Alpsommer & Viehscheid 2011

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SONDERHEFT

Alpsommer

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Viehscheid 2011

Alpabtrieb: Ein Traditionsfest im Allg채u Bergk채se: Wie die Delikatesse entsteht Kranzk체he: Kopfschmuck mit Bedeutung



Wandern Sie mit...

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Das Allgäu bietet für Einheimische und Gäste viel mehr als nur idyllische Landschaften und schneesichere Wintersportgebiete. Weit über die Grenzen Bayerns hinaus bekannt für das Bild von Kühen auf malerischen Wiesen und die Schönheit der Berge, gibt es hier vor allem auch zahlreiche, seit Jahrhunderten gewachsene Traditionen. Die Menschen in dieser Region sind mit ihrer Heimat verwurzelt und pflegen ihr vielfältiges Brauchtum.

Hierzu gehören auch die Feste im Jahreslauf, von denen sich eines nur noch hier auf der deutschen Seite und in einigen Orten in Vorarlberg und Tirol bis zum heutigen Tag erhalten hat. Der Viehscheid, bei dem die Rinder von ihrem Sommeraufenthalt auf den Alpen in Mittelund Hochlagen wieder ins Tal zurückkehren, markiert das Ende des Alpsommers. Die Tiere werden in die Obhut ihrer Besitzer übergeben. Der Monat September markiert auch an zahlreichen Orten einen Anlass zum Feiern, um den glücklichen Verlauf dieser Monate zu begehen. Ist der Sommer ohne Unfälle auf der Alpe verlaufen, schmücken die Alphirten Kranzkühe mit einem Kopfschmuck aus Blumen, Tannengrün und Kräutern, die Tiere werden zur Zierde mit großen Zugschellen behängt, und selbstverständlich gehört zu diesem Fest auch das gesellige Beisammensein im Festzelt.

Marius Lechler, Chefredakteur HEIMAT ALLGÄU

In diesem Heft wollen wir den Alpsommer im Allgäu und den Viehscheid als Abschluss dieses Zeitraumes in verschiedenen Beiträgen näher beleuchten. So begleiten wir einen Scheidmeister bei seiner Arbeit, der sich um die Organisation dieser Veranstaltung kümmert und portraitieren eine Edelweiß-Stickerin, die sich dem altüberlieferten Kunsthandwerk verschrieben hat, ohne das die Hosenträger für zahlreiche Allgäuer Trachten undenkbar wären. Außerdem befassen wir uns mit der Geschichte der Käseherstellung und gehen der Frage nach, was nötig ist, damit sich ein Bergkäse auch so nennen darf. Auch das Allgäuer Bergbauernmuseum öffnet seine Tore für uns und gibt den Blick frei auf die Vergangenheit der Arbeitswelten im Allgäu. Wir klären den Unterschied zwischen Glocken und Schellen und befragen den 1. Vorsitzenden des Alpwirtschaftlichen Vereins im Allgäu zur wichtigen Tätigkeit der Alphirten gestern und heute. Wir laden Sie ein: Wandern Sie mit in ein vielseitiges Allgäuer Brauchtum – es ist lebendiger denn je... Ihr Marius Lechler

Impressum Verlag und Herstellung: Verlag HEPHAISTOS, EDITION ALLGÄU Lachener Weg 2, 87509 Immenstadt-Werdenstein Tel. 08379/728616, Fax 08379/728018 info@heimat-allgaeu.info, www.heimat-allgaeu.info Redaktion: Marius Lechler (v.i.S.d.P.), Viola Elgaß, Miriam Kennerknecht, Tobias Schumacher, Volker Wille Tel. 08379/728616, E-Mail: info@heimat-allgaeu.info Layout: Ramona Klein, Dominik Ultes (Ltg.)

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Anzeigen: Sven Abend (Ltg.), Sonja Sprinkart Tel. 08379/728616 Bankverbindung Verlag: Raiffeisenbank Oberallgäu-Süd eG, Konto 7282770, BLZ 73369920 Druck: Kastner & Callwey Medien GmbH, Jahnstraße 5, 85661 Forstinning

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Inhalt Editorial und Impressum

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Ein uralter Brauch im Allgäu Tradition Viehscheid in den Alpen

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Kunstvoller Schmuck für den Alpabtrieb Eine Kranzkuh führt die Herde ins Tal

Wie der Käse ins Rollen kam Geschichte und Herstellung der Köstlichkeit Seite S44

Seite S10

Festbier – das Schönste nach dem Scheid Die zünftige Feier nach dem Alpsommer Seite S12

Fotos: Volker Wille; Westallgäuer Käsestraße; Festival Vielsaitig Füssen; Titelfotos: Volker Wille; Tourismus Oberstdorf; Tourismusverband Tiroler Oberland

Ort für Schätze der Vergangenheit Ein Museum ehrt die Bergbauern

Seite S14

Ein ganzes Jahr der Vorbereitung Portrait des Scheidmeisters Martin Sichler Seite S48

Oberstdorf wandert 2013 im Allgäu voran Seite S18 Treffpunkt für rund 30.000 Gäste Die Pfleger der Berglandschaft Alpwirtschaft im Wandel der Zeit

Seite S20

Klassische Klänge im gesamten Allgäu Festivalreihe »MusikHochGenuss«

Seite S24

Wegweiser zum Viehscheid Lexikon Allgäuer Begriffe

Seite S50

Aktuell Rund um die Allgäuer Bergwelt »Panorama!«-Ausstellung in Kempten Theater vor einmaliger Naturkulisse Sonderschau rund um altes Brauchtum Käse und Kräuter in Gunzesried Schellenausstellung im Heimathaus Freizeiterlebnisse in der Alpsee-Bergwelt

Seite S52 Seite S53 Seite S54 Seite S54 Seite S56 Seite S56 Seite S57

Zeichen für einen glücklich verlaufenen Alpsommer und kreativ zusammengestellter Kopfschmuck ist die Verzierung, die die Kranzkühe für die Viehscheide im Allgäu erhalten. Wir beschreiben, was es damit auf sich hat

Ein Bildkalender voller Schönheiten Braunvieh-»Wahl« für neuen Kuhkalender Seite S58

Stickkunst wie zu alten Zeiten Mit Garn und Geduld entsteht ein Edelweiß Seite S26 Viehscheidtermine im Allgäu und Umgebung Seite S29 Große Übersicht der Alpabtriebe Alle Viehscheide auf einen Blick Großes Allgäu-Panorama mit den Festorten Seite S34 Blökende Vierbeiner in Tiroler Gassen Attraktion Schafschied in Lechaschau

Seite S38

Glocke oder Schelle? Unterschiede beim läutenden Kuhschmuck Seite S40

Ein Netz von Ideen für den Viehscheid Neue Alpabtrieb-Seite im Internet

Seite S62

Anlässlich des Alpabtriebes erhalten die Kühe große Zugschellen, um die Tiere besonders zu schmücken. Bei den Unterschieden zwischen Glocken und Schellen gibt es jedoch feine Nuancen

Tipps und Tricks für das perfekte Bild Technik-Hinweise für gute Viehscheid-Fotos Seite S66 Titelfoto: Volker Wille

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Ein uralter Brauch im Allgäu Der Viehscheid hat im Allgäu eine jahrhundertealte Tradition. Tausende Besucher strömen jährlich in die Viehscheid-Orte, um dem urwüchsigen Treiben beizuwohnen. Die Zusammenkunft mit all ihren Gebräuchen war jedoch nicht immer eine touristische Attraktion. Von den Ereignissen rund um Geschichte und Sitten des Viehabtriebes berichtet Annette Müller

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Seinen Ursprung hat der Allgäuer Viehscheid im Alemannischen. Es heißt, dass diese Tradition in Oberstdorf bis zum Jahr 1000 n.Chr. zurückverfolgt werden kann. Die ersten größeren Viehscheide fanden in Hindelang statt, nachdem der alljährliche Krämermarkt vom Lichtmesstag am 2. Februar auf den Viehscheidtag am 11. September verlegt wurde. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts feierten die Hirten diesen Tag unter sich. Erst nach dem 2. Weltkrieg wurde dieses Ereignis auch zur touristischen Attraktion. Viele Gäste reisen für die traditionsreiche Veranstaltung im September, die es in dieser Form nur im Allgäu gibt, extra an, und manche verbinden die Zeit des Viehabtriebes in der Region mit einem

Mit vielstimmigem Glockenläuten kündigen sich die vierbeinigen Rückkehrer von ihrem Sommeraufenthalt auf den Alpen an (oben). Der Stolz eines jeden Alphirten ist, wenn er mit einer Kranzkuh an der Spitze seiner Herde einlaufen kann (rechts)

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Wanderurlaub durch den Allgäuer Herbst mit seinen buntflammenden Bäumen. Heute ist der Viehscheid das größte weltliche Fest in jenen Regionen des Allgäus, in denen im Sommer das Allgäuer Galtvieh, das noch keine Milch gibt, und teilweise auch Milchkühe zur »Sommerfrische« auf die Berge geschickt werden. Die Zahl der im gesamten Allgäu auf die Alpen getriebenen Tiere wird mit rund 30.000 Stück angegeben. Auf den Alpen erwarten sie grüne Wiesen, zahlreiche gehaltvolle Kräuter und frische Luft. Das dort gesömmerte Vieh gilt als besonders gesund und widerstandsfähig. Doch handelt es sich beim Alpbetrieb nicht nur um eine »Sommerfrische« des Viehs: Die Allgäuer Alpwirtschaft sichert und pflegt zugleich eine über Jahrhunderte gewachsene Kulturlandschaft. Nach rund 100 Tagen in den Bergen kehrt das Vieh zusammen mit den Hirten wieder in das Tal zurück und wird dort »geschieden«, also seinem jeweiligen Besitzer wieder zurückgegeben.

Prächtiger Schmuck für die Kuh Bereits am Vortag beginnt ein emsiges Treiben. Die Tiere werden herausgeputzt, die großen Zugschellen angelegt, und das Leittier wird mit einem prächtigen Kranz geschmückt, den die Kranzbinderinnen im Dorf zuvor mit geschickten Händen geflochten haben. Allerdings nur dann, wenn während des Sommers kein Unfall, zum ALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011


Fotos: Archiv Franz Scholl, Thomas Niehörster, Oberstaufen Tourismus, Sebastian Elgaß, Volker Wille

Beispiel durch Steinschlag, Blitzschlag oder Absturz eines Tieres, vorgekommen ist. Beim Tod eines Hirten während der Sömmerung wird der Kranz mit einem schwarzen Trauerflor versehen. Der Kranz wird mit viel Liebe aus Latschenzweigen, Alpenrose, Silberdistel, Bergblumen und Bändern in Form einer Krone geflochten. Meist enthält er ein Kreuz, womit um den Schutz des Himmels gefleht wird. Auch ein Spiegel zur Abwehr böser Geister gehört in den Kranz.

Rückkehr zu den Besitzern Die großen Zugschellen, die an Lederriemen mit bunten Fransen geschmückt sind, werden nur an

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diesem Tag von den Tieren getragen. Mit dem rhythmischen Schellengeläut der ungestüm talwärts eilenden Herde kündigt diese sich bereits von Weitem den Schaulustigen an. Wenn die Herde, dampfend in der Morgenfrühe, den Scheidplatz erreicht hat, durchläuft jedes Rind einen Durchlass, »Sieche« genannt, an dessen Ende die Tiere einzeln beim Alphirten ankommen. Der ruft laut den Namen des Besitzers aus, der daraufhin sein Rind in Empfang nimmt. Dies geschieht mit größter Zuverlässigkeit und ohne einen Blick auf die Ohrenmarke, denn der Alphirte hat ja die Entwicklung jedes einzelnen Tieres miterlebt und kann es daher genau seinem Besitzer zuordnen. Der selber würde sein

Der Viehscheid im Allgäu gilt allgemein als Festtag, zu dem das beste »Häs« (Kleidung) angelegt wird (oben links). Daneben und unten links: Historische Fotos vom Bad Hindelanger Viehscheid aus dem Jahr 1950. Schon damals waren fliegende Händler fester Bestandteil des Festes. Unten rechts Alphirten beim Treiben der Kühe zum Scheidplatz

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Stück nach der »Sommerfrische« nicht wiedererkennen. Manchmal nimmt auch ein Kleinhirt die Position des Alphirten ein, wenn dieser ihn auszeichnen will. Es werden am Tag des Viehscheids jedoch nicht alle Herden ins Tal getrieben, was wegen der Vielzahl der Tiere auch gar nicht möglich wäre. Viele Rinder bleiben bis in die Herbsttage noch auf den Nachweiden, Nachsäß genannt, auf halber Talhöhe.

Kaum ein Ort ohne Viehscheid

Kuh-Trio beim gemütlichen Grasen mit den festlichen Viehscheid-Zugschellen (rechts ganz oben); die Traditionsveranstaltung ist bereits ein Muss für den Nachwuchs (rechts). Unten: Die Hirten der Alpe Taufersberg bringen »ihre« Rinder zurück zu den Besitzern

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Über die Jahrzehnte haben sich die Allgäuer Viehscheide zu festen Veranstaltungshöhepunkten entwickelt. So zum Beispiel in Bad Hindelang: Mit rund 20.000 Besuchern der meistbesuchte Viehscheid, gilt dieses Ereignis als Festtag, an dem auch schulfrei ist. Es gibt wohl keinen Ort mit Viehscheid ohne Festzelt. Einige sind mit einem Krämer- oder Viehmarkt verbunden. Nach dem Scheid am Ende eines entbehrungsreichen Sommers werden im Festzelt die besten Hirten bei einer ersten Maß Bier mit stattlichen Glocken und Schellen für ihre verantwortungsvolle Aufgabe geehrt, die von Behörden, Verbänden und Genossenschaften gestiftet werden. Eine Besonderheit gibt es beim Viehscheid in Obermaiselstein – dort werden die gestifteten Schellen ausgewürfelt. Diese Ehrengaben werden vom Hirten voll Stolz an gut sichtbarer Stelle im Haus oder auf der Alpe aufgehängt. Wenn Kleinhirten auf der Alpe waren, bekommen sie ein sogenanntes »Sackgeld«.

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Kunstvoller Schmuck für den Alpabtrieb Zu den farbenprächtigsten Traditionen beim Allgäuer Viehscheid gehört das Schmücken der Kranzkuh, die mit ihrer Verzierung aus Blumen und Zweigen stolz der Herde zum Scheidplatz vorangeht. Annette Müller erklärt die Herstellungsweise und Bedeutung des Ehrenzeichens aus der Natur und den Einsatz der Zugschellen beim Abstieg von der Alpe

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immer Bestandteile des traditionellen Kranzes. Die Pflanzen werden auf ein Drahtgestell geflochten, das an den Hörnern und am Riemen der Zugschelle befestigt wird. Zumeist wird ein Kreuz in den Kranz mit eingebunden, mit dem um den Schutz des Himmels gebeten wird, andererseits blitzende Spiegel, um den Blick böser Geister auf dem Weg ins Tal abzuwenden. Einen Tag vor dem Viehscheid werden die Rinder zusammengetrieben, um die Weidschellen gegen die weitaus größeren Zugschellen auszuwechseln. Die oft Generationen alten Zugschellen, die den Kühen während des Alpabtriebes angelegt werden, stammen aus dem Besitz von Hirten oder werden von Sammlern ausgeliehen. Auch werden nach dem Viehscheid bei der Feier im Festzelt Zugschellen, die von ortsansässigen Firmen und Gönnern gespendet wurden, an die Hirten verlost. Die Zug- und Weidschellen sind nicht nur sehr schön, sondern sollen der Sage nach mit ihrem Geläut die am Weg ins Tal lauernden feindlichen Dämonen vertreiben.

Fotos: Archiv Franz Scholl, Volker Wille

Kranzkühe sind sowohl früher wie auch heute faszinierend für kleine Festbesucher: links unten ein neugieriges Rindvieh mit jungem Gegenüber, daneben ein Leittier mit Schmuck und Begleiter auf dem Viehscheid von Bad Hindelang aus dem Jahr 1951. Seite S11: diverse Exemplare der verzierten Wiederkäuer bei Viehscheiden im Allgäu

Wenn die Herde nach dem »Sömmern« zurück ins Tal geführt wird, bekommt das Tier, das die Herde hinter dem Hirten beim Alpabtrieb ins Tal führt, einen aufwendigen Kopfschmuck, den Kranz. Allerdings nur, wenn der Bergsommer auf der Alpe ohne einen Unfall oder eine Krankheit abgelaufen ist. Jeder Hirte hat seine eigene Tradition, was den »Kranz« betrifft: Die einen ziehen einen dem Brauch entsprechenden frischen Blütenkranz vor, die anderen wünschen einen mit getrockneten Pflanzen – ist er doch eine Ehrengabe, die manche auch aufbewahren möchten. Den Kopfschmuck der Leittiere stellen Kranzbinderinnen her, die für das Material Sorge tragen, bevor sie in langer Vorarbeit die Kränze gestalten. Wurden früher die Pflanzen und Blumen noch auf den Alpen gesammelt, so greift man heute immer öfter auf künstliche Alpenblumen zurück – vielleicht den Touristen zuliebe, für die die Kranzkühe im Herbst das wohl beliebteste Fotomotiv sind. Tannengrün, Kräuter, herbstlicher Enzian, Silber- und Golddisteln und Erikamoos sind fast

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Festbier – das Schönste nach dem Scheid Es gehört im Allgäu zum Feiern des Alpabtriebes wie die Zugschelle zur festlich geschmückten Kuh: das während der zahlreichen Viehscheide reich fließende Bier, das für die Besucher der Traditionsveranstaltungen die Feier eines erfolgreichen Alpsommers krönt. Annette Müller über die große Bedeutung von gutem Essen und Trinken auf dem Scheidplatz Im Allgäu gehört zum richtigen Feiern auch das Bier, das vor allem beim Festtag Viehscheid allerorten reichlich fließt

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Was wäre der »Scheid« ohne Festzelt? Trocken und traurig! Dörrt doch der Staub, den die Rinder aufwirbeln, mächtig die Kehlen der Besucher wie der Hirten. Das Festzelt ist, nachdem die Rinder ihren Besitzern wieder zurückgegeben wurden, Mittelpunkt fröhlichen Feierns bei zünftiger Blasmusik der meist ortsansässigen Musikkapellen. Hin und wieder meinen Politiker, die Gelegenheit für eine Rede nutzen zu müssen. Die geht aber im Trubel zumeist zum einen Ohr hinein und zum anderen sogleich wieder hinaus. Ob bei den »Pfrontener Viehscheid-Däg« oder der ironisch-neudeutsch betitelten »Cow Down Mountain Party« in Immenstadt – selbstverständlich gehört zum zünftigen Feiern (mindestens) eine Maß Bier! Dafür sorgen im Oberallgäu drei große, traditionelle Brauereien. Isabel Blanz-Uhl von der Hirschbrauerei in Sonthofen ist überzeugt, dass der Viehscheid in Schöllang vor der wunderbaren Kulisse der Oberstdorfer Berge »einer der schönsten im gesamten Oberallgäu« ist, weil er nicht den manchmal üblichen Marktcharakter hat. »Veranstalter sind wir, der Hirschbräu. Das heißt, dass wir vom Zeltaufbau bis -abbau, Getränken, Essen, Musik etc. verantwortlich sind. Viel Arbeit und Verantwortung – aber auch viel Freude«, stellt sie fest. In Schöllang liegt der Viehscheidplatz am südlichen Ortseingang. Über 700 Stück Vieh werden am 12. September ab 9 Uhr zum Ende des Alpsommers von der Entschenalpe, Hinteren Seealpe, Gutenalpe, Käseralpe begrüßt. Die Unterhaltung im Zelt liefern die Musikkapelle Schöllang und die Rubi-

horn Musikanten. Auch im Tannheimer Tal sorgt die Hirschbrauerei für das »flüssige Gold«. Im Wechsel mit der Privat-Brauerei Zötler tritt die Engel-Brauerei – beide Familien-Brauereien stammen aus dem »Bierdorf« Rettenberg – als Festveranstalter in Bad Hindelang auf. Auch bei den Viehscheiden in Haslach, Immenstadt, Nesselwang und in Obermaiselstein, dem wohl größten Allgäuer Viehscheid mit knapp 1400 Rindern, fließt das Zötler-Bier. »Neben dem Bier«, beobachtet Georg Müller von der Zötler-Brauerei, »spielen die alkoholfreien Biere und das alkoholfreie Weizen eine zunehmende Rolle.« Ebenfalls beim Viehscheid in

Frisch gezapft im Festzelt schmeckt’s am besten

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Fotos: Volker Wille, Thomas Niehörster

Zufriedener Hirte mit Kranzkuh und verdienter Maß

Auf einen glücklichen Alpsommer ohne Zwischenfälle muss getrunken werden

Nesselwang präsent ist wie stets die Engelbrauerei. »Am traditionellen Festumzug, der um 19 Uhr am Vorabend des Viehscheids beginnt, sind wir auch heuer mit unserer Bierkönigin wieder dabei«, nennt Walli Widenmayer aus der Inhaberfamilie der Engelbrauerei einen wichtigen Fixpunkt der Festtage. Gehörten früher Weißwurst, Hähnchen und Schweinshaxe zur deftigen »Brotzeit« im Zelt, so wird mittlerweile die Speisekarte rauf und runter vom Schnitzel bis zu Schupfnudeln serviert. In Obermaiselstein allerdings wird als von den Gästen fasziniert bestaunte Attraktion ein ganzer Ochs am Spieß gebraten!

Anziehungspunkt für Besucher von Viehscheiden oder anderen Feiern: das Festzelt

Fleißige Helfer beheben den Durst der Wartenden

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Die Musikkapelle, fester Bestandteil und wichtigster Stimmungsmacher beim Feiern

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Ort für Schätze der Vergangenheit Als es noch keine Maschinen für Bewirtschaftung und Ernte gab, war der Alltag der Bauern im Alpenraum sehr beschwerlich. Das Allgäuer Bergbauernmuseum in Diepolz beschäftigt sich mit dieser Zeit und bringt sie den Besuchern anhand historischer Gebäude und Geräte näher. Miriam Kennerknecht erzählt von dem Hort der Vergangenheit im Oberallgäu

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Schon seit jeher ist die Landwirtschaft ein wichtiger Bestandteil des Lebens im Allgäu. Das lebendige und erlebbare Bergbauernmuseum in Diepolz gewährt einen Einblick in den Alltag der Menschen mit ihren Tieren in den Alpen. Dazu befinden sich auf einem großen Gelände ein Museumsgebäude, zwei alte Bauernhäuser und eine Sennalpe. Lebende Tiere – vor allem Allgäuer Braunvieh – und diverse Exponate, die der Besucher selbst ausprobieren kann, machen den Museumsbesuch zu einem ganz besonderen Erlebnis in Diepolz. Außerdem gibt es auf dem Gelände eine Imkerei, eine Heuschinde und einen Rindenkoben, eine zeltartige Rindenhütte, die den Holzfällern als Schlechtwetterunterstand diente, zu entdecken.

Im Eingangsgebäude des Museums wird das Wohnen und Wirtschaften der Bergbauern erläutert. Diese waren zumeist Selbstversorger. Die Landwirte von damals bauten für ihren Eigenbedarf Gemüse, Getreide und Kartoffeln an. Auch um ihr Heizmaterial für den Winter und um die Einstreu für den Stall kümmerten sie sich selbst, indem sie ins Moor gingen, um Torf zu stechen. Das Allgäu ist aber ein Gras- und Weideland. Daher begann die Arbeit der Landwirte im Frühjahr mit dem Ausbringen des Düngers auf ihren Feldern. Um Pfingsten ging es dann mit der Heuernte los. Diese wurde damals noch mit Hilfe von Pferde- und Rinderfuhrwerken ausgeführt. Gemäht wurden die Wiesen von Hand mit einer Sense. Eine Besonderheit der Landwirt-

Die bisher älteste bekannte Fotografie aus dem Jahr 1893 von Hirten in den Bergen, die den Sommer gemeinsam mit der Herde verbrachten, zeigt die Älpler neben ihrer Steinhütte (rechts)

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ab, wodurch viele Allgäuer dazu gezwungen wurden, ihre Haushaltskasse durch zusätzliche Arbeiten aufzubessern. Dies geschah unter anderem durch Hausweberei oder Waldarbeit. Aber auch Reparaturarbeiten an Haus und Gerätschaften und die Herstellung von Huinzen und Schindeln nahmen viel Zeit in Anspruch. Einen besonderen Schwerpunkt gibt es im Allgäuer Bergbauernmuseum zur Entwicklung der Milchwirtschaft im Allgäu, die den Landwirten innerhalb weniger Jahrzehnte Wohlstand bescherte. Zu sehen sind zum Beispiel eine historische Käseküche und eine Sennalpe aus dem Jahr 1874, in der sich früher Hirten und Förster aufgehalten haben. Sie bietet den Besuchern sogar frische Milch und eine richtige Allgäuer

Oben links: die Stube der Höfle-Alpe im Allgäuer Bergbauernmuseum in Diepolz, daneben die Sennküche der Höfle-Alpe

Fotos: Archiv Allgäuer Bergbauernmuseum

schaft im Allgäu sind »Huinzen«. Die Huinze, auch Heuzahn genannt, ist ein angespitzter Pfahl mit Querstreben, auf dem das Gras zu Heu getrocknet wird. Bis vor 40 Jahren boten im Frühjahr noch zahlreiche solcher Huinzen auf den regionalen Feldern einen ungewöhnlichen Anblick. Heutzutage sind sie aber nur noch selten im Gebrauch. Wenn das Heu fertig getrocknet war, wurde es im Heustock gelagert, bis es im Winter den Kühen verfüttert wurde. Im Herbst folgte dann der zweite Grasschnitt des Jahres, die Ernte des Grummets oder Gromads, der nährstoffreicher ist als das erste Heu. Zum Abschluss der jährlichen Arbeiten auf den Feldern wurden dann im Oktober noch Kartoffeln geerntet. Die Berglandwirtschaft warf jedoch nur wenig Ertrag

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Ein Seilzug erleichterte das Pflügen der steilen Hänge und somit die Bewirtschaftung des Berggebietes zwischen Kempten und Oberstdorf (links)

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Rechts: der Wagner im Bergbauernmuseum beim Vorführen seines altüberlieferten Handwerks, daneben die rekonstruierte Werkstatt aus dem Sattlerhof, der Stück für Stück abgetragen und auf dem Museumsgelände wieder aufgebaut wurde. Unten: das Schlafzimmer der Bauern

Brotzeit an, und man kann einiges über die Geschichte der Alpwirtschaft und des frühen Bergtourismus lernen. Ein weiterer Bestandteil des Museums ist der Sattlerhof, der aus Schöllang originalgetreu nach Diepolz versetzt wurde. Er stellt ein typisches Allgäuer Bauernhaus dar, das aus Küche, Stube, Elternschlafzimmer, Tenne, Wagner werkstatt und Stall besteht. Die Stube war der wichtigste Ort im ganzen Haus. Da nur sie warm und rauchfrei war, spielte sich das Leben der Familie hauptsächlich in ihr ab. Die Tenne jedoch war der größte Raum im Haus. Hier wurden alle möglichen Arbeiten verrichtet, vom Wäschewaschen bis zum Schlachten des Schweins. Vor etwa 150 Jahren begannen die Allgäuer Bauern sich konkret mit der Milchwirtschaft zu beschäftigen. Da nun Milch die Haupteinnahmequelle der Bauern war, bekam auch der Stall einen hohen Stellenwert.

Zusammen mit dem Sattlerhof wurde auch die Rosshütte, eine Holzfällerunterkunft, in das Museum eingegliedert. Diese stand seit 1923 oberhalb des Alpsees im Immenstädter Stadtwald. Dort lebten nicht nur die früheren Holzer, sondern sie wurde auch als Aufbewahrungsort für Werkzeuge und Ausrüstung verwendet. Im Stall konnten zudem noch vier Pferde untergebracht werden, die das Holz ins Tal beförderten. Um das Angebot des Museums noch reichhaltiger zu gestalten, gibt es immer wieder Aktionen und Vorführungen. So ist es zum Beispiel möglich, im Sattlerhof eine »Zeitreise« mit Übernachtung zu machen oder den Hauswirtschafterinnen dabei zuzusehen, wie sie kochen, nähen und waschen. Auch das Melken der Kühe kann geübt werden, und in der Wagnerwerkstatt finden Handwerksvorführungen statt. Bei Workshops können die Besucher darüber hinaus etwas über die Allgäuer Küche oder das Filzen erfahren.

Kurz und wichtig Allgäuer Bergbauernmuseum Diepolz 44 87509 Immenstadt Tel. 08320/709670 Fax 08320/9259852 E-Mail: info@ bergbauernmuseum.de www.bergbauernmuseum.de

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Oberstdorf wandert 2013 im Allgäu voran Die Würfel sind gefallen: Der Heimatbund Allgäu hat sich zusammen mit der Allgäu GmbH für Oberstdorf als »Wandertagshauptstadt 2013« entschieden. Nach einem intensiven Bewerbungs- und Auswahlverfahren, an dem neben Oberstdorf auch Kempten, Füssen und Bad Wörishofen teilnahmen, entschied sich der Heimatbund Allgäu für den südlichsten Ort Deutschlands. Als Partner schnüren auch die Nachbargemeinden Fischen und Bad Hindelang die Wanderschuhe und bringen sich mit ein

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2008 bei der Bewerbung um den Wandertag stellten die Heimatbund-Vorstände Karl Stiefenhofer und Gerlinde Hagelmüller die Wegweiser Richtung Oberstdorf

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Der Deutsche Wanderverband veranstaltet seit dem Jahr 1883 gemeinsam mit einem Mitgliedsverein den Deutschen Wandertag (DWT). Er gilt als größtes deutsches, wenn nicht weltweit größtes Wanderfest. 30.000 bis 50.000 Gäste kommen zu diesen Wandertagen. Einerseits werden während des Wandertages viele Wanderungen, Führungen, Vorträge und Konzerte geboten, andererseits finden hier auch Fachtagungen und die Jahreshauptversammlung des Deutschen Wanderverbandes statt. Der Höhepunkt ist für viele Besucher der Festumzug, an dem bis zu 20.000 Wanderfreunde aus ganz Deutschland teilnehmen. Seit über drei Jahren bereitet der Vorstand des Heimatbundes das Großereignis vor. Mit der Allgäu GmbH und nun auch zusammen mit den Touristikern aus Oberstdorf wurde ein starkes Organisationsteam auf die Beine gestellt. Denn

weder finanziell noch organisatorisch wäre der Heimatbund in der Lage, ein solche Großveranstaltung durchzuführen. Oberstdorf hat mit Bad Hindelang und Fischen die touristisch ebenfalls starken Nachbargemeinden eingebunden. In der 130-jährigen Geschichte der Wandertage möchten die Partner aus den südlichsten Gemeinden Deutschlands neue Höhepunkte setzen. Im Zentrum steht dabei der eigentliche Deutsche Wandertag vom 27. Juni bis 1. Juli 2013. Viele Gruppen aus den 57 Regionalverbänden des Deutschen Wanderverbandes pflegen bereits Wochen vorher und auch nach dem Wandertag in der Wandertagshauptstadt oder den umliegenden Gemeinden zu buchen. Die circa 100 Wandertouren, die in einem Programmheft zusammengefasst sind, werden also nicht nur an den vier zentralen Tagen erwandert. Eine Wander- und Tourismusbörse ist seit rund 20 Jahren zusätzlich in der »Hauptstadt« geboten. Der Heimatbund legt Wert darauf, dass »Wandern mit Kultur« ein Thema wird. Eingebunden werden dabei die Angebote der Museen und Einrichtungen der Mitgliedsvereine im Heimatbund. Aber auch den Organisatoren wird noch einiges einfallen müssen. Das Osnabrücker Land ist 2011 Ausrichter des Wandertages mit der Wandertagshauptstadt Melle. Dort organisiert man derzeit beispielsweise, auf den bereits feststehenden Wanderwegen 3000 Schüler nach Melle laufen zu lassen. Alle Schulen der Umgebung sind eingeladen, ihre Wandertage so zu legen, dass die Kinder und Jugendlichen sich nach der Tour im Freibad von Melle zu einem Konzert einer Mädchen-Rockgruppe treffen. Gewinnspiele und viele Überraschungen sind dort für die jungen Wanderer geplant. Das ist nur ein Beispiel, wie auch jungen Menschen aus der Region das Wandern wieder nähergebracht werden kann. Oberstdorfs Bürgermeister Laurent O. Mies freut sich darauf, dass die Marktgemeinde nun auch ALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011


Fotos: Peter Elgaß

als »grünes Oberstdorf« und nicht nur mit internationalen Wintersport-Ereignissen bundesweit in den Fokus der Medien rückt: »Es ist eine große Chance, sich als Urlaubsort mit dem Schwerpunkt Wandern für Jung und Alt zu positionieren.« »Unser Ziel ist es, die Wandertrilogie Allgäu, die für die Allgäu GmbH aktuell die wichtigste Produktentwicklung darstellt, mit einer Veranstaltungstrilogie einzuführen«, so Bernhard Joachim, Geschäftsführer der Allgäu GmbH. »Mit den touristischen Top-Orten Oberstdorf, Füssen und Bad Wörishofen präsentieren wir nicht nur das Wandern in allen Facetten, sondern die ganze Breite des Natur-, Kultur- und Gesundheitsschatzes im Allgäu.« Joachim will damit nicht die anderen Orte trösten, die im Wettbewerb um die Wandertagshauptstadt unterlegen sind. Er macht deutlich, dass das gesamte Allgäu vom Deutschen Wandertag nachhaltig profitieren kann. Als der Heimatbund sich 2008 um die Ausrichtung des Wandertages bemühte, musste sich die »Allgäu-Delegation« im 50 Kilometer entfernten Fladungen einquartieren – rund um Fulda war kein Bett mehr frei. So wird es 2013 auch im Allgäu sein. HEIMAT ALLGÄU, die Zeitschrift des Heimatbundes Allgäu, wird die Entwicklung dieses Großereignisses in und um Oberstdorf mit Berichten begleiten. ALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011

Deutsche Wandertage in Bayern und in Baden-Württemberg In den letzten 50 Jahren gab es zehn Deutsche Wandertage in Bayern. Allesamt wurden jedoch im Norden und Nordosten des Freistaates ausgetragen. Weder in Oberbayern noch im Regierungsbezirk Schwaben gab es bisher ein Wanderfest dieser Art.

Beim Festzug in Fulda 2008 begrüßten die Zuschauer die AllgäuGruppe mit viel Applaus: »Wir kommen gerne zu euch in den Süden!«

1963 Coburg/Oberfranken 1966 Weiden/Oberpfalz 1974 Bayreuth/Oberfranken 1980 Zwiesel/Niederbayern 1984 Coburg/Oberfranken 1988 Bamberg/Oberfranken 1993 Naila/Frankenwald 1995 Weiden/Oberpfalz 1997 Aschaffenburg/Unterfranken 2002 Wunsiedel/Oberfranken In Baden-Württemberg, in der »wanderbaren« Nachbarschaft, gab es in den letzten 50 Jahren ebenfalls nur vier Wandertage: 1977 in Reutlingen, 1992 in Friedrichshafen sowie 1964 und 2010 in Freiburg.

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Die Pfleger der Berglandschaft Oben: Die von Franz Hage gepachtete Alpe Seifenmoos auf 1355 Metern Höhe. Seite S21 oben: der Alphirte bei der Waldarbeit mit Pferd »Nico«

Entscheidende Bestandteile, die den Reiz der Region Allgäu ausmachen, sind die Schönheit ihrer Alpweiden und das idyllische Bild von Braunvieh am Berghang. Es benötigt jedoch das große Engagement der Hirten und Sennen, die sich der Alpwirtschaft in den hochgelegenen Flächen sowie auf den mittleren Lagen widmen, um diese einzigartige Landschaft zu bewahren. Marius Lechler hat Franz Hage, den 1. Vorsitzenden des Alpwirtschaftlichen Vereins im Allgäu e.V. (AVA) und Pächter der Alpe Seifenmoos bei Immenstadt, zur wichtigen Tätigkeit der Älpler befragt

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HEIMAT ALLGÄU: Was ist eigentlich die Aufgabe des Alpwirtschaftlichen Vereins für die Alpenbetreiber in der Region Allgäu?

Franz Hage: Im Verein sind 688 Alpen im Allgäu organisiert, darunter 50 Sennalpen. Wir kümmern uns um die Belange von rund 1800 Mitgliedern. Auf den Alpen waren 2010 rund 34.000 Stück Vieh in einem Gebiet von Hopfen bis nach Lindau. Eine vergleichbare Organisation wie hier im Allgäu gibt es auch in Oberbayern. In der Gegend von Maierhöfen oder Lindau, wo die Alpen des Hochgebirges nicht verbreitet sind, nehmen wir zum Beispiel die Interessen zahlreicher Weidegenossenschaften wahr. Der Alpwirtschaftliche Verein dient außerdem als Ansprechpartner für Älpler und Pächter, informiert diese über neue Regelungen, veranstaltet Lehrgänge und Exkursionen. Außerdem unterstützt er seine Mitglieder beim Beantragen von Zuschüssen.

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Wie hat sich die Arbeit auf der Alpe im Vergleich zu früheren Zeiten verändert? Vor etwa 90 bis 100 Jahren waren alle Stadtberge rund um Immenstadt noch als reine Sennalpen bewirtschaftet, es gab hier noch 100 bis 150 Bauern in der Stadt Immenstadt mit zu wenig Grünland für das Vieh. Die Tiere wurden daher auf die Alpweiden gebracht. Auf der Alpe Seifenmoos gab es früher zum Beispiel noch 100 Kühe und vier bis fünf Sennen, Melker und Tagwerker, die dort gekäst haben. In den Jahrzehnten nach 1945 haben sich diese Weiden immer mehr in reine Jungviehberge entwickelt. Wo in früheren Zeiten sämtliche Güter zu Fuß oder mit Pferden in die Alpen transportiert werden mussten, dort führen heute ausgebaute Wege hin. Das Naturfreundehaus im Steigbachtal bei Immenstadt oder die Willersalpe im Hintersteiner Tal haben bis nach etwa 1945 noch eigeALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011


ne Träger beschäftigt, die die Versorgung sicherten. Wo damals noch viel Personal gebraucht wurde, um die Alpen zu bewirtschaften, wird heute meist mit einem Meisterhirt und zwischen einem und drei Kleinhirten gearbeitet. Der Alpwirtschaftliche Verein setzt sich auch dafür ein, dass alte Techniken der Käseherstellung in bestehenden Sennküchen auf den Alpen erhalten bleiben und nicht in Zukunft vollkommen verloren gehen. Wir arbeiten dafür auch mit dem Veterinäramt im Oberallgäu und der Veterinärdirektion der Regierung von Schwaben in Augsburg zusammen, um dieses Ziel zu erreichen. Wie wichtig ist die tägliche Arbeit des Alphirten am Berg für Pflege und Erhaltung der Natur? Ein sehr wichtiger Aspekt betrifft das Erhalten der Freiflächen und das Verhindern der Verbuschung. Ohne die Pflege durch das Vieh, das dort weidet, und durch Maßnahmen wie das Schwenden, also das Befreien der Weideflächen von kleinen Bäumen und Sträuchern, wären die Alpgebiete innerhalb von 20 bis 30 Jahren zum Großteil zugewachsen. Das ist natürlich abhängig vom Gelände oder der Alp, geht aber rasant voran. Zudem brauchen wir die Alpwirtschaft auch als wichtigen Faktor für den Tourismus im Allgäu, denn gut bewirtschaftete Alpen und gepflegte Weiden in den Hochalpen bedeuten freie Flächen mit dem begehrten Blick auf die schöne Landschaft und Touristen, ALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011

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die die Region deshalb besuchen. Zu unseren Tätigkeiten gehören neben offenen Weiden auch die Wassererhaltung für das Alpgebiet, die Arbeiten an der Infrastruktur, die Instandhaltung von Gebäuden und allem anderen, was für die Alpe wichtig ist, sowie die Weidepflege. Wie wird diese Tätigkeit heute finanziert? Die Alpwirtschaft kann sich mittlerweile nur noch durch die Ausgleichszahlungen des Freistaates Bayern und der Europäischen Union behaupten. Inzwischen muss man pro Stück Vieh, das man auf die Alpweide treibt, bezahlen. Die Finanzierung ist wichtig, um unsere Arbeit weiter möglich zu machen, die ja einen Nutzen über die reine Alpbewirtschaftung hinaus hat. Wie sieht es mit der Sicherheit im Gebirge aus? Spielen die Betreiber der Alpen hier eine Rolle?

Franz Hage Der 55-Jährige lebt in Untermaiselstein und führt seit 30 Jahren die Alpe Seifenmoos auf 1355 Metern Höhe, die sich im Besitz der Stadt Immenstadt befindet. Als 1. Vorsitzender des Alpwirtschaftlichen Vereins im Allgäu e.V., in dem er sich bereits seit 30 Jahren als Mitglied engagiert, ist Franz Hage seit dem Jahr 2007 tätig.

Wenn die Steilhänge, wo sich das Vieh im Sommer aufhält, nicht bewirtschaftet werden, entstehen Erosion am Berg und erhöhte Gefahr für Lawinenabgänge im Winter. Die Tiere festigen den Boden durch Beweidung der Höhenlagen. Daher ist die Alpwirtschaft auch wichtig für die Sicherheit. Die Arbeit der Alphirten im Allgäu mit ihren Tätigkeiten ist fundamental wichtig für die Region, sie ist gut für die Bauern, gut für die Natur und natürlich auch gut für den Tourismus.

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Fotos: Peter Elgaß, Franz Hage, Gerhard Honold, Friederike Lerbs; Bayerischer Bauernverband

Die Weiden der Alpe Seifenmoos müssen zum Beispiel durch Schwenden freigehalten werden (r.). Franz Hage mit Bundeslandwirtschaftsmini sterin Ilse Aigner bei einer Tagung zur Berglandwirtschaft im Jahr 2009 (ganz r.), Hage vor der Alpe Seifenmoos beim Viehscheid (unten)

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Klassische Klänge im gesamten Allgäu Bereits zum fünften Mal treffen sich in diesem Jahr an verschiedenen Plätzen der beliebten Urlaubsregion Allgäu talentierte Künstler, um mit einer Konzertserie der Extraklasse das Publikum zu begeistern. Die Reihe »MusikHochGenuss« vereint insgesamt neun Spielorte, die nicht nur Spitzenmusiker anziehen, sondern auch mit ihrer einmaligen Landschaft bezaubern. Marius Lechler blickt voraus auf die Allgäuer Festivalsaison 2011 und ihre Höhepunkte

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bern die Möglichkeit, hochwertige Konzerte zu genießen und die abwechslungsreiche Kulturlandschaft des Voralpenraumes kennenzulernen. Kulturführungen, Stadtspaziergänge und Festival-Arrangements runden das Programm ab. Die Allgäuer Festivalsaison beginnt wie im Vorjahr mit einem Konzerterlebnis in der KlassikBOX Allgäu. Die Münchner Symphoniker stellen unter der künstlerischen Leitung von Georg Schmöhe für die Saison 2011/2012 ein hervorragendes Konzertangebot vor. Klassische Klänge in prachtvoller Kulisse bieten die Ottobeurer Konzerte 2011 vom 28. Mai bis 25. September. In der weltbekannten Basilika werden Werke von Anton Bruckner, Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydn aufgeführt. Es spielen und singen unter anderem das Symphonieorchester und der Chor des Bayerischen Rundfunks. Freunde der Vokalmusik erleben

Fotos: Arno Pürschel; Bad Hindelang; KlassikBOX Allgäu; MOD Festivals

Die schönsten und eindrucksvollsten Veranstaltungsorte des Allgäus bilden seit März dieses Jahres den idyllischen Hintergrund für besondere musikalische Erlebnisse. »MusikHochGenuss« verbindet Regionen und Länder, Vergangenheit und Gegenwart, junge Talente und große Meister. Das 2011 neu hinzugekommene Bad Hindelanger Musikfestival »Ein Ort wird Musik« integriert das hochalpine Panorama des Ostrachtales in das Spektrum der Reihe. Mit seinen vielfältigen Konzertpodien ist das Allgäu ideales Umfeld für die Begegnungen von Künstlern und Kulturen. Ob in alpinen Höhen auf dem Nebelhorn, im Sängersaal des Märchenschlosses Neuschwanstein oder in den prunkvollen Räumen des Klosters Irsee: Jedes der Festivals bezaubert mit seiner harmonischen Verbindung von Ort und Musik. Die Allgäu-Festivals bieten Klassikliebha-

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Chorkunst auf hohem Niveau beim 12. Internationalen Kammerchor-Wettbewerb vom 10. bis 15. Juni in Marktoberdorf. Dort stellen unter anderem Chöre aus Estland, Israel und Kanada ihr Können unter Beweis. Der Oberstdorfer Musiksommer bringt unter dem Motto »Länderspiele« vom 28. Juli bis 18. August vielseitige Klänge aus der Region, aus Ländern und aus Kontinenten auf die Festivalpodien im Tal und auf den Bergen. Abwechslungsreich zeichnen die von prominenten Künstlern und junger Elite gestalteten Konzerte ein Klangbild musikalischer Begegnungen vom Allgäu bis nach Afrika. Zum 19. und letzten Mal findet das Musikfestival Klang & Raum vom 1. bis 4. September im Kloster Irsee statt. Der künstlerische Leiter Bruno Weil versammelt getreu der langjährigen Tradition des einzigartigen Festivals ein wei-

teres Mal die Weltspitze der Alten Musik in den prachtvollen Räumen des Klosters Irsee bei Kaufbeuren. Anlässlich des 125. Todesjahres von Bayernkönig Ludwig II. hat sich das Festival »vielsaitig« in der Geigen- und Lautenbaustadt Füssen vom 24. August bis 3. September der Romantik verschrieben. Das Verdi-Quartett und weitere renommierte Gäste greifen die Ideenwelt des 19. Jahrhunderts auf und überraschen mit neuen Interpretationen. Einzigartige Konzerterlebnisse garantieren die Schlosskonzerte Neuschwanstein vom 17. bis 25. September 2011 mit ihrem Dreiklang von König Ludwig II., Richard Wagner und Schloss Neuschwanstein. Es gastieren die Bayerische Kammerphilharmonie und die Deutsche Radio-Philharmonie. Das Festival der Nationen vom 22. September bis 2. Oktober in Bad Wörishofen bietet ein hochkarätiges Programm für Klassikliebhaber. Die besondere Atmosphäre entsteht durch die Kombination von Stars und der Nachwuchselite, darunter David Garrett, Diana Damrau und Maxim Vengerov. Renommierte Musiker und Allgäuer Nachwuchstalente stellen sich schließlich auf dem 7. Internationalen Bad Hindelanger Musikfestival »Ein Ort wird Musik« – erstmals in der Reihe »MusikHochGenuss« – vom 10. bis 15. Oktober vor. Klassik zum Miterleben in intimer Atmosphäre bestimmt das Konzept des Festivals unter künstlerischer Leitung von »Teufelsgeiger« Florian Meierott.

S. S24: Teilnehmende Festivals in der Reihe »MusikHochGenuss« sind »Ein Ort wird Musik« mit Florian Meierott (unten links) und der 19. Oberstdorfer Musiksommer (unten rechts). Links oben die KlassikBOX in Kempten; unten der 12. Internationale Kammerchor-Wettbewerb in Marktoberdorf und die Schlosskonzerte Neuschwanstein

Die »MusikHochGenuss«-Festivals im Überblick KlassikBOX Allgäu, Kempten Konzertsaison 2011/2012 Ottobeurer Konzerte 28. Mai bis 25. September 12. Internationaler Kammerchor-Wettbewerb, Marktoberdorf 10. bis 15. Juni Oberstdorfer Musiksommer 28. Juli bis 18. August

19. Musikfestival Klang & Raum im Kloster Irsee 1. bis 4. September Schlosskonzerte Neuschwanstein 17. bis 25. September Festival der Nationen, Bad Wörishofen 22. September bis 2. Oktober Ein Ort wird Musik – 7. Internationales Bad Hindelanger Musikfestival 10. bis 15. Oktober

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Foto: Schlosskonzerte Neuschwanstein

Festival »vielsaitig«, Füssen 24. August bis 3. September

Kurz und wichtig Allgäu GmbH Allgäuer Straße 1 87435 Kempten (Allgäu) Tel. 0800/2573678 Fax 0831/5753733 E-Mail: info@allgaeu.info www.allgaeu-festivals.de

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Stickkunst wie zu alten Zeiten Prächtig geschmückte Hosenträger, die zu Lederhosen sowohl bei Festtagen im Allgäu als auch beim großen Ereignis Viehscheid untrennbar zum Brauchtum gehören, sind bereits seit über zwei Jahrhunderten kunstvolles Schmuckstück und Zierde, die nicht einfach anzufertigen ist. Marion Bässler hat die Oberstdorfer Handstickmeisterin Heidi Baumgartner besucht und ließ sich von ihr in die Tradition der alten Handarbeitstechnik einführen

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Seit bald 40 Jahren ist das Sticken fester Bestandteil von Heidi Baumgartners Leben. »Jede Stickerei ist wie eine Handschrift«, sagt sie. Selbst beim gleichen Motiv lasse sich nämlich die individuelle Note der Person erkennen, die es gefertigt hat. Und die 51-jährige Oberstdorferin weiß, wovon sie spricht. Die Leidenschaft für diese kunstvolle Handarbeitstechnik liegt bei ihr in der Familie. Schon ihre Großmutter, die leider so früh verstarb, dass Heidi Baumgartner sie nie kennenlernen durfte, stickte mit Vorliebe Edelweiß. Wie einen kostbaren Schatz präsentiert die Oberstdorferin eine grüne Kissenhülle, die eine Stickerei dieser wohl bekanntesten Alpenblume ziert. Angefertigt wurde das Kissen eben von ihrer

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Großmutter. Anhand einer alten Zeitung vom 11. Februar 1935, in die das wertvolle Stück eingewickelt war, lässt sich sogar die Jahreszahl der Herstellung erahnen. Noch gut erinnert sich die 51-Jährige daran, wie eine alte Dame, der ihre Großmutter in jungen Jahren das Sticken beigebracht hatte, auf sie selbst zukam. Die Dame fragte die damals Zwölfjährige, ob sie das Sticken von ihr erlernen möchte, damit die Tradition wieder in die Familie zurückkehrt. Neugierig willigte die Oberstdorferin ein, wurde sofort von der Faszination für die alte Handarbeitstechnik ergriffen und fertigte so bereits im Alter von zwölf Jahren ihre ersten w Edelweißhosenträger an. ALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011


Fotos: Marion Bässler, Kathrina Sofie Baumgartner, Stadt Sonthofen

Beispielhafte Stücke einer Meisterin ihres Fachs: Heidi Baumgartner verziert mit ihren Stickereien klassische Hosenträger für die Tracht (S. S 26 oben), Taschen (ganz o.), Accessoires (o.) und Rucksäcke (u.). Links die Oberstdorferin bei der Arbeit

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»Von diesem Zeitpunkt an war mir klar, dass ich Stickerin werden möchte«, erzählt Heidi Baumgartner und fügt hinzu, dass es in ihren Augen zu diesem Wunsch keine Alternative gab. Vier Jahre später machte sie sich auf den Weg in den Bregenzerwald, um sich dort in die Geheimnisse der Trachtenmieder- und Goldstickerei einführen zu

Mit zwölf Jahren begann Heidi Baumgartner (oben) die Edelweißstickerei, heute setzt sie sich unter anderem mit Kursen im Heimathaus Sonthofen dafür ein, dass die alte Handwerkskunst weitergeführt wird

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lassen. Nachdem sie sich anschließend als Autodidaktin weitergebildet hatte, absolvierte sie in einem niederbayerischen Kloster eine dreijährige Ausbildung zur Handstickmeisterin. »Es gibt keine bessere Lehrstelle als ein Kloster«, versichert sie. Dabei verweist sie auf die vielen alten Überlieferungen, die die Schwestern alle noch kennen und gerne weitergeben. Für ihre Meisterprüfung, die sie mit Auszeichnung bestand, erhielt Heidi Baumgartner sogar den Meisterpreis der Bayerischen Staatsregierung. Obwohl Stickereien so kunstvoll aussehen, dass sie von nahezu jedem bewundert werden, ist Handstickerin ein sehr seltener Lehrberuf geworden. Jeder denkt dabei zwar als erstes an gestickte Tischdecken, solche Arbeiten seien aber eher die Minderheit, erzählt Heidi Baumgartner lachend. Überwiegend erhält die Oberstdorferin

Aufträge von Kirchen, Museen und Vereinen und beschäftigt sich daher in erster Linie mit der Bestickung von Fahnen und der Restaurierung von Messgewändern. Die Anfertigung von Edelweiß-Hosenträgern macht dabei nur einen ganz kleinen Teil aus, erklärt sie etwas betrübt. Das Fortleben der alten Technik ist Heidi Baumgartner nämlich eine Herzensangelegenheit. Daher unterhält sie nicht nur ihre Werkstatt, sondern führt in Kursen Interessierte auf der ganzen Welt in die Kunst des Stickens ein. Dabei hat sie zu ihrer Freude auch ein »aufflammendes Interesse« am Edelweiß entdeckt. »Ich finde es toll, wenn ich der Region diese traditionelle Technik wieder zurückgeben kann«, freut sich die Oberstdorferin, die selbst schon drei Fachbücher geschrieben hat und als freie Autorin für eine Handarbeitszeitschrift tätig ist. Trotz des fortschreitenden maschinellen Zeitalters sieht Heidi Baumgartner den Beruf der Handstickmeisterin nicht gefährdet, da viele Sticktechniken nur in Handarbeit umzusetzen sind. Zur plastischen Heraushebung von Stickereien können diese beispielsweise unterlegt werden, und gerade bei der Herstellung von Edelweiß-Hosenträgern ist Maßarbeit gefragt, damit die kunstvollen Stickereien auch an der richtigen Stelle sitzen. Erklärt Heidi Baumgartner die Anfertigung eines Edelweiß-Hosenträgers, klingt es zunächst ganz simpel, und dennoch kursieren etliche falsche Anleitungen, wie die Handstickmeisterin weiß. Die Fehler liegen meist im Detail, sind aber hinterher doch sichtbar und lassen sich auch nicht einfach ausbügeln. Neben Tuch (Loden) wird fürs Edelweiß ein Stickrahmen benötigt und – je nachdem, wie fein es werden soll – Wolle oder Garn. Die Form der Alpenblume wird als Papierschablone erstellt und mit der richtigen Technik überstickt. Damit alles individuell wird, kann vor allem das Blüteninnere, der sogenannte Butzen, in verschiedenen Formen, Arten und Techniken hergestellt werden. Dabei variieren nicht nur die Farben von Wolle oder Garn, sondern die Stickerinnen können auch selbst entscheiden, ob sie beim Butzen mit Knoten oder Schleife arbeiten möchten. Wer fleißig übt, kann die Technik in einem Kurs erlernen und damit seinen Teil dazu beitragen, dass die wertvolle Tradition unserer Heimatregion nicht verloren geht. Gerade beim Vergleich alter Hosenträger mit den heutigen werden die Unterschiede deutlich, erklärt Heidi Baumgartner. »Das« Edelweiß gibt es also nicht, da jedes handgestickte ein Unikat ist. Weil Trachten eine Wertigkeit haben und lange aufbewahrt werden, lohnt sich ein genauer Blick auf die Edelweiß-Hosenträger, die man gerade beim Viehscheid im herbstlichen Allgäu an jeder männlichen Tracht sieht. ALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011


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Viehscheidtermine im Allgäu und Umgebung Überall im Allgäu bimmeln die Kuhglocken und -schellen, wenn das Alpvieh nach dem Sommeraufenthalt auf würzigen Alpwiesen zurück ins Tal getrieben wird. In den Viehscheidorten wird an diesem Tag zünftig gefeiert, um die Tiere angemessen willkommen zu heißen. Nachfolgend eine Liste der Viehscheide und Alpabtriebe im Allgäu und in der unmittelbaren Umgebung wie Vorarlberg und Tirol

Wann: 3. September, 10.30 Uhr Wo: Pfarrgarten (zwischen Kirche und Feuerwehrhaus) Veranstalter: Freiwillige Feuerwehr Markt Rettenbach Anzahl der Tiere: 35

Oberstaufen Wann: 9. September, 8.30 Uhr Wo: Höfen (Abzweigung nach Steibis) Veranstalter: Trachtenverein und Feuerwehr Oberstaufen unter Mithilfe weiterer örtlicher Vereine Anzahl der Tiere: ca. 1000 - Pendelbusse zwischen Bahnhof Oberstaufen und Scheidplatz - Ab 14 Uhr Bergsommerausklang mit Schellenverlosung - Ab 20 Uhr Stimmung im Festzelt

Musau (Bezirk Reutte) Wann: 10. September, 14 Uhr Wo: An der Feuerwehrhalle Musau Veranstalter: Freiwillige Feuerwehr Musau und das Almteam Anzahl der Tiere: etwa 20 Kühe und 100 Stück Jungvieh - Unterhaltung durch Allgäuer Musikkapelle Schwarzenberg - Kinderprogramm mit Bockstechen, Stelzengehen, Wasserzielspritzen - Schätzfragenspiel mit Preis-Chancen

Foto: Wolfgang Ostheimer

Markt Rettenbach

Bad Hindelang Wann: 10. September, 8.30 Uhr Wo: Ostrachstraße in Bad Hindelang, Nähe der Hornbahn Veranstalter: Gemeinde Bad Hindelang Anzahl der Tiere: ca. 900 - Fünf Rinderherden von den Alpen Hasenegg, Stierbach, Kühbach, Erzberg und Platt - Ganztätig musikalische Unterhaltung im Festzelt auf dem Scheidplatz - Großer Kramermarkt

Höfen (Bezirk Reutte) Wann: 10. September, 12.30 Uhr Wo: Schollenwiesenlift in Höfen Veranstalter: Wintersportverein Höfen Anzahl der Tiere: 40 ALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011

Pfronten Wann: 10. September, 9.30 Uhr Wo: Beim Schulzentrum in Pfronten-Heitlern Veranstalter: Gemeinde Pfronten Anzahl der Tiere: ca. 400 - Jungvieh von sieben Alpen - Großer Festumzug mit Unterhaltungsabend am 9. September - Traditionelle »Pfrontar Viehscheid-Däg« vom 4. bis 17. September mit Ausflügen zu Alpen, Bauernhöfen oder Brauerei, Zuschauen beim Nähen von echten Haferlschuhen und Binden einer Kranzkrone, Bergstecken schnitzen, Besuch beim Schellenschmied oder am Milchstand der Bergbäuerinnen

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Seeg

Balderschwang

Wann: 10. September, 13 Uhr Wo: Festzeltplatz gegenüber der Feuerwehr Veranstalter: Schützenverein Seeg Anzahl der Tiere: ca. 80 - Ab 11 Uhr Bewirtung durch den Schützenverein Seeg - 13 Uhr Eintreffen der Schumpen von der Alpe Beichelstein - Kuhglocken-Verlosung - Es spielt die Harmoniemusik Seeg

Wann: 16. September, 9 Uhr Wo: Ortsmitte am Feuerwehrhaus Veranstalter: Feuerwehr Balderschwang Anzahl der Tiere: ca. 300 - Kleiner und urtümlicher Viehscheid zur Rückkehr des Alpviehs

Schöllang Wann: 12. September, 9 Uhr Wo: Südlicher Ortseingang von Schöllang Veranstalter: Oberstdorf Tourismus GmbH Anzahl der Tiere: ca. 700 - Über 700 Tiere von Entschenalpe, Hinterer Seealpe, Gutenalpe und Käseralpe - Festzeltunterhaltung mit Musikkapelle Schöllang und Rubihorn Musikanten

Oberstdorf Wann: 13. September, 9.30 Uhr Wo: Im Ried (Renksteg) Veranstalter: Oberstdorf Tourismus GmbH Anzahl der Tiere: ca. 1000 - Viehscheid mit Vieh von den Alpen Bierenwang, Traufberg, Haldenwang, Rappenalpe, Biberalpe und Taufersbergalpe - Bis zu 20.000 Besucher - Pendelbus vom Busbahnhof Oberstdorf zum Scheidplatz

Wann: 16. September, 9.30 Uhr Wo: Am Feuerwehrhaus, An der Riese 25 Veranstalter: Rechtlerverband Nesselwang Anzahl der Tiere: ca. 100 - Festzug von der Nesselwanger Schule zum Festzelt am Parkplatz an der Riese am 15. September um 19.15 Uhr, anschließend Heimatabend mit den Gruppen des Trachtenvereins »Alpspitzler« - Auf dem Scheidplatz Sammeln der Tiere an der Talstation der Sommerrodelbahn - Abends Viehscheid-Hoigarte mit Live-Musik - Samstag, 17. September, um 20.30 Uhr Feier im Festzelt

Schattwald Wann: 16. September, 13 Uhr Wo: Feuerwehrhalle, Dorfmitte Veranstalter: Freiwillige Feuerwehr Schattwald Anzahl der Tiere: ca. 80 bis 100

Thalkirchdorf Wann: 16. September, 9.15 Uhr Wo: Parkplatz an der Talstation Schwandlift Veranstalter: Heimatverein, Musikkapelle, Mithilfe weiterer örtlicher Vereine Anzahl der Tiere: ca. 600 - Ab 10 Uhr spielt die Musikkapelle Thalkirchdorf - Traditionelle Schellenverlosung um 14.30 Uhr - Tanz mit dem Salzburg-Quintett ab 20 Uhr

Foto: Oberstaufen Tourismus

Foto: Tourist-Information Seeg

Nesselwang

Kranzegg Wann: 15. September, 9 Uhr Wo: Kranzegg, Ortsausgang Richtung Vorderburg Veranstalter: Ernst Kleinheinz Anzahl der Tiere: ca. 270 - Drei Jungviehherden und fünf Kuhherden - Umrahmung durch »Kranzegger Herbstfesttage«

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Unterjoch Wann: 16. September, 10 Uhr Wo: Unterjoch, Ortseingang/Busparkplatz Veranstalter: Bergbäuerinnen Unterjoch Anzahl der Tiere: ca. 50 ALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011


Gunzesried

Missen-Wilhams

Wann: 17. September, 8.30 Uhr Wo: Ortseingang Gunzesried Veranstalter: Scheidverein Gunzesried Anzahl der Tiere: ca. 1400 - Größter Viehscheid im Allgäu - 13 Viehherden von 18 Alpen - Begleitet von der Blaskapelle Bihlerdorf-Ofterschwang - Ab 11 Uhr Festzelt und Krämermarkt - Pendelbusse von 7.30 Uhr bis 16 Uhr

Wann: 17. September, 9.30 Uhr Wo: Am Freibad 5e, Missen Veranstalter: Viehscheidverein Missen-Wilhams Anzahl der Tiere: ca. 300

Pfronten-Röfleuten Wann: 17. September, 10 Uhr Wo: Forsthaus an der Peter-Heel-Straße, Pfronten-Röfleuten Veranstalter: Freiwillige Feuerwehr PfrontenRöfleuten/Halden Anzahl der Tiere: ca. 50 bis 80

Immenstadt Wann: 17. September, 9 Uhr Wo: Viehmarktplatz Immenstadt Veranstalter: FC Immenstadt Anzahl der Tiere: ca. 800

Jungholz in Tirol Foto: Pfronten Tourismus

Wann: 17. September, 10 Uhr Wo: Feuerwehrhaus Jungholz Veranstalter: Freiwillige Feuerwehr Jungholz Anzahl der Tiere: ca. 100

Lechaschau (Bezirk Reutte) Wann: 17. September, 9 Uhr Wo: Schiedgasse in Lechaschau Veranstalter: Viehzuchtverein Lechaschau Anzahl der Tiere: ca. 800 Schafe - Almabtrieb mit Schafen aus dem Schwarzwassertal - Scheid mit anschließendem Schafscheren - Einzug der geschmückten Kühe und Ziegen um 14 Uhr

Schwangau Wann: 17. September, 12.30 Uhr Wo: Kreuzung in Hohenschwangau Anzahl der Tiere: ca. 180

Wengen/Weitnau

Maierhöfen

Wann: 17. September, 12.30 Uhr Wo: Bei der Dorfhalle Wengen Veranstalter: Markt Weitnau Anzahl der Tiere: ca. 120 bis 140 - Bauernmarkt ab 10 Uhr - Ab 17 Uhr Tanz und Unterhaltung - Vieh von der Alpe Wenger Egg

Wann: 17. September, 11.30 Uhr Wo: Festgelände Maierhöfen Veranstalter: Viehscheidverein Maierhöfen e.V. Anzahl der Tiere: ca. 200

Zell/Eisenberg

Foto: Gästeamt Maierhöfen

Wann: 17. September, 10.15 Uhr Wo: Zell Veranstalter: Musikkapelle Eisenberg Anzahl der Tiere: ca. 80

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Nesselwängle Wann: 18. September, 11 Uhr Wo: Feuerwehrhalle beim Gemeindehaus Veranstalter: Jungbauern von Nesselwängle Anzahl der Tiere: ca. 100

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Bolsterlang Wann: 19. September, 9.30 Uhr Wo: Am Gasthof Goldbach, südlicher Ortseingang Veranstalter: Gemeinde Bolsterlang Anzahl der Tiere: ca. 650

Buching Wann: 19. September, 9.30 Uhr Wo: Buching, Festplatz neben dem Maibaum Veranstalter: Gemeinde Halblech Anzahl der Tiere: ca. 30 - Traditioneller Viehmarkt auf dem Festplatz (kein Viehscheid!) - Krämermarkt und Festzeltbetrieb mit Blasmusik - Einzug des geschmückten Viehs um 9.30 Uhr - Buchinger Herbstfest am 17. und 18. September mit großem Unterhaltungsabend mit Holzsägewettbewerb, der Musikkapelle »Alpengruß«, der Trachtengruppe »Hochplatte« und den »Peitinger Goaßlschnalzern«

Riezlern im Kleinwalsertal

Grän-Haldensee Wann: 20. September, 11 Uhr Wo: Dorfmitte Veranstalter: Landjugend und Bäuerinnen von Grän/Haldensee Anzahl der Tiere: ca. 190

Tannheim Wann: 21. September, 13 Uhr Wo: Parkplatz der Tannheimer Lifte Veranstalter: Landjugend Tannheim Anzahl der Tiere: ca. 650

Haldenwang Wann: 24. September, 10 Uhr Wo: Südlicher Ortseingang Haldenwang Veranstalter: Raiffeisenbank Haldenwang eG Anzahl der Tiere: ca. 110

Haslach am Grüntensee Wann: 24. September, 10.30 Uhr Wo: Am Feuerwehrhaus Haslach Veranstalter: Pfeifenclub Haslach Anzahl der Tiere: ca. 100

Foto: Kur- und Tourismusbüro Oy-Mittelberg

Wann: 19. September, 8.15 Uhr Wo: Riezlern, unterster Parkplatz nach der Kanzelwandbahn rechts (Breitachbrücke) Veranstalter: Walser Buura, Obmann Markus Fritz Anzahl der Tiere: ca. 700 - Eintreffen der Herden zwischen 8.15 Uhr und 14 Uhr - Kleiner Bauernmarkt mit landwirtschaftlichen Artikeln - Rahmenprogramm mit den Walser Buura und Live-Musik

Wertach Wann: 19. September, 9 Uhr Wo: Industriestraße zwischen Getränkemarkt Fleischmann und Wertstoffhof Veranstalter: Bürgermeister Eberhard Jehle Anzahl der Tiere: ca. 750 - Gilt als einer der ältesten und größten Viehscheide im Allgäu - Rinder von den Alpen Sorg I und II, Reuterwannen, Obere und Untere Bichleralp, Schnitzlertalalp, Vordere Köllealp - Umrahmung durch Wertacher Herbstfest mit Krämermarkt, Alphornblasen, Maibaumversteigerung, Schellenverlosung und großen Unterhaltungsabenden - Ganztägige Ausstellung »Wertacher Alpen/Alpwirtschaft« in der Tourist Information Wertach

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Obermaiselstein Wann: 24. September, 9 Uhr Wo: Festplatz, Dorfmitte Veranstalter: Gemeinde Obermaiselstein Anzahl der Tiere: ca. 1400 - Einer der größten Viehscheide im gesamten Allgäu - Eintreffen des Alpviehs von zwölf Alpen zwischen 9 und 13 Uhr - Festzelt mit Live-Musik, Bieranstich bereits am 22. September - Ab 20 Uhr Scheidball mit Verlosung der Viehschellen an die Älpler der am Scheid teilnehmenden Alpen ALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011






Blökende Vierbeiner in Tiroler Gassen Bei den Alpabtrieben im Allgäu und den angrenzenden Gebieten der österreichischen Täler stehen meist Rinder und Pferde im Mittelpunkt. Im kleinen Ort Lechaschau bei Reutte in Tirol spielen jedoch Schafe die Hauptrolle des jährlichen Ereignisses. Was im Allgäu unter dem Namen Alpe bekannt ist, wird im österreichischen Viehscheidgebiet als Alm bezeichnet. Annette Müller berichtet von dem einmaligen Schauspiel, das sich nur noch hier erhalten hat

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Lechaschau ist ein Teil der Naturparkregion Reutte am Rande der österreichischen Alpen. Die Region wird auch »das Tor zu Tirol« genannt. Am linken Lechufer gelegen, ist dieser 2000 Einwohner zählende Ort der ideale Platz für ruhige Ferientage mit der ganzen Familie. Der Lech bahnt sich hier seinen Weg durch das gesamte Lechtal und den Talkessel von Reutte, bis er schließlich bei Füssen Tirol verlässt. Nicht nur Rinder und Pferde sind für die Bewirtschaf-

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tung der Almen von großer Bedeutung. Auch Schafe und Ziegen sind vor allem für das besonders unwegsame Gelände bestens geeignet. Der Schafzuchtverein »Wängle-Höfen-Lechaschau« ist darum bemüht, dass die Schafzucht im Außerfern wieder an Attraktivität gewinnt und somit ein unverzichtbarer Bestandteil der Landschaftspflege bleibt. Von vielen Experten wird das Schaf als Landschaftspfleger einhellig an erster Stelle ALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011


Fotos: Tourismusverband Naturparkregion Reutte; Charly Winkler

Die Schafschied bietet sogar Gelegenheit, neue Freundschaften zu schließen

Wie überall im Leben – ein schwarzes Schaf ist immer dabei (siehe auch links)

gesehen. Um die Bergwiesen und Almen zu erhalten, die kaum noch oder zu schwierig mit Rindern gepflegt werden können, gibt es nur die Möglichkeit, dort das Schaf einzusetzen. Schafe und Ziegen, die auch am extremsten Hang weiden und die Gräser sauber bis zu den Wurzeln fressen, sind hier gleichzeitig für die Düngung verantwortlich. In Dankbarkeit für die gesunde Heimkehr der Schafe, Ziegen und Kühe von der Alpe, wo sie von Anfang Mai bis Ende September den Sommer verbracht haben, und als Anerkennung für die Hirten und Bauern begeht man in Lechaschau seit dem vorigen Jahrhundert alljährlich ein großes Volksfest. Wie in jedem Jahr kommen die Schafe im September nach langem Weidegang über die saftigen grünen Almböden und Kare ins Tal zurück. Der Heimtrieb erfolgt durch das Schwarzwassertal zur Stuibenalpe, dann weiter nach Weißenbach und Höfen. Der Einzug in Lechaschau ist ein großes Ereignis und findet immer an einem Samstag im September um neun Uhr statt, wobei die Schafherde stets von vielen Einheimischen und Urlaubsgästen erwartet wird. In der »Schiedgasse« in Lechaschau werden die Tiere in einen großen Haag (Gatter) zusammengetrieben. Die Schafe sind mit Farbe und Ohrmarken markiert und werden hier von ihren Eigentümern eingefangen, das heißt, sie werden »ausgeschieden« und somit ihren BesitALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011

Für die Einheimischen ist die Veranstaltung ein Festtag S. S38: Beim Einzug der Schafherden in Lechaschau werden diese von zahlreichen begeisterten Zuschauern erwartet. Das Scheren der Tiere findet zum Teil gleich auf dem Schiedplatz statt (links)

zern übergeben. Anschließend übergibt der Hirte alle auf der Alm geborenen Lämmer an die Bauern. Am Rande des Lechaschauer Schafschiedes demonstriert ein Schafscherer sein Können – und die Tiere quittieren die unfreiwillige Prozedur oft mit unwilligen »Mäh!«-Rufen. Die heimische Gastronomie in dem kleinen Ort weiß die Qualität des gesunden Schaffleisches immer mehr zu schätzen und bietet ihren Gästen das ganze Jahr über Schafspezialitäten unter dem Motto »Alles vom Tiroler Berglamm« an. Auch der Bauernladen in Reutte hat sich diesem Trend hin zum wolligen Paarhufer bereits angeschlossen und bietet dort Lamm- und Schaferzeugnisse an.

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Glocke oder Schelle?

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Nennen wir es vorerst »Glocke«. Wo die ersten Glocken erfunden wurden, ist schwer zu ermitteln. Die Glocke soll, wie viele andere »Erfindungen« auch, ursprünglich aus China stammen und gelangte um 700 v.Chr. über Süd- und Vorderasien in den Mittelmeerraum. Das ist nachvollziehbar, da ab etwa 1000 v.Chr. unsere heutigen Haustiere Pferd, Rind, Schaf und Ziege gezähmt und in Herden gehalten wurden. Glocken und Schellen tragen Huftiere von Australien bis Dänemark, in Afrika wie im Allgäu – überall dort, wo Viehwirtschaft betrieben wurde und heute noch betrieben wird. Neben den uns gewohnten Kühen, Schafen und Ziegen sind es anderenorts Esel, Kamele, Rentiere oder in den Anden die Lamas. Bevor die Glocken zum Gottesdienst riefen, dienten sie als Signalgeber für die Hirten, aber auch für die Tiere selbst. Steht der gleichmäßige Klang der Glocke für die Zufriedenheit einer weidenden oder wiederkäuenden Kuh, so signalisiert aufgeregtes Läuten nicht nur dem Hirten, sondern auch den Weidegenossinnen entweder Gefahr oder eine Botschaft: »Hallo, hier gibt’s fette Weide« oder aber »Achtung, es kommt ein Tourist mit Hund«. In jenen Zeiten, als die Weiden noch nicht eingezäunt waren und das Vieh von Menschen gehü-

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Fotos: Sammlung Liese Fink, Volker Wille

Mit dem Viehscheid verbinden viele Menschen vor allem eines: Den scheppernden Klang von Kuhglocken und Schellen. Wenn beim Viehscheid das Allgäuer Braunvieh in die Täler getrieben wird, hört man die herannahende Herde schon von weitem. Doch wann spricht der Allgäuer von Kuhschellen und wann von Kuhglocken? Was die Kühe so um den Hals tragen und warum, schildert Annette Müller

tet wurde, verriet das Läuten, wo sich die Tiere aufhalten. Glocken, die den Tieren mit einem Strick, Lederriemen oder selten auch mit einem Holzbügel um den Hals gelegt werden, helfen, eine Herde zusammenzuhalten. Hierzulande grasen die Kühe heute überwiegend auf eingezäunten Weiden, man braucht daher kaum noch »Kuhglocken«. So ist auch der altehrwürdige Beruf des »Schellenschmiedes« fast ausgestorben. Fast! Denn in den Bergen, wo Kühe auf den Alpwiesen grasen, läuten die Glocken noch immer und erfüllen ihren ursprünglichen Zweck. Kühe sind Herdentiere, die sich wie vor Urzeiten in die Richtung bewegen, in der sie Gras vor der Nase finden. Die Glocken der Tiere dienen ihren Hirten in aller Welt – sei es in der Savanne mit ihren Baum- und Felsinseln oder auf den gefährlichen Weiden in den Bergen – dazu, das ihnen anvertraute Vieh wieder zu finden oder ein verletztes Tier aufzuspüren. Ein Hirte, der in einer ihm anvertrauten großen Herde jedes einzelne Tier und seinen Besitzer kennt, kann daher auch das unterschiedlichste Läuten deuten. Doch was ist nun eigentlich der Unterschied zwischen der Glocke und der Schelle? Kuhglocken werden aus Messing gegossen und nur von Milchkühen getragen. Die Schellen der Rinder hingegen bestehen aus gehämmertem bezieALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011


hungsweise gebogenem Eisenblech, das früher aus den Hammerschmieden stammte. Heute wird Walzblech verwendet. Wurden vormals die Schellen am Rand genietet, so werden sie heute verschweißt. Innen erhalten sie – wie auch die Kuhglocken – eine Öse für den Klöppel und oben einen Steg für den Lederriemen. Man unterscheidet zwei Arten von Schellen: die »Klöpfar«, die rechteckig geformten, und die »Bumbla«, die

len zusammengefügt und zu mehreren auf einem Ledergurt befestigt sind. Je nach Durchmesser haben sie einen unterschiedlichen Klang, der aufeinander abgestimmt ist. Zu besonderen Anlässen tragen sie das sogenannte »Glitt« mit Pariser Glocken. Schellen sind darüber hinaus im Brauchtum fester Bestandteil des »Häs«, der Kleidung der Klausen und Bärbele, und werden in der Volksmusik eingesetzt.

rund geformten. Fürs Ohr klingt es besonders angenehm, wenn Schellen, die von einer Herde getragen werden, auf eine Tonleiter abgestimmt sind, was leider nur noch selten vorkommt. Die Schnalle des Lederriemens, an der die Glocke oder Schelle hängt, ist ebenfalls aus Messing, trägt oft eine Jahreszahl oder den Namen des Bauern. Einen eher scheppernden Klang haben die überdimensionierten Schellen, die die Kühe beim Alpabtrieb tragen. Für Ziegen und Schafe werden Schellen in entsprechender Größe und Form hergestellt. Die Pferde tragen zur Arbeit das sogenannte »Geröll« – kugelförmige Glocken, die aus zwei Halbscha-

Oben l. und ganz oben r.: prachtvolle Schellen beim Viehscheid. Oben: Stücke aus der Sammlung Liese Fink, zu sehen in der Ausstellung »Allgäuer Brüngvieh, Glogga, Schealla und Bearg« von Beate Fink (2008)

Kunstvoll verzierte Glocke aus Messing

Ein »Klöpfar« zum Tragen auf der Weide

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Oben: Schaukäsen auf der Alpe Schrattenwang bei Oberstdorf. Die Käselaibe müssen während des Reifungsprozesses regelmäßig mit Salzlake abgerieben werden (Foto rechts oben)

Wie der Käse ins Rollen kam Er ist gelb, er ist rund, und manchmal riecht er etwas streng: Käse ist in vielen Ländern nicht vom Brot zu denken. Weltweit gibt es etwa 5000 unterschiedliche Sorten Käse, denn die Geschmäcker sind in jeder Region verschieden. Die Allgäuer schätzen natürlich besonders den »echten Allgäuer«. Seit wann es den Käse im Allgäu überhaupt gibt und wie er hergestellt wird, weiß Annette Müller

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Käse gibt es, seit sich der Mensch vom Jäger und Sammler zum sesshaften Bauern entwickelte und durch die Domestizierung von Kühen, Schafen und Ziegen genug Milch zur Verfügung stand. Die früheste Abbildung zur Käseherstellung findet sich in einem Tempel in Mesopotamien. Bereits die alten Ägypter und Griechen der Antike stellten Käse her. Die ersten Nutztiere, nach Schafen und Ziegen auch Kühe, kamen um 1000 v.Chr. in den Alpenraum. Der erste Käse entstand wohl durch Zufall, als Milch durch die Sonne oder ein Feuer zu gerinnen begann und die durch Wärme entstandenen Milchsäurebakterien die Milch in Käse umwandelten. Noch heute ist die Käseherstellung ein ganz natürlicher Prozess. Als die Römer um Christi Geburt über die Alpen ins Allgäu kamen, so berichten römische Geschichtsschreiber, schätzten sie besonders den Käse der dort ansässigen Bauern. Insbesondere in der Schweiz wurde zumeist in Klöstern Käse hergestellt. Ab 700 n.Chr. wird dieser Vor-

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gang regelmäßig in den Chroniken aufgeführt. Großlaibiger Hartkäse wurde im Allgäu erst seit 1820 produziert, und zwar von Schweizer Sennen. Die Käsequalität ist abhängig vom Futter der Tiere: im Sommer Gras und Kräuter auf der Alpe, im Winter Heu statt Silage. Tatsächlich spielt auch die Luft eine Rolle.

Käse fürs Hungerland Mit Carl (Karl) Hirnbein, dem »Notwender« des Allgäus, kam der Allgäuer Käse erst »so richtig ins Rollen«. Der süddeutsche Großbauer und Agrarreformer lebte von 1807 bis 1871 und studierte im belgischen Limburg die Weichkäseherstellung. Im Allgäu begann er mit der Produktion des »Limburger« aus einheimischer Milch. Die Produktion von Garn für Leinen auf handbetriebenen Webstühlen, ein bisheriger Wirtschaftsfaktor des Allgäus, war durch die Erfindung der mechanischen Webstühle in England verloren gegangen und mit ihm der Broterwerb der AllALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011


gäuer. Das »Hungerland« gelangte durch Carl Hirnbeins Aktivitäten zu einer florierenden Milch- und Käsewirtschaft. Er hatte dabei mit allerlei Widerständen zu kämpfen, denn nicht umsonst gelten die Allgäuer als etwas stur. Aber Hirnbein setzte sich durch und die Milchwirtschaft wurde zur grundlegenden Erwerbsmöglichkeit im Allgäu. Daher auch sein Beiname Notwender – er hat die Not der allgäuerischen Bauern abgewendet.

Von der Milch zum Käse Dicklegen, Schneiden, Formen, Pressen – Käse werden ist nicht leicht! Der Allgäuer Bergkäse wird ausschließlich aus Rohmilch hergestellt. Wenn der Milch das Lab, ein Enzym aus dem Magen eines Kalbes, zugegeben wird, gerinnt das Eiweiß der Milch und wird zu einer weichen

Masse, die man »Dickete« oder »Gallerte« nennt und durch ein Tuch abtropfen lässt. Zurück bleibt das Käsewasser, auch Schotte genannt. Die verbliebene Dickete wird mit einem rechenartigen Gerät, der sogenannten Käseharfe, zu Käsebruch kleingeschnitten. Der Käser entscheidet anhand der Größe des Käsebruchs, zu welcher Sorte dieser verarbeitet wird: je kleiner der Käsebruch, desto fester wird der spätere Käse, weil fein gebrochener Käse weniger Wasser enthält. Nach dem Brechen wird der Käse auf 41 bis 54 Grad Celsius erhitzt, um die restliche Molke zu entfernen. Anschließend wird er in seine endgültige Form, die runden Käselaibe, gepresst. Der nächste Schritt ist das Salzen im Salzbad, was der Rindenbildung und Haltbarmachung dient. Dann lässt man den Käse abtropfen und lagert ihn in kühlen Räumen auf langen Holzregalen. Während einer unterschiedlich langen Reifezeit set-

Oben: Die Hirten und Sennen der Alpe Stellen zeigen sich in komischen Posen dem Fotografen im Jahr 1925. Ganz links: Um die Milch im Käsekessel zu erwärmen, bedurfte es großer Mengen Holz. Links oben die Innenansicht einer Alpe aus der Oberstdorfer Gegend im Jahr 1932, darunter eine Alphütte bei Immenstadt, aufgenommen um 1930

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Fotos: Archiv Allgäuer Bergbauernmuseum, Tourismus Oberstdorf, Westallgäuer Käsestraße

zen verschiedene Mikroorganismen die im Käse befindlichen Fette, Eiweiße und Kohlenhydrate um. Dadurch bekommt der Käse den für ihn typischen Geschmack und seine Konsistenz. Guter Käse will »gestreichelt« werden. Das heißt, dass die Käselaibe täglich gewendet und mit Salzlake abgerieben werden. Diese Prozedur dient seiner Reifung und Haltbarmachung, weil der Vorgang dem äußeren Rand des Käses das Wasser entzieht und eine Rinde gebildet wird. Hartkäse reift nur langsam. Je jünger ein Käse ist, desto milder ist er auch im Geschmack. Erst der »alte«, also der über einen langen Zeitraum hinweg gelagerte Bergkäse entwickelt sein volles Aroma. Übrigens: Wenn auf der Verpackung des begehrten Milchproduktes »Bergkäse« draufsteht, muss auch ein Berg in der Nähe sein! Jeder Käse, der sich mit dem Namen »Bergkäse« oder »Monte« schmückt und nicht von der Milch bis zur Herstellung auf einem Berg gemacht wurde, ist Betrug am Kunden.

Rechts: Die Bildfolge des Schaffhausener Künstlers Daniel Lindtmayer (15521606/07) zählt zu den ältesten bekannten Darstellungen der Alpkäserei. Ganz rechts oben ein Käser bei der Arbeit, darunter eine Auswahl von Allgäuer Bergkäsen

»Von der Rundkäserei im Algäu« »Im Algäu wurden schon in grauer Vorzeit Käse aus Kuhmilch bereitet, wie viele Urkunden beweisen. Welcher Art und Gestalt diese Käse waren darüber fehlt uns jede Nachricht; wir dürfen aber wohl vermuten, dass sich hierin im Laufe der Zeit wenig geändert haben wird, so dass die Hauskäse, die in den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts in unserem Landstrich bereitet wurden, noch ungefähr die gleichen Käse darstellten, wie sie viele Jahrhunderte früher üblich waren. Es sind dies Rundkäse gewesen, aber nur 3 – 4 Zoll (d.i. 72 – 76 mm statt heute 110 – 130 mm) hoch und 30 – 40 Pfund bayrisch im Gewicht (d.i. 17 – 22 kg, statt heute 60 bis 70, bis 100 kg). Die Bereitung des großen runden Schweizerkäse aber wurde erst im vorigen Jahrhundert bei uns eingeführt. Ein als Käsehändler später sehr bekannt gewordener Aurel Stadler in Oberstaufen veranlasste einen Schweizer Sennen der Käsegroßhandlung Lehmann in Langnau (Kanton Bern), mit welcher er in geschäftlicher Beziehung stand, zur Übersiedlung, um zu versuchen, ob sich nicht im Algäu dieselben Käseriesen herstellen ließen, wie in der Schweiz. Im Jahre 1827 kam dieser Senn: Johann Althaus nach dem Algäu und fertigte dort in Blaichach bei Sonthofen die ersten großen Käse nach Schweizer Art an (Winter 1827 auf 1828). Die Milch war hiezu nur den Winter hindurch ausreichend, den Sommer über käste Althaus auf der Alpe ‚Au’ im Gunzesrieder Tale. Nach etwa 3 – 4 Jahren pachtete Althaus die Alpe ‚Hinterentschen’ am Entschenkopf und fertigte auch hier die ersten ‚schweren’ Rundkäse. Er hatte seine Braut aus Langnau zur Übersiedlung veranlasst, die nachmals auch selbständig in der Alpe Au und Wierle käste.« (Auszug aus Theodor Aufsbergs »Wie es einst war«, aus dem Jahr 1907, mit freundlicher Genehmigung von Ursus Verlag & Medien, erscheint im Herbst 2011)

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Ein ganzes Jahr der Vorbereitung Tausende von Besuchern kommen im September alljährlich in die Allgäuer Alpen, um dort den traditionellen Viehscheid zu bestaunen. Dabei erleben sie allerdings nur den Festtag an sich. Um diesen aber in bewährter Art und Weise auf die Beine zu stellen, bedarf es intensiver Vorbereitung. Diese liegt in den Händen eines Scheidmeisters. Martin Sichler jun. übt dieses Amt in Gunzesried aus. Marion Bässler hat ihn zu seiner verantwortungsvollen Aufgabe befragt

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In Gunzesried, einem Ortsteil der Oberallgäuer Gemeinde Blaichach, könnte fast der Eindruck entstehen, dass das Amt des Scheidmeisters in der Familie Sichler vererbt wird. Wie die Regentschaft über ein Königreich reichte Martin Sichler nach 25-jähriger Tätigkeit im Jahr 2007 das »Zepter« an seinen Sohn Martin junior weiter. Er sei »erblich belastet«, entgegnet schon der Senior auf die Frage, wie er Scheidmeister geworden sei. Denn sein Hof und das dazugehörige Grundstück liegen genau an dem Platz, wo traditionell der Gunzesrieder Viehscheid gefeiert wird. Die räumliche Nähe zum Ort des Geschehens ist für Familie Sichler aber keineswegs der einzige Grund für das generationenübergreifende Engagement im Ort. Der Viehscheid sei hier sozusagen ein »Nationalfeiertag«, stellt der Senior fest und räumt ein, dass er selbst nach 25 Jahren der Organisation für die Veranstaltung jedes Mal aufs Neue aufgeregt gewesen sei.

Jedes Detail zählt Für die Tätigkeit des Scheidmeisters gebe es zwar nicht viele Freiwillige, fügt Martin Sichler jun. scherzhaft hinzu, für ihn selbst sei es aber schon »eine Ehre«, auch wenn er den Festtag selbst erst ziemlich spät genießen kann. Was viele Menschen unterschätzen, ist die Tatsache, dass es einer einjährigen Vorbereitung bedarf, um diesen feierlichen Abschluss des Alpsommers zu organisieren. Am Tag nach dem Viehscheid beginnt nämlich schon wieder die Organisation für das kommende Jahr. Darum kümmert sich Martin Sichler in Gunzesried schon seit jeher fast im Alleingang. Zunächst werde eine Check-Liste erstellt, damit auch ja nichts vergessen wird, erläutert er. Bei einigen Punkten wie der kulinarischen Versorgung der Besucher könne er zwar auf die Vorarbeit seines Vaters zurückgreifen, andere Dinge

Sie brachten und bringen den Scheid in Gunzesried zum Laufen (v.l.): Martin Sichler sen., Scheidmeister Martin Sichler jun. und dessen Unterstützer bei der Ausrichtung des Viehscheids, Alexander Bühler

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Fotos: Kurt Pickl, privat

müssten aber alljährlich neu organisiert werden. Von den Einladungen über die Abwicklung des Straßenverkehrs bis hin zum Auf- und Abbau müsse alles exakt eingeteilt sein. Außerdem kümmere er sich um die Bereitstellung der Viehscheidschellen, die größer als die normalen Weidschellen sind und speziell für den Viehscheid angefertigt werden. Für die Finanzierung bedürfe es hier meist der Sponsorensuche, da das Budget des Viehscheidausschusses dafür nicht ausreiche. Den kunstvollen KranzkuhSchmuck müsse jeder Herdenbesitzer jedoch selbst mit den Blumen, die auf seiner jeweiligen Alpe wachsen, herstellen. Die intensivste Arbeitszeit für den Scheidmeister seien die ein bis zwei Wochen vor der Veranstaltung. Am ViehscheidTag selbst seien meist 15 bis 20 Leute im Einsatz, die nach der Einteilung von Martin Sichler für einen reibungslosen Ablauf sorgen.

Nach dem Sommeraufenthalt auf der Alp kommen die Kühe von Gunzesried auf dem Viehscheid zurück an ihre Besitzer

Links: Nicht nur Kühe finden sich auf dem Gunzesrieder Scheid, auch Pferde haben hier ihren Platz; unten: der festliche Einzug der geschmückten Herden mit ihren Hirten

100 Stunden Arbeitsaufwand Mit durchschnittlich 1300 Tieren ist der Gunzesrieder Viehscheid der größte im Allgäu. Sobald alle Tiere wohlbehalten auf dem Scheidplatz eingetroffen sind, beginnt auch für den Scheidmeister der angenehme Teil. »Das Fest und das Geschehen auf der Bühne sind toll«, meint Martin Sichler. Bis dahin hat der Scheidmeister allerdings einen Arbeitsaufwand von etwa 100 Stunden für die Organisation absolviert. Diesen nimmt er jedoch aus Verbundenheit zu seiner Heimat gerne in Kauf. »Es ist schön, wenn man diese Tradition weiterführen kann«, betont Martin Sichler, und sein Vater fügt hinzu, welch tolle Gelegenheit gerade der Viehscheid biete, um die Urlauber an die Natur heranzuführen und den Gästen einen Einblick in die Arbeit der einheimischen Bauern zu bieten. ALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011

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Wegweiser zum Viehscheid Zahlreiche Bezeichnungen beim Allgäuer Viehscheid sind für Auswärtige schwer verständlich, da oft Dialektwörter oder nur im Alpenraum geläufige Begriffe vorkommen. Unser »ViehscheidLexikon« soll helfen, sich beim Alpabtrieb zurechtzufinden Alpe

Älplerletze

Alpmeister Hirte (Hiert) Junghirte, Kleinhirte (Kleihiert, Hirtebua) Galtalpe (Gôltberg) Kranzkuh (Krônzarküeh)

Kuh Kuhalpe Kuhglocken (Küeglogga) Kuhfladen (Küepflatr, Küehpflättr) Kuhschelle (Küescheale)

Mischalpe Ochse Scheidplatz

Schumpen Senn Sennalpe Sömmerung

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Eine Viehweide in den Bergen mit Hütte und Ställen für den Sommeraufenthalt der Kuhherden. Im oberbayerischen und österreichischen Sprachgebrauch wird statt Alpe das Wort Alm verwendet. Wenn das Vieh die Berge verlassen hat, machen die Hirten die Alpen winterfest. Danach gibt es die Älplerletze, das letzte Essen auf der Alp anlässlich des abgelaufenen Alpsommers. Erst dann verlässt der Hirte seine Alpe, um den Winter im Tal zu verbringen. Er ist für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Alpbesitzes zuständig. Er betreut die Tiere auf der Alpe. Gehilfe auf der Alp, Hirtenbub Alpe, auf der nur Jungvieh gehalten wird Ein Rind, das mit einem Kranz aus Blumen und Bändern geschmückt ist und die Herde beim Viehscheid anführt, wenn alle Tiere den Sommer gut überstanden haben. Ein weibliches Rind, das mindestens einmal ein Kalb geboren hat und somit Milch gibt. Die Milch von den Kühen dieser Alpe wird ins Tal gebracht und dort aufbereitet. Werden in einem Stück gegossen und klingen heller als die Schellen Ausscheidung der Rinder, die auch als Dünger verwendet wird Besteht aus Schwarzblech und hilft, das damit behängte Rind bei schlechten Sichtverhältnissen zu finden Nimmt nicht nur Rinder auf, sondern auch andere Tierarten wie Schafe, Ziegen oder Pferde Männliches, kastriertes Rind Nach dem Alpabtrieb werden dort die verschiedenen Herden getrennt und an ihre Besitzer zurückgegeben. Weibliches Jungtier Er betreut und melkt die Kühe und stellt gleich auf der Alpe aus deren Milch Käse her. Alpe mit Kühen, deren Milch gleich vor Ort vor allem zu Käse verarbeitet wird. Das Vieh auf die Weide treiben; die Zeit des Aufenthaltes auf der Alpe

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Vorsäß, Nachsäß, Maiensäß

Weidschelle Zugschelle

Männliches, nicht kastriertes Rind Die Kuhherden werden im Herbst von der Alpe abgetrieben, auf der sie den Sommer verbracht haben, und kehren zu ihren Besitzern zurück. Zwischenweiden, auf denen das Vieh meist vier bis sechs Wochen verbringt. Eine bekannte Vorsäß ist Schönenbach. Dort befinden sich die Rinder, bevor sie auf die Alpen getrieben werden. Kleine Schelle für das Weidevieh Eine Schelle, die speziell für den Viehscheid angelegt wird und mindestens 16 Zentimeter groß ist. Je nach Region sind die Modelle verschieden.

Fotos: Oberstaufen Tourismus; Volker Wille

Stier, Bulle (Molle) Viehscheid (Dr Schaid)

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Rund um die Allgäuer Bergwelt sich in einer Schau des Landesbundes für Vogelschutz über die Vogelwelt im Hochgebirge informieren. Großformatige Panoramabilder zeigt die Kemptener Fotografin Jennifer Valbruch. Die Moderatoren Bettina Ahne und Christoph Scheule vom Bayerischen Rundfunk führen die Besucher durch das Rahmenprogramm. An allen drei Tagen finden unter anderem eine Schau-Schmiede und ein Alphornbläserkonzert statt. Darüber hinaus gibt es eine Radio-Talkshow des Senders RSA, in der die Messebesucher per Liveschaltung zum Beispiel Fragen an den Wirt der Kemptener Hütte stellen können. Bei einer Schnapsverkostung können Destillate von der Alpe Hörmoos probiert werden. (mk)

Fotos: ECE, Forum Allgäu, Kempten; Salewa-Klettersteig

Um die Bergsaison im Allgäu einzuläuten, findet vom 9. bis 11. Juni die 1. Allgäuer Berg-Messe auf dem August-Fischer-Platz in Kempten statt. Die »Sonderschau alpine Freizeit« wird vom SL-Verlag mit Unterstützung der Alpinschule Oberstdorf veranstaltet. Rund 20 Aussteller präsentieren in mindestens drei Zelten Bergsportausrüstung, Bücher und das Angebot der Bergschulen und Bergbahnen. Unter freiem Himmel sind unter anderem ein Verkaufsstand mit Bergkäse und das Messe-Bistro »Carlos Cucina« aufgebaut. Der Skilift Bad Hindelang-Oberjoch stellt bei der Schau den 1. Salewa-Klettersteig vor, der im Jahr 2008 von den Iseler Bergbahnen, den Hindelanger Bergführer-Büros und der Firma Salewa eröffnet wurde. Er führt über den Iseler Gipfel und die Iseler Felswände zum Kühgundgipfel. Er ist mit Stahlseilen und Leitern gesichert und erfordert Klettersteigausrüstung. Die Sektion Mindelheim des Deutschen Alpenvereins informiert außerdem über die Mindelheimer Hütte als ökologische Vorzeigehütte. Zudem können die Besucher in der Ausstellung »Das Höchste« der Bergbahnen etwas über die Alpenvegetation in den verschiedenen Höhenstufen erfahren und

Im Kemptener Forum Allgäu (rechts) treffen sich im Juni zahlreiche Experten zu den Themen Bergwandern, Bergsteigen, Naturschutz sowie Tierund Pflanzenwelt. Rechts daneben der Salewa-Klettersteig bei Oberjoch

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Foto: Alpinmuseum Kempten

»Panorama«-Ausstellung in Kempten

Alpenpanorama-Postkarte des Verlegers Eugen Felle aus Isny mit einer Übersicht der Oberallgäuer Bergformationen bei Oberstdorf vor circa einem Jahrhundert

Vom 20. April bis zum 13. November zeigt die Sonderausstellung »Panorama!« im Kemptener Alpinmuseum Bilder der Allgäuer Berglandschaft aus der Vogelperspektive. Ein Großteil der örtlichen Alpen mit ihren rund 600 Gipfeln wird durch Landkarten des 16. Jahrhunderts, Aquarelle, Zeichnungen, gemalte und gedruckte Panoramen repräsentiert. Ausgestellt werden unter anderem die großformatigen Farbfotografien der Kemptenerin Jennifer Vahlbruch oder Werke von Josef Ruep, der

die Welt niemals aus einem Flugzeug gesehen hat. Außerdem bietet die Schau eine virtuelle Bergtour, die als 3D-Flug erlebt oder ausgedruckt werden kann. Wie das Allgäu vor 100 Jahren ausgesehen hat, zeigen die Ansichtskarten des Künstlers und Verlegers Eugen Felle aus Isny. Durch die Ausstellung wird verdeutlicht, dass die Allgäuer Alpenlandschaft zahlreiche Künstler fasziniert und inspiriert. Unterstützt wird sie vom Deutschen Alpenverein und vom Historischen Alpenarchiv. (mk)

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Theater vor einmaliger Naturkulisse

Fotos: Geierwally-Freilichtbühne

Oben: Szene aus dem Stück »Die wahre Geierwally«, auf der Freilichtbühne 2006 aufgeführt; rechts die letztjährige Erfolgsproduktion »Eine Handvoll Heimat«

Seit 1993 werden auf der Geierwally-Freilichtbühne im Österreichischen Lechtal regelmäßig Theaterstücke und Konzerte aufgeführt. Die tirolweit einzigartige Naturbühne mit über 560 Sitzplätzen und fast hundert Meter hohen überhängenden Felsformationen bietet eine einzigartige Kulisse für die Vorstellungen. Ihren Namen bekam die in Elbigenalp gelegene Freilichtbühne von der Malerin Anna StainerKnittel, die im 19. Jahrhundert dort gelebt hat. In einem Roman von Wilhelmine von Hillern über das Leben der Künstlerin wird auch ihr mutiger Aufstieg zu einem Adlerhorst beschrieben. Dadurch bekam die Romanfigur den Namen »Geierwally«. Durch zahlreiche Verfilmungen

des Romans wurde sie weltweit bekannt. Die Stücke auf der Freilichtbühne beschäftigen sich oft mit Schicksalen und Ereignissen der Region. Auch die Schauspieler stammen aus der Umgebung. Eine wichtige Funktion im Ensemble kommt Claudia Lang zu, die als Autorin, Regisseurin, Schauspielerin und Theaterpädagogin tätig ist. Besondere Bedeutung für die Bühne hat sie durch ihre Position als langjährige künstlerische Leiterin des Theaters. Bei der Uraufführung des Stückes »Geierwally« (1993/1994) übernahm sie auch selbst die Hauptrolle. Bekannteste und erfolgreichste Einstudierungen im Lechtal sind neben dieser Produktion »Die Schwabenkinder«, »Die wahre Geierwally« und »Kasper und die Wilderer«. In diesem Sommer wird das Stück »Sturm in den Bergen« aufgeführt. Die Kriminalkomödie von Thomas Gassner und Bernhard Wolf spielt 1962 in einem Tiroler Tal. Als zwei Dörfer zusammengelegt werden sollen, kommt es zu Streitigkeiten, die zu einem mysteriösen Todesfall führen. Diesen soll Hilfsinspektor Kajetan Sturm aufklären. Zusätzlich zu den Vorführungen gibt es bei der Geierwally-Bühne spezielle Führungen. Diese bringen die Teilnehmer hinter die Kulissen des Theaters und beinhalten den Besuch einer Schnitzschule, in der sich eine Ausstellung dem Stück »Sturm in den Bergen« widmet. (mk)

Sonderschau rund um altes Brauchtum

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mer geholt werden, sollen einen Blick in die Zukunft zulassen. Im Allgäu gibt es zahlreiche Bräuche dieser Art. Hexen, Heilige, Rumpelklausen und Sagengestalten tummeln sich hier. Heute sind die meisten Rituale und ihre Bedeutung oft vergessen. Die Ausstellung lässt sie wieder aufleben. Bilder aus dem Alltag der Bauern und ein Quiz für Kinder runden das Ganze ab. (mk)

Fotos: Archiv Allgäuer Bergbauernmuseum

Rechts ein Junge mit Palmboschen in Sonthofen im Jahr 1949, ganz rechts das Ausräuchern am Dreikönigstag

Den Sitten Süddeutschlands widmet sich die Sonderausstellung »Vom Agathabrot zum Barbarazweig – Bräuche im Bergbauernjahr« vom 24. April bis zum 24. Juli. Im Bergbauernmuseum in Diepolz geht es um Bräuche, die die Bergbauern durchs Jahr begleiteten. Kirchliche Feste, Alltagsmagie und die Arbeit formten vielfältige Rituale und gaben Halt und Orientierung. So beginnt das Bauernjahr mit dem Fest Lichtmess, bei dem eine schwarze Kerze geweiht und mit einem Segensspruch angezündet wird, um vor heraufziehendem Unwetter zu schützen. An Heilige Drei Könige werden Haus und Hof gesegnet, und am Tag der Heiligen Agathe wird das Agathabrot gebacken, das Menschen und Tieren gegen Heimweh und Unglück helfen soll, wenn sie davon essen. Die Zweige, die am 4. Dezember, dem Barbaratag, ins Zim-

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Käse und Kräuter in Gunzesried

Foto: Gästeinformation Blaichach

Beim Käse-Kräuter-Sommer vom 1. Juli bis zum 30. September in Gunzesried sollen sich die Besucher ganz auf die Natur einlassen und dabei Kräuter und Käse näher kennenlernen. Natur-

In Gunzesried dreht sich in diesem Sommer von Juli bis September alles um das wohlschmeckende Duo Käse und Kräuter

und Landschaftsführerinnen sowie Kräuterfrauen bieten geführte Wanderungen durch die Berge und die umliegende Natur an. Nicht nur Kräutergärten und Sennalpen werden dort gezeigt, sondern es können auch Kräuterboschen selbst gepflückt werden. Zahlreiche Workshops unterstützen das Projekt. So gibt es eine Kräuter-Kochschule, und mit Hilfe einer Kräuterfrau werden unter dem Motto »Kräuter für die Seele, die Sinne und den Gaumen« Salben oder Seifen hergestellt. Diese Kräuter, die in der Region des Gunzesrieder Tales wachsen, sind eine Grundlage für den besonderen Käse dieses Gebietes. Dieser wird auch beim Käse-Kräuter-Sommer immer wieder zum Probieren angeboten. »Wein und Käse – zwei, die zusammengehören«, meint auch der Immenstädter Sommelier Christoph Blees und bietet aus diesem Grund im Rahmen des Käse-Kräuter-Sommers eine einmalige Genussreise im Sennalp-Ambiente an. Zusätzlich gibt es vor Ort ein umfangreiches Wellness- und Kneippangebot mit Tautreten, Armbädern, Massagen und Kneippbädern. Spezielle Kräutermenüs mit vier Gängen können Feinschmecker schließlich bei den Gastwirten im Tal testen. (mk)

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Nicht nur im Allgäu zieren Schellen und Glocken die Rinder als läutender Schmuck. Einige besonders schöne Exemplare sind bei der Dauerausstellung »Mit Handschlag« im Heimatmuseum Sonthofen zu sehen. Zusätzlich informiert diese Schau darüber, dass Sonthofen einer der bedeutendsten Viehhandelsplätze im Alpenraum und ein Anziehungspunkt für Händler und Käufer war. Damals gab es sogar Affen auf dem Sonthofener Viehmarkt, und es reichte aus, einen Handel mit einem Handschlag zu besiegeln. Jedes Jahr werden beim Allgäuer Alpabtrieb die schönsten Rinder mit Schellen behangen. Somit sind die Tiere der einzelnen Bauern gekennzeichnet, und das Herdengeläut zeigt dem Hirten den Standort seines Viehs. Eine wichtige Funktion der gegossenen Glocken und geschmiedeten Schellen war der Schutz vor bösen Geistern, aber sie dienten auch als Schmuck und Prestigeobjekt. An der jeweiligen Schelle kann man außerdem erkennen, in welcher Gegend man sich aufhält, denn jede Region hat ihren eigenen Schellentyp. Dank des Sammlers Dr. Heinz Schmidt aus Sonthofen, der die meisten Schellen und Glocken

Foto: Stadt Sonthofen

Schellenausstellung im Heimathaus

Die Exponate aus der Sammlung Dr. Heinz Schmidt bereichern die Schellenausstellung im Heimathaus

aus seinem Besitz dem Heimathaus geschenkt hat, kann man dort nun eine einzigartige Schellen- und Glockensammlung bestaunen. Zahlreiche Exponate und Bilder ergänzen die gezeigten Stücke. Die Dauerausstellung ist dienstags bis donnerstags und sonntags von 15 bis 18 Uhr im Heimathaus Sonthofen geöffnet. (mk) ALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011


Freizeiterlebnisse in der Alpsee-Bergwelt

Fotos: Alpsee Bergwelt GmbH

Im Kletterwald Bärenfalle (ganz links) können Anfänger und Fortgeschrittene ihre Kenntnisse am Seil erproben; für die kleinen Besucher steht ein weitläufiges Spielgelände zur Verfügung (rechts oben), darunter: mit Schwung durch 68 Kurven auf dem »Alpsee Coaster«

Der Naturpark Nagelfluhkette ist der erste grenzüberschreitende Naturpark zwischen Deutschland und Österreich. Er bietet zahlreichen und zum Teil bedrohten und seltenen Tieren sowie Pflanzen einen ökologisch wertvollen Lebensraum. Vor dem Allgäuer Alpenpanorama befindet sich zwischen Immenstadt und Oberstaufen die Alpsee-Bergwelt mit Bayerns größtem Hochseilgarten. Der »Kletterwald Bärenfalle« besitzt 16 verschiedene Parcours und 170 Kletterelemente für Anfänger, Fortgeschrittene und Profis. Die Besucher können ihre Kletterkünste an Elementen zwischen einem und 15 Metern über dem Waldboden testen. Dabei kann auf die Hilfe professioneller Trainer zurückgegriffen werden. Ein weiterer Bestandteil der Alpsee-Bergwelt ist der »Alpsee Coaster«. Mit einer Länge von 2800 Metern ist dies die längste Ganzjahres-Rodelbahn in Deutschland. Knapp 400 Meter Höhenunterschied werden bei der Fahrt durch 68 Kurven überwunden. Die verwendeten Schlitten werden auf Schienen geführt. Somit kann es nicht zum Umkippen oder Entgleisen der Wägen kommen. Die Rodelbahn ist ganzjährig und dank Wetterschutzhauben bei fast jeder Witterung in Betrieb. Zusätzlich findet dort regelmäßig ein Nachtrodeln statt, bei dem die Fahrt von Flutlicht-Scheinwerfern taghell erleuchtet wird. (mk) ALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011

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Fotos: Volker Wille

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Ein Bildkalender voller Schönheiten Die Leser dieses Sonderheftes können die schönsten Bilder vom Allgäuer Braunvieh für kommende Kult-Kalender selbst per Internet-Klick auswählen. Unter www.allgaeu-viehscheid.de werden Kalenderblatt-Motive aus allen Jahreszeiten zur Wahl angeboten. Bestimmen Sie selbst mit, welche Braunvieh-Modelle im nächsten Kuh-Kultkalender erscheinen sollen – alle Jahre wieder neu!

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In der EDITION ALLGÄU erscheint der Original Kuh-Kalender, in dem originelle und typische Fotos von Allgäuer Kühen vertreten sind. Innerhalb weniger Jahre hat dieser Kalender Kult-Status erreicht. Viele Bestellungen aus anderen Regionen Deutschlands und aus dem Ausland zeigen, dass das Allgäuer Braunvieh weit über die Grenzen unserer Region hinaus bekannt und beliebt ist. Die EDITION ALLGÄU lässt nun auch diese »Braunvieh-Fans« mitbestimmen, welche »Modelle« im jeweils nächsten Kalender vertre-

ten sein sollen. Per Internet werden auf www.allgaeu-viehscheid.de werden 54 Bilder präsentiert, unter denen jeder Internet-Nutzer seine Favoriten aussuchen und anklicken kann. Sollten Sie selbst originelle Fotos für den Kalender fotografiert haben, freuen wir uns, wenn Sie uns die Bilder zusenden. Falls Schärfe und Auflösung für den großformatigen Kalender ausreichen, kommen auch Leser-Fotos in die InternetVorauswahl. Sie können dann online beobachten, ob Ihr Bild zu den Favoriten gehört.

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ALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011

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Ein Netz von Ideen für den Viehscheid Um sich über die große Anzahl von Alpabtrieben in den einzelnen Allgäuer Viehscheid-Gemeinden zu informieren, bietet das Internet schon lange vor den eigentlichen Veranstaltungsterminen im Herbst die Möglichkeit, entsprechende Angaben zu finden. Die Seiten von www.allgaeu-viehscheid.de verbinden eine vollständige Übersicht aller teilnehmenden Orte mit Wissenswertem und Informationen zu den Traditionen des Festes. Marius Lechler über den Internetauftritt, der von dem Netzexperten Christian Schimpel verwirklicht wurde

Oben: Christian Schimpel, Entwickler des Internetangebotes; rechts die Startseite des Netzauftrittes

Für den Schöpfer der Viehscheid-Seiten, Christian Schimpel, stand zu Beginn seines Projektes die eigene Unzufriedenheit mit den bisherigen Angeboten, die ihm bei seiner Suche nach Terminen zu diesem Allgäuer Traditionsfest zur Verfügung standen: »Ich habe selber im Internet geschaut, wo in der Region überall Viehscheide stattfinden, doch ich musste mir diese Informationen immer erst zusammensuchen«, erklärt er. So seien die Termine zwar auf den Internetseiten der einzelnen Gemeinden verzeichnet, um sein Ziel zu erreichen, habe er aber zuvor stundenlang mit Recherchen verbracht. Eine Motivation für das Erstellen der Seiten von www.allgaeuviehscheid.de war für Christian Schimpel der Gedanke, dass es anderen bei dieser Suche sicher auch so ginge wie ihm selbst. »Nun finden sich alle Orte, in denen Viehscheide stattfinden, jeweils rechts auf den Seiten komplett in einer Liste. Ebenso sind neben Fotos der jeweiligen Alpabtriebe auch die Informations-Telefonnummern der Gemeinden zu finden«, erklärt er.

das Beste rund um die Veranstaltungen zusammenzutragen«, erläutert der Internetspezialist. Außerdem bekomme der Besucher nicht nur Fotos von beliebigen Alpabtrieben zu sehen, jeder Termin sei mit Bildern des jeweiligen Viehscheids illustriert, sodass sofort sichtbar sei, wie die dortige Veranstaltung ablaufe.

Zukunftsziel Viehscheid-Videos Mittelfristig will Christian Schimpel mindestens ein Ziel zur Weiterentwicklung des Internetangebotes verwirklichen, nämlich Videos von diversen Viehscheiden zu integrieren. Hierfür sucht er auch Helfer, die ihm entsprechendes Material schicken, das zukünftig eingebunden werden könnte. Auch weitere Vorschläge zum Ausbau der Seiten seien willkommen, meint der Entwickler.

Wissenswertes rund um das Fest

Schimpel Tourismus & Online Marketing Bahnhofstraße 19 87509 Immenstadt Tel. 08323/968011 Fax 08323/968012 E-Mail: info@schimpel.de www.allgaeu-viehscheid.de

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Fotos: Christian Schimpel

Kurz und wichtig

Wichtigstes Ziel des Angebots im weltweiten Netz war laut dem Betreiber der Internetseiten, dem Gast ein leichtes Zurechtfinden in den Rubriken zu ermöglichen und ihm Wissenswertes rund um den Viehscheid sowie typische Begriffe zu erklären. Dazu gehöre auch ein Service wie Anfahrtspläne zu den Veranstaltungen. Dies ermögliche zum Beispiel einem Feriengast aus Hamburg, der den Viehscheid im Allgäu besuchen wolle, seine Reise genau zu planen. Christian Schimpel hebt besonders die enge Zusammenarbeit mit den Gemeinden im gesamten Allgäu, in Tirol und in Vorarlberg hervor. Dank neuester Termine und Terminänderungen und weiterer Aktualisierungen seien die Seiten immer auf dem neuesten Stand. »Wir versuchen, ALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011


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Allgäuer Gastgeber heißen Alpe Oberberg

Sennalpe Sonnhalde

Familie Beck Gunzesried 6 87544 Blaichach Tel. 08323/6784 (Sommer) Tel. 08321/9771 (Winter)

Jakl Köhler 87534 Oberstaufen-Buchnegg Tel. 08386/962418 www.alpe-sonnhalde.de

Frühaufsteher können beim Käsen zuschauen, Brotzeiten, Übernachten auf Anfrage, 30 Kühe, Käsekeller kann besichtigt werden

45 Gehminuten ab Parkplatz Buchenegger Wasserfälle Täglich geöffnet vom 1. April bis 1. November 2011 Spezialiät: Bachener Käs

Alpe Gerstenbrändle

Hompessenalpe

Hans und Eva Endreß Gunzesrieder Säge 87544 Blaichach Tel. 08321/89871

Familie Herz Kalzhofen 10 87534 Oberstaufen Tel. 08386/4735

Beim Käsen zuschauen, Brotzeiten, Käse und Milchprodukte, Übernachtungsmöglichkeit, 24 Kühe, Käsekeller, Buszufahrt bis Gunzesrieder Säge

Direktverkauf von Milchund Käseprodukten, von 9 bis 12 Uhr beim Käsen zuschauen, 20 Kühe, erste Allgäuer Sennalpe mit Bioland-Anerkennung

Alpe Hochleckach

Alpe Hochried

Franz Winder Fehren 125 AT-6951 Lingenau Tel. +43 (0)5513/2757

Familie Zweng 87509 Immenstadt Tel. 08323/51850

Beim Käsen zuschauen, Brotzeiten, Sennalpenkäse und Butter, Übernachtungsmöglichkeit (Reservierung erforderlich), 28 Kühe, auf österreichischer Seite

Bergkäse und Milch, von 8 bis 10 Uhr beim Käsen zuschauen, 30 Kühe, Besonderheit: Zufahrt mit Stadtbus ab Bahnhof Immenstadt zur MittagSchwebebahn (Mo.-Fr.)

Alpe Laufbichl

Alpe Stubental

Beate Fink Hintersteinerstraße 7 87541 Bad Oberdorf Tel. 08324/519 Beim Käsen zuschauen, Brotzeiten, Sennalp-Bergkäse, Hirtenkäse, Bergbutter, Übernachtungsmöglichkeit, 60 Kühe, Käse im Rucksackformat (4-5 kg)

Familie Müller Jausenstation 87491 Jungholz Tel. 0174/3453497 www.stubental-alpe.de Di., Do., So.: 10 bis 18 Uhr Mi., Fr., Sa.: 10 bis 22 Uhr Kinderspielplatz, kostenloser Liegestuhlverleih, Sonnenterrasse, hausgemachte Kuchen, Eisbecher, Brotzeiten uvm.

Alpe Kematsried

Dreiangelhütte

Familie Geiger Ornachstraße 29 87541 Oberjoch Tel. 08324/9739891

Eine Oase der Ruhe für Radler und Wanderer Tel. 0177/6726315 www.dreiangelhuette.de Täglich geöffnet vom 30. April bis 8. November 2011 Übernachtungen möglich, Brotzeit, Suppe, Kaffee und Kuchen, Lage in sonniger Waldlichtung an der Südseite des Grüntens, Waldgrillplatz

Brotzeiten, Bergkäse, verschiedene Schnittkäse, Weißschimmelkäse, Wurstund Schinkenprodukte, 12 Kühe, Aussichtsterrasse, 300 m zur Bushaltestelle


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Sie herzlich Willkommen! Höfle Alp

Berggasthof Oytalhaus

Wander & Rodelhütte am Grünten Breitensteinweg 11 87549 Kranzegg Tel. 08327/263 Mobil 0171/7506663 www.hoefle-alp.de

Familie Redlich Oytal 1 87561 Oberstdorf Tel. 08322/80381 oytalhaus@oytalhaus.de www.oytalhaus.de Sonnenterrasse, Kutschfahrten, Hochzeitsfeiern, Kinderspielplatz, 12 Stationen Wanderweg, Bergrollervereleih (ab 15 Uhr)

Hausgemachte Kuchen und Kaffeespezialitäten, deftige Brotzeiten, Sonnenterrasse mit kostenlosem LiegestuhlVerleih, Spielplatz, Tiere Bequem erreichbar mit dem Auto bzw. zu Fuß über die Wanderwege von Kranzegg aus. Sommeröffnungszeiten (Mai - Ende Oktober): Donnerstag und Freitag jeweils ab 12 Uhr Sonntag ab 10 Uhr Feiertage ab 10 Uhr

Füssener Hütte Familie Wagner Berg 56 AT-6675 Tannheim Tel. +43 (0)676/3423221 www.fuessener-huette.at Mitte Mai bis Mitte Oktober geöffnet (Montag Ruhetag), reichhaltige Speise- und Getränkekarte, 16 Betten, 40 Matratzenlager

Gräner Ödenalpe

Hotel Zum Alten Senn

Elisabeth Wagner Andreas Grad Tel. +43 (0)676/3593480 oedenalpe@gmx.at www.oedenalpe.com Geöffnet: Mai - Oktober 2011 Heiße Suppen, deftige Brotzeiten, Kaffee und Kuchen, urige Stube, Sonnenterrasse, 12 Matratzenlagerplätze

Anita Stark Salzgasse 2 87541 Oberjoch/Hindelang Tel. 08324/7715 Fax 08324/7571 willkommen@zumaltensenn.de www.zumaltensenn.de Erlebnisrestaurant, Käslade, Museumswirtshaus, vielfältiges Wochenprogramm, Appartements

Gasthaus zum Alpsee Franz Braun Seestraße 14 87509 Bühl am Alpsee Tel. 08323/6321 Fax 08323/987973 Der gemütliche Treffpunkt - direkt gelegen am Großen Alpsee, wenige Meter vom Lädine-Hafen entfernt. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Pfälzer Weinstub Irmi Klaus Am Anger 10 87538 Fischen im Allgäu Tel. 08326/366467 Fax 08326/366468 pfaelzer-weinstub@web.de www.pfaelzer-weinstub.de Öffnungszeiten: 17 bis 23 Uhr, Dienstag Ruhetag Verschiedene Flammkuchen, Pfälzer Spezialitäten


Tipps und Tricks für das perfekte Bild Die vielfältigen Landschaften im Allgäu geben besonders im Sommer ein gutes Motiv für Fotos ab. Vor allem Veranstaltungen wie die zahlreichen Viehscheide im September bieten Möglichkeiten für viele atmosphärische Aufnahmen. Unser Fotograf Volker Wille hat einige Tipps und Hinweise für die Motivsuche und das Fotografieren beim Viehscheid zusammengestellt, um das Einfangen schöner Erinnerungen mit der Kamera zu erleichtern Vorbereitungen vor dem Ereignis

Wichtiges am Veranstaltungstag

• Das Erkunden des Viehscheidgeländes und des Sammelplatzes der Herden ist notwendig, um einen ersten Eindruck von den Örtlichkeiten zu bekommen. • Anschließend folgt die Suche nach geeigneten Standpunkten zum Fotografieren, wobei auch der Hintergrund mit einbezogen werden muss. Wichtig sind vor allem die Straßen, auf denen die Herden zur Sammelstelle geführt werden. • Eine große Hilfe können hierbei auch Vermieter und Einheimische sein, die Tipps für geeignete Standpunkte geben können. • Das Programm und der Zeitplan des Viehscheides informieren über dessen Ablauf und ermöglichen somit die Auswahl der Orte und Zeitpunkte für die besten Fotos.

• Zunächst muss die Kamera überprüft werden. Neben dem geladenen Akku sollten auch ErsatzAkkus dabei sein. Wichtig ist außerdem, dass sich auf der Speicherkarte der Kamera noch genügend Platz befindet. • Da die Kühe beim Eintreffen in Bewegung sind, sollten kurze Belichtungszeiten zwischen 1/500 und 1/1000 Sekunde verwendet werden, um Bewegungsunschärfe zu vermeiden. • Damit verbunden ergeben sich größere Blendenöffnungen und somit auch eine begrenzte Tiefenschärfe. Das ist aber kein Nachteil, da nur auf das angestrebte Motiv, zum Beispiel die Kranzkuh, scharf gestellt wird. Alternativ kann auch an der Kamera das Sportprogramm eingestellt werden. Dieses sorgt selbstständig für kurze Belichtungszeiten. • Für angebundene Kühe auf dem Sammelplatz kann auch das Porträtprogramm verwendet werden. Dieses sorgt für eine größere Blendenöffnung und damit für Schärfe auf dem wichtigen Teil des Bildes. • Um bestmögliche Aufnahmen zu bekommen, ist es von Vorteil, mehrere Fotos von jeder Situation zu machen (Bildserien). Auch die Sennen oder Hütebuben in ihren Trachten geben ein gutes Motiv ab.

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Fotos: Volker Wille

Rechts zwei Bildbeispiele für gelungene »Viehscheid-Fotografie«: ein Portrait mit geringem Schärfentiefe-Bereich im Vordergrund (linkes Foto); daneben: die größere Blendenöffnung rückt die vierbeinigen Modelle in den Mittelpunkt

ALPSOMMER & VIEHSCHEID 2011


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