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WIE GEHT ES UNSERER ZUKUNFT? KRISE AUF KRISE UND DIE JUGEND MITTENDRIN

Von Dominik Baum

TRIGGERWARNUNG: In den nachfolgenden zwei Interviews geht es auch um psychische Erkrankungen junger Menschen. Falls dich das belastet, lies bitte nicht weiter.

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Es geht im Leben nicht nur bergauf. Eine Erkenntnis, die der breiten Masse der Bevölkerung bis vor wenigen Jahren – zumindest im Großen und Ganzen – noch relativ fremd gewesen sein dürfte. Es war eine Zeit, in der wir Pandemien nur aus Hollywood-Filmen kannten, eine Zeit, in der Frieden auf unserem Kontinent herrschte und eine Zeit, in der der Klimawandel nicht wie ein Damoklesschwert omnipräsent über uns schwebte. Wohl jede:r von uns ist auf irgendeine Weise von den letzten globalen Ereignissen betroffen.

Wen wir bei all unseren eigenen Sorgen schnell mal aus den Augen verlieren: die Jüngsten unter uns. Kinder und Jugendliche, deren Kindheit und Jugend inzwischen ganz anders aussieht als noch vor wenigen Jahren. Auch sie müssen sich von Krise zu Krise hangeln und die vielen Eindrücke, mit denen sie auf diesem Weg konfrontiert werden, auf ihre Weise verarbeiten.

Wie gut dies im Speziellen der Jugend gelingt, das hat der renommierte Kemptener Jugendforscher Simon Schnetzer untersucht. Im Interview gibt er uns einen Einblick in die Welt der nächsten Generation. Es ist eine düstere.

„Jugend im Dauerkrisenmodus – Klima, Krieg, Corona“ heißt die Trendstudie, die du zusammen mit deinem Jugendforscherkollegen Prof. Dr. Klaus Hurrelmann im Sommer letzten Jahres herausgegeben hast. Ganz offen gefragt: Wie geht es denn unserer Jugend momentan?

Die Jugend ist gestresst. Dieses Gefühl wird nochmal dadurch verstärkt, dass junge Menschen nicht die Chance erhalten, sich zu beteiligen. Bei all den Krisen, deren Auswirkungen auch sie zu spüren bekommen, haben Jugendliche keine Möglichkeit, Lösungen aktiv mitzugestalten. Die Folgen sind messbar: Fast die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen gab in der Studie an, dass sich ihre psychische Gesundheit verschlechtert hat. Antriebslosigkeit, Depressionen und Suizidgedanken drohen zum Massenphänomen zu werden. Kurzum: Es ist nicht einfach, heutzutage jung zu sein.

Inwieweit trägt Social Media zu diesem Phänomen bei?

Mit der Pandemie hat der Konsum digitaler Medien um ein Vielfaches zugenommen. Junge Menschen, die auf Instagram und anderen Plattformen unterwegs sind, werden mit der Illusion konfrontiert, dass es allen anderen besser geht als ihnen selbst. Sie schauen auf ihrem Smartphone in gefilterte Gesichter und anschließend in den Spiegel und fühlen sich unzureichend. Das kann Stress auslösen und mit Ängsten verbunden sein, die so weit führen, dass Jugendliche das Haus nicht mehr verlassen. Das hat wiederum Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, weil sich junge Menschen psychisch nicht dazu in der Lage fühlen, den Schritt in die Berufswelt zu gehen. Wir nutzen Smartphones auf eine Weise, auf die das menschliche Gehirn nicht vorbereitet ist und geraten in eine ungesunde Abhängigkeit. Aufklärung erfolgt – wenn überhaupt – viel zu spät.

Pandemie, Klimawandel, der Krieg in der Ukraine, Rekordinflation – die aktuellen Krisen sind vielfältig. Haben diese unterschiedliche Auswirkungen auf junge Menschen?

Welche Bedrohung welche Folgen mit sich bringt, lässt sich pauschal nicht beantworten. Wir sind schließlich alle Individuen, die auf Herausforderungen unterschiedlich reagieren. Eines haben all die genannten Krisen jedoch gemeinsam: Sie kommen näher an uns heran – und das spürt auch die Jugend. Dass der Klimawandel keine Fiktion ist, merken wir seit Jahren auch im Allgäu – immer mal wieder wird das Trinkwasser in einigen Regionen knapp und die Bevölkerung wird gebeten, Wasser zu sparen. Die Pandemie hat das gesamte Schulsystem auf den Kopf gestellt und den Aktionsradius Jugendlicher über lange Zeit auf die eigenen vier Wände beschränkt. Dass der Krieg in der Ukraine und eine atomare Gefahr real sind, merken wir an den Flüchtlingsströmen, die bis ins Allgäu reichen. Und die Inflation führt dazu, dass sich Kinder und Jugendliche vielleicht erstmals in ihrem Leben mit Verzicht befassen müssen. Der alljährliche Urlaub in den Ferien ist plötzlich nicht mehr möglich oder das Bio-Produkt ist zu teuer geworden.

Wie können wir Jugendliche in dieser für sie herausfordernden Zeit begleiten und entlasten?

Ganz grundsätzlich: Ein Umfeld schaffen, das es Jugendlichen erlaubt, sich in den Prozess der Lösungsfindung einzubringen. Ein Beispiel: Als im Zuge der Pandemie der Online-Unterricht eingeführt wurde, hätten Schüler:innen in diesen Prozess aktiver einbezogen werden können. Denn nicht nur für die Lehrkräfte, auch für die Jugendlichen war das eine große Umstellung. Wenn niemand fragt, wie der neue Unterricht auf der anderen Seite des Bildschirms ankommt, fühlen sich Schüler:innen weder wahr- noch ernstgenommen. Das betrifft natürlich nicht nur den schulischen Kontext. Ob Eltern, Lehrkräfte, Ausbilder:innen oder vielleicht die Trainer:innen im Verein – sie alle sind künftig mehr in einer motivierenden und coachenden Rolle gefordert.

Hast du ein Beispiel?

Wenn im Fußballverein das nächste Ziel ist, das kommende Spiel zu gewinnen, dieses Ziel jedoch verloren geht, gibt es nichts, was die Jugendlichen aufbauen könnte. Besser wäre es, individuelle, realistische und klar terminierte Entwicklungsziele zu setzen. Wenn ich mich bereits in einer psychischen Abwärtsspirale befinde, braucht es viele kleine Erfolgserlebnisse, um sich dieser Spirale wieder zu entziehen.

Bei der Frage, wie wir Jugendliche in einer schwierigen Phase unterstützen können, rate ich euch, den Kontakt zu ausgebildeten Psycholog:innen und Pädagog:innen zu suchen. Diese haben noch mal einen ganz anderen Blickwinkel als ich als Jugendforscher.

Das machen wir. Vielen Dank, dass du deine Forschungsergebnisse mit uns geteilt hast.