Fight Back 02 - Antifa-Recherche Berlin - 2003

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FIGHT BACK MAI/03

TREPTOW

Drei Nazis aus Treptow bei einem Naziaufmarsch

fen. Hier beeindrucken die Hooligans und ihr Anhang die minderjährigen Gäste der anliegenden Kinderdisko „Chalet“ so sehr, dass mittlerweile schon 15jährige stolz mit „Gruppe 9“-Aufdruck auf der Jacke rumlaufen. Das wäre nicht weiter politisch relevant, wenn nicht einige der führenden „Gruppe 9“Mitglieder und Begründer wie Marco Oemus und „Der Franzose“, der Treptower Nazi-Szene angehören. Beide tauchten beispielsweise an dem Schleusungspunkt der JN-Veranstaltung am 17.3.2001 auf. Als auf dem Alexanderplatz eine Wahlveranstaltung der NPD stattfand brachte Marco Oemus gleich ein paar „Gruppe 9“-Zöglinge wie Marcel Keller als Teilnehmer mit. Auch wenn nicht alle 34 Mitglieder der „Gruppe 9“ überzeugte Nazis sind, so stellt dieser Klüngel doch eine Schnittstelle zwischen „unpolitischen Fußballhooligans“ und organisierter NaziSzene dar.

NOCH IMMER: GEWALT ALS „HOBBY“ Auch die zweite Generation der Treptower Nazis pflegte Gewalt als ausgesprochenes „Hobby“, das sie zumeist Wochenends an alternativen Jugendlichen und nicht-deutschen Menschen ausließ. So zum Beispiel am 19. April 2000 als eine Gruppe Nazis um Steve Bäumler und Nils Hiller alternative Jugendliche vor dem „Come In“ angriffen. Oder am 14. Juni 2000 als Norman Soluger mit einem Totschläger auf einen jungen Punk eindrosch. Ein besonders ekelerregender Fall ereignete sich am 12. August 1999. Die Nazi-Skin-Combo Hans-Dieter Ockenfeldt (geb. 1972), Daniel Böduel (geb. 1979), David Koster (geb. 1981), Mandy Weiss (geb. 1980) und Marcel Kühnert (geb. 1987) drangen in Adlershof in das Heim für betreutes Wohnen ein. Hier brachen sie in das Zimmer der geistig-behinderte Desdemona A. ein, um 300 D-Mark Schulden einzutreiben. Die rechten Skins durchwühlten das Zimmer der Frau, schrien sie an, schlugen, beschimpften und bespuckten sie. Da sie im Zimmer kein Geld fanden, begann die Gruppe ihr Opfer zu quälen. Mit einem Messer schnitt Ockenfeldt der Frau in die Brust. David Koster nötigte Desdemona A. zum Oralverkehr, während diese von Kühnert geschlagen wurde. Hem-

mungslos versuchte Koster sein Opfer anschließend zu vergewaltigten. Doch die Leiden der Frau waren damit noch nicht zuende: Ockenfeldt verbrannte Desdemona A. den Bauch mit einer brennenden Spraydose und streute Salz in ihre Wunden. Doch auch Brandstiftung und Waffenfetischismus zählten nach wie vor zur politischen Realität in Treptow. Am 9. August 2000 stand mit dem Treptower Nick Greger mal wieder ein Nazi-Bombenbauer vor Gericht. Auch seine Bombe sollte gegen Linke eingesetzt werden. Am 17. August 2000, dem Tag übrigens an dem die Nazis dem Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess gedenken, dröhnte aus der Wohnung der Brüder Arved und Danny Degebrodt in der Nipkowstrasse laute Nazimusik. Als einige Polizeibeamte die Musik leiser stellen wollten, entwickelte sich zwischen ihnen und den Brüdern eine wilde Schlägerei. In der Wohnung stießen die Beamten anschließend auf Waffen und Bombenteile. In der Silvesternacht 2000/2001 steckten die Treptower Nazis Dennis Brückner (geb. 1983), Steve Haberkorn (geb. 1983) und Paul Tillack eine Garage des Winckelmannclub „JuJo“ in Brand. Steve Haberkorn aus Baumschulenweg ist häufiger Teilnehmer an Demonstrationen der NPD und war am 5. Mai 2000 an einem Angriff auf einen Dönerladen beteiligt. Auch Dennis Brückner machte durch rechtsextreme Überfälle in Treptow von sich Reden. Im Oktober 2001 wurde Ronald Schmidt in Marzahn bei einem Waffen-Deal von der Polizei überwältigt. Sie fand bei ihm u.a. eine Panzerfaust und einen Trommelrevolver. Am 16. Februar 2002 zerstören Unbekannte das Denkmal für die ermordeten Sowjetsoldaten am Platz der Befreiung in Adlershof. Am 30. Mai 2002 versuchen Unbekannte einen Brandanschlag auf einen Asia-Imbiß am Treptower Park. Zuvor wurde dieser von Nazis beschmiert.

AUFHÖREN, AUSSTEIGEN, ABSITZEN Einige der führenden Naziaktivisten aus der ersten und zweiten Generation scheinen den ständigen Druck durch AntifaschistInnen und Polizei nicht

Nazicombo aus Treptow bei einem Naziaufmarsch

mehr länger ertragen zu wollen. Mit halbherzige Ausstiegsbehauptungen wollen sie sich der Verantwortung für ihre faschistische Aufbauarbeit und ihre menschenverachtenden Taten entziehen. Der Mordbeteiligte Detlef Cholewa/Nolde präsentierte sich beispielsweise nach seinem Knast-Aufenthalt im Internet als vermeintlicher Aussteiger. In einem Buch namens „Aussteiger - Wege aus der rechten Szene“ berichtet er wie ihm Ausländer im Knast Lebensmittel schenkten, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten. Er fordert die Leser dazu auf in Verständnis für den anderen und in Freiheit zu leben. Sein Ausstieg hinderte ihn jedoch nicht daran zeitgleich antisemitische Literatur im Internet zu bewerben. Auch die „Initiative Dialog“ der Internetseite www.nazi.de musste zu Nolde fesststellen, dass sich „die Positionen in den wichtigsten Bereichen als unvereinbar darstellten.“ Noch im Jahr 2002 unterschrieb der selbsternannte „Aussteiger“ eine Unterstützungserklärung für die rechtsextreme Wochenzeitung „Junge Freiheit“. Der Bombenbastler Patrick Demming versuchte sich nach dem Absitzen seiner Haftstrasse in einer AG Antirassismus der IG Metall als angeblicher Aussteiger zu etablieren. Der Waffennarr Ronald Schmidt will ebenfalls ausgestiegen sein. Obwohl er noch am 1. Mai 2002 am Rande einer NPD-Demo wutentbrannt auf GegendemonstrantInnen losstürmte, meint er sich wenige Monate auf PunkRock-Festivals und linken Infoveranstaltungen herumtreiben zu dürfen. Seine Behauptung er sei ja nur als ein Spitzel der Polizei bei den Nazis unterwegs, macht ihn auch nicht gerade sympathischer. Der Kameradschafts-Aktivist Martik Mkrrtschjan schafft es scheinbar auch problemlos ausgestiegen zu sein und trotzdem an einem Nazi-Fussballturnier Berliner Kameradschaften teilzunehmen. Der Fahnenträger für „Blood & Honour“, Christian Ortmann, hat mittlerweile sein Engagement in der Nazi-Szene beendet und spielt in der Hardcore-Band „Withheld“ mit. Sein Kumpane Fabian Müller bezeichnet sich selber ebenfalls als „Aussteiger“. Auch Marco Oemus ging hin und wieder mit Aussteigermythen hausieren, um dann doch wieder bei Naziaktionen mitzumischen. Seine ständigen Prügeleien garantieren ihm jedoch noch viele Monate Haftstrafe. Welche er nun durch einen „Ausstieg“ zu verkürzen hofft. Eine Haftsrafe


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