Fight Back 02 - Antifa-Recherche Berlin - 2003

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FIGHT BACK MAI/03

INTERVIEW

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INTERVIEW FIGHT.BACK02 CHRISTINA DECLERQ VON DER AUTONOMEN ANTIFA NORDOST BERLIN [AANO], GISELA ELSER VON DER ANTIFASCHISTISCHEN INITIATIVE MOABIT [AIM] UND SANDY KURZ VON DER TREPTOWER ANTIFA GRUPPE [T.A.G.] BEANTWORTEN FRAGEN. Stellt euch doch bitte erstmal vor. Was treibt euch antifaschistische Arbeit zu machen? T.A.G.: Vor etwa fünf Jahren haben wir uns in Treptow zusammengeschlossen, um dem alltäglichen Nazi-Terror kontinuierlich entgegenzutreten. Eine lokale Organisierung erschien uns hierbei als geeignete Form. [AANO]: Ich bin 22 Jahre alt, wohne im Nordosten von Berlin und bin seit einigen Jahren innerhalb der organisierten Antifa-Bewegung aktiv. In der Autonome Antifa Nordost Berlin [AANO] bin ich seit über 2 Jahren organisiert. Meine Politisierung begann schon sehr früh, doch bis ich inhaltlich mit der radikalen Linken etwas anfangen konnte, verging einige Zeit. Gegen Neonazis und Rassisten bin ich immer aktiv gewesen, doch meine Perspektive war damals etwas einseitig. Erst durch die inhaltliche Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Standpunkten der radikalen Linken kam ich zu der Erkenntnis, dass der Kampf gegen die Neonazis nicht der einzige Sinn und Zweck einer Antifa sein kann. Letztendlich bleibt festzuhalten, dass die [AANO] natürlich auch Anti-Nazi-Aktionen organisiert und unterstützt, doch hauptsächlich wird versucht, darüber hinausgehende Aktionen zu organisieren. AIM: Antifaschistische Arbeit, Antifa, ist für uns eine unverzichtbare Grundlage linksradikaler Politik, deren Ziel die grundsätzliche Umwälzung der kapitalistischen Verhältnisse ist. Oder kurz gesagt, die soziale Revolution ist mit Nazis, Rassisten und Antisemiten nicht zu machen. Und natürlich fühlen wir uns dem Vermächtnis des antifaschistischen Widerstands gegen den deutschen Faschismus und dem Schwur von Buchenwald verpflichtet. „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung! Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel! Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!” Der rassistische und völkische Schub den, 1989 die deutsche „Wiedervereinigung” ausgelöst hat, die Pogrome in den darauf folgenden Jahren, haben uns die Notwendigkeit von Antifa nochmals bestätigt.

Wie ist derzeit die Bedrohung durch neonazistische Organisationen in euren Aktionsräumen? Wie seht ihr die Entwicklung der letzten Jahren? Hat sich etwas geändert? [AANO]: Im Nordosten von Berlin haben die extremen Rechten ein breites Netzwerk mit zahlreichen Knotenpunkten und vielen Organisationsformen zur Verfügung. Neben Kneipen und Läden gehören dazu natürlich auch Parteizentralen und Wohnungen, die den Neonazis als Strukturen dienen. Mensch findet hier außerdem jegliche Fraktionen der Rechtsextremen: von den rechtsterroristischen Vandalen über die neonazistischen Kameradschaften, der NPD/JN und bis vor kurzem der Bundeszentrale der Republikaner bis hin zu einigen Querfrontaktivisten und den Rechtsaußen in der CDU. Die Veränderungen in den letzten Jahren sind eher geringerer Natur. Die gravierendsten sind, dass die Neonazis auf einmal angefangen haben Parolen zu sprühen, und dass sich ihre Kleidung wirklich grundlegend geändert hat. Die Masse der Bevölkerung im Nordosten hat kein Problem mit rechten Meinungen und Bestrebungen, oder sie äußert sich nicht. Und der harte Kern der Neonazis wird nicht geringer, aber auch nicht mehr. Insofern ist die Veränderung nur darin zu sehen, dass die Neonazis ein wenig mehr auf ihr Äußeres achten. AIM: Eine direkte Bedrohung durch Nazis, Straßenschläger etc. gibt es in Moabit im Moment nicht. Die Straße ist eher von jugendlichen MigrantInnen geprägt. Wenn in den letzten Jahren Nazigruppen, wie die Republikaner, die „Kameradschaft Beusselkiez” oder das Umfeld der „Nationalen”, die auch das „Radio Germania” mitbetrieben, aktiv wurden, haben wir dies stets durch Kundgebungen, Plakataktionen etc. öffentlich gemacht. Es ist uns dadurch gelungen diese kurz zu halten oder sogar rauszuschmeissen. Einige Nazis und auch Nazikader leben natürlich auch in Moabit. Größere Probleme bereitet hier aber eher ein weit verbreiteter „brauner Mief ” von spießigen Rassisten, deren Bezugspunkt die Moabiter CDU unter Volker Liepelt ist. Dessen rassistische Forderungen und Drohpolitik gegenüber MigranntInnen und DrogenkonsumentInnen machen „echte” Nazis beinahe überflüssig. Ein Kristallisationspunkt ist dabei das Markthallenrestaurant. Dessen Wirt, selbst CDUMitglied, stellte seine Räume in den letzten Jahren immer wieder den REPS, der Schillpartei und auch der NPD zur Verfügung. T.A.G.: Die akute Bedrohung auf der Strasse geht im Moment weniger von Organisationen, als von losen Cliquen jugendlicher Nazi-Schläger aus. Trotzdem wohnen in unserem Bezirk nach wie vor eine Reihe von aktiven Nazi-Kadern und auch die Aufbauarbeit früherer Nazi-Gruppen wirkt sich bis heute im Bezirk aus.

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