Fight Back 02 - Antifa-Recherche Berlin - 2003

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INTERVIEW

FIGHT BACK MAI/03

Ihr als AIM habt euch ja schon lange mit Querfrontbestrebungen auseinandergesetzt. Wie weit sind da die Bemühungen der extremen Rechten fortgeschritten? Was sind die entscheidenden Merkmale der Querfront?

Das Aussehen und der Lifestyle der Neonazis hat sich also in den letzten Jahren geändert. Wie schätzt ihr das ein? Könnt ihr da Trends bestimmen? T.A.G.: Auch in Treptow hat sich die Nazi-Szene stilistisch ausdifferenziert. So treten die älteren Kameradschafts - Aktivisten mittlerweile im HardcoreStyle auf. In den jüngeren Nazi-Cliquen bewegen sich Jung-Nazis problemlos im HipHop-Style. Das Hooligan-Milieu ist durch die Gruppe 9 bzw. die Höllenjungs von Nazis besetzt und die NPD-Kader treten seriös und bieder auf. Aber auch die traditionellen Stiefel-Nazis mit Bomberjacke finden sich noch an den Bahnhofsvorplätzen. [AANO]: Na zum Teil wird die Kleidung der Neonazis dem der „Rocker“ und auch „Hooligans“ ähnlicher, andererseits gibt es den Trend hin zu komplett schwarzer Kleidung, ähnlich wie bei den Autonomen in den 80er Jahren. Doch natürlich sind auch die typischen Outfits bei den Neonazis zu sehen. Meistens handelt es sich dann um sehr junge Anhänger der rechten Szene. Vielleicht auch interessant zu erwähnen ist die Beobachtung, dass vor allem in den nördlicheren Regionen unseres Bezirk diese „Mode“ häufiger zu sehen ist. AIM: Das eigentliche Phänomen ist ja eher, dass sich der Lifestyle linker und rechter, zumeist jugendlicher Subkulturen immer ähnlicher wird. Schon die zumeist unpolitische, sich proletarisch männlich gebende, englische SkinheadKultur wurde von Rechten wie Linken adaptiert. Dennoch war immer klar, wer die Linken und Rechten waren. Rechte Boneheads, die versuchten, linke Oi- und Streetpunkkonzerte zu besuchen, mussten diese meist rasch und mit blutiger Nase wieder verlassen. Überdies strahlte linker Lifestyle und Dresscode bis Anfang der 90er Jahre auf den Mainstream ab. „Linke“ Klamotten waren cool. Mittlerweile bedienen sich Rechts und Links beim Mainstream und versehen ihn mit Versatzstücken. So tragen Antifas ähnliche Klamotten wie Faschos und treffen sich manchmal bei den gleichen Konzerten. Der Streetfighter, in den 80iger Jahren zweifellos eine linke Ikone, bedient beide Seiten, Nazis rufen zum Nationalen Schwarzen Block auf. Unser Vorschlag: Rechte Konzerte verhindern, Nazishops, die neben teuren Markenklamotten rechte Propaganda vertreiben, schließen und den Nazis am 1. Mai morgens so die Laune verderben, dass sie abends in Kreuzberg keine Lust mehr haben, mit zu randalieren. Wär doch schade sonst.

AIM: Also wir werden immer sofort hellhörig, wenn Leute daherkommen und einem Weismachen wollen, dass die politische Standortbestimmung von Links und Rechts ein veraltetes Denkmuster ist, das überwunden werden muss. Vor gut 2 Jahren haben wir in Schöneberg quasi ein Querfronterlebnis gehabt, das ziemlich deutlich die Herangehensweise von Querfrontstrategie aufzeigte, die vorgibt „die Gegensätze zwischen Linken und Rechten abzubauen”. In Wirklichkeit zielt man dabei aber auf unbedarfte Personen aus dem linken und alternativen Spektrum und versucht sie in Diskussionen mit rechten Themen hineinzuziehen und somit fürs rechte Lager zu gewinnen. Auf einem Treffen des Bündnis gegen Rechtsextremismus, Neofaschismus, Antisemitismus und Rassismus in Tempelhof & Schöneberg im März 2001 waren zwei Menschen anwesend, die erhebliche Sympathien und Kontakte zu Nazis und anderen Rechtsextremisten haben, z.B. zu Horst Mahler, Andreas Röhler und auch dem Nationalanarchisten Peter Töpfer. Hierbei handelte es sich um Irmgard Kohlhepp, ehemalige Grüne und Bernhard Heldt, auch ehemals Mitglied bei den Grünen und davor bei den REPs. Mit dem Argument, wenn man Mahler kritisiert, muß man sich natürlich auch wenigstens mit seinen Texten auseinandersetzen, wollte Herr Heldt dem Bündnis eine Diskussionrunde unterjubeln, in der als Grundlage ein von Horst Mahler, Reinhold Oberlercher und Uwe Meenen verfasster Artikel dienen sollte. In diesem Zusammenhang legten sie mehrere Ausgaben der faschistischen Publikation Sleipnir auf den Tisch, die genau diesen Artikel mit der Überschrift „Ausrufung des Aufstandes der Anständigen” beinhaltete. Heldt meinte, hieran kann man gut die Kernfragen des Faschismus und Antisemitismus analysieren. Und wir wissen natürlich, das Texte an denen Mahler mitgeschrieben hat, nur so von Antisemitismus und Judenhass strotzen. Sleipnir-Herausgeber Röhler brüstet sich damit, rechte wie linke Autoren gleichermaßen zu Wort kommen zu lassen. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Texte von linken AutorInnen wurden aus anderen Publikationen ohne deren Wissen in Sleipnir abgedruckt bzw. wurden linke AutorInnen mit dem unscheinbar klingendem „Verlag der Freunde” hinters Licht geführt. Was uns dann einfach schockiert hatte, ist die Tatsache, dass in diesem Bündnis mit politisch hochgesetzten Zielen und eindeutig linkem Anspruch, keiner gegen dieses unverschämte Auftreten von Heldt und Kohlhepp angegangen ist. Nach dem Treffen haben wir dann dem Hauptinitiator des Bündnis gegen Rechtsextremismus, Neofaschismus, Antisemitismus und Rassismus in Tempelhof & Schöneberg unsere Kenntnisse über Heldt und Kohlhepp mitgeteilt, was dann natürlich zum Rauswurf dieser Personen aus dem Bündnis führte. Die Menschen in diesem Bündnis definieren sich als links, umso erschreckender war es für uns, dass keiner bemerkt hatte, was dieser Bernhard Heldt im Schilde führte. In wirklich linken, also linksradikalen Zusammenhängen, dagegen haben Querfrontler allerdings keine Chance sich einzuschleichen.

Dokumentation: Quitzowstraße in Moabit

Quitzowstraße in Moabit


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