Programmheft zur 9. Biennale der Schmiede in Kolbermoor

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9. BIENNALE DER SCHMIEDE 2012 KOLBERMOOR



Willkommen

Grüß Gott in Kolbermoor und bei der 9. Biennale der Schmiede Alle zwei Jahre steht Kolbermoor im Mittelpunkt der Schmiedewelt. Unsere Biennale wird in einem Atemzug mit der Schmiedeweltmeisterschaft in Stia, dem weltgrößten Event für Kunstschmiede auf der Burg Helfstyn und dem ABANAMeeting in den Vereinigten Staaten genannt

Fotos: Archiv HEPHAISTOS

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Bürgermeister Peter Kloo, Kolbermoor

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uletzt hatte ich bei unserem Schäffler-Auftritt im Februar und bei meiner Stippvisite bei der zweiten Biennale in Bienno Ende Mai Gelegenheit, die italienische Gastfreundschaft zu genießen. Ich hoffe, wir können bei unserer Biennale etwas von dieser südländischen Warmherzigkeit zurückgeben. Ich begrüße unsere Gäste herzlich im Namen unserer Stadt und der Organisatoren der Biennale. Ich hoffe, die drei Tage in Kolbermoor festigen unsere Freundschaft, die ja schon im September durch den Besuch einer großen Delegation aus Stia weitergeführt wird. Was wir heute schon als “selbstverständlich” sehen, beispielsweise dass wir fast überall in Europa mit dem gleichen Geld bezahlen können, nur noch wenige läs tige Grenzkontrollen haben und dass wir fast aus jedem Land Europas Rundfunk und Fernsehsender empfangen können, war noch vor einigen Jahrzehnten undenkbar. Die derzeitige Euro-Krise zeigt uns, dass nichts von diesen Errungenschaften selbstverständlich ist. Wir müssen unser gemeinsames Europa immer wieder aufs Neue festigen und weiterentwickeln. In Brüssel, aber vor allem auch in den Kommunen und in den Herzen der Menschen. Genau das versuchen wir mit “Fratelli di Ferro”, mit “Brüder des Eisens” zu tun. Das versuchen wir auch mit dem “Ring der Europäischen Schmiedestädte” zu verwirklichen. Und aus diesem Grund haben wir in dieser Begleit-Zeitschrift zur Biennale den EuropaThemen viel Platz eingeräumt. Peter Kloo

ls wir 1996 das erste Schmiedetreffen in Kolbermoor organisierten, gab es ähnliche Veranstaltungen nur in Stia, auf Burg Helfstyn und in Österreich. In Deutschland hatte sich noch nie jemand an ein Schmiedetreffen gewagt - wenn man mal davon absieht, dass Manfred Bredohl als Veranstalter des Weltkongresses der Schmiede in Aachen Zeichen setzte. In den abgelaufenen Jahren fand so manche Premiere auf dem Schmiedeplatz in Kolbermoor statt (Nachtschmieden, Damaszenerstahl-Weltkongress, Stock in Eisen etc.). Auch dieses Mal betreten wir Neuland mit der Vorstellung eines Partnerlandes. Wie bei der Buchmesse versuchen wir die Szene und die Eigenheiten eines anderen Landes intensiv zu beleuchten. Unser südlicher Partner Italien ist quasi “Versuchskaninchen”. Mit der Ausstellung italienischer Schmiedearbeiten im Rosengarten und der Präsentation der drei Partnerstädte Stia, Acireale und Bienno öffnen wir ein Schaufenster in die europäische Nachbarschaft. Wir begrüßen hoffentlich viele Schmiedekollegen vom italienischen Stiefel und wünschen ihnen schöne Tage in Kolbermoor. Unser Team hat sich dazu bei der Vorbereitung viel Mühe gegeben. Peter Elgaß

Peter Elgaß für das Organisationsteam

Die 9. Biennale der Schmiede wird gefördert und unterstützt von:

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Hotel Heider Rosenheimer Straße 35 83059 Kolbermoor

Tel: 08031/23 25 40 Fax: 08031/91 41 0 E-mail: info@hotel-heider.de Web: www.hotel-heider.de

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Im Stadtzentrum von Kolbermoor Gegenüber dem Neuen Rathaus Kostenloses W-LAN Kostenlose Parkplätze


Benvenuto

Gruß an unsere Gäste Kolbermoor - una citta piena di vita Stellvertretend für die Gäste aus vielen verschiedenen Ländern begrüßen wir die Vertreter unseres Gastlandes Italien in ihrer Heimatsprache und stellen ihnen Kolbermoor und die Gastgeber hier im Programmheft vor

Bilder aus Kolbermoor. Immagini da Kolbermoor

Fotos: Kolbermoor, Archiv, Richter

La citta Kolbermoor è stata fondata soltanto nel 1863, ed è il Comune piú giovane della Regione di Rosenheim. Da iniziale insediamento industriale si sviluppò rapidamente per diventare una cittá importante con 19.000 abitanti. Le grande industrie del IX e XX sec. sono state nel frattempo chiuse o hanno cambiato utilizzo. Cosi si è reso disponibile sull' aera della vecchia filanda di cotone un vasto spazio che accoglie nel suo interno negozi, gastronomie, botteghe di artigiani, e spazi per abitazioni e manifestazioni. Il quartiere ove risiedevano i lavoratori fu accquistato della cittá di Kolbermoor e venne completamente ristrutturato. Rappresenta un esempio unico in questa Regione di un agglomerato del tempo del periodo industriale, e un esempio di pregevole ristrutturazione. La cittá si e posta il compito di dare un esempio di architettura come tutela dei monumenti. I nuovi edifici pubblici all'interno di questa area invece rispecchiano il linguaggio architetonico del XI sec. : attuale, moderno, funzionale e piaccevole. La città di Kolbermoor offre inoltre ai suoi numerosi visitatori molti negozi e una grande varietà di degustazioni nel settore della gastronomia. Diversi allestimenti per il tempo libero come la Piscina Comunale, il Palazzo dello Sport e i Giardini Pubblici rendono questo sito uno spazio ricco di vitali attrative. Inoltre sono anche da nominare i Musei dell' Industria e della Regione, dell'Arte e della Cultura, gli accoglienti Giardini della Birra e le molteplici attività delle varie Associazioni con il loro centro a Mareissaal . Durante l'anno si tengono diverse importanti manife-

stazioni conosciute in tutta la Regione: la Festa dei cittadini "Kirchweihmarkt", il Mercatino Natalizio e il Festival dei Magi. La famosa scuola di canto e di musica della città programma numerosi importanti concerti durante tutto l'anno, e offre, ai bambini e agli adolecenti, la possibilità di seguire corsi altamente qualificati. La Biennale internazionale di Kolbermoor che si tiene nei giardini di Mangfall è lo spazio dove i fabbri di tutto il mondo si incontrano per mostrare la loro arte e tutta la loro preziosa ed antica cultura artigianale. Molti fabbri hanno collaborato nel 2009 per creare una splendida scultura chiamata "Il ponte dell'amicizia", come simbolo della manifestazione. Tanti cambiamenti si sono manifestati negli ultimi anni e tanto si sta muovendo in questa piccola cittá nel cuore dell' Alta Baviera. Il Kolbermoor moderno si presenta ai suoi cittadini e ai suoi visitarori come una "Cittá piena di vita".

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Fokus Europa

Aus 6 mach 18 die Erfolgsgeschichte des Ringes 1998 saßen im Kolbermoorer Rathaus Vertreter von sechs Orten zusammen, in denen es Schmiedetreffen gibt. Unter Leitung des damaligen Kolbermoorer Bürgermeisters Ludwig Reimeier fassten sie den Beschluss, den “Ring der Europäischen Schmiedestädte” zu gründen

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Der historische Handschlag im Jahre 2000 mitten im Ambiente der Saigerhütte in Olbernhau war der Beginn einer Erfolgsgeschichte für ein großes europäisches Projekt

s dauerte zwar noch zwei Jahre, bis die Gründung formal erfolgte, doch der Initialfunke von Kolbermoor hatte gezündet. Nach einer legendären achtstündigen Sitzung in Arles-sur-Tech (Frankreich) scheiterte man 1999 erst einmal am französischen Vereinsrecht. 2000 gelang dann die Gründung nach deutschem Vereinsrecht in Olbernhau. Die Bürgermeister und Vertreter von sechs Kommunen reichten sich die Hand: Olbernhau, Stolberg, Kolbermoor (Deutschland), Arles-sur-Tech (Frankreich), Ybbsitz (Österreich), Mynämäki (Finnland) und Gniew (Polen). In den folgenden Jahren kamen immer wieder neue Mitglieder dazu. Alle fühlen sich der Schmiedearbeit, der Eisentradition, der zeitgemäßen Metallgestaltung oder der Metallverarbeitung verbunden. Kolbermoor war über alle Jahre treibende Kraft im Ring der Schmiedestädte, obwohl hier bis auf die Werkzeug-Schmiede zu Zeiten der Torfgewinnung keine große Eisentradition vorhanden war. Die Mangfallstadt profilierte sich jedoch durch die Mitgliedschaft europaweit als Eisen-Stadt gegenüber der Holz-Stadt Rosenheim. Seit zwei Jahren fungiert Bürgermeister Peter Kloo als Vizepräsident im Ring in kollegialer Zusammenarbeit mit Präsident Hans Alberse aus Oude IJsselstreek (Niederlande).

Die Mitgliedgemeinden des Ringes der Europäischen Schmiedestädte e. V. Deutschland: Friesoythe (Niedersachsen/Oldenburger Land) Kolbermoor (Bayern/Oberbayern) Olbernhau (Sachsen/Erzgebirge) Stolberg (Rheinland) Italien: Acireale (Sizilien/Provinz Catania) Bienno (Lombardei/Provinz Brescia) Stia (Toskana/Casentino) Österreich: Bad Hall (Oberösterreich/Steyrer Land) Ybbsitz (Niederösterreich/Bezirk Amstetten) Ukraine: Donezk (Ostukraine/Revier Donbass) Ivano-Frankivsk (Westukraine/Galizien) Frankreich: Arles-sur-Tech (Languedoc-Roussillon) Valbonne (Departement Alpes-Maritimes)

Foto: Peter Elgaß

Gniew (Polen, im Norden bei Danzig) Lipnik nad Becvou (Tschechische Republik) Mynämäki (Finnland/nordwestlich von Turku) Oude-IJsselstreek (Niederlande/Gelderland) Ovre Eiker (Norwegen/Region Drammen)

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Neue Kandidaten: Uljanovsk an der Wolga (Russland) und Campdevánol (Spanien/Region Girona)


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Ehrung

Große Anerkennung Die Habermann-Preisverleihung

Fotos: Susanne Elgaß, Peter Elgaß

Im Rahmen der Biennale in Kolbermoor verleiht der Internationale Fachverband Gestaltender Schmiede e.V. (IFGS) zum dritten Mal den »Professor-Alfred-Habermann-Gedächtnis-Preis«

Preisübergabe des Alfred-Habermann-Gedächtnis-Preises in Kaiserslautern: Heinz Denig (links) ehrt Havard Bergland (rechts) mit einer Sonnenscheibe aus Damaszenerstahl

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ieser Preis wird verliehen an internationale Persönlichkeiten oder Institutionen, die sich um die Metallgestaltung, die Schmiedekunst und das Schmiedehandwerk verdient gemacht haben. Mit seinem Namenspatron erinnert der Preis an den am 28. April 2008, wenige Tage vor seinem 75. Geburtstag verstorbenen Alfred Habermann, dem in Kollegenkreisen ehrfurchtsvoll das Attribut »Schmiedepapst« zugesprochen wurde. Der Kunstschmied aus dem tschechischen Jihlava (Iglau), der später eine Werkstatt in Simbach am Inn führte und seinen Lebensabend hoch geachtet und bis zum letzten Tag ak-

tiv in der österreichischen Schmiede-Partnergemeinde Ybbitz verbracht hat, prägte wie kein zweiter Kunstschmied im 20. Jahrhundert Generationen junger Kollegen. Auf vielen Auslandsaufenthalten, mit dem Schmiedefest Hefaiston auf Burg Helfstyn in Tschechien, mit seiner Lehrtätigkeit am Europäischen Zentrum für Berufe in der Denkmalpflege auf der Insel San Servolo bei Venedig, in ungezählten Kursen und Workshops und mit großen Arbeiten und Kunstwerken, hat Habermann die Metallgestaltung weltweit nachhaltig beeinflusst. Erster Preisträger war 2008 Heinz Denig aus Tripp-


stadt in der Pfalz, der für seine fundamentalen Forschungen auf dem Gebiet des Damaszenerstahles weltweit bekannt ist. Seine unermüdliche Arbeit in der Werkstatt und auf vielen Schmiedetreffen quer durch Europa hat Schmiede dazu gebracht, über ihre Herkunft nachzudenken. Die Auszeichnung gilt auch seinem unermüdlichen Bestreben, sein Wissen und seine Erkenntnisse dem Kollegenkreis zugänglich zu machen, nicht zuletzt durch seine beiden Bücher »Alte Schmiedekunst Damaszenerstahl« Band 1 und 2, die in vielen Auflagen erschienen sind. Der zweite Preisträger war 2010 der norwegische Schmied und Schmiedelehrer Havard Bergland. Bergland ist bekannt für seine wunderbaren Damaszenerstahl-Arbeiten und seine Dreilagen-Äxte. Als Buchautor hat sich Havard Bergland mit seinem “Erstling”, dem Buch “Messerschmieden” einen Namen in der Szene gemacht. Noch bekannter wurde er mit “Die Kunst des Schmiedens”, einem Grundlagen-Buch, das auch in deutscher und englischer Sprache erschienen ist. Die Recherchearbeiten dafür dauerten mehrere Jahre und führten Bergland zu den Schmiedeveranstaltungen in ganz Europa. Der Preis wurde dem Norweger, der bei der diesjährigen Biennale auch als Referent auftritt, in Kaiserslautern bei der großen Metallgestalter-Ausstellung 2011 übergeben. Das Prinzip des »Professor-Alfred-Habermann-Preises« ist, dass der vormalige Preisträger seinem Nachfolger eine passende Auszeichnung in Metall herstellt. Wie jener von Havard Bergland gestaltet ist, vor allem aber, wer Heinz Denig und Havard Bergland als dritter Habermann-Preisträger nachfolgt, das ist bei der Biennale in Kolbermoor ein Geheimnis bis zum Samstagabend. Erst dann wird IFGS-Präsident Cornelis Pronk zusammen mit Havard Bergland den Preis zum dritten Mal übergeben. Wir sind sicher, dass der neue Preisträger nicht im Traum daran denkt, dass er “dran” ist.

An den Schmiedepapst Alfred Habermann (oben) erinnert der Preis, der alle zwei Jahre durch den IFGS übergeben wird. Alfred Habermann war 1998 Gast beim Schmiedetreffen in Kolbermoor (Foto links)

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Im Portrait

Acireale: Der Südpol im Ring der Schmiedestädte Die Stadt an der Meerenge von Messina gilt als die Keimzelle der modernen Schmiedekunst auf Sizilien. Der bekannte Schmied Pippo Contarino holte auch die Schmiedetradition der Insel wieder ins Bewußtsein zurück

Im Zentrum der Stadt Acireale befindet sich die Piazza Duomo mit der Basilika Santi Pietro Paolo

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cireale trat 2003 mit einem Paukenschlag als Schmiedestadt in Erscheinung. Bei einem internationalen Schmiedetreffen vor dem Rathaus wurde das Thema “Die Mystik des Ätna” in Metall verarbeitet. Triebfeder der vorausgegangenen und der nachfolgenden “schmiedischen Aktionen” war und ist der vollbärtige Pippo Contarino. Er hält die Fäden zusammen und wirkt auch weit über die Stadtgrenzen hinaus als “Maestro” der Schmiede Siziliens. Contarino setzte den Hammerschlag, der nun auch in andere Orte der Insel hallt, so z. B. nach San Marco d’Aluncio und Mazara del Vallo. Es ist der Initiative von Pippo Contarino und seiner Heimatstadt Acireale zu verdanken, dass die jahrhundertealte Schmiedetradition auf Sizilien wieder ins Bewusstsein der internationalen Szene gerückt ist. Die Altstadt von Acireale ist ein lebender Beweis: Überall

sind historische Balkonbrüstungen, Tore, geschmiedete Zäune, Ausleger und Gitter zu sehen. Sie stammen aus den unterschiedlichsten Epochen. Leider sind nicht alle in einem befriedigenden restaurierten Zustand. Seit dem ersten internationalen Schmiedetreffen im Jahre 2003 ist es wieder etwas ruhiger geworden um die schmiedischen Aktivitäten in Acireale. Damals verstanden es die Organisatoren hervorragend, die Siegerehrung des Schmiedewettbewerbes mit einer Modenschau zu verbinden. In solchen “Darstellungskünsten” sind die italienischen Organisatoren als Erfinder der Commedia dell Arte und klassischen Opera uns Mitteleuropäern um Meilen voraus. Acireale ist bei den Zusammenkünften im Ring der Europäischen Schmiedestädte e.V. als südlichstes Mitglied regelmäßig vertreten.


Fotos: Stefan und Peter Elgaß

Acireale/Catania, die Stadt am Ätna Die südlichste Stadt im Ring der Europäischen Schmie destädte liegt an der Ostküste Siziliens. Die Bewohner haben bei klarem Wetter nicht nur den aktivsten Vulkan Europas im Blick, sondern auch seine Lavaasche in der Nase. Als Schmiedestadt kann Acireale auf eine lange Tradition zurückblicken. Viele Beispiele historischer Bal kone, Gitter und Tore zieren noch heute das Stadtbild. Auf dem Gebiet der heutigen Stadt stand die 731 v. Chr. gegründete griechische Stadt Xiphonia. Acireale ent stand im 14. Jahrhundert durch Zuzug aus anderen sizilianischen Küstenorten. Einwohner: 53.000 Fläche: 39 Quadratkilometer Bevölkerung: 1362 Einwohner/qkm Bürgermeister: Nino Garozzo Internet: www.comune.acireale.ct.it

Nur wenige Schritte vom Stadtzentrum entfernt öffnet sich der Blick auf das Meer in der Straße von Messina. Pippo Contarino mit seinem Rauschebart ist der Mentor der Schmiede. Auf den Foto oben wurde Schmiedearbeit mit Modenschau verbunden

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Im Portrait

Im Tal des Eisens wo die großen Hämmer klingen In Bienno, gelegen im Val Camonica in der Provinz Brescia, atmet der Besucher Eisengeschichte: Über Jahrhunderte wurde das Dorf in den lombardischen Alpen vom Schmiedehandwerk geprägt. Gegen das Verschwinden stemmt sich der Verein »Scuola in Fucina«

Am Hügel angelehnt ist der alte Teil Biennos. Im Zentrum drängen sich die Häuser dicht an dicht. Viele der schmalen Gassen lassen nur Platz für Fußgänger

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uf 450 Metern Meereshöhe, 70 Kilometer nördlich von Brescia, trägt Bienno den Beinamen »Altes Hammerdorf« (Antico Borgo di Magli). Es ist umgeben von zahlreichen Berggipfeln, und seit jeher versorgen die Flüsse die Wasserräder, um die schweren Hämmer in den Hammerschmieden anzutreiben. Wer durch die engen Gassen im Zentrum des knapp 3500 Einwohner zählenden Dorfes schlendert, entdeckt hinter jeder Ecke metallene Zeugen der Vergangenheit. Seit zwei Jahren ist Bienno Mitglied im Ring der Europäischen Schmiedestädte. Bei den bisherigen zwei Schmiedetreffen kamen Kunstschmiede aus einigen Ländern Europas nach Bienno, um den Besuchern ihr Handwerk zu präsentieren und sich in einem Wettbewerb zu messen. Neben der Eisenarbeit pflegt der Ort auch modernes Theater und Tanzperformance von erstaunlichem Niveau. Der 2010 gegründete Verein “Scuola in Fucina” hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Tradition sichtbar zu halten und vor allem die der

Hammerschmiede, für die Bienno berühmt ist. Unter anderem im Museo Etnografico del ferro, delle arti e delle tradizioni popolari (Fucina Museo) führen Metallgestalter das althergebrachte Handwerk vor. Der Hammer wie auch die Schleifen und die Luftversorgung der Essen werden dabei mit Wasserrädern in Bewegung gesetzt. Auf der Hauptstraße, der Via Contrizio, wurden am letzten Wochenende im Mai zur 2. Biennale 2012 hammergeschmiedete Handwerks-Erzeugnisse aufgestellt, darunter Sicheln, Schaufeln, Hacken und andere landwirtschaftliche Geräte, die im Schmiede-Museum produziert wurden. Parallel zur Biennale konnten die Besucher eine Ausstellung im nächstgelegenen Gebäude, dem »Palazzo Simoni Fe«, bewundern. Zu sehen waren Arbeiten zahlreicher Künstler, darunter auch Skulpturen des Italieners Gianpietro Abeni (»Gineba«). Auch bei kommenden Biennalen soll in diesem grandiosen Palazzo Metallkunst zu sehen sein. Somit schließt sich der Kreis zwischen Tradition und Moderne wunderbar.


Fotos: Susanne Elgaß

Bienno/Brescia in der Lombardei In diesem versteckt gelegenen Ort in Valcamonica drehen sich die Räder der Zeit noch sichtbar. Vier alte Schmiedebetriebe mit großen Fallhämmern drehen sich, getrieben von frischem Gebirgswasser. Der Verein, der sich um die Erhaltung der alten Anlagen kümmert, hat erkannt, dass nur durch regelmäßigen Betrieb die Wasserräder und Hämmer betriebsfähig bleiben. Nur noch im österreichischen Ybbsitz finden sich europa weit ähnlich viele Schmiede-Denkmäler. Bienno kann darüber hinaus auch eine perfekt restaurierte Mahlmühle mit Wasserbetrieb vorzeigen. Wer genauer hinsieht, findet aber auch Ruinen von Schmiedewerken, die auf eine pflegende Hand warten.

Noch immer werden an den Fallhämmern traditionelle Werkzeuge hergestellt (Foto oben). Beim Schaubetrieb zeigen die überwiegend älteren Schmiede, wie in wenigen Arbeitsgängen Brecheisen und Hebewerkzeuge entstehen. Im Museum sind die Fertigungsschritte dokumentiert

Einwohner: 3.600 Fläche: 30 Quadratkilometer Bevölkerung: 121 Einwohner/qkm Bürgermeister: Massimo Maugeri Internet: www.comune.bienno.bs.it

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Im Portrait

Stia: Geburtsort aller europäischen Schmiedetreffen

Fotos: Viola und Peter Elgaß

Im Jahre 2013 findet in Stia die 20. Biennale statt. Vor 37 Jahren, im Jahre 1975, rief der kleine Ort in der Toskana erstmals zu einem Schmiedetreffen. Damit kann Stia von sich behaupten, den Reigen der neuzeitlichen Schmiedetreffen eingeläutet zu haben

Mit Bewunderung beäugen die Besucher bei der Schmiedeweltmeisterschaft die Arbeiten der einzelnen Teams aus den verschiedenen Ländern

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iele Jahre lang war Pierluigi della Bordella der Motor dieses ersten internationalen Schmiedetreffens. Die Organisatoren haben dem Gründer ein bleibendes Denkmal gesetzt, indem sie bei der Schmiedeweltmeisterschaft, die alle zwei Jahre stattfindet, einen zeichnerischen Entwurfswettbewerb nach ihm benannt haben. Im Jahre 2003 entschieden die Organisatoren der Biennale dann, erstmals Weltmeisterschaften für Schmiede auszurufen. Damit etablierte sich Stia auch über Europa hinaus als das Zentrum der Schmiede in Italien. Die kleine Gemeinde im Naturreservat Casentino war im Jahre 2000 dabei, als in Kolbermoor über die Gründung des Ringes der Europäischen Schmiedestädte verhandelt wurde - und Stia behält als Gründungsmitglied noch heute eine wichtige Rolle im Ring - auch wenn sie zu den kleinsten Mitgliedsorten gehört. Kolbermoor und Stia verbindet inzwischen nicht nur die Schmiedekunst. Auch auf musikalischem und sportlichem Sektor finden zwischen den beiden Partnern gegenseitige Besuche statt. Zuletzt waren Anfang des Jahres die Kolbermoorer Schäffler in der Toskana und führten dort altes bajuwarisches Brauchtum vor.

Im Gegenzug ist Stia heuer in Kolbermoor mit seinem “zweitwichtigsten Markenzeichen” vertreten: mit den Kostümen und Masken des Carnevale. Neben Venedig und Arco hat sich Stia zur Karnevals-Hochburg in Italien entwickelt. Dieses Jahr im September wird wieder eine große Reisegruppe aus Stia in Kolbermoor erwartet. Die Veranstalter der Biennale in Kolbermoor haben ganz bewusst ihr Schmiedetreffen um ein Jahr versetzt zur Biennale in Stia angesetzt. So stören sich die beiden Großveranstaltungen nicht. Bei der letzten Schmiedeweltmeisterschaft in Stia gab es so viele Anmeldungen, dass die Teilnehmer zwei ganze Tage von 8 bis 24 Uhr durcharbeiten mussten in der Nacht auf Sonntag sogar bis in den frühen Morgen hinein. Unter den Preisträgern in Stia waren in letzter Zeit fast immer auch deutsche Schmiede vertreten. Sogar zweimal hintereinander wurde das heimische Team Walter Still/Tom Carstens Vizeweltmeister. Stia ist nicht nur zu Biennale-Zeiten eine Reise wert. Im Ort gibt es gut ein halbes Dutzend hervorragende Speiselokale mit landestypischer Küche und der Wein der Region genießt unter Kennern einen ausgezeichneten Ruf. Eine kleine Kostprobe davon wird es bei der Biennale Anfang August in Kolbermoor geben: Im Festzelt werden im Rahmen von ”Fratelli di Ferro” auch Stianer Pasta-Spezialitäten angeboten.


Schmieden und Feiern beides hat in Stia seinen festen Platz (ganz oben). Wenn Bürgermeister Luca Santini auf zwei Handys gleichzeitig ruft, dann strömen tausende von Besuchern zur Siegerehrung (oben). Ansonsten geht es eher beschaulich zu in Stia

Stia/Toskana: Perle des Casentino Die nördlichste Gemeinde der Provinz Arezzo. Der Name leitet sich vom Fluss Staggia ab. Stia wurde erstmals im Jahre 1053 erwähnt. Der Ort liegt im Naturschutzgebiet Casentino. Stia ist Gründungsmitglied im Ring der Europäischen Schmiedestädte. Seit 37 Jahren gibt es die Biennale in Stia (20. Biennale 2013). Seit 2003 wird die Schmiedeweltmeisterschaft dort ausgetragen. Einwohner: 3000 Fläche: 63 Quadratkilometer Bevölkerung: 48/qkm Bürgermeister: Luca Santini Internet: www.comune.stia.ar.it

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Zum Mitsingen: Das Schmiedelied

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eit Jahren kursiert zur Melodie von Guiseppe Verdis Gefangenen-Chor aus der Oper Nabucco das Schmiede-Lied. Die erste Zeile des Refrains hat sich zum gerne angestimmten Trinklied auf den Schmiedetreffen entwickelt. Schmiedemeister Johann Reif aus Moosburg hat nun alle jemals mündlich überlieferten Strophen zusammengeschrieben. Die Anfangs-Zeilen sind inzwischen auf allen Schmiedetreffen Europas »zu Hause«. Ja hörst du das, was ist es denn? Ich glaub, es ist ein Schmied. Ja, ja – es ist der Ambossklang, er spielt das Schmiedelied:

Refrain: Überall auf der Welt... Das Feuer brennt, die Esse raucht, ich glaub da ist ein Schmied. Ja, ja – ich riech’ den Schwefelrauch und sing’ das Schmiedelied. Refrain: Überall auf der Welt... Der Nagler und der Messerer und alle andern Schmied’, die Schlosser und Gestaltersleut’, sie spiel’n das Schmiedelied Refrain: Überall auf der Welt...

Der Textdichter Johann Reif wird das Schmiedelied sicher auch bei der 9. Biennale wieder vortragen

Refrain: Überall auf der Welt gibt es Schmiede, ja, überall wo ein Amboss klingt, wo man das Schmiedelied singt. Das Eisen glüht, die Funken sprühn, ich glaub da ist ein Schmied. Ja, ja – es ist der Ambossklang, er spielt das Schmiedelied.

Und wenn es langsam dunkel wird, dann geh’n die Feuer aus. Der Schmied, zufrieden mit dem Werk, geht müde dann nach Haus. Refrain: Überall auf der Welt... Text: Johann Reif /Musik: Verdi/Reif; D-Dur

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Was ist los?

Das Programm für die Fachbesucher So viel Fachinformationen wie diesmal gab es in Kolbermoor bei der Biennale noch nie! Elf Vortäge und eine ganze Reihe von Demonstrationen erwarten die Besucher. Weil Italien 2012 unser Gastland ist, werden die meisten Referate ins Italienische übersetzt. Einige Anbieter von Maschinen und Werkzeugen sind vor Ort

DONNERSTAG, 2. AUGUST 19 Uhr Feierliche Eröffnung mit den Grußworten von Vertretern der Stadt Kolbermoor und der Verbände. »Fratelli di Ferro«: Begrüßung der italienischen Partner und gemütliches Beisammensein

FREITAG, 3. AUGUST 8.30 Uhr -19 Uhr Öffnung des Biennale-Büros in der Schule 9 Uhr MECU-Schmiedeworkshop mit Michael Ertlmeier 9 - 20 Uhr Schmiedevorführungen und Schauschmieden 10 Uhr Referat 1: Havard Bergland – Eine Axt entsteht 11 Uhr Referat 2: Professor Heiner Zimmermann – Steneby, die Hochschule in Schweden

Viel Betrieb wird am Schmiedeplatz in Kolbermoor am Samstag beim Nachtschmieden sein (oben). Zwei Referate beschäftigen sich mit Damaszenerstahl (unten)

12.30 Uhr Referat 3: Wolfgang Hafner, Leiter ESSN Marketing Deutschland, Hewlett-Packard – Produktgestaltung, Marketing und Sponsoring 14 Uhr MECU-Schmiedeworkshop mit Michael Ertlmeier

Fotos: Archiv HEPHAISTOS

14 Uhr Referat 4: Ulrich Gerfin – Auswirkung der Muster auf den Leistungsdamast 15.30 Uhr Referat 5: Cornelis Pronk – Pulvermetallurgischer Damaszenerstahl 17 Uhr Referat 6: Bibbiena-Projekt – Die italienischen Schmiede stellen ein StadtEntwicklungskonzept vor 18.30 Uhr Schmiedegottesdienst 19.30 Uhr Deutsch-italienischer Freundschaftsabend »Schweinebraten trifft Pasta«

SAMSTAG, 4. AUGUST 8.30 Uhr - 19 Uhr Öffnung des Biennale-Büros in der Schule 9 - 22 Uhr Schmiedevorführungen und Schauschmieden 18

9 Uhr MECU-Schmiedeworkshop mit Michael Ertlmeier 9.30 Uhr Referat 7: Heiner Zimmermann – Schmieden: Fluch oder Segen 11 Uhr Referat 8: Dr. Leonhard Müller/DI Jürgen Jantschgi – von den Himmelberger Zeughammerwerken: »Emotionalisierung der Axt – Herkunft trifft Zukunft« 12.30 Uhr Referat 9: Benedikt Riesch – Sachgerechte Fotografie und Metallgestaltung 14 Uhr Referat 10: Sandra Geruschkat – Moderne Präsentationsformen in der Metallgestaltung: Fotobuch – Flyer – Drucksachen, Marketing und Aktionen 14 Uhr MECU-Schmiedeworkshop mit Michael Ertlmeier 15.30 Uhr EN 1090 – Sachstandsbericht und Diskussion: Uwe Weber, Cornelis Pronk und Josef Moos berichten 17.30 Uhr Referat 11: Peter Schlemmer: Wasserstoff: Energie der Zukunft – Energie für die Schmiede? 18.30 Uhr Vorstellung der verschiedenen Projekte im Ring der Europäischen Schmiedestädte 20 Uhr Nachtschmieden und Abend im Festzelt, Vorstellung des neuen Alfred-Habermann-Gedächtnis-Preisträgers und Übergabe des vom letzten Preisträger Havard Bergland gestalteten Preises an den neuen Preisträger

SONNTAG, 5. AUGUST 8.30 Uhr - 12 Uhr Öffnung des Biennale-Büros in der Schule 10 Uhr Frühschoppen 10–12 Uhr Schmiedevorführungen und Schauschmieden 11 Uhr MECU-Schmiedeworkshop mit Michael Ertlmeier 11 Uhr Versteigerung der geschmiedeten Arbeiten am Platz vor der Musikschule oder im Festzelt am Schmiedeplatz



Ausstellung

Metallgestaltung im Rosengarten der Spinnerei Vor zwei Jahren stellte eine Gruppe deutscher Metallgestalter im Rosengarten aus - dieses Jahr präsentieren wir eine Gruppe italienischer Künstler. Der Bogen der Ausstellungsstücke spannt sich vom künstlerisch gestalteten Mobile über griechische Körper bis hin zu Gebrauchsgegenständen wie Bänken und Kinderspielgeräten

Das Schaukelpferd (ganz oben) ist eine Gemeinschaftsarbeit von fünf Schmieden. Darunter eine Feuerschale von Gianluca Volonterio. Die rote Bank hat Roberto Giordani entworfen und gebaut. Das Windspiel mit den Vögeln (großes Foto) hat Mario Converio gestaltet

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er alle neunzehn Skulpturen und Schmiedearbeiten der italienischen Künstler Roberto Giordani, Jadran und Martino Stenico, Mario Converio, Gianluca Volonterio, Roberto Magni, Giovanni Martini und Roberto Bottero im Rosengarten finden will, muss ein gutes Auge haben. Denn es ist nicht ganz leicht, in diesem wunderbaren Ambiente auszustellen. Fast zu perfekt ist die Anlage gestaltet. Darüber hinaus gibt es in der Schmiedeszene das geflügelte Wort: “Luft ist gefräßig!” Das will sagen, dass selbst schwere Metall-Objekte nicht umbedingt massiv wirken. Gerade wer die “Vögel” von Mario Converio betrachtet, merkt schnell, dass der Künstler genau das Gegenteil bewirken will: filigrane Leichtigkeit. Wir danken unseren italienischen Freunden für die Leihgaben und bitten ganz herzlich darum, dass die Kolbermoorer Bürger ein waches Auge auf die Arbeiten haben. Sie sollen im Oktober wieder heil nach Italien gebracht werden.

Eine Anleihe bei der griechischen Klassik hat Mario Converio für seinen Mann (Uomo, links) genommen statt aus Stein ist der Körper aber in Blech getrieben

Der “Vogel” (ganz oben) stammt aus den Atelier von Roberto Giordani. Die Bank und die Frauenskulptur (re.) haben Jadran und Martino Stenico entworfen und hergestellt

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Zuschauen

Voll das Leben auf dem großen Schmiedeplatz

Fotos: Susanne Elgaß, Stefan Elgaß

Schmieden mit Kindern, Axtvorführungen live, Metallformen und -gießen, Verkauf von Schmiedearbeiten, Schmiedebücher aus aller Welt, Ausstellungen, die große Versteigerung von Schmiedearbeiten und ein reichhaltiges kulinarisches Angebot aus Italien und Bayern, dazu Maxlrainer Bier und gepflegte italienische Weine - das alles erwartet Sie bei der 9. Biennale der Schmiede in Kolbermoor - schauen Sie vorbei!

Die Kinder spielen wieder eine große Rolle bei den Schmieden. Für sie sind hezer fünf Schmiedefeuer reserviert

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ie Organisatoren der Biennale von Kolbermoor sind an allen Arbeitsplätzen auf hohen Sicherheitsstandard bedacht. Das gilt sowohl für die Schmiedeplätze der Profis, als auch für die fünf Schmiedeplätze zum Schmieden mit Kindern. Viel zu oft wird einfach sorglos mit den Kleinen auf dem Amboss losgehämmert. In Kolbermoor gibt es das nicht. Die Vorbereitung auf das Schmieden ist genauso wichtig, wie die Arbeit an sich. Wir machen schon das Einkleiden und Ausrüsten zu einem eigenen spannenden “Event”. Es gibt für die Kinder unterschiedlich große Schmiedeschürzen. Wenn die Schürzen übergezogen sind, wird eine Schutzbrille angepasst. Danach werden passende Handschuhe ausgesucht und angezogen. Sogar Schutzgamaschen für die Schuhe gibt es. Denn nicht wenige Kinder sind im Sommer nur mit Sandalen unterwegs. Nicht auszudenken, wenn da ein Stück Zun-

der von Amboss auf die offenen Schuhe fiele. Selbst die Arbeitshöhe ist wichtig. An den Schmiedeplätzen gibt es unterschiedlich große Ambosse. Trittstufen stehen ebenfalls zur Verfügung. Trotz aller Vorbereitung: Wir bitten vor allem die Eltern um Geduld. Wartezeiten sind nicht zu vermeiden. Und Kinder verstehen es oft besser zu Warten, als deren Eltern. Sicherheit ist aber auch an den Profi-Plätzen wichtig. Stromkabel sind sicher verlegt und Werkzeug wird feinsäuberlich vorbereitet - das ist vor allem beim Nachtschmieden von Vorteil. Alle Schmiede werden gebeten, die Plätze sauber zu halten und Flex- oder Feuerschweißarbeiten hinter den aufgestellten Plexiglasscheiben vorzunehmen. Die Zuschauer werden gebeten, hinter den Absperrungen zu bleiben. Gleiches gilt auch für alle Stände, an denen gearbeitet wird. Der Sicherheitsabstand verhilft auch vielen Zuschauern zu einer guten Sicht auf das Geschehen.


Könner präsentieren ihre Fertigkeiten

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etall in vielen Formen und Phasen: Am Stand von Volker Allexi können Sie live verfolgen, wie Metall gegossen wird, wie Formen für den Guss gebaut werden und wie die Weiterverarbeitung individuell gestalteter Gussprodukte erfolgt (Foto rechts). Volker Allexi war viele Jahre in einer Fördereinrichtung schwer vermittelbarer Jugendlicher tätig und hat seine “Gießwerkstatt” nach pädagogischen Gesichtspunkten ausgerichtet. Wir freuen uns, dass wir auch 2012 wieder diesen lehrreichen Stand in Kolbermoor dabei haben. Während bei Allexi die Entstehung der Metallformen beobachtet werden kann, bietet der Verkaufsstand des Internationalen Fachverbandes Gestaltender Schmiede (IFGS) fertige Metall-Produkte in exzellenter Qualität. Hier verkaufen die Teilnehmer Kunst, Gebrauchsgegenstände, Schmuck und Einrichtungs-Accessoires aus eigener Werkstatt (Foto ganz rechts). Diesen Stand sollten Sie keinesfalls versäumen. Je früher Sie ihn besuchen desto größer ist die Auswahl!

Wir wünschen alle Teilnehmern und fleißigen Helfern eine erfolgreiche BIENNALE der Schmiede. Das gesamte Team der

Grillparzerstraße 1 – 83059 Kolbermoor Telefon 08031-299080 – Fax 08031-99713 23


kurz+bündig

Kommt alle zur Versteigerung! Seit der ersten Biennale ist die Auktion der vor Ort geschmiedeten Gegenstände eine gute Tradition. Die Veranstalter vom Europäischen Zentrum für Zeitgemäße Metallgestaltung e.V. finanzieren einen Teil der Biennale über diese Versteigerung

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wei Bitten haben die Organisatoren: Von den Schmieden, die in Kolbermoor Vorführungen am Feuer machen, hätten wir gerne die Arbeiten für die Versteigerung am Sonntag um 11 Uhr zur Verfügung gestellt. Es dürfen naürlich auch mitgebrachte Arbeiten zur Verfügung gestellt werden. An die Besucher der Biennale geht die zweite Bitte: Kommt alle zahlreich zum Frühschoppen am Sonntagvormittag. Nicht nur wegen der hervorragenden deutsch-italienischen Küche am Schmiedeplatz, sondern vor allem wegen der Versteigerung. Es gibt wunderbare, zum Teil noch feuerwarme Schmiedearbeiten

“Hurra, ich hab die Libelle ersteigert!”

zu ersteigern. Frauen, bringt eure Männer mit und sagt ihnen, für welche Arbeiten sie ihr Gebot abgeben sollen. Männer, bringt eure Frauen mit, weil sie sowieso den besseren Geschmack haben - und achtet darauf, dass sie die Haushaltskasse dabei haben. Seit der ersten Biennale 1996 ist die Versteigerung der Schmiedearbeiten ein fester Programmbestandteil. Er hilft den Schmieden, die Biennale zu finanzieren. Ein Kuriosum am Rande: Nur bei einer Biennale hatten wir alle Tage schönes Wetter. Aber bei allen Schmiedetreffen in Kolbermoor war der Himmel bei der Versteigerung strahlend blau.

Ausstellung im Mareis-Saal

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ie Teilnehmer der Biennale kommen nie mit leeren Händen. Alle bringen aus ihren Werkstätten kleinere Arbeiten zur Ausstellung nach Kolbermoor mit. Erstmals wird Janny Huismann mit ihrem Team aus den Niederlanden die Gestaltung und den Aufbau der Ausstellung im Mareis-Saal betreuen.

Ab Freitagmittag, 3. August ist der Saal mit den Ausstellungsstücken aus Europas Schmiedewerkstätten geöffnet. Am Samstag, 4. August eröffnet die Schau der Schmiedearbeiten um 10 Uhr und ist bis 21 Uhr zu bewundern. Am Sonntag sind die Öffnungszeiten von 9 bis 11 Uhr begrenzt.

Was passiert da im schwarzen Zelt?

Z Fotos: Volker Wille, Stefan Elgaß

um zweiten Mal ist die Firma MECU mit ihrem neuen Material Ecoform, einer besonders gut schmiedbaren Bronzelegierung, vor Ort. Im Gegensatz zum Eisen erkennt man die Glühfarben beim Schmiedes dieses Materials nur schwer. Darum finden die Schmiedekurse für dieses Material in einem schwarzen Pfadfinderzelt statt. Diesmal interessieren sich vor allem die italienischen Schmiede für Ecoform, denn das Material ist in Italien fast noch unbekannt. Die Schmiedekurse mit Ecoform werden vom Kolbermoorer Schmiedevertreter in Ring der Europäischen Schmiedestädte, Michael Ertlmeier, gehalten.

Vergebliches Warten auf Bouzou

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r war viele Jahre eine feste Größe bei unseren Schmiedetreffen in Kolbermoor. Heuer werden nur seine filigranen Silberschmiedearbeiten in Kolbermoor zu sehen und zu kaufen sein. Unser Tuareg-Silberschmied kann wegen der Bürgerkriegswirren in seiner Heimat in Westafrika nicht selbst kommen. Wir haben auch keine konkreten Nachrichten, wie es ihm ergangen ist. Das Orga-Team hofft, dass Bouzou wohlauf ist und wir freuen uns auf ein Wiedersehen hoffentlich bei der nächsten Biennale 2014. 24



Was ist los?

Die Sache mit den Ringen Auf dem Kreisverkehr Hasslerstraße/Brückenstraße befindet sich die Ring-Skulptur, die im Jahre 1998 beim zweiten Schmiedetreffen in Kolbermoor fertiggestellt wurde. 14 Jahre später, bei der 9. Biennale soll daran weitergearbeitet werden

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Für die Kolbermoorer ein gewohnter Anblick: Die Gründungsskulptur für den Ring der Europäischen Schmiedestädte auf dem Kreisverkehr an der Hasslerstraße. Sie soll jetzt nach und nach ergänzt werden

elmut Brummer war vor 14 Jahren der Schöpfer der Skulptur, die zur Erinnerung an die Gründung des “Ringes der Europäischen Schmiedestädte e.V.” aufgestellt wurde - kurioserweise schon vor dem offiziellen Gründungsakt der damals sieben Gründungsmitglieder. Für diese Gründungsmitglieder stehen die sieben Stelen, die oben durch einen massiven “Freundschaftsring” verbunden sind. Über diesen Ring sind kleinere, in Schmiedearbeit gestaltete Ringe gehängt. Diese Ringe wurden von Schmieden aus den damaligen Mitgliedsstädten gestaltet. Inzwischen ist der Ring der Europäischen Schmiedestädte auf 18 Gemeinden und Städte angewachsen und die Skulptur muss “nachgebessert” werden. Bei der Biennale sollen die anwesenden Schmiede aus den Mitgliedsorten die Ringe ergänzen. Es fehlen Ringe aus Bad Hall (Ö), Acireale (I), Bienno (I), Friesoythe (D), Stolberg (D), Lipnik (CZ), Oude-IJsselstreek (NL), Ovre Eiker (N), Valbonne (F), Donetzk und Ivano-Frankivsk (UKR). Es werden nicht alle Orte vertreten sein, aber nach und nach soll die symbolträchtige Figur auf dem Kreisverkehr weiter wachsen. Aus Oude-IJsselstreek kam aktuell die Nachricht, dass Bürgermeister Hans Alberse persönlich den Ring für die Niederlande in Kolbermoor fertigschmieden wird.

Praktische Einführung in die Kulturgeschichte der Äxte: mit der Axt-Collection Aus Bad Sobernheim in Rheinland-Pfalz reist Manfred Porath an. Er beschäftigt sich mit der Kulturgeschichte der Axt. An seinem Stand kann man nicht nur Schmuck-Äxte aus unterschiedlichen Metallen bewundern, er führt auch echte Äxte, Handwaffen und Spezialäxte vor. Damit ergänzt er zwei Vorträge für die Teilnehmer der Biennale

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Fotos: Stefan Elgaß, Archiv HEPHAISTOS, Volker Wille, Manfred Porath

Wieder gut gerüstet für Kolbermoor: Jan Kovar Sein Stand ist vielen kleinen und großen Kolbermoorer Bürgern bekannt. Jan Kovar aus der Tschechischen Republik ist seit vielen Jahren dabei. Allerlei Krimskrams aus Metall, aber auch wirklich sehenswerte kleinere Schmiedearbeiten bietet er zum Kauf an. Seit Jahren taucht er überall dort auf, wo Schmiede sich treffen. Jan ist fester Bestandteil der Biennale in Kolbermoor

Das Büro der Biennale im Wandel Die meisten Teilnehmer der Biennale wissen: Der erste Weg nach der Ankunft führt zur Anmeldung ins Biennale-Büro. Dort erwartet sie diesmal eine handfeste Überraschung. Das Büro befindet sich noch immer dort wo es immer war - in der Grundschule am Schmiedeplatz. Afra Elgaß, unterstützt von ihrem Familien-Team, residiert nicht mehr im einfachen Werkraum. Sie “empfängt” vornehm in der Schul-Mensa. Des Rätsels Lösung: Die Stadt Kolbermoor hat das Schulgebäude gründlich renoviert und umgestaltet. Der alte Werkraum wurde zur gepflegten Mensa. Damit Sie einen Vergleich haben, auf dem Foto oben ist das alte Werkraum-Büro abgebildet

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Visionen

Schmieden für den Sieg Russische Schmiede planen für Olympia Die Winterspiele 2014 in Sotschi am Schwarzen Meer sollen nicht ohne Beteiligung der Schmiede stattfinden. Das ist die Überzeugung des russischen Schmiedeverbands-Vorsitzenden Alexander Romanov. In seine Planungen sind auch die Schmiede Europas eingebunden. Eine “Vorveranstaltung” könnte auch in Kolbermoor stattfinden

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liches Fest der Sportler. Die Schmiede sind die Botschafter von Freundschaft und Frieden über Ländergrenzen hinweg. “Was liegt also näher”, so Romanov, “als Sport und Schmiede zusammenzubringen unter dem Motto: Feuer und Eis.” Bei den verschiedenen Stationen, die das russische Schmiede-Team in den 17 Mitgliedsstädten des “Ringes der Europäischen Schmiedestädte e.V.” im Juni, Juli und August 2013 machen will, können nach Ansicht des Präsidenten der russischen Schmiedevereinigung auch Präsente und Medaillen geschmiedet werden, die als Souvenir verkauft werden sollen. Über die Idee der Schmiedevereinigung aus Russland wird im September bei der Hauptversammlung des Ringes in Donetzk/Ukraine entschieden. Man erwartet dazu noch genauere Angaben über den Ablauf der “Schmiede-Rallye 2013” durch Europa. Romanov ließ inzwischen verlauten, dass auch der russische Präsident Putin, den er schon mal als Zuschläger engagieren konnte (siehe Foto oben), Romanovs Idee gut findet. Über den Fortgang der Idee - auch für Kolbermoor - wird aktuell im Mangfall-Boten berichtet. Fotos: Archiv HEPHAISTOS und Susanne Elgaß

In Sotschi (Foto unten) finden 2014 die olympischen Winterspiele statt. Alexander Romanov (Foto unten rechts) plant mit europäischen Schmieden die Teilnahme

lexander Romanov will im Sommer 2013 mit einem Schmiedeteam verschiedene Mitgliedsstädte und -gemeinden des Ringes der Europäischen Schmiedestädte besuchen und mit den Kollegen aus den Regionen “für den Sieg schmieden”. Romanov hat mit dem russischen olympischen Komitee bereits Gespräche geführt und berichtet, dass die Organisatoren der Winter-Olympiade an seiner Idee Interesse zeigen. Er möchte eine noch nicht genau ausgearbeitete Skulptur schaffen, die während der Spiele im russischen Sotschi fertiggestellt wird. Teile dieser Skulptur möchte Romanov in den einzelnen Ring-Städten vorfertigen. Also könnte nächstes Jahr in Kolbermoor ein Teil dieser Skulptur in Zusammenarbeit zwischen bayerischen und russischen Schmieden gebaut werden. Der Präsident der Russischen Schmiedevereinigung Alexander Romanov erkennt viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Schmieden und den Winterspielen: Aus Metall sind die Medaillen, die Sportler gewinnen wollen. Die Wintersportler versammeln sich unter dem olympischen Feuer. Die Schmiede sind die Hüter des Feuers. Olympia ist ein friedliches und freundschaft-

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Symbole

Ein Rohrkolben fliegt in die östliche Ukraine Eine Kolbermoorer Wappenpflanze geht im September auf Weltreise, die andere zieht nächstes Jahr ins Rathaus der Stadt ein. Beide Schmiede-Kunstwerke wurden vom Kolbermoorer Schmiede-Beirat Michael Ertlmeier gestaltet

Fotos: Stefan Elgaß

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Die Rohrkolben (oben) sind für die Partnerstadt Donetzk in der Ukraine geschmiedet. Auf dem großen Foto rechts die Kolben für das neue Rathaus. Der Hersteller ist Michael Ertlmeier

leich zweimal musste der Kolbermoorer Schmiede-Fachbeirat Michael Ertlmeier das Wappensymbol der Stadt in Metall abbilden. Einmal gehen die Rohrkolben im September in die Schmiedepartnerstadt Donetzk im der Ost-Ukraine. Der dortige Schmiede-Beirat Viktor Burduk hat zur Hauptversammlung 2012 des Ringes der Europäischen Schmiedestädte e.V. eine Gemeinschaftsskulptur entworfen. Er nannte sein Projekt “Der europäische Blumenstrauß”. Die Schmiede aus den 18 Mitgliedsstädten sollen ca. 70 Zentimeter hohe typische Pflanzen aus der Region schmieden und nach Donetzk mitbringen oder schicken. Dort werden sie dann zu einer GesamtSkulptur vereinigt. Der Einfachheit halber haben Kolbermoor und Oude IJsselstreek (Niederlande) vereinbart, dass sie ihre Beiträge zum Blumenstrauß gemeinsam in die Ukraine schicken. Dreimal dürfen Sie raten, mit welcher Pflanze der Rohrkolben reisen darf. Der große Rohrkolben rechts ist aus Ecoform-Bronze geschmiedet. Die gefärbten Glaskolben wurden vom 72-Jährigen Wolfratshauser Glasbläser Max Roderer hohl geblasen. Michael Ertlmeier hat sie mit Schmiedebronze gefasst. Dieses 1,4 Meter hohe Kunstwerk ist laut Bürgermeister Peter Kloo für die Aula oder das Foyer des neuen Rathauses vorgesehen.

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as neue Signet der Biennale der Schmiede wurde von Bianca Elgaß (Auszubildende als Mediengestalterin) entworfen. Nachdem vor einiger Zeit der Titel der Kolbermoorer Veranstaltung von “Bayerisches Schmiedetreffen” in “Biennale der Schmiede” geändert wurde, sollte auch das Logo erneuert werden. 30


Kolbermoors Nagelbaum Die Geschichte der Nagelbäume reicht ins Mittelalter zurück. Die Tradition des “Stockes in Eisen” wurde in Kolbermoor wieder neu belebt. Der Mythos lebt weiter

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eim ersten Schmiedetreffen in Kolbermoor stand er plötzlich da, dieser frisch geschälte Fichtenklotz. Nur wenige Schmiede und Besucher konnten mit dem nackten Holzstumpf etwas anfangen. Der Mythos um den “Stock in Eisen” war fast in Vergessenheit geraten, als es immer weniger Wandergesellen gab. Die Veranstalter des Schmiedetreffens in Kolbermoor sorgten dafür, dass die Tradition wiederbelebt wurde. Die Geschichte des Nagelbaumes und die Sage, die sich um ihn rankt, ist unten geschildert. Seit dem ersten Schmiedetreffen 1996 gilt die Bitte an jeden teilnehmenden Schmied, in den Nagelbaum einen ganz persönlich gestalteten Nagel einzuschlagen. Als Zeichen: “Ich war hier”. Heute, 16 Jahre danach, stehen wieder viele Nagelbäume in den Ländern Europas. Heute sind es nicht mehr die Wandergesellen, die einfache geschmiedete Nägel in den Stamm schlagen, heute pflegen Schmiede, vom Lehrling bis zum Meister, diesen Brauch. Nagelbäume finden sich auf fast jedem Schmiedetreffen, viele Metallgestalter haben sogar vor ihrer Werkstatt einen Stamm aufgestellt. Kommt ein Kollege zu Besuch, schmiedet er einen eigenen Nagel oder bringt einen

Fotos: Tobias Schumacher. Archiv HEPHAISTOS

Stock in Eisen

Bürgermeister Peter Kloo muss den Kolbermoorer Stock in Eisen zwischen den Biennalen im Rathaus aufbewahren. Dafür darf er auch manchmal selbst den Hammer schwingen

mit. Es haben sich in den 16 Jahren echte “Markenzeichen” entwickelt. Mancher Nagel ist so typisch, dass man den Hersteller sofort wieder erkennt. So hat sich der ursprüngliche Brauch der Wandergesellen zwar verändert, aber er bleibt symbolisch erhalten. Statt der schlichten Nägel, die man im Wiener Stock in Eisen - dem Urvater der Nagelbäume - sieht, findet man heute wahre Kunstwerke in den Holzstämmen verewigt. Der erste Nagelbaum der neuen Generation, der Kolbermoorer Stock in Eisen, wird zwischen den Biennalen im Rathaus aufbewahrt. Alle zwei Jahre muss der Bürgermeister ihn jedoch auf den Schmiedeplatz bringen, damit das GemeinschaftsKunstwerk weiterwachsen kann.

Der erste “Stock in Eisen” ist in Wien unter Plexiglas ausgestellt. Er stammt aus dem Jahr 1440

Der Teufel holt den Nagelschmied

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er Stock in Eisen ist ein sagenumwobenes Wiener Wahrzeichen. Es befindet sich, von einer Plexiglaswand geschützt, seit 1891 am Equitable-Palais, Stock in Eisen-Platz 3. Die Türflügel des historistischen Gebäudes zeigen eine Darstellung der Sage. Seit 1974 steht der Stock in Eisen unter Denkmalschutz. Damals wurde er auch restauriert und wissenschaftlich untersucht. Demnach handelt sich um einen 2,19 m hohen Stamm einer zweiwipfeligen Fichte, die um 1440 gefällt wurde. Die Vorderseite ist mit Eisennägeln beschlagen (dies geschah schon, als der Baum noch lebte, bis ins 19. Jahrhundert und sogar noch beim UBahn-Bau) und von einem Eisenring mit einer Schlossattrappe umgeben. Der Baum wuchs außerhalb der Stadtmauer. Die Erstnennung - Standort bei einem Brunnen in der Mitte des heute nach

ihm benannten Platzes ("da der Stock in Eisen liegt") - erfolgte 1533. Ab dem 17. Jahrhundert setzte die Sagenbildung ein. Dabei mag die Deutung des Wahrzeichens als mythischer Mittelpunkt Wiens eine Rolle gespielt haben. Mithilfe eines Teufelspakts wurde ein Lehrbub zu einem berühmten Schlossermeister. Seine Seele war so lange vor dem Bösen sicher, als er die Sonntagsmesse besuchte. Nachdem er dies einmal wegen eines Trinkgelages unterlassen hatte, erschien der Teufel als riesiges Ungeheuer, packte den Schlosser und fuhr mit ihm in die Lüfte. Passanten fanden den zerfetzten Leichnam auf der Richtstätte. Erwiesen ist die Benagelung durch wandernde Schlossergesellen ab 1715. 1988 stellte die Schlosserinnung in ihrem Innungshaus eine Nachbildung auf, in die man heute noch nach bestandener Gesellen- oder Meisterprüfung einen Nagel einschlagen darf.

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Italien

Eine ganze Altstadt setzt auf Schmiedearbeit Wer historische Stadtkerne am Leben erhalten will, braucht gute Konzepte um sich gegen die Supermarkt-Konkurrenz nebenan zu behaupten. Bibbiena in der Toskana hat die besten Schmiede Italiens engagiert, um die Verödung der Altstadt zu verhindern. Hier die Ideen der Schmiede:

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ie sollen die historische Altstadt mit ihren Werken für Besucher attraktiver machen. Dazu wurden monatelang die Örtlichkeiten untersucht und viele, viele Entwürfe gezeichnet. Mit einem ehernen Schaukelpferd für die Kinder wurde im Mai vor Ort die erste Arbeit angefertigt Zur Tat schritten die Funktionäre aus Bibbiena (11.000 Einwohner), als die Umsätze der kleinen Geschäfte in der historischen Altstadt dramatisch einbrachen. Der Grund lag auf der Hand: Wie in vielen anderen Kleinstädten in Europa eröffnete ein großer Einkaufsmarkt am Rande der Stadt. Das bekamen die Mitglieder des Altstadt-Gewerbevereines zu spüren. Wie in vielen an-

Einige Entwürfe aus der großen Mappe für die Altstadt von Bibbiena. Sitzgelegenheiten, Spielgeräte, Platzgestaltung, Papierkörbe und Beleuchtungskörper sollen den historischen Teile der Stadt erlebnisgerecht machen

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deren Städten ist die historische Altstadt in Bibbiena verwinkelt, die Gassen haben oft nur eine Autobreite und die Geschäfte sind klein. Zudem befindet sich dieser Bereich auf einem steilen Hügel mit wenig Parkmöglichkeiten. Also suchte man eine Lösung, das alte Zentrum attraktiver zu machen. Demnächst, so die Stadtverwaltung, wird vom Tal herauf eine lange Rolltreppe für die Besucher gebaut. Schon jetzt richten sich die Geschäftsleute darauf ein, hochwertige Produkte in ihren Läden zu verkaufen, die in einem großen Supermarkt nicht zu finden sind. Gastronomie und Gewerbeverein setzen auf »Eventund Erlebnistourismus«. Genau da beginnt die Arbeit der Metallgestalter Claudio Bottero, Martino und Jadran Stenico, Roberto Magni und Roberto Giordani. Sie sollen mit individuell gestalteten Skulpturen, Bänken und Ruheplätzen im öffentlichen Raum, Papierkörben und Geschäfts-Auslegern, Kinderspielgeräten und Lampen im privaten und öffentlichen Bereich eine ganz neue städtische Einkaufsatmosphäre schaffen, die zu den hochwertigen Angeboten in der Altstadt passt. Monatelang wurden Plätze ausgekundschaftet und dazu passende Schmiede-Objekte entworfen. Diese beeindruckende Sammlung von Entwürfen wurde in Bibbiena vorgestellt und ist auch hier in Kolbermoor bei einem Vortrag bildlich zu sehen. Zum Auftakt schmiedeten die fünf ein Wochenende lang ein Schaukelpferd nach einem Entwurf von Claudio Bottero. Dieses Schaukelpferd ist ebenfalls in Kolbermoor zu sehen - in der Ausstellung im Rosengarten an der Alten Spinnerei. Noch müssen Sponsoren und private Investoren gefunden werden, um die nötigen Mittel für das Projekt zusammenzubekommen. Ein italienisches Sprichwort heißt »Dalle parole ai fatti«, zu Deutsch: »Von Worten zu Taten«. Dieses Motto haben die fünf Schmiede umgewandelt zu »Dalle parole ai fabbri«. Übersetzen kann man das mit »Schmiede, packt an«. Am Auftakt-Wochenende gingen die fünf mustergültig zu Werke: In der Ausstellung konnten sich die Besucher anhand der Zeichnungen ein Bild von den möglichen Objekten machen. Daneben stellten die Schmiede fertige Arbeiten aus ihren Werkstätten aus.


Besuchen Sie die größte Schmiede-Fachbuchhandlung für Schmiede in der Schule am Schmiedeplatz. Das gesamte Buchangebot der Verlage HEPHAISTOS und Editore Rizzo (Italien) können Sie in Kolbermoor “anfassen”, reinschmökeren und kaufen.

BÜCHER UND MEDIEN


Carnevale

Fasching anders Stia: Maskenball im Stile Venedigs Fotos: Peter Elgaß

Carnevale - das ist in vielen italienischen Orten mehr als nur “Fasching”. Carnevale ist Lebensgefühl, Überschwänglichkeit, Schauspiel und Musik. Stia gilt in der Toskana als eine Hochburg des Carnevale. Ein Geheimtip für alle, die das Gedränge in Venedig meiden wollen

Die “andere Art” Karneval zu feiern, versuchen wir in Kolbermoor im Rahmen von “Fratelli di Ferro” bei der Biennale bildlich darzustellen

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arnevale, wie er heute in vielen Orten Italiens gefeiert wird, hat seinen Ursprung im Mittelalter. Venedig gilt als Entstehungsort. Begonnen hat alles mit klassischen Masken: Im Karneval wurde in Venedig vor allem die Halbmaske getragen, die nur einen Teil oder eine Hälfte des Gesichtes bedeckt. Ursprünglich war sie als Theater- bzw. Sprechmaske gebräuchlich, die – etwa in der Italienischen Commedia dell’arte – den Schauspielern das laute und deutliche Sprechen erleichterte. Im Karneval hatte sie außerdem den Vorteil, dass man ohne größere Schwierigkeiten essen und trinken konnte. Die klassischen Masken sind: Der Harlekin mit seinem Flickenanzug, die schlaue Colombina, der einfallsreiche Diener Brighella, Pulcinella, der eitle Dottore, der prahlerische Capitano – alles Figuren aus der Commedia dell’arte. Impressum: Herausgeber: Förderverein Europäisches Zentrum für Zeitgemäße Metallgestaltung e.V. in Kolbermoor. (www.metall-zentrum.de) Verantwortlich (i.S.d.P): Peter Elgaß Verlag: HEPHAISTOS, Gnadenberger Weg 4, 87509 Immenstadt-Werdenstein, (info@metall-aktiv.de) Anzeigen: Christian Poitsch, Stadtmarketing Kolbermoor, Rosenheimer Straße 30 b, 83059 Kolbermoor

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Neben den traditionellen Masken, die auch in den zur Karnevalszeit aufgeführten Theaterstücken auftauchten, gab es später auch andere Masken und Verkleidungen. In der Neuzeit hat sich aus diesem klassischen Carnevale ein facettenreiches Treiben mit aufwändig handwerklich hergestellten und ausgestatteten Kostümen und Masken entwickelt. Im Gegensatz zum Fasching in unserer Region oder dem rheinischen Karneval spielt in den italienischen Carnevale-Hochburgen der Alkohol kaum eine Rolle. Das südländische Temperament geht mit Maschera eigene Wege: “Zur Schau stellen und gesehen werden” lautet das Motto. Stia gilt in der Region Casentino als Zentrum des Carnevale. Wir stellen bei der Biennale im Mareissaal ein Originalkostüm vor. Auf dieser Seite sehen Sie Fotos der Kostüm-Ausstellung in Stia. Telefon: 08031 - 29680, Telefax: 08031 - 299219 eMail: cp@kolbermoor.de Spendenkonto: Kreissparkasse Bad Aibling, BLZ 711 500 00, Kto: 229419. Alle Beiträge und Bilder in diesen Programmheft sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes bedarf der Zustimmung des Verlages.




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