EN 1090 in HEPHAISTOS - Teil 3

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Internationale Zeitschrift f端r Metallgestalter

9/10 2011


IFGS denkt über mehrere Modelle nach – Bundesfachgruppenleiter Markus Balbach ist zertifiziert

SCHEINEN SICH ZU LICHTEN Noch ist vieles im Fluss, was die Umsetzung der Zertifizierungspflicht nach der neuen Stahlbaunorm EN 1090 für Schmiedewerkstätten angeht, die Stahlkonstruktionen im bauaufsichtlichen Bereich fertigen. Doch lichten sich die Nebelschwaden, seit HEPHAISTOS und der Internationale Fachverband Gestaltender Schmiede e.V. (IFGS) ihre umfassende Aufklärungsarbeit begonnen haben. Nachfolgend fasst Chefredakteur Tobias Schumacher den aktuellen Sachstand zusammen

D Markus Balbach Matthias Mahnkopf Klarseher Der erste hat seine Zertifizierung in der Tasche, der zweite will dafür sorgen, dass ihm viele Schmiedekollegen folgen können

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ie Erleichterung war ihm durchs Telefon anzuhören, als Markus Balbach am 9. August, am letzten Tag vor Drucklegung dieser Ausgabe, vermeldete: »Ich habe meine zwei Zertifizierungsurkunden heute erhalten.« Der erste, gescheiterte Versuch des Bundesfachgruppenleiters der

Metallgestalter im Bundesverband Metall (BVM), seine Werkstätte nach EN 1090 zertifizieren zu lassen, hatte im Frühjahr für helle Aufregung gesorgt – im Kreis der Berufskollegen wie auch beim BVM. Nun gab es den zweiten Anlauf, und der verlief erfolgreich. Am 19. Juli hatte ein Vertreter

der notifizierten Stelle TÜV Rheinland aus Köln Balbachs Werkstatt in Laubuseschbach im Taunus besucht, knapp drei Wochen später hatte er seine Urkunden in den Händen. Die Schmiedewerkstatt ist nun berechtigt, Stahlkonstruktionen im bauaufsichtlichen Bereich zu fertigen, wobei Balbach nach nicht unerheblichen Investitionen in Personal, Werkzeug und vor allem Zeit die sogenannte Ausführungsklasse 2 (EXC 2) angestrebt und auch erlangt hat (siehe auf Seite 21). Die EXC 2 ist nötig, um beispielsweise für öffentliche Gebäude Stahlkonstruktionen zu montieren, etwa an und in Kirchen, Schulen, Kindergärten oder Amtsgebäuden. Auch Treppen oder Treppen- und Balkongeländer an gewerblich genutzten Häusern fallen in die EXC 2, und sei es ein Mehrfamilienhaus, in dessen Erdgeschoss eine Gaststätte eingemietet ist.

»Feuerschweißung nicht berücksichtigt« HEPHAISTOS hat Matthias Mahnkopf, Referent bei den IFGS-Seminaren in Celle und Stolberg, um eine Einschätzung gebeten, wie das Balkongeländer im Foto unten nach EN 1090 zu beurteilen ist. Die Arbeit stammt aus der Metallgestalter-Werkstatt von Uwe Weber und Roland Hermann in Seukendorf bei Nürnberg. Mahnkopf schreibt: »Dieses Bauteil ist eigentlich in keiner EXC zu finden, aber wenn man es nun unbedingt einer EXC zuordnen will, kann es nur die EXC1 sein! Begründung: Es handelt sich um ein nicht nach EN 287-1 geschweißtes Bauteil, da in der EN 287-1 keine Feuerschweißung berücksichtigt ist. Somit ist das Bauteil der PC1 zuzuordnen, der SC1 und der CC1. Nach der Matrix (Tabelle B.3 aus EN 10902, Anhang B) liegt das Bauteil dann in der EXC1. Sicher kann hier noch einer nach dem Warmumformen fragen, was dann in die PC2 fällt, aber das wiederum gilt für geschweißte Bauteile!«

Wichtige Details

Fotos: Markus Balbach, SLV Hannover, Uwe Weber; Archiv HEPHAISTOS

EN 1090

DIE NEBELSCHWADEN

Weitere Klarheit in wichtigen Details brachten die EN-1090-Informationsseminare des IFGS zwischen Mai und Juli in Kolbermoor, Celle und Stolberg im Rheinland. Die beiden Referenten, Dieter Haberberger und Matthias Mahnkopf von den GSI-Niederlassungen in München und Hannover, bestätigten den knapp 100 interessierten Schmieden, dass die Autoren der EN 1090 mit der Erwähnung der »Warmumformung« in der EN 1090 und die Zuordnung von in diesem Verfahren gefertigten Stahlkonstruktionen in die EXC 2 keinesfalls das Kunstschmiedehandwerk gemeint haben dürften. Matthias Mahnkopf, selbst gelernter Schlosser, nun Zertifizierungsberater der SLV in Hannover, sagte gegenüber HEPHAISTOS, dass er, wenn er Metall-

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gestalterwerkstätten in Zukunft nach EN 1090 zertifiziere, die Kunstschmiedearbeiten explizit ausnehmen werde. Hierzu habe er mit der neuen »Bauproduktenverordnung« der Europäischen Union (305/2011) eine hinreichende Handhabe. In den Artikeln 5 und 38 der Verordnung, die europaweit die Pflicht zur CE-Kennzeichnung regelt und die rechtlich über dem Normentext der EN 1090 steht, finden sich explizite Ausnahmen von der Pflicht zur Abgabe einer sogenannten »Leistungserklärung« für kunsthandwerkliche Einzelfertigungen oder Restaurierungsarbeiten (HEPHAISTOS 7/8 2011). »Eine Schweißaufsichtsperson nach DIN 287 ist im Betrieb allerdings unabdingbar«, betont Mahnkopf. Und bei der Einschätzung, welche Ausführungsklasse eine Werkstatt anstreben sollte, helfe ein Blick in die Tabelle A3 in EN 1090-2, wo fünf Punkte zur EXC 1 und 18 Punkte zur EXC 2 aufgelistet sind. »Bei der Zertifizierung halte ich mich an diese Tabelle«, sagt Mahnkopf. So ist die Zertifizierung noch längst nicht vom Tisch. Sie kann durchaus erforderlich sein und betriebswirtschaftlich auch einen Sinn ergeben, um weiter an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen zu können – oder, um der Gefahr vorzubeugen, bei fehlender Zertifizierung von vornherein und ungeprüft durch das Auswahlraster bei Architekten oder Bauämtern zu fallen.

Modelle angedacht Mehrere Gedankenmodelle stehen deshalb im Raum: Laut IFGS-Präsident Cornelis Pronk hat Matthias Mahnkopf nach den Rückmeldungen der Schmiedekollegen während der Informationsseminare zur EN 1090 in Celle und Stolberg die Möglichkeit aufgezeigt, dass ein Kooperationsmodell zwischen den GSI-Niederlassungen und dem IFGS denkbar wäre, das das Zertifizierungsverfahren für Schmiedewerkstätten erheblich vereinfacht. Pronk: »Wenn es uns zum Beispiel gelingt, regional fünf Schmiedewerkstätten zusammenzufassen und an einem Tag zu besuchen, dann könnten bei Kosten zwischen 200 und 300 Euro pro Betrieb die Zertifizierungen gestemmt werden, wenn wir die entsprechende Vorarbeit leisten. Das ist ein Modell für unsere Mitglieder, über das wir im Moment nachdenken.« Ein zweiter Lösungsweg steht ebenfalls zur Diskussion. Jener, den die Tischler und Schreiner seit 2006 beschritten haben. Damals herrschte im Holz eine ähnliche Aufregung wie aktuell im

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3657,- Euro und 106,5 Stunden In Kurzform hat Markus Balbach seine erfolgreiche Zertifizierung für HEPHAISTOS zusammengefasst: »Ich hatte meinen Kollegen im Februar als BFGL (Bundesfachgruppenleiter) versprochen, die Zertifizierung sozusagen als Pilotbetrieb zu versuchen. Ist die EN 1090 tatsächlich für einen Kleinbetrieb umsetzbar, und wenn ja, wie viel Zeit muss investiert werden und welche Kosten entstehen – den Sinn der Zertifizierung dabei außer Acht lassend. Selbst bin ich seit 1987 Schweißfachmann, hatte die letzte Prüfung im Schweißen 1994 abgelegt. Am 19. Juli war der Zertifizierungstermin. Diese Erstzertifizierung meines Betriebes in Hessen habe ich beim TÜV Rheinland in der EXC 2 ausführen lassen. Die EXC 2 ist wichtig, da ich und viele Kollegen aus dem Metallbau in dieser Klasse Arbeiten ausführen. Die eigentliche Zertifizierung im Betrieb hat 5,5 Stunden gedauert. Darauf vorbereitet und damit beschäftigt habe ich mich 101 Stunden ohne einen Berater. Dabei mitgerechnet auch eine Fahrt nach Essen zum BVM und das Studieren des Fachregelwerkes in den Punkten, die meinen Betrieb bzw. unsere Arbeiten betreffen. Die Zeit für viele Telefonate, E-Mails und weiteren Schriftverkehr etc. mit Kollegen in der Sache EN 1090 habe ich nicht mitgerechnet. Nach Fertigstellung des Handbuches mit Teil 1 und Teil 2 ließ ich diese von Rainer Böddecker vom Fachverband Metall Hessen hier in der Firma ‘nachschauen’. Bis auf Kleinigkeiten hatte ich alles richtig gemacht. Die reinen Kosten betrugen 2797,- Euro netto für das Fachregelwerk, für zwei Schweißlehrgänge (ein Auszubildender im ersten Lehrjahr, ein Geselle), fünf Prüfungen Schweißen – auch ich habe wieder eine gültige Schweißerprüfung! –, die Überprüfung sämtlicher Elektrogeräte, Kleinigkeiten wie Ordner, Einschweißfolien, Papier, Schweißnahtlehre etc. und die eigentliche Zertifizierung So sehen die Zertifizierungsurkunden aus (860,- Euro). Viele Dinge befinden sich nun in Papierform in Ordnern, viele sehr umfangreiche, zum Beispiel DIN-Normen, in Ordnern auf der Festplatte. Leicht gefallen ist mir das besonders am Anfang nicht. Das muss man erst alles überschauen und begreifen lernen, da ich in dieser Sache bis dato absolut unbedarft war. Im Nachhinein bin ich schlauer, habe einige sinnvolle Dinge gelernt und werde das auch entsprechend umsetzen.« Markus Balbach, Bundesfachgruppenleiter Metallgestaltung

Stahl, weil Fenster und Türen von der EU als CE-kennzeichnungspflichtig erklärt wurden. Das gilt seit 2010. Die Reaktion der kleinen Holzhandwerker war daraufhin die Gründung eines Markenverbandes – im Internet unter www.fenster-marke-tischler.de zu finden. Der bietet seinen inzwischen über 1000 Mitgliedern praktische Hilfestellung für die Erarbeitung eines Handbuches im Falle einer erforderlichen »Leistungserklärung« für das CE-Kennzeichen an ihren Produkten. Allerdings: Hinter der Organisation der »Marke Fenster« stehen mehrere berufsständische Landesverbände im Holz- und Kunststoffhandwerk. Im IFGS wird nun geprüft, ob er als von der Mitgliederzahl relativ kleiner

Fachverband so viel fachliche Kompetenz und juristisches Know-how bündeln und dafür auch die finanziellen Mittel aufbringen kann, um ähnliche Dokumente zu erarbeiten. Und deren rechtliche Durchsetzbarkeit in Brüssel steht noch einmal auf einem ganz anderen Blatt.

Rennen ums Buch Hier läuft im Moment so etwas wie ein offenes Rennen. Denn aus Kreishandwerkerschaften oder Handwerkskammern ist zu hören, dass ebenfalls an Anleitungshilfen und im Vergleich zur EN 1090 »abgespeckten« Handbüchern gearbeitet wird, in Zusammenarbeit mit den notifizierten Stellen und auch

für Kunstschmiede. Außerdem dürfte der BVM den Erfolg von Markus Balbach bei seiner Zertifizierung als Beleg dafür verkaufen, dass auch das über den BVM angebotene EN-1090-Handbuch von Heiko Wienecke in Metallgestalterbetrieben durchaus umsetzbar ist. Wienecke hat Balbach auf dem Weg zur Zertifizierung begleitet. Im Juli ging der BVM jedenfalls mit der Meldung im Internet online, dass der erste Kleinbetrieb zertifiziert ist – Überschrift: »EN 1090: Schlosserei Dörhöfer ist die Nummer 1.« Die Werkstatt in Hessen hat acht Mitarbeiter und arbeitet schon seit zehn Jahren nach der alten DIN 18800-7 in der Herstellerqualifikationsklasse B. Kunstschmiedearbeiten werden hier nicht ausgeführt.

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