Einsatz künstlicher Intelligenz im Besteuerungsverfahren

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Einsatz künstlicher Intelligenz im Besteuerungsverfahren

Chancen, Praxisrelevanz und politischer Handlungsbedarf

April 2024

Künstliche Intelligenz revolutioniert das Besteuerungsverfahren in Echtzeit

Künstliche Intelligenz (KI) besitzt das Potenzial, das Besteuerungsverfahren grundlegend zu verändern. Die sehr weitreichenden Einsatzmöglichkeiten von KI-basierten Systemen eröffnen sowohl den Steuerpflichtigen als auch der Finanzverwaltung die Möglichkeit, enorme Effizienzfortschritte zu erzielen. Aufgrund des sich verschärfenden Fachkräftemangels und der steuerrechtlichen Komplexität ist die Frage nicht ob, sondern wie KI im Besteuerungsverfahren Einzug hält. Dafür sind jetzt die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen, um auch mit der internationalen Entwicklung Schritt zu halten. Besteuerungsverfahren als idealer Anwendungsbereich für KI

Das Besteuerungsverfahren ist geradezu prädestiniert für den Einsatz von KI, da es auf großen Datenmengen basiert, typischerweise auf standardisierten, strukturierten Prozessen beruht und Berechnungen im Fokus stehen. Zudem ist KI grundsätzlich wertneutral ausgerichtet und trifft – bei entsprechender Ausgestaltung – objektive Entscheidungen. Außerdem bestehen in der Abgabenordnung (AO) bereits Rechtsgrundlagen für die Nutzung von Steuerdaten durch KI-basierte Systeme der Finanzverwaltung und für die vollautomatische Fallbearbeitung. KI lässt sich einerseits nutzen, um Menschen bei der Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten und Aufgaben umfassend zu unterstützen. Andererseits kann KI bestimmte Aufgaben selbstständig übernehmen. Trotz des Einsatzes von KI bleibt menschliche Intelligenz und Arbeitskraft – z. B. bei Kontrollaufgaben – auf absehbare Zeit erforderlich Rechtliche Rahmenbedingungen anpassen und weiterentwickeln Entscheidungen von KI-basierten Systemen im Besteuerungsverfahren müssen nachvollziehbar und transparent sein. Dies gilt insbesondere für Systeme, die auf Seiten der Finanzverwaltung zum Einsatz kommen. Es bedarf daher rechtlicher Anpassungen und neuer Vorgaben hinsichtlich der Überprüfung von genutzten KI-Systemen und deren Entscheidungsfindung in Bezug auf einen wirksamen Rechtsschutz der Steuerpflichtigen (im Einspruchsverfahren und im Wege der gerichtlichen Kontrolle) Außerdem sollte der Aufbau von KI-Kompetenz ein wesentlicher Aspekt der Aus- und Weiterbildung in den steuerrechtlichen Berufen sein

Benjamin Koller | Steuern und Finanzpolitik | T: +49 30 2028-1584 | b koller@bdi.eu | www.bdi.eu
| STEUERPOLITIK | KÜNSTLICHE
POSITION
INTELLIGENZ

Anwendungsmöglichkeiten für KI im Besteuerungsverfahren

Der Einsatz von KI im Besteuerungsverfahren kann auf Seiten der Finanzverwaltung und der Steuerpflichtigen enorme Effizienzfortschritte erzeugen, deren Reichweite sich derzeit noch nicht abschließend ermessen lässt. Da das Steuerverfahren auf einer großen Anzahl von Daten basiert, typischerweise auf etablierten Abläufen und standardisierten sowie strukturierten Prozessen beruht und Berechnungen im Fokus stehen ist es eine ideale Grundlage für den Einsatz KI-basierter Systeme. Für den verstärkten Einsatz von KI im Besteuerungsverfahren spricht zudem der demografische Wandel und der sich zuletzt verstärkende Fachkräftemangel. Auf Seiten der Unternehmen, der steuerrechtlichen Beratung und der Finanzverwaltung werden die personellen Ressourcen immer knapper. Zugleich sind die Anforderungen an die Mitarbeitenden, die steuerrechtliche Komplexität und die Anzahl der Compliance-Pflichten in jüngster Vergangenheit stark angewachsen KI-basierte Systeme werden menschliche Tätigkeiten im Besteuerungsverfahren jedoch nicht gänzlich ersetzen. Insbesondere Kontrollaufgaben werden auf absehbare Zeit den Einsatz menschlicher Intelligenz und Arbeitskraft erfordern, wenn auch in einer veränderten Weise

Für die Nutzung von KI im Besteuerungsverfahren sind verschiedene Einsatzgebiete denkbar. In einem ersten Schritt lässt sich KI nutzen, um Menschen bei der Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten und Aufgaben zu unterstützen, sodass diese effizienter, kostengünstiger und zielgerichteter erledigt werden können. In einem zweiten Schritt wird KI bestimmte Aufgaben – z. B. die Beantwortung steuerrechtlicher Fragestellungen – selbstständig übernehmen.

Für qualitativ hochwertige Ergebnisse KI-basierter Systeme sind leistungsfähige Sprachmodelle und eine professionelle Datenaufbereitung erforderlich, wobei steuerliches Fachwissen als Grundlage für die KI-basierten Systeme dient (z. B. Gesetzestexte, steuerliche Richtlinien, Kommentierungen etc.) Zudem ist es erforderlich, die Datensicherheit zu gewährleisten (z. B. durch Lösungen, die nicht auf freizugänglichen Open-KI-Tools basieren).

Verbesserung der Kommunikation zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung

Mit dem Einsatz von KI können bestehende Möglichkeiten verbessert und neue Tools geschaffen werden, damit Steuerpflichtige deutlich unkomplizierter mit der Finanzverwaltung in Kontakt treten können.

▪ Eine sehr naheliegende, bereits aus dem täglichen Leben bekannte Anwendungsmöglichkeit von KI ist der Einsatz von virtuellen Dialogassistenten (Chatbots). Diese können die Interaktion der Finanzverwaltung mit den Steuerpflichtigen deutlich schneller und effizienter gestalten, indem sie auf Anfragen einen geeigneten fachlichen Inhalt zur Beantwortung auswählen und bereitstellen So kann z. B. das Bearbeiten von Antragsverfahren und Formularen individuell unterstützt werden.

▪ Um das Bearbeitungsaufkommen in den Finanzämtern zeitlich gleichmäßiger zu verteilen, könnte KI zur Steuerung des Abgabeverhaltens für Steuererklärungen beitragen. So sind automatisierte Erinnerungen und – bei temporär niedrigem Erklärungsaufkommen – entsprechende Hinweise an die Steuerpflichtigen denkbar.

▪ In Zukunft könnte KI auch imstande sein, das Steuerzahlungs- und Anmeldeverhalten zu analysieren, um die für eine Prüfung der Erlass- und Stundungswürdigkeit notwendigen Informationen bereitzustellen.

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Entlastung von sich wiederholenden Aufgaben und Routinetätigkeiten

Ein weiterer sehr naheliegender Anwendungsbereich ist der Einsatz von KI bei wiederkehrenden Tätigkeiten. Diesbezüglich ist die Umsetzung in der Praxis teilweise bereits weit fortgeschritten:

▪ KI-basierte Systeme können die Inhalte postalischer Sendungen, Papierakten und E-Mails erkennen, zielgerichtet auswerten und auf digitalem Weg an die zuständigen menschlichen Bearbeiter weiterleiten

▪ KI kann die Zusammenfassung von Texten übernehmen und Dokumente zielgerichtet auswerten, wobei KI mit dem menschlichen Bearbeiter kommunizieren, und konkrete Auswertungsaufträge erledigen kann.

▪ Ferner kann KI Stammdaten automatisiert bereinigen, z. B. um Steuerpflichtige, die im Datenbestand der Finanzverwaltung doppelt oder mehrfach erfasst sind, zu löschen.

▪ Bei der automatisierten Fremdsprachenübersetzung trägt KI dazu bei, dass die Übersetzungsergebnisse kontinuierlich genauer werden, um den fachlichen Kontext zu erfassen und nicht lediglich Wortübersetzungen aneinanderzureihen

▪ Die bereits erwähnten Chatbots können – wenn sie entsprechend trainiert wurden – bei alltäglichen Fragen der Steuerberechnung zielgerichtet unterstützen, z. B. indem menschliche Rechnungsaussteller durch Eingabe entsprechender Parameter und Rückfragen zum korrekten umsatzsteuerlichen Steuersatz geführt werden Auch im Bereich der Lohnsteuer können Chatbots regelmäßig gestellte Fragen im Dialog zwischen Menschen und KI beantworten (z. B. zur korrekten Abrechnung von Sachbezügen)

▪ Auch bei der Kontierung von Rechnungs- und Belegpositionen ist der Einsatz von KI zur weiteren Automatisierung der Prozesse naheliegend.

▪ KI-basierte Automation kann bei der Erstellung von Verrechnungspreisdokumentationen sehr wirkungsvoll unterstützen

▪ Außerdem lässt sich die Überprüfung steuerlicher Sachverhalte auf Vollständigkeit, Stimmigkeit und sonstigen Form- und Fristerfordernissen automatisieren.

Übernahme von Recherchetätigkeit und verbessertes Wissensmanagement

KI kann entscheidend dazu beitragen, die große Anzahl an steuerrechtlich relevanten Informationen (u. a. Gesetze, untergesetzliche Regelungen, Urteile, Fachaufsätze etc.) nutz- und beherrschbar zu machen. Die Einsatzmöglichkeiten in der betrieblichen Praxis und in der Finanzverwaltung sind mannigfaltig. KI ermöglicht es Computern und Maschinen, die menschliche Sprache zu verstehen, womit die Grundlage geschaffen wird, zu jeder steuerlichen Fragestellung die passende gesetzliche Regelung, Verwaltungsanweisung, Rechtsprechung oder Literaturmeinung zu finden

▪ So können für gezielte Fragestellungen beispielsweise die relevanten Gerichtsentscheidungen mit Angabe von Übereinstimmungen und Differenzen zum Ausgangsfall bereitgestellt und mit ergänzenden Fachinformationen wie Literaturmeinungen kombiniert werden. Auf diese Weise entstehen ausgesprochen leistungsstarke Suchfunktionen.

▪ Konkret könnten entsprechende Systeme z. B. die Beantwortung von Anrufungsauskünften oder verbindlichen Auskünften spürbar erleichtern und beschleunigen. Dabei ist vorstellbar, dass das KI-basierte Auffinden und Bereitstellen von Informationen mit der Vorbereitung von sinnvollen Textbausteinen, ergänzt um die entsprechenden Fundstellen, kombiniert wird.

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Bestimmte Fragestellungen lassen sich somit (nahezu) automatisiert beantworten, wobei eine menschliche Endkontrolle vielfach notwendig und sinnvoll bleiben wird.

Unterstützung bei der Datenanalyse und Entscheidungsfindung

KI kann die Analyse von großen Datenmengen erheblich vereinfachen und menschliche Entscheidungsprozesse wirksam unterstützen. Im Besteuerungsverfahren eröffnet dies eine große Zahl möglicher Einsatzgebiete:

▪ KI-basierte Systeme können bei der Analyse von Datensätzen der Steuerbescheide zum Einsatz kommen und den Abgleich mit den Erklärungsdaten erleichtern. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Finanzverwaltung flächendeckend digitale Steuerbescheiddaten für alle Steuerarten zur Verfügung stellt

▪ Bei großen Datenmengen hilft KI, Erkenntnisse über Gemeinsamkeiten, Häufungen oder Anomalien zu erlangen, die bei einer rein menschlichen Betrachtung verborgen geblieben oder nur mit erheblichem Zeiteinsatz zu gewinnen gewesen wären. Entsprechende Analyseinstrumente kommen im Bereich der steuerlichen Betriebsprüfung bereits zum Einsatz. Die Auswahl der zu prüfenden Unternehmen bzw. der zu prüfenden Sachverhalte kann auf diese Weise deutlich risikoorientierter und zielgerichteter erfolgen Außerdem lassen sich die Prüfungshandlungen durch die KI-gestützte Analyse von Texten (z. B. Verträge, Rechnungen) im Sinne eines Text-Minings erleichtern und beschleunigen.

▪ Auf Seiten des Bundeszentralamts für Steuern dient KI bei der Auswertung des automatischen Informationsaustausches innerhalb der EU, insbesondere im Hinblick auf die Mitteilungspflicht von Steuergestaltungen.

Verbesserung der steuerrechtlichen Compliance

KI-basierte Datenanalyse lässt sich zu einer fortlaufenden Überwachung eines großen Datenbestands weiterentwickeln Auf diese Weise lässt sich die steuerliche Compliance grundlegend verbessern

▪ KI kann zur Tax Compliance in Echtzeit beitragen. Auf diese Weise lassen sich Fehler, Anomalien und Inkonsistenzen erkennen, bevor sie in eine Steuererklärung eingehen. Besondere Relevanz besitzt dies für steuerliche Massensachverhalte, z. B. im Bereich der Umsatzsteuer bei sogenannten Reihengeschäften Ein weiterer konkreter Anwendungsfall betrifft die Aufdeckung von Verstößen gegen Verrechnungspreisrichtlinien

▪ Ferner kann das o. g. KI-basierte Wissensmanagement zu einer automatisierten Warnfunktion weiterentwickelt werden: Wenn zu einer bestimmten steuerrechtlichen Fragestellung oder Rechercheanfrage eine Änderung der Gesetzgebung, der Rechtsprechung oder der Verwaltungsauffassung erfolgt ist, wird automatisiert ein Warnhinweis generiert, der die Anwenderinnen und Anwender darauf hinweist, die bisherige steuerliche Einschätzung zu überprüfen und ggf. anzupassen.

Vollautomatisierte Entscheidungsfindung und Kontrolle

Angesichts der rasanten technologischen Entwicklung könnte KI in Zukunft steuerrechtliche Entscheidungen autonom treffen.

▪ KI-basierte Systeme würden nicht nur Handlungsalternativen und konkrete Rechtsanwendungsvorschläge unterbreiten, sondern selbstständig und ohne menschliches Zutun eine Entscheidung zur Lösung einer steuerrechtlichen Fragestellung treffen.

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▪ In einem weiteren Schritt ist denkbar, dass KI-basierte Kontrollalgorithmen, die selbst keine Entscheidungen treffen, die getroffenen Entscheidungen überprüfen.

Dieses potenzielle Einsatzgebiet wirft jedoch zahlreiche rechtliche Fragestellungen auf, die mit der Praxis diskutiert und durch den Gesetzgeber geklärt werden müssen.

Politischer Handlungsbedarf

1. Anpassung rechtlicher Vorgaben

Die Abgabenordnung eröffnet der Finanzverwaltung bereits heute einen grundsätzlich weiten Anwendungsbereich für die vollautomatisierte Entscheidungsfindung Eine vollautomatische und ausschließlich automationsgestützte Fallbearbeitung ist zulässig und in der Abgabenordnung bereits explizit verankert (§ 155 Abs. 4 Satz 1 AO) Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die bestehende automationsgestützte Veranlagung auf der Grundlage von konkreter Programmierung, vorgegebenen WennDann-Logiken und Entscheidungsbäumen erfolgt. Diese Programmierung ist gleichsam ein „vorgelagerter Verwaltungswille“. Gleichartige Steuersachverhalte sollen somit zu gleichen Ergebnissen führen Trainierte generative KI, die selbstständig Entscheidungen trifft und lernt, geht jedoch über die bisherige automationsgestützte Veranlagung hinaus, so dass auch eine Erweiterung der rechtlichen Grundlagen in der AO um diese Aspekte erforderlich wird

Daneben kommt § 29c AO eine besondere Bedeutung zu, wonach es zulässig ist, personenbezogene Daten für die Entwicklung, Überprüfung oder Änderung automatisierter Verfahren (§ 29c Abs. 1 Nr. 4 AO) und für die Gesetzesfolgenabschätzung (§ 29c Abs. 1 Nr. 5 AO) durch Finanzbehörden weiterzuverarbeiten. Damit besteht eine Rechtsgrundlage für die Einspeisung von Steuerdaten in KI-basierte Systeme der Finanzverwaltung und für den Aufbau von Trainingsroutinen mit diesen Daten.

Offene Rechts- und Organisationsfragen ergeben sich jedoch bezüglich des konkreten Einsatzes von KI auf Seiten der Finanzverwaltung und der Steuerpflichtigen, insbesondere wenn der KIEinsatz über die Entscheidungsunterstützung hinausreicht Bereits vor ihrem Einsatz müssen KI-basierte Systeme intensiv dahingehend überprüft werden, ob deren Aktivitäten einem Entscheidungsträger eindeutig zuzuordnen sind, und ob die hinterlegten Algorithmen und die Gesamtkonfiguration des Systems so gestaltet sind, dass die steuerrechtlichen Regelungen korrekt umgesetzt werden

Aufgrund des Selbstlernprozesses von KI-basierten Systemen und deren immanenten steten Weiterentwicklung sind zudem laufende Kontrollen erforderlich, ob weiterhin rechtmäßige Ergebnisse geliefert werden. Die konkrete Ausgestaltung solcher Kontrollen auf Seiten der Finanzverwaltung sollte nach bundesweit einheitlichen, transparenten und gerichtlich überprüfbaren Standards erfolgen. In diesem Zusammenhang dürfte der Aufbau einer KI-versierten Bundesinstitution der Finanzverwaltung oder eines länderübergreifenden Gremiums zur Unterstützung der Landesfinanzverwaltungen notwendig sein.

2. Wirksamer Rechtsschutz

Von besonderer Bedeutung sind zudem die Nachvollziehbarkeit und die Transparenz der von KIbasierten Systemen getroffenen Entscheidungen. Dies gilt insbesondere für diejenigen Systeme, die auf Seiten der Finanzverwaltung zum Einsatz kommen. Ein wirksamer Rechtsschutz – sowohl im Wege des Einspruchsverfahrens als auch im Wege der gerichtlichen Kontrolle – ist nicht möglich, wenn die eingesetzten KI-Systeme und die ihnen zugrunde liegenden Entscheidungsregeln nicht offengelegt

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werden. Es bedarf daher rechtlicher Vorgaben über die Art und Reichweite solcher Offenlegungspflichten, die mit der Praxis entwickelt werden müssen.

3. Aufbau eines KI-Systems der Finanzverwaltung und von KI-Kompetenz in der Aus- und Weiterbildung in den steuerrechtlichen Berufen

Für die Einbeziehung von KI in das Besteuerungsverfahren und die Entwicklung einer KI-Strategie benötigt die Finanzverwaltung eine entsprechende IT- und KI-Infrastruktur. Diese muss in Form eines KI-Systems mit einem deutschen Sprachmodell und einer deutschen Cloud aufgebaut werden.

Der Aufbau von KI-Kompetenz muss ein wesentlicher Aspekt der Aus- und Weiterbildung in den steuerrechtlichen Berufen sein. Dies gilt v. a. für Finanzbeamte und Finanzbeamtinnen. Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von KI im Besteuerungsverfahren setzen voraus, dass die Mitarbeitenden in der betrieblichen Praxis, der Finanzverwaltung und der Steuerberatung geschult werden, KIbasierte Systeme zu nutzen. Ohne ein solches Wissen kann der Einsatz von KI-basierten Systemen nicht erfolgreich sein oder sogar zu einer Verschlechterung des Status quo führen. Beispielsweise setzt der Einsatz von KI-Tools zur Datenanalyse im Rahmen der Betriebsprüfung ein fundiertes Wissen über die Möglichkeiten und Grenzen dieser Technologie voraus. Keinesfalls dürfen Auffälligkeiten, die mittels KI entdeckt wurden, ungeprüft als Fehler eingestuft werden.

4. KI-Einsatz im Rahmen des Digitalchecks bei Gesetzgebungsverfahren

Bereits im Gesetzgebungsverfahren muss die digitale Umsetzung und Befolgung neuer Rechtsnormen konsequent berücksichtigt werden (Digitalcheck). Dieser Digitalcheck lässt sich durch KI wirksam unterstützen. Beispielsweise kann KI zum Einsatz kommen, um ähnliche Muster bei Berichtspflichten aus verschiedenen Gesetzesbereichen (insbesondere der Steuergesetze) zu erkennen. Auf diese Weise können unnötige Doppel- bzw. Mehrfachmeldungen vermieden werden. Eine weitere Einsatzmöglichkeit von KI ist die Prüfung der algorithmischen Umsetzbarkeit neuer Regelungen.

5. Abgestimmte Regelungen für den KI-Einsatz auf internationaler Ebene

Zahlreiche Einsatzgebiete von KI betreffen auch grenzüberschreitende und internationale Sachverhalte Wird KI beispielsweise als Analyseinstrument und zur Entscheidungsunterstützung in der steuerlichen Betriebsprüfung eingesetzt, so betrifft dies auch gemeinsame Prüfungen mit den Finanzverwaltungen anderer Staaten (joint audits) oder Verrechnungspreisdokumentationen Ein weiteres Beispiel sind die Buchführung und die Belegverarbeitung, die mittels KI weiter automatisiert werden können und vielfach (auch) im Ausland durchgeführt werden Aufgrund der umfangreichen weltweilten Aktivitäten der deutschen Wirtschaft wird KI-Einsatz mit rein nationaler Ausrichtung eine Ausnahme sein. Rein nationale Regelungen zu KI greifen daher zu kurz. Vielmehr müssen Regelungen und Standards für den Einsatz von KI im Besteuerungsverfahren international abgestimmt und harmonisiert werden, zumindest auf EU-Ebene, besser noch auf Ebene der OECD.

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Wesentliche Aspekte für den Einsatz von KI im Besteuerungsverfahren

▪ Das Besteuerungsverfahren ist aufgrund seiner datenbasierten und strukturierten Art prädestiniert für den Einsatz von KI, um objektive Entscheidungen vorzubereiten oder selbstständig zu treffen.

▪ Im Besteuerungsverfahren eröffnen sich zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für KI, die kontinuierlich weiterentwickelt werden:

Verbesserung der Kommunikation zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung

Entlastung von sich wiederholenden Aufgaben und Routinetätigkeiten

Übernahme von Recherchetätigkeit und verbessertes Wissensmanagement

Unterstützung bei der Datenanalyse und Entscheidungsfindung

Verbesserung der steuerrechtlichen Compliance

Vollautomatisierte Entscheidungsfindung und Kontrolle

▪ In der Abgabenordnung bestehen bereits Rechtsgrundlagen für die Nutzung von Steuerdaten durch KI-basierte Systeme der Finanzverwaltung und für die vollautomatische Fallbearbeitung (§§ 29c Abs. 1, 155 Abs. 4 AO), die jedoch an selbstlernende KI angepasst werden müssen.

▪ Weitergehender Regelungsbedarf entsteht dadurch, dass Entscheidungen von KI-basierten Systemen nachvollziehbar und transparent sein müssen, um einen wirksamen Rechtsschutz (Einspruch, gerichtliche Kontrolle) zu ermöglichen.

▪ Zudem müssen wirksame Kontrollen von KI-basierten Systemen entwickelt werden.

▪ Der Aufbau einer KI-Infrastruktur der Finanzverwaltung ist notwendig und muss jetzt begonnen werden.

▪ KI-Kompetenz muss bei der Aus- und Weiterbildung in den steuerrechtlichen Berufen ein wesentlicher Aspekt sein.

▪ KI sollte konsequent genutzt werden, um den Digitalcheck bei Gesetzesinitiativen wirksam zu unterstützen.

▪ Da zahlreiche Einsatzgebiete von KI grenzüberschreitende Sachverhalte betreffen, müssen Regelungen zum KI-Einsatz international abgestimmt werden.

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Redaktion

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Abteilungsleiterin stellv. Abteilungsleiter Steuern und Finanzpolitik Steuern und Finanzpolitik

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BDI Dokumentennummer: D 1883

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