Biorama #13

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die welt, die wir uns wünschen

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lebensstandard herunterfahren Die Weltbevölkerung verbraucht heute eineinhalb Mal so viele Ressourcen wie die Erde bieten kann. Wie könnte ein Leben mit deutlich weniger Energieverbrauch und mehr Qualität aussehen? Eine utopische Anleitung für eine zukunftsfähige Lebensweise am Beispiel »Neustart Schweiz«.

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er Züricher Autor P.M. hat seine bisherigen Visionen, die er bereits in »Subcoma – Nachhaltig vorsorgen für das Leben nach der Wirtschaft« (2000) beschrieben hat, zu einem konkreten Entwurf für ein künftiges Gesellschaftsmodell verdichtet. In »Neustart Schweiz« geht es um eine vollständige Neugründung mit vernetzten Nachbarschaften, Basisgemeinden und Regionen, selbstverwaltet und selbstversorgt. Der Lebensstandard wird so weit heruntergefahren, dass die Schweiz welt- und umweltverträglich wird. Mit erneuerbaren Energien und Sparmaßnahmen alleine ist diese jedoch nicht zu realisieren. Der Bedarf nach Mobilität muss erheblich reduziert werden. Der schlüssige Vorschlag setzt dort an, wo die Gesellschaft an sich beginnt: in der Nachbarschaft. Er gibt ihr eine soziale Struktur und eine wirtschaftliche Funktion. Die Fragezeichen zur aktuellen Wirtschaftslage sind jedenfalls Anlass genug, sich die Vorschläge genauer anzusehen:

P.M. Das Pseudonym des 1946 geborenen Schweizer Schriftstellers, Lehrers und Philologen entstammt dem Telefonbuch: P.M. sind die in der Schweiz am häufigsten vorkommenden Initialen. Seine utopischen Romane und Sachbücher liefern stets Gegenentwürfe zum Kapitalismus als libertäre Zukunftsvisionen: 1980 erscheint das Prosa-Debüt »Weltgeist Superstar«, das versucht, die verschiedenen Strömungen der Linken der 70er Jahre als Science-Fiction zu bündeln. 1983 folgt die ökosoziale Utopie »bolo’bolo«, eine Art Manifest für die Hausbesetzerszene der 80er Jahre. »Subcoma« (2000) beschäftigt sich mit der New Economy in der modernen Informationsgesellschaft. 1995 war P. M. Mitgründer der Zürcher Wohn-Genossenschaft Kraftwerk1 mit mehreren hundert Bewohnern. ◄ »Neustart Schweiz – So geht es weiter« von P.M. ist 2008 bei Edition Zeitpunkt erschienen.

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und 500 Personen bilden die Idealgröße einer städtischen Nachbarschaft. Das ist einerseits eine ökonomisch optimale Größe, andererseits haben unvermeidliche individuelle Konflikte weniger Gewicht als in kleineren Gruppen. Das Leben in solchen Nachbarschaften wird einfacher und lebendiger, was das Bedürfnis für Einkauf, Vergnügen und Erholung an andere Orte zu fliehen, erheblich reduziert. Eine städtische Nachbarschaft von rund 500 Mitgliedern wäre verbunden mit einem Landwirtschaftsland, das höchstens 40 km weit entfernt liegt. Die Stadtbewohner bilden eine vertraglich gesicherte Gemeinschaft mit den Landbewohnern, die das Landstück bestellen. Berücksichtigt man den Verbrauch fossiler Energiequellen, so ist die Energiebilanz industrieller Landwirtschaftsgroßbetriebe negativ, es werden insgesamt mehr Kalorien verbraucht als erzeugt. Diese Form der Landwirtschaft hat daher keine Zukunft, wenn wir den CO2Ausstoß zurückfahren und den Klimawandel wirklich vermeiden wollen. Nachhaltige Landwirtschaft bedeutet arbeitsintensive, biologische Mischkulturen – sogenannte Permakultur. Diese Form der Landwirtschaft gilt als unrentabel. Wenn die Nachbarschaften jedoch direkt beliefert werden, sind die wahren Kostentreiber in Weiterverarbeitung, Distribution und Vermarktung eliminiert. Und so


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