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CARE-ARBEIT

Wir sollten uns alle sorgen

Ein Gastbeitrag vom feministischen Kollektiv „Access Allgäu Area“

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Die Corona-Pandemie hat offensichtlich gemacht, was schon lange unter der Oberfläche schwelte: Die Last der Care-Arbeit tragen hauptsächlich Frauen. Seitdem hat sich nichts verbessert, wie die aktuelle Krankheitswelle zeigt. Ob Influenza, das RS-Virus oder weiterhin Corona-Infektionen – stecken sich Kinder in Kitas und Schulen an, sind es meist die Mütter, die zu Hause bleiben.

ZURÜCK ZUR „NORMALITÄT“

Seit April 2020 werden im Rahmen einer repräsentativen Umfrage des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI)

5.136 Teilnehmer:innen befragt. Die Umfrage erfasst die aktuelle Situation von Müttern in Deutschland hinsichtlich der Verteilung der Betreuungsarbeit sowie damit einhergehender Sorgen und sozio-emotionaler Belastungen. So ergab die Befragung, dass zwar die Aufteilung der Sorgearbeit aufgrund von Kurzarbeit und Home-Office während der Pandemie ein wenig in Richtung Gleichgewicht gerutscht ist, sich nun aber wieder ein anderes Bild zeigt. In heterosexuellen Beziehungen ist die Verteilung der Sorgearbeit zwischen Müttern und Vätern in etwa wieder auf dem Niveau vor Beginn der Corona-Pandemie. 63 Prozent der Mütter gaben an, den überwiegenden Teil der Kinderbetreuung zu leisten, während es bei den Vätern lediglich sechs Prozent waren. Eine mögliche Erklärung für diese rückschrittliche Entwicklung ist die Aufhebung der Home-Office-Regelungen. Noch immer sind mehr Väter als Mütter Vollzeit beschäftigt – nicht zuletzt wegen der vorherrschenden Gender-Pay-Gap. Der finanzstärkere Job gewinnt und so sind es oft die Väter, die tagsüber zurück an ihre Arbeitsplätze gekehrt sind. Die Mütter stecken im Job zurück und melden sich „Kind-krank“, wenn es die Kleinen erwischt.

Wenn Andere Die Carearbeit Bernehmen

Doch gibt es auch Haushalte mit minderjährigen Kindern, in denen sowohl Väter als auch Mütter Vollzeit arbeiten. Alarmierend ist, dass auch bei Paaren mit gleichen Lohnarbeitszeiten ein erheblicher Unterschied in Bezug auf die Verteilung unbezahlter Arbeit vorhanden ist: In einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (2017) verbrachten Frauen hier im Schnitt drei Stunden pro Tag mit Hausarbeit, Männer zwei. Auch in der Care-Arbeit, die noch einmal extra erfasst wurde, übernahmen die Mütter mehr Aufgaben als die Väter. Zwar fand das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung heraus, dass seit den Neunzigerjahren der Anteil der unbezahlten Arbeit, die Männer übernehmen, größer geworden ist, die Erklärung für die Annäherung ist jedoch ernüchternd. So resultiert der wachsende Anteil der Männer an unbezahlter Arbeit im heterosexuellen Paarkontext nicht etwa aus mehr Engagement, sondern ist darauf zurückzuführen, dass Frauen immer weniger Zeit für Hausarbeit und Kinderbetreuung aufwenden. Heißt: Care- und Hausarbeit werden ausgelagert. Ob Babysitter:in, Haushaltshilfe oder Lieferdienst vom Supermarkt, es stehen eine Reihe von Dienstleister:innen zur Verfügung, die an die Stelle der traditionellen Hausfrau treten.

Nur So Gelingt Eine Gerechtere Verteilung

Ist dies eine Entwicklung hin zu mehr Gleichberechtigung? Wohl kaum. Lediglich ein privilegierter Teil der Gesellschaft kann sich diese Art der Entlastung leisten. Und seien wir ehrlich: Unbezahlte Care-Aufgaben an andere abzugeben, ist nicht mehr als die Fortführung des Patriarchats. Solange Care-Arbeit nur delegiert wird, müssen Männer sich nicht verändern. Vielmehr ermöglichen sie einem kleinen Teil der Frauen, die „männlichen“ Privilegien ebenso zu nutzen und deren Lebensweise nachzuahmen. Um einen ganzheitlichen Wandel in Bezug auf eine gerechte Verteilung der Care-Arbeit in unserer Gesellschaft voranzutreiben, sind deshalb die Männer gefragt. Es geht darum, sich der eigenen Privilegien bewusst zu werden und „Einbußen“ in Kauf zu nehmen, die von Frauen oftmals ganz selbstverständlich erwartet werden. Sicherlich haben nicht alle Väter die Wahl, aber es gibt sie, die Väter, die sich für eine gerechtere Verteilung unbezahlter Arbeit entscheiden könnten, aber nicht wollen. Denn so viel ist sicher: Eine gerechte Verteilung von Care-Arbeit ist nicht ohne Entbehrungen in anderen Bereichen möglich und fordert einen freiwilligen Verzicht auf Teile der beruflichen Karriere und andere Freiheiten, den aufgrund der vorherrschenden Strukturen bislang überwiegend Frauen leisten müssen. Für wirksame Veränderungen sind deshalb Männer unabdingbar, die den Wandel aktiv leben und damit vorantreiben – nicht nur während ein paar Monaten Elternzeit, sondern mindestens so lange, bis die Politik für Umstände gesorgt hat, die beiden Elternteilen die Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben ohne Abstriche ermöglichen.

„Care-Arbeit“ bezieht sich auf die Arbeit, die erforderlich ist, um die Bedürfnisse und das Wohl anderer zu unterstützen, wie zum Beispiel Kinderbetreuung, Pflege alter und kranker Menschen oder Haushaltsführung. Es handelt sich hierbei um unbezahlte oder unterbezahlte Arbeit.