Pankower Register 2010

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PankoWer regIster 2010 zur Erfassung rassistisch, antisemitisch, homophob und rechtsextrem motivierter Vorf채lle, Angriffe und Propaganda


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Das Pankower Register ist ein Projekt von [moskito] - Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, für Demokratie und Vielfalt der Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH. Gefördert durch das Bezirksamt Pankow.

Herausgeber/in: [moskito] – Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, für Demokratie und Vielfalt im Nachbarschaftshaus am Teutoburger Platz Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH Fehrbelliner Str. 92 10119 Berlin Tel +49.30.443 83 459 Fax + 49.30.443 71 71 moskito@pfefferwerk.de www.pankower-register.de Berlin, 2011 Spendenkonto: Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH Verwendungszweck: moskito Bank für Sozialwissenschaft AG BLZ 100 205 00 Konto Nr. 30 668-03


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Inhaltsverzeichnis 1. WAS IST DAS PANKOWER REGISTER?

S. 4

Anmerkungen zur Jahreschronik

S. 4

2. GESAMTAUSWERTUNG DES PANKOWER REGISTERS

S. 6

Rechtsextremismus in Pankow

S. 7

Angriffe in Pankow

S. 9

Räumliche Zuordnung aller Vorfälle in Pankow

S. 10

Zeitliche Zuordnung aller Vorfälle in Pankow

S. 11

Detaillierte Auswertung nach den Tatkategorien

S. 12

Kurzer Problemaufriss und Ausblick 2011

S. 17

3. CHRONIK DES JAHRES 2010

S. 20

Abkürzungsverzeichnis zu den Quellen

S. 32

4. GLOSSAR UND BEGRIFFSKLÄRUNG

S. 33

Allgemeines Glossar

S. 33

Glossar zu rechten Gruppen, Personen, Codes und Symbolen

S. 33

Zentrale Begrifflichkeiten im Kontext der Arbeit

S. 38

5. DIE ANLAUFSTELLEN IN PANKOW

S. 41


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Was ist das Pankower Register? Das Pankower Register wurde im April 2005 im Rahmen der Umsetzung des Lokalen Aktionsplans Pankow entwickelt. Es wird seitdem durch [moskito] – Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, für Demokratie und Vielfalt betreut. Dabei tragen wir nicht nur die Vorfälle zusammen und publizieren die Chronik des Registers, sondern sensibilisieren durch verschiedene Veranstaltungen und Fortbildungen für die Thematik. Ausschlaggebendes Kriterium für die Erfassung eines Vorfalls ist ein offenkundig rassistisches, antisemitisches, homophobes oder rechtsextremes Motiv. Grundlegend dabei ist die Perspektive der bzw. des Betroffenen. Gleichermaßen werden andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aufgenommen

wie beispielsweise Behinderten- und Obdachlosenfeindlichkeit, die ebenfalls integrale Bestandteile rechtsextremer Ideologie darstellen. Das Pankower Register möchte sowohl Betroffene unterstützen und ihre Erfahrungen sichtbar machen als auch die Bürger/innen für demokratiefeindliche Entwicklungen sowie Formen und Ausmaß von Diskriminierungen in ihrem Bezirk sensibilisieren. Ziel ist es, „alltägliche“ Diskriminierungen sowie rechtsextreme Aktivitäten, auch jenseits einer strafrechtlichen Relevanz, zu erfassen, um ein möglichst genaues Bild über den Bezirk Pankow zu erhalten und (der Entstehung von) Angsträumen frühzeitig entgegenwirken zu können. Langfristiges Ziel ist es, auf einer breiten Ebene Ausgrenzun-

Anmerkungen zur Jahreschronik des Pankower Registers 2010 In diesem Jahr gibt es in der Auswertung der Chronik eine grundlegende Änderung: In den vorangegangen Jahren wurde bei Eintragungen, bei denen mehrere Delikte zusammenkamen, jeder Vorfall einzeln in die Statistik aufgenommen. Ein Beispiel: Eine Freie Kameradschaftsgruppe zieht durch den Bezirk, klebt Aufkleber und begeht dann noch eine Sachbeschädigung an einem alternativen Jugendclub. Dieses Ereignis wurde in der Vergangenheit wie zwei Vorfälle gewertet: Einmal als Propagandadelikt und ein weiteres Mal als Sachbeschädigung. Dadurch entstand eine Differenz zwischen der Anzahl der Eintragungen und der Vorfälle. In

diesem Jahr wird dieser Auswertungsansatz aufgegeben. Der entscheidende Grund dafür ist, dass diese Vorgehensweise von keinem anderen Berliner Register praktiziert wird. Um eine einheitlichere Darstellung und somit eine Vergleichbarkeit gewährleisten zu können, werden wir darauf in Zukunft verzichten. Für die aktuelle und zukünftige Auswertung wird der gravierendere Vorfall in einem Tathergang herausgegriffen und in die Statistik aufgenommen. Um bei dem obigen Beispiel zu bleiben, wäre es hier die Sachbeschädigung, die als Eintrag dokumentiert werden würde. Entsprechend ist es sinnvoll, in diesem Jahr auf einen numeri-

schen Vergleich zum vorangegangen Jahr zu verzichten und sich auf eine Beschreibung der Entwicklung zu beschränken. Sie werden im Pankower Register auf Begriffe stoßen, die mit dem Symbol * gekennzeichnet sind: beispielsweise VNNO*. Dies verweist darauf, dass der entsprechende Begriff im Glossar oder unter „Zentrale Begrifflichkeiten“ im Kontext der Arbeit ab Seite 33 (und folgende) näher erklärt wird. Eine Legende für die benutzten Abkürzungen der Quellen, also der Organisationen oder Gruppen, die die jeweiligen Vorfälle veröffentlicht haben, finden Sie auf Seite 32. Gemeinhin nennen Einträge der Chronik, die nicht direkt den Anlaufstellen des


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gen, Stigmatisierungen und rechtsextremen Denkweisen entgegenzuwirken.

rechtsextreme Werbung sehen oder entsprechende Angriffe mitbekommen!

Machen Sie mit! Für das Pankower Register ist das Mitwirken möglichst vieler Pankowerinnen und Pankower von Bedeutung. Nur was Sie uns, der Netzwerkstelle [moskito], und den über ganz Pankow verteilten 28 weiteren öffentlichen Anlaufstellen, den Kooperationspartner/innen, der Polizei oder zivilgesellschaftlichen, antifaschistischen Gruppen melden, kann ins Pankower Register aufgenommen werden. Nur so werden diese Vorfälle und gesellschaftlichen Zustände einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Und entsprechend können gesellschaftliche Veränderungsprozesse in Gang gesetzt werden.

Das Pankower Register sucht ebenfalls demokratische Initiativen, Einrichtungen und Projekte, die beim Register mitmachen wollen. Sie können als öffentliche oder interne Anlaufstelle (nur für ihre Nutzer/innen und Besucher/innen) Teil des Pankower Registers werden, uns für Veranstaltungen oder Workshops zu den Themenbereichen (z.B. Argumentationstrainings) zu sich einladen oder aber die Postkarten, Flyer und Aufkleber des Pankower Registers bei sich auslegen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an uns!

Bitte melden Sie uns, wenn Sie z.B. homophobe (homosexuellenfeindliche) Parolen hören, rassistisch motivierter Diskriminierung auf Ihrem Arbeitsplatz ausgesetzt sind, antisemitische Schmierereien sowie

P­ ankower Registers, sondern beispielsweise der Presse gemeldet oder den Meldungen der Polizei entnommen wurden, nur die Hautfarbe bzw. Herkunft der Opfer-Personen, so sie nicht weiß bzw. deutsch sind. Konkret bedeutet das, dass Betroffene von zumeist rassistischer Gewalt „ethnisiert“ werden (also angegeben wird, sie seien „dunkelhäutig“ oder hätten einen Migrationshintergrund). Demgegenüber bleiben die Hautfarbe und Herkunft der Täter/innen meistens unbenannt. Diese in Presse und Öffentlichkeit verbreitete Tendenz finden wir problematisch, da so weiße Deutsche als Individuen, Menschen mit Migrationshintergrund hingegen immer als Stellvertreter/innen „ihrer“ vermeintlichen Gruppe

Auch wenn Sie in Ihrem Kiez gegen Ausgrenzung, rechte Bedrohung und Diskriminierung aktiv werden möchten, unterstützen wir Sie gerne. [moskito] – Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, für Demokratie und Vielfalt

dargestellt und wahrgenommen werden ganz unabhängig davon, wie lange sie schon in Deutschland leben (mitunter bereits seit mehreren Generationen) und wie sie sich selber definieren. Die Praxis der Benennung der Zugehörigkeiten derjenigen, die von der Mehrheitsgesellschaft als abweichend oder nicht dazugehörig gesetzt werden, bei gleichzeitiger Nicht-Nennung dieser Eigenschaften von denen, die als Norm gelten (wie weiße Deutsche, Heterosexuelle oder Menschen ohne Behinderungen), gibt es bei allen Formen gruppenbezogener Menscheinfeindlichkeit. Sie muss insgesamt kritisiert werden, da sie diskriminierende Bilderwelten und vermeintliche „Normalitäten“ schafft und aufrecht erhält.

Alle Meldungen werden von der Netzwerkstelle [moskito] gesammelt und deren Inhalt überprüft, sofern die Möglichkeit einer Prüfung besteht. Hierzu zählen unter anderem die Überprüfung von Straßen(kreuzungen) der Vorfallsorte, das Nachfragen (soweit möglich) bei Unklarheiten und ggf. eine Nachrecherche vor Ort bzw. bei der Polizei. Wir versuchen durch Einbezug vieler Quellen unsere Informationen auf ein möglichst breites Fundament zu stellen. Dennoch können wir die sachliche Richtigkeit nicht immer endgültig klären, so dass die inhaltliche Verantwortung bei den genannten Quellen liegt.


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Gesamtauswertung des Pankower Registers 2010 [moskito] Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, für Demokratie und Vielfalt hat für 2010 insgesamt 115 Vorfälle im Bezirk Pankow zusammengetragen, bei denen die Motive Rassismus*, Antisemitismus*, Homophobie*, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit* oder eine insgesamt rechtsextreme* Einstellung Grundlagen der Handlungen waren.

politische Gegner. Bei insgesamt 14 Vorfällen war die Handlung rassistisch motiviert, wobei es sich davon acht Mal um antimuslimischen Rassismus*1 gehandelt hat. In jeweils fünf Vorfällen war der Beweggrund Antisemitismus bzw. Homophobie. Und wir dokumentieren einen Fall, bei dem der Auslöser Transphobie* war.

Nach Motiven unterschieden, sieht die Verteilung folgendermaßen aus: Bei 38 Vorfällen handelte es sich um rechtsextreme Selbstdarstellungen. Fast ebenso häufig (bei 35 Vorfällen) erfolgte die Handlung aus der Motivation der NS-Verherrlichung und Verharmlosung heraus. Am dritthäufigsten war der Anlass der

Nach wie vor handelt es sich bei den Tatkategorien in erster Linie um Propagandadelikte; sie machen knapp 61 Prozent der registrierten Einträge aus. An zweiter Stelle der Vorfälle stehen Bedrohungen, Beleidigungen und Pöbeleien. Insgesamt 1 In der Grafik wird antimuslimischer Rassismus als Rassismus (M) dargestellt.

Motive

(Zahlenangaben der Grafik spiegeln die Anzahl der jeweiligen Vorfälle wider und sind keine Prozentangaben.)


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wurden hier 19 Vorfälle dokumentiert, die damit 17 Prozent aller Vorfälle ausmachen. Danach folgen Sachbeschädigungen, die neun Vorfälle umfassen. Fast ebenso hoch ist die Anzahl von Veranstaltungen: Hier wurden acht gezählt. Im Jahr 2010 kam es nach unseren Erkenntnissen zu fünf Gewaltdelikten und drei Körperverletzungen. Einen Fall dokumentieren wir unter „sonstiges“: Hierbei handelt es sich um eine Hausdurchsuchung in Weißensee, bei der rechtsextremes Propagandamaterial beschlagnahmt wurde.

Rechtsextremismus in Pankow Als zentrales rechtsextremes Ereignis im Jahr 2010 in Pankow ist der Aufmarsch von Neonazis am 1. Mai zu nennen. Bereits im Vorfeld zu dem Aufmarsch bemühten sich Rechtsextreme verstärkt, im Bezirk hierfür zu werben. Trotzdem kamen statt der bis zu 3000 Neonazis, mit denen die rechtsextreme Szene im Vorfeld gerechnet hatte, nur 650 Neonazis zum Aufmarsch in den Prenzlauer Berg. Aufgrund der großen Gegenproteste von 10.000 Menschen, die sich dem Neonaziaufmarsch in den Weg stellten, beendete die Polizei den Aufmarsch nach 800 Metern. Dies ist als großer Erfolg der Bündnisarbeit der unterschiedlichen politischen und zivilgesellschaftlichen Kräfte gegen Rechtsextremismus zu werten.

Die Aktivität der rechtsextremen Szene in Pankow wird durch die dokumentierten siebzig Propagandavorfälle deutlich. Dabei standen insbesondere rechtsextreme Selbstdarstellungen wie die der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands* (NPD) und die Verherrlichung und Verharmlosung des Nationalsozialismus im Vordergrund. Es ist davon auszugehen, dass die Propagandadelikte seit Jahren von denselben Personen(-gruppen) meist in nächtlichen Aktionen durchgeführt werden. Neben der NPD sind dies die Kameradschaftszusammenhänge Autonome Nationalisten* (ANB), die Vereinten Nationalisten Nord-Ost* (VNNO) und die in 2010 gegründeten Freien Nationalisten Berlin-Mitte* (FNBM), die hier namentlich besonders in Erscheinung treten. Laut dem Verein für demokratische Kultur e.V. (VDK) ist eine Häufung rechtsextremer Propaganda immer auch ein Hinweis darauf, dass in dem Umfeld der Vorfälle Rechtsextreme wohnen oder sich dort häufig aufhalten. Betrachten wir die Propagandadelikte vor diesem Hintergrund, so stellen wir fest, dass es insbesondere in den Stadtteilen Prenzlauer Berg und Weißensee (jeweils 15 Vorfälle) zu Propagandadelikten im vergangenen Jahr gekommen ist – gefolgt von den Stadtteilen Pankow-Zentrum (12 Vorfälle) und Niederschönhausen (12 Vorfälle). Es folgen Heinersdorf (sechs Vorfälle), Französisch Buchholz (fünf Vorfälle), Karow (zwei Vorfälle) und Buch (ein Vorfall). Die Häufung


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von Propagandadelikten in Weißensee hängt höchstwahrscheinlich eng mit dem Wohnort eines führenden Mitgliedes der Freien Nationalisten Berlin-Mitte (jetzt Nationale Bürgerbewegung Berlin) zusammen. Der Prenzlauer Berg hingegen ist eher ein Stadtteil, in dem sich Rechtsextreme gerne vor allem am Wochenende aufhalten, um Kneipentouren zu unternehmen oder große Parties zu besuchen. Für das vergangene Jahr 2010 müssen wir feststellen, dass sich die Angriffe seitens der Rechtsextremen sowohl gegen Personen als auch gegen Sachen insbesondere gegen linke und alternative Menschen, Projekte bzw. Einrichtungen gerichtet hatten. Vier von neun – dem Register gemeldeten – Sachbeschädigungen waren gegen diese Personen(gruppen) adressiert. Sechs Menschen wurden Opfer von Gewaltanwendungen, die von den rechtsextremen Täter/ innen als politische Gegner/innen angesehen werden. Auch gab es wieder massive Bedrohungen gegen politische Gegner/innen (fünf von 19 Vorfällen). Ein zentrales Beispiel:

Mitte/Ende Februar 2010 In Pankow erhalten sieben Einzelpersonen bzw. Geschäftsstellen demokratischer Parteien und Organisationen, die den Aufruf „13.02.2010 Dresden Nazifrei. Gemeinsam blockieren“ unterzeichnet hatten, Morddrohungen. Die nicht frankierten, weißen Briefumschläge werden direkt in die Briefkästen der Betroffenen eingeworfen. Die Drohbriefe enthalten ein Streichholz sowie den Text: „Kommando 13. Feb. - ...dein leben, interessiert uns brennend...“ (Fehler im Original). Strafanzeigen werden gestellt. Berlinweit werden 20 dieser Drohbriefe gemeldet. Anlaufstellen: Die LINKE Pankow, Netzwerkstelle [moskito]; u.a. Dieses Beispiel macht deutlich, dass es sich hierbei um ein geplantes Vorgehen handelt. Dieses wird von den Rechtsextremen selbst als „Anti-Antifa-Arbeit“ bezeichnet. Damit ist ein systematisches Ausspähen, Einschüchtern und im Extremfall gewalttätiges Vorgehen gegen demokratische Akteur/innen, zivilgesellschaftliche bzw. antifaschistische Gruppen und linke Einrichtungen durch organisierte Rechtsextreme gemeint.


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Angriffe in Pankow Insgesamt kam es in 2010 zu 27 Angriffen auf Menschen. Unter „Angriffe“ werden sowohl Gewaltdelikte (fünf Vorfälle), Körperverletzungen (drei Vorfälle) als auch (verbale) Angriffe, wie Bedrohungen, Beleidigungen und Pöbeleien (19 Vorfälle), subsumiert. Die Täter/innen von gewalttätigen Handlungen bzw. Bedrohungen, Beleidigungen und Pöbeleien mit rassistischer, antisemitischer, homophober oder transphober Motivation sind wesentlich heterogener als die Personen, die gegen demokratische und antifaschistische Personen vorgehen. Es handelt sich nicht ausschließlich oder primär um Angehörige der rechtsextremen Szene. Das Spektrum ist relativ groß, sowohl bezogen auf das Alter als auch auf die soziale Herkunft der

Täter/innen. Ein weiterer Aspekt ist, dass es sich bei den meisten Angriffen bzw. Bedrohungen, Beleidigungen und Pöbeleien oft um spontane Gelegenheitstaten handelt. Bei der Auswertung des Pankower Registers zu den Angriffen muss berücksichtigt werden, dass nur ein Bruchteil der wahrscheinlich stattgefundenen hier wirklich auftaucht. Denn: Ein Großteil der Angriffe und Vorfälle wird nicht öffentlich gemacht und bleibt somit unbekannt!2 2 Zur Problematik der Dunkelziffern im Kontext diskriminierender Angriffe siehe auch Kapitel „Differenzierte Auswertung nach den Tatkategorien“, Rubrik „Bedrohungen, Beleidigungen und Pöbeleien“. Darüber hinaus müssen die vorliegenden Zahlen als vorläufig gelten, da immer zahlreiche Nachmeldungen der Polizei erfolgen.

Motive von (verbalen) Angriffen nach Tatorten sortiert

(Zahlenangaben der Grafik spiegeln die Anzahl der jeweiligen Vorfälle wider und sind keine Prozentangaben.)


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Räumliche Zuordnung aller Vorfälle in Pankow Die meisten Vorfälle, die im Register 2010 festgehalten sind, fanden in dem Ortsteil Prenzlauer Berg statt (30 Eintragungen, das sind 26 Prozent aller Vorfälle). Fast ebenso viele Vorfälle wie in Prenzlauer Berg wurden in Weißensee (28 Eintragungen, das sind 24 Prozent aller Vorfälle) registriert. An dritter Stelle steht Pankow-Zentrum (19 Eintragungen, fast 17 Prozent). Niederschönhausen folgt dann mit zehn Vorfällen (knapp neun Prozent aller Vorfälle). Mit drei bis fünf Vorfällen im Jahr 2010 folgen dann die anderen Ortsteile: Französisch Buchholz und Heinersdorf (jeweils fünf Eintragungen, das sind vier Prozent), Buch (vier Eintragungen) und Karow (drei Eintragungen). Damit ist die regionale Streuung von Vorfällen in diesem Jahr weiter angewachsen. Wichtig bei der Bewertung der regiona-

len Verteilung der Vorfälle ist, dass eine höhere Anzahl von Meldungen aus bestimmten Ortsteilen eine stärker sensibilisierte Öffentlichkeit bedeuten kann, die entsprechend Vorfälle publik macht. Zudem fehlen gerade in den zentrumsferneren Gebieten Pankows (wie Blankenburg, Blankenfelde, Malchow und Rosenthal) noch Anlaufstellen, um entsprechende Vorfälle überhaupt dokumentieren zu können. Weiterhin ist ein Zusammenhang von Vorfällen in einem bestimmten Stadtteil mit einer größeren Präsenz von potenziell betroffenen Personengruppen nicht auszuschließen. Auch kam es zu elf Eintragungen, die dem Internet zugeordnet werden. Im Jahr 2010 wurden hierunter auch Eintragungen dokumentiert, wenn es sich um Eigenmeldungen auf rechtsextremen Internetseiten handelt, die von keiner anderen Quelle bestätigt worden sind. Beispiel hierfür:

Tatorte

(Zahlenangaben der Grafik spiegeln die Anzahl der jeweiligen Vorfälle wider und sind keine Prozentangaben.)


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Verteilung der Vorfälle nach Monaten

(Zahlenangaben der Grafik spiegeln die Anzahl der jeweiligen Vorfälle wider und sind keine Prozentangaben.)

23. April 2010 Laut eigenen Angaben haben Neonazis in einem „nationalen Jugendzentrum“* in Pankow eine Solidaritätsveranstaltung durchgeführt. Aus dem Erlös sollen größere Räumlichkeiten finanziert werden. Bei der Veranstaltung hält Eckhart Bräuniger, Mitglied der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) einen Vortrag, in dem es um die napoleonischen „Befreiungskriege“ bis heute geht. Der aus dem Kameradschaftsspektrum stammende Liedermacher „Raunijar“* tritt ebenfalls auf. Nach Angaben der NPD waren bis zu 70 Personen anwesend. Quelle: Eigenmeldung auf der NPDInternetseite

Zeitliche Zuordnung aller Vorfälle Wie aus der Tabelle hervorgeht, ereigneten sich die meisten Fälle im April, das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass es sich zu dem Zeitpunkt vor allem um Propagandadelikte (20 von 23 Vorfällen) handelt, die im Zusammenhang mit der Mobilisierung für den Naziaufmarsch am 1. Mai in Prenzlauer Berg standen.


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Detaillierte Auswertung nach den Tatkategorien Im Folgenden wird auf die einzelnen Tatkategorien: Körperverletzung und Gewaltdelikte; Bedrohungen, Beleidigungen und Pöbeleien; Sachbeschädigungen; Veranstaltungen; sowie Propagandadelikte genauer eingegangen. Neben der statistischen Darstellung zu den Tatkategorien und einem exemplarischen Vorfall wird abschließend kurz auf eine Problematik im Kontext der jeweiligen Tatkategorie hingewiesen. Die aufgeworfenen Problematiken fließen dann in das anschließende Kapitel „Kurzer Problem­ aufriss und Ausblick 2011“ mit ein, wo auch auf mögliche Handlungsmöglichkeiten eingegangen werden soll. Körperverletzungen und Gewaltdelikte Von den 115 statistisch erfassten Fällen handelt es sich bei acht Vorfällen (knapp sieben Prozent) um Gewaltdelikte und Körperverletzungen gegen Personen. Dabei ereigneten sich die meisten gewalttätigen Übergriffe im Ortsteil Weißensee (vier von acht Vorfällen). Die anderen vier Vorfälle verteilen sich auf die Ortsteile Buch, Karow, Niederschönhausen und Prenzlauer Berg (jeweils ein Vorfall). Opfer von Gewaltanwendungen waren 2010 überwiegend Linke und alternative Menschen (sechs von acht Vorfällen), die von den rechtsextremen Täter/innen als politische Gegner/innen angesehen werden. Zwei der acht Gewaltdelikte waren rassistisch motiviert. Wie brutal die Täter/innen zum Teil vorgehen, zeigt dieses Ereignis:

23. Mai 2010 Gegen 4:45 Uhr wird ein 25-jähriger Mann beim Verlassen des Geländes der Kulturbrauerei in der Knaack-/ Ecke Danziger Straße von zwei Männern rassistisch beleidigt. Danach wird der junge Tunesier von ihnen verfolgt, von hinten attackiert und geschlagen. Als sich der Angegriffene wehrt, wird er mit einer Holzlatte angegriffen und fällt zu Boden. Dort wird er dann von sechs bis sieben Männern getreten und geschlagen, auch mit einer riesigen Holzbohle. Nachdem offensichtlich zur Gruppe der Täter gehörende Frauen Einhalt gebieten, lassen die Täter vom Opfer ab. Als der Angegriffene flüchtet, werfen ihm die Täter noch Flaschen und einen Stein hinterher. Der Angegriffene alarmiert die Polizei und wird von einem Rettungswagen zur ambulanten Behandlung in eine Klinik gebracht. Die Täter entfernen sich unerkannt. Laut Aussagen des Opfers in der BZ haben einige Passanten den Angriff beobachtet, ohne jedoch einzugreifen. Polizei-Pressemeldungen (23.05.2010, 01.06.2010, 02.06.2010); u.a. Nicht nur die Brutalität des Übergriffes ist erschütternd, sondern auch das genannte Nichthandeln der anwesenden Passanten. Oft werden bei Angriffen nur die Täter/innen und die Opfer wahrgenommen. Wichtig ist es aber auch, den Blick auf die Zeug/innen von Angriffen und Gewalttaten zu richten, denn die Kultur des Wegschauens anstatt einzugreifen, ist nach wie vor ein großes Problem. Letztlich bilden die passiven Tatzeug/innen in ei-


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ner Gewalt- bzw. Unrechtssituation quasi den Hintergrund für die Täter/innen und die von ihnen ausgeübte Gewalt. Die gezeigte Passivität bedeutet eine aktive Begünstigung der Gewalt. Als Erklärungsmuster für fehlende Zivilcourage wird in der Psychologie häufig der BystanderEffekt benannt. Dieser beschreibt das in etlichen Studien festgestellte paradoxe Phänomen, nach der alleine durch die Anwesenheit anderer Personen die Wahrscheinlichkeit von Hilfeleistungen erheblich gesenkt wird. Wichtige Prozesse sind hierbei a) die Pluralistische Ignoranz, b) die Verantwortungsdiffusion und c) die Bewertungsangst. Pluralistische Ignoranz beschreibt das Ergebnis von Vergleichsprozessen, bei denen das Verhalten anderer als Beleg für die Harmlosigkeit der Situation interpretiert wird. Verantwortungsdiffusion bezeichnet eine Abnahme der subjektiven individuellen Verantwortung, wenn viele andere handlungsfähige Personen anwesend sind. Bewertungsangst charakterisiert das Phänomen, dass die anderen Augenzeug/ innen als potenzielle Beobachter/innen und damit Bewerter/innen der eigenen Intervention wahrgenommen werden. Und dass die Angst vor einer negativen Bewertung das Eingreifen verhindert.3 Bedrohungen, Beleidigungen und Pöbeleien Unter diese Rubrik fallen 19 Vorfälle, dies entspricht 17 Prozent aller erfassten Vorfälle. In fünf Fällen richteten sich die Bedro3 vgl. Url: http://psychologie.fernuni-hagen.de/Lernportal/ Lernumgebung/Html/Prosozial.html, Url: www.marinahennig. de/PowerPoint/Konformitaet.ppt

hungen, Beleidigungen oder Pöbeleien gegen alternative bzw. linke Menschen. Bei jeweils vier Vorfällen handelte es sich um rassistische beziehungsweise homophobe Tatmotive. Drei Vorfälle ereigneten sich im Kontext der Verharmlosung und Verherrlichung des Nationalsozialismus. Antisemitisch motiviert waren zwei der Bedrohungen, Beleidigungen oder Pöbeleien. Ein Vorfall richtete sich gegen transsexuelle Menschen. 8. Oktober 2010 In der Schönhauser Allee zwischen den U-Bahnhöfen Eberswalder Straße und Schönhauser Allee läuft ein Mann an einem älteren Herren vorbei, der ihm im Vorbeigehen die Worte „Verpiss Dich, du schwule Judensau!“ hinter­ heruft. Als der Betroffene den älteren Herrn daraufhin anspricht, wiederholt dieser seine Beleidigung. Anlaufstelle: Umsonstladen Weißensee Mit Abstand die meisten Bedrohungen, Beleidigungen und Pöbeleien (acht Vorfälle) fanden in Prenzlauer Berg statt. Halb so viele Vorfälle ereigneten sich in den Ortsteilen Weißensee und Pankow (jeweils vier Vorfälle). Es ist davon auszugehen, dass es sich bei den hier zusammengetragenen Vorfällen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit nur um die Spitze des Eisberges handelt und dass die Dunkelziffer bei Bedrohungen, Beleidigungen und Pöbeleien auch in Pankow um ein Vielfaches höher liegt. Viele Menschen sind bspw. aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Religionszugehörigkeit, ihrer sexuellen Orientierung einer


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Tatorte von (verbalen) Angriffen

(Zahlenangaben der Grafik spiegeln die Anzahl der jeweiligen Vorfälle wider und sind keine Prozentangaben.)

permanenten Diskriminierung in allen Lebensbereichen ausgesetzt. Die Annahme von einer extrem hohen Dunkelziffer wird durch eine EU-weite Studie4 der EU-Agentur für Grundrechte (FRA), die 2009 vorgestellt wurde, bestätigt. Demnach finden Diskriminierung, Belästigung und rassistisch motivierte Gewalt viel häufiger statt, als amtliche Statistiken vermuten lassen. Der Grund hierfür ist, dass die meisten Betroffenen ihre Diskriminierung nicht melden. 82 Prozent der Befragten, die nach eigenen Angaben diskriminiert wurden, hatten dies nicht 4 Insgesamt wurden für die Untersuchung 23.500 potenziell Betroffene in den EU-Mitgliedsstaaten befragt. Nur elf der 27 EU-Staaten haben nach Angaben der EU-Agentur zuverlässige Statistiken über Diskriminierung. Die schlimmste Diskriminierung erfahren dem Bericht zufolge die rund zwölf Millionen Roma, gefolgt von people of color*.

bei den Behörden gemeldet. Und 64 Prozent der Diskriminierungs­opfer meinten, sie seien davon ausgegangen, dass auch im Falle einer Meldung nichts unternommen worden wäre. Gleichzeitig kannten 80 Prozent keine einzige Organisation, die Diskriminierungsopfer unterstützt oder berät. Entsprechend kommt Morten Kjaerum, Direktor der FRA, zu dem Schluss: „Die Erhebung zeigt, dass die überwältigende Mehrheit erlittene Diskriminierung oder rassistisch motivierte Straftaten nicht an eine zuständige Behörde meldet. Tausende Fälle von rassistisch motivierten Straftaten und Diskriminierung bleiben damit unsichtbar.“5 Eine Folge davon ist, dass die Straftäter letztlich ungestraft bleiben. 5 h ttp://w w w.abendblatt.de/politik/deutschland/article992488/Migranten-staerker-diskriminiert-als-bisherangenommen.html


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Sachbeschädigungen Das Pankower Register dokumentiert neun Sachbeschädigungen im Jahr 2010. Auch hier war das gewalttätige Vorgehen gegen Sachen in erster Linie gegen linke und alternative Einrichtungen, Projekte und ähnliches (vier von neun Vorfällen) gerichtet. 9./10. März 2010 In der Nacht vom 9. auf den 10. März werden die Fensterscheiben des Buchladens „Schwarze Risse“ in der Kastanienallee in Prenzlauer Berg eingeworfen. Dieser Vorfall reiht sich ein in eine Serie von Anschlägen und Drohungen insbesondere in Kreuzberg und Neukölln während der letzten Monate gegen Vereine, Parteien, Projekte sowie Einzelpersonen, die sich gegen Neonazis positionieren. Quelle: Pressemeldung des Buchladen Schwarze Risse, u.a. Als weiteres zentrales Motiv für Sachbeschädigungen ist NS-Verherrlichung und Verharmlosung (drei von neun Vorfällen) festzustellen. Die Sachbeschädigungen waren in je einem Vorfall Ausdruck von Antisemitismus und Homophobie. Berlinweit wurde 2010 eine starke Zunahme von Sachbeschädigungen von alternativen und linken Einrichtungen beobachtet, die der rechtsextremen Szene zugeordnet werden können. Dabei muss von einem gezielten und systematischen Vorgehen ausgegangen werden, da die Sachbeschädigungen oft zeitgleich an einem Abend/in einer Nacht an vielen verschiedenen linken/alternativen Orten

stattfanden. Ein Grund für diese Entwicklung sei, so Bianca Klose (Leiter­in der Mobilen Beratung gegen Rechts­ extremismus), dass „diese nächtlichen Anschläge und Schmierereien den Tätern mit verhältnismäßig geringem Organisationsaufwand zu großer medialer Präsenz verhelfen“.6 Dies muss auch im Zusammenhang mit den Misserfolgen rechtsextremer Großevents wie dem 1. Mai-Aufmarsch gesehen werden. Weiter stärken entsprechende Aktionen auch enorm den inneren Zusammenhalt der Gruppe. Denn die Angriffe müssen konspirativ vorbereitet und durchgeführt werden, so dass nur der kleine eingeweihte Kreis davon Bescheid weiß. Es ist davon auszugehen, dass diese Angriffe von jungen, gewaltbereiten Neonazis, die dem Spektrum der Autonomen Nationalisten* zuzuordnen sind, ausgeübt werden. Veranstaltungen Unter Veranstaltungen werden alle öffentlichen beziehungsweise halböffentlichen Ereignisse wie Demonstrationen, Infostände, Vorträge, Konzerte und Aktio­ nen subsumiert. Für das Jahr 2010 verzeichnet das Pankower Register acht Veranstaltungen. Hierbei handelte es sich am häufigsten um rechtsextreme Selbstdarstellung (vier von acht Vorfällen). Als zentrales Ereignis ist im diesem Kontext der bereits am Anfang dargestellte Neonaziaufmarsch von 650 Neonazis am 1. Mai in Prenzlauer Berg anzusehen. Weiter führte die Nationaldemokratische Partei Deutschlands* (NPD) eine Veranstaltung durch, die sich gegen die Moschee in ­Heinersdorf 6 h ttp://www.mbr-berlin.de/Aktuelles/Pressespiegel_der_ MBR/2010/855.html


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r­ ichtete. ­Letzteres Ereignis wurde in die Chronik unter dem Motiv antimuslimischer Rassismus* aufgenommen. Wie im vorangegangenen Jahr kam es auch 2010 zu verschiedenen (Gedenk-) Veranstaltungen (drei von acht Vorfällen), deren Anliegen NS-Verharmlosung und -Verherrlichung waren: 2. September 2010 Auf dem St.-Nikolai-Friedhof in der Prenzlauer Allee versammeln sich einige Mitglieder der sogenannten Freien Nationalisten (FN) Berlin-Mitte*, um dem SA-Führer Horst Wessel* zu gedenken. Nach eigenen Angaben zünden sie eine Kerze an, legen Blumen an das Grab und begehen eine Schweigeminute. Auf ihrer Internetseite huldigen sie Horst Wessel und äußern ihr Unverständnis darüber, dass Horst Wessel in einem normalen Grab auf dem Friedhof liegt und nicht mehr Menschen seiner gedenken. Quelle: EAG, [`solid] (Gedenk-)Veranstaltungen, deren Ziel die Verharmlosung und Verherrlichung des Nationalsozialismus ist, können seit 2005 durch die Behörden verboten werden. Und zwar unter Berufung auf den Volksverhetzungs-Paragraph 130, Absatz 4. Hier heißt es: „Mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe kann bestraft werden, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.“ Im November 2009 wurde dieser Paragraph in einem Urteil vom Bundes-

verfassungsgericht bestätigt. Demnach ist das Verbot einer Veranstaltung, die die Verherrlichung des Nazi-Regimes zum Ziel hat, mit dem Recht auf Meinungsfreiheit durchaus vereinbar.7 Dies erklärt auch, warum die dokumentierten NSverherrlichenden und -verharmlosenden Veranstaltungen von Rechtsextremen im Vorfeld kaum öffentlich beworben wurden und versucht wurde, diese klandestin durchzuführen und erst später im Internet öffentlich zu machen. Propagandadelikte Im Jahr 2010 stellten die Propagandadelikte wieder den Großteil aller registrierten Vorfälle dar. So wurden insgesamt 70 Propagandadelikte erfasst. Darunter fallen sowohl das Verteilen und/oder Anbringen von Aufklebern, Plakaten, (Zeit-) Schriften und Schmierereien mit rechtextremen, rassistischen, antisemitischen und/oder homophoben Inhalten als auch das Werben für entsprechende Organisationen und Parteien. Die Verwendung verfassungswidriger Symbole (wie Hakenkreuze und SS-Runen) wird ebenfalls in dieser Rubrik erfasst. Bei knapp der Hälfte aller Propagandavorfälle handelte es sich um rechtsextreme Selbstdarstellungen (34 von 70 Vorfällen). In der Regel ging es um Propaganda für Freie Kameradschaften* oder die Nationaldemokratische Partei Deutschlands* (NPD). Einen großen Anteil stellte die NS-Verherrlichung und -Verharmlosung dar (23 von 70 Vorfällen; dies entspricht fast 33 Prozent aller Propagandadelikte). Häufig wurden Abbildungen von verbote7 vgl. http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/volksverhetzungsparagraph-welche-folgen-hat-das-urteil-des-verfassungsgerichtes-3365


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nen NS-Symbolen wie dem Hakenkreuz, der Sig-Rune oder auch der Schriftzug „NS Jetzt“ auf öffentlichen Gebäuden vorgefunden. 26. August 2010 Im Ernst-Thälmann-Park am Thälmanndenkmal sowie in der Straßenbahnunterführung am S-Bahnhof Greifswalder Straße werden neonazistische Schmierereien festgestellt. Unter anderem: „C4 for reds“*, „NS Jetzt“, „Rotfront verrecke“, „Antifa heißt Inzest“ und „Ein Kiez für Nazis“. Quelle: [`solid]

mit der auch gewollten Schaffung von Angsträumen für potenzielle Opfer einhergeht. Schließlich zielt der Versuch der permanenten Propaganda auf eine Normalisierung rechtsextremer oder NSSymbolik im Alltag ab.

Kurzer Problemaufriss und Ausblick 2011

Die Präsenz von rechtsextremer und NSverherrlichender und -verharmlosender Propaganda in Form von Sprühereien, Plakaten und Aufklebern muss ernst genommen werden. Der Verein für Demokratische Kultur in Berlin e.V. (VDK)8 weist auf unterschiedliche Ziele hin, die Rechtsextreme mit ihrer Propaganda verfolgen: Es geht um die Rekrutierung (meist jugendlicher) Anhänger/innen durch entsprechende Darstellungen. Auch soll die Propaganda zur Markierung ihres (vermeintlichen) Reviers beitragen, welches

Gerade in 2011, dem so genannten Superwahljahr, in dem in insgesamt neun Bundesländern gewählt wird, ist es wichtig, sich Rassismus*, Antisemitismus*, Homo­phobie* und gruppenbezogener Men­schenfeindlichkeit* entgegenzustellen. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die rechtsextremen* und rechtspopulistischen* Parteien versuchen werden, den Wahlkampf für die Verbreitung ihrer Ideologien zu nutzen. Folglich ist bundesweit mit einer Zunahme an rechten Veranstaltungen und rechter Propaganda zu rechnen. Es ist davon auszugehen, dass die rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien weiterhin verstärkt antimuslimischen Rassismus* in ihre Agitation mit einbeziehen werden. Die jüngst veröffentlichte Heitmeyer-Studie9 für das Jahr 2010 kommt zu dem Schluss, dass es einen signifikanten Anstieg von antimuslimischem Rassismus in der deutschen Gesellschaft gibt. In der Untersuchung gaben knapp 39 Prozent an, sich „durch die vielen Muslime hier manchmal wie ein Fremder im eigenen Land zu fühlen.“ Das ist eine Zunahme um fast sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Aussage, „Muslimen sollte die Zuwanderung

8 Verein für demokratische Kultur in Berlin e.V. (VDK), Was können Sie tun...? Taschenratgeber aktiv gegen Rechtsextremismus in Pankow, Berlin 2010

9 Seit 2002 findet die Langzeitstudie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld unter der Leitung von Wilhelm Heitmeyer statt.

Weit weniger häufig findet sich rassistisch motivierte Propaganda (sieben von 70 Vorfällen). Auffällig hierbei ist jedoch, dass von den sieben erfassten Vorfällen sechs antimuslimischen Inhaltes sind. Die übrigen Vorfälle wenden sich einerseits gegen politische Gegner/innen (vier von 70 Vorfällen) beziehungsweise sind antisemitisch (zwei von 70 Vorfällen) motiviert.


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nach Deutschland untersagt werden“ ­stimmen 26,1 Prozent zu. 2009 waren das etwas weniger als fünf Prozent.10 Auch in der Auswertung vom Pankower Register macht das Motiv des antimuslimischen Rassismus 57 Prozent aller Vorfälle mit rassistischem Hintergrund aus. Antimuslimischer Rassismus ist ein zentrales Themenfeld der rechtspopulistischen Parteien Bürgerbewegung Pro Deutschland* (und ihres hiesigen Ablegers Bürgerbewegung Pro Berlin) und Die Freiheit*, die zu den Abgeordnetenwahlen in Berlin antreten werden. Beide Parteien warnen vor einer „Islamisierung der Gesellschaft“ und fordern einen Baustopp für Moscheen und Minarette. Gerade vor dem Hintergrund der Debatte um Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen“ hat es eine diskursive Verschiebung des Sagbaren in der deutschen Gesellschaft gegeben. Dies zeigen auch Umfragen vom Herbst 2010, wonach rund 90 Prozent der Bild.de-Leser/innen Sarrazins Thesen unterstützen. Und laut Emnid 18 Prozent der Wahlberechtigten bereit wären eine Sarrazin-Partei zu wählen.11 Dieser Entwicklung muss Einhalt geboten werden und gerade im Vorfeld und während des Wahlkampfes muss dem auf verschiedenen Ebenen entgegen gewirkt werden. Notwendig ist es, Aufklärungsarbeit zu leisten. Gemeinsam mit den anderen Netzwerkstellen werden wir in diesem Jahr eine kleine Broschüre zur Argumentation gegen rechtspopulistische Thesen herausgeben.

10 vgl. http://www.freitag.de/community/blogs/hguerler/ antimuslimischer-klassenkampf 11 vgl. http://www.akweb.de/ak_s/ak553/43.htm

Im Jahr 2010 war das zweithäufigste Motiv für einen Vorfall die Verherrlichung und Verharmlosung des Nationalsozialismus. Dasselbe gilt auch in Bezug auf Propagandadelikte (fast 33 Prozent). Parolen, die die menschenverachtenden Verbrechen des Nationalsozialismus unverhohlen verharmlosen und verherrlichen, müssen ernst genommen werden und es muss unverzüglich und rigoros darauf reagiert werden. Neben der strafrechtlichen Verfolgung bei der Benutzung verfassungswidriger Symbole muss es darum gehen, diese NS-Symbolik schnellstmöglich zu entfernen, damit überhaupt keine Chance für einen Normalisierungseffekt entsteht. Ein erster Schritt ist Anfang 2011 damit getan worden, dass es Schulungen über rechtsextreme und NS-Symbolik und die Arbeit des Pankower Registers für Mitarbeiter/innen des Ordnungsamts in Pankow gegeben hat. Wichtig ist es, die Zusammenarbeit mit dem Ordnungsamt aufrecht zu erhalten und auszubauen, da diese Mitarbeiter/innen tagtäglich im Bezirk unterwegs sind und entsprechende Vorfälle zur Anzeige bringen bzw. bei uns melden können. Dabei soll die notwendige Aufmerksamkeit hinsichtlich rechter und NS-Symbolik aber nicht an die Behörden delegiert werden. Sondern wir brauchen die Unterstützung von möglichst vielen Pankower Bürger/innen, um das Auftreten von menschenverachtenden Zeichen und Schriftzügen im öffentlichen Raum zurückzudrängen. Deutlich ist auch geworden, dass es eine Entwicklung in der rechtsextremen Szene in Berlin gibt (und das trifft tendenziell auch auf Pankow zu), gegen vermeintliche politische Gegner/innen und deren Einrichtungen vorzugehen. Dabei beschränkt sich der Angriffsradius nicht auf die un-


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mittelbaren Wohn- und Aufenthaltsorte der Rechtsextremen, wie die Übergriffe in Kreuzberg und Neukölln zeigen. Entsprechend bedarf es eines berlinweiten Austausches zwischen den politischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren über diese Entwicklung. Gemeinsam muss beobachtet werden, ob sich ein größeres Bedrohungspotenzial für zivilgesellschaftliche und linke Bürger/innen in der Stadt entwickelt. Ziel dieser rechtsex­tre­ men Übergriffe ist es, engagierte Menschen einzuschüchtern und sie zu vertreiben. Wichtig ist es daher, die Übergriffe nicht zu verharmlosen, sondern diese als ernstes Problem anzuerkennen. Weiter halten wir es für ausgesprochen wichtig, sich mit den Opfern öffentlich zu solidarisieren und sie zu unterstützen. Die niedrige Zahl an gemeldeten Vorfällen von Bedrohung, Beleidigung, Pöbeleien, Gewaltdelikten und Körperverletzungen mit rassistischem (sechs Vorfälle), antisemitischem (zwei Vorfälle), homophobem (vier Vorfälle) und transphobem (ein Vorfall) Hintergrund lässt vermuten, dass wir es mit einer hohen Dunkelziffer zu tun haben. Vor allem, wenn wir von einer gesamtgesellschaftlichen Zunahme von antimuslimischem Rassismus ausgehen müssen, muss sich verstärkt darum bemüht werden, die Betroffenen zu unterstützen. Entsprechend bedarf es weiterer Anstrengungen, um eine Atmosphäre zu schaffen, die die Opfer ermutigt, ihre Erfahrungen mitzuteilen. Vor dem Hintergrund der geringen Zahl an gemeldeten Vorfällen 2010 sehen wir es als erforderlich an, potenziell betroffene Personen weiterhin durch Öffentlichkeitsarbeit umfassend über die Arbeit des Registers zu informieren und die Möglichkeiten der

Hilfe durch die Opferberatungsstellen aufzuzeigen. In dem Zusammenhang ist es ebenfalls relevant, zivilcouragiertes Handeln zu unterstützen und zu fördern. Genau hier sehen wir auch unsere Aufgabe. Wir möchten Möglichkeiten der Zivilcourage aufzeigen und engagierten Pankower Bürger/innen zur Seite stehen. Dazu ist Ende 2010 das kleine Heft „Was können Sie tun...?“ Taschenratgeber aktiv gegen Rechtsextremismus in Pankow erschienen - herausgegeben vom Verein für Demokratische Kultur in Berlin e.V. (VDK) und entstanden u.a. unter unserer Mitarbeit. Es ist ein kleiner Leitfaden für zivil­ couragiertes Handeln. Daneben bieten wir unsere Argumentations- und Handlungstrainings an, die Sie auch gerne für Ihre Einrichtung/Ihr Projekt in Anspruch nehmen können. Wir werden auch in diesem Jahr aktiv gegen Rassismus, Antisemitismus und Homophobie tätig sein. Veränderungen können jedoch nur gemeinsam erreicht werden! Dank einer erfolgreichen Bündnisarbeit konnte der Naziaufmarsch am 1. Mai 2010 durch den Prenzlauer Berg gestoppt werden. Und viele unterschiedliche Einrichtungen, Projekte, Initiativen und Gruppen haben zum Zustandekommen des Pankower Registers 2010 beigetragen. Dafür möchten wir uns an dieser Stelle recht herzlich bedanken. Viele Pankower Bürger/innen setzen tagtäglich ein Zeichen gegen rechte Aktivitäten. Engagieren wir uns weiter gemeinsam für ein demokratisches und vielfältiges Zusammenleben!


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Pankower Chronik 2010 13. Januar 2010 Wegen des Verdachts des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung vollstrecken Beamte der Landeskriminalämter Berlin und Sachsen vier Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten. Betroffen ist unter anderem die Wohnung eines 36-Jährigen in Weißensee. Die Durchsuchungen finden um 12 Uhr statt und führen zur Beschlagnahme von 140 CDs, Aufklebern, Buttons, Schlüsselanhängern, 113 T-Shirts mit dazugehörigen Aufdrucken, Speichermedien sowie zahlreichen Geschäftsunterlagen. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, eine indizierte CD der Berliner Naziband „Deutsch, Stolz, Treue“* produziert und vertrieben zu haben. Quellen: Pressemeldung der Polizei (14.01.2010); Presse: BZ (14.01.2010), TS (14.01.2010) 25. Januar 2010 In der Karower Straße in Buch wird am Eingang zum Müllplatz der Frauenberatung „BerTa“ ein Aufkleber der sogenannten Heimattreuen Bewegung* entdeckt, der die Aufschrift „Heimat ist auch Frauensache“ trägt. Abgebildet ist eine blonde weiße Frau mit einem weißen Kleinkind im Arm. Anlaufstelle: Frauenberatung „BerTa“- Albatros e.V. 28. Januar 2010 Neben die Haustür der „Villa der Freundschaft“ am S-Bahnhof Wollankstraße wird in den Abendstunden zwischen 20:30 und 21:30 Uhr ein umgedrehtes Hakenkreuz geschmiert. Die „Villa der Freundschaft“ ist ein Haus der Falken Berlin, in dem Jugendliche und Kinder ihre Freizeit verbringen können. Quelle: [`solid] Ende Januar 2010 Eine engagierte Bürgerin, die sich für Vielfalt und Demokratie und gegen Rechtsextremismus im Bezirk einsetzt, findet in ihrem Briefkasten eine Broschüre eines rechtskonservativen österreichischen Verlags. Dieser ist wegen seiner rassistischen, antisemitischen, geschichtsrevi-

sionistischen und rechtsextremen Publikationen umstritten. In keinem anderen Briefkasten aus dem Haus findet sich eine entsprechende Werbung, weswegen die Betroffene von einer gezielten Aktion ausgeht. Anlaufstelle: Netzwerkstelle [moskito] Februar 2010 Im Februar wird in den Briefkasten des Stadtteilzentrums Pankow ein handschriftliches Schriftstück mit einem kopierten Zeitungsartikel der Süddeutschen Zeitung zum Thema Zwangsarbeiter eingeworfen. Darin vertritt der/die anonyme Verfasser/in antiamerikanische Positionen und geschichtsrevisionistische, antisemitische Lügen, wonach u.a. Zwangsarbeiter und in Konzentrationslagern internierte jüdische Menschen im Gegensatz zu nicht-jüdischen, deutschen Kindern ein luxuriöses Leben gehabt hätten. Anlaufstelle: Stadtteilzentrum Pankow 02. Februar 2010 In der Mahlerstraße wird am Schild einer Supermarktkette ein mit Edding gemaltes Hakenkreuz festgestellt. Die Beschäftigten des Supermarktes werden darüber informiert. Quelle: [`solid] 06./07. Februar 2010 In der Nacht vom 6. auf den 7. Februar grölen während der Fahrt von der Schönhauser Allee zum Rosenthaler Platz in der Tram M1 zwei Männer ein rassistisches Lied, das zu Gewalt an Schwarzen aufruft. Quelle: EAG 10. Februar 2010 Gegen 6:40 Uhr alarmiert eine Mitarbeiterin einer Wohngemeinschaft für Mädchen in Prenzlauer Berg die Polizei. Unbekannte Täter haben unter anderem den Boden der Einfahrt mit einem etwa 60 x 90 cm großen Hakenkreuz und den Worten „Raus mit euch!“ sowie eine Hofwand mit zwei Davidsternen besprüht. Darüber hinaus werden im Wohnhaus mehrere sexistische Parolen an die Wände geschmiert. Quellen: Pressemeldung der Polizei, NEA


Pankower Register 2010 21 12. und 14. Februar 2010 An beiden Tagen trägt sich die sogenannte „Mädelgruppe der Vereinten Nationalisten Nord-Ost (VNNO)“* ins Gästebuch auf der Homepage des tivolotte Mädchenclubs ein. Es ist derselbe monotone, rassistische Spruch, mit dem das Internetgästebuch der OASE Pankow mitunter belästigt wird: „Weil es UNSER Pankow ist – Moschee zurückbauen!“ Es werden neonazistische Internetseiten als Kontakt angegeben (vom NW-Berlin* und freie-kraefte.tk). Anlaufstelle: tivolotte Mädchenclub 14. Februar 2010 Am S-Bahnhof Greifswalder Straße werden abends 15 Aufkleber zweier neonazistischer Internetportale zur Mobilisierung für die neonazistische Demo am 1. Mai in Berlin und mit dem Slogan „Todesstrafe für Kinderschänder – 0% Rückfallquote“ entdeckt und entfernt. Anlaufstelle: Netzwerkstelle [moskito]; Quelle: EAG 15. Februar 2010 Laut eigenen Angaben haben Neonazis eine Infoveranstaltung zu Horst Wessel* in einem „nationalen Jugendzentrum“* durchgeführt. Quelle: Eigenmeldung auf einer rechtsextremen Internetseite Berlin 16. Februar 2010 Die neonazistische Vereinte Nationalisten Nord Ost (VNNO)* hinterlässt wieder ihren altbekannten Spruch gegen die Moschee (vgl. Pankower Register 2008) im Internetgästebuch der OASE Pankow im InterKULTURellen Haus Pankow. Dieser wird umgehend entfernt. Anlaufstelle: OASE Pankow 17. Februar 2010 Ein Informationsaushang mit den verschiedenen Arbeitsbereichen und zuständigen Mitarbeiter/ innen aus dem Standesamt, der sich im Fahrstuhl des Rathauses Pankow befindet, wird beschmiert. Der Name einer Mitarbeiterin, der auf einen polnischen Ursprung verweist, ist durchgestrichen und darunter das Wort „Jude“ gesetzt. Der Aushang wird ersetzt. Quelle: Integrationsbeauftragte des Bezirks Pankow

19. Februar 2010 Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) verteilt flächendeckend in den Straßen um das Rathaus-Center in Briefkästen Parteipropaganda zur Bombardierung Dresdens. Quelle: EAG Mitte/ Ende Februar 2010 In Pankow erhalten sieben Einzelpersonen bzw. Geschäftsstellen demokratischer Parteien und Organisationen, die den Aufruf „13.02.2010 Dresden Nazifrei. Gemeinsam blockieren“ unterzeichnet hatten, Morddrohungen. Die nicht frankierten, weißen Briefumschläge werden direkt in die Briefkästen der Betroffenen eingeworfen. Die Drohbriefe enthalten ein Streichholz sowie den Text: „Kommando 13. Feb. - ...dein leben, interessiert uns brennend...“ (Fehler im Original). Es werden Strafanzeigen gestellt. Berlinweit werden 20 dieser Drohbriefe gemeldet. Anlaufstellen: Die LINKE Pankow, Netzwerkstelle [moskito]; Quellen: Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus; Presse: JW (24.02.2010), ND (10.03.2010), SZ (23.02.2010), taz (24.02.2010, 9.03.2010) März 2010 Im gesamten Bezirk, insbesondere aber in Niederschönhausen und Alt-Pankow, tauchen vermehrt Aufkleber des Nationalen Widerstands Berlin (NWB)* sowie der NPD auf. Die Aufkleber richten sich gegen Moscheen und vertreten antimuslimischen Rassismus*. Auf anderen Aufklebern wird für den Neonazi-Aufmarsch am 1. Mai in Berlin mobilisiert. Quellen: EAG, [`solid] 02. März 2010 Am Schild eines Supermarktes in der Mahlerstraße wird erneut (vgl. den Eintrag am 2.2.2010) der Schriftzug „NS Jetzt“ festgestellt. Auf der gegenüberliegenden Hauswand befindet sich ein Schriftzug mit der Internetadresse einer neonazistischen Homepage. Quellen: [`solid], NEA 04. März 2010 Eine Mitarbeiterin des Bezirksamts entdeckt an den Häuserfassaden Bizetstraße 41 und an der Kinderfreizeiteinrichtung FiPP-Nische in der Mahlerstraße 4 - 6 neonazistische und rassis-


22 Pankower Register 2010 tische Parolen, verfassungsfeindliche Symbole und Werbung für eine neonazistische Internetplattform. Sie stellt Strafanzeige bei der Polizei. Die Schmierereien sind dort sowie an einem nahe gelegenen Supermarkt nach Angaben der NEA in der Nacht vom 1. auf den 2. März angebracht worden. Anlaufstelle: Netzwerkstelle [moskito]; Quelle: NEA 06. März 2010 Vor dem Rathaus-Center in Pankow verteilen ca. acht Neonazis für mindestens anderthalb Stunden Flyer zur Mobilisierung für den Neonazi-Aufmarsch am 1. Mai in Berlin. Quellen: [`solid], Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus 06. März 2010 Vor dem Mühlenbergcenter nahe des S-Bahnhofs Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg führen Neonazis einen Info-Stand zur Mobilisierung für den Neonazi-Aufmarsch am 1. Mai in Berlin durch. Quelle: [`solid] 09./10. März 2010 In der Nacht vom 9. auf den 10. März werden die Fensterscheiben des Buchladens „Schwarze Risse“ in der Kastanienallee im Prenzlauer Berg eingeworfen. Dieser Vorfall reiht sich ein in eine Serie von Anschlägen und Drohungen insbesondere in Kreuzberg und Neukölln während der letzten Monate gegen Vereine, Parteien, Projekte sowie Einzelpersonen, die sich gegen Neonazis positionieren. Anlaufstelle: Netzwerkstelle [moskito]; Quelle: Pressemeldung des Buchladen Schwarze Risse, EAG 12. März 2010 Auf dem Schaufenster des tivolotte Mädchenclubs wird ein selbstgemachter schwarz-weißer Aufkleber der „Autonomen Nationalisten Pankow“ (ANP)* direkt über den Flyern und der Beschreibung des Pankower Registers angebracht. Der Aufkleber trägt den Spruch „Antifaschistische Offensive - Suizid gegen Rechts“ und es ist ein Galgenstrick abgebildet. Anlaufstelle: tivolotte Mädchenclub

13. März 2010 Gegen 23 Uhr läuft eine Gruppe von vier alkoholisierten jungen weißen Männern die Danziger Straße in Richtung Friedrichshain entlang und ruft dabei Nazi-Parolen wie „Sieg Heil“. Als sie über die Kreuzung Danziger Straße/Ecke Knip­ rodestraße hinaus sind, ruft ihnen ein junger weißer Mann aus einer Straßenbahnhaltestelle „Nazis raus“ hinterher. Die Gruppe der Neonazis reagiert nicht. Anlaufstelle: Netzwerkstelle [moskito] 18. März 2010 In der Nacht werden zwei 26 und 35 Jahre alte Schwule in einem Biergarten einer Diskothek an der Sredzkistraße in Prenzlauer Berg homophob von einem 22-jährigen Neonazi beleidigt. Vorher gab es bereits Auseinandersetzungen zwischen mehreren Homosexuellen und drei Neonazis. Der Täter zeigt den Hitlergruß, gibt neonazistische Parolen von sich und spricht von „vergasen“. Danach flieht er. Wenig später stellt die alarmierte Polizei den Täter in der Nähe des Clubs und nimmt seine Personalien auf. Quellen: Pressemeldung der Polizei; Presse: ND (19.03.2010), TS (18.3.2010), 20. März 2010 Nach Angaben einer rechtsextremen Internetseite findet in Prenzlauer Berg eine Musikveranstaltung der NPD-Pankow statt. Bei dieser tritt der NPD-Multifunktionär Jörg Hähnel auf. Quelle: EAG 21. März 2010 In der Hauptstraße in Französisch Buchholz wird ein Aufkleber mit der Aufschrift „Suizid gegen rechts“ der sogenannten Autonomen Nationalisten Pankow (ANP) an eine Jugendeinrichtung geklebt. Anlaufstelle: KJFE Oktopus 24. März 2010 In Buch werden Flugblätter mit den Themen „Minarettverbot“ und „Wirtschaftskrise“ gesteckt. Nach eigenen Angaben besuchten die an der Verteilaktion beteiligten Personen danach einen Friedhof in der Umgebung, um den Menschen zu huldigen, die „durch die bestialische Rote Armee ums Leben kamen“. Vorgeblich sollte damit den


Pankower Register 2010 23 „Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“ gedacht werden. Laut Friedhofsamt ist keine Kranzniederlegung bekannt geworden. Anlaufstelle: Netzwerkstelle [moskito]; Quelle: Eigenmeldung auf einer rechtsextremen Internetseite, [`solid]

Infostände zur Neonazi-Demonstration am 1. Mai durch. Im Umfeld der Stände werden mehrere hundert Aufkleber entdeckt, die größtenteils noch am selben Tag wieder entfernt werden. Anlaufstelle: Netzwerkstelle [moskito]; Quelle: EAG, [`solid]

28. März 2010 Aufkleber, die für eine neonazistische Demonstration am 1. Mai in Berlin mobilisieren, werden breit gestreut in Pankow vorgefunden und entfernt. Darunter in der Berliner Straße, Neumannstraße, Mühlenstraße und Maximilianstraße. Anlaufstelle: Stadtteilzentrum Pankow; Quelle: EAG

04. April 2010 Am Schild einer Supermarktkette in der Mahlerstraße (vgl. 2.2.2010) wird der Schriftzug „NS Jetzt“ festgestellt. Auf der gegenüberliegenden Hauswand wird für eine rechtsextreme Internetseite geworben. Selbiges wurde allerdings bereits durchgestrichen, was darauf hindeutet, dass sich beide Schriftzüge bereits seit längerem dort befinden. Quelle: [`solid]

29. März 2010 Anwohner/innen eines Hauses in der Wichertstraße in Prenzlauer Berg entdecken einen gekritzelten Davidstern sowie Neonaziaufkleber im Hausflur. Auf einem Sticker wird der 8. Mai umgedeutet, auf dem anderen heißt es nationalistisch „Berlin muss deutsch bleiben“. Quelle: EAG April 2010 Nach Angaben einer rechtsextremen Internetseite findet im „nationalen Jugendzentrum“ in Pankow eine „Anti-Antifaschulung“ statt. Quelle: EAG Anfang April 2010 Es werden mehrere Sticker des Nationalen Widerstand (NW) Berlin*, der Jungen Nationaldemokraten (JN)*, der Freien Kräfte Teltow* und weiterer Neonazigruppen in Karow-Nord und AltKarow verklebt. Quelle: [`solid] 02. April 2010 In der Gäblerstraße und deren Umgebung in Weißensee werden in den letzten Tagen täglich massiv Aufkleber des NW-Berlin* zum 1. Mai und Sticker der NPD verklebt. Quelle: EAG 03. April 2010 Neonazis des NW Berlin* und der Pankower Kreisverband 8 der NPD* führen vor der Moschee in Heinersdorf und am Antonplatz in Weißensee

6. April 2010 Im Stadtteilzentrum Pankow in der Schönholzer Straße wird an das Glas eines Schaukastens ein Aufkleber geklebt, der dazu aufruft, sich am 1. Mai 2010 an einer Neonazidemonstration zu beteiligen. Anlaufstelle: Stadtteilzentrum Pankow 07. April 2010 Mehrere Neonazis ziehen laut Eigenaussage vom Alexanderplatz durch Prenzlauer Berg und verteilen Flugblätter des NW-Berlin* zum 1. Mai in Briefkästen. Quelle: EAG 07. April 2010 In Niederschönhausen werden ca. 50 Aufkleber des NW Berlin* zum 1. Mai gefunden und entfernt. Am Pastor-Niemöller-Platz werden mehrere Plakate zum selben Thema entfernt. Quelle: EAG 08. April 2010 In der Prenzlauer Allee/Ecke Mollstraße (an den Friedhöfen), werden Dutzende Kameradschaftssticker für den 1. Mai entdeckt und entfernt. Vereinzelt sind auch Anti-Moschee-Aufkleber der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) Pankow angebracht worden. Sie werden ebenfalls restlos entfernt. Quelle: EAG


24 Pankower Register 2010 Mitte April 2010 In den Briefkasten einer Jugendfreizeiteinrichtung in der Hauptstraße in Französisch Buchholz wird ein Flugblatt eingeworfen. In dem Flugblatt wird zu einer Solidaritätskundgebung für den Rechtspopulisten Geert Wilders* aufgerufen, die am 17. April 2010 vor der Niederländischen Botschaft stattfinden soll. Weiterhin wird auf ein Internetportal verwiesen, das sich offen gegen Minderheitenrechte richtet. Dabei nimmt der Antiislamismus einen hohen Stellenwert ein. Anlaufstelle: KJFE Oktopus 17. April 2010 Beim Mittelalterfest in der Schießanlage Schönholzer Heide nehmen mehr als ein Dutzend erkennbare Neonazis, darunter auch Aktivisten der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD)*, teil. T-Shirts und Aufnäher mit Auf­drucken, wie „Combat 18“*, „Hasta la vista Antifascista“ und „Deutschland ist größer als die BRD“ wurden offen getragen. Quelle: EAG 19. April 2010 An einem Mülleimer am Ossietzkyplatz wird ein geschmiertes Hakenkreuz entdeckt. In direkter Umgebung befinden sich etliche Aufkleber, die für die neonazistische Demonstration am 1. Mai in Berlin werben. Quelle: [`solid] 19. April 2010 In der Danziger Straße, ungefähr Höhe Prenzlauer Allee, werden mehrere Aufkleber der neonazistischen Internetplattform „NW Berlin“* entdeckt, die für den Kampf für einen „nationalen Sozialismus“ werben. Anlaufstelle: Die LINKE Pankow 20. April 2010 In der Rudi-Arndt-Straße und in der Cotheniusstraße in Prenzlauer Berg werden erneut Aufkleber des NW-Berlin* zum 1. Mai gesichtet und beseitigt. Quelle: EAG 23. April 2010 Laut eigenen Angaben haben Neonazis in einem „nationalen Jugendzentrum“* eine Solidaritäts-

veranstaltung durchgeführt. Aus dem Erlös sollen größere Räumlichkeiten finanziert werden. Bei der Veranstaltung hält Eckhart Bräuniger, Mitglied der Nationaldemokratischen Partei Deutschland (NPD) einen Vortrag, in dem es um die napoleonischen „Befreiungskriege“ bis heute geht. Der aus dem Kameradschaftsspektrum stammende Liedermacher „Raunijar“* tritt ebenfalls auf. Nach Angaben der NPD waren bis zu 70 Personen anwesend. Quelle: Eigenmeldung auf der NPD-Internetseite 23. April 2010 In Heinersdorf (am Bahnhof und an Straßenbahnhaltestellen) werden erneut 20 Aufkleber der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD)* und des Nationalen Widerstand (NW) Berlin* gefunden und entfernt. Quelle: EAG 24./25. April 2010 Im Laufe des Wochenendes werden in Prenzlauer Berg am Kollwitzplatz mehrere Hakenkreuze von Anwohner/innen entdeckt und gemeldet. An der Eingangstür der Pankower Geschäftsstelle der Partei DIE LINKE wird ein Aufkleber der Nationaldemokratischen Partei Deutschland (NPD)* gegen Moscheen vorgefunden. Quellen: [`solid]; Presse: ND (26.04.2010), TS (26.04.2010) 24./25. April 2010 In Karow werden Aufkleber von der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), Freien Kräften (u.a. Teltow-Fläming), vom Nationalen Widerstand (NW) Berlin* und weiteren rechts­ extremen Gruppen verklebt. Quelle: [`solid] 26. April 2010 In Heinersdorf werden Naziaufkleber zum 1. Mai entdeckt und entfernt. Quelle: EAG 27. April 2010 Eine Gruppe von etwa 20 Neonazis zieht am frühen Abend vom Antonplatz über die Greifswalder Straße, Wichertstraße, Ostseestraße, Prenzlauer Allee, Wisbyer Straße und Bornholmer Straße zum dortigen S-Bahnhof und verklebt mehrere


Pankower Register 2010 25 hundert Aufkleber. Diese werden direkt im Anschluss entfernt. Quelle: EAG 28. April 2010 Am späten Nachmittag und in den frühen Abendstunden hängt die Netzwerkstelle [moskito] zusammen mit Mitwirkenden der Initiative „Wir sind Pankow: tolerant und weltoffen“ Plakate „Berlin gegen Nazis“ entlang der Strecke, die voraussichtlich die Neonazis am 1. Mai laufen werden. Neben viel positivem Zuspruch von Anwohnenden und Passant/innen wird aus einer Gruppe von drei jungen Männern „Sieg Heil“ und „Scheiß Zecken“ gerufen und der sogenannte „Hitlergruß“ gezeigt. Eine andere Person, die Plakate aufhängt, wird symbolisch mit der Hand von einem jungen Mann im Vorbeigehen „erschossen“. Anlaufstelle: Netzwerkstelle [moskito] Ende April/Anfang Mai 2010 An der Schönhauser Allee/Ecke Bornholmer Straße sowie an der Greifswalder Straße/Ecke Schieritzstraße werden Aufkleber einer neonazistischen Internetseite entdeckt, die für die Neonazi-Demonstration am 1. Mai mobilisieren. Anlaufstelle: Die LINKE Pankow April/Mai 2010 Das dänische Künstlerduo „Surrend“ (bestehend aus Jan Egesborg und Pia Bertelsen) startet eine Plakataktion. Auf den Plakaten befindet sich unter der nazistischen Überschrift „Endlösung“ eine Karte des Nahen Ostens ohne den Staat Israel, dafür mit der Bezeichnung „Ramallah“ für das neue Staatsgebiet auf israelischem Boden. Die Plakate befinden sich laut Aussage des „Tagesspiegel“ an zahlreichen Hauswänden in Prenzlauer Berg, Mitte und Kreuzberg. Sowohl der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) als auch Vertreter Israels und der jüdischen Gemeinde Berlin kritisieren die Aktion scharf. Presse: TS (04.05.2010) 01. Mai 2010 Etwa 650 Neonazis versammeln sich am S-Bahnhof Bornholmer Straße, um von dort aus durch Prenzlauer Berg zu marschieren. Der Aufmarsch wird durch Massenblockaden bereits nach rund 800 Metern kurz vor der Schönhauser Allee ge-

stoppt. Die Polizei beendet schließlich die Demonstration. Treffpunkt einiger Pankower Neonazis war der S- und U-Bhf Pankow. Anlaufstelle: Netzwerkstelle [moskito]; Quellen: EAG; Presse: MoPo, taz, DW, Berliner, ND 02. Mai 2010 Eine Mitarbeiterin des tivolotte Mädchenclubs entdeckt, dass die Scheibe ihres Schaukastens zerstört wurde. Im Schaukasten hatten die Mädchen anlässlich der Demonstration von Neonazis zum 1. Mai ein selbstgemaltes Plakat gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) aufgehängt. Es wird Anzeige erstattet. Anlaufstelle: tivolotte Mädchenclub 03. Mai 2010 In der Schönhauser Allee/Ecke Bornholmer Straße wird ein Aufkleber aus der rechtsextremen Szene gefunden, der dazu aufruft, sich am 1. Mai 2010 an einer Neonazidemonstration zu beteiligen. Anlaufstelle: Die LINKE Pankow 04./05. Mai 2010 Aktivisten der Kameradschaft „Freie Nationalisten Berlin-Mitte“* (FN Berlin-Mitte) hinterlassen auf der Berliner Allee und im Komponistenviertel in Weißensee Aufkleber. Es handelt sich hierbei vorwiegend um Aufkleber von der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) mit dem Spruch „Moscheen zurückbauen“. Weiter finden sich Neonazischmierereien wie „Sieg Heil“, Hakenkreuze, „88“*, „NS JETZT“ sowie „C4 for Reds“*, wobei jedes „S“ in der Form einer SigRune* dargestellt ist, sowie Werbung für die Internetseite der Kameradschaft FN Berlin-Mitte*. Unter anderem ist erneut die Kindereinrichtung FiPP-Nische in der Mahlerstraße 4 – 6 von der rechtsextremen Propaganda betroffen. Zudem werden einige Dutzend Plakate gegen die 8.-MaiFeiern anlässlich der Befreiung vom Nationalsozialismus entdeckt, unter anderem in der Nähe des Jüdischen Friedhofs Weißensee. Das soziokulturelle Kultur- und Bildungszentrum KuBiZ Raoul Wallenberg sowie der dort ansässige Jugendklub Bunte Kuh werden ebenfalls gezielt mit Neonaziparolen besprüht. Hier finden sich „Anti-Antifa“-Parolen, als auch Sprüche, die das NS-Regime verherrlichen, sowie Werbung für die


26 Pankower Register 2010 Internetseite der FN Berlin-Mitte. Die Sprühereien werden auf dem Hof, im offenen Garten, am Hauseingang und an der Theaterschautafel des KuBiZ angebracht. Am 6. Mai veröffentlichen die FN Berlin-Mitte einen Bericht über diese „Aktion“ auf ihrer Internetseite. Anlaufstelle: Haus der Jugend - Bunte Kuh, Quellen: NEA, Presse: taz (16.07.2010)

Anlaufstelle: Netzwerkstelle [moskito]; Quellen: Integrationsbeauftragte des Bezirks Pankow, Reach Out

6. Mai 2010 In der Bizetstraße und Mahlerstraße in Weißensee werden mehrere rechtsextreme Schmierereien und Aufkleber gefunden. Unter anderem die Schriftzüge „Sieg Heil“, „88“*, „NS“, „C4 for Reds“* sowie Hakenkreuze. Auffällig ist, dass jedes „S“ in den Schriftzügen in Form einer Sig-Rune* geschrieben ist. Die Neonazischmierereien werden mit Antifa“-Schriftzügen überschrieben, Quelle: EAG

23. Mai 2010 Gegen 4:45 Uhr wird ein 25-jähriger Mann beim Verlassen des Geländes der Kulturbrauerei in der Knaack-/Ecke Danziger Straße von zwei Männern rassistisch beleidigt. Danach wird der junge Tunesier von ihnen verfolgt, von hinten attackiert und geschlagen. Als sich der Angegriffene wehrt, wird er in mit einer Holzlatte angegriffen und fällt zu Boden. Dort wird er dann von sechs bis sieben Männern getreten und geschlagen, auch mit einer riesigen Holzbohle. Nachdem offensichtlich zur Gruppe der Täter gehörende Frauen Einhalt gebieten, lassen die Täter vom Opfer ab. Als der Angegriffene flüchtet, werfen ihm die Täter noch Flaschen und einen Stein hinterher. Der Angegriffene alarmiert die Polizei und wird von einem Rettungswagen zur ambulanten Behandlung in eine Klinik gebracht. Die Täter entfernen sich unerkannt. Laut Aussagen des Opfers in der BZ haben einige Passanten den Angriff beobachtet, ohne jedoch einzugreifen. Presse: Berliner (25.05.2010), BK (25.05.2010), BZ (24.05.2010, 01.06.2010), Sp.onl. (23.05.2010), taz (24.05.2010, 02.06.2010), TS (23.05.2010) Pressemeldungen der Polizei (23.05.2010, 01.06.2010, 02.06.2010)

11. Mai 2010 An ihrem Namensschild an der Türklingel entdeckt eine Bürgerin einen Aufkleber der neonazistischen VVNO*, der sich gegen den Kurt-LadeKlub wendet und gegen sogenannte „Asoziale“ und Linksradikale hetzt. Da sich weder an anderen Klingelschildern noch anderswo in der Gegend weitere Aufkleber befinden, stellt sich die Frage, ob es sich um eine gezielte Aktion oder gar Bedrohung handelt. Anlaufstelle: Netzwerkstelle [moskito] 11. Mai 2010 An einem Briefkasten in der Hauptstraße im Ortsteil Französisch Buchholz wird ein Aufkleber mit der Aufschrift „Weil es unser Pankow ist … Moschee zurückbauen!“ gefunden. Anlaufstelle: KJFE Oktopus 17. Mai 2010 Im Ortsteil Niederschönhausen wird ein Bewohner eines Hauses von einem anderen Mieter rassistisch beleidigt und massiv bedroht. Zuvor hatte der Täter ein Baumstück in die Richtung der Kinder des Geschädigten geworfen. Als Mieter/innen den Mann darauf ansprechen wollen, agiert der sehr aggressiv. Er droht damit, Leute zu kennen, die dafür sorgen würden, dass der Geschädigte nichts mehr zu lachen habe. Die Polizei nimmt eine Anzeige wegen Beleidigung auf.

19. Mai 2010 In Heinersdorf in der Galenusstraße werden Briefkästen mit NPD-Zeitungen bestückt. Anlaufstelle: Netzwerkstelle [moskito]

23. Mai 2010 Anlässlich des 10. Todestages von Dieter Eich findet eine antifaschistische Gedenkdemonstration in Buch mit 350 bis 400 Teilnehmenden statt. Dieter Eich war als Sozialhilfeempfänger von Neonazis in seiner Wohnung aufgesucht und ermordet worden. Neonazis werfen kurz nach Beginn der Demonstration in der Franz-Schmidt-Straße Eier auf die Demonstrierenden. Niemand wird getroffen. Nach dem Gedenken der Veranstaltung in der Walter-Friedrich-Straße kommt es dort zu Pöbeleien seitens rechter Jugendlicher. Quelle: NEA


Pankower Register 2010 27 27.Mai 2010 Ein Anwohner entdeckt, dass eine gläserne Gedenktafel in Prenzlauer Berg, die an die KZGeschichte des Wasserturms* während des Nationalsozialismus erinnert, zerstört wurde. Anscheinend wurde sie gleich mehrfach mit Steinen oder ähnlichem eingeworfen. Es wurde Anzeige erstattet. Quelle: EAG 05. Juni 2010 Auf den Respect Gaymes akzeptiert die Jury des Streetballturniers, bestehend aus drei Frauen, wiederholt nicht die Selbstdefinitionen von Teilnehmenden bezogen auf ihre geschlechtliche und sexuelle Identität. Die genannten Namen werden nicht akzeptiert und die sexuelle Orientierung abgesprochen. Es werden verletzende Fragen gestellt. Später kommt es zu weiteren sexistischen und transphoben* Sprüchen von anderen Spielern, gegen die die Beleidigten versuchen vorzugehen. Die Gruppe wendet sich an die Organisator/innen, doch sie erhalten dort nicht die gewünschte Unterstützung (Ansprache der Gruppe, die diskriminierende Äußerungen tätigte). Da sie sich nicht ernstgenommen fühlen, sprechen sie die Vorfälle mit der Jury nicht mehr an. Anlaufstelle: Netzwerkstelle [moskito]

Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Sachbeschädigung gegen Unbekannt. Quellen: Pressemeldungen der Polizei (09.06.2010), NEA 12. Juni 2010 Gegen 23:00 Uhr hören Besucher/Innen des Strandbads Weißensee „Sieg Heil“ und „Deutschland hoch“-Rufe am Seeufer, Nähe Große Seestraße, die von mehren Stimmen (mindestens drei bis vier) skandiert werden und sich anscheinend auf das Strandbad zubewegen. Die Besucher/ Innen alarmieren die Polizei, die Rufe verstummen ungefähr zeitgleich. Auf dem Nachhauseweg hören sie erneut die Naziparolen, diesmal an der Berliner Allee. Anlaufstelle: Netzwerkstelle [moskito] 17./18. Juni 2010 Neonazis verkleben in Niederschönhausen Aufkleber mit dem Slogan „Nationaler Freiheitskampf“. Die Sticker waren bereits im Jahr 2009 massenhaft verklebt worden. Sie beziehen sich auf den sogenannten Volksaufstand in der DDR am 17.06.1953. Quelle: [`solid]

07. Juni 2010 Laut Website der Freien Nationalisten (FN) Berlin-Mitte* sollen in Weißensee und Mitte „mehrere hundert Plakate“ angebracht worden sein. Quelle: EAG

19. Juni 2010 Um den S- und U-Bahnhof Pankow werden Aufkleber der Jungen Nationaldemokraten (JN)* gefunden, die sich mit dem 17. Juni 1953 in der DDR befassen. Sie können problemlos entfernt werden. Quelle: EAG

08. Juni 2010 Laut Website der Freien Nationalisten (FN) Berlin-Mitte sollen in Berlin-Weißensee und Mitte „mehr als 1000 Informationsblätter über die hohe Kriminalitätsquote bei Jugendlichen verteilt“ worden sein. Quelle: EAG

22. Juni 2010 An einer Aushängetafel im Eingangsbereich des Stadtteilzentrums am Teutoburger Platz in Prenzlauer Berg wird ein sechs Zentimeter großes Hakenkreuz eingeritzt. Es wird mit einem Aufkleber des Pankower Registers überklebt. Anlaufstelle: Netzwerkstelle [moskito]

09. Juni 2010 Gegen 10:00 Uhr meldet ein Unbekannter über den Polizeinotruf, dass das Sowjetische Ehrenmal in der Wiltbergstraße in Buch mit Hakenkreuzen beschmiert ist. Polizeibeamte beauftragen das Bezirksamt, die schwarze Farbe zu beseitigen, und stelen Strafanzeigen wegen Verwendens von

23. Juni 2010 Ein Mann wird gegen 0:00 Uhr wenige Meter, nachdem er das Kultur- und Bildungszentrum Raoul Wallenberg (KubiZ) verlassen hat, von einer männlichen Person aggressiv angehalten und gefragt, ob er aus dem Zentrum käme. Noch bevor er antworten kann, wird er mit großer Wucht


28 Pankower Register 2010 ins Gesicht geschlagen. Er fällt ohnmächtig zu Boden. Als er wieder bei Bewusstsein ist, liegt er auf der Straße und wird weiter von der Person bedroht. Diese fragt, ob er eine der „linken Zecken“ sei, droht ihm, ihn umzubringen, und warnt ihn davor, zur Polizei zu gehen. Der Mann erstattet Anzeige beim nächsten Polizeiabschnitt. Anlaufstellen: Bunte Kuh, Netzwerkstelle [moskito] Quelle: ReachOut 23. Juni 2010 Während des Fußball-WM-Spiels Deutschland – Ghana wird der deutsche Spieler Mesut Özil, nachdem er das 1:0 für Deutschland geschossen hat, von einer Gruppe deutscher Fußballfans in Weißensee (Gürtelstraße/Puccinistraße) ausgebuht. Quelle: [`solid] 20. – 23. Juni 2010 Zwischen dem 20. und 23. Juni tauchen rund um den Ernst-Thälmann-Park erneut Schreiben der neonazistischen Freien Nationalisten (FN) Berlin-Mitte* auf. Darin wenden sie sich an den Patriotismus der deutschen Fußballfans und werben für ihre Kameradschaft und ihre Arbeit gegen Kapitalismus und „Volkstod“. In der Lilli-Hennochund der Ella-Kay-Straße werden die Briefkästen und die offiziellen Aushänge der Wohnungsverwaltung (GEWOBAG PB) bestückt. Die Hausmeister entfernen die neonazistischen Schreiben aus den Aushängen und eine Bürgerin informiert zusätzlich die Hausverwaltung. Anlaufstelle: Netzwerkstelle [moskito] 26./27. Juni 2010 In Weißensee, in der Mahlerstraße, verkleben Neonazis Aufkleber mit dem Slogan „Alles für Deutschland – nicht nur während der WM“ an Regenrinnen und Hauswänden. Die Aufkleber zeigen, wie Neonazis versuchen an den – durch die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer aufstrebenden – Patriotismus der Deutschen anzuknüpfen und darüber neue Leute anzuwerben. Des Weiteren werden angebrachte „Antifa“-Schriftzüge, um die Neonazischmierereien vom 06. Mai (siehe Chronik) zu überdecken, durch den Zusatz „Anti“ erweitert. Quelle: [`solid]

29. Juni 2010 An einem Schaukasten vor einer Jugendeinrichtung in der Hauptstraße im Ortsteil Französisch Buchholz wird ein Aufkleber mit der Aufschrift „Alles für Deutschland! … nicht nur zur WM!“ entdeckt. Er bewirbt weiterhin ein Internetportal der rechtsextremen Szene Berlins. Anlaufstelle: KJFE Oktopus 05. Juli 2010 Im Eingangsbereich des Schlossparks Niederschönhausen wurde an einer Trafostation ein Hakenkreuz entdeckt. Quelle: Bezirksamt Pankow 07. Juli 2010 Gegen 23:30 Uhr zieht durch die Gaudystraße in Prenzlauer Berg grölend eine Gruppe von fünf Menschen. Ein dunkelhäutiger Jugendlicher fordert von einem Balkon die Gruppe auf, sich leiser zu verhalten. Die Aufforderung wird mit einem „Sieg Heil“-Ruf beantwortet. Quelle: [`solid] 09./10. Juli 2010 Ca. zehn Mitglieder der Freien Nationalisten (FN) Berlin-Mitte* ziehen in der Nacht vom 09. auf den 10. Juli vom Antonplatz zum Weißen See und verkleben unterwegs mehrere neonazistische Aufkleber. Diese werden direkt von Antifaschist/ innen entfernt. Am Weißen See angekommen, beleidigt die Gruppe einen schwarzen Menschen rassistisch, der flüchtet. Von hier zieht die Gruppe der Neonazis weiter zum Gelände des Kultur- und Bildungszentrum (KuBiz), auf dem sich auch das alternative Jugendzentrum Bunte Kuh befindet. Vor Ort befindet sich bereits die Polizei, die den Neonazis einen Platzverweis erteilt. Weiter stellt die Polizei im Gepäck der Gruppe zahlreiche neonazistische Flyer, zwei Teleskopschlagstöcke, zwei Teppichmesser, zwei Dosen Pfefferspray und eine Farbspraydose sicher. Anlaufstellen: Bunte Kuh, Netzwerkstelle [moskito]; Quellen: NEA; Presse: taz (16.07.2010) 16./ 17. Juli 2010 In der Nacht vom 16. auf den 17. Juli (zwischen 23:00 und 24:00 Uhr) bemerkt ein Besucher eine schwarz gekleidete Gruppe von drei Neonazis, die über das Gelände des Kultur- und Bildungszent-


Pankower Register 2010 29 rums (KuBiz) schleicht und einen Schlagring und Holzlatten mit sich führt. Durch sein energisches Auftreten gelingt es dem Besucher, die Neonazis zu vertreiben. Anlaufstellen: Haus der Jugend - Bunte Kuh, Netzwerkstelle [moskito]; Quelle: NEA 23./24. Juli 2010 Ein Neonazi sprüht im Komponistenviertel rechte Parolen und verklebt NPD-Aufkleber. An der Smetanastraße/Bizetstraße wird der Schriftzug „Sozial nur national“, zwischen der Smetanastraße und der Lindenallee wird an einem Hofeingang der Slogan „Nationaler Widerstand“ entdeckt. In der Herbert-Baum-Straße und der Mahlerstraße werden die Parolen „Nationaler Kampf“ und „NS Jetzt“ gesichtet. Quelle: NEA 19. August 2010 Gegen 12:00 Uhr werden mehrere mit Edding geschriebene neonazistische, rassistische und antisemitische Parolen sowie verfassungsfeindliche Symbole am Springbrunnen vor der Filiale von Kaisers am Antonplatz entdeckt. Dabei handelt es sich konkret um den Text „White Power“* mit einem entsprechenden Faust-Symbol. Und der andere Schriftzug lautet „Ost-Berlin SKINHEADS. Weissensee bleibt Deutsch genau wie Lichtenberg!“. Dabei ist der Punkt des Ausrufezeichens als Hakenkreuz und die „ss“ in Weißensee in Form einer SS-Rune* dargestellt. Zudem ist ein Keltenkreuz* mit dem Spruch „WHITE PRIDE WORLD WIDE“ abgebildet. Des weiteren sind „Jude“ und ein durchgestrichener Davidstern hingeschmiert. DIE LINKE Pankow erstattet Anzeige bei der Polizei. Anlaufstelle: DIE LINKE Pankow; Quelle: Pressemeldung der Polizei (19.08.2010) 20. August 2010 Um die S-Bahnhöfe Prenzlauer Allee und Greifswalder Straße werden Aufkleber mit rechtsextremen Inhalten entdeckt. Sie werden wenig später entfernt, einige wurden durch engagierte Bürger/ innen schon vorher zerkratzt. Quelle: EAG

20. August 2010 Auf Bänken auf dem Antonplatz, in der Nähe der mittlerweile von der Polizei unkenntlich gemachten NS-Parolen vom Vortag, befinden sich einige (schwarz-weiße) Aufkleber. Auf diesen Aufklebern ist der Spruch „Jugend braucht Perspektiven“ mit Verweis auf eine neonazistische Internetseite zu lesen. Weiter klebt dort ein mehrfarbiger Aufkleber mit der Aufschrift „Kamerad Wessel*, wir rächen Dich!“. Anlaufstelle: DIE LINKE Pankow 26. August 2010 Im Ernst-Thälmann-Park am Thälmanndenkmal sowie in der Straßenbahnunterführung am SBahnhof Greifswalder Straße werden neonazistische Schmierereien festgestellt. Unter anderem: „C4 for reds“*, „NS Jetzt“, „Rotfront verrecke“, „Antifa heißt Inzest“ und „Ein Kiez für Nazis“. Quelle: [`solid] 26./27. August 2010 In der Nacht vom 26. auf den 27. August stellt die Polizei an vier verschiedenen Örtlichkeiten aufgesprühte Symbole mit rechtsgerichtetem und nationalsozialistischem Hintergrund an Hauswänden und Rolltoren in Weißensee fest. Auf der Bizetstraße werden großflächig Gebäudewände mit Parolen besprüht. Die zahlreichen Schriftsätze enthalten szenetypische Symbole und „rechte“ Szenecodes. Die Polizei nimmt die drei mutmaßlichen Verursacher der Schmierereien (eine 22-jährige Frau und ihre zwei 37- und 39-jährigen Komplizen) gegen 1:45 Uhr nach kurzer Verfolgung in der Berliner Allee fest. Quellen: Pressemeldung der Polizei (27.08.2010); Presse: JW (30.08.2010), TS (27.08.2010) 27. August 2010 Im Eingangsbereich des Mühlenbergcenters in Prenzlauer Berg werden morgens vom Verantwortlichen des Einkaufscenters antisemitische und nationalsozialistische Schmierereien entdeckt und die Polizei alarmiert. Quellen: Pressemeldung der Polizei (27.08.2010), Presse: JW (30.08.2010)


30 Pankower Register 2010 27. August 2010 Eine Gruppe von zehn Personen bedroht drei Menschen beim Verteilen von Flyern für die „Kein Kiez für Nazis“-​Kundgebung in Weißensee am 28.08.2010 u.a. mit Teleskopschlagstöcken. Quellen: [`solid], ReachOut 28. August 2010 Um 13:30 Uhr veranstaltet eine Gruppe von 10 bis 15 Neonazis aus dem Spektrum der Freien Nationalisten Berlin Mitte* auf der Berliner Allee eine Spontandemonstration. Als sie drei Antifaschist/ innen entdecken, greifen sie diese an. Der Angriff kann durch anwesende Polizist/innen abgewendet werden. Am gleichen Tag finden das Blumenfest und eine antifaschistische Demonstration in Pankow statt. Quellen: [`solid], ReachOut Ende August 2010 Eine Frau hört in ihrem Wohnhaus in Niederschönhausen ein Telefonat des Nachbarn mit, bei dem der Nachbar sie gegenüber dem Gesprächspartners mehrfach als „Judensau“ bezeichnet. Anlaufstelle: Stadtteilzentrum Pankow 02. September 2010 Auf dem St.-Nikolai-Friedhof in der Prenzlauer Allee versammeln sich einige Mitglieder der sogenannten Freien Nationalisten (FN) BerlinMitte*, um dem SA-Führer Horst Wessel* zu gedenken. Nach eigenen Angaben zünden sie eine Kerze an, legen Blumen an das Grab und begehen eine Schweigeminute. Auf ihrer Internetseite huldigen sie Horst Wessel und äußern ihr Unverständnis darüber, dass Horst Wessel in einem normalen Grab auf dem Friedhof liegt und nicht mehr Menschen seiner gedenken. Quelle: EAG, [`solid] 3. September 2010 Am Antonplatz in Weißensee steigt gegen Mitternacht ein Mann aus der Tram. Am Platz stehen verschiedene Jugendgruppen. Aus einer heraus wird er zunächst belustigt gefragt, ob er Mann oder Frau sei. Nachdem er auf die Frage mit „Was bist Du denn?“ antwortet, wird er von einem jungen Mann aus der Gruppe mehrfach aggressiv homophob beleidigt. Ihm wird außerdem Gewalt angedroht. Erst nachdem er außer Sichtweite ist,

stellt der junge Mann seine Beleidigungen ein. Anlaufstelle: Umsonstladen Weißensee 04. September 2010 Vor einem Lokal in der Milastraße wird eine Regenbogenfahne von Unbekannten heruntergerissen. Als ihnen der Wirt des Lokals folgt, beleidigen sie diesen homophob und flüchten. Quelle: Pressemitteilung der Polizei (04.09.2010) 04. September 2010 In einer Kleingartenkolonie in Pankow feiert der „Tanzkreis Spree-Athen e.V.“ sein Sommerfest. Die Veranstaltung wurde durch Mitglieder der NPD vorbereitet. Unter den ca. 40 Gästen der Veranstaltung finden sich dementsprechend NPD-Mitglieder und Neonazis aus anderen völkisch orientieren Strukturen wie beispielsweise der bereits verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ)* und der Gemeinschaft deutscher Frauen (GdF)*. Einige der Teilnehmer/innen drohten anwesenden Journalist/innen Gewalt an. Quellen: Blick nach Rechts (bnr.de), EAG, Antifaschistisches Pressearchiv (Apabiz); Presse: BK (08.09.2010) 07. September 2010 In die Scheibe der Eingangstür des Pankower Rathauses wurde ein großer Davidstern geritzt. Quellen: Bezirksamt Pankow, [`solid] 15. September 2010 Anwohner/innen der Falkenberger Straße richten ein Protestschreiben an den Petitionsausschuss der BVV Pankow. Sie fordern dazu auf, weniger Asylbewerber/innen als geplant in die Häuser der Nachbarschaft einzuquartieren. Ihr Argument ist die Destabilisierung des sozialen Gefüges der Falkenberger Straße. In dem Protestschreiben wird weiterhin eine Unterschriftenliste für ihr Anliegen erwähnt, die in einem Lokal in der Falkenberger Straße ausliegt. Quelle: Bezirksamt Pankow 15. September 2010 Ein junger Mann geht zu einer Wohnungsbesichtigung in der Roelckestraße. Während er auf die Hausverwalterin wartet, wird in einer Wohnung eine Party gefeiert. Der Bewohner der Wohnung spricht ihn auf sein Äußeres an, aus dem er


Pankower Register 2010 31 schließt, der mögliche neue Bewohner wäre homosexuell. Er rät ihm daraufhin, nicht im Haus einzuziehen, da die Nachbarn alle „rechtsradikal“ seien und die Hausgemeinschaft im Sommer gemeinsam grillen würde und rechtsextreme Musik höre. Kurz nachdem er in seine Wohnung geht, kommen weitere Gäste der Party in den Hausflur, die durch ihren Kleidungsstil als rechtsextrem bezeichnet werden können und raten dem Wohnungsinteressenten aufgrund seines Äußeren, nicht einzuziehen. Anlaufstelle: Umsonstladen Weißensee 15. September 2010 Laut eigenen Angaben verteilen Neonazis in Pankower Briefkästen 4000 Flugblätter für ein rechtsextremes Konzert, das am 18. September 2010 in Schöneweide stattfinden soll. Quelle: Bezirksamt Pankow, [`solid] 22. September 2010 Im Bürgerpark an der Heinrich-Mann-Straße in Niederschönhausen werden an das JuliusFucˇ ík* -Mahnmal ein Davidstern und ein Galgen gesprüht. Das Mahnmal wurde zum wiederholten Mal beschmiert. Quelle: Pressemitteilung der Polizei, Bezirksamt Pankow 08. Oktober 2010 In der Schönhauser Allee zwischen den U-Bahnhöfen Eberswalder Straße und Schönhauser Allee läuft ein Mann an einem älteren Herr vorbei, der ihm im Vorbeigehen die Worte „Verpiss Dich Du schwule Judensau“ hinterher ruft. Als der Betroffene den älteren Herrn daraufhin anspricht, wiederholt dieser seine Beleidigung. Anlaufstelle: Umsonstladen Weißensee 09. Oktober 2010 Laut eigenen Angaben hat die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)* in der Hauptstraße in Wilhelmsruh einen Infotisch durchgeführt und Materialien der Partei verteilt. Quelle: Eigenmeldung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) 12. Oktober 2010 Unbekannte beschmieren am frühen Morgen Stromverteilerkästen und Kleidercontainer in

Niederschönhausen mit rechtsextremen Parolen. Quelle: EAG 12. Oktober 2010 An einem Parkscheinautomat in der Lychener Straße wird ein Hakenkreuz festgestellt. Das Hakenkreuz wurde durch Polizeibeamte entfernt. Quelle: Bezirksamt Pankow 12. Oktober 2010 Auf der Internetseite des Pankower Kreisverbands der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD)* wird die Verlegung von mehreren Stolpersteinen in Pankow beklagt. Neben der Netzwerkstelle [moskito] wird auch ein Mann mit vollem Namen genannt, der die Verlegung von vier Stolpersteinen in der Florastraße veranlasst haben soll. Quelle: Eigenmeldung der Nationaldemokratischen Partei Deutschland (NPD) 14. Oktober 2010 Auf dem Gehweg am Schlosspark, im Nahbereich der Brücke am Schlosspark und an einem Stromverteilerhäuschen in der Kleingartenkolonie in der Schlossstraße werden rechtsextreme Farbschmierereien durch die Polizei und Passant/innen festgestellt. Quelle: Pressemitteilung der Polizei (14.10.2010) 22. Oktober 2010 Anlässlich des zweijährigen Bestehens der Moschee in Heinersdorf veranstaltet die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) einen Infotisch an der Autobahnauffahrt Prenzlauer Promenade/Ecke Tiniusstraße. Dabei wird auch ein Banner hochgehalten wird. Die Aktion sollte sich gegen die Moschee richten. Quelle: Ahmadiyya-Gemeinde 22. Oktober 2010 In der Bizetstraße und in der Liebermannstraße in Weißensee werden ca. 20 Aufkleber der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) geklebt, auf denen „sozial geht nur national“ und „Moschee zurückbauen“ steht. Anlaufstelle: Umsonstladen Weißensee


32 Pankower Register 2010 23. Oktober 2010 Auf einem Spielplatz in der Parkstraße wird an einem Spielgerät ein eingeritztes Hakenkreuz entdeckt. Nachdem der Vorfall von der Polizei aufgenommen war, wurde das Hakenkreuz entfernt. Quelle: Ordnungsamt Pankow 25. Oktober 2010 An einem Briefkasten in der Gartenstraße wird ein Aufkleber entdeckt, der die Aufschrift „Israel tötet – und die Welt schaut zu“ trägt. Verfasser sind die sogenannten Freien Nationalisten Dresden. In der Umgebung werden noch zwei weitere Aufkleber der JN* gefunden, die sich gegen „Kinderschänder“ richten. Anlaufstelle: Umsonstladen Weißensee 03. November 2010 An die Wand des Freibades in der Straße Am Schlosspark werden ein Hakenkreuz und volksverhetzende Äußerungen wie „Juden raus“ geschmiert. Die Polizei veranlasst die Entfernung und nimmt die Ermittlungen auf. Quellen: Pressemeldung der Polizei (04.11.2010), Bezirksamt Pankow 13. November 2010 In einer Schulturnhalle in der Meyerbeerstraße in Weißensee treffen sich Mitglieder der rechtsextremen Gemeinschaft deutscher Frauen (GdF)* mit ihren Kindern zum Turnen. Die Halle wurde durch die Organisation wiederholt genutzt. Die Schule distanziert sich ausdrücklich davon, an der Vermietung der Turnhalle beteiligt zu sein. Die Halle war durch einen eingetragenen Verein bei der Bezirksverwaltung angemietet worden. Quelle:www.blog.schattenbericht.de 10. Dezember 2010 Mitglieder der Nationalistischen Befreiungsfront* (ehemals Freie Nationalisten (FN) BerlinMitte*) geben auf ihrer Website an, in Weißensee sowie in Prenzlauer Berg rund um den S-Bahnhof Greifswalder Straße mindestens 1500 Flugblätter verteilt zu haben. Die Flugblätter wenden sich gegen die Partei Bündnis 90/Die Grünen, die in dem Schreiben als „volksfeindliche Partei“ bezeichnet wird. Anlass waren hohe Umfragewerte der Grünen, die „auch auf die Medienpropaganda zurückzuführen“ seien. Quelle: [`solid]

21. Dezember 2010 Die NPD verteilt Postwurfsendungen in der Ostseestraße in Pankow. In diesen wird erst gegen den FDP-Chef Guido Westerwelle und seine Hartz-IV-Politik Stellung bezogen. Und abschließend mit Worten wie „orientalische Sozialschnorrer“ rassistisch gegen „Masseneinwanderungen“ gehetzt. Anlaufstelle: Netzwerkstelle [moskito] 25. Dezember 2010 Es werden rund um den Weißen See an Laternenpfählen Aufkleber von den Freien Nationalisten aus Eberswalde entdeckt. Anlaufstelle: Umsonstladen Weißensee

Abkürzungsverzeichnis zu den Quellen Presse: Berliner = Berliner Zeitung BK = Berliner Kurier BZ = B.Z. DW = Die Welt JW = Junge Welt Mut = Mut gegen rechte Gewalt (Internetportal) MoPo = Berliner Morgenpost ND = Neues Deutschland Sp.onl. = Spiegelonline SZ = Süddeutsche Zeitung taz = die tageszeitung TS = Tagesspiegel Zivilgesellschaftliche und antifaschistische Gruppen: AKP = A ntifa Klein Pankow ASV = Antifaschistische Schüler_innen Vernetzung, Jugendantifa Pankow EAG = Emanzipative Antifa Gruppe [`solid] = Linksjugend [`solid] Pankow NEA = North East Antifascists VVN-BdA = Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten


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GLOSSAR UND BEGRIFFSKLÄRUNG Allgemeines Glossar Julius Fucˇ ík Julius Fucˇ ík (*23.Februar 1903 in Prag) war ein tschechischer Schriftsteller, Journalist und kommunistischer Kulturpolitiker. Seit dem Einmarsch der NS-Truppen in die Tschechoslowakei im März 1939 engagierte Fucˇík sich im Widerstand. Im April 1942 wurde er verhaftet, inhaftiert und gefoltert. 1943 wurde er in Plötzensee wegen Hochverrats von den Nazis ermordet. People of color People of color (singular: Person of color) ist eine selbstgewählte Bezeichnung von Menschen, die in einer Mehrheitsgesellschaft als nicht-weiß gelten und sich wegen ethnischer Zuschreibungen („Sichtbarkeit“) alltäglichen, institutionellen und anderen Formen des Rassismus ausgesetzt

fühlen. In dem Begriff spiegelt sich die gemeinsame Erfahrung von Menschen wider, die als Minderheit diskriminiert werden. Entstanden ist die Bezeichnung vor allem im anglo-amerikanischen Raum und wird von vielen Personen seit den 1990er-Jahren gegenüber Begriffen bevorzugt, die durch ihre koloniale Geschichte geprägt ­w urden. Wasserturm Prenzlauer Berg Die SA nutzte im Frühjahr 1933 das zum Wasserturm gehörende Maschinenhaus als wildes Konzentrationslager. Hier wurden Kommunisten, Sozialisten, Juden und andere Personen ohne Gerichtsurteil interniert und ermordet. An diese Verbrechen erinnert seit 1981 eine Gedenkwand auf dem Gelände des Wasserturms.

Glossar zu rechten Gruppen, Personen, Codes und Symbolen 88 = HH Zahlencodes und Abkürzungen sind eine bei Rechtsextremen beliebte Verschlüsselungsmethode menschenverachtender und strafrechtlich relevanter Begriffe und Inhalte. Zumeist (aber nicht ausschließlich) stehen dabei die Zahlen für die entsprechenden Buchstaben im Alphabet. Der achte Buchstabe ist das H, 88 bedeutet folglich HH und steht für „Heil Hitler“. Diese Grußformel ist in der rechtsextremen Szene weit verbreitet und wurde bereits in den Nachkriegsjahren von Nationalsozialist/innen verwendet. Sie findet in Band- und Organisationsnamen, als Schmierereien, Wunsch-Autokennzeichen oder auch als Grußformel in Briefen und Internetforen Verwendung.

Anti-Antifa Die Bemühungen rechtsextremer Gruppen, ein Bedrohungspotenzial aufzubauen, indem politische Gegner/innen wie Antifaschist/innen, zivilgesellschaftliche Akteure, Angehörige demokratischer Parteien, Gewerkschafter/innen, aber auch Journalist/innen ausgespäht, deren persönliche Daten veröffentlicht und diese zum Teil auch tätlich angegriffen werden. Autonome Nationalisten (AN) Ist die Eigenbezeichnung einer Strömung innerhalb der rechtsextremen Szene von aktionistischen, gewaltbereiten jungen Frauen und Männern. Kennzeichnend ist, dass sie sich in Kleidung und Auftreten an der linksautonomen Szene ori-


34 Pankower Register 2010 entieren. Es dominieren schwarze Sachen, Kapuzenpullover und Basecaps. Auch englische Slogans und Hardcore-Musik sind Stilmittel, derer sich ANs bedienen. Autonome Nationalisten Berlin (ANB) Autonome Nationalisten Pankow (ANP) Hierbei handelt es sich um zwei Labels, die von unterschiedlichen rechtsextremen Zusammenhängen und von Einzelpersonen für ihre Aktionen, häufig im Bereich der „Anti-Antifa-Arbeit“, oder auch als Schmierereien auf Hauswänden u.ä, genutzt werden. Das Label „ANB“ wird dabei Berlinweit verwendet. Siehe auch: p Autonome Nationalisten (AN) Blood & Honor (B&H) Blood & Honor (dt. Blut und Ehre) ist ein internationales Neonazi-Skinhead-Netzwerk, das in den 80er-Jahren in Großbritannien gegründet wurde. Der Schwerpunkt von B&H ist die Durchführung von Konzerten sowie die illegale Produktion und der Vertrieb neonazistischer Musik. An das B&HNetzwerk sind zahlreiche Bands, Labels, Versände und Ladengeschäfte angebunden. Der deutsche Ableger von B&H wurde im September 2000 vom Bundesinnenminister verboten. Seitdem hat es nach Angaben des Verfassungsschutzes nur noch sieben Konzerte in Deutschland gegeben. B&H vertritt die Ideologie von der globalen Dominanz der weißen Rasse und den Kampf für deren Erhaltung. Der Name Blood & Honor knüpft bewusst an die Parole „Blut und Ehre“ der HitlerJugend an, die sich auch in der Begründung der Nürnberger Rassegesetze findet. Bürgerbewegung Pro Deutschland / Pro Berlin 2005 wurde die rechtspopulistische Partei Pro Deutschland gegründet. In ihrer Propaganda setzt sie insbesondere auf antimuslimischen Rassismus. Die Partei schürt gezielt Ängste, indem sie vor einer „Islamisierung der deutschen Gesellschaft“ warnt. Dieser Logik folgend fordern sie die Abschiebung von „kriminellen Ausländern“ und sprechen sich gegen den Bau von Moscheen aus. In Pankow trat die Partei 2006 mit ihrem regionalen Ableger Pro Berlin erstmals öffentlich in Erscheinung. Damals unterstützte der Ableger die Bürgerinitiative gegen den Moscheebau der Ahmadiyya-Gemeinde. Seit 2008 trat Pro

Berlin in Pankow kaum noch in Erscheinung. Dies änderte sich Ende 2010; seitdem versucht der Pankower Ableger wieder verstärkt durch Propagandaaktivitäten für sich zu werben. Dabei hat er die Wahlen 2011 klar im Fokus, in allen neun Pankower Wahlkreisen will Pro Berlin antreten. C4 for Reds C4 ist eine Parole, bei der „C4“ für einen vom Militär verwendeten Plastiksprengstoff steht. „Reds“ bezeichnet politische Gegner, die den Linken im Allgemeinen zugerechnet werden – Lokalpolitiker/innen, demokratisch Engagierte oder Menschen, die sich in antifaschistischen oder antirassistischen Gruppen organisieren. „C4 for Reds“ ist eine Morddrohung gegen alles Linke. Combat 18 Combat 18 (C18) gilt als „bewaffneter Arm“ von Blood & Honour. C18 ist ein internationales Neonazi-Netzwerk mit Schwerpunkten in England und Skandinavien, besitzt aber auch Anhänger in Deutschland. Als Symbol wird der SS-Totenkopf verwendet. Deutsch, Stolz, Treue Die 1994 in Berlin gegründete neonazistische Band „Deutsch, Stolz, Treue“ (auch: D.S.T.) hat sich inzwischen in X.x.X. umbenannt. In ihren Texten verherrlicht sie den Nationalsozialismus und leugnet die Shoa. Darüber hinaus befürwortet sie den Mord an Jüdinnen und Juden, Migrant/innen und Politiker/innen. Alle Veröffentlichungen der Band sind auf dem Index und strafrechtlich relevant. Die Freiheit Die rechtspopulistische Partei „Die Freiheit – Partei für mehr Freiheit und Demokratie“ wurde im September 2010 gegründet. Ihr Initiator, Motor und Vorsitzender ist das ehemalige CDU-Mitglied René Stadtkewitz. Die Partei verfügt über ein umfangreiches Grundsatzprogramm, ihre zentralen Themen sind jedoch der Islam und Integration. Es wird von einer Bedrohung durch eine wachsende „Parallelgesellschaft“ gewarnt und sich dafür ausgesprochen, „kriminelle Ausländer“ abzuschieben. Die in Berlin verortete Partei versucht sich nach außen von Rechtsextremen zu distanzieren. Ist jedoch auf internationaler Ebene


Pankower Register 2010 35 mit rassistischen und rechtsextremen Parteien aus Schweden, Österreich und Belgien vernetzt, u.a. bestehen enge Kontakte zu dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders*. Freie Nationalisten Berlin Mitte (FN Berlin Mitte) Die zum Spektrum der Freien Kameradschaften* zählende Gruppe gehörte in den Jahren 2009 und 2010 zu den aktivsten der Berliner Neonaziszene. Nach einer Hausdurchsuchung wegen einer Sachbeschädigung im September löste sich die Gruppe offiziell auf. Seit November 2010 ist sie wieder im Internet präsent und veröffentlicht täglich Beiträge. Freie Kameradschaft Freie Kameradschaft ist die Selbstbezeichnung für kleine aktive neonazistische Basisgruppen. Diese stellen einen sehr dynamischen und aktionsorientierten Zusammenhang dar. Die Gruppen agieren eigenständig und sind parteienabhängig, wenngleich viele Gruppen mit der NPD eng verbunden sind. Sie sammeln sich auch unter den Eigenbezeichnungen „Freie Kräfte“ und „Nationaler Widerstand“. Freie Kräfte Teltow-Fläming (FKTF) Die Freien Kräfte Teltow-Fläming (FKTF) sind ein Zusammenschluss jugendlicher Neonazis aus Teltow-Fläming. Seit Anfang 2005 agieren sie unter diesem Namen. Die Gruppe zählt zu den aktivsten, auch gewalttätig agierenden rechtsextremen Netzwerken in Brandenburg. Geert Wilders Geert Wilders ist Vorsitzender der niederländischen Partij voor de Vrijheid (Partei für die Freiheit). Er gilt als Rechtspopulist und IslamGegner. Seine Partei wurde 2010 drittstärkste politische Kraft in den Niederlanden. Im Oktober 2010 stimmten die niederländischen Christdemokraten auf einem Sonderparteitag der Zusammenarbeit mit Wilders Partei zu. Dadurch hat diese erheblichen Einfluss auf die Politik der Regierung gewonnen. Gemeinschaft deutscher Frauen (GdF) Die GdF ist die älteste Frauenorganisation der extremen Rechten. Hervorgegangen ist sie aus dem Skingirl Freundeskreis Deutschland, der

dem rechtsextremen Musiknetzwerk Blood & Honour nahe stand. Aus Angst vor einem Verbot, löste sich der Skingirl Freundeskreis auf. Ehemalige Mitglieder gründeten 2001 die Gemeinschaft Deutscher Frauen, die organisatorisch eng mit der verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend verbunden waren. HH Siehe den Eintrag zu p „88“ Heimattreue Bewegung Die Aufkleber mit dem Slogan „Heimattreue Bewegung“ stammen vom Aktionsbüro Rhein-Neckar. Beim Aktionsbüro Rhein-Neckar handelt es sich um einen lokalen Vernetzungsansatz rechtsextremer Freier Kameradschaften aus der RheinNeckar Region. Die von diesem herausgegebene Propagandaaufkleberreihe wendet sich gegen Migrant/innen, Kapitalismus und Demokratie; weiter werden hier ein völkischer Nationalismus und Rassismus vertreten. Darüber hinaus wird positiv auf den Nationalsozialismus Bezug genommen. Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) Laut Antifaschistischem Pressearchiv war die Heimattreue Deutsche Jugend e.V. eine extrem rechte Organisation, die sich der Arbeit mit Jugendlichen und Kindern widmete. Die HDJ führte im wesentlichen Zeltlager, Fahrten, ›Heimabende‹ und andere Gemeinschaftsveranstaltungen durch. Die Gruppen fielen durch einheitliche Kleidung auf. Die HDJ war im gesamten Bundesgebiet aktiv. Ihre Bundesgeschäftsführung war in Berlin ansässig. Häufig bestanden Doppelmitgliedschaften bei den Jungen Nationaldemokraten, der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen (JLO) e.V. oder den Kameradschaften. Im März 2009 wurde die HDJ verboten. Horst Wessel SA-Führer in den frühen 1930er Jahren in Berlin. Nach seiner Ermordung durch einen KPDAktivisten wurde er von der NSDAP zum Märtyrer stilisiert. Noch heute sehen rechtsextreme Aktivist/innen in ihm ein Vorbild. Sein Grab in der Prenzlauer Allee ist Anlaufpunkt für so genannte „Heldengedenken“.


36 Pankower Register 2010 Institut für Staatspolitik (IfS) Eine der „Neuen Rechten“ zuzuordnende Organisation. Das seit 2000 existierende Institut hat Überschneidungen mit der Zeitung „Junge Freiheit“ und versucht, Rechtsextremismus mit Ideologie zu untermauern. Seit 2003 veröffentlicht das IfS zweimonatlich die Zeitschrift „Sezession“. Junge Nationaldemokraten (JN) Die Jungen Nationaldemokraten (JN) sind die offizielle Jugendorganisation der Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)*. Die JN bekennt sich zum Parteiprogramm der NPD und vertritt ebenso eine rechtsextreme Ideologie. Allerdings treten sie inhaltlich wie auch praktisch wesentlich aggressiver auf. Die Verbindungen zur gewalttätigen Neonaziszene sind bei der JN noch offensichtlicher als bei der NPD. Gegründet wurde die JN 1969 und ist laut NPD-Satzung „inte­ graler Bestandteil“ der Partei. Die NPD verfügt als einzige rechtsextreme Partei über eine relevante Jugendorganisation. Keltenkreuz In der rechtsextremen Szene ist das gleichschenklige Keltenkreuz weit verbreitet. Es steht als Symbol für die „Vormachtstellung der weißen Rasse“ und wird meist mit der White-Power-Bewegung der USA (s.a. White Power) in Verbindung gebracht. In Deutschland ist die Verwendung des gleichschenkligen Keltenkreuzes seit Oktober 2008 verboten. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Die Nationaldemokratische Partei Deutschland (NPD) ist die älteste rechtsextreme Partei Deutschlands, sie wurde im November 1964 gegründet. Gegenwärtig ist sie zugleich die modernste und erfolgreichste rechte Partei in Deutschland. Sie vertritt einen völkischen Nationalismus sowie geschichtsrevisionistische, antisemitische, rassistische und homophobe Vorstellungen. Ihr Parteivorsitzender ist Holger Apfel. Insgesamt verfügt die NPD über 9.000 Mitglieder (Stand Januar 2011). Zum 1. Januar 2011 ging die ebenfalls rechtsextreme Deutsche Volksunion (DVU) in der NPD auf. Seitdem trägt die Partei den Namenszusatz „Die Volksunion“.

Nationalistische Befreiungsfront Berlin (NBfB) Die „Nationalistische Befreiungsfront Berlin“ (NBfB) ist aus den vermeintlich aufgelösten Freien Nationalisten Berlin-Mitte (FN-Mitte) hervorgegangen. Die Freie Kameradschaft* plant und führt gewalttätige Aktionen durch. Es häufen sich Anzeichen einer Annäherung an die Strukturen des „Nationalen Widerstand Berlin“ (NW-Berlin). Mehrere Berichte auf den jeweiligen Internetseiten legen dies nahe. Nationaler Widerstand Berlin (NW Berlin) Sammelbegriff für einen Großteil der jugendlichen parteiunabhängigen Rechtsextremist/innen in Berlin. Geht auf eine Internetseite zurück, die nach dem Verbot der Lichtenberger Kameradschaft „Tor“ ins Leben gerufen wurde, und die als Portal für Beiträge aus verschiedenen Bezirken dient. NW Berlin initiiert unregelmäßig Kampagnen und produziert dafür eigenständig Propaganda. Nationales Jugendzentrum Von Januar bis Juni 2010 gab es nach Aussagen des Verfassungsschutzes einen Neonazi-Treffpunkt in Pankow. Dieser Treffpunkt wurde von den rechtsextremen Gruppen als „Nationales Jugendzentrum“ bezeichnet und heimlich in einem Ladenlokal betrieben. Die Adresse wurde vom Verfassungsschutz aus Datenschutzgründen nicht veröffentlicht. Auf neonazistischen Internetseiten wurde von Schulungen, Vorträgen und Feiern in einem nationalen Jugendzentrum in Pankow berichtet. Warum das Objekt im Juni 2010 aufgegeben wurde, ist nicht bekannt. Der Verfassungsschutz beobachtet seit Juni die konkreten Bemühungen der Autonomen Nationalisten (AN)* in verschiedenen Bezirken Berlins, darunter auch Pankow, vornehmlich kleinere bis mittlere Immobilien anzumieten, zu pachten oder sogar zu kaufen, um dort dezentrale „Nationale Jugendzentren“ (wieder-)einzurichten. Rudolf Heß Rudolf Heß (26. April 1894 - 17. August 1987) war der Stellvertreter und ein enger Vertrauter von Adolf Hitler. Er flog 1941 nach England und wurde dort festgesetzt. Nach 1945 wurde er in den Nürnberger Prozessen zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach seinem Selbstmord in Haft wurde


Pankower Register 2010 37 er zum Märtyrer der rechtsextremen Szene. Zu seinem Todestag versuchen Rechtsextreme jährlich, bundesweit Demonstrationen und Aktionen durchzuführen. Runen Runen sind altnordische/germanische Zeichen, die teils Laut-, teils Symbolcharakter hatten. Im Nationalsozialismus diente die Verwendung von Runen der Konstruktion einer germanisch„arischen“ Traditionslinie. Dementsprechend sind Runen heutzutage in der rechtsextremen Szene weit verbreitet, zumeist ohne historischen Bezug und mit völkischer Interpretation. Sie finden in rechtsextremen Band- und Organisationslogos, als Tattoos und im Rahmen von Bedrohungen Anwendung. Z.T. sind Runen aufgrund ihrer Verwendung in der NS-Zeit heute als verfassungsfeindliche Kennzeichen eingestuft und nach § 86a StGB strafbar. Sig-Rune, doppelte Sig-Rune Die Sig-Rune gilt als Symbol des Sieges und der militärischen Macht. Die Sig-Rune wurde in der völkischen Jugendbewegung und in den Freikorps nach dem Ersten Weltkrieg genutzt. Im NS diente die einzelne Sig-Rune als Symbol des sogenannten „Deutschen Jungvolkes“, das die Betreuung zehn- bis sechzehn-Jähriger organisierte. Über das Verbot dieses Organisationsabzeichens hinaus erfüllt die einzelne Sig-Rune dann den Straftatbestand nach § 86 a StGB, wenn sie in einem Kontext steht, der nicht in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu Organisationen des NS und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt. Die doppelte Sig-Rune war das Abzeichen der nationalsozialistischen Schutzstaffel (SS). Die SS war für die Konzentrations- und Vernichtungslager zuständig und ihre „Eliteeinheit“, die WaffenSS, verübte zahlreiche Kriegsverbrechen an der Front und in den besetzten Gebieten. Ihre Verwendung ist strafbar. Die (doppelte) Sig-Rune ist in der rechtsextremen Szene beliebt, wird aber mitunter aufgrund ihrer Strafbarkeit in abgewandelter Form verwendet, z.B. durch die Darstellung in Form eines Blitzes, mit einem Pfeil nach unten. Häufig wird das „S“ rechtsextremer Bands oder Organisationen in Form einer Sig-Rune dargestellt.

Vereinte Nationalisten Nord Ost (VVNO) Kameradschaftsähnlicher Zusammenhang aus Pankow. Es bestehen große personelle Überschneidungen mit dem Pankower Kreisverband 8 der NPD. Verantwortlich für Aufkleberkampagnen gegen interkulturelle Begegnungsstätten und alternative Jugendklubs im Bezirk. White Power White Power (dt. Weiße Macht bzw. Weiße Vorherrschaft) ist ein oft verwendeter Schlüsselbegriff in der rechtsextremen Szene. Damit gemeint ist der Wunsch nach der Übermacht der weißen Menschen gegenüber allen Nicht-Weißen. Seinen Ursprung hat der Ausspruch White Power und das dazugehörige Symbol der White-PowerFaust als Provokation des Knights of the Ku Klux Klans (KKKK) gegenüber der Black Power Bewegung. Der KKKK ist ein rassistischer Geheimbund aus den Südstaaten der USA und kämpft bis heute auch mit Gewalt gegen Afroamerikaner. In Europa wurde der rassistische Slogan Anfang der neunziger Jahre von dem britischen Neonazi Ian Stuart aufgegriffen und verbreitet. Der Sänger der Band „Skrewdriver“ und Gründer des neonazistischen Bandnetzwerk „Blood & Honour“ hatte bis zu seinem Tod 1993 großen Einfluss auf die neonazistische europäische Musikszene. White Pride World Wide Auch der Ausspruch White Pride World Wide (dt. weltweiter weißer Stolz) kurz WPWW hat seinen Ursprung beim KKKK. Häufig wird der Schriftzug „White Pride Worldwide“ mit einem stilisierten Keltenkreuz abgebildet.

Mehr Informationen zu rechten Codes und Symbolen finden Sie unter: www.dasversteckspiel.de


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Zentrale Begrifflichkeiten im Kontext der Arbeit Antimuslimischer Rassismus/Islamfeindlichkeit Ähnlich wie beim Antisemitismus handelt es sich auch beim antimuslimischen Rassismus nicht um ein Phänomen der Moderne, sondern seine Wurzeln sind in Europa bis zur Entstehung des Christentums zurückzuverfolgen. Folglich waren und sind Menschen islamischen Glaubens immer wieder Opfer von Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA erfuhr der antimuslimische Rassismus erneut eine breite Akzeptanz. Dabei wird auf alte Feindbilder zurückgegriffen, die bereits im Mittelalter entstanden sind. Diese stereotype Wahrnehmung verknüpft Islam mit Müßiggang, zügelloser Leidenschaft, Machtgier, Besitzhunger und Gewalt. Und stand/steht damit im Gegensatz zu dem Selbstbild der christlichen Kultur. So galt/gilt die islamische Kultur als eine einheitliche und feststehende Kultur »der Anderen«. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts sind fünf stereotype Darstellungen kennzeichnend: die des reichen Ölscheichs – von dem man abhängig ist; die des Terroristen – der gewaltbereit ist; die des Fundamentalisten – der fanatisch ist; die des Migranten – der ungebildet ist und zuletzt die der muslimischen Frau – die unterdrückt und ungebildet ist. Nach den Anschlägen vom 11. September wurde ein neues Bedrohungsszenario geschaffen, wonach die »zivilisierte westliche Welt« durch »Schurkenstaaten« bzw. die »Achse des Bösen« ernsthaft in Gefahr sei. Dies gipfelte in der Rede von dem »Kampf der Kulturen«. Antisemitismus Unter Antisemitismus ist die pauschale Ablehnung der Juden und des Judentums zu verstehen. Seinen Ausdruck fand und findet Antisemitismus in der Verleumdung, Ausgrenzung, Diskriminierung, Verfolgung und Vertreibung bis hin zu Versuchen der Vernichtung von jüdischen Menschen. Und gipfelte im Nationalsozialismus in der Shoa*, dem systematischen Ermorden von 6 Millionen Jüdinnen und Juden. Dabei ist Antisemitismus kein Phänomen der Moderne, sondern lässt sich

etwa 2500 Jahre zurückverfolgen. Antisemitismus ist ein Oberbegriff für unterschiedliche Erscheinungsformen von Feindschaft gegenüber Jüdinnen und Juden: Die christliche Judenfeindschaft (1. Jhd.) entstand mit der Herausbildung des Christentums. Die Judenfeindschaft aus ökonomischen Motiven (14. Jhd.) erhält ihre Bedeutung im Frühkapitalismus und der Bedeutungszunahme von Geldhandel. Der Moderne Antisemitismus (19 Jhd.) entwickelt sich im Zusammenhang mit grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen. Moderner Antisemitismus ist ein Oberbegriff, der sich aus verschiedenen Formen des Antisemitismus zusammensetzt. Diese Formen sind der rassistische und völkischnationalistische Antisemitismus, der kapitalis­ tische und antikapitalistische Antisemitismus und der verschwörungstheoretische Antisemitismus. Nach der Befreiung vom Nationalsozial­ ismus (1945) entstand der bis heute wirkende Sekundäre Antisemitismus. Mit der Ausrufung des Staates Israel kommt der israelfeindliche Antisemitismus auf. * Shoa (wörtlich: »Zerstörung«, »große Katastrophe«) ist die hebräische Bezeichnung für den systematischen Massenmord an etwa sechs Millionen Jüdinnen und Juden und der jüdischstämmigen Bevölkerung Europas im Nationalsozialismus. Shoah wird synonym zu dem Begriff Holocaust verwendet, der aus dem griechischen kommt und „vollständig Verbranntes“, „Brandopfer“ bedeutet. Diskriminierung (Soziale) Diskriminierung bedeutet eine gruppenspezifische Benachteiligung oder Herabwürdigung von Gruppen oder Individuen. Diese erfolgt anhand gruppenspezifischer Merkmale wie Herkunft, Hautfarbe, Sprache, politischer oder religiöser Überzeugungen, sexueller Orientierung, Geschlecht oder Behinderung. Grundlage von Diskriminierung ist die Unterscheidung und Bewertung einer Gruppe durch wichtige gesellschaftliche Kräfte. Von Diskriminierung betroffen sind damit Gruppen, die den bestimmenden gesellschaftlichen Vorstellungen nicht entspre-


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chen. In der deutschen Gesellschaft sind bis heute Merkmale wie weiß, männlich, heterosexuell, gesund, leistungsfähig, christlich etc. bedeutungsvoll. Menschen, die von diesen Merkmalen abweichen, sind oft von Diskriminierung betroffen. Um strukturelle Diskriminierung von gesellschaftlichen Gruppen handelt es sich dann, wenn diese in der Struktur der Gesellschaft enthalten ist. Dies ist beispielsweise in einer patriarchalen Gesellschaft (männliche Herrschaftsform) der Fall, die Frauen systematisch und strukturell aus vielen Bereichen der Gesellschaft ausschließt. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit dient als ein Oberbegriff der feindselige Einstellungen gegenüber Menschen unterschiedlicher Herkunft sowie mit verschiedenen Lebensstilen zusammenfasst. Der Begriff umfasst somit folgende Elemente: Rassismus, Antisemitismus, Hetero­ sexismus, Islamfeindlichkeit, Abwertung von Obdachlosen, Abwertung von Behinderten, Sex­ ismus, Etabliertenvorrechte und Abwertung von Langzeitarbeitslosen. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit beschreibt somit die Ideologie der Ungleichwertigkeit. Die Gleichwertigkeit und Unversehrtheit von spezifischen Gruppen der Gesellschaft wird in Frage gestellt. Es handelt sich hierbei um einen Diskriminierungskomplex, der darauf verweist, dass verschiedene Einstellungen oft gleichzeitig oder in Wechselwirkung auftreten. Besonders ausgeprägt ist die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bei Neonazis. Diese sehen sich selbst als »Herrenmenschen« an, sprich: Menschen mit der höchsten Wertigkeit. Aus dieser Ideologie rechtfertigen sie im Extremfall auch die Ermordung von angeblich »minderwertigen« Menschen. Homophobie / Heterosexismus / Transphobie Homophobie bzw. Heterosexismus umfasst verschiedene Formen von sozialer Ausgrenzung und Abwertung, verbale und körperliche Gewalt, wirtschaftliche, rechtliche und soziale Diskriminierung sowie Ignoranz schwul-lesbischer­ L(i)eb­ens­weisen. Unter Transphobie wird die Dis-

kriminierung von Menschen verstanden, die ihr Geschlecht geändert haben oder nicht eindeutig in die Geschlechterzweiteilung Mann - Frau einzuordnen sind. Insbesondere im Nationalsozialismus wurden Schwule, Lesben und Trans* verfolgt und ca. 7500 Homosexuelle ermordet. Auch heute noch kommt es zu Anfeindungen und Übergriffen gegen Menschen aufgrund ihrer Homosexualität. Noch bis ins Jahr 1992 führte die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität als Krankheit. *Trans (Transgender ist ein Oberbegriff für Menschen, die sichtbar aus den klassischen sozialen Geschlechtsrollen ausbrechen. Um Transsexualität handelt es sich, wenn ein Mensch körperlich eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugehört, sich jedoch selber als Angehörige/r des anderen Geschlechts sieht und versucht, sich auch körperlich dem gewünschten Geschlecht anzugleichen.) Rassismus Rassismus beschreibt ein gesellschaftlich tief verankertes System, das auf verschiedenen, klar voneinander abgegrenzten Menschengruppen beruht. Dafür werden willkürlich sichtbare und unsichtbare, behauptete oder wirkliche biologische Merkmale herangezogen, z.B. Hautfarbe, Kopfform, Blut etc. Den so voneinander abgegrenzten Menschengruppen (»Rassen«, Kulturen, Völker oder Ethnien) werden dann meistens noch negative, biologische und/oder kulturelle Eigenschaften zugeschrieben. Beispielsweise wurden Afrikaner/innen im Kolonialismus und werden zum Teil bis heute als wild, brutal, dumm und emotional-kindisch beschrieben. Solche geschaffenen Bilder werden dann als Rechtfertigung für einen unterschiedlichen Zugang zu Ressourcen, Rechten und symbolisch-kultureller Zugehörigkeit/ Teilhabe genutzt. Rassismus produziert Strukturen der Ungleichheit, verschleiert sie als »natürlich« und stellt sie so als »gerecht« dar. Ein Beispiel hierfür ist die überdurchschnittlich hohe Sonderschulquote der Kinder von Migrant/innen, die auf strukturell diskriminierende Auslesemechanismen zurückzuführen ist.


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Rechtsextremismus / Neofaschismus Der Begriff Rechtsextremismus bezeichnet zum einen ein politisch-organisatorisches Spektrum von Parteien und Gruppierungen, zum anderen steht er für eine politische Einstellung bzw. Orientierung. Rechtsextremismus ist ein Sammelbegriff, welcher verschiedene Ideologien umfasst, die als rechtsgerichtet, undemokratisch und inhuman gelten. Der Kern eines rechts­extremen Weltbildes umfasst u.a. die Vorstellungen von einer natürlichen Ungleichheit der Menschen, eines ethnisch homogenen Volkes, die Befürwortung von hierarchischen und diktatorischen Verhältnissen und damit einhergehend die Ausgrenzung und Verfolgung von Menschen, die nicht in dieses Weltbild passen (z.B. Migrant/innen, Homosexuelle, Juden und Jüdinnen, Behinderte, Obdachlose) . Rechtsextremismus geht häufig mit der Verharmlosung oder Rechtfertigung des Nationalsozialismus einher.

Rechtspopulismus Rechtspopulist/innen vertreten autoritäre Politikkonzepte. Allerdings handelt es sich beim Rechtspopulismus eher um eine politische Strategie, als um eine geschlossene Ideologie. Ziel dieser Strategie ist es, autoritäre und rechte Vorstellungen zu verbreiten. Kennzeichnend dafür sind inszenierte Tabubrüche, das Einfordern radikaler Lösungen und der Hang zu Verschwörungstheorien. Zentral für Rechtspopulismus ist, dass für Probleme des »einfachen Volkes« eine »korrupte Elite« verantwortlich gemacht wird. Als Feind können Regierungsapparate, Konzerne, Parteien oder Lobbyverbände dienen. Mit »Volk« ist dabei implizit oder explizit eine ethnisch reine Gemeinschaft gemeint. Entsprechend wird sich auch strikt gegen andere ethnische oder religiöse Gruppen abgegrenzt. Charakteristisch für den Rechtspopulismus der letzten Jahre ist das ­offene Propagieren eines antimuslimischen Rassismus, der sich z.B. in Protesten gegen Moscheebauten zeigt. Bei Themen wie Abtreibung, Förderung von Ehe und Familie oder auch der Bildungspolitik ähneln ihre Positionen oft denen von Konservativen.


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Die Anlaufstellen in Pankow Bei den Meldestellen des Pankower Registers können Sie von Ihren eigenen Beobachtungen rechts­ extremer Vorfälle berichten. Hier eine Auswahl aus verschiedenen Ortsteilen Pankows. (Stand: Oktober 2010)

, Buch Frauenberatung „BerTa“ - Albatros e.V. Karower Str. 6, 13125 Berlin Tel.: 030 – 941 141 56 E-mail: frauen.buch@albatrosev.de Bildung und Integration e. V. - Soziale Projekte Pankow. Integrationshilfe und Kinderhilfsprojekt Chance 2010 Röbellweg 2, 13125 Berlin Tel.: 030 – 664 048 79 E-mail: sozialberatung-pankow@bint.de http://www.bint-berlin.de

Nordberliner Werkgemeinschaft gGmbH - Werkstatt für behinderte Menschen Triftstr. 36, 13127 Berlin Tel.: 030 – 474 794 0 E-mail: mail@nbw.de http://www.nbw.de , Heinersdorf Arbeiterwohlfahrt Berlin Nordost e.V. - Seniorenbegegnungsstätte „Quasselstube“ Romain-Rolland-Straße 138, 13089 Berlin Tel.: 030 – 473 021 12 E-Mail: buero@awo-nordost.eu

, Französisch Buchholz Kieztreff in Französisch Buchholz – OASE Pankow e.V. Arnouxstraße 10, 13127 Berlin Tel.: 030 – 551 033 16 E-mail: aussiedler@oase-pankow.de

, Karow Stadtteilzentrum im Turm - Albatros e.V. Busonistr. 136, 13125 Berlin Tel. 030 – 943 800 97 E-mail: derturm@albatrosev.de

KJFE Oktopus Parkstraße 12-14, 13127 Berlin Tel.: 030 – 476 119 90 E-mail: info@oktopus-pankow.de http://www.oktopus-pankow.de

, Niederschönhausen FiPP-Schülerklub Pankow in der Grundschule im Hasengrund Charlottenstr.19, 13156 Berlin Tel.: 030 – 474 029 44 E-mail: sc-hasengrund@fippev.de

Nachbarschaftszentrum. Amtshaus Buchholz Bürgerhaus e.V. Berliner Straße 24, 13127 Berlin Tel.: 030 – 475 847 2 E-mail: nachbarschaftszentrum@amtshausbuchholz.de http://www.amtshaus-buchholz.de

, Prenzlauer Berg Anti-Diskriminierungsbüro Berlin e.V. Greifswalder Str.4, 10405 Berlin Tel. 030 – 204 251 1 E-mail: adb_berlin@gmx.de http://www.adb-berlin.org


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Bündnis 90/Die Grünen Kreisverband Pankow Pappelallee 82, 10437 Berlin Tel. 030 – 501 803 39 E-mail: Buero@gruene-pankow.de http://www.gruene-pankow.de DIE LINKE. Pankow Kopenhagener Str. 76, 10437 Berlin Tel. 030 – 440 177 80 E-mail: bezirk@die-linke-pankow.de http://www.die-linke-pankow.de

Sonntags-Club e.V. Greifenhagener Str. 28, 10437 Berlin Tel. 030 – 449 759 0 E-mail: beratung@sonntags-club.de http://www.sonntags-club.de Theater Ramba-Zamba/ Sonnenuhr e.V. Schönhauser Allee 36–39, 10435 Berlin Tel. 030 – 440 490 44 E-mail: info@theater-rambazamba.org http://www.theater-rambazamba.org

EWA e.V.-Frauenzentrum Prenzlauer Allee 6, 10405 Berlin Tel. 030 – 442 55 42 E-mail: ewa.ev@arcormail.de http://www.ewa-frauenzentrum.de NUR FÜR FRAUEN!

, Pankow Jugendfreizeiteinrichtung Mühlenstr. 24 Mühlenstr. 24, 13187 Berlin Tel. 030 – 484 798 45 E-mail: jfe.lagamue@googlemail.com http://www.myspace.com/deinjugendklub

Kinder- und Jugendfreizeithaus DIMI Danziger Straße 111, 10405 Berlin Tel. 030 – 486 222 74 E-mail: dimi@pfefferwerk.de http://www.kjfe-dimi.de

Frauenzentrum Paula Panke e.V. (NUR FÜR FRAUEN) Schulstr. 25, 13187 Berlin Tel. 030 – 480 998 46 E-Mail: frauenzentrum@paula-panke.de http://www.paula-panke.de

Kulturverein Prenzlauer Berg e.V. Danziger Str. 50, 10435 Berlin Tel. 030 – 446 777 30 E-mail: pressestelle@kvpb.de http://www.kvpb.de [moskito] Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus , für Demokratie und Vielfalt Fehrbelliner Str. 92, 10119 Berlin Tel. 030 – 443 83 459 E-Mail: moskito@pfefferwerk.de http://www.netzwerkstelle-moskito.de Oase Pankow und Koordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus im InterKLUTURellen Haus Pankow Schönfließer Straße 7, 10439 Berlin Tel. 030 – 300 244 053 E-mail: gegenrechts@oase-berlin.org http://www.oase-berlin.org

SPD Kreis Berlin NordOst (Pankow, Prenzlauer Berg, Weißensee) Berliner Straße 30, 13189 Berlin Tel. 030 – 962 09 660 E-Mail: pankower-register@spd-berlin-nordost. de http://www.spd-berlin-nordost.de Stadtteilzentum Pankow Schönholzer Strasse 10, 13187 Berlin Tel. 030 – 499 870 900 E-mail: info@stz-pankow.de http://www.stz-pankow.de tivolotte Mädchenclub - Kinder lernen Leben gGmbH Berliner Str. 27/28, 13189 Berlin Tel. 030 – 449 602 6 E-Mail: kontakt@tivolotte.de http://www.tivolotte.de NUR FÜR MÄDCHEN/FRAUEN


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, WeiSSensee Beschäftigungswerk – Arbeit für Berlin GmbH Bizetstr. 51-55, 13088 Berlin, Tel. 030 – 924 005 – 0 E-mail: info@beschaeftigungswerk.de http://www.beschaeftigungswerk.de Frei-Zeit-Haus e.V. Pistoriusstr. 23, 13086 Berlin Tel. 030 – 927 994 63 E-mail: info@frei-zeit-haus.de http://www.frei-zeit-haus.de Haus der Jugend-Bunte Kuh e.V. Bernkasteler Straße 78, 13088 Berlin Tel. 030 – 927 438 5 E-mail: Buntekuh@t-online.de http://www.buntekuhverein.de Umsonstladen Weißensee im KuBiZ Bernkasteler Straße 78, 13088 Berlin Bitte zuerst per E-mail Kontakt aufnehmen. E-mail: umsonstladen@kubiz-wallenberg.de http://www.kubiz-wallenberg.de , Wilhelmsruh Mehrgenerationenhaus Pankow – c/o Pankower Früchtchen gGmbH Schillerstr. 49, 13158 Berlin Tel.: 030 – 470 369 12 E-mail: mehrgenerationenhaus@pankowerfruechtchen.de http://www.pankower-fruechtchen.de , Stadtteilsiedlung Malchow, Blankenburg, Rosenthal, Blankenfelde Hier gibt es derzeit noch keine Anlaufstellen des Pankower Registers. Falls Sie interessierte Organisationen, Vereine, Einrichtungen o.ä. kennen bzw. selber sind, freut sich die Netzwerkstelle [moskito] über Kontaktaufnahme bzw. die Vermittlung eines Kontaktes. (Weitere) Anlaufstellen sind in allen Ortsteilen Pankows gewünscht!



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