segelflugzeuge zeichnen sich durch ein geringes Gewicht und eine hohe Gleitzahl aus und ermöglichen durch Ausnutzen der Thermik Flüge über mehrere 100 Kilometer. Ausgerüstet mit dem Elektromotor ist am Startplatz kein Schleppflugzeug erforderlich, unterwegs kann bei Bedarf mit dem Motor Höhe gewonnen werden. Die Palette der Elektroflugzeuge erweitert sich seitdem, besonders im Bereich der Baukästen zur Selbst-

montage. Auch das Fliegen zu zweit ist bereits möglich. Die Bauform ähnelt der von Sportflugzeugen, mehrstündige Flüge wurden bereits erprobt. Große Flugzeugbauer wie Airbus zeigen sich ebenfalls interessiert und experimentieren mit dem elektrischen Antrieb. Für elektrisch betriebene Airliner liegen bereits erste Konzepte am Tisch, die in ein bis zwei Jahrzehnten umgesetzt werden sollen. Das größte Fragezeichen ist die Weiterentwicklung der Akkutechnologie, als Übergangslösung werden Hybridtechnologien verwendet. Dass man am Flughafen warten muss, bis die Akkus vollgeladen sind, wird jedoch nicht passieren: Das Konzept sieht vor, dass diese einfach zwischen Landung und Start durch volle Akkus ersetzt werden. Es wird noch eine Zeit dauern, bis auch an heimischen Flugplätzen Elektroflugzeuge unterwegs sind, aber eines ist sicher: Zu hören werden sie deutlich weniger sein. www.solarimpulse.com www.lange-aviation.com www.airbusgroup.com

TEXT Franz Knipp BILD Airbus Group

»Solar Impulse 2« umrundet gerade die Erde, betrieben ausschließlich mit der Energie der Sonne. Wann werden auch Passagierflugzeuge elektrisch betrieben?


BIORAMA Nº. 36

18

MEINE STADT

MEINE STADT: UTRECHT

VON RAPHAELA STEINER

LIEBLINGSPLÄTZE UND ECO-HOTSPOTS

Raphaela Steiner produziert Kommunikationskonzepte für Bio-Produkte. Während ihres Studiums lebte und arbeitete die gebürtige Steirerin in Paris, Casablanca, Utrecht und Wien. Am liebsten erkundet die Slowfood-Anhängerin zu Fuß oder mit dem Rad neue Orte und plaudert mit Gründerinnen und Landwirten über den Anfangspunkt ihres Schaffens. raphaelasteiner.net

keek

de daktuin

Auf dem Hausdach eines Unigebäudes am Campusgelände Uithof befindet sich der Gemeinschaftsgarten. Der Dachgarten wurde in Kooperation der Gemeinde Utrecht und der Universität Utrecht gegründet und aus recycelten Materialien gebaut. Er lädt ein zum Entspannen und möchte inspirieren. Hier finden laufend Lesungen, Konzerte oder Silent Discos statt. Aber Achtung: De Daktuin ist nur von März bis Juli geöffnet. Tipp: Einen Katzensprung entfernt ist die Unibibliothek Uithof. Es lohnt sich, einen Blick hineinzuwerfen. www.dedaktuinutrecht.nl

Wenn dein Magen knurrt, dann auf zur Twijnstraat! Es macht Spaß, von einem Fachgeschäft zum nächsten zu schlendern und sich von salzigen bis süßen Leckereien durchzukosten. Für ein Wochenendfrühstück, eine Mittagspause oder Kaffee mit Kuchen ist das Keek die absolut richtige Wahl. Zwar wird in Holland am liebsten kalt geluncht, aber im Keek werden leckere warme Gerichte zu Mittag zubereitet. Stehst du auf einen Brunch am Wochenende? Dann reserviere einen Tisch für einen High-Tea. Gleich ein Stückchen weiter an der romantischen Oude Gracht liegt die hauseigene Bäckerei De Keuken Van Keek. Tipp: Jeden ersten Sonntag im Monat findet der DeStreek-Markt mit regionalen Herstellerinnen und Produzenten in der Twijnstraat statt. www.kunsteneerlijkekoffie.nl www.dekeukenvankeek.nl


kapitaal

Nahe der wunderschönen Unbibliothek an der Plombetorengracht liegt die Siebdruckerei und der Co-WorkingSpace Kapitaal. Er bietet neben der Produktion, der Präsentation und dem Verkauf von Druckwerken Raum für Lesungen, Ausstellungen, Filmvorführungen und gemeinsames Arbeiten. In diesem Viertel arbeiten eine Vielzahl an engagierten Menschen Tür an Tür zusammen. Mit ihren Initiativen, wie z.B. der Black-Moon Party – eine Art lange Nacht des Einkaufs mit Geschäften und Werkstätten aus der Gegend – beleben sie gemeinsam die Stadt. www.kapitaalutrecht.nl

puha shop

Einer meiner absoluten Lieblingsplätze und ersten Anknüpfungspunkte zu inspirierenden Menschen in Utrecht war PUHA! Die sorgfältige Auswahl an regional produzierter Kleidung und Accessoires von jungen Designer-Labels für Männer und Frauen ist einzigartig. Die sympathischen hku-Absolventen Said Belhadj und Tamara Karsdorp kennen all ihre Modemarken persönlich und haben eine Menge an Geschichten zu jedem Kleidungsstück und Label parat. Wenn du Glück hast, veranstalten die kreativen Köpfe einen ihrer legendären Events im Geschäft. Unbedingt hingehen! Auch fein: Schnapp dir einen Kaffee von nebenan, setz dich auf die Bank vor dem Geschäft und fange ein paar Sonnenstrahlen ein. www.puhashop.nl


BIORAMA Nº. 36

BALKONIEN

20

WIEN? BERLIN?

In der einen Stadt gehören sie zum Alltag …


21

BERLIN? WIEN?

‌ in der anderen sind Balkone Teil der Fassade.


BIORAMA Nº. 36

BALKONIEN

22

TEXT & BILD

Yannick Gotthardt

BALKONTRASTE Die eine Stadt ist umgeben von Sand und Monokulturen. Die andere von Wäldern, Bergen und Flüssen. Balkonkultur hat nur eine von beiden. Wien und Berlin im Vergleich.

N

eben der Frage, ob man hier jetzt eigentlich noch rauchen dürfe, war die Frage, ob Berlin oder Wien die tollere Stadt sei, das meistgeführte und zugleich zielloseste Bargespräch des jungen 21. Jahrhunderts, zumindest in Wien. Diese Frage hat sich in den letzten Jahren weitestgehend von selbst erledigt. So nennt sich mittlerweile auch in Wien die Bedienung im Kaffeehaus lieber Barista, das Kaffehaus selbst ist ein Coffeeshop, und das Schnitzel kommt faschiert, liegt in der Semmel und heißt jetzt Burger. Andererseits hat sich die Arbeitsmarktlage zwischen den Städten umgedreht. Seit Anfang 2015 ist die Arbeitslosenquote selbst in Berlin niedriger als in Wien. Das hat in den letzten Jahren aber auch wiederum dazu geführt, dass eine Mietwohnung am Prenzlberg mittlerweile teurer ist als am Spittelberg. Berlin und Wien unterscheiden sich im Grunde strukturell nur noch an ... hmm, zum Beispiel an ihrem Zugang zu Natur. Das spiegelt sich in ihren Balkonen.

Wien, die dicht bebaute Stadt der Gründerzeit, liegt zwischen Alpen und Karpaten in fast konkurrenzlos schöner Landschaft. Bei soviel Pracht entschieden sich die Bewohner, lieber nicht zu viel Natur in ihre Stadt hineinzulassen. Die Eiswinde im Wiener Becken töten pro Überquerung des Stephansplatzes sicher mehr Gehirnzellen als das Nasezuhalten beim Niesen. Wiener und Skandinavier sollen ein mutual understanding on a deeper level haben. Wiens Gassen sind so eng, dass sie im Winter monatelang kein direktes Sonnenlicht trifft – vielleicht darum. Wien überheizt im Winter jeden Innenraum um fünf bis acht Grad. Wien liegt im Sommer klimatisch näher an der russischen Steppe als an der Burgunder Pforte. Wiener haben andere Probleme als ein Frühstück in der Sonne. Eine seltene Option, die Wien nur den auserwähltesten seiner Kinder anbietet: ein Balkon. Es gibt sie einfach nicht. Also praktisch gar keine. Nicht mal im


23

Fernsehen. Nicht einmal in der TV-Werbung. Mit Balkonen zu werben wäre zum Beispiel für Wien Energie, als ob man mit der Wiener Mittelmeerküste werben würde. Wiener Studenten verbringen zahllose milde Sommerabende schmusend auf Wiener Dächern, auf die sie sich über Baugerüste, Kräne, oder mit Postschlüsseln schleichen – aber eine WG-Party auf dem Balkon? Wer hat das je erlebt?

DURCH BALKONLOSIGKEIT ZERMÜRBT

DER BLICK IN DIE BALKONGESCHICHTE

Nun ja, mittlerweile drücken sich Dachlofts wie Schwammerl aus der angegriffenen Wiener Bausubstanz, aber echte, ernstzunehmende Wohnungen haben nach wie vor keine Balkone. Im Grunde logisch. Gassen, in denen sich 30 Meter hohe Altbauten keine zehn Meter gegenüberstehen, lassen schlicht keine Balkone zu. 2014 hat die rot-grüne Stadtregierung in Wien das Baurecht für Balkone gelockert. Was aber blieb war die Notwendigkeit, dass alle Parteien eines Hauses einem Balkonbau zustimmen müssen. Was das für eine Stadtpopulation bedeutet, die durch Jahrhunderte der Balkonlosigkeit zermürbt ist, war abzusehen: keine Balkone. Wien ist vermutlich die balkonloseste Stadt Österreichs (»wahrscheinlich Europas« – um einen regionaltypischen Vergleichsmaßstab zu bemühen). Was der Wiener nicht weiß: Ein Balkon ist ein ganz gewöhnlicher Nutzteil einer Mietwohnung – wie eine Badewanne oder ein Gasherd, evtl. ein wenig geschmäcklerisch, aber keineswegs ungewöhnlich für einen großen Teil der Bevölkerung anderer Metropolen. Beispielsweise in Berlin. Berlin ist trotz schwindender Brachflächen immer noch ein weites Feld im märkischen Sand. Wie soll man hier Wochen ohne Urlaub in der Innenstadt überstehen? Ohne Balkon können nur Menschen leben, die nie einen hatten (zum Beispiel Wiener). Balkone, das sind einige Quadratmeter Freiluft, Sonne, Natur, Sternenhimmel, Kräutergarten, Obst- und GemüseExperimentierflächen im Betondschungel. Der Nutzbalkon – er geht von der Küche oder dem Wohnzimmer weg – ist der Ort, an dem man im Sommer frühstückt bzw. auf dem die Tomaten und das Basilikum wachsen (wo auch sonst). Der Freizeitbalkon, von jedem anderen Zimmer aus, ist der Ort, auf den man in klaren Nächten das Bett schiebt, weil man sonst ja den Sternenhimmel nicht sehen kann – eh klar. Ohne Badewanne kein Bad, ohne Gasherd kein ordentliches Kochen, ohne Balkon keine Balkon-Teenage-Romance am Rande elterlicher Neujahrsfeiern, keine Beziehungskrisen auf WG-Balkonen, keine Nachbarschaftskonflikte über die Straße hinweg. Keine Kinder, die Passanten mit Papierfliegern beschießen. Keine glücklosen Kiwi-Züchtungen, keine geglückten Rosmarinkreuzungen.

Vielleicht ist die Wien-Berlin-Balkondifferenz aber mehr als eine Mentalitätsfrage, sie könnte vor allem historische Gründe haben. In Berlin gibt es drei wichtige historische Balkon-Ereignisse. Am 30. Juli und 1. August 1914 hielt Kaiser Wilhelm der II. vom Berliner Schloss aus zwei bedeutende »Balkonreden«. In diesen Ansprachen setzte er die Bevölkerung über die Mobilmachung Russlands ins Bild und schwor auf den drohenden Krieg ein. Am 30. September 1989 hielt Hans-Dietrich Genscher seine Balkonrede von der deutschen Botschaft in Prag aus, in der er rund 3.000 Flüchtlingen aus der DDR eröffnete, dass ihre Ausreise in die BRD ausverhandelt worden sei. »Ich bin heute zu Ihnen gekommen, um Ihnen zu sagen …« Am 19. November 2002 hielt Michael Jackson seinen Sohn vom Balkon des Berliner Hotel Adlon. Gut, das dritte Datum war etwas weniger bedeutend als die ersten beiden, aber der beste Beweis dafür, dass Balkone in Berlin zu einem gewachsenen Symbol überschwenglicher Euphorie geworden waren. Von Balkonen wird jedenfalls Geschichte in kollektive Gedächtnisse eingraviert. Nicht so im kollektiven Wiener Gedächtnis. Ganz allgemein besteht das Wiener kollektive Gedächtnis vor allem aus weißen Flecken und Erinnerungslücken. Im Besonderen ist das bezüglich historischer Balkonereignisse ausgeprägt. Historische Wiener Balkondaten beschränken sich weitgehend auf den 15. März 1938 am Wiener Heldenplatz – Erinnerungslücke (der Zweite Weltkrieg begann erst 1939). Das zweite Balkondatum ist, im Versuch der Auslöschung des ersten Datums, auf den 5. Mai 1955 gefallen. Damals hat Leopold Figl vom Balkon des Belvedere gerufen: »Österreich ist frei!«. Naja, wie wir eigentlich wissen, sind diese Worte so nie von diesem Balkon aus gefallen. Alles ein Mythos. Den historischen, österreichischen Bezug zu Balkonen könnte man in diesem Sinn also wahlweise als etwas unaufrichtig oder schlicht als »unerfahren« bezeichnen. Aber im Grunde ist alles nur eine Frage der Zeit. In der Globalisierung gehen gute und unerwünschte Neuerungen immer Hand in Hand. In Berlin darf man jetzt guten Kaffee trinken, in Wien schlechten. Die Berliner werden mehr Arbeit haben, die Wiener mehr Freizeit. Berlin ist voll von Wiener Künstlern und die Wiener Bundestheater sind so pleite wie ein Berliner. Und Balkone bekommt Wien in den nächsten zehn Jahren sicherlich auch.


grüner wird˙s nicht.


BIORAMA Nº. 36

BALKON-TYPOLOGIE

25

TEXT

Astrid Kuffner

WELCHER BALKON-TYP BIST DU? Das Frischluft-Wohnzimmer hat wieder Saison. Wer neben Zimmer /  Küche / Kabinett einen Balkon sein Eigen nennt, darf sich glücklich schätzen. Ob so groß wie ein Taschentuch oder großzügiger: Urlaub auf Balkonien geht irgendwie immer. Für Gäste und Neulinge hat biorama eine Typologie der Balkonbesitzer parat.

.1

Der Verbarrikadierer

Drei kaputte Sonnenschirme, Koffermatratzen in Plastikhülle, ein alter Staubsauger, Rutschauto ohne Rad, Gewand in Zipptaschen, kaputte Koffer, ausrangierte Fahrräder und die Kredenz von der Oma. Manche Balkonbesitzer nutzen die windgeschützte Lage, um Sperrmüll zu lagern. Es liegt der Verdacht nahe, dass sie ein Problem mit Frühjahrsputz, Trennungsangst oder generell ein Messie-Thema haben. Die Balkontür kann nach innen geöffnet werden, aber dann ist schon Schluss. Es gibt einen saisonalen Untertyp, der den Balkon als erweiterten Kühlschrank betrachtet, wo Bier und Weißwein kühl bleiben. Für die Party wird schon mal Nudelsalat, Torte oder Bowle bis zum Verzehr deponiert. Wenn das Geviert rundum mit Bambusstroh versiegelt ist, kann die biorama-Typologin nur spekulieren: vielleicht Menschen, die gerne ihre Ruhe haben mit Liege, Magazin und iPod?


BIORAMA Nº. 36

BALKON-TYPOLOGIE

26

.2

Die Nacktsonnerin

Gebräunt ist schön. Nicht nur beim Kotelett. Das ist die Devise der Nacktsonnerin, die sich ihr Evakostüm aus der Zeit vor dem Ozonloch herübergerettet hat. Wer schaut, ist selbst schuld. Sobald die Temperaturen über Null klettern, wird nur noch Olivenöl oder Wasserspray angezogen. Je nach exhibitionistischer Ader ist dank des karierten Balkon-Paravents nur der Kopf zu sehen oder mehr als einem lieb ist. Sonnenanbeter ohne Balkon liegen auf der Wiese im Park mit abenteuerlich hinaufoder hinuntergerollten Slips, Büstenhaltern, Leiberln oder Unterflak zur Maximierung der Einstrahlung. Seelenverwandt ist der Typ »Ohne Genierer«: Sie ist nicht zwingend nackt, vollführt aber mehr oder weniger intime Körperpflegerituale, die in der Wohnung Putzaktionen nach sich ziehen müssten: Nägel oder Haare schneiden, Epilieren, Augenbrauen zupfen etc. Dazu pfeift sie die Titelmelodie von »Gone With The Wind«.

.3

Der Spanner

Was wären die »Ohne-Genierer« ohne ihr Gegenstück? Der Spanner würde am liebsten über der Brüstung hängen, mit gepolsterter Armstütze. Aber er steht betont zurückgelehnt – sitzt jedenfalls nie –, damit es so wirkt, als wäre er gerade auf den Balkon getreten. Ein Glück, wenn der oder die Frühpensionierte einmal wirklich sachdienliche Hinweise geben kann z.B. wer das Fahrrad gestohlen hat. Ferngläser spiegeln verdächtig – das weiß der Spanner aus jedem x-beliebigen TV-Krimi. Wenn er sich beobachtet fühlt, duckt er sich hinter das Alibi-Blumenkistl in eternitgrau.

.4

Minimalistisch bis nix is

Zwei Klappsessel mit Holzstreben, an denen der Lack bereits abblättert, ein Klapptisch oder Hocker – that’s it. Für ein Feierabendbierchen im Freien reicht das allemal und die Füße kann man getrost auf dem Geländer hochlagern. Wer nicht viel braucht zum Wohlfühlen, kann rasch und auf kleinstem Raum damit anfangen. Je exklusiver die Innenstadt- oder Grünruhelage mit Panorama und je mehr Einsicht umgekehrt möglich ist, desto eher sind Balkons bis auf kugelig gestutzte Buchsbäumchen verwaist. Blöd, wenn der Balkon am Palais zu einem Büro gehört. Diese werden so gut wie nie zum Aktenstudium oder Zehenlüften genutzt. Weil: Wie schaut denn das aus?


027

Mehr

. Mehr Qualität.

Nachvollziehbare Herkunft

Ausgezeichnete Qualität 100% BIO

Gentechnikfrei

Unabhängige Kontrollen

Das gemeinschaftliche EU-Biologo kennzeichnet verpflichtend alle verpackten Bio-Lebensmittel, die nach den EU-Bioverordnungen Nr. 834/2007 und Nr. 889/2008 hergestellt wurden. Das AMA-Biosiegel steht als Gütesiegel für 100 Prozent biologische Zutaten und ausgezeichnete Qualität. Eine Reihe von Qualitätsfaktoren wird konsequent unter die Lupe genommen, z.B. produktspezifische chemische, mikrobiologische und sensorische Kriterien. Zusätzlich wird absolute Transparenz bei der Herkunft garantiert. Die Farben rot-weiß-rot bedeuten beispielsweise, dass die wertbestimmenden Rohstoffe aus Österreich stammen und die Be- und Verarbeitung in Österreich erfolgt. www.bioinfo.at

www.ec.europa.eu/agriculture/organic

FINANZIERT MIT FÖRDERMITTELN DER EUROPÄISCHEN UNION UND MITTELN DER AGRARMARKT AUSTRIA MARKETING GESMBH.


BIORAMA Nº. 36

BALKON-TYPOLOGIE

28

.6

Der Raucher

Die Kinder dürfen das Wohnzimmer verwüsten, der Hund darf Schuhe zerbeißen und die Katze sich ins Bett kuscheln. Nur der arme Raucher wird auf den Balkon geschickt, um seinem Laster zu frönen. Das ist im Sommer weniger Strafe als im Winter, wenn aus der tief ins Gesicht gezogenen Kapuze nicht nur Zigarettenqualm, sondern auch Schwaden von Atemluft aufsteigen. Ein Aschenbecher auf dem Fenstersims muss es für ihn tun. Kein Sessel, kein Tisch, keine Teetasse. Es sind Puristen, eingehüllt nur in die eigene Feinstaub-Wolke.

.7

Die Ausstattungsfetischisten

.5

Die Selbstversorger

Sie züchten auf ihrem Balkon, was andere selbst im Glashaus mit abgestimmtem Substrat und Turbodünger nicht hinbekommen. Überhitztes Stadtklima verwandeln sie in ihrer grünen Hölle in eine mediterrane Gunstlage mit dazugehörigen Kräutern und Gewürzen. Aber auch Paradeiser, Beeren, Physalis, Bohnen, Paprika, Zucchini, Kartoffeln, Gurken und Feigen wuchern. Bloß nicht in ein Gespräch verwickeln lassen über Ausgeizen pro und contra, Blattläuse oder Folientunnel. Pech, wer gerade unten vorbeigeht, wenn die Gießkanne großzügig zum Einsatz kommt. Im ländlichen Umfeld toben sich diese grünen Daumen gerne in üppig-bunten Blumenkistln aus und rittern – erfolgreich und mehrere Jahre in Folge – um die Auszeichnung »Schönster Blumenschmuck in Dorf Ilm«.

Sie haben im schwedischen Möbelhaus die aktuelle Kollektion in Bausch und Bogen eingekauft: Vom Set bis zum Strohhalm, vom Tablett bis zum wiederverwendbaren Eiswürfel, gepunktete Sesselauflagen, Becher, Teller sowie den Saftkrug mit Insektenschutz. Alles aus Plastik, quietschbunt, abwischbar, leicht und total praktisch. Es gibt diese Spezies auch mit Hang zum Sonderangebot beim Diskonter. Also rein in den Einkaufswagen mit der Blumenampel. Oder der einziehbaren Wäschespinne. Oder Traumfänger und Windspiel. Oder Hollywoodschaukel. Abenteuerliche Sonnensegel-Konstruktionen werden verlegt, die meist ein paar mehr Schnüre, Klebeband oder neue Ösen brauchen, als in der Anleitung vorgesehen. Wenn es eine Steckdose gibt, folgt ein strombetriebener heißer Stein oder ein blau leuchtender Gelsengriller. Buddhistische Gemüter vertrauen auf insektenabwehrende Citronella-Kerzen. Natürlich gibt es diese Balkonbesitzer ab einem gewissen Haushaltseinkommen auch mit Beständen aus dem Katalog eines deutschen Nostalgie- und Nachhaltigkeitsversands. Dort zieren dann Rosenkugeln mundgeblasen, Schiefer-Pflanzenschilder, japanisches Umpflanzmesser, verzinkte Gießkanne, Nistkasten aus Lärchenholz und eine Feuerschale die Terrasse.


29

.9

.8

Die Kämpfer

Sie haben ihren Wohnraum im Nachhinein um einen Balkon an der Fassade erweitert und dafür einiges in Kauf genommen. Sie mussten sämtliche Anrainer in der Wohnanlage, im Haus oder im gemeinsamen Innenhof fragen, ob sie dürfen. Diverse Angaben zu Statik, Bausubstanz und Material wurden erhoben, der Abstand zur Feuermauer vermessen, mit der Bauordnung gerauft und Baustellen-Begleiterscheinungen wie Schmutz, Lärm, Kostenüberschreitung und ein ausgefranstes Nervenkostüm ertragen. Seither werden sie von den unmittelbaren Nachbarn geschnitten und das Zeitungsabo wird regelmäßig von der Türmatte entwendet. Aber nach dem Kampf sitzen sie einfach nur glücklich lächelnd in der Abendsonne und drehen den Nicht-Balkonbesitzern eine lange Nase.

»Jetzt nicht weil«-Balkonier

Manche Menschen benutzen ihren Balkon eigentlich nie. Wir können jetzt nicht draußen sitzen … »weil ich die Garnitur noch nicht feucht abgewischt habe.« »weil es den Staub von der Baustelle herüberweht.« »weil es ist zu heiß, wenn die Sonne scheint.« »weil wir gerade eine Taubeninvasion haben.« »weil es so viele Gelsen / Wespen / Fliegen gibt.« »weil ich gerade Wäsche zum Trocknen aufgehängt habe.« »weil die Markise klemmt.« »weil ich das Insektengitter noch nicht montiert habe.« »weil meine Katze / mein Kind sonst hinunterstürzt / steckenbleibt.« Ihr Pendant sind die »Extrem-Balkonisten«, die zwischen März und Oktober jede Mahlzeit am Balkon einnehmen. Das erweiterte Wohnzimmer ist in einer »lebhaften« Farbe gestrichen oder holzvertäfelt. Halten Sie Ausschau nach Kuckucksuhr und Wetterhäuschen.


BIORAMA Nº. 36

30

PERMAKULTUR

TEXT

Thomas Stollenwerk

BILD

Judith Anger

PERMAKULTUR AUF DEM BALKON Essbare Landschaften, in denen geschickt kombinierte Pflanzen ein Ökosystem im Kleinen bilden. Geht das auch auf kleinstem Raum und mitten in der Stadt? Selbstversorgungs-Expertin Judith Anger ist davon überzeugt. biorama:

Lässt sich Permakultur in wenigen Worten beschreiben, und, wenn ja, wie müssten diese lauten? anger: Permakultur ist ein Kunstbegriff und wurde von Bill Mollison kreiert. Es soll zeigen, dass die Monokultur nicht den natürlichen Abläufen entspricht. Mollison hat eine sehr interessante Abhandlung mit genauen Vorgaben ausgearbeitet. Weltweit werden seine Erkenntnisse in Permakultur-Designer-Kursen vermittelt. Ich bin eine Schülerin von Sepp Holzer. Sepp Holzer ist ein Bergbauer, der durch jahrelange Beobachtungen der Natur eine natürliche Form der Bewirtschaftung ländlicher Flächen entwickelt hat. Auf Anraten von Professoren der boku Wien hat er seine Erkenntnis »Holzer sche Permakultur« genannt.

Das wurde ihm geraten, da seine Methoden der Permakultur von Mollison sehr ähnlich sind. Bei Permakultur ist auch die Rede von »essbaren Landschaften«, weil versucht wird, möglichst viele Nutzpflanzen ertragreich zu kombinieren, und dabei eben nicht auf ressourcenverzehrende Monokulturen zu setzen. Kann man sagen, dass die Permakultur sich ihre Ressourcen zum Teil selbst erschafft? Als Schülerin von Sepp Holzer kann ich nur über das von Sepp Holzer Gelehrte berichten. Durch die Pflanzgemeinschaften ist es sicherlich so, daß sich die Pflanzen gegenseitig unterstützen und es kommt zu einer schonenden Nutzung und einem sehr hohem Ertrag ohne jegliche Zusätze – also ohne Chemie.


Druck_Anzeige_Biorama_MKilling.pdf

Was bedeutet das konkret im kleinen Maßstab? Lassen sich Ansätze zur Permakultur auch auf dem heimischen Balkon realisieren? Gemeinsam mit meinen Kollegen Immo Fiebrig und Martin Schnyder hab ich das Buch »Jedem sein Grün!« verfasst. Hier zeigen wir internationale und nationale Beispiele für Permakultur-Projekte auf kleinstem Raum. Für Balkone, Seitenwände, Minigärten, Baumscheiben ... Was wären mögliche erste Schritte, um eine Permakultur auf dem Balkon anzulegen? Das kann man unmöglich in aller Kürze erklären. Wichtig ist, auf das Klima zu achten. Ist es zu heiß, Luftfeuchtigkeit schaffen und ist es zu kalt, den Balkon schützen. Dann ist den Pflanzungen nichts mehr im Wege. Lässt sich eigentlich auch eine bestehende Grünfläche, ob auf einem Balkon, im Garten oder im öffentlichen Raum, nachträglich in eine Permakultur verC wandeln, oder muss eine Permakultur von vorne M herein als eine solche angelegt werden? Man kann jede bestehende Fläche nachträglich Y umwandeln! CM Die Agrar-Ökologie in den Dienst der Agrar-ÖkonoMY mie zu stellen ist eines der Anliegen von Permakultur im größeren Maßstab. Kann man auch auf dem CY eigenen Balkon einen Nutzen aus einer Ökologie CMY ziehen, die ökonomisch sinnvoll ist, indem man sich K zumindest zum Teil auf dem eigenen Balkon selbstversorgt, oder sollte man den Balkon realistischerweise eher als einen künstlichen Ort zur Entspannung betrachten? Natürlich kann man den eigenen Balkon so nutzen, dass er auch dem Besitzer nutzt. Wenn man will und ein wenig kreativ ist, dann wird man staunen, was alles möglich ist. Gibt es gute Beispiele für Permakulturen im urbanen Raum? Fast in jeder größeren Metropole gibt es bereits Stadtformen. Es werden immer mehr »Essbare Gemeinden« geschaffen. Meine Kollegen vom Verein Permavitae haben die erste Essbare Gemeinde Österreichs gestartet und es gibt Guerilla Gardening, es gibt Vereine, wo man Gemeinschaftsgärten mieten kann und vieles mehr. Urbanes Gärtnern ist eine sehr breite Bewegung geworden. Anger, Fiebrig, Schnyder: »Jedem sein Grün! Urbane Permakultur: Selbstversorgung ohne Garten« Anger, Judith: »Leb wohl, Supermarkt – Unabhängig und nachhaltig leben« (beide: Kneipp Verlag) permavitae.org

1

27.03.15

12:0


BIORAMA Nยบ. 36

32

BALKON NUTZEN


TEXT

Teresa Havlicek

ILLUSTRATION

Katharina Hüttler / agentazur.com

MEIN BALKON IS MY CASTLE Für viele Balkonbesitzer bedeuten ein paar Quadratmeter Fläche unendliche Freiheit. Bei optimaler Nutzung entfalten sich ungeahnte Potenziale.

I

n den immer sonniger werdenden Frühjahrsmonaten trinken auch Stadtbewohner ihren Morgenkaffee lieber im Freien als in der Küche. Glücklich schätzen kann sich deswegen jeder, für den der Weg nach draußen nur einen Schritt auf den Balkon bedeutet. Obwohl viele Balkonbesitzer nur wenige Quadratmeter zur Verfügung haben, bietet sich der Raum perfekt an, um die Sonne morgens gleich im Bademantel zu begrüßen oder gar seinem grünen Daumen beim Urban Gardening freien Lauf zu lassen. Umso wichtiger ist es, den zur Verfügung stehenden Raum perfekt auszunutzen. Wer sich ein paar Gedanken macht, kann in wenigen Schritten den eigenen Balkon wohnlich und gemütlich einrichten und eine kleine Wohlfühloase schaffen. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt, viele Stadtbewohner verschönern ihr Fleckchen Freiheit mit den innovativsten Ideen und holen dabei den maximalen Nutzen aus ihrem Balkon heraus.

MEDITERRANES FEELING AUF BALKONIEN Die meisten Balkone bestehen standardmäßig aus einem mäßig charmanten Betonboden. Leichte Abhilfe verschaffen hier Holzfliesen mit Klicksystem. Die Platten kreieren mediterranes Terrassenfeeling und lassen sich durch einfache Montage leicht selbst verlegen. In unterschiedlichen Ausführungen relativ günstig im Baumarkt erhältlich.

33


BIORAMA Nº. 36

BALKON NUTZEN

34

DIE PLATZRÄUBER AUSTRICKSEN Auf den schicken Boden stellt man am besten eine Bank, die nicht nur Sitzgelegenheit ist, sondern auch Stauraum bietet. So kann der wichtigste Gärtnerbedarf, Sitzpolster, Grillgeräte oder Kinderspielzeug verräumt werden. Der größte Platzräuber auf dem Balkon ist meist der Tisch, hier eignet sich eine Klapplösung, die an der Wand oder direkt an der Brüstung festgemacht wird. Wer handwerklich begabt ist, kann sich ein Gestell selber zimmern, es gibt aber auch praktikable Lösungen im Baumarkt oder Versandhandel. Der Sonnenschirm ist ein weiterer Platzräuber, der idealerweise an der Brüstung fest gemacht wird, um mehr Platz für Bewegung zu lassen.

NACH OBEN AUSWEICHEN

Leider hat man in der Stadt selten das Glück, vom Balkon aus eine Aussicht in die weite Ferne zu genießen. Damit einem der Nachbar aber doch nicht ganz ungeschützt in das eigene Nest blickt, hilft ein Sichtschutz aus Pflanzen oder Textilien. Der Sichtschutz aus dem Baumarkt muss dabei nicht unbedingt künstlich aussehen: Matten aus Schilfrohr oder in Efeu-Optik sorgen für ein natürliches Gefühl. Textile Balkonbespannungen sind in unterschiedlichsten Farbkombinationen erhältlich und machen es einfach, dem eigenen Mini-Garten einen individuellen Anstrich zu verpassen. Wer gerne gärtnert, macht sich das Balkon-Beet doppelt zunutzen: Rankhilfen für kletternde Pflanzen eignen sich auch als Sichtschutz. Kletterspinat, Weinreben oder Brombeeren gehören zu jenen Pflanzen, die gerne in die Höhe klimmen.

Beim Gärtnern kann man sich das vertikale Potenzial seines Balkons zunutze machen: Es gibt kaum eine Stelle, an der sich nicht irgendwie Töpfe oder Beete anbringen lassen. Aus recycelten Holzpaletten zum Beispiel lassen sich großartige vertikale Gärten zimmern. Die kann man einfach an die Wand oder die Balkonbrüstung lehnen. Für die Balkonbrüstung selbst gibt es Töpfe (»Steckling« von Rephorm), die man direkt aufstecken kann. Seitlich ist dann hoffentlich noch Platz für einen hängenden Garten, es gibt zum Beispiel Modelle, die sich verbinden und an das Geländer hängen lassen, ideal für einen kleinen Kräutergarten. Aber auch die Wand soll nicht ungenutzt bleiben: nicht umsonst gibt es eine riesige Auswahl an Wandtöpfen, die über dem Palettengarten sicher noch Platz an der Außenwand haben. Das Gute an Wandtöpfen: hierfür ist wirklich kein Balkon zu klein. Und es müssen nicht immer Blumen sein, ein wenig Sonne reicht schon, um an der Hausmauer Tomatenstauden zu ziehen und beim nächsten Grillabend eigenes Gemüse zur Verfügung zu haben.

MINI-GRILLPLATZ

RAUM FÜR ALLE BEDÜRFNISSE

Auch auf das Grillen müssen Balkonbesitzer nicht verzichten: kleine Grilleimer sind leicht verstaubar und bieten mobilen Grillspaß auch auf kleinen Flächen. Für 2 bis 3 Personen reicht das kleine Gerät, und mehr Gäste haben zur Einladung auf den kleinen Balkon wohl ohnehin keinen Platz.

Je kleiner der Balkon, desto mehr muss man natürlich Prioritäten setzen, was man tatsächlich mit dem Platz machen möchte. Mit ein wenig Kreativität geht sich aber mehr aus, als man denkt: von der entspannten Sitzecke mit Mini-Grillplatz bis hin zum Kräuter- und Gemüseparadies.

PRIVATSPHÄRE IM STADT-PARADIES


BIORAMA Nยบ. 36

WOHNBAUTEN

35

WAS HEISST HIER

PLATTENBAU?

Der Wohnpark Alt-Erlaa ist alles andere als ein gescheitertes Wohnkonzept, auch wenn viele bei seinem Anblick an Tristesse und Kampfhunde denken.


BIORAMA Nº. 36

WOHNBAUTEN

36

Im Musikvideo des Salzburger Duos Mynth mussten sie erst kürzlich als Brennpunkt-Kulisse herhalten und Individualisten schütteln oft instinktiv den Kopf, wenn sie Harry Glücks Wohnbauten im Süden Wiens erblicken. Trotzdem: eine gewisse Nachhaltigkeit kann

man den heute retrofuturistisch wirkenden Bauten kaum absprechen. Auch 43 Jahre nach Baubeginn gelten Wohnzufriedenheit, Gemeinschaftlichkeit und die Durchmischung von Alt und Jung unter den Bewohnern der rund 3.200 Wohnungen als hoch. Die Großsiedlung


37

gilt als eines der wenigen Beispiele für eine gelungene Satellitenstadt. Der Flächenverbrauch der Terassenhäuser ist gering und die Bewohner müssen nur selten ins Auto steigen, schließlich umfasst die Anlage eine kleine Mall und eine Reihe von Freizeiteinrichtungen.


BIORAMA Nº. 36

WOHNBAUTEN

38

Hertha Hurnaus, in: Reinhard Seiß (Hg., 2015) Harry Glück »Wohnbauten« (Müry Salzmann Verlag)



BIORAMA Nº. 36

MARKTPLATZ BALKON

40

TEXT

Thomas Weber & Thomas Stollenwerk

BILD

Elisabeth Els

HOCHWERTIGES FÜR DEN BALKON Wer einen Balkon hat, der sollte ihn nutzen wie jeden anderen Teil der Wohnung auch. Das fällt umso leichter, wenn man das Freiluftzimmer mit edlen Accessoires aufwertet. Wir haben ein paar praktische Dinge für den Balkon ausprobiert.

1 // FALCO AUS DER NÄHE SEHEN Wer vom Balkon aus die Tierwelt erkunden möchte, muss sich nicht auf die nahe Welt im Kleinen beschränken. Zwar haben Hochbeet, Vogelhaus und die wildromantische Distelkiste einiges an Käfern, Hummeln und anderem Getier zu bieten. Doch um dem Turmfalken beim Brüten und Füttern seiner Jungen zuzusehen oder ihn auf der Jagd nach Tauben zu begleiten, dafür reicht das freie Auge selten aus. Zum entspannten In-die-Ferne-Schweifen empfiehlt sich ein standfestes Teleskop. Erweitert um einen Smartphone-Aufsatz (für iPhone 5/5s) lassen sich etwa mit dem ATX-Objektivmodul (25-60x) von Swarovski Optik auch Fotos machen oder Filmchen drehen. Wer nicht glaubt, das sich damit vieles, was weiter weg kreucht und fleucht recht rasch und einfach festhalten lässt (einfach zu montieren auf der Okularmuschel), dem sei zur Youtube-Recherche geraten. Preislich ist so ein in Österreich gefertigtes Swarovski-Teleskop zwar nichts, was man länger im Regen stehen lässt. Dafür sind die Aufnahmen aber wirklich brauchbar.

Was man sich beim freizügigen Treiben in Balkonien jedenfalls bewusst sein sollte: Womöglich hat auch der Nachbar von vis-a-vis (der mit dem dreckigen Grinsen!) so ein Teil montiert. Es soll ja nicht nur Birdwatcher geben, sondern auch leidenschaftliche Spanner. www.swarovskioptik.com

2 // GELÄNDERGEWINN Dieser Designertisch aus Recycling-Kunststoff lässt sich an vielen Geländern befestigen. Wenn die Höhe stimmt, ein passendes Sitzmöbel bereitsteht und man nicht auf allzuviel Platz angewiesen ist, lässt sich daran auch ganz passabel essen oder arbeiten. Noch besser allerdings macht sich der Tisch namens Balkonzept als Abstellplatz. Zum Beispiel für Sektgläser beim FeuerwerkSchauen am Silvesterabend, für Bierflaschen, Aschenbecher und was man am Balkon eben so braucht. www.balkonzept.de


41

1 3

2

4

3 // DIE ROLLENDEN GÄRTEN VON BABYLON

4 // BAUCH-, BEIN- UND PO-DÜNGER

Die Qualität dieses mobilen Kräutergartens spürt man schon beim Auspacken. Das Ding ist nämlich gar nicht leicht, weil aus hochwertigen Materialien. Das muss es vermutlich auch sein, wenn es sein Dasein in vollem Einsatz – ob drinnen oder daußen – fristen soll, kontaminiert mit Blumenerde und Wasser. Die drei unterschiedlich großen Pflanzbereiche sind terassenartig über einer Tropftasse angelegt, die der Pfützenvermeidung auf dem Boden dient. Sehr praktisch. Die integrierten Räder erlauben es, den Standort des vertikalen Minigartens zu wechseln, und zum Beispiel dem Sonnenstand zu folgen, vorausgesetzt der heimatliche Balkon erlaubt dies. Bei einem Preis von über 300 Euro ist der Einsatz in einem geräumigen Außenwohnzimmer allerdings nicht unwahrscheinlich. www.wohnbalkon.com

Während die schöne Deckwolle für Wolle oder Dämmstoffe verwendet wird, war die schmutzige Schafwolle von Bauch, Beinen und Kopf der Tiere bislang ein Abfallprodukt. Zumal der Wert von Wolle durch synthetische Stoffe und vegane Textilvorlieben in den vergangenen Jahren gefallen ist. Findige Schafzüchter aus Oberösterreich wurden bei den begeisterten Erzählungen alter Bäuerinnen hellhörig. Im Garten dem Gemüse untergejubelt sorge die dreckige Wolle für besonders schöne Paradeiser und prächtige Paprika. Man experimentierte, presste die Abfallwolle in Pellets und hatte einen multifunktionellen Langzeitdünger zur Hand, der nun gemeinsam mit »Natürlich für uns« vermarktet wird. Die Pellets sind ein 100%iges Naturprodukt in Bioqualität, speichern beim Aufquellen das Drei- bis Vierfache ihres Eigengewichts in Wasser, lockern und aktivieren dabei das Bodenleben und ermöglichen eine punktgenaue Düngung. Angeblich wirken sie sogar gegen Wühlmäuse. (Erhältlich bei Zielpunkt, Unimarkt und MPreis) www.natuerlich-fuer-uns.at


BIORAMA Nº. 36

42

FAHRRADSTÄNDER

TEXT

Christian Bezdeka & Helena Zottmann

BILD

Helena Zottmann flickr.com

WO DAS RADABSTELLEN AM SCHÖNSTEN IST

Platzsparende Hinterhof-Variante. Gut ist die Überdachung. Es haben aber definitiv nur so viele Räder Platz wie es Slots gibt.


43

L

aternenmast, Straßenschild, Metallzaun oder Bushaltestelle – ein spontaner Parkplatz fürs Radl ist in einer Stadt schnell gefunden. Wenn das Rad aber etwas länger an einem vertrauenswürdigen Ort stehen soll, eignen sich diese Notlösungen nicht mehr. Dafür gibt es sogenannte Radständer. Das sind Vorrichtungen unterschiedlicher Ausformung, an die das Rad angekettet werden kann. Man findet sie normalerweise relativ häufig in einer Stadt, sofern sie nicht von Pkws zugeparkt oder unter einem Haufen Drahtesel vergraben sind. Christian Bezdeka ist Radfahrer und Designer und er hat eine genaue Vorstellung vom perfekten Radständer: er steht auf Überdachungen und will den Radständer am liebsten schon von Weitem sehen, um nicht lange zwischen Autoparkplätzen suchen zu müssen. Wir haben ihn gebeten, uns seine Meinung zu verschiedenen Radständern zu geben.

Das Modell entspricht ziemlich dem »Wiener Bügel«. Genau wie in Wien sind hier einfach Metallbügel in den Boden eingelassen. Die Variante ist minimalistisch und halbwegs funktionell, aber ohne jegliche Liebe zum Detail. Der Zaun im Hintergrund ist genauso gut als Radabstellplatz geeignet. Da geht aber noch mehr.

Diese Modell kennen wir leider viel zu gut: Wehe, du kommst mit dicken Reifen, dann kommst du nämlich nicht zwischen die beiden Bögen. Und wehe, du kommst mit einem U-Lock oder einem zu kurzen Schloss, dann kannst du nur dein Vorder- oder Hinterrad absperren. Ein völlig unbrauchbares, aber trotzdem weit verbreitetes Modell.

Vorbildlich! Es gibt eine Überdachung und auch an New-SchoolFahrräder wie Lastenräder wurde gedacht. Der Parkplatz ist auch Überkopf gut sichtbar – sehr gut, die niedrigen Absperrbügel sind im Verkehr oft schwer zu finden.


BIORAMA Nº. 36

FAHRRADSTÄNDER

44

Urbaner Kitsch und vielleicht etwas für St. Pölten. Es ist ein funktioneller Radständer, hat aber keine Vorteile gegenüber dem minimalistischen Bügel.

Art Structure – Bikes über Kopf abzustellen wirkt zwar wahnsinnig cool und ist mit dem Hipster-Fixie auch keine große Sache. Ein Rad mit vollwertiger Alltagsausstattung dort raufzuheben ist aber eher was für Bodybuilder.

Generell wünscht sich Bezdeka mehr Parkmöglichkeiten, die von Weitem erkennbar sind. »In Wien gibt es sehr viele Radständer, aber oft werden sie einfach nicht gesehen«, meint er. Trotzdem sei Wien, was Radständer angeht, ganz gut versorgt, auch wenn die Stadt nach objektiven Kriterien noch ein wenig nachlegen könnte. Wien war einmal unter den Top 20 der fahrradfreundlichsten Städte – zwar nur auf Platz 19, aber immerhin. Das war 2011. Seither sind einige Jahre vergangen und andere Städte holten auf. So wurde Wien aus der Bestenliste verdrängt. Der Copenhagenize-Index will Städten Ansporn geben, das Angebot für Radfahrer zu vergrößern. Dafür werden Städte nach 13 Kategorien beurteilt. Kriterien sind etwa die Rad-Kultur, das Angebot an Rad-Einrichtungen und Bike-Sharing-Programmen. Aber auch das Sicherheitsgefühl am Rad, Radwege und Autofahr-Geschwindigkeiten werden dabei berücksichtigt. Kopenhagen, Vorreiterstadt in Sachen Radfahren, steht im Index natürlich ganz weit vorn, führend war bisher aber immer Amsterdam. Amsterdam dürfe man aber – zumindest was Fahrradständer angeht – nicht mit anderen Städten vergleichen, sagt Christian Bezdeka. »In Amsterdam funktioniert das Fahrrad ganz anders als in anderen Städten. Man könnte fast sagen, es ist ein Bike-Sharing. Man nimmt einfach ein Rad, fährt damit und lässt es wieder irgendwo stehen. Dementsprechend schlecht sind sie abgesperrt und ebenso schlecht ist der Zustand der Räder.«


A1.net/gruenesnetz

Das erste grüne Netz Österreichs.

Wir investieren in die Natur. • A1 betreibt als erster und einziger Kommunikationsanbieter Österreichs sein Netz zu 100 % CO2 neutral. • Laufende Reduzierung des Energieverbrauchs durch moderne, umweltfreundliche Lösungen. • A1 nutzt zu 100 % Strom aus erneuerbarer Energie. • Jetzt mit gutem Gewissen im Netz von A1 CO 2 neutral telefonieren, surfen und fernsehen. CO 2 neutrales Netz bestätigt vom TÜV SÜD Mai 2014

Einfach A1.


BIORAMA Nº. 36

46

WASSER AKTIV

TEXT

Helena Zottmann

BILD

Johannes Bousek

REINES WASSER OHNE KÜNSTLICHE ZUSÄTZE Dass sich Menschen außerhalb der Labors für Polymer-Verbindungen interessieren, wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen. Nun wählt das Publikum ein Forschungsprojekt über biologisch abbaubares Plastik zum Gesamtsieger des Wasserpreises Neptun.

et sich 2015 widm en regelmäßig in A M RA BIO dem Abständen

THEMA WASSERiv.at

asser ak w w w.w

G

t

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG

»

reen Plastic for Clean Water« heißt das Forschungsprojekt einer jungen Wissenschaftlerin, das mit bioabbaubaren Kunststoffen die Herzen des Publikums gewonnen hat. Der Gesamtsieg des Wasserpreises Neptun ging 2015 an Karolina Härnvall. Doch eigentlich ist es weniger das Plastik, was den Menschen am Herzen liegt, als vielmehr das Wasser – denn Wasser ist unsere wichtigste Ressource und der sorgsame Umgang mit ihr entsprechend bedeutend. Der Wasserpreis Neptun will Bewusstsein, Innovationen und Aktivitäten rund um die Ressource Wasser fördern. Dafür schlossen sich hohe Instanzen zusammen: das Bundesministerium für Landund Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, die Österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach sowie der Österreichische Wasser- und Abfallwirt-

schaftsverband. Die Träger und Sponsoren des Preises fördern Wasserprojekte sowohl finanziell als auch mit der notwendigen Aufmerksamkeit. »Dass das Publikum dieses Projekt zum Gesamtsieger gekürt hat, zeigt mir, dass das Thema rund um Mikroplastik in der Gesellschaft angekommen ist«, meint Karolina Härnvall. Die Schwedin kam für ihre Masterarbeit nach Wien, wo sie an der Universität für Bodenkultur (boku) und in Zusammenarbeit mit dem Austrian Center of Industrial Biotechnology (acib) bioabbaubare Polymere erforscht. Inzwischen ist sie als Mitarbeiterin am Institut tätig und arbeitet an ihrer Doktorarbeit: »Wir sind gerade in der Mitte des Projekts angelangt, das heißt, wir werden noch weitere eineinhalb Jahre daran arbeiten.«


47

Die junge Schwedin Karolina Härnvall forscht an ökologischem Kunststoff, der helfen soll, die Verschmutzung von Gewässern zu verringern. Wir haben uns mit der Gewinnerin des Neptun-Wasserpreises über ihr ehrgeiziges Projekt unterhalten.

KUNSTSTOFF DARF NICHT MÜLL SEIN »Biologisch abbaubar« klingt verlockend, aber leider auch ein wenig verklärend, denn selbst die biologisch abbaubaren Kunststoffe brauchen meist länger als ein paar Monate, bis sie wirklich zersetzt sind. Die Dauer hängt von der Zusammensetzung der Moleküle und von den Mikroorganismen ab, die beim Abbau beteiligt sind. Härnvall untersucht die Bedingungen, die gegeben sein müssen, damit bioabbaubare Kunststoffe auch wirklich rasch abgebaut werden und gleichzeitig die tollen Eigenschaften erhalten bleiben, die Kunststoffe so beliebt machen – Plastik muss leicht sein, billig und verformbar. Fortsetzung auf der nächsten Seite

biorama: Beim Projekt »Green Plastic for Clean Water« forschst du nach »grünem« Plastik – was bedeutet das? karolina härnvall : Bei dem Forschungsprojekt untersuche ich die Interaktion zwischen Mikroorganismen und Kunststoffen und will beschreiben, wie man dieses Wissen für umweltfreundliche Polymere einsetzen kann. Das Ziel war, die Vorgänge beim natürlichen Polymerabbau zu untersuchen und herauszufinden, wie bioabbaubare Polymere zusammengesetzt sein müssen, damit sie sich im Idealfall innerhalb eines Monats, zumindest aber innerhalb von einem Jahr in der Natur zersetzen lassen. Hast du einen persönlichen Ansporn für dieses Projekt? Ich wuchs am Baltischen Meer auf und war seither immer in Verbindung mit dem Meer, so bekam ich ein Bewusstsein für die Verschmutzung der Gewässer. Wenn man das Projekt breiter betrachtet, ist es ein Thema, das uns alle sehr direkt berührt – jeder braucht Wasser und jeder ist durch die Verschmutzung direkt betroffen. Du willst herausfinden, wie Polymere aufgebaut sein müssen, um vollständig von Mikroorganismen abgebaut zu werden. Werden die Ergebnisse die Industrie und die Wirtschaft beeinflussen? Von Seiten der Politik wächst das Interesse, das Plastikproblem zu lösen und auch die Konsumenten greifen öfter und lieber zu »guten« Kunststoffen. Außerdem gibt es zahlreiche Forschungsteams weltweit, die sich auf verschiedene Aspekte des Problems konzentrieren. Ich denke, dass die Industrie diesen Trends folgen muss. Schon jetzt sind biobasierte und bioabbaubare Kunststoffe am Markt, die aber derzeit noch nicht alle Anforderungen ihrer ölbasierten Pendants erfüllen. Habt ihr ein Rezept für »gute« Kunststoffe? Wenn man so will, ist das generelle »Rezept« für bioabbaubare Polymere, natürlich vorkommende Polymere wie Cellulose oder Proteine zu imitieren. Je ähnlicher die Komponenten im Kunststoff ihren in der Natur vorkommenden Pendants sind, umso besser sind sie abbaubar. Glaubst du, die Welt ist bereit für Lösungen? Absolut. Menschen aus allen Bereichen und Gesellschaftsschichten wollen Fortschritte sehen. Die Industrie bietet immer mehr organische und umweltfreundliche Alternativen an. Gleichzeitig war die Nachfrage bei den Konsumenten an solchen Produkten nie größer.


BIORAMA Nº. 36

WASSER AKTIV

48

WASSERPREIS NEPTUN

Die Installation »Pool« von Philipp Neumann, Sieger der Kategorie WasserKREATIV

Unter dem Begriff Plastik versteht man eine Reihe künstlich hergestellter Materialien, die aus verschiedenen Rohstoffen bestehen können. Derzeit ist Erdöl der Ausgangsrohstoff von etwa 60 % der verwendeten Kunststoffe. Kunststoffe wurden aber schon hergestellt, da war das Öl noch gar nicht entdeckt. Damals und auch heute noch nutzt man zum Beispiel Latex, den Milchsaft im Kautschukbaum, aber immer häufiger werden auch Maisstärke, Milchsäure oder andere nachwachsende Rohstoffe verwendet. Bei der Herstellung von Kunststoff werden Polymere zu langen Ketten verbunden. Karolina Härnvall vergleicht das mit einer Perlenkette: »Polymere können als lange Ketten gesehen werden, die aus zusammenhängenden Komponenten bestehen – den Perlen. Wenn ein Polymer bioabbaubar ist, heißt das, dass Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilze diese Kette aufbrechen können und sie in die ursprünglichen Komponenten zersetzen.« Härnvall und ihr Team untersuchen diese Polymerketten. Sie wollen herausfinden, welche Moleküle in welcher Art verbunden sein müssen und welche Mikroorganismen beim Abbau benötigt werden, damit sie in der Natur möglichst schnell zersetzt werden. Polymerketten kommen in der Natur etwa in Cellulose, Proteinen oder Stärke vor und werden von Mikroorganismen innerhalb weniger Monate vollständig abgebaut. Kunststoff aus Erdöl wurde hingegen so konzipiert, dass er gegen UV-Strahlung, Hitze und die meisten Mikroorganismen resistent ist. Daher dauert es bis zu 500 Jahre, bis er degeneriert ist, was zu dem riesigen Plastikmüllproblem in den Gewässern geführt hat, vor dem die Menschheit derzeit steht. Härnvall ist sich aber sicher, dass die Plastikkrise gemeistert werden kann: »Unser erster Schritt muss sein, neue Verschmutzung zu verhindern und in einem zweiten Schritt müssen wir den bereits vorhandenen Müll aus den Ökosystemen entfernen.« Damit das gelingt, müssen Wissenschaft, Wirtschaft und Industrie zusammenarbeiten und die Menschen dürfen nicht aufhören, sich dafür zu interessieren.

Der Wasserpreis Neptun verleiht seit 1999 Anerkennung und Geldpreise an Projekte, die sich innovativ mit dem Thema Wasser auseinandersetzen. Der Wasserpreis will die Ressource und ihre Bedeutung für so viele Lebensbereiche hervorheben: Wasser als Lebensmittel, Wasser in Tourismus, Wirtschaft und Wissenschaft oder auch Wasser in der Kunst. Um wenigstens annähernd die vielfältigen Bereiche abzudecken, in denen uns Wasser täglich begegnet, gibt es zwei Publikums- und drei Fachkategorien. Heuer wurden spannende Projekte gekürt – Gesamtsieg und die Fachkategorie WasserFORSCHT gingen an das Projekt »Green Plastik for Clean Water« von Karolina Härnvall, »WELL by the thorn tree« überzeugte in der Fachkategorie WasserGLOBAL und in der Kategorie WasserKREATIV gewann die Installation »Pool« von Philipp Neumann. Mit der Renaturierung des Dorfbachs überzeugte die Gemeinde Hard in Vorarlberg das Publikum (Kategorie WasserpreisGEMEINDE) und in WasserWIEN wurde für das Schülerprojekt »Freilandpraktikum Gewässerökologie« der Sir Karl Popper Schule am öftesten gevotet. In jeder Kategorie kann nur ein Projekt gewinnen – leider gehen dabei viele bemerkenswerte Projekte unter. Ein Blick ins OnlineArchiv des Wasserpreises lässt aber erahnen, in welche Richtung Wasserschutz und Forschung in den nächsten Jahren gehen werden: High-Tech-Geräte und die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Naturschutz bereiten den Weg für nachhaltigen Gewässerschutz. Ob das mit Highspeed-Bakterienmessgeräten wie dem ColiMinder passiert oder bei Wasserkraftwerken mit neuartigen Fischpassagen unter Beweis gestellt wird – Wasser als unser Lebensmittel und Lebensraum kann jederzeit durch unser Handeln bedroht werden - umso größer sind die Ambitionen, diese wichtige Ressource zu erhalten. WWW.WASSERPREIS.INFO


Bezahlte Anzeige

KOMM,

WIR

GEHEN

DIE STADT ENTDECKEN.

App gratis laden:

app.wienzufuss.at

Im Frühling entwickelt Wien einen ganz besonderen Charme, den man beim Zu-Fuß-Gehen noch intensiver erleben kann. Entdecken Sie die Stadt – mit unseren kostenlosen Services wie der ersten Wiener Fußwegekarte und der „Wien zu Fuß“ App inklusive Routenplaner, Schrittzähler und einem spannenden Gewinnspiel. Wien zu Fuß ist die Servicestelle für alle Fußgängerinnen und Fußgänger. Gemeinsam machen wir das Zu-Fuß-Gehen in Wien noch attraktiver und sicherer.

www.wienzufuss.at


BIORAMA Nº. 36

50

»NATUR IM GARTEN«

TEXT

Georg Renner

BILD

Museumsdorf Niedersulz, NÖ Landespressedienst

ALTES WISSEN FÜR NEUE GÄRTEN

I

Seit mehr als 15 Jahren beschäftigt sich die Aktion »Natur im Garten« damit, die Wunde zu heilen, die Pestizid- und Kunstdüngerverbreitung in die heimische Gartentradition gerissen haben. Wie das Land Niederösterreich für den Verzicht Werbung macht – und wieso das trotz Brot-und-Spiele-Optik keine schlechte Sache ist.

n der Garten-Sektion meiner Bibliothek, zwischen den Heistinger-Standardwerken und der Bienenliteratur, lagert ein echter Schatz. Ein ästhetisch veranlagter Besucher würde vielleicht bekritteln, dass er die heilige Ordnung der Bücher stört, dieser prall gefüllte, gelbgrüne Büroordner, der da zwischen den sauber gebundenen Wälzern herausragt. Ich könnte nur antworten: Er ist es wert. Der Ordner enthält eine Sammlung von 24 A4-Heften der Serie »NÖ Naturgarten-Ratgeber«. Eine fantastische, mit viel Expertise und Liebe zur Natur gestaltete Serie, die altes Gartenwissen für Einsteiger aufbereitet. Die Grundlagen über alles, was ich in den vergangenen Jahren über Gartenpflege gelernt habe, von der Feststellung der Bodenqualität über die Selektion von Obstsorten bis dazu, wie man eine Trockenstein-

mauer anlegt, weiß ich aus diesen Heften. Sie stammen aus dem Sortiment von »Natur im Garten«, einer Aktion des Landes Niederösterreich, die im Vorjahr ihr 15-jähriges Bestehen gefeiert hat. Und genau da fangen die Dinge an, kompliziert zu werden. »Natur im Garten« ist nämlich eines dieser Dinge, bei denen man ungläubige Blicke erntet, wenn man Wiener Freunden davon erzählt. Wenn man darüber spricht, dass das Land, das seit Jahren kein strukturell ausgeglichenes Budget mehr zusammengebracht hat, seinen Bürgern den kostengünstigen Besuch einer Gartenplanerin mitfinanziert und eine Hotline betreibt, die bei allen Problemen wie der Wahl der richtigen Pflanzerde bis zur ausgewachsenen Schneckenplage Lösungen parat hat. Oder dass natürlich aus jeder »Natur im Garten«-


ALTE KULTURTECHNIKEN STATT CHEMIE Wer einen konventionellen Garten führt, weiß, wie schwierig es ist, auf diese Dinge zu verzichten. Wenn die Blattläuse über die Rosen herfallen, wenn der Boden einfach nicht ergiebig genug für das Paradeiserbeet ist, wenn die Jungpflanzen nicht anwachsen wollen: Da greift man schon einmal zu den entsprechenden Mittelchen oder besorgt sich im Gartenmarkt einen Sack torfhaltiger Anzuchterde. Zumindest, wenn man auf die Ratschläge seiner Eltern hört. Die vergangenen ein, zwei Gärtnergenerationen sind nämlich – eine ähnliche Entwicklung wie auch in der Land- und Forstwirtschaft – mit den Möglichkeiten sozialisiert worden, die Kunstdünger oder chemische Ungeziefervernichter bieten. Plötzlich war es nicht mehr notwendig, die Kulturtechniken alter Bauerngärten zu übernehmen und regelmäßig Kompostrotten zu führen, Gründüngung zu betreiben oder Pflanzen nebeneinanderzusetzen, die Ungeziefer voneinander fernhalten (etwa Lavendel und Rosen): Mit ein paar Sprühern war es getan. Oder: wozu sollte man auch gute Bedingungen für Igel im Garten schaffen, wenn Schneckenkorn den gefräßigen Ungetümern ohnehin den Garaus machte? Kurz gesagt: Durch den Fortschritt in Chemie bzw. Leistbarkeit ihrer Errungenschaften war es schlicht nicht mehr notwendig, sich mit dem Handwerk guten Gärtnerns zu beschäftigen – und vieles, was für die heutige Urgroßeltern-Generation in puncto Garten noch selbstverständlich war, verschwand aus dem kollektiven Bewusstsein. In den letzten Jahren hat sich, parallel zu dem Bio-Boom in der Landwirtschaft, dann langsam die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Sache mit den Chemie-Bomben doch nicht so nachhaltig sein dürfte wie gedacht: Pestizide morden per Kollateralschaden ganze Flächen an Bodenfauna und Insekten, Kunstdünger laugen den Boden nachhaltig aus und rinnen weiter in das Grundwasser, und Torf – mag zwar ein reines

SUSANNE IST GANZ BESTIMMT KEIN STILLES WASSER. ZUKUNFTSDENKEN MACHT ÖSTERREICH IMMER LEBENSWERTER. Susanne Brandstetter liegt die Zukunft unseres Wassers am Herzen. Deshalb animiert die Expertin für digitale Kommunikation junge Menschen dazu, verantwortungsvoll mit Österreichs Wasservorräten umzugehen. Dabei geht sie gerne unkonventionelle Wege und setzt Projekte in den Bereichen Kunst, Design und Mode um. Mehr über Susannes Engagement und wie auch Sie zum Schutz unseres Wassers beitragen können, lesen Sie auf wasseraktionsprogramm.bmlfuw.gv.at – einem Teil der Lebensgrundlagenstrategie.

Entgeltliche Einschaltung

Publikation der politische Schirmherr der Aktion, Erwin Prölls Vize Wolfgang Sobotka, herauslacht und dabei zur »Eröffnung des Gartenjahres« und anderen FeelgoodTerminen für die Kameras posieren kann. Man kann es sich an dieser Stelle achselzuckend leicht machen und »Natur im Garten« als eine weitere Facette im föderalen Brot-und-Festspiele-Kosmos abtun. Das wäre aber ungerecht, denn zufällig ist »Natur im Garten«, für das das Land jährlich fünf Millionen Euro an Steuergeld abstellt, eine grundsinnvolle Aktion – zumindest, wenn man die Meinung teilt, dass die öffentliche Hand einen pädagogischen Auftrag in Richtung Nachhaltigkeit hat. Denn im Kern, unter den vielen bunten »Freude am Garten«-Foldern und -festen, propagiert »Natur im Garten« beinharten Verzicht. Den Verzicht nämlich auf technologische Errungenschaften, die Gärtnern einige Jahrzehnte lang das Leben massiv erleichtert haben: Auf Pestizide, auf künstliche Dünger und auf die Arbeit mit Torf.


BIORAMA Nº. 36

»NATUR IM GARTEN«

52

Naturprodukt sein –, wächst in Hochmooren aber nur mit quälend langsamer Geschwindigkeit an: Wer ihn aberntet, zerstört extrem sensible Ökosysteme. Also alles eher weniger gut.

STARKE MARKE NATUR An dieser Stelle setzt »Natur im Garten« an: Ende der 90er fand sich eine lose Gruppe von Landesbeamten, Gemeindemitarbeitern und Vertretern der Agrarbehörden zusammen, die parallel mehrere Initiativen gestartet hatten, wie man den Umwelt- und Nachhaltigkeitsgedanken auf die privaten Gärten Niederösterreichs herunterbrechen und einen Transfer des präKunstdünger-Gartenwissens gewährleisten könnte. Die Ansätze, die sie damals entwickelt hatten, Beratung und positives Marketing, gehören heute noch zur DNA der Aktion, die 1999 mit EU-Förderung, dem Label »Natur im Garten« und dem Igel-Logo vom damaligen Umweltlandesrat Sobotka durchaus nicht nur aus PR-Kalkül, sondern auch als begeisterter Gärtner aus der Taufe gehoben wurde. Die ersten Produkte, die der gemeinnützige Verein (einzige Mitglieder sind heute das Land und die Landesakademie) einführte, das Gartentelefon, an das sich Gärtner mit allen kleinen und großen Fragen wenden konnten, und die publizistische Schiene, in der Spezialisten kostenlose Ratgeber zu Themen wie »Kompost«, »Blumenwiesen« oder »Tiere im Garten« verfassten, fanden bald reißenden Absatz, was wiederum Partnerbetriebe anlockte und die Marke immer bekannter werden ließ. 16 Jahre später hat sich der Charakter der Aktion stark geändert und professionalisiert: Die meisten konkreten Leistungen wie die Beratungsbücher oder das Gartentelefon sind inzwischen an externe Firmen ausgelagert. Christa Lackner, Geschäftsführerin von »Natur im Garten«, quantifiziert nüchtern die Erfolge des Vereins: »435.000 Beratungen am Gartentelefon, 12.500 vergebene Plaketten an Gärtner, 28.000 individuelle Beratungen zur Planung von Privatgärten, 18.000 Teilnehmer an Seminaren und Vorträgen …« Die Marke »Natur im Garten« ist stark geworden in den vergangenen Jahren, sagt Lackner, und wer mit offenen Augen durchs Land geht, muss ihr zustimmen: Viele Gärtnereien rühmen sich damit, ein »Natur

In Niederösterreich nicht nur im Garten beliebt: das Gießkannenprinzip.

im Garten«-Partnerbetrieb zu sein, jede größere Parkoder Gartenanlage in Niederösterreich – etwa im Museumsdorf Niedersulz, der Schallaburg oder im Stift Melk – schmückt sich gerne mit dem Igelwappen der Aktion. In den nächsten Jahren soll das »Natur im Garten«-Logo gar als Gütesiegel etabliert werden, um Produkte, die den Naturgartenstandards entsprechen, auszuzeichnen. Die größte Herausforderung für die Aktion sieht Lackner aber in der Frage, wie man das gespeicherte Wissen für die digitale Generation aufbereiten kann: Bessere Apps, präzisere Informationen, an neue Medien angepasste Inhalte. Derzeit finden sich unter www. naturimgarten.at / fachwissen hauptsächlich die PDFDownloads bisheriger Produkte – hier wäre noch Luft nach oben, um das alte Wissen an die neue Generation zu bringen. »Unser Ziel muss sein, uns selbst überflüssig zu machen«, sagt Lackner, »weil der natürliche Umgang mit den Gärten wieder völlig selbstverständlich ist.«


BIORAMA Nº. 36

SINN CITY

TEXT

Alexandra Überbacher Heidi Dumreicher Michael Anranter

ILLUSTRATION

Katharina Kvasnicka

WER STADT SAGT, MUSS DORF DENKEN Der Weg zur städtischen Nachhaltigkeit führt über das Dorf: Ein auf Gegenseitigkeit beruhendes Netzwerk zwischen Stadt und Land.

»Oikodrom – Forum nachhaltige Stadt« ist eine private Forschungseinrichtung mit Sitz in Wien. Gegründet von Dr. Heidi Dumreicher im Jahr 1994, widmet sich das Institut dem Entwickeln nachhaltiger Zukunftsszenarien für Städte und Dörfer weltweit.

Dorfbewohner an erste Stelle und tastet sich gemeinsam mit ihnen an die höheren institutionellen Ebenen heran. Mit Hilfe qualitativer Methoden werden Thesen und Theorien im Bereich der Nachhaltigkeitsforschung generiert und Politikempfehlungen entwickelt.

Dabei folgt Oikodrom einer ganzheitlichen Definition von Nachhaltigkeit und integriert kulturelle, soziale und politische Aspekte in den Diskurs um Nachhaltigkeit. In seinen Forschungsprojekten stellt Oikodrom Stadt- und

Oikodrom forscht derzeit mit über 20 Partnereinrichtungen im Rahmen von NOPOOR zu nachhaltigen Lebensmodellen weltweit.


BIORAMA Nº. 36

SINN CITY

54

BILD

András Fülöp / flickr.com

I

n Mailand entsteht ein urbaner, vertikaler Wald: in jedem Stockwerk eine eigene Baumart. In Berlin werden Dächer begrünt und es wird gegärtnert. Wien ist smart und bürgernah. Die Stadt und ihr nachhaltiges Design sind im Kommen. Die zunehmende Verstädterung, nicht nur in Europa, bringt neue Herausforderungen für die Planung. Langsam nehmen die ersten nachhaltigen Zukunftsszenarien im Austausch zwischen BürgerInnen, Verwaltung und Wissenschaft eine Form an.

WER STADT DENKT, MUSS AUCH DAS UMLAND DENKEN Eine Stadt ohne Umland gibt es nicht und der Apfel aus der Region sollte für BewohnerInnen der Innenstadt das naheliegendere Produkt sein als der weit Gereiste. Für das Erreichen städtischer Ernährungssicherheit braucht es ein optimiertes Handelsnetz für regionale und biologische Lebensmittel, das nicht an den Gemeindegrenzen endet und vor allem von kleinstrukturierten Bauernhöfen getragen wird. Ähnlich wie in der romantisierten Vorstellung oberitalienischer Stadtstaaten und ihrem Umland, dem Contado, aber ohne feudale Stände. Regional verankerte, kleinstrukturierte Produktionsformen sind ein bedeutender Pfeiler, und ökonomische Ansätze, die gemeinschaftliches Wirtschaften entwickeln, könnten Kleinbauern, Dorfgemeinden und Städte näher aneinanderbringen: Die Städte müssen ihr Umland ernst nehmen, umgekehrt aber auch das Umland die Städte. Ein auf Gegenseitigkeit beruhendes Netzwerk zwischen Stadt und Land bringt beiden etwas. Die Stadt braucht das Land für Nahrungsmittelproduktion, Erholung, Bildung, Energie. Umgekehrt braucht das Land die Stadt als Verkaufsplatz, Weiterbildungsort und Forschungsstandort. Nachhaltigkeit als örtlich gebundene Balance im Rahmen eines verfügbaren Haushalts hinterlässt keine Ungleichgewichte zwischen den städtischen und ländlichen Partnern, sondern eröffnet neue Handlungsspielräume für zukünftige Kooperationen. Nachhaltige Entwicklung ohne ein Miteinander von Stadt und Land wird nicht funktionieren. Partnerschaften, die über die rein ökonomische Komponente hinausgehen sind erprobt; das regionale Biokistl, der Wein vom Winzer des Vertrauens, das Fleisch vom Traditionsbetrieb aus dem Grätzl: gibt’s alles! Vertrauen, Zuverlässigkeit,

Stadt und Land aus einer Perspektive.

direkter Kontakt, Kooperation und Wissensaustausch stehen bei diesen Beziehungen der Anonymität des Weltmarkts gegenüber.

KLEINSTRUKTURIERTE LANDWIRTSCHAFT Wie auch in Österreich wird ein erheblicher Teil der weltweiten Nahrungsmittel von Familienbetrieben produziert; und die Bäuerinnen und Bauern sind für die Lebensqualität und den Zusammenhalt in Dörfern und ländlichen Gebieten unverzichtbar. Sie pflegen das Landschaftsbild, die biologische Vielfalt und bewahren Traditionen und Bräuche, sagen nicht nur Grüne Fundis, sondern auch unep und fao in einem 2012 gemeinsam erarbeiteten Vorbericht zur rio+20 Konferenz. Negativen Auswirkungen der industrialisierten Produktion von Lebensmitteln wird durch die kleineren räumlichen Strukturen Einhalt geboten. Ganz nebenbei wirken sie sich auch positiv auf die Qualität von Wasser und Böden aus.


STADT-LAND-PARTNERSCHAFTEN Während Städten eine Palette an Strategien zur Auswahl steht, um auf Krisen zu reagieren, beschränken sich Lösungsansätze für bäuerliche Familienbetriebe auf den Weg in Agrarindustrie oder Diversifizierung. Sie stellen auf ökologischen Landbau um, das Anbieten von Urlaub am Bauernhof, oder auch das Vermarkten ihrer Produkte auf Bauernmärkten oder ab Hof. Ein Problem, das weiterhin auf seine Lösung wartet, ist das kulturelle Austrocknen der ländlichen Umgebung auch in Österreich. Räumlich-physische Barrieren zwischen Stadt und Land verschwinden zunehmend. Auch wenn es schon lange keine Stadtmauern mehr gibt; Busse fahren oft weiterhin nur bis zur Stadtgrenze und im Rathaus der Großstadt spielt die Landwirtschaft des Umlands keine Rolle. Das Ausschöpfen der Potenziale integrierter Entwicklung von Stadt und Umland ist für nachhaltige Ernährungssicherheit eine viel zu selten eingenommene Perspektive. Eine Studie der Technischen Universität München hat gezeigt, dass Kooperationen dann funktionieren, wenn eine Reihe an Bedingungen erfüllt sind. Erfolgreiche Stadt-Land Kooperation brauchen attraktive Anreize, sollten zu Kooperationsbeginn medial inszeniert werden, und stellen eine Exit-Option für beide Partner sicher. Außerdem sollten Kooperationsprojekte konkrete Ziele verfolgen, brauchen Zeit und Vertrauen. Das Credo lautet, dass Kooperationen am besten funktionieren, wenn zwischen Partnergemeinden schon früh eine Zusammenarbeit etabliert wurde.

FRAUEN UND JUNGE ERWACHSENE – LANDFLUCHT UND WIEDEREINGLIEDERUNG Es gibt gute Gründe, vom Land in die Stadt zu ziehen. Gerade für Frauen und junge Menschen heißt es in vielen ländlichen Regionen »Stadtluft macht frei!«. Sie alle sehen sich von den sozialen und ökonomischen Aufstiegschancen von Städten angezogen. Das pädagogische, kulturelle, soziale und wirtschaftliche Angebot macht Städte attraktiv, und auch gut gemeinte kulturpolitische Versuche auf dem Land werden das nicht ändern. Lokale Erfolgsgeschichten von JungbäuerInnen und KleinunternehmerInnen zeigen aber, dass es nicht unbedingt eine Reise ohne Rückfahrtticket sein muss. Nach einer Lebensphase

Urban Gardening Wettbewerb in ganz Österreich

Anmeldung auf www.bioinfo.at bis 3. Mai 2015

Eine Initiative von AMA-Bio-Marketing

Finanziert mit Fördermitteln der europäischen union und mitteln der agrarmarkt austria marketing gesmbh.


BIORAMA Nº. 36

Viele Verstehen das handwerk, nur wenige die kunst der körperpflege

NEU

SINN CITY

in der Stadt kann jeder das Land auch neu entdecken! Um den Rückzug in die ländlichen Regionen zu erleichtern, ist es notwendig, Abhängigkeitsbeziehungen zwischen Stadt und Land abzubauen. Wir wollen uns nicht entscheiden müssen zwischen einem Leben in der Stadt und einem Leben auf dem Land.

PERSPEKTIVEN In einer nachhaltigen Stadt-Land-Beziehung sind sich alle Beteiligten ihrer Schwächen und Stärken bewusst. Als Empfänger nachhaltig produzierter, regionaler Produkte ist die Stadt als Erstes von Turbulenzen in der Versorgungskette betroffen. Im Sinne eines nachhaltigen, inneren Metabolismus hat die Stadt ein Interesse daran, klein strukturierte Landwirtschaft in ihrem Umfeld zu unterstützen. Die in den Städten praktizierte Wissenschaft ist also angehalten, eine Diskussion mit und nicht über Gesellschaften in ländlichen Gebieten zu führen. Doch genau hier beginnen die Herausforderungen.

ZUM WEITERLESEN Heidi Dumreicher »Ein urbanes Nachhaltigkeitsprojekt Band 2: Stadt-Land: Eine Beziehung.« (Edition Dumreicher, © 1999 Oikodrom, Studie im Auftrag der Stadt Wien, MA 18 und 21 A) Technische Universität München, »Kooperationen von Stadt und Land: Potenziale der Integrierten Ländlichen Entwicklung.« (© 2013, Bericht der Vorstudie, Forschungsprojekt im Auftrag der Bayrischen Verwaltung für ländliche Entwicklung, München) »UNEP – United Nations Environment Programme; FAO – Food and Agriculture Organization, Coping with the Food and Agriculture Challenge: Smallholders’ Agenda.» © 2013: Bericht und Vorbereitung der RIO+20 Konferenz.

www.kunst-koerperpflege.at Bild: Aloe, Caco, Shea (Detail), Öl auf Leinwand, © Krassimir Kolev 2014


Wie werden wir leben? Wie wollen wir leben? NACHDENKEN ÜBER DIE STADT DER ZUKUNFT

Was braucht die Stadt von morgen? Wie kann Zusammenleben auch in Zukunft funktionieren? Welche Versorgungsstrategien gibt es? Wer baut Infrastruktur? Was braucht moderne Mobilität? Wie wollen wir wohnen? Was wird aus dem öffentlichen Raum? Was macht urbane Kultur wirklich aus? Bleiben in einer »Smart City« noch Freiräume? Wie können wir als Bürger die Stadtentwicklung mitgestalten? Warum wachsen manche Städte – während andere schrumpfen?

DIE gEmEINSAmE SERIE voN BIoRAmA UND THE gAp STEllT FRAgEN UND ZEIgT KoNKRETE ANTwoRTEN. www.biorama.eu/sinncity www.thegap.at/sinncity


BIORAMA Nº. 36

58

ONLINE EINKAUFEN

TEXT

Helena Zottmann

BILD

HerrSpecht / Photocase.de

HANDEL IM WANDEL Auch der Kommerz funktioniert nach den Prinzipien der Demokratie und jeder Einkauf ist eine Stimmabgabe. Wo also einkaufen?

K

aufen heißt Abstimmen – der Konsument hat die Wahl und stimmt täglich darüber ab, was er gut findet und was nicht, was er unterstützt und was er links liegen lässt. Umso bedenklicher, dass sich Millionen Menschen täglich für Massenprodukte entscheiden. Wie auf der Einkaufsstraße reiht sich auch im Internet eine Handelskette neben die andere und die guten kleinen Einzelhändler werden immer tiefer in ihre Nische gedrängt.

HANDEL IST DEMOKRATIE – WER LÄSST SICH ZUR WAHL AUFSTELLEN? In den Innenstädten verlieren Einzelhändler den Kampf gegen Handelsketten und auch im Internet sind E-Commerce-Giganten wie Amazon und Zalando die

großen Verdränger. Wer sich für Handgemachtes, Einzigartiges oder fair Produziertes interessiert, muss erst mal suchen. In Wien haben sich aber schon zahlreiche kleine Unternehmen gegründet, die mit Einzelstücken einen Kontrast zum herkömmlichen Angebot bieten wollen. Nicht immer ganz einfach sind diese Labels auch zu finden, sie vertreiben ihre Ware oft in Abteilungen größerer Shops oder gemeinsam mit anderen Start-ups. Ein eigenes Geschäft können sich die wenigsten leisten, schon gar nicht am Anfang. Also muss eben der OnlineShop her. Der kostet fast nichts und ist von einem befreundeten Webdesigner, der in jedem Freundeskreis zu finden sein sollte, auch recht schnell aufgesetzt. Hanna Oldofredi verkauft handgemachten Schmuck über ihr


59

Label Luftkuss. Nach einiger Zeit auf Märkten hat sie sich für die Selbständigkeit und einen Online-Shop entschieden. »Beruflich hat mich dieses Wagnis sehr bereichert – privat hat es mich schon oft an meine Grenzen gebracht«.

BE YOUR OWN BOSS – WIRTSCHAFT VON UNTEN Die benutzten Materialien, das Handwerkliche und die Leidenschaft in den Einzelstücken lassen die Produkte wie die warmen Semmeln weggehen. Auch wenn nicht immer ganz klar ist, ob die Silberkette aus fairem Handel stammt oder die Stoffe aus biologischem Anbau, das Ehrliche ist es, was zählt. Das Echte ist wieder in, die Oma wird zum Idol einer ganzen Generation – und die hätte doch auch nie etwas gekauft, um es im nächsten Sommer wieder wegzuwerfen. Wieso also altes Gewebe wegwerfen, wenn man daraus schicke Taschen schneidern kann? Jonathan Holl und Cornelia Malli von Fallmasche verkaufen Taschen aus alten Planen, Luftmatratzen oder Markisen. Auch wenn sie einen Online-Shop betreiben, verkaufen sie den Großteil ihrer Produkte über die Partner-Läden. »Für unsere Kunden ist es wichtig, die Taschenunikate mit allen Sinnen wahrzunehmen«, so Jonathan Holl. Die Website mit dem Online-Shop sei aber das wichtigste Instrument, um überhaupt bekannt zu werden. Dort findet man nicht nur alle Produkte, sondern auch die Info, in welchen Geschäften die Taschen direkt verkauft werden. Auch Hanna Oldofredi begann mit Direktverkauf auf Märkten und im kleinen Kreis, was sie in dieser Form auch empfehlen würde. »Auf Märkten lernt man viel, bekommt ein Gefühl dafür, was den Menschen gefällt und der Arbeitsaufwand bleibt immer überschaubar. Für alle, die sich ihr Hobby eines Tages zum Beruf machen wollen – Online-Shop«, ist sich Oldofredi sicher. Der Weg in die Selbständigkeit wirkt gerade in Österreich und Deutschland oft hürdenreich. »Hürden gibt‘s immer und überall, doch sie sind bewältigbar« – damit möchten die Gründer von Fallmasche allen jungen Designern Mut machen, ein Label zu gründen. »Selbstständig sein ist toll. Ich finde, jeder der der Welt etwas zu geben hat und den Reiz schon einmal verspürt hat, sollte es wagen«, sagt auch Oldofredi.

WER MIT DEM SYSTEM NICHT ZUFRIEDEN IST, KANN SELBST EIN NEUES SCHAFFEN Viele Unternehmer beginnen mit dieser Einstellung – man findet nicht die Produkte, die man gern kaufen würde und so schließt man diese Lücke eben selbst. Der Münchner Onlinehandel Sansibio.de vertreibt BioLebensmittel wie ein Bio-Supermarkt, nur eben online. »Wir wollten einen Shop, in dem man alles mit gutem Gewissen kaufen kann«, sagt Bettina Büttner von Sansibio. Gleichzeitig wollten sie sich nicht an einen Ort binden: »Obwohl immer mehr Biomärkte öffnen, gibt

es jede Menge Ortschaften, die noch keinen Bioladen haben. Die Bewohner haben dann gar nicht die Möglichkeit, biologische Produkte zu kaufen. Der OnlineEinkauf ist praktisch und überzeugt vielleicht den einen oder anderen, von der konventionellen Ware abzuspringen und online Bioware zu bestellen.« Online Lebensmittel zu kaufen wirkt bei uns noch ein wenig komisch. In Frankreich oder England sei das aber schon relativ normal, erklärt Büttner, die sich in ihrer Diplomarbeit mit E-Commerce im Lebensmittelhandel auseinandergesetzt hat. Sie geht davon aus, dass der Lebensmittelhandel im Netz auch in Deutschland und Österreich beliebter werden wird.

UND DANN KANN NIEMAND SAGEN: »ICH GEH NICHT WÄHLEN« Eine bessere Welt kann man sich nicht kaufen, und es wäre naiv zu glauben, der Konsum einiger weniger Überzeugungstäter werde die Welt retten. Ein bisschen Idealismus und demokratisches Bewusstsein sind aber auch beim Shopping kein Fehler. Würden alle bewusst einkaufen, wäre die Wirkung gigantisch, denn: die Wahlbeteiligung beim Konsum liegt bei 100 Prozent. Dem entkommt nicht einmal der härteste Anti-Kapitalist und Demokratie-Kritiker. Klar, bewusst einkaufen ist am Anfang hart und erfordert ein wenig Recherche. Vielleicht kommt es einem auch wie Verzicht vor, wenn sich die bunten Sachen in den ersten Reihen der Konsumwelt so schön präsentieren. Schaut man aber ein wenig hinter die Fassaden der Massenprodukte, tut sich eine faszinierende Welt auf, in der Handwerk und persönliche Auswahl mit Idealismus verschmelzen.


BIO aus den Tiroler Bergen

Sebastian Danzl, Käsermeister Schwendt

Für den Schnittlauchkäse wird Almschnittlauch verwendet.

Spezialitäten aus bester Tiroler Bio-Heumilch – dafür stehen unsere Käsermeister mit ihrem Namen. Schließlich sind nachhaltige Berglandwirtschaft, kontrolliert biologische Produktion und achtsame Verarbeitung der Lebensmittel nicht nur Geschmacksfrage, sondern auch Lebensphilosophie. Für den Tiroler Ursprung bürgt das Gütesiegel „Qualität Tirol“.

biovomberg.at


BIORAMA Nº. 36

AGRARWENDE

TEXT

Thomas Stollenwerk

BILD

Bettina Fürst-Fastré

WIE DIE LANDWIRTSCHAFT AUF IHR BURNOUT ZUSTEUERT Die deutsche Journalistin und Autorin Tanja Busse hat ein lesenswertes Buch über Intensivtierhaltung geschrieben.

D

ie Autorin kommt selbst vom Bauernhof. Würde man das in ihrem neuen Buch nicht ohnehin erfahren, man müsste es wissen, um zu verstehen, wie eine der profiliertesten Agrar-Journalistinnen Deutschlands ein Werk verfassen kann, das gleichermaßen anprangernd wie verständnisvoll beschreibt, welch fragwürdiges Business die Landwirtschaft ist. »Die Wegwerfkuh« lautet der Titel. Das soll provokativ wirken. Allerdings funktioniert diese Provokation 2015 wohl nur noch bei denjenigen, an denen die zeitgenössische Agrardebatte bislang vorübergegangen ist. Wer das Buch in die Hand nimmt, steckt spätestens nach wenigen Seiten unweigerlich mittendrin im Diskurs um die Frage, welche Landwirtschaft sich wer von wem zu welchen Bedingungen wünscht.

Was eine Kuh zur Wegwerfkuh macht, wird schnell klar. Allerdings ist das Thema weiter gefasst, als es der Titel suggeriert. Der Bogen der Argumentation spannt sich von diversen – überwiegend norddeutschen – Kuhställen über Geflügelfarmen und Schweinemastanlagen bis nach North Carolina und Australien. biorama:

Sie beschreiben einige ziemlich befremdliche Auswüchse des Agrarsystems. Sind sie eigentlich noch überrascht von den Zuständen in der industrialisierten Landwirtschaft, oder wundert sie inzwischen nichts mehr? busse: Doch! Es hat mich sehr befremdet, dass Milchbauern in Australien ihre fünf Tage alten Bullenkälber ganz legal erschlagen dürfen, wenn kein Schlachthof

61


BIORAMA Nº. 36

AGRARWENDE

62

in erreichbarer Nähe ist. Und dass dort über Transportzeiten von 20 Stunden ohne Wasser für Kälber diskutiert wird. Dabei haben ja gerade Milchbauern – bei aller Intensivierung – oft ein enges Verhältnis zu ihren Tieren. Und was mich noch schockiert hat, ist die Schweinemast in den usa. In North Carolina, einem der Zentren der Schweinefleischproduktion, dürfen die Mäster ihre Gülle einfach in riesige Lagunen kippen, die bei Hochwasser überlaufen. Die Gülle wird von dort auf viel zu kleine Felder gespritzt, die die unglaublichen Mengen überhaupt nicht aufnehmen können. Das sind Entwicklungen, die nicht nur ökologisch, sondern zumindest langfristig auch ökonomisch ziemlich fragwürdig sind. Wer sind eigentlich die großen Gewinner von kurzfristigen Profiten, wie sie die moderne Landwirtschaft abwirft? Kühe, die auf der Weide stehen und Gras in Milch verwandeln, brauchen nicht viel. Hochleistungskühe dagegen können ihre gigantischen Milchleistungen nur mit viel Input erreichen. Davon profitieren Futtermittelimporteure, Händler und Trader, Stallanlagenbauer, die Produzenten von Melkcomputern, Pflanzenschutzmitteln, Veterinärpharmaka, Desinfektionsmitteln und Futterzusatzstoffen. Landwirte stehen heute unter enormem Druck, ihre Betriebe zu modernisieren, zu wachsen und offenbar immer an den Belastbarkeitsgrenzen von Menschen,Tieren und Böden zu arbeiten, und das alles unter finanziellen Risiken. Wieso sind es trotzdem die Landwirte selbst, die diese Drucksituation für den einzigen Weg der Landwirtschaft halten? Ich habe Kubikmeter von landwirtschaftlichen Fachzeitschriften gewälzt, und mein Eindruck ist, dass die herrschende Meinung der Landwirtschaftskammern,

Berater, Verbände und auch der nicht-grünen Politikern ganz eindeutig ist: Die Intensivierung ist der einzig mögliche Weg. Abweichler und Kritiker werden in der Regel belächelt oder totgeschwiegen. Und wer als Landwirt eine halbe Million in ein intensives Produktionssystem investiert hat und dann Zweifel bekommt – was soll der denn sagen? Der kann nicht mehr zurück. Viele Landwirte belächeln auch die modernen Konsumenten und finden die Vorstellung von glücklichen Tieren reichlich naiv. Es wirkt so, als würden in Agrarkreisen überhaupt nur die Ansichten von Bauern und Funktionären etwas gelten. Wieso besteht diese Kluft zwischen Landwirten und Verbrauchern? Die urbanen Konsumenten kennen meist nur den Umgang mit Haustieren und schließen von Pony und Katze auf die Tiere im Stall – aus biologischer und tierrechtlicher Sicht ist das auch völlig berechtigt, denn natürlich sind Schweine genauso sozial und intelligent und schmerzempfindlich wie Haushunde. Die Landwirte dagegen haben die Selbstverständlichkeit, dass man Tiere für seine Zwecke nutzen und töten soll, quasi als familiäres Erbe übernommen und sind dann in den Intensivierungssog geraten. Aus ihrer Sicht ist die Kritik an den »naiven Großstädtern« auch berechtigt: Sie werfen den Landwirten Tierquälerei vor, gehen aber trotzdem zum Discounter und kaufen billiges Fleisch. Das geht eben auch nicht! Auch innerhalb der Landwirtschaft gibt es Konflikte. Zwischen moderner Intensiv-Landwirtschaft und ökologischer Landwirtschaft tobt eine Art Kulturkampf. Gibt es eigentlich auch so etwas wie einen Mittelweg? Der Milchbauer Hauke Jaacks, den ich in meinem Buch porträtiere, schafft so etwas: Er züchtet Hochleistungskühe, aber setzt dabei seine eigenen Maßstäbe: Für ihn dürfen die Kühe keine »Hungerhaken« sein, wie es lange das züchterische Ideal war, sondern sie sollen gesund und gut genährt aussehen. Und er hält einen engen persönlichen Kontakt mit seinen Kühen für unerlässlich. Er lässt sie auch auf die Weide. Aber KuhLiebhaber wie ihn, die ihr Leben im Stall verbringen, darf man nicht zum Maßstab für alle machen.


5.–6. JUNI 2015 TABAKFABRIK, LINZ C RA FTBIER F EST. AT #C RA FTBI ER F EST

C RA F T B I E RF EST C RA F T B I E RF EST

SAVE THE DATE : 2 0 . –2 1. N OV. 2 0 1 5 , W I E N


META & FOSE PRESENT POOLBAR// PRATERSAUNA 7.— 9.5.15 Wien Skream Ellen Allien u.v.a. poolbar.at

KÖLN | XPOST 7. und 8. November 2015 www.fairgoods.info LITH_Inserat_B_45x70.qxp_Layout 1 17.03.

IN OTTAKRING

„Das Ensemble spielt wirklich erstklassig. Hochverdienter Jubel!”

Foto: Anna Stöcher

Foto © XPost Kofler&Kompanie

Deine Messe für nachhaltigen Lebensstil

KURIER

IN ALLER MUNDE

KREON

WE R K Z E U G GESPRÄCHE 2015

Wer Menschenrechte sag

t, der lügt

Von Marc Pommerenin Regie: Dora Schneider g, frei nach Sophokles

1 0 0 0 G R A M M G E DA N K E N UND AKTIONEN ZUM NETZWERK ERNÄHRUNG

www.sohoinottakring.at

JETZT im TAG!

TAG - Theater an der Gump Gumpendorfer Straße endorfer Straße 67 | 1060 Wien 01/586 52 22 | www.das TAG.at

TAG_Biorama_47x70_Apr.15.indd 1 Fair Effizient Ökologisch

31.03.2015 15:57:43

www.HeavyPedals.at

01 / 353 0 353 Lastenradtransport und -verkauf Wir transportieren für Sie, per Rad, bis zu 100kg Montag - Freitag 08:00 - 17:00 Verkauf von Lastenrädern und modernen Kindertransporträdern am Mittersteig 11, 1040 Wien Dienstag - Donnerstag: 11:00 - 18:00


Aber ich glaube, viele Landwirte versuchen, die Haltungsbedingungen ein bisschen zu verbessern. Sie experimentieren mit Spielzeug im Stall oder versuchen, ihre Hühner etwas langsamer zu mästen, weil das weniger Stress für die Tiere bringt. Insgesamt aber glaube ich, dass solche kleinen Veränderungen nicht weit genug gehen. An der Ökologisierung der Landwirtschaft führt kein Weg vorbei. Und ist eine solche Agrarwende bei den geltenden gesellschaftlichen Wachstumsvorstellungen und -erwartungen überhaupt denkbar? Der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik beim deutschen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat im März ein Gutachten veröffentlicht: »Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung«. Darin steht tatsächlich, was sonst nur Tierund Umweltschützer so deutlich gesagt haben: So wie jetzt geht es nicht weiter! Diese Deutlichkeit hat viele überrascht, zumal der Beirat durchaus nicht aus Rebellen und Tierrechtlern besteht. Vielleicht kann man das als Hoffnungszeichen sehen? Die noch vorherrschende naive Vorstellung vom ewigen Wachstum wird ohnehin bröckeln, wenn die multiplen Krisen und Funktionsstörungen des Kapitalismus unser Alltagsleben weiter verändern. Finanzkrise, Peak Oil, Klimawandel und der Kulturkampf um die Industrialisierung der Landwirtschaft – das alles hängt ja mit dieser Idee von Wachstum und Globalisierung und neoliberalen Reformen zusammen. Aber es ist gut, dass es Pioniere gibt, die im Kleinen vormachen, wie es besser, gerechter und ökologischer gehen könnte. Auf ihr Wissen und ihre Erfahrung kann die Politik zurückgreifen, wenn sie bereit ist, auf die multiplen Krisen, wie die Forscher sagen, zu reagieren. Hoffen sie bei der Agrarwende auch auf die Macht der Verbraucher? Immerhin sind es die selben Verbraucher, die mit ihrer Nachfrage bisher einen Markt für Dumping-Lebensmittel schaffen. Ja, es ist schwer, nicht zynisch zu werden. Aber man darf deswegen auf keinen Fall den Schwarzen Peter hochhalten, die Schuldfrage klären und daraus Untätigkeit ableiten. »Die Verbraucher kaufen billiges Fleisch, also produzieren wir das für sie«, argumentieren viele Landwirte. So aber kommen wir nicht weiter. Es muss klar sein, dass alle Akteure Verantwortung tragen: Konsumenten, Handel, Produzenten und Erzeuger und die Politik sowieso. Und je mehr Macht ein Akteur hat, desto mehr Verantwortung darf man von ihm erwarten. Jetzt, in Zeiten eines großen Protests gegen Agrarindustrie und Massentierhaltung, sollte die Politik mutig vorangehen und die Agrarwende in Angriff nehmen. Dabei sollte sie die Bauern mitnehmen und ihnen Alternativen bieten und gleichzeitig den Konsumenten erklären, warum es kein billiges Fleisch mehr geben darf. Aber es gibt möglicherweise noch einen Weg: Wir haben in Deutschland ein gutes Tierschutzgesetz, das

65

festlegt, dass Tiere nicht ohne vernünftigen Grund getötet werden dürfen. Was dieser vernünftige Grund sein könnte, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen – und auch schon Urteile, die das Töten frisch geschlüpfter Küken verbieten. Ich glaube, auch auf dem juristischen Weg können wir viel erreichen. Und wird diese nächste Agrar-Revolution gelingen, oder sind Sie eher pessimistisch? Deutschland ist ja erst nach dem Unfall in Fukushima aus der Atomkraft ausgestiegen. Und ich höre immer wieder, dass die Politik erst auf Katastrophen reagiert. Wäre ja schön, wenn es bei der Agrarwende anders ginge. Tanja Busse: »Die Wegwerfkuh« (Blessing Verlag)


BIORAMA Nº. 36

GLASGEFLÜSTER / Sarah Krobath und Jürgen Schmücking

66

WILD WILD WINE

ILLUSTRATION Nana Mandl, Katharina Hüttler / agentazur.com

ZWEI WEINGÜTER LASSEN SICH VON DER NATUR DEN WEG ZEIGEN.

sarah: Für Ilse Maier hört die Biolandwirtschaft nicht bei den Wirtschaftsflächen auf. Hecken, Gewässer, Solitärbäume und Obstbaumbestände gehören am Geyerhof genauso dazu wie die 19,5 Hektar Rebflächen, die von Hand gelesen werden. Aus diesem Ansatz heraus hat sie 2011 zusammen mit Birgit Braunstein das ambitionierte Natur- und Landschaftsschutz-Projekt Wildwux ins Leben gerufen. Was bietet sich da besser als Ideenträger an als ein gleichnamiger Wein? Das Versprechen: Jede Flasche macht die Natur ein Stück reicher. Und jeder Schluck vom Grünen Veltliner Kremstal DAC Wildwux 2013 einen selbst einen Tick lebendiger. Angefangen beim sortentypischen Pfefferl, das sich zwischen Mandarinen, grünen Zwetschken und Quitten immer mehr hervortut, bis hin zur knackigen Säure, die sich überraschend angriffslustig zeigt und dem Wein einen anständigen Biss verleiht. Eine Lebendigkeit, die ansteckt, und selbst Nesthocker zu einem Ausflug in die Natur beflügeln dürfte. Zum Beispiel auf den Geyerhof, wo sich jeder selbst von den Früchten des Projekts überzeugen und mit etwas Glück ein paar der bedrohten Tierarten wie Laubfrosch, Steinkauz und Wiedehopf erspähen kann, die es sich am Weingut in dem eigens angelegten Feuchtbiotop mit Niströhren gemütlich gemacht haben.

jürgen: Wenn man Folder oder Website des Projekts Wildwux überfliegt, entsteht der Eindruck, dass es den beiden Frauen eigentlich gar nicht so sehr um den Wein selbst geht. Ilse Maier und Birgit Braunstein haben sich der Artenvielfalt im Weingarten angenommen. Bio ist gut, aber nicht genug. Da sind sich die beiden Biowinzerinnen einig. Ihr Projekt steht für Natur-, Landschaftsschutz und Arterhaltung. Ein Teil der Rebfläche für die Wildwux-Weine wird der Natur an anderer Stelle zurückgegeben. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet und ist auf Dauer angelegt. Die Weine? Naja, was soll schon schiefgehen? Immerhin zeichnen zwei der renommiertesten Weinbäuerinnen des Landes dafür verantwortlich. Von Birgit Braunstein kommt eine dunkle, kraftvolle Purbacher Cuvée aus Blaufränkisch, Zweigelt und St. Laurent mit sinnlicher Balance aus Frucht- und Kräuternoten. Barrique und Akazienfass dienen als Reifemedium und verpassen dem Wein ein rundes, harmonisches Erscheinungsbild. Trotz seiner Kraft und Dichte ist die Wildwux-Cuvée ein quicklebendiger Wein mit hohem Trinkspaßfaktor. Der Wein beeindruckt am Tisch durch seine ästhetische Ausstattung, hat – Weingott sei Dank! – einen Schraubverschluss und ist auch noch mehrflaschenfreundlich kalkuliert. Was will man mehr?

Woraus: dem klassischen Weißweinkelch Wozu: zum Garteln, zum Frühschoppen und zur geräucherten Forelle Mit wem: mit Hase, Fuchs und Igel im Freien

Woraus: Weinglas, keine Spompernadeln. Wozu: Italo Calvinos »Baron auf den Bäumen«. Oder zum Lammragout. Mit wem: mit jedem, der Lust dazu hat.



BIORAMA Nº. 36

68

MARKTPLATZ FOOD

TEXT

Helena Zottmann

BILD

Elisabeth Els

DURCHGEKAUT Die meisten herkömmlichen Kaugummis sind Kaumasse auf Erdöl-Basis mit vielen bösen Zugaben wie Weichmachern und Aspartam. Wir haben echte und schlechte Alternativen gefunden.

D

as Verfallsdatum auf den meisten Kaugummipackungen wird häufig nur dem Konsumenten zuliebe drauf geschrieben. Eigentlich bräuchte es das Datum überhaupt nicht, denn Kaugummis halten ewig, wie die vielen grauen Flecken auf den Straßen beweisen. Wir kauen freiwillig auf erdölbasiertem Kunststoff herum und nehmen Inhaltsstoffe auf, die nachweislich schädlich sind. Die Süßungsmittel Aspartam und Isomalt zum Beispiel, die gerade von Allergikern unbedingt gemieden werden sollten. Auf unserer Suche nach Alternativen sind wir auf das Süßungsmittel Xylitol gestoßen, der für viele Produkte namensgebend war. Xylitol, auch nur Xylit genannt, ist ein Zucker, der aus fermentierter Birkenrinde gewonnen wird und Karies-vorbeugend wirkt. Wir haben trotz aller Schwierigkeiten ein paar Produkte gefunden, die teilweise gute Alternativen sind, teilweise aber auch nur den Anschein erwecken, weil sie etwa auch in Apotheken verkauft werden.

1 // STYRUM’S ACEROLA GUM Schmeckt fruchtig erfrischend und kommt dabei ohne Süßstoffe oder Zucker aus. Der Kaugummi von der Firma Styrum’s aus der Schweiz wird vor allem für Schulkinder empfohlen, die mit dem zuckerfreien Kaugummi während der Schulzeit ihre Zähne pflegen können – ist jedem selbst überlassen, ob er sich von diesem Lockspruch fangen lässt.

2 // GUARANA FITGUM Schon die Verpackung leuchtet einem entgegen – rotorange mit einer Inka-Figur abgebildet drängt sie sich förmlich auf. Auch die Kaugummis im Blister sind rot und versprechen ein intensives Geschmackserlebnis. Leider müssen wir hier laut aufschreien: AspartamAlarm. Auch der Begriff »Kaumasse« drängt uns zum Telefon: auf Nachfrage wird uns versichert, dass keine Polymere auf Erdölbasis in der Kaumasse enthalten sind, es sei eben Kaumasse. Nach mehrmaligem Nachfragen verrät uns die Dame am Telefon, dass die Kaumasse, so wie jede herkömmliche Kaumasse auch, mit Hilfe von Paraffinen hergestellt wird und so auch Spuren im Kaugummi enthalten sein können.


69 2 5 3 6

1

4

3 // XYLITOL

5 // CHICZA

Die Verpackung sieht nach Medikament aus und man bekommt den Kaugummi auch in der Apotheke. Schmeckt ein bisschen nach Zahnpasta, aber das ist vielleicht auch der Sinn dahinter: Der Kaugummi dient vor allem zur Zahnreinigung und erfüllt diesen Zweck vor allem durch das enthaltene Xylitol. Bei den Herstellern bekommen wir zur Kaumasse die Auskunft, dass weder Erdöl noch Weichmacher enthalten sind und das sind an sich schon mal gute Nachrichten, auch wenn zu den Rohstoffen wieder mal geschwiegen wird.

Besitzt geschmacklich eine leichte Räuchernote und ist dennoch extrem süß – der Hauptbestandteil ist schließlich Rohrzuckersirup. Für die Zahnhygiene ist dieser Kaugummi also weniger geeignet, dennoch ein netter Zeitvertreib. Die Konsistenz ist außergewöhnlich, zuerst schwer zu zerkauen, dann zerfließt er im Mund fast, während die Speicheldrüsen unablässig einwässern und man das Gefühl hat, am eigenen Speichel zu ertrinken. Bald hat sich das aber eingependelt und der Kaugummi wird schön kompakt. Dann ist aber leider auch der Geschmack weg. Hervorzuheben sind aber die Inhaltsstoffe – weder Aspartam, noch Erdöl und auch sonst ist nichts Chemisches ist enthalten. Es werden ausschließlich Produkte aus biologischem Anbau verwendet.

4 // XYLIGUM Auch wenn auf den Test-Packungen nichts zur Kaumasse zu finden war – nach einer kurzen Internetrecherche fanden wir heraus, dass dieser Kaugummi aus Chicla, einem natürlichen Kaugummirohstoff aus dem Sapotillbaum, hergestellt wird. Sein Name verrät schon, dass der Süßstoff hier Xylitol ist und auf der Verpackung wird damit geworben, auf Aspartam zu verzichten. Das finden wir super! Nach einem intensiven Kautest wurde aber leider klar, dass das Kauerlebnis weniger prickelnd ist als die positiven gesundheitlichen Aspekte.

6 // STYRUM’S MINT FRESH Der Kaugummi bietet geschmacklich das, was er verspricht: Minzig frische Note ohne große Überraschungen. Der Kaugummi wurde von Ökotest mit sehr gut ausgezeichnet und ist das Pendant für Erwachsene zum Acerola Gum, schließlich ist da auch das Süßungsmittel Xylitol enthalten.


BIORAMA Nº. 36

DIY REZEPT

70

KOOKOO SABZI – EINE PERSISCHE FRITTATA »Kookoo« ist das persische Wort für Laibchen und »Sabzi« steht für Kräuter. Frische Kräuter sind ein essentieller Teil der persischen Küche und werden nicht nur zu jeder Mahlzeit als erfrischende und ergänzende Beilage serviert, sondern auch zu Eintopf oder Laibchen verarbeitet.

TEXT

Parvin Razavi

BILD

Elisabeth Els

Diese tiefgrünen Laibchen erinnern eher an eine Art Frittata und sind auch Teil der Neujahrsmahlzeit, bei der traditionell Kräuterreis, Fisch und Kookoo Sabzi serviert werden. Das Persische Neujahrsfest, Norooz genannt, ist ein Fest der Natur und des Lebens. Mit der Ankunft des Frühlings wird das neue Jahr begrüßt. Die Luft, die uns mit Leben erfüllt; das Feuer, das uns Licht und Wärme spendet; das frische und klare Wasser, das den Durst von Mensch, Tier und Natur löscht; die Blumen und Pflanzen, die uns mit ihrer Schönheit und ihrem Duft betören; das Tierreich, das uns daran erinnert, dass sich das Leben auch jenseits der menschlichen Form erstreckt; die Poesie, die uns erheitert und mit Hoffnung erfüllt; süße Backwaren, die unser Herz versüßen und die grünen Kräuter und Gemüse, die uns nähren und uns mit Energie versorgen. All das ist für uns der Frühling.


71

ZUTATEN » 2 Bund Petersilie » 2 Bund Dille » 250 g Spinat » 1 Bund Jungzwiebel, geputzt und samt dem Grün fein hacken » 30 g Berberitzen » 30  g Walnüsse (optional), geröstet und grob gehackt

» 1 TL Kurkuma » 6 Eier » 4–5 EL Olivenöl » 2 gestrichene EL Mehl » ½  TL Weinsteinpulver » Salz, Pfeffer

01

Spinat sowie Kräuter samt Stängel fein hacken. 1 EL Olivenöl in einer Pfanne (Ø 20 cm) erhitzen und die gehackten Jungzwiebeln mit Kurkuma 2 Minuten weich dünsten.

02

Anschließend die klein gehackten Kräuter ebenfalls zufügen und weiterbraten bis alles weich geworden ist.

03

In einer Schüssel Eier gut verquirlen, mit Salz und Pfeffer abschmecken und mit den überkühlten Kräutern, Berberitzen und Walnüssen gut vermischen.

04

Ausreichend Olivenöl in der Pfanne (Boden soll gut bedeckt sein) erhitzen und die Kräuter-Ei Mischung vorsichtig hineinleeren.

05

Sobald die Masse am Boden stockt, bei 180° Heißluft in den Backofen schieben und etwa 10 Minuten fest werden lassen.

06

Kookoo Sabzi vorsichtig aus der Pfanne heben und in 4 bis 8 Stücke teilen. Kookoo Sabzi kann mit Reis oder einem Salat serviert werden.

Ideal für ein Partybuffet: Kookoo Sabzi Masse in Muffinförmchen im Backofen backen!


Willkommen im Feierabend! Gemeinsam mit Freunden das Beste aus Brot & Wein genießen – auf der Landstraßer Hauptstraße 82. www.ströck-feierabend.at


BIORAMA Nº. 36

SPEIS UND TRANK

TEXT

Micky Klemsch

73

ILLUSTRATION

Katharina Hüttler agentazur.com

SO RICHTIG GUT ESSEN? Nachhaltige Bio-Gastronomie, die auch ein richtiges Geschmacks-Highlight für den Genießer darstellt, gibt es nicht oft – aber hoffentlich bald immer öfter. Ein neuer Foodblog stellt die besten Beispiele ins Rampenlicht.

A

m Anfang stand die Idee, einen bewertenden Biogastro-Guide herauszugeben. Mit dem Kernthema Gastronomie, aber auch Hotels und Reisen wollten wir die besten der Branche beleuchten und Noten vergeben. Aber anders als bei den großen Kollegen von Michelin und Gault-Millau wollten wir neben der Qualität der Küche auch viele nachhaltige Aspekte berücksichtigen: Arbeitet der Betrieb mit Ökostrom? Welche Produkte werden im Hygienebereich oder für die Reinigung verwendet? Gibt es spezielle Konzepte für die Verwertung von Speiseresten? Auch soziale Komponenten im Bereich der Mitarbeiterführung sollten Niederschlag finden. Und natürlich sollte das Gebotene in erster Linie am Teller gut schmecken. Im besten Fall auch mit allen Hintergrundinfos eben »richtig gut« schmecken. Das gesamte deutschsprachige Gebiet sollte dieser Reader jährlich abdecken. Dafür haben wir bereits intensiv recherchiert und die ersten Betriebe getestet. Mit dem Ergebnis: Das bestehende Angebot reicht im Moment keinesfalls für ein ganzes Buch. Nehmen wir alle 100 % biozertifizierten Restaurants – Imbiss-Abgabestellen in Biomärkten haben wir nicht einbezogen –, dann füllen wir gerade mal einen dünnen Prospekt. Bewerten wir diese Betriebe nach den hohen Kriterien der oben erwähnten Gastro-Guides, dann bleiben wirklich nur noch ganz wenige Spitzenbetriebe über. Warum aber gibt es in einer Zeit, da gerade im Handel das Biosegment so boomt, noch so wenig gute Leitbetriebe in der Biogastronomie?

NACHFRAGE NACH UNVERFÄLSCHTER KÜCHE STEIGT Ich unterstelle den geschätzten Gastronomen hier einmal wirtschaftliche Gründe: Neben dem weit höheren Wareneinsatz für den Einkauf aus kontrolliert biologischem Anbau muss der Wirt auch noch die jährlichen Kosten für die Biokontrollen berappen. Vielerorts hört man die Ausrede, dass man diese Kosten nicht voll an den Gast weitergeben kann. Dass der Konsument in der Gastronomie noch nicht bereit ist, weit mehr zu zahlen, nur weil Bio draufsteht. Keine Kontrolle in der Gastronomie ist so streng wie die Bio-Kontrolle: Da muss für alles eine Rechnung da sein, da wird jeder Einkauf prüfend beleuchtet. Dadurch kann der Wirt aber auch keine Ware an der Finanz vorbeischummeln. Kein schwarz eingekauftes Fass Bier oder dem Fiskus nicht deklarierte Wein- oder Wodkaflaschen. Auch 2015 noch ein weitverbreiteter Usus, der vielen Betrieben angeblich die Existenz sichert. Ob diese Schattenwirtschaft durch die zumindest in Österreich demnächst verpflichtende Registrierkasse ein Ende findet und so ein massiver Vorteil der konventionellen Gastronomie wegfällt, bleibt abzuwarten. Derweilen möchten wir aber dennoch Betriebe beleuchten, die trotz vieler Bürden den Weg zur biozertifizierten Gastronomie oder Hotellerie gegangen sind. Ihnen den Rücken stärken und mit interessanten Berichten und tollen Bildern den Gästen Appetit machen. Kombiniert mit Berichten über Hotels, Bioproduzenten, Shops und Märkte stellen wir ab April diese Gastrobetriebe auf unserem neuen Blog vor. Nicht nur gut, sondern richtig gut essen! Und vielleicht geht sich dann ja auch einmal ein Buch aus. www.richtiggutessen.com


BIORAMA Nº. 36

74

MARKTPLATZ KOSMETIK

TEXT

Sylvia Buchacher

BILD

Elisabeth Els

CRÈME DE LA CRÈME Die Jahreszeiten strapazieren unsere Haut – vor allem im Gesicht. Mit diesen natürlichen Tagescremen für jeden Hauttyp kann sich die Haut wieder erholen und dem Frühling entgegenstrahlen.

D

en ersten Eindruck eines Menschen bekommen wir durch das Gesicht. 20 Muskeln prägen unseren individuellen Ausdruck. Die Hautbeschaffenheit selbst kann dabei viel über einen Menschen aussagen. Bei der täglichen Gesichtspflege wird schon lange auf die Wirkstoffe und Pflegewirkung von Naturkosmetik vertraut. Sie basiert auf natürlichen Rohstoffen aus Bioanbau, hat keinerlei schädliche Wirkung, lässt die Haut atmen und bringt diese wieder ins Gleichgewicht. Auf synthetische Konservierungsstoffe, Mineralöle, Silikone sowie künstliche Duftstoffe wird gänzlich verzichtet. Dennoch ist es ratsam, die inci-Liste des gewählten Produktes genau durchzulesen. Schon die ersten vier oder fünf Inhaltsstoffe können viel über eine Creme aussagen, da sie mengenmäßig den größten Teil der Creme ausmachen. Bei Glycerin und Alkohol an den vordersten Positionen ist Vorsicht geboten, da diese Inhaltsstoffe die Haut austrocknen können. Beim Kauf einer neuen Creme sollte man außerdem die eigene Haut gut kennen, denn die verschiedenen Hauttypen haben auch unterschiedliche Bedürfnisse. Natürliche Tagescremen setzen in ihrer Wirkung auf langfristige Erfolge, ohne der Haut zu schaden. Vielmehr helfen sie dieser, sich selbst zu regenerieren, spenden Feuchtigkeit und stärken. Wir zeigen die besten Tagescremen für jeden Hauttyp.

1 // SCHUTZ UND REPARATUR Die luxuriöseste Naturkosmetiklinie kommt aus der Schweiz. Die bdih-zertifizierte Gesichtscreme Regeneratio Skin Repair Sensitiv Skin von Ananné nährt mit natürlichen Pflanzen- und Algenextrakten und fördert die Regeneration und Selbstreinigung der Haut. Der verführerische Duft und die reichhaltige Konsistenz sind wahre Hautschmeichler. Ein Nährstoff-Cocktail aus Buchweizen-Extrakt, Lavendel-Öl, WeizenkeimÖl, Sheabutter, Pflaumenkern-Extrakt, Coenzym Q10, Vitamin A und E sowie Lupinen-Öl wirkt wie ein Erholungsurlaub für die Haut. Kann auch als Maske verwendet werden (großzügig auf dem Gesicht verteilt 5 bis 10 Minuten einwirken lassen, danach mit einem feuchten Kosmetiktuch abnehmen). www.ananne.com

2 // MÄNNERSACHE Die vegane Kosmetiklinie Bulldog Skincare for Men wurde in Großbritannien von Männern für Männer entwickelt. Zum Glück gibt es die tollen Produkte mittlerweile auch im deutschsprachigen Raum. Unser Favorit ist die Sensitive Feuchtigkeitscreme, die mit grünem Tee, Grünalgen, Konjak-Mannan und Vitamin E pflegt. Endlich eine natürliche, unkomplizierte und wirksame Männerpflegeserie! meetthebulldog.com


75 8 2

10

4

7

5

3

1 6

9

3 // FRISCHE-KICK

5 // IM GLEICHGEWICHT

Für die anspruchsvolle Haut ab 30 hat Annemarie Börlind die berühmte Pflegeserie LL Regeneration entwickelt. Wir finden den Geruch der Tagescreme zwar etwas altmodisch, dafür sind wir von der luftigen Konsistenz und nachhaltigen Wirkung der Creme begeistert. Der LL-Biokomplex (hochwirksame Stoffe wie verschiedenste Vitamine und Bisabolol) unterstützt die natürliche Regeneration der Haut und sorgt für einen frischen, vitalen Teint. Ideale Make-up-Unterlage! www.boerlind.com

Für die junge Mischhaut empfehlen wir die vegane, bdih -zertifizierte, Phyto-Balance ausgleichende Creme Malve Aloe Vera von i + m Naturkosmetik. Eine Wirkstoffkombination aus Malve, Holunder, Arnika, Melisse, Aloe Vera und Jojobaöl hemmt die Talgproduktion und spendet gleichzeitig Feuchtigkeit. Wir lieben den angenehm zitrischen Kräuterduft und die leichte, schnell einziehende Textur der Creme. Kann auch als Nachtcreme verwendet werden. www.iplusm.berlin

4 // WECKRUF FÜR DIE HAUT

6 // CREMEVERGNÜGEN

Unsere Lieblingscreme kommt aus dem Norden – genauer gesagt aus Schweden. Luxsit verwendet ausschließlich rein natürliche Bestandteile, ausgewählte Extrakte nordischer Pflanzen und wird in recycelten lila Glasflakons abgefüllt. Die Revitalize Facial Cream mindert erste Fältchen und Linien mit der Kraft von Heidelbeerextrakt und Betakarotin. Der hohe Gehalt von gla (Gamma Linolenic Acid) des Johannisbeeröls bindet die Feuchtigkeit in der Haut und lässt sie prall und gesund aussehen. Ein echtes Naturwunder und ein Hingucker im Badezimmer. www.luxsitorganic.com / amazingy.com

Um Sonnenschäden vorzubeugen und strapazierte, gerötete Haut zu beruhigen, verwenden wir die 01 Skin Cream von Dr. Jackson’s. Die straffende Tagespflege mit lsf 20 wirkt entzündungshemmend und hinterlässt ein ebenmäßiges Hautbild. Kigelia, Baobab, Marula und Sheabutter spenden Feuchtigkeit und sind ein wahrer Power-Wirkstoffkomplex im Kampf gegen Pigmentstörungen und gerötete, irritierte Haut. Gibt es auch als 30-ml-Reisegröße. www.drjackson.co.uk www.staudigl.at


BIORAMA Nº. 36

MARKTPLATZ KOSMETIK

76

7 // SANFTE PFLEGE Die Day Cream S von Myrto verzichtet auf alle Inhaltsstoffe, die empfindliche Haut irritieren könnten. Mit dem praktischen Pumpspender lässt sich die Creme, die dezent nach Vanille duftet, gut dosieren. Alle MyrtoProdukte basieren außerdem auf einem neuen, emulgatorfreien Pflanzenfaser-Konzept und schützen so den Lipidfilm der Haut. Die Textur ist angenehm leicht und zieht schnell ein. Wir empfehlen die Creme bei sensibler und problematischer Haut. www.myrto-naturalcosmetics.de

DIY-TIPP: FEUCHTIGKEITSSPENDENDE HAUTCREME MIT ROSE, APFEL UND KAROTTE Apfel und Karotte enthalten natürliche Antioxidantien und spenden der Haut Feuchtigkeit. Diese Hautcreme vitalisiert, spendet sanften Sonnenschutz, befeuchtet und erhöht die Elastizität der Haut. 200 g Kokosfett in einem Topf erwärmen. Je ca. 30 g Apfel und 30 g Karotte fein raspeln. Eine getrocknete Rose zerkleinern und mit der Karotte und dem Apfel vermischen. Die Mischung zum Kokosfett geben und ca. 1 / 2 Stunde unter der Siedetemperatur erhitzen. Etwas abkühlen lassen, durch ein Feinsieb filtrieren und abfüllen. Gut in die Haut einmassieren. Ergibt ungefähr 200 g. Haltbarkeit 1 Monat bei Zimmertemperatur, 3 Monate im Kühlschrank. (Aus: »Grüne Kosmetik – Bio-Pflege aus Küche und Garten« von Gabriela Nedoma, erschienen im Freya Verlag)

8 // ROSENKAVALIER Gerade nach den kalten Wintermonaten benötigt unsere Haut eine Extraportion an Pflege. Mit der Nourishing Facial Cream Midsummer Rose der finnischen Marke Frantsila wird unsere Haut wieder gepflegt, gestärkt und nachhaltig mit Feuchtigkeit versorgt. Die Rose sorgt für einen ebenmäßigen Teint, verfeinert die Poren und strafft. Sie schützt vor einer Ermüdung der Haut, erhöht die Elastizität und fördert sogar die Heilung von Couperose. Der zarte Duft der wunderschönen Creme im Retro-Design erinnert an einen Rosengarten. www.hillanaturkosmetik.de/gesicht

9 // ALLESKÖNNER Die Basis Sensitiv Anti-Falten Feuchtigkeitscreme Q10 von Lavera ist ein wahres Allroundgenie, wenn es um Hautpflege geht. Abgefüllt mit 100 Prozent natürlichen Inhaltsstoffen ist die Creme Natrue-zertifiziert, vegan und absolut sicher für jeden Hauttyp. Das Coenzym Q10 reduziert Falten nachweislich und spendet Feuchtigkeit. Die Konsistenz ist sahnig leicht und der Geruch der Creme unbeschreiblich gut. www.lavera.de

10 //ZEITMASCHINE Falten kann man sich mit der festigenden Nachtkerze-Tagespflege von Weleda ganz einfach wegcremen. Die Anti-Aging-Linie zielt auf die Zielgruppe 56+ ab und verspricht Schutz vor freien Radikalen sowie ein ebenmäßigeres, strafferes Hautbild. Bio-Öle und Fette aus Nachtkerze, Sesam, Inkanuss, Macadamianuss und Kakaobutter kräftigen und stärken die Hautstruktur und versorgen sie mit Feuchtigkeit. Beim Eincremen nicht auf Hals und Dekolleté vergessen! www.weleda.de


wir empfehlen heute: Bio-Hackschnitzel aus der Region Frisch aus dem Kessel und brandheiß serviert: Moderne Hackgutheizungen können wir I h n e n w ä r m s te n s e m pfehlen, wenn Sie umweltfreundlich, CO₂-neutral und absolut günstig heizen möchten. Mit ökologischen Brennstoffen aus der Region.

„Die essbare Stadt“ – April 2015

Im April 2015 widmen wir uns der urbanen Ernährung – mit alten Rezepten und neuen Trends. Nehmen Sie teil an unseren kostenfreien Veranstaltungen!

Dienstag, 28. April 2015, 19:00 Uhr „Essen in der Stadt – von Slow Food bis Selbsternte“ Im Rahmen der Hauptveranstaltung des Themenmonats wird zunächst die „Slow Food“-Philosophie ƉƌćƐĞŶƟĞƌƚ͕ ďĞǀŽƌ ŝŵ ŶƐĐŚůƵƐƐ ƵŶƚĞƌƐĐŚŝĞĚůŝĐŚĞ ƐƉĞŬƚĞ ǀŽŶ ƵƌďĂŶĞƌ ƌŶćŚƌƵŶŐ ƵŶĚ ^ĞůďƐƚǀĞƌƐŽƌŐƵŶŐ ĚŝƐŬƵƟĞƌƚ ǁĞƌĚĞŶ͘

Impulsreferat von Piero Sardo

WƌćƐŝĚĞŶƚ ĚĞƌ /ŶƚĞƌŶĂƟŽŶĂůĞŶ ^ůŽǁ &ŽŽĚ &ŽƵŶĚĂƟŽŶ /ŵ ŶƐĐŚůƵƐƐ ŝƐŬƵƐƐŝŽŶ ŵŝƚ͗ – Barbara van Melle | Slow Food Wien – Regina Bruno ͮ ^ĞůďƐƚĞƌŶƚĞ͘Ăƚ – Felix Hnat ͮ sĞŐĂŶĞ 'ĞƐĞůůƐĐŚĂŌ PƐƚĞƌƌĞŝĐŚ DŽĚĞƌĂƟŽŶ͗ Jürgen Schmücking ͮ DĂŐĂnjŝŶ /KZ D VHS Liesing Ϯϯ͕͘ >ŝĞƐŝŶŐĞƌ WůĂƚnj ϯ͕ &ĞƐƚƐĂĂů ǁǁǁ͘ǀŚƐ͘ĂƚͬŶĂĐŚŚĂůƟŐŝŶǁŝĞŶ

70 x in Österreich


BIORAMA Nº. 36

ELTERNALLTAG / Ursel Nendzig

ILLUSTRATION Nana Mandl, Katharina Hüttler / agentazur.com

Wir sind wohl die erste Generation Menschen, deren Kinder irgendwann einmal verschwinden, ohne das Haus zu verlassen. Ein Brief an die Cyberhöhle.

HÖHLENKINDER

078

»MAMA, FRÜHER WAR ALLES SO SCHÖN.«

L

iebe Söhne! Ihr habt noch nicht einmal das Fernsehen entdeckt. Aber weil ihr nicht die einzigen Kinder seid, die mir am Herzen liegen und ein paar meiner anderen Lieblingskinder gerade dabei sind, das Tor zur Pubertät (allein das Wort! Das klingt so sehr nach unwürdiTagträume davon haben, dass ihr nie gem Oberlippenflaum und quietschenden Stimwieder aus der Höhle rauskommt. Und men, über die man leider nicht lachen darf ) zu wunderschöne Tagträume davon haben, passieren, weiß ich: es wird der Tag kommen, an wie es einmal war. Also wie es jetzt ist, ihr dem ihr verschwindet. Euer hübsches Gesicht versteht schon. Davon, wie ihr beim ersten (vom Flaume entstellt) wird sich hinter kleiSchnee leuchtende Augen bekommen habt nen Bildschirmen verstecken, ihr werdet nur und es nicht abwarten konntet, hinaus zu noch Onlinebekanntschaften haben, das Haus gehen mit euren Schneeschaufeln und dem Arschbob und erst nach Stunden wieder ins nicht mehr verlassen und nicht mehr mit mir Haus zu kriegen wart, mit roten Backen und sprechen, sondern mir (wenn ich Glück habe) Whatsapp-Nachrichten zukommen lassen. Ihr Rotzbächen unter der Nase. Wie wir dann Tee werdet eure Zeit verschwenden, euer Gehirn getrunken haben und ihr euch ums Honigglas wird sich zurückentwickeln, ihr werdet gestritten habt. Ich werde von unseren Wanwahrscheinlich auch dick werden, weil ihr derungen träumen und davon, wie ihr noch in euch nicht mehr hinausbewegt. Ihr werdet die Rückentrage gepasst habt und ihr so aufgeaggressiv werden, wenn man euch vorregt wart, den Wald zu sehen und euch im Laub zu wälzen. Ich werde davon träumen, wie ihr in schlägt, doch nur 3.000 statt 50.000 Stunden pro Tag in das scheiß Kastl zu starren, Regenpfützen gehüpft seid, von euren nackten ich werde mich entschuldigen für das Popos im Planschbecken und davon, und wie wir scheiß , aber es wird nichts nützen. Gar abends mit euren Cousins (die aus der Nachbarnichts wird mehr nützen. Cyberhöhle) Würste an Stecken übers offene Feuer Ich werde mein Lager vor eurer Cygehalten haben. berhöhle aufschlagen, die gedruckte Und dann, eines Tages, wenn meine Jausenbox und Ausgabe der Zeit in der Hand (um euch meine Thermoskanne leer sind und kurz bevor ich zu provozieren, kein Mensch kapiert denken werde, euch in der Höhle verloren zu haben, diese Texte!), eine Jausenbox voll Gewerdet ihr wieder rauskommen. Mit einem anständiduld und Mettwurstbroten und eine gen Bart im Gesicht und tiefer Stimme. Und ich werde Thermoskanne voll Liebe und Filwieder weinen, diesmal vor Glück und ihr werdet sagen: terkaffee. Und dann werde ich warMama, früher war alles so schön. Und dann werden wir Tee trinken und uns in die Augen schauen. ten. Und weinen. Und schreckliche


Gell B auer, ann jeder a z t je t k rtner sein! ä Bio-G

Naturlich.

ai 14. -m1t7e.SM ortiment

as gesa Finden Sie drühlingsgartentagen bei den F Hof auf Sc hloß Der Ja! Natürlich Garten hat Zuwachs bekommen! 40 neue Sorten erweitern das Sortiment auf mittlerweile 114 verschiedene Bio-Samen. Gerade rechtzeitig – denn jetzt ist die beste Zeit zum Vorziehen! Und ab Mitte April sind dann verschiedene Gemüse- und Erdbeerjungpflanzen für‘s Bio-Gemüsebeet erhältlich. Mehr Infos unter www.janatuerlich.at

GIBT’S BEI:


BIORAMA Nº. 36

DIE WELT, DIE WIR UNS WÜNSCHEN

80

von wolfgang smejkal

DER WIND GEHÖRT UNS

in der Lage, in naher Zukunft mehr als 100 % des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen zu erzeugen und dadurch eine völlige Substitution von Energieimporten und fossiler Erzeugung zu erreichen«, stellt Hans Winkelmeier, Studienautor und Geschäftsführer der Energiewerkstatt, fest.

eine aktuelle studie zeigt, dass mit windkraftanlagen schen und

bis

2030

ein

stromverbrauchs damit

ein

viertel

des

erzeugt

entscheidender

österreichi -

werden beitrag

kann zur

energiewende geschafft wäre.

Der Verein Energiewerkstatt hat im Auftrag des Klimaund Energiefonds einen Windatlas erstellt und sich mit dem realisierbaren Windpotenzial Österreichs bis zum Jahr 2030 beschäftigt. Schon jetzt wird das Potenzial von Windkraft vor allem in Niederösterreich und Burgenland gut genutzt. Entgegen den in den Pionierjahren vorgebrachten Argumenten, dass Österreich als Binnenland nicht für die Nutzung von Windenergie geeignet sei, ist die Technologie heute etabliert, wird von der Politik als volkswirtschaftlich relevante Größe anerkannt und trägt einen spürbaren Anteil zur Stromaufbringung bei. Derzeit drehen sich in Österreich 1.016 Windräder mit einer Gesamtleistung von 2.095 MW. Diese Windräder erzeugen in einem Jahr 4,5 Mrd. Kilowattstunden sauberen Strom und können damit 7,2 % des österreichischen Strombedarfs decken. Darüber hinaus sparen die Windräder mehr CO2 ein, als alle Autos in Niederösterreich und dem Burgenland ausstoßen. Bei einer Vervierfachung der derzeitigen Windstromproduktion wäre die Energiewende also bis 2030 zu schaffen. »Mit einem gezielten Ausbau der Windenergie ist Österreich somit

MODERNISIERUNG DURCH WINDENERGIE Die Windenergie hat es nicht leicht. In den letzten Jahren vor der Neufassung des Ökostromgesetzes konnten kaum neue Windkraftanlagen errichtet werden, die Projekte stießen oft auch auf lokalen Widerstand. Eine explizite lokale Befürwortung von geplanten Windparks ist aber eine wichtige Voraussetzung zur Energiewende. Nach der ersten großen Ausbauphase der Windenergie in den Jahren 2003 bis 2006 folgte durch eine Novellierung des Gesetzes eine Ausbauflaute von beinahe sechs Jahren. Erst 2012 konnten unter dem neuen Gesetz wieder bedeutende Mengen an Windkraftleistung ans Netz gebracht werden. In nur drei Jahren verdoppelte sich die Leistung: Rund 350 Windräder mit einer Gesamtleistung von circa 1.000 MW konnten in dieser Zeit zugebaut werden. 1.000 MW Windstrom entsprechen einem Investitionsvolumen von 1,7 Milliarden Euro, damit ist die Windenergie zu einem wichtigen Wirtschaftsmotor in Österreich geworden. Auch der Umbau des Stromnetzes in Ostösterreich in den letzten Jahren wurde fast zur Gänze von der Windbranche finanziert. Somit liefert die Windenergie einen Modernisierungsschub für Technologie und Stromnetz. Durch die stabilen Rahmenbedingungen des neuen Ökostromgesetzes liegt Österreich inzwischen auf Platz sechs des europäischen Windkraftausbaus.


CHINA – DIE NEUE NR. 1 DER WINDKRAFT Im vergangenen Jahr waren in der EU 79 % der neu errichteten Kraftwerksleistung erneuerbare Energien. Allen voran die Windenergie: Ganze 43,7 % der gesamten neu errichteten Kraftwerke waren Windkraftanlagen. Durch den kontinuierlichen Zubau hat die Windenergie Ende 2014 auch die Atomkraft in Europa überholt. Erstmals steht mehr Windkraft als Atomkraft in der EU zur Verfügung. »Windenergie ist die wettbewerbsfähigste Möglichkeit, neue Kraftwerke zu bauen, und das in einer sehr stark wachsenden Anzahl von Märkten weltweit«, erklärt Steve Sawyer, Generalsekretär des internationalen Windenergieverbands gwec und ergänzt: »Und das trotz des Wettbewerbs gegen die übersubventionierte klassische Energiebranche.« Der gwec fordert vehement die Umsetzung eines gleichberechtigten Fördermarktes. So viel Windkraftleistung wie 2014 wurde auch weltweit noch nie errichtet. China hat dabei die Führung beim Windkraftausbau übernommen und nähert sich seinem Beschluss, 200.000 MW Windkraftleistung zu errichten, mit großen Schritten. In Europa hingegen gab es nur in wenigen Ländern einen deutlichen Zubau. Finanzierungssysteme für erneuerbare Energien werden derzeit in Frage gestellt, während neue Subventionen für fossile und Atomkraftwerke noch weiter erhöht werden. Ein Papier der EU-Kommission über die europäische Energieunion nimmt genau darauf Bezug und macht klar, dass die EU mehr Geld in erneuerbare Energien investieren muss und gibt als Ziel aus, weltweit wieder die Nummer 1 bei erneuerbaren Energien zu werden. Wird ein neues Projekt mit der Bevölkerung diskutiert, werden immer wieder Bedenken laut, dass der Windpark durch Schall, Schattenwurf oder Spiegelung die Lebens-

qualität der Anrainer beeinträchtigen könnte. Die Auflagen in den österreichischen Genehmigungsverfahren sind jedoch so streng, dass nur jene Windkraftanlagen errichtet werden dürfen, von denen – in den gesetzlich vorgegebenen Abständen zur Wohnbebauung – keine Lärmbelästigung ausgeht. Im Genehmigungsverfahren wird vor dem Bau der Windräder ein Schallgutachten durchgeführt, das sich für unterschiedliche Windstärken an der leisesten Umgebungssituation orientiert. Die Windräder dürfen diese Werte nicht wesentlich überschreiten und der zusätzliche Schall von Windrädern darf zu keiner Beeinträchtigung der dort wohnenden Bevölkerung führen. Ähnliches gilt für die Positionierung im Sonnenstand und nicht reflektierende Oberflächen. Bei einer Befragung im windenergiestärksten Bundesland Niederösterreich befürworteten 87 % den weiteren Ausbau von Windkraftwerken in ihrem Bundesland. Über 80 % der in der Nähe eines Windparks Wohnenden gaben dabei an, dass der Windpark keine Auswirkungen auf ihre Lebensqualität habe. Nun will Niederösterreich als erstes Bundesland das ambitionierte Ziel erreichen, seinen Strom bis Jahresende zu 100 % aus Wasser, Wind, Biomasse und Sonnenkraft bereitzustellen. Schon jetzt kommt aus mehr als neun von zehn niederösterreichischen Steckdosen Strom aus heimischen erneuerbaren Energiequellen.

Der Liveticker auf www . energiebewegung. at macht die Energiebewegung in Niederösterreich in Echtzeit sichtbar und messbar. So kann jeder mitverfolgen, wie viel Strom aus Wasser, Wind, Sonne und Biomasse jetzt schon erzeugt wird.

BILD © IG-Windkraft / Michael Rothauer

81


BIORAMA Nº. 36

GREGORIANISCHE MORAL / Diana Gregor

ILLUSTRATION Katharina Hüttler / agentazur.com

Der Bauer als Millionär – wieso eigentlich nicht? Oder kann man mit Nachhaltigkeit eh nicht reich werden? Geld versus Gutsein.

FOR FAKE’S SAKE

082

»WIE WEIT GEHEN WIR, UM UNS SELBST ZU TÄUSCHEN?«

V

or uns ist nichts sicher. Geldscheine, Pelze, Haare, Wimpern, Brüste, Nägel, Lachen, Tränen, Fleisch, Fotos, Intentionen, Orgasmen, Papiere, Markenartikel – am Ende Wahl stand. Da war sie plötzlich wieder, kriegen wir sie alle. Mit fein getunten faking skills, eidie so oft verspürte Realitätswatsche, gegen die ich nicht immun zu werden ner gesunden Portion Narzissmus und einem Hauch scheine und die sich wie ein dumpfer Unverfrorenheit sorgen wir für astreine FälschunSchlag in die Magengrube anfühlt. Ich gen, die uns zu Meistern realer Nichtauthentizität bin natürlich nicht so naiv zu glauben, und Perfektionisten im So-tun-als-ob verwandeln. dass Menschen aus purem Idealismus Ein Traum. In echt eben. Dass die Fakes – ungeachtet ihrer unnatürlichen Natur – Potenzial für und gutem Gewissen heraus handeln. Aber Polarisierung bergen, ist nachvollziehbar. Echte dass selbst M., dessen bloße Gedanken soEmotionen für falsche Fakten quasi. Wer hier gar zu hundert Prozent biologisch abbauschon Gewissensbisse bekommt, der sollte bar sind, auch zu den unechten Aufrechten womöglich nicht mehr weiterlesen. Denn bis zählt, hinterlässt posttraumatische Spuren. Ich selbst bin neu in der »Branche« – habe zur Unkenntlichkeit retouchierte Nasolabikeinerlei Öko-Hintergrund oder -Erfahrung, alfalten, vegane Ersatzfleischlaberl, Dauesse gerne Sushi, fliege oft ins Ausland und erwellen im 80er-Schick und inszeniertes trage Kleidung von Billigherstellern. ObenGestöhne zwecks gezielter Erotisierung des Gegenübers sind Kindergartenkram. Weil drein stehe ich zu all dem. Gleichzeitig möchte sie immer nur die Einschätzung anderer ich meinen Lebensstil durchaus nachhaltiger gemeinen und auf das Bild, das man nach stalten, will lernen, verändern, verbessern. außen wirft, abzielen. Die Gretchenfrage Wo sind jedoch die Mentoren, die mir dabei lautet hingegen: Wie weit gehen wir, um helfen? Und auf wen kann man sich eigentlich uns selbst zu täuschen? noch verlassen, wenn selbst vermeintlich Überzeugte am Ende nur vorgeben, anständig, interesDas Ganze kommt nicht von ungefähr, sondern resultiert aus einem Gesiert und tugendhaft zu sein? Ist in Wahrheit alles spräch mit meinem Arbeitskollegen und jeder fake? Obwohl die Welt soeben verloren M., der neulich nonchalant erklärte, scheint, besteht natürlich auch diesmal Hoffnung – er habe seinen ökologisch wertvollen, das liegt alleine schon in der Natur letzteren Begriffs. am Zenit von Ethik und Moral angeNämlich die Hoffnung, dass vielleicht gerade Mensiedelten und durch und durch auf schen wie ich jene Mentoren sein müssen, die andere Nachhaltigkeit getrimmten Job nur authentisch positiv beeinflussen und formen. Ehrlich deshalb angenommen, weil eine ihn gemeintes Interesse an einem bewussteren Lebensstil reich machende Tätigkeit nicht zur kann durchaus von mir selbst kommen. Echt jetzt.


macht Lust auf Urlaub in Bio-Ă–sterreich!


WENIGER

Im offenbart sich das Besondere: Für Kukicha werden nur die Blattrippen verwendet – sonst nichts. Weniger Blatt heißt weniger Koffein. Schmecken tut er trotzdem. Und wie? Ganz frisch! Dieser leichte Grüntee ist einer von 140 Tees aus unserem Hause. Sie erhalten ihn im Bioladen und auf shop.lebensbaum.de.

MEER

reist unser Tee bis nach Deutschland. Auf dem So ersparen wir ihm abrupte Klimawechsel und der Atmosphäre unnötige Schadstoffe. Und so tut er allen gut: Ihnen, der Umwelt, unserer Zukunft.

FEINSTE BIOQUALITÄT SEIT 1979


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.