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Der beispielhafte Weg einer Jungjägerin

#JUNGJÄGER #QUEREINSTEIGER #FRAU DER BEISPIELHAFTE WEG

einer Jungjägerin

TEXT: BETTINA GRUBINGER-GRAMLINGER FOTOS: A. EHRENTRAUT PRIVAT

Nach erfolgreich beendeter Jagdausbildung beginnt für viele der wirklich spannende Teil, nämlich die aktive Umsetzung des Gelernten draußen im Wald, in den Revieren. Wie aber kommt man nun dazu, „ausgehen“ zu können? Viele haben bereits einen jagdlichen Hintergrund seitens der Familie, Freunden oder Bekannten; es gibt jedoch auch Jungjäger, die als „Quereinsteiger“ den Weg zur Jagd gefunden haben. Oftmals hört man in Gesprächen mit diesen, wie schwer es sein kann, Anschluss oder einen Ansprechpartner zu finden.

Eines vorweg: Zu warten, dass man „gefunden“ wird, weil man jetzt eine Jagdkarte besitzt, verspricht keinen Erfolg! Aktives Tun, erkundigen wo es in der Heimatgemeinde Ansprechpersonen für die Jagd gibt, sich selbst und seine Motivation für ein Miteinander vorstellen – damit ist der erste Schritt getan. Um allen Mut zu machen, stellen wir heute eine Jungjägerin vor, wo einfach vieles ganz anders gekommen ist, als man es vermuten könnte.

Bettina Grubinger-Gramlinger:

Liebe Andrea, wir haben Dich bei unserem letzten Jägerinnentreffen in Mondsee kennenlernen dürfen und Dein jagdlicher Werdegang soll beispielgebend sein und Mut machen. Es freut mich, dass ich bei Dir in Ebensee zu Gast sein darf, bitte stelle Dich unseren Lesern kurz vor.

Andrea Ehrentraut: Mein Name ist Andrea Ehrentraut, ich wohne in Ebensee, bin 36 Jahre alt und habe heuer im April die Jagdprüfung gemacht. Ich bin ursprünglich in Wels geboren, habe aber 20 Jahre in Wien Umgebung gelebt und seit sechs Jahren wohne ich im schönen Ebensee am Traunsee bei meinem Lebensgefährten.

Du bist also seit April 2022 Jäger. Welchen Zugang hattest Du zur Jagd und was hat Dich daran gereizt, Jäger zu werden?

Ich hatte schon länger den Wunsch, den Jagdkurs zu machen und diesen dann im letzten Herbst tatsächlich in Traunkirchen (Bezirk Gmunden) gestartet. Trotz Lockdown und viel Onlineunterricht wurden wir optimal von unserem Kursleiter und seinen Kollegen vorbereitet. Als ich mit dem Kurs begonnen habe, hatte ich ehrlich gesagt noch keinen konkreten Plan. Ich habe dann nur gehört, dass es sehr schwierig ist, irgendwo einen Ausgang zu bekommen und man mitunter mehrere Jahre darauf warten muss.

Zum Ende des Jagdkurses hat es aber der Zufall gewollt, dass bei der Jagdgesellschaft Ebensee ein Ausgeher gesucht wurde. Ich habe um den Platz angesucht und ihn tatsächlich bekommen. Es ist für mich ein großes Privileg, in der Gemeinde Ausgeher zu sein, in der ich wohne – zumal ich eine „Zuag‘roaste“, eine „Frau“ und eine „Frischg’fangte/Quereinsteigerin“ bin. Derzeit bin ich im Probejahr und hoffe, dass ich danach bleiben darf.

Das heißt also, Du hast keinen jagdlichen Hintergrund?

In meiner Familie gibt es keine Jäger und auch mein Lebensgefährte ist keiner. Aber mein Opa hatte ein Damwild-Gehege im Bezirk Freistadt. Immer wenn wir zu Besuch waren, hat meine Oma die tollsten Wildgerichte aufgekocht. Wir wussten genau, wo das Fleisch dafür her war. Das war sicher ein Beweggrund für mich. Meine

Arbeiten mit der Motorsense

Großeltern waren für mich in vielen Dingen große Vorbilder. Leider kann ich meinen Opa heute nicht mehr fragen, warum er selbst kein Jäger war.

Du bist in der Gemeindejagd in Ebensee zurzeit die einzige Frau als Teil der jagdlichen Gemeinschaft. Wie reagieren die Männer auf Dich als Frau im Jagdgewand, wie wurdest Du aufgenommen und was sind Deine Aufgaben?

Ich bin heuer im Mai das erste Mal in meinem Leben auf einem Hochstand gesessen. Das war wirklich aufregend, es ist mir vorgekommen wie meine erste Fahrstunde mit dem Auto. Man denkt sich: So vieles auf einmal, wie soll das gehen?! Leise sein, nicht mit den Händen herumdeuten, keine schnellen Bewegungen, wenn ein Stück austritt schnell sein, ansprechen, Gewehr richten und so weiter. Aber nach vielen Malen geht alles schon deutlich schneller und überraschend leise. Meine Weidkameraden sind alle wirklich sehr bemüht, dass aus mir eine ferme Jägerin wird. Ich darf sehr oft mitgehen und lerne dabei unendlich viel, wie z.B. Fährten und Pirschzeichen lesen oder richtiges ansprechen und mittlerweile darf ich auch schon allein ausgehen.

Wenn ich Fragen habe, hat jeder ein offenes Ohr für mich und lässt mich an der eigenen langjährigen Erfahrung teilhaben, daher fühle ich mich immer gut aufgehoben. Neben der Jägersprache lerne ich als „Zuag‘roaste“ jetzt auch noch Ebenseer Hausnamen und Ausdrücke kennen. Meine Weidkameraden haben mich sogar vor der Prüfung schon tatkräftig beim Lernen unterstützt wie z.B. bei Altersbestimmungen der Gamskrucken, Erkennen von Geweihen, theoretisches Wissen abgefragt. Das hat natürlich den Druck erhöht, die Jagdprüfung auch zu bestehen (lacht). Zu meinen Aufgaben im Revier gehört all das, was meine Weidkameraden auch machen. Im Sommer habe ich zum ersten Mal eine Motorsense in der Hand gehabt, um Salzkerne frei zu mähen. Natürlich habe ich auch in perfekter Einschulung erlernt, erlegtes Wild aufzubrechen. Die Praxis ist dann nochmal etwas Anderes als die Theorie.

Was bedeutet Jagd für Dich persönlich und welcher Aspekt ist Dir besonders wichtig?

Für mich hat sich eine neue Welt eröffnet. Ich nehme Dinge wahr, die ich davor nicht bemerkt habe. Ich verstehe heute, warum es so problematisch ist, wenn ein Freizeitnutzer z.B. eine Gams hoch macht und diese bei ihrer Flucht, gerade im Winter, wahnsinnig viel an Lebensenergie verliert. Es ist für mich etwas ganz Besonderes, wenn ich das Wildbret verarbeite und koche, von einem Stück, welches ich selbst erlegen durfte; besser geht es nicht! Bei Wildbret denke ich an Wildtier-Leben in völliger Freiheit, in der Natur, in weidmännischer Erlegung – regional und hochwertig. Das ist für mich Genuss und darum jage ich. Jagd ist schließlich ein umfangreiches Handwerk, welches sorgfältig erlernt werden will, nicht planbar, dafür aber auch so spannend und besonders, voller Emotionen, Erwartungen, Enttäuschungen, Vorfreude. Für mich war alles schon dabei. Jagd ist einfach nicht zu planen, dafür aber so „echt“. Wie siehst Du die Rolle bzw. die Wichtigkeit der Frau in der Jagd?

Ich halte nichts von zwanghaftem Gendern, sondern vielmehr sehe ich die Frau als Ergänzung und Bereicherung in einer Jagd. Wie jedes andere neue Mitglied, das sich mit seinen Fähigkeiten individuell einbringt. Immer eben seinem Alter und Können entsprechend – egal ob Frau oder Mann. Ich kümmere mich bei uns um die Wildwarner. Eine Aufgabe, die körperlich nicht schwer und trotzdem wichtig ist. Weiters versuche ich mich gerade im Nähen des optimalen Sandkissens für die Hochstände.

Was hat sich bei euch in der Jagd geändert, seit Du als Frau dabei bist?

Da müssten wir meine Weidkameraden fragen. In der Wildkammer steht halt jetzt neben einer Kiste Bier noch eine Kiste mit gespritztem Wein (lacht).

Andrea, was kannst Du Jungjägerinnen und Jungjägern mit auf den Weg geben? Ich kann nur jeden ermutigen, der sich voll und ganz auf ein Leben als Jäger einlassen will, den Jagdkurs zu besuchen und bei den Jagdleitern vorstellig zu werden. Wenn es nicht gleich beim ersten Mal passt, dass man wo einen Platz bekommt, es einfach immer wieder zu versuchen. Ich denke Ausdauer und Ehrgeiz sind nicht nur beim Start, sondern ein ganzes Jägerleben von Bedeutung. Genauso wie die Akzeptanz der nichtjagenden Familienmitglieder. Ohne deren Verständnis geht es einfach nicht, denn es ist mehr als ein Hobby.

Liebe Andrea, das sind sehr schöne und zum Nachdenken anregende Schlussworte! Danke für das Gespräch und Deine Bereitschaft dazu. Wir wünschen Dir noch viele schöne Jagderlebnisse!

Reparatur eines Wildwarners