Biorama #13

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versorgung mit biologischen Lebensmitteln war in den USA viel schwieriger als in Europa«, erklärt Thomas van Elsen. »Das Fehlen einer Infrastruktur für den Ein- und Verkauf wurde durch Eigeninitiative ausgeglichen und führte so zur starken Verbreitung des CSA-Konzepts.« Das Spektrum der Modelle ist groß. Ungefähr die Hälfte der CSA-Farmen in den USA betreibt Abo-KistenSysteme. Hier kann der Verbraucher wöchentlich einund aussteigen, durch Zukauf garantieren die Betriebe ein Angebot, das einem Bioladen in nichts nach steht. Abo-Kisten sind auch in Deutschland und Österreich ein wichtiger Absatzweg für die Produkte der Biolandwirtschaft, in Europa würde man sie aber nicht als CSA bezeichnen. 1987 stand ein Generationswechsel auf dem Buschberghof bei Hamburg an. Auf der Suche nach einem neuen Betreibermodell entsann man sich der Ideen des ehemaligen Mitstreiters Trauger Groh, der mittlerweile erfolgreich die Temple-Wilton Community Farm in den USA betrieb. Anfangs kombinierte man noch die Wirtschaftsgemeinschaft und einen traditionellen Hofladen. Heute versorgt der Buschberghof als reine CSA rund 350 Menschen. 44 davon leben und arbeiten auf dem Hof, 300 sind zahlende Mitglieder. 101 Hektar hat der Betrieb insgesamt, 86 davon sind landwirtschaftliche Nutzfläche. So kann jeder CSA-Beteiligte auf dem Buschberghof nachvollziehbar behaupten: »Dieser Viertel-Hektar ist meine Lebensgrundlage.« Der Etat, den die Mitglieder dafür aufbringen müssen, liegt momentan bei 330.000 Euro im Jahr. Zum öffentlichkeitswirksamen Durchbruch in Europa verhalf der Idee der Landwirtschaftsgemeinschaft ein Bauer, der auch schon mal mit Federboa auf dem Acker steht oder als Biene verkleidet Pestizid-Lieder singt. Das filmische Porträt des Farmer John lief 2007 in den deutschsprachigen Kinos an. Bauer John hat als jugendlicher Hippie die vom Vater übernommene Landwirtschaft ruiniert, wagte aber ein paar Jahre später einen neuen Anlauf als CSA. Heute ist Angelic Organics eine der größten Gemeinschaftsfarmen der USA – und wahrscheinlich die einzige mit eigenem Merchandising-Shop. »In Deutschland gibt es heute etwa ein Dutzend Landwirtschaftsgemeinschaften«, schätzt Thomas van Elsen. Die erste CSA Österreichs befindet sich in Gründung: 30 Kilometer vor den Toren Wiens in Gänserndorf geht gerade der Gärtnerhof Ochsenherz mit seinem Projekt »Gemeinsam Landwirtschaften« in die Umsetzung. Für rund 250 Menschen reicht die Anbaufläche des Hofes. Die Waren können über fertig gepackte ErnteanteilsKisten oder über zwei Marktstände in Wien bezogen werden (siehe Kasten). »CSA bietet eine neue Form, sich mit Lebensmitteln zu versorgen«, sagt Thomas van Elsen. Doch das Sortiment ist eingeschränkt und streng an die Jahreszeiten gebunden. Und Landwirtschaftsgemeinschaften erfordern Mitarbeit und Engagement. Susanna Lindeke:

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Wegweisendes Wirtschaften? – Der Gärtnerhof in Gänserndorf setzt auf ein in den USA bewährtes Gemeinschaftsprinzip.

Gemeinschaftlich zur Haferwurz 30 Kilometer auSSerhalb von Wien formiert sich Österreichs erstes Community-Supported-AgricultureProjekt. Ein Feldversuch, auch in Sachen seltener Gemüsesorten. Es sei ein historischer Moment, sagte der Gastredner aus Deutschland. Im Saal herrschte gespannte Atmosphäre, genährt aus Euphorie, Skepsis und der Hoffnung auf gutes Gemüse. Mit Letzterem haben sich Peter Lassnig und sein Team vom Gänserndorfer Ochsenherz Gärtnerhof über neun Jahre eine Fangemeinde in Wien herangezüchtet – nun hatten sie in einen Versammlungsraum gebeten, um Österreichs erstes Community Supported Agriculture-Projekt auf den Weg zu bringen. »Gemeinsam Landwirtschaften«, kurz Gela, heißt der Feldversuch, der dem Gärtnerhof ermöglichen soll, seinen anspruchsvollen, an Demeter-Kriterien ausgerichteten Gemüseanbau auch kostendeckend zu betreiben. Dieses Ziel, erklärt Lassnig, war mit dem bisherigen Marktverkauf nicht zu erreichen. Kunden werden nun also zu Teilhabern, für ihren monatlichen Beitrag (Richtsatz 68 Euro pro Person, bei hohem Verbrauch oder Spendenbereitschaft auch mehr) dürfen sie sich entweder zu wöchentlichen Terminen frei Gemüse von einem Marktstand entnehmen oder fertig gepackte Kisten abholen. Wobei für Ochsenherz-Aficionados nicht nur das Etikett »Bio« und »regional« zählt: Lassnig ist Experte für Sortenraritäten und möchte durch den Anbau von Haferwurzen, Knollenziesten, Kardonen und anderem Non-Mainstream-Gemüsepflanzen erhalten, die selbst im Bio-Business wenig Chancen haben. Die Community betreibt so gleichermaßen Landwirtschafts- wie Kulturförderung. Bei Redaktionsschluss waren 115 Anteile vergeben, bis Mai soll die Gemeinde auf 180 Teilhaber anwachsen. ◄ www.ochsenherz.at —— Text: Michael Huber


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