Biorama #13

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Wolfgang Smejkal

wird Permakultur wirtschaftlich interessant, auch für kleinere Höfe. Denn mehrere Landwirtschaftsbetriebe können kooperieren, um zusammen eine Vielfalt an Grundnahrungsmitteln zu erzeugen: Gemüse, Früchte, Getreide, Beeren, Eier, Milch und so weiter. Innerhalb der Nachbarschaften werden Nahrungsdepots angelegt, die Gemeinschaftsküchen, Restaurants und einzelne Haushalte versorgen. Die Verarbeitung und Distribution findet damit in den Nachbarschaften selbst statt. So bleibt die Wertschöpfung in der Hand von Produzent und Endverbraucher. Damit ist Permakultur nicht nur umweltverträglich, sondern für alle Beteiligten lukrativ. Manche Lebensmittel wie Öle, Kaffee, Wein, Gewürze und so weiter können nicht regional erzeugt werden. Ihre Gewinnung und Verteilung wird weiterhin auf der Ebene von größeren Regionen, Kontinenten oder sogar global bleiben. Auf der Ebene von Bezirken und Kleinstädten (ca. 40 Nachbarschaften mit rund 20.000 Menschen) werden somit zusätzliche Verteilzentren benötigt. Dies könnte ein größerer Supermarkt sein, wo überregionale und globale Erzeugnisse fair gehandelt werden. Der ganze Kreislauf der Produktion, Verteilung, Zubereitung und des Verbrauchs von Nahrungsmitteln, ebenso wie die Verwertung von Abfällen kann demokratisch von den direkt betroffenen Menschen organisiert und kontrolliert werden. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil der «Ernährungssouveränität» und damit auch der politischen Macht. Menschen, die sich selbst ernähren können, sind weniger anfällig für Erpressung und Ausbeutung auf anderen Ebenen. Kapital und Industrie, die Grundlagen unserer Gesellschaft, befinden sich in einer Krise. Wir müssen uns von vielem lösen, das wir gewohnt sind, weil es nicht nachhaltig ist. Arbeitsplätze, Qualifikationen und Wissen werden dabei nicht verloren gehen, sondern im Gegenteil neu geschaffen. Insbesondere das Gesamtvolumen an Transport sowie die Auslagerung von Produktion muss reduziert werden. Unsere Lebensgrundlagen (Nahrung, Technik, etc.) sollen möglichst lokal hergestellt werden, nur so erreichen wir eine gerechtere Verteilung von Ressourcen und Wohlstand – weltweit. Organisationen verlieren an Effizienz, wenn sie zu groß werden. Die allgemeinen Dienstleistungen sollten also nicht durch Großunternehmen abgedeckt werden, sondern durch ein klar gegliedertes Netzwerk aus einander ergänzenden, halb autonomen Einheiten. Ziel dabei ist weder Profit noch Wettbewerb, sondern allgemeiner Wohlstand und Ökologie. Es soll weder anonyme Kontrolle durch Behörden, noch eine »unsichtbare Hand« des Marktes, sondern die bewusste Entscheidung der

Gemeinschaft »wirtschaften«. Hightech-Elemente, die auf einer kontinentalen oder globalen Ebene produziert werden, ermöglichen und ergänzen dabei die regionale Produktion. Ein nachhaltiger Haushalt orientiert sich grundsätzlich am Bedarf. Anstatt Waren auf dem Markt zu verschleudern, werden benötigte Güter von den Verbrauchern bestellt. Die Produzenten versuchen auf »Augenhöhe« den Anforderungen zu entsprechen (soweit die verfügbaren Ressourcen dies zulassen) und geben den »Kunden« Feedback, welches die »Kunden« wiederum in ihren Bestellungen berücksichtigen können. Eine solch demokratische und kontinuierliche Planung in Echtzeit unterscheidet sich sehr von der bisherigen Planung: Es gibt keine separate planende Autorität. Planung ist keine Befehlskette mehr, sondern gehört zu den allgemeinen Dienstleistungen, die allen zur Verfügung stehen. Das meiste gibt es bereits; müssten wir all die historisch gewachsenen Versorgungsstrukturen neu erfinden und einrichten, stünden wir tatsächlich vor einer Herkulesaufgabe. Aber es genügt, wenn wir die bestehenden Versorgungsnetze virtuell abbilden und sie an die neuen Bedürfnisse des gemeinsamen Wohlstands anpassen. (Auszug aus »Besser leben«, Verein Neustart Schweiz)

Der Autor weiß, wovon er spricht. Er beschäftigt sich nicht nur theoretisch mit Utopien in seinen Büchern, sondern erlebt auch im Alltag als Initiator und Bewohner der Siedlung Kraftwerk1 in Zürich die Herausforderungen, die sich zeigen, wenn man eine solche realisiert. Der Verein »Neustart Schweiz« will nicht nur selber aktiv die Umsetzung angehen, sondern auch Personen und Institutionen vernetzen, die auf einem ähnlichen Weg in eine nachhaltige und lebenswertere Zukunft unterwegs sind. Im Rahmen des Transition Town Movement proben Umwelt- und Nachhaltigkeitsinitiativen in vielen Städten und Gemeinden weltweit den geplanten Übergang in eine postfossile, relokalisierte Wirtschaft. Derzeit analysieren Studierende der Fachhochschule Nordwestschweiz in einem betriebswirtschaftlichen Think Tank die Umsetzbarkeit der Ideen. www.neustartschweiz.ch www.transition-initiativen.de


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