Alpsommer & Viehscheid 2013 - Sonderausgabe der EDITION ALLGÄU

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Viehscheid 2013

Alpwirtschaft: Ein Bergsommer mit Kleinhirten Handwerk: Zu Besuch beim Schellenschmied Allg채u-K체che: Gerichte mit Geschichte



Fotos: Dominik Ultes, Volker Wille

Editorial

Eine ureigene Allgäuer Jahreszeit edes Jahr von Neuem zeigt sich die Natur im Allgäu in ihrer gesamten Pracht und lässt die Menschen in der Region sehen, welche Schönheiten in Fauna und Flora sie zu bieten hat: Der Alpsommer beginnt – dieser Abschnitt markiert in der Region schon beinahe eine eigene Jahreszeit. Bedeutet sein Beginn hier doch bereits seit Jahrhunderten einen überaus wichtigen Einschnitt im Jahreslauf – natürlich zunächst für die Landwirte, die ihre Rinder auf die Alpen in den Mittel- und Hochlagen bringen. Aber auch für zahlreiche weitere Bewohner der Region, die ihren Jahreslauf nach dem Zeitraum ausrichten, der zwischen Mitte Mai und Anfang Juni beginnt und mit den zahlreichen Viehscheiden im September endet.

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Die Allgäuer selbst haben schon immer Wert auf ihre Traditionen und Wurzeln gelegt, diese sind ihnen überaus wichtig. Vor allem stellen sie ihre Bräuche, ihr überliefertes Handwerk, das teils mittlerweile fast vom Aussterben bedroht ist, und ihre Traditions-Gerichte gerne Gästen und Besuchern der Region vor. Das Alte zu bewahren, beinhaltet hier gleichzeitig, offen für Neues zu sein. Und besonders in der Zeit des Alpsommers gibt es im Allgäu viel zu entdecken. Die Hirten, die auf den Alpen dafür sorgen, dass die Rinder im Schatten der Berge gut versorgt werden, lernen ihre Arbeit schon von klein auf. Die Alpwirtschaft selbst ist in der Region eine Tätigkeit, die weit in frühere Jahrhunderte zurückreicht. Aber auch heute noch sorgt sie für Aufsehen – selbst bei Filmemachern,

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die aus den muhenden Allgäuer Vierbeinern auf den Alpweiden »Stars« machen. Mit all diesen Themen und noch vielem mehr haben wir uns in dieser Zeitschrift für Sie befasst. Dieses Jahr liegt ein großer Schatten über der Alpsommer-Tradition. TBC hat sich besonders in den Rinderherden des Allgäus breitgemacht – heimlich und wohl länger unbemerkt. Denn eigentlich gilt TBC in den Viehbeständen seit vielen Jahren als nicht mehr existent. Seit Herbst 2012 geistern nun immer wieder unterschiedlichste Meldungen durch die Gazetten. Entsprechende Gegenmaßnahmen wurden eingeleitet und werden durchgeführt. Der gesamte Viehbestand soll bis Ende 2013 untersucht sein. Wir verzichten in diesem Heft auf Situations-Berichte, die sich – wie die vergangenen Wochen und Monate gezeigt haben – schnell und maßgeblich verändern können. Wir können nur hoffen, dass sich die Dinge zum Guten wenden und wir einen halbwegs freundlichen und ungetrübten Alpsommer erleben werden. Alle Beteiligten haben das verdient – ob nun Mensch oder Vieh.

Marius Lechler, Chefredakteur

Gehen Sie trotzdem mit uns auf eine Reise quer durch das Allgäu, um dessen Brauchtum, reiche Traditionen und Geschichte zu entdecken. Lassen Sie sich vom Alpsommer faszinieren, dieser ganz eigenen Allgäuer Jahreszeit. Ihr Marius Lechler 3


Inhalt

Impressum Verlag und Herstellung: Verlag HEPHAISTOS, EDITION ALLGÄU Lachener Weg 2, 87509 ImmenstadtWerdenstein Tel. 08379/728616 Fax 08379/728018 info@heimat-allgaeu.info www.heimat-allgaeu.info

Redaktion: Marius Lechler (v.i.S.d.P.),

Tel. 08379/728616, E-Mail: info@heimat-allgaeu.info

Gekennzeichnete Beiträge stellen die Meinung des Verfassers, nicht aber des Verlages dar.

Alle Veranstaltungs- und Terminangaben ohne Gewähr.

Layout: Bianca Elgaß, Ramona Klein, Dominik Ultes

Anzeigen: Sven Abend, Kathrin Geis Tel. 08379/728016, E-Mail: sven.abend@heimat-allgaeu.info

Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/2010 vom 1. Februar 2010.

Bankverbindung: Raiffeisenbank OberallgäuSüd eG, Konto 7282770, BLZ 73369920

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Fotos: Marius Lechler, Denise Neufert, Thomas Niehörster, Arno Pürschel; Archiv Allgäuer Bergbauernmuseum Diepolz; Tourismusverband Allgäu/Bayerisch-Schwaben e.V.; Titelfotos: Volker Wille

Thomas Niehörster

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Viola Elgaß, Annette Müller,

Vorwort

Seite 3

Blau, grün, braun – das Leben auf der Alpe Zwei Kleinhirten und ihr Sommer Seite 6

Vom harten Leben im Schatten der Berggipfel Zur Geschichte der Alpwirtschaft Seite 20 Neue Schönheiten im braunen Kleid Der aktuelle Kuh-Kalender 2014

Seite 24

Jedes Einzelstück von Hand gemacht Die Traditionskleidung Lederhose

Seite 10

Spitzen-Käser mit Sinn für Individualität Die Sennereigenossenschaft Bremenried Seite 26

Frisch gezapft bei Tag und Nacht Milch vom Automaten rund um die Uhr

Seite 12

Klingende Zierde aus dem lodernden Feuer In der Werkstatt des Schellenschmiedes Seite 30

Vom Jugendtraum zum Lebenswerk Wie Jakl Köhler die Alpe Sonnhalde betreut Seite 14 Ein kühner Traum geht in Erfüllung Der Deutsche Wandertag 2013 im Allgäu

Seite 18

Nach dem Magen dreimal links Neue Attraktion im Bergbauernmuseum

Seite 34

Klassischer Wohlklang auf Schlössern & Bergen Das Musikfestival »MusikHochGenuss« Seite 36 Wenn der Wald die Idylle verändert Landschaftswandel im Allgäu

Seite 38

Panoramakarte Viehscheidorte und Termine im Überblick

Seite 42

Viehscheidtermine im Allgäu und Umgebung Große Übersicht der Alpabtriebe Seite 44 »Wir sind authentisch, das schätzen die Gäste« Interview: Tourismuschefin Heidi Thaumiller Seite 48 Wo der Urlaub wie bei guten Freunden wird Das Vermieternetzwerk »Alpine Gastgeber« Seite 52 Gelungene Bilder zwischen Berg und Tal Unsere Alpsommer-Fototipps Seite 54 Echte Originale vom Horn bis zu den Hufen Das Einzigartige des Braunviehs im Allgäu Seite 56

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24 So viel mehr als nur Bergkäse und Bier Gerichte mit Geschichte aus dem Allgäu Seite 60

Alte Klänge und Künste in Wolfegg Auf dem Dorfplatz Spezialitäten genießen

Seite 73 Seite 73

Was Walli und Angie am Berg unterscheidet Kuhnamen und andere Tier-Merkmale Seite 62

Scharf nôchdenkt über Alpsommer Kolumne von Buchautor Max Adolf

Seite 64

Freizeit Froschmaul und Katzenbauch im Museum »Geierwally« gratuliert zum 20-Jährigen Wetterschau, Musik und Handwerk »Duftwandeln« im Käse-Kräuter-Sommer Zwischen Chorgestühl und Madonna Mit Römern auf Entdeckungstour »Kirchturm-Idyllen« von Lala Aufsberg Reise ins Herz des Grünten Artisten und Gaukler erobern die Stadt Regionale Gerichte sind in aller Munde Europas höchste Fotoausstellung Hoch hinaus und flott ins Tal Im Finale der nachhaltigsten Regionen

Zwischen Gaißbichel und Zweifelsgehren Woher die Alpen ihre Namen haben Seite 74

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Seite 65 Seite 65 Seite 66 Seite 67 Seite 67 Seite 68 Seite 68 Seite 69 Seite 69 Seite 70 Seite 70 Seite 72 Seite 72

Heilsames Grün im Allgäu neu entdeckt Der Verein Allgäuer Kräuterland e.V. Seite 76 Für Sie vorausgelesen – Allgäu-Bücher Seite 78 Zwei Allgäuer Damen und ihr Weg zu Film Dokumentarfilmer macht Kühe zu »Stars« Seite 80 Das Viehscheid-Preisrätsel Alpsommer-Wochenende zu gewinnen

Seite 82

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Reportage

Blau, grün, braun Blauer Himmel, grüne Bergwiesen, braunes Vieh – den Sommer auf der Alpe zu verbringen, wäre für die einen Kinder Traum, für die anderen unvorstellbar. Was tut man »droben« auf dem Berg den ganzen Tag, fast zwei Monate lang? Ohne Fernseher, ohne Playstation? Die Brüder Elias und Pius kennen das Alpleben ganz genau. Als Kleinhirten hüten sie gemeinsam mit Alphirt Adolf Scheidle das Jungvieh auf der Stierbachalpe bei Hinterstein – und berichten von guten Stolperern, bockigem Vieh und jugendlichem Einsatz fürs Allgäuer Brauchtum

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Fotos: Viola Elgaß, Volker Wille

Das Leben auf der Alpe

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o weit oben, auf 1729 Metern inmitten der majestätischen Bergwelt, erwartet man eigentlich erhabene Stille. Doch es ist alles andere als ruhig. Je weiter es den schmalen, steilen Bergpfad hinaufgeht, desto klarer wird das »Gebimmel«. Über 250 Rinder grasen im Sommer 2012 auf den weitläufigen Alpweiden um die Ochsenalpe, lümmeln wiederkäuend auf den Bergwiesen herum oder tun sich an dem riesigen Wassertrog vor der Hütte gütlich. Mittendrin: zwei Buben, lässig im Gras hockend, dabei das Vieh im Auge behaltend. »Der Oberhirt ist grad unterwegs, nach dem Vieh schauen.« Leicht zu übersehen ist die brüderliche Ähnlichkeit: Elias ist vierzehn, Pius gerade zehn Jahre alt. Ab dem nächsten Schuljahr wird er, genau wie sein Bruder, die Knabenrealschule Immenstadt besuchen. Die Brüder kommen aus Bühl, wo ihre Eltern Florian und Susanne Hierl einen Hof mit 25 Milchkühen und

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70 »Schumpen«, also Jungvieh, das noch nicht gekalbt hat, führen. 19 davon weiden gerade auf den Alpflächen, die Elias und Pius hüten. Nebenbei müssen sie Zäune und Hütten instand halten. Die nicht immer einfache Arbeit sind die Burschen gewohnt. Nicht nur von zu Hause, wo sie auf dem elterlichen Hof mithelfen, wann immer etwas anfällt, sondern von vergangenen Sommeraufenthalten: Elias ist schon das fünfte Jahr »droben«, Pius hat vergangenes Jahr bereits ein paar Wochen auf der Ochsen- und Point-Hütte verbracht. Heuer ist er zum ersten Mal den ganzen Sommer dabei. Und wie macht sich der kleine Bruder? »Passt scho«, so Elias – das wortkarge Männerleben auf der Alp hat schnell auf ihn abgefärbt. Die Ochsenalpe im Hintersteiner Tal ist nicht leicht zu erreichen. Mit dem Bus kann man bis zum Giebelhaus fahren. Nur mit einer speziellen Erlaubnis, zum Beispiel für Hirten und Landwirte, die nach ihrem w

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Oben: Das Wetter nimmt keine Rücksicht auf Hirten: Auch bei Sturm müssen sie raus, wenn es regnet, manchmal bei Schnee. Oben Mitte: Susanne Hierl, Landwirtin aus Bühl, kommt regelmäßig vorbei, um nach ihren Söhnen und dem Vieh zu sehen. Oben rechts (v.l.n.r.): Pius, Oberhirt Adolf Scheidle und Elias verbringen fast zwei Monate zu dritt auf der Stierbachalpe

Vieh sehen wollen, darf man von dort aus mit dem Auto weiter ins Bärgündeletal, an der Abzweigung zum Luitpoldhaus vorbei zur Point-Hütte auf 1319 Metern. Hier führt rechts der Alpweg aufwärts zur Feld- und zur Ochsenalpe, auf denen Elias und Pius den Hochsommer über leben. Die ersten und letzten Wochen der Alpsaison verbringen sie auf der PointHütte. Gemeinsam mit Weidflächen oberhalb vom Giebelhaus gehören die Hütten zur Stierbachalp, auf denen Adolf Scheidle, Elias und Pius das Vieh von 16 verschiedenen Bauernhöfen hüten.

Die frischeste Frühstücksmilch Der Tag beginnt für die Hirten um halb sieben. Oft steht Oberhirt Adolf Scheidle ein bisschen früher auf, um seine beiden Milchkühe zu melken. Frischer kann die Frühstücksmilch kaum sein. Mit Holzstecken und schweren Bergschuhen geht es danach das erste Mal am Tag »nauf«. Scheidle und die Brüder schauen, ob es dem Alpvieh gut geht, und passen auf, dass es sich nicht zu weit den Berg hinaufbewegt und ins Felsige kommt. »Die Tiere können sich da nämlich nicht überall hinlegen«, erklärt Elias. Mancher Schumpen würde auf den steileren Wiesen unfreiwillig »ins Rollen kommen«. Wenn sich das ein oder andere Tier doch etwas zu weit hinauf gewagt hat, reicht es oft, sich oberhalb hinzustellen, dann setzen sie ihren Weg in die andere Richtung fort. Natürlich gibt es welche, die nicht sofort spuren, doch meist genügt ein kurzer, scharfer Ruf, dann machen auch die »Zicken« kehrt – um des lieben Friedens willen. »Es gibt Schumpen, die sind besser, und andere, die sind schlechter erzogen«, meint Pius. Und über den Sommer kristallisieren sich

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halt doch oft ein, zwei »Lieblinge« heraus. Von den insgesamt 266 Schumpen, die den Alpsommer hier oben verbringen, erkennen die Brüder den Großteil auf Anhieb – an Fellfarbe, Gewicht und Gang. Namen haben die Tiere allerdings nicht. »Das Jungvieh wird ja meist verkauft, da macht das wenig Sinn«, erzählt Elias. »Erst, wenn wir eine als Milchkuh behalten, dann bekommt sie einen Namen«, fügt sein jüngerer Bruder hinzu. Gegen eins geht es zum Mittagessen zurück in die Hütte. Dann haben die Hirten etwas Zeit für sich, bevor um halb fünf – bei Schlechtwetter früher – das zweite Mal nach dem Vieh gesehen wird. Wenn es Zeit wird, werden die Tiere wieder ein Stück hinabgetrieben – »‘rab sammle« nennt man das. Abends gegen neun Uhr gibt es eine deftige Brotzeit, und nach dem Zähneputzen und einer Katzenwäsche am Brunnen ist schnell Ruhe in der Alphütte.

Ein guter Stolperer fällt nicht Das Wetter ist heute warm, sonnig und klar – es kann aber auch ordentlich »schütten« hier oben. Raus müssen die Hirten täglich, bei Regen, Wind – hin und wieder sogar bei Schnee. Da kann es schon einmal passieren, dass man bis auf die Knochen durchnässt und bibbernd in die Hütte zurückkehrt. Viel schlimmer als Regen findet Elias Nebel: »Da sind die Sichtverhältnisse für Hirt wie Vieh schwierig, das kann schon mal gefährlich werden.« Gestürzt ist von den beiden aber zum Glück noch keiner. »Ein guter Stolperer fällt nicht«, meint Pius trocken. Leider passiert trotzdem hin und wieder ein Unglück. Zu Sommerbeginn, als die Buben gerade das erste Wochenende oben auf der Point-Hütte verbrachten,

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rutschte ein Tier über eine Felsplatte ab und erlitt eine so starke Verletzung an der Lunge, dass es leider notgeschlachtet werden musste. »Damit es nicht unnötig leidet«, betont Pius. Ein weiteres Tier aus der Herde Hierls stürzte in eine Felsspalte und brach sich das Genick. Auch wenn derartige Unfälle in den Bergen zu den Grundgefahren gehören – nahe geht den Hirten der Verlust eines Tieres immer. »Aber man hat’s halt nicht in der Hand.« Pius schüttelt den Kopf. »Einen Kranz gibt’s heuer nicht.« Denn nur, wenn der Alpsommer ohne Unfälle für Zwei- und Vierbeiner verlaufen ist, darf ein Kranzrind die Herde beim Viehscheid anführen. Aufgeregt sind die Kleinhirten nicht, wenn dieser naht – waren sie doch beide oft genug dabei, ob als Helfer, Treiber oder eben Hirte.

Trubel »g’hört dazu« Anfang September wird das Vieh von der Ochsenalpe zurück zur Point-Hütte hinabgetrieben. Einen Tag vor dem großen Abtrieb werden mit vielen Helfern die festlich geputzten und aufpolierten Zugschellen angelegt, und die Herde wird »sortiert«. Nur knapp ein Drittel der Tiere, die den Alpsommer auf der Stierbachalp verbracht haben, kommt mit zum Bad Hindelanger Viehscheid am 11. September. Dazu zählen das junge Vieh, die Tiere, die besamt werden sollen oder bald kalben . Die anderen kommen unter der Aufsicht von Scheidle auf die sogenannte Nachweide, bis der Schnee fällt. Mehrere Stunden vom frühen Morgengrauen bis in den späten Vormittag dauert der Fußmarsch zum Scheidplatz. Dort ist längst nicht Feierabend. Die Tiere werden »geschieden«, also vom Oberhirt aussortiert und ihren Besitzern zurückgegeben.

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Das braucht seine Zeit, schließlich zählt der Hindelanger Viehscheid mit 900 Tieren von fünf Galtalpen zu den größten im Allgäu. Gleich im Anschluss müssen die meist recht unwilligen Vierbeiner in Transporter verladen werden – da ist schon manchmal Schieben angesagt. Schön am Scheid findet Elias das viele Vieh, das zusammenkommt, und das Schellenläuten, das die Veranstaltung begleitet. Stören tut ihn nur der Trubel, der inzwischen darum herum gemacht wird. »Bei den ganzen Bierständen und Festzelten leidet das Brauchtum ein bisschen«, findet er. »G’hört halt dazu«, zuckt Pius die Schultern.

Oben links: Nahrhafte Brotzeiten gibt es auf der Alpe – die Milch fürs Frühstück kommt frisch aus der Kuh. Oben: Die Hierl-Brüder auf dem Weg zum Viehscheid in Bad Hindelang. Heuer ohne Kranzrind, denn im Laufe des Alpsommers sind zwei Jungtiere abgestürzt

Arbeit oder Urlaub? Doch sind die Wochen in den Bergen jetzt Ferien oder Arbeit? »Ferien«, darüber müssen die Buben nicht lange nachdenken. »Ferien sind, wenn man etwas gerne tut«, fügt Elias dazu. Und was sagen die Klassenkameraden und Freunde zu dem »Ferienjob«? Den meisten sei es wurscht, erzählt der Ältere, sei ja jedermanns eigene Sache, wie er seine Zeit verbringt. Ein paar hätten auch Respekt für das, was er mache. Ärgerlich findet er die grundlegende Einstellung einiger Mitschüler zum Beruf Landwirt: »Viele halten die Landwirtschaft für eine niedere, eine dreckige Arbeit. Da machst scho manchmal was mit.« Doch wenn man etwas in den Allgäuer Bergen lernt, dann ist das, die Ruhe weg zu haben. Aufregen tut sich von den beiden Kleinhirten keiner. Schad sei’s halt. Was die Zukunft angeht, sind sich beide Brüder sicher: Sie werden den elterlichen Hof übernehmen. Und bis dahin geht’s weiterhin im Alpsommer rauf auf den Viola Elgaß Berg, das Jungvieh hüten. •

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Handwerk

Jedes Einzelstück von Hand gemacht Zu den charakteristischsten Kleidungsstücken im Allgäu gehört die Hirschlederhose. Auch heute noch entstehen die traditionellen Beinkleider nach altem Vorbild in den Werkstätten der oft seit Jahrzehnten bestehenden Leder-Manufakturen. Eine betreibt Klaus Bensmann im Bad Hindelanger Ortsteil Bad Oberdorf

Oben: Aus zahlreichen Einzelteilen fertigt Klaus Bensmann in seiner Werkstatt Allgäuer Hirschlederhosen, die mit kunstvollen Stickereien versehen werden. Aber auch andere Kleidungsstücke aus Leder entstehen unter seinen kunstfertigen Händen

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wischen Hirsch und Mensch besteht seit uräl- und er haben vier Kinder. »Mit einer kurzen Hirschletesten Zeiten eine enge Verbindung. In der derhose, einer Kniebundhose und einer Langen bin ich Steinzeit war der Hirsch das Tier, dem die für jede Jahreszeit bestens ausgerüstet, und das für viele Menschen auf seiner Wanderung folgten, da er ihnen Jahre«, sagt er. Auch seine Frau trägt eine lange Lederneben dem Fleisch sein Fell zum Wärmen, Geweih hose, wann immer es passt. Naturgegerbtes Sämischund Knochen für Werkzeuge schenkte. Auf zahlreiHirschleder ist äußerst anschmiegsam, hautfreundlich, chen Fels- und Höhlenzeichnungen ist die Bedeutung temperaturausgleichend, sehr langlebig und kann bei des Hirsches in Verbindung mit einem Schamanen Bedarf auch einmal nass ausgebürstet werden. dargestellt. Der Hirsch galt bei den Kelten als SonnenVor seiner Ausbildung zum Sämischgerber in Bad symbol und erscheint später in vielen Sagen und LegenHindelang war für seine Frau Petra und ihn, beide den. Im Zuge der Christianisierung sind gebürtige Westfalen aus wurde er zum Hubertushirsch mit »Etwa ein Drittel meines Be- dem Münsterland, ein Aufeinem Kreuz zwischen dem Geenthalt in Westkanada in den darfs an Hirschhäuten weih gewandelt. Bei den IndiaJahren 1980/81 ausschlaggekommt aus dem Oberallgäu« bend für ihre Zukunft. Dort nern Nordamerikas ist der Hirsch ein Tierzeichen ihres Horoskops. erlernten sie die uralte Art Und noch heute besteht die (Jagd-)Kleidung vieler der Ledergerbung der nordamerikanischen UreinwohVölker aus Hirschleder. ner. Die Hirschhaut wird mit dem Gehirn des HirKlaus Bensmann, geboren 1959, ist einer der wenigen, sches und einer anschließenden Räucherung zu einem die das uralte Handwerk, aus Hirschleder Kleidung anäußerst anschmiegsamen Leder für Hosen, Hemden zufertigen, noch aufrechterhalten. Er lebt seit 1982 im und Mokassins verarbeitet. Ganz ähnlich angenehme Allgäu und ist seit 1985 selbstständig. Seine Frau Petra Trageigenschaften hat das sämisch gegerbte Hirschle-

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Fotos: Thomas Niehörster

der, das Klaus Bensmann heute in seiner Werkstatt zuder. Der Grund hierfür: »Ich hab’ es dick, Stoffhosen- Oben links: Hirschlederschneider schneidet und zu Kleidung verarbeitet. säcke zu reparieren«, seufzt Bensmann. Das Material Bensmann beim Zuschneiden der »In 70 Arbeitsgängen über neun Monate hinweg verfür Knöpfe sind Steinnuss und Hirschhorn – letztere Lederstücke. Ganz oben Mitte: für die Weiterverabeitung gesammelte wandelt der als Gerbmittel eingesetzte Fischtran die aus eigener Produktion. Häute, daneben der TraditionsEiweißfasern der Hirschhaut in weichste, aber extrem Ein weiteres Standbein von Klaus Bensmann ist die handwerker in seiner Werkstatt. zugfeste Lederfasern«, fasst Klaus Bensmann das PrinHerstellung der Rahmentrommel, der sogenannten Oben: Der Meister selbst trägt zip der Sämischgerberei kurz zusammen. »Die meis- »Hirschtrommel« mit einem Durchmesser von 35 bis seine selbstgemachten Lederten Hirschhäute kommen immer noch von 50 Zentimetern. Sie ist wohl eines der frühesten rituelhosen auch bei der Arbeit Zuchttieren aus Neuseeland«, lässt len Instrumente der Menscher ohne weiteren Kommentar im heit und besteht aus einem »Bei meinen Hosen kommt Raum stehen, setzt dem aber entungefähr eine Handspanne nichts von der Stange, jedes gegen: »Ich sammle die Häute vom breiten, runden Holzrahmen. Teil ist ein Unikat« Rotwild, das im Alpenraum erlegt Bei Bensmann wird der Rahwurde. Etwa ein Drittel meines men nur auf einer Seite mit Bedarfs kommt aus dem Oberallgäu. Die Weitervereiner Hirschrohhaut bespannt. Schlagen mit der Hand, arbeitung bis hin zur Bürstfärbung wird in einer beden Fingern oder einem Schlegel auf die Bespannung freundeten Sämisch-Gerberei ausgeführt«. erzeugt den Ton. Klaus Bensmann und seine Frau Petra Bensmanns Angebot umfasst hauptsächlich Lederho- geben auf Anfrage Handwerkskurse für den Bau einer sen, Lederjacken und -Sakkos, dazu Gürtel, Taschen, Hirschtrommel. Sie finden unter intensiver fachlicher Rucksäcke und Kleinteile – alles von Hand gefertigt. Anleitung und in kleinen Gruppen statt. So bleiben geFür die Kleidungsstücke nimmt Klaus Bensmann nügend Zeit und Raum, um das eigene Instrument mit Thomas Niehörster selbst Maß beim Kunden – nichts kommt »von der Erfolg fertigzustellen. • Stange«, jedes Teil ist ein Unikat. Besonders am Herzen liegt ihm das Anfertigen von Manufaktur mit Platz für Zuschauer Lederhosen für die Tracht, dies sind die schwarze, Der Hirschledergerber und -schneider aus Bad Oberdorf konzentriert sich beim Fertigen hirschlederne Bundhose, in der Regel unbestickt, und seiner Kleidungsstücke auf altüberlieferte Handwerkstraditionen. Klaus Bensmanns Werkstatt die bestickte Kurze. Die Plattstickerei der ausgewählist täglich montags bis donnerstags von 14.30 bis 17.00 Uhr oder nach telefonischer Absprache ten Motive wird aus Maulbeerseide in Handarbeit von zu besuchen. Kontakt unter: Leder Klaus Bensmann GbR, Ostrachstraße 38, 87541 Bad einer begabten Nachwuchsstickerin ausgeführt. HoHindelang, Tel. 08324/94195, E-Mail: info@kb-leder.de, www.kb-leder.de sensäcke und Bundfutter sind ebenfalls aus Hirschle-

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Fotos: Thomas Kögel

Innovation

Rechts: Landwirt Thomas Kögel mit seiner Frau vor dem Automaten, an dem Milch rund um die Uhr erhältlich ist

Frisch gezapft bei Tag und Nacht Wenn der Hund die Wurst geklaut hat oder Sie vergessen haben, einzukaufen – kein Problem. Rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr ist die »Milchtankstelle« an der alten B19 bei Thanners Retter in der Not. Der Slogan »Tierisch gut DIREKT vom Landwirt« ist Programm für Thomas Kögel. Die Milch kommt vom eigenen Hornvieh, Wurst und Schinken aus der eigenen Schlachtung

n Thanners bei Immenstadt, gleich beim »Haxenwirt« um die Ecke, liegt der Hof der Familie Kögel. In einem kleinen Holzhaus hat der 29-jährige Landwirt Thomas Kögel seine »Zapfsäule« für Milch sowie einen Automaten für Wurstwaren, Käse und Eier aufstellen lassen. Der Familienvater, der mit Frau und Tochter auf dem Hof lebt, betreibt somit die erste Milchtankstelle im Oberallgäu. Fleisch und Wurst werden schon seit 20 Jahren vermarktet, jetzt sollte auch die Milch direkt an den Kunden verkauft werden. Das System mit dem Automaten war schon seit längerem bekannt. Da man Milch aber nur schlecht in der Einkaufstasche mitnehmen kann, liefert das Gerät auch gleich die passenden Glasflaschen zur Milchabfüllung – alles picobello rein. Der Milchautomat wird jeden Tag gesäubert und neu befüllt. Nicht nur die Nachbarn freuen sich über diesen Service, auch viele Autofahrer folgen gerne dem unübersehbaren Hinweis an dem Stadel. Die Milch von den Kühen, die stolz auf ihre Hörner sind – alle Allgäuer Bauern, die Hornvieh halten, schwören auf eine bessere Milchqualität – ist laut Kögel besonders für laktoseintolerante Menschen vom Kleinkind bis zum Erwachsenen gut verträglich. Das werde ihm von zahlreichen Kunden immer wieder im Gespräch be-

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Innovateur und Naturbewahrer Der Milchautomat auf dem Hof der Familie Kögel ent hält neueste Technik, in die Glasflaschen im Geräte inneren fließt jedoch nur Milch von Allgäuer Horn vieh, auf deren Vorteile Thomas Kögel schwört. Kontakt: Familie Kögel, Thanners 3, 87509 Immenstadt, Tel. 08379/7598, Fax 08379/728579, E-Mail: info@bauernhof-koegel.de, www.milchtankstelleallgaeu.de

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stätigt, sagt der Landwirt. »Zudem ist die Preisleistung für den Liter Hornviehmilch äußerst attraktiv, wenn man bedenkt, was die Milch für hohe Inhaltsstoffe im Vergleich zur Milch im Tetrapak hat«, fügt er hinzu. Kögel ist schließlich einfach stolz auf sein Produkt. Das bestätigen ihm die Kunden im ausliegenden Gästebuch mit manchen Lobeshymnen und kleinen Zeichnungen. Ob nur für den Latte macchiato oder gleich für eine ganze Kinderschar: Jeder Kunde kann Milch abzapfen, so viel er will – gerne auch in eine mitgebrachte Flasche. Falls der Vorrat im heimischen Kühlschrank nicht ausreichen sollte, weil plötzlich die »liebe Verwandtschaft« vor der Tür steht, hilft bei Thomas Kögel der Wurstautomat. Dieser ist mit neun äußerst verlockenden Wurstwaren bestückt, darunter Bockwurst, Schübling, Knoblauch- und Kümmelwurst, oder auch Schinken vom Rind und vom Schwein. Außerdem hält der Metallkasten noch Allgäuer Bergkäse, Eier und Butter feil. Zu dem reichen Angebot bekommt der Kunde noch abgepacktes Brot dazu. Wer vorausplanen kann, dem liefert Thomas Kögel auf Bestellung Rind-, Schweine- und Kalbfleisch aus eigener Schlachtung ins Haus. Neuerdings kann man bei ihm sogar einen Thomas Niehörster Schlachthasen ordern. •

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Alpwirtschaft

Vom Wahrwerden eines Jugendtraums Jakl Köhler ist Älpler aus Leidenschaft. Seit 33 Jahren lebt und arbeitet er für seine Passion und hat die Alpe Sonnhalde zu dem gemacht, was sie heute ist: ein beliebtes Ausflugsziel mit ausgezeichnetem gastronomischem Ruf. Der Allgäuer Autor Florian Maucher hat einen Sommer lang auf der Alp mitgearbeitet

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ie ein Juwel strahlt die Alpe Sonnhalde in sie nicht über das Klärsystem der Alpe entsorgt werder tiefstehenden Abendsonne. Die letz- den. Darüber hinaus liefern die Schweine, die sich ten Gäste sind auf dem Weg zurück ins während des Alpsommers von der nährstoffreichen Tal, auf der Terrasse vor der geschindelten Hüttenfront Molke ernähren, im Herbst hochwertige Fleisch- und ist Ruhe eingekehrt. Nur die Weidschellen der grasenWurstwaren. Die Liste der selbst erzeugten Produkte den Rinder klingen noch harmoist lang. Ebenso die der vielnisch von den Hängen, als die elf fältigen Arbeiten rund um »Wir haben Stammgäste, Milchkühe sanft schnaubend herKäse, Vieh und Gastronodie Sommer für Sommer auf zur Hütte trotten. Es ist Stallmie. Von April bis Oktober zeit. Und für das Alpteam noch herrscht Hochbetrieb. hier heraufkommen« lange kein Feierabend in Sicht. Seit über 30 Jahren ist die 100 Tage lang kommen die Kühe zweimal täglich zum Alpe Sonnhalde der Lebensmittelpunkt von Jakl KöhMelken. An 100 Tagen klingelt der Wecker morgens ler. Schon als Bub hatte der gebürtige Allgäuer den um 5 Uhr. Und oft enden die Tage hier im Mittelbach- Traum, Bauer zu werden. Ohne eigenen Hof musste tal bei Oberstaufen erst spät am Abend. Neben den der heute 67-Jährige aber einen anderen Weg gehen. Kühen wollen auch die 13 Milchziegen gemolken werEr studierte Chemie und leitete jahrelang eine Entden. Über 20.000 Liter Milch werden den Sommer wicklungsabteilung eines Frankfurter Großkonzerns. über zu 1,5 Tonnen Alpkäse, Hauskäse, Frischkäse, Doch mit den Jahren überkam ihn immer öfter die Butter und Quark verarbeitet. Sehnsucht nach seinen Wurzeln. Als ihm der damalige Die anfallende Molke wird an acht zu Beginn der Kä- Pächter der Sonnhalde Anfang der 1980er-Jahre eine sesaison angekaufte Alpschweine verfüttert. So muss Hirtenstelle anbot, griff Jakl zu. Obwohl er sich in 14

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Jakl Köhler in der Käsküche der Alpe Sonnhalde. Jeden Sommer entstehen hier aus ca. 20.000 Litern Milch rund 1,5 Tonnen Bergkäse, Hauskäse, Frischkäse, Butter und Quark

Frankfurt wohlfühlte und gutes Geld verdiente, ließ er alles hinter sich und krempelte sein Leben um. Bereits nach wenigen Jahren konnte er die Alpe übernehmen. Unter seiner Leitung hat sie sich seitdem zum beliebten Ausflugsziel mit angesehener Gastronomie entwickelt. Sogar Spitzenkoch Johann Lafer adelte die Röstkartoffeln aus den Pfannen der Alpe Sonnhalde als die »weltwürzigsten«. Zusammen mit Preiselbeeren und gebackenem Käse, der wahlweise von Geiß oder Kuh bestellt werden kann, entsteht hier die Sonnhalde-Spezialität »bachner Alpkäs mit Röstkartoffl«. Auch die Alpgäste wissen die hohe Qualität und die harte Arbeit hinter den Produkten zu schätzen. »Wir haben Stammgäste, die seit den Anfangsjahren Sommer für Sommer hier heraufkommen, teilweise schon in der dritten Generation«, erzählt der charismatische Älpler stolz. Dass es die Alpe nach wie vor in ihrer heutigen Bewirtschaftungsform gibt, ist nicht selbstverständlich. Zum einen ist eine gesunde Portion Idealismus und Leidenschaft für diese Lebensweise nötig, zum anderen aber auch ein hoher finanzieller Einsatz.

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Als die Eigentümer die Alpe Mitte der 1990er-Jahre verkaufen wollten, musste Jakl handeln. Oft genug hatte er in den Jahren zuvor erlebt, wie ähnliche Objekte nach dem Verkauf zu Freizeithütten degradiert wurden. Davor wollte er die Sonnhalde bewahren. Außerdem hatte er zu diesem Zeitpunkt schon viel in die Hütte investiert. Unter anderem unterkellerte er mit Freunden von Hand den gesamten Wohnbereich der Hütte und konnte dadurch Platz für Lagerräume und eine Käserei schaffen. Der Aushub daraus wurde vor der Hütte zu einer Terrasse aufgeschüttet und damit der Grundstein für den Gastronomiebetrieb gelegt. Jakl hing an seiner Sonnhalde, den Kaufpreis für die Alpe konnte er damals aber nicht alleine aufbringen. Der findige Älpler gründete deshalb mit einigen seiner Gäste den Verein zum Erhalt der Allgäuer Kulturlandschaft. Im Vordergrund des Projektes stehen bis heute die Gemeinnützigkeit und landschaftspflegerische Aspekte rund um die Alpe. So wurden im Lauf der Jahre unter anderem über 70 Obstbäume alter Sorten gepflanzt und viel in die Sanierung des zur Alpe ge-

Ganz oben: Neben zahlreichen Kühen verbringen auch 16 Geißen den Bergsommerauf den Weiden der Sennalpe bei Oberstaufen. Oben: Eingebettet in die idyllische Allgäuer Natur – die Alpe Sonnhalde

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Fotos: Florian Maucher, Andrea Schiebel, Yasmin Schweers

Alpwirtschaft

Oben: Acht Alpschweine leben den Sommer über mit vielen anderen Tieren auf der Alpe Sonnhalde. Im Herbst liefern sie unter anderem das Fleisch für leckere Wurstwaren. Oben rechts: Florian Maucher führt während seiner Zeit auf der Alpe die Kühe auf den Berg

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hörenden Bergwaldes investiert. Um all das gestalten Doch alleine ist all die Arbeit kaum zu bewältigen. zu können, fanden sich unter den Vereinsmitgliedern Jedes Jahr tragen viele freiwillige Helfer ihren Anteil Alpbegeisterte aus sämtlichen Berufsgruppen, darun- zum Erfolgskonzept Sonnhalde bei. Renate und Jakl ter Landwirte, ein Steuerberater, Banker, Rechtsan- teilen dieses Leben gerne mit anderen Menschen und walt, eine Professorin für ökologische Ökonomie und leisten dabei auch wertvolle Bildungsarbeit. So können sogar ein Pfarrer. seit vielen Jahren Jugendliche von Waldorfschulen ihre Alle gemeinsam riefen dann das Projekt »Käse statt mehrwöchigen landwirtschaftlichen Praktika auf der Zinsen« ins Leben. Ab einem Einsatz von 5000 Euro Sonnhalde absolvieren und lernen dabei eindruckskonnten sich Privatleute an seiner Idee beteiligen. voll, wie viel Arbeit hinter Lebensmitteln steckt und 7,5 Kilogramm Bergkäse wurden als jährliche Rendite wie diese hergestellt werden. ausgegeben. Das Projekt war ein voller Erfolg, und die Ergänzend zu all den freiwillig helfenden Händen ist Alpe konnte durch den von Jakl gegründeten Verein den Sommer über meist auch eine weitere Arbeitskraft gekauft werden. Möglichst nafest angestellt. Einer dieser festen turnah zu wirtschaften, erklärte Helfer war ich, Florian Maucher. »Dafür nimmt man Jakl zum Ziel seines Projektes. Zwischen dem Ende meines Agrardie schwere Arbeit Auf der Suche nach einer geeigwirtschaftsstudiums und dem Eingerne in Kauf« neten Art und Weise stieß er stieg ins Berufsleben wollte ich mir früh auf den Anbauverband ein Sabbatjahr gönnen und eine Demeter. Seit 1987 wirtschaftet er nach dessen Richt- Saison auf einer Sennalpe arbeiten. Zu den Zielen dielinien: »Für mich ist das das schönste Zusammenspiel ser Auszeit gehörte, die Kunst des Käsens und die perzwischen Mensch, Tier und Natur«, sagt er. Auch sönlichen Grenzen kennenzulernen. All das hat sich Renate Schiebel, Jakls Lebensgefährtin, steht hinter für mich dort erfüllt. Die Erfahrungen und Erlebnisse dieser Philosophie: »Die Harmonie ist spürbar, dafür aus dieser Zeit flossen in ein Tagebuch ein, aus dem nimmt man die schwere Arbeit gerne in Kauf.« das Buch »Bergsommer« entstand. Der Band ist nun in der EDITION ALLGÄU erschienen. Ergänzt werden die ganz persönlichen Erinnerungen an die Buchautor und Teilzeit-Älpler tägliche Arbeit auf der Sonnhalde mit zahlreichen Informationen rund um die im Kreislauf eines Jahres Der Agraringenieur Florian Maucher beschreibt als Autor stattfindenden Geschehnisse am Berg sowie mit vielen seine außergewöhnlichen Erfahrungen, die er im Lauf eines Jahres in seiner Funktion als Alphirt auf Zeit auf Fotos, die rund um die Alpe Sonnhalde entstanden der Alpe Sonnhalde bei Oberstaufen sammeln konnte. sind. Auch die Entwicklung des Autors selbst und seiSein Buch »Bergsommer« ist Ende 2012 in der EDITION ne Erfahrungen, die er auf der Alpe machte, werden ALLGÄU beim Verlag HEPHAISTOS in Immenstadt-Werden eindrucksvoll und mit Humor beschrieben. stein erschienen. Es ist erhältlich für 12,80 Euro unter Wer sich für den Lebens- und Arbeitszyklus auf einer der Best.-Nr. 044 bei EDITION ALLGÄU, Lachener Weg 2, Allgäuer Alpe interessiert, kommt sowohl mit dem 87509 Immenstadt-Werdenstein, Tel. 08379/728616, Buch, aber natürlich auch ganz unmittelbar bei einem Fax 08379/728018, E-Mail: info@heimat-allgaeu.info Besuch auf der Alpe Sonnhalde und bei Jakl Köhler sowie im Online-Shop unter www.heimat-allgaeu.info Florian Maucher voll auf seine Kosten. •

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Deutscher Wandertag

Ein kühner Traum geht in Erfüllung In den Jahren 2006/07 lief ein Wettbewerb »Neue Ideen für das Allgäu«. 251 Ideen wurden eingereicht, darunter auch die des Heimatbundes Allgäu, die Region auf den neuen Trend »Wanderurlaub« einzustellen und den Deutschen Wandertag 2013 ins Allgäu zu holen. Ziel erreicht, kann der Heimatbund heute feststellen. Vom 26. Juni bis 1. Juli ist das Allgäu im Fokus der Wanderbewegung. Und gleichzeitig hat der Heimatbund sich ein neues Betätigungsfeld erschlossen: »Wandern mit Kultur«

Sieben Jahre nach dem Gewinn des Wettbewerbes »neue ideen« wird der Deutsche Wandertag 2013 Wirklichkeit. Zwischen 35.000 und 40.000 Wanderer erobern Wiesen und Berge im Oberallgäu (Foto oben)

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m Wortlaut hieß es bei der Siegerehrung in der bigBOX Allgäu in Kempten damals: »Deutscher Wandertag 2013 im Allgäu, Ergreifung von Maßnahmen zur Verbesserung des Wanderangebots im Allgäu, u.a. Katalogisierung und Harmonisierung der vorhandenen Angebote und Schließen bestehender Lücken mit dem Ziel der Durchführung des 113. Deutschen Wandertages im Jahre 2013 mit 35.000 Teilnehmern im Allgäu.« Es war ein weiter Weg von dieser Auszeichnung bis heute. Heimatbund-Mitglied Peter Elgaß, Teilnehmer bei einigen vorausgegangenen Deutschen Wandertagen, brachte damals die Verantwortlichen des Heimatbundes und des Deutschen Wanderverbandes miteinander ins Gespräch. 2008 in Fulda wurde der Heimatbund Allgäu offiziell als Mitglied im Deutschen Wanderverband aufgenommen. Gleichzeitig wurde den Allgäuern der 113. Deutsche Wandertag 2013 in Aussicht gestellt – was bisher noch nie einem »Neumitglied« angetragen wurde. Dabei spielte die Bekanntheit der südlichsten Region Deutschlands

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natürlich eine große Rolle. Viele Mitglieder des Deutschen Wanderverbandes kennen die Region und waren dort bereits auf Wanderwegen unterwegs. Ein weiterer Grund, warum das Allgäu sofort einen Deutschen Wandertag zugesprochen bekam: Noch nie in der weit über 100-jährigen Geschichte gab es einen Wandertag im Nordbereich der Alpen. Dort ist üblicherweise das Gebiet des Deutschen Alpenvereins. Entsprechend dünn ist auch die Präsenz des Deutschen Wanderverbandes in Bayern. Nur wenige Regionalverbände finden sich in der Karte des Wanderverbandes – ganz im Gegensatz zu Baden-Württemberg übrigens. Dort befinden sich die zwei stärksten Regionsverbände, der Schwäbische Albverein mit 110.000 Mitgliedern (mit Ortsgruppen im Westallgäu in Leutkirch, Isny, Wangen, Kisslegg und Wolfegg) und der Schwarzwaldverein mit 70.000 Mitgliedern. Der Heimatbund Allgäu mit seinen 8000 Mitgliedern hatte sich mit der Bewerbung um den Deutschen Wandertag einen großen Brocken Arbeit an Land ge-

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Fotos: Volker Wille

zogen. Üblicherweise wird für den Organisationsetat einer solchen Großveranstaltung ein hoher sechsstelliger Betrag veranschlagt. Die Großsponsoren, die Brauerei Meckatzer Löwenbräu, Sport Schratt und Krumbacher Mineralbrunnen, stiegen ein, die Allgäu GmbH als Dienstleister der vier Allgäuer Landkreise und der drei kreisfreien Städte wurde neben dem Heimatbund zum Ausrichter bestimmt und mit der Gesamtorganisation des Wandertages betraut. Als nächstes musste eine »Wandertagshauptstadt« gefunden werden. Bewerbungen gab es aus Oberstdorf, Kempten, Füssen und Bad Wörishofen. Im Kopf-anKopf-Rennen gewann letztendlich Oberstdorf. Bei der Bewerbung mit im Boot: Bad Hindelang, AlpseeGrünten mit Burgberg, Rettenberg, Blaichach, Sonthofen, Immenstadt und Fischen. Nachdem feststand, dass der erste Wandertag im Allgäu in den Landkreis Oberallgäu kommt, ergab sich fast von selbst das Motto: »Wandern hoch drei«. In der Ebene, in den Vorbergen und in den Hochalpen. Noch nie in der Geschichte der Wandertage konnte auch Wandern im

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Hochgebirge angeboten werden, ein Novum beim 113. Wandertag. Vom 26. Juni bis 1. Juli werden nun an die 40.000 Wanderer im Oberallgäu erwartet. 148 Seiten stark ist das offizielle Programmheft, in dem sich die Teilnehmer ihre Touren aussuchen. Dem Heimatbund, der inzwischen auch Wanderführer-Ausbildungen in seiner eigenen Allgäu-Akademie anbietet, ist es gelungen, die Ausrichtung des Wandertages auf naturnahe Wege zu bringen und vor allem den Kulturaspekt mit in das Gesamt-Angebot einzubringen. Allgäuer Museen, Naturstationen, interessante Betriebe und Sehenswürdigkeiten wurden ins Programm eingebaut. Die zentralen Veranstaltungen wie Hauptversammlung des Wanderverbandes, Tourismusmesse, Allgäu Dorf und Festumzug sind in Oberstdorf. Die Teilnehmer am Wandertag werden jedoch in den Wochen vor und nach dem Hauptereignis im ganzen Oberallgäu und in den Nachbarregionen in Österreich unterwegs sein. Viele Ortsgruppen gestalten auch unabhängig vom offiziellen Programm ihre eigenen Wandertouren. •

Ganz oben links und rechts: Bergbahnen helfen den Teilnehmern in der Frühe auf die Höhe, um den Sonnenaufgang zu erleben. Es gibt allerdings auch eine Alternative (oben links): Beim Ballontrekking beginnt das Wanderabenteuer erst nach der Landung. Dann geht es über Stock und Stein zurück zum Startplatz (oben)

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Alphistorie

Vom harten Leben im Schatten der Berggipfel Bereits seit Jahrhunderten ist die Berglandwirtschaft im Allgäu ein wichtiger Bestandteil des Arbeitslebens. Dazu gehÜrt, dass die Alphirten das Vieh auf den Hochweiden der Alpen zu versorgen hatten. Dies bringt und brachte schon immer schwere Arbeit und auch Gefahren am Berg mit sich

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Links: Sensenschärfen für den Grasschnitt im steilen Gelände hoch über dem Vilsalpsee im benachbarten Tannheimer Tal. Oben: die Sennalpe Rabennest bei Immenstadt

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Personal ein. Jedes Genossenschaftsmitglied besitzt Weiderechte. Nach deren Anzahl wird das Vieh bestimmt, das im Sommer auf die Weide darf. Gemeindealpen sind in kommunalem Besitz und ebenfalls genossenschaftlich betrieben. Privatalpen fallen meistens erheblich kleiner aus und werden vom Besitzer selbst genutzt. Am Berg selbst wird seit dem Aufschwung der Alpwirtschaft durch die weite Verbreitung der Käseherstellung in der ersten Hälfte und Mitte des 19. Jahrhunderts durch Carl Hirnbein und andere in zwei Formen von Alpen unterschieden: Galtalpen und Sennalpen. Als Galtvieh wird das Jungvieh bezeichnet, das vor der ersten Kalbung auf Hochweiden, die bis zu 2000 Meter hoch liegen, betreut wird. Die Älpler der tiefer liegenden Sennalpen konzentrieren sich während des Sommers auf die Käse- und Butterproduktion. Noch um 1900 gab es im Allgäu auf den Galtalpen neben Rindern auch Pferde, Schafe und Ziegen. Namen wie »Gaisalpe« oder »Roßberg« geben heute noch Zeugnis davon. Aufgrund der Alpwirtschaft entwickelte sich die Gegend zur überregional bekannten Viehzuchtregion. w Fotos: Archiv Allgäuer Bergbauernmuseum Diepolz; Archiv Leo Schnellbach

ahrscheinlich hatten sich die ersten Menschen, die im Allgäu siedelten, bereits in der Mittelsteinzeit in diesem Alpenraum niedergelassen, wobei es sich wohl um Wandernomaden handelte, die die Alpwiesen oberhalb der Baumgrenze besuchten. Dr. Thaddäus Steiner führt jedoch in seinem Buch »Allgäuer Alpnamen« das Urteil von Klaus Freiherr von Andrian-Werburg an, dass an eine planmäßige Alpwirtschaft vor der um etwa 1100 einsetzenden binnendeutschen Kolonisation nicht zu denken gewesen sei. Die Besiedlung der Berge erfolgte im Allgäu aber bereits seit dem Mittelalter. Da die Bevölkerung in den Tälern zunahm, führte das in dieser Zeit dazu, dass selbst in Lagen über 1100 Metern ganzjährig bewohnte Siedlungen entstanden. Einödsbach, Deutschlands südlichster Ort, oder Wiesnat bei Gunzesried gehören dazu. Erst für das Jahr 1173 ist Thaddäus Steiner zufolge im Allgäu in den Traditionen des Klosters Isny mit der Weide der heutigen Alpe Gelchenwang eine solche ausdrücklich so bezeichnet worden. Seit dem 13. Jahrhundert werden in Klosterurkunden immer öfter Alpen im Allgäu namentlich erwähnt, die als Abgabe an Grundherren Käse lieferten. Die Verarbeitung von Milch zu Käse hatte allerdings zuerst nur einen geringen Stellenwert. Wichtiger war die sogenannte Sömmerung des Jungviehs, der Aufenthalt der Tiere während der Sommermonate auf den hoch gelegenen Alpweiden. Sie wurden bei jeder Witterung auf mit zahlreichen Kräutern bewachsenen Bergwiesen gehalten. Die Nutzung der zusätzlichen Futtervorkommen auf den Weidegründen am Hang ermöglichte erst die intensivere Viehzucht.

Jungvieh und Käseproduktion Im Alpwesen gibt es drei Rechtsformen: Privat-, Gemeinde- und Genossenschaftsalpen, wobei die Genossenschaftsalpen den größten Anteil im Allgäu ausmachen. Hier entscheidet ein gewählter Alpmeister über alle alpwirtschaftlichen Belange und stellt das

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Oben: Schaf mit drei Lämmern im Kleinwalsertal (1949). S. 20: Erschließen unzugänglicher Weidegründe durch Abseilen der Rinder (Zeichnung um 1900)

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Zwei Senner posieren zwischen den Werkzeugen zur Käseherstellung auf einer Alpe

Die Hirten der Alpe Stierbach im Hintersteiner Tal (1934). Eine solche Dreiergruppe bildete die normale Besetzung einer Jungviehalpe. Neben dem Meisterhirten (rechts) verdingten sich dort auch zwei Jungen als Klein- und Mittelhirt

Betreuung am Berg Die Alpfahrt, wie der Alpauftrieb auch genannt wird, findet in der Zeit von Mitte Mai bis Mitte Juni statt. Hirte, Senn und Kleinhirten (Hirtenbuben) treiben dabei nicht nur die gesamte Herde auf die Sommerweide, sie nehmen auch alles mit, was zum Arbeiten und Leben am Berg notwendig ist. In früheren Zeiten war der Aufstieg mühsam, gefährlich und dauerte viele Stunden. Heute sind die meisten Alpen über mit Fahrzeugen passierbare Wege gut erreichbar. Die Zahl der Arbeitskräfte hängt davon ab, ob auf einer Alpe Jungvieh oder Milchkühe gehalten werden. Früher waren 22

die Hirten auf den Galtalpen meist zu dritt, der Meisterhirt versorgte die Tiere gemeinsam mit dem Mittel- und dem Kleinhirt (diese waren oft Kinder oder Jugendliche). Sie durften bis in die 1950er-Jahre mit dem sogenannten Alpdispens für ihre sommerliche Arbeit von der Schule fernbleiben. Obwohl Kleinhirten auch heute noch verbreitet sind, richten sich ihre Aufenthalte auf der Alpe inzwischen mehr an den Sommerferien und Wochenenden aus. Auf den Sennalpen brauchte es dagegen mehr Mitarbeiter: So waren in großen Sennalpen mindestens fünf bis sechs Sennen und Knechte angestellt, von denen jeder bestimmte Arbeiten zu erledigen hatte. Beim Melken arbeiteten aber alle zusammen. Die Käse- und Butterproduktion einer Saison auf der Sennalpe stellte schließlich einen erheblichen Wert dar. Während die Älpler im Allgäu früher den gesamten Sommer bei den Tieren auf der Alpweide blieben, ist dies heute aufgrund der guten Erreichbarkeit und dem Überwiegen der Galtalpen, auf denen das Jungvieh gehalten wird, nicht mehr unbedingt die Regel. Vielmehr werden Alpen oft auch nebenbei betreut.

Abschied im Herbst Das Ende der Alpsommer-Zeit markieren im Allgäu die zahlreichen Viehscheide ab Anfang September, zu denen die Rinder von ihren Alpen ins Tal hinabgetrieben und dort auf dem Scheidplatz ihren Besitzern im Rahmen eines entsprechenden Festes wieder übergeben werden. Die glückliche Heimkehr von den Sommerweiden wird von Alphirten, Viehbesitzern, Einheimischen und Gästen gemeinsam gefeiert. Der Hir-

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»Viehmarkt in Sonthofen (Algäu)«, Holzstich von Richard Mahn (um 1880 entstanden)

te, der die Tiere zu unterscheiden weiß und sie kennt, trennt die Rinder auf dem Scheidplatz aus und bringt sie wieder in die Obhut des Bauern, dem sie gehören. Verlief der Alpsommer ohne Unfall, führt eine geschmückte Kranzkuh die Herde an, die von der Alpe heruntergetrieben wird. Im Allgäu gehört der Viehscheid zu den wichtigsten Feiertagen im Jahreslauf. Die historischen Wurzeln, seit wann in welchem Ort Viehscheide abgehalten werden, liegen oft im Dunkeln. So gibt der Autor Günther Kapfhammer in seinem Buch »Brauchtum in den Alpenländern« an, Oberstdorf habe den ältesten Viehscheid im gesamten Oberallgäu, wobei aber auch der Hindelanger Viehscheid auf eine sehr alte Tradition zurückblicken könne. Im Hintersteiner Tal werde seit einigen Jahrhunderten (eine genaue Jahreszahl lasse sich nicht ermitteln) ein Viehscheid abgehalten. Der Scheidplatz sei heute derselbe wie damals. Bei einigen dieser Veranstaltungen, die den Allgäuer Alpsommer beschließen, sei es jedoch so, dass sie erst seit Ende der 1960er-Jahre bzw. Anfang der 1970er-Jahre wieder eingeführt worden seien. Die abschließenden Arbeiten während des Herbstes an der Alpe nach dem Viehscheid und vor Beginn der eigentlichen Winterzeit umfassen für die Älpler unter anderem das Schwenden. Damit wird die Entfernung des Wildwuchses und der Steine im Gelände bezeichnet. Durch diese Tätigkeit werden die Weideflächen frei gehalten. Nachdem die Alpe winterfest gemacht wurde, wird vor allem auf einem Teil der Alpen im oberen Allgäu und im angrenzenden Österreich der Brauch begangen, den letzten Tag bzw. Abend vor dem endgültigen Verlassen der Alpe mit einem Fest, der sogenannten Älplerletze, zu feiern. • Marius Lechler

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Kranzkuh in Sonthofen mit Kleinhirt auf einer historischen Aufnahme von Leo Schnellbach

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Kuh-Kalender

Neue Schönheiten im braunen Kleid Weit über das Allgäu hinaus sind sie die Tiere des Alpsommers schlechthin: die Allgäuer Kühe, die unzählige Urlaubsfotos und Postkarten zieren. 13 der attraktivsten Exemplare werden nun im Kuh-Kalender 2014 aus der EDITION ALLGÄU, der im Juni in den Handel kommt, versammelt

Oben zeigen wir einen Vorgeschmack auf mögliche und bereits ausgewählte Motive für den Kuh-Kalender 2014: Das große Foto hat Denise Neufert aufgenommen, die kleinen Bilder stammen von Juliane Wandel, Volker Wille und Michael Eugster (von oben). Das Titelmotiv unten hat Benjamin Zapf fotografiert

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achdem sich die EDITION ALLGÄU im Jahr www.facebook.com/allgaeu.braunvieh für ihre Favo2010 zum ersten Mal mit seinem Kult-Kuh- riten stimmen oder mit eigenen Fotos an der Wahl der Kalender einen Namen gemacht hatte, entwibesten Bilder teilnehmen. Eingesandte Fotos wurden ckelte sich der Jahresweiser bis heute zum großen nach einer Vorauswahl zur Bewertung auf Facebook Erfolg. Der Kalender mit den Braunvieh-Schönheiten bereitgestellt. Die Bilder, die die meisten Stimmen erhat bereits über das Allgäu hinaus zahlreiche Freunde hielten, kamen in die Endrunde, in der die EDITION gefunden. ALLGÄU im Frühjahr 2013 die 13 besten Kuhfotos für In diesem Sommer erscheint die Sammlung der foto- den Kuh-Kalender 2014 auswählte. genen Wiederkäuer nun schon zum fünften Mal – Insgesamt erhielt der Verlag über 500 Bildmotive für dabei finden sich auf den Kaden Kalender zugeschickt, von lenderblättern unterschiedlichsdiesen trafen rund 250 AufnahAuch in diesem Jahr te Motive, vom niedlichen Kalb men zur Bewertung online ein. waren die Kuh-Fans bis zum klassisch anmutigen Entscheidend für eine erfolgreiwieder aktiv einbezogen Braunvieh im Wandel der Jahche Teilnahme an der Wahl wareszeiten. Die Fotografen, die ren neben der Bildqualität auch die Motive mit der Kamera eingefangen haben, bieten die Originalität des Motivs und ein passendes Querdabei eine vielfältige Auswahl voller origineller Rind- format für die Vorgaben des Kalenders. Im Jahr 2014 vieh-Ideen. werden wie im Kuh-Kalender 2013 auch wieder mehFür die Motiv-Auswahl zum aktuellen Kult-Jahreswei- rere Motive von jungen Fotografen den Jahresweiser ser wurde wieder das soziale Netzwerk Facebook und komplettieren. Benjamin Zapf steuert für die aktuelle somit die Fans der Paarhufer aktiv einbezogen. Von Ausgabe das Titelblatt bei, Michael Eugster ist mit eiAnfang September 2012 bis Ende März 2013 konnten nem Monatsmotiv vertreten. Kuh-Enthusiasten im Internet unter der Adresse Für den Kuh-Kalender 2015 können interessierte Fotografen bereits jetzt Allgäuer Kuh-Aufnahmen an die EDITION ALLGÄU schicken. Alle ausgewählten Allgäuer Tierwelt für zu Hause Einsender erwartet ein kleines Fotohonorar, außerAlle Gewinnermotive finden sich im neuen KuhALLGÄU unter www.heimat-allgaeu.info. Alternadem gibt es für sie kostenlose Kalender-Exemplare. Kalender 2014, der Mitte des Jahres erscheint. tiv ist die Bestellung auch unter Tel. 08379/ Die ausführlichen Teilnahmebedingungen sind unter Preis: 12,80 Euro, Best.-Nr. 013. Bestellungen 728016, Fax 08379/728018 oder per E-Mail www.heimat-allgaeu.info/kalender im Internet einzusind möglich im Online-Shop der EDITION unter info@heimat-allgaeu.info möglich. Marius Lechler sehen. • 24

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Viehscheid Maierhöfen mit der längsten Alpabtriebsstrecke im Allgäu

13.09. - 15.09.2013

Am Freitag, 13.09.13 ab 20.00 Uhr Auftakt zum Viehscheid mit der Party- und Stimmungsband „Lederrebellen“ Am Samstag, 14.09.13 - um ca. 11.30 - 12.00 Uhr Eintreffen des Alpzuges (ca. 200 Tiere) auf dem Scheidplatz, musikalische Untermalung mit der Musikkapelle Maierhöfen und den Alphornbläsern - ab 10.00 Uhr Krämermarkt und Festzeltbetrieb mit der Musikkapelle Maierhöfen - um 20.00 Uhr Allgäuer Heimatabend mit dem Trachtenverein, „Goißenschnalzern“ und den Alphornbläsern aus Maierhöfen, danach Tanz- und Stimmungsmusik mit den „Allgäu-Feagern“ Am Sonntag, 15.09.13 - ab 9.00 Uhr Zeltgottesdienst mit den „Vorderburger Jodlern“, anschließend Frühschoppen mit der Musikkapelle Maierhöfen - 12.30 Uhr: Kinderfest mit Wettspielen auf dem Festplatz - 14.00 Uhr: Unterhaltung und Stimmung mit „D’Holzschuh“

Ferienclub Maierhöfen

Erleben Sie „gelebtes Brauchtum“ im Allgäu und feiern Sie mit der einheimischen Bevölkerung und zahlreichen Gästen das alljährliche Viehscheidfest in Maierhöfen. Viehscheidtage im Allgäu 2013 13.09. – 15.09.2013

Enthaltene Leistungen: 2 x Übernachtung im Komfort-Bungalow 2 x reichhaltiges Frühstück vom Büffet 1 x Allgäuer Viehscheid-Büffet am Freitagabend mit regionalen Gerichten und einem „Heuschnaps“ Freie Nutzung von Schwimmbad und Sauna Halbpension ist auf Anfrage zubuchbar Preis für das Kurz-Arrangement pro Person ab 87,00 € Ferienclub Maierhöfen Stockach 1 | 88167 Maierhöfen Tel. 08383/9 22 00 | Fax 08383/9 22 0307 www.ferienclub-maierhoefen.de info@ferienclub-maierhoefen.de


Sennereiwesen

Spitzen-Käser mit Sinn für Individualität Mit Qualität aus Milch das Beste herzustellen, haben sich auch die Käsereien am Rand des Alpsommergebietes auf die Fahne geschrieben. Eine davon ist die zur Westallgäuer Käsestraße gehörende Käsereigenossenschaft Bremenried. Hier wird die frische Rohmilch an sieben Tagen in der Woche zu schmackhaften Käsesorten verarbeitet

Oben: Eine wahre Schatzkammer voll schmackhafter Laibe in der Sennerei der Käsereigenossenschaft Bremenried (unten links). Unten: Die Angebotstafel im Käslädele wirbt mit tierischer Unterstützung

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Fotos: Tobias Heimplätzer, Thomas Niehörster

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ie Marktgemeinde Weiler liegt in einer Senke der sanften Voralpenlandschaft und grenzt direkt an die Region Bregenzerwald im österreichischen Bundesland Vorarlberg. Sie ist von dicht bewaldeten, engen Tobelbachtälern umgeben, in denen die geologische Besonderheit der Gegend, der Nagelfluh, zu Tage tritt. Die Gemeinde feierte 2005 die 1111-Jahrfeier der ersten urkundlichen Erwähnung. Hier liegt im Ortsteil Bremenried an der Bregenzer Straße die Sennerei der Käsereigenossenschaft Bremenried, in deren Laden neben den feinen Allgäuer Käsesorten als Besonderheit der »Bremenrieder« und der »Bremenrieder Romadur« angeboten werden. »Gentechnikfrei« ist ein Schlagwort der letzten Zeit, durch das das Einkaufsverhalten der Kunden stark beeinflusst wird. Die Sennerei Bremenried e.G. produziert ihren Käse allein aus gentechnikfreier Milch und setzt bei der Käseherstellung keine Hilfsmittel ein, die nur im Entferntesten etwas mit genverändertem Material zu tun haben. Darauf legt Silvester Fink, 1. Vorsitzender der Genossenschaft, größten Wert. Die Produkte sind zudem laktosefrei und werden aus silofreier Milch hergestellt. Zwölf Bauern liefern zweimal am Tag ihr Milchkontingent für die Käse- und Butterproduktion ab. Dann beginnt die Arbeit für Käsemeister Helmut Berkmann und seine Mitarbeiter. In der Produktion sind drei Sennen, im angeschlossenen Käslädele und im Büro umschichtig vier Mitarbeiterinnen tätig.

Produktion seit 1897 Die Käsereigenossenschaft wurde 1897 gegründet und nahm ihren ersten Aufschwung, als Weiler im Jahr 1903 an die Eisenbahn angeschlossen wurde. Die Käserei wurde im Lauf der Jahre mit neuen Kesseln, einem Rührwerk und einer Kesselheizung auf den seinerzeit neuesten Stand gebracht. 1923, nach der Inflation, wurde mit 20 Millionen Rentenmark der »Regiebetrieb«, eine der ältesten Organisationsformen kommunaler Unternehmerschaft, die hauptsächlich für kleinere Betriebsformen gedacht ist, gegründet. Die 21 Mitglieder des Zusammenschlusses waren mit eigenem Geld beteiligt.

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Man muss im Westallgäu bereits zu dieser Zeit mit großer Akribie produziert haben, denn die Historie der Käserei verzeichnet 1928: »Eine unvermutet vorgenommene Milchschau hatte ein sehr gutes Resultat gezeigt. Bremenried war unter sämtlichen Sennereien an 4. Stelle.« Nicht so ganz zufrieden war man damals mit dem Käser, der den Käse »zu sehr verbohrt habe«, also mit dem Tester zu viel Käse entnommen habe. Daraufhin war ihm der Bohrer entzogen worden. 1935 war die Sennerei schließlich als Käsereigenossenschaft eingetragen worden.

Oben links: Silvester Fink, der 1. Vorsitzende der Käsereigenossenschaft. ist stolz auf die Preise, die der Zusammenschluss für seinen Käse schon gewonnen hat. Oben: Die Käselaibe werden in Salzlake behandelt

Preisgekrönt und unabhängig Während des Zweiten Weltkrieges gab es eine Krisensituation: Der Betrieb sollte geschlossen und die Bauern sollten veranlasst werden, ihre Milch nach Weiler zu liefern. Die in der Genossenschaft zusammengeschlossenen Bauern, die sich die in jahrelanger mühevoller Arbeit eingerichtete Verwertungsstelle nicht nehmen lassen wollten, wehrten sich erfolgreich gegen diesen Eingriff. Gegen Ende des Krieges entstand mit der Verknappung des Brennholzes – Kohle wurde wegen der Kriegsverhältnisse schon lange nicht mehr geliefert – ein neues Problem für die Sicherstellung der Produktion. Indem jedes Mitglied zur Lieferung von drei Ster Holz für die Käserei verpflichtet wurde, konnte diese jedoch fortgeführt werden. 1952 wurde in Bremenried eine Maschine für die Butterproduktion angeschafft und das kleine Ladenlokal renoviert. Dass die Mitglieder der Genossenschaft überaus erfolgreich arbeiteten, bezeugen Siegerpreise bei der Käseschau in München und sogar bei einer Wanderausstellung in Hamburg. Obwohl die Käsereigenossenschaft Bremenried Angebote erhielt, Käse und Butter an Großhändler zu liefern – es w

Käser und Käse live erleben In der Sennerei Bremenried finden von Juni bis September jeden Dienstag um 17 Uhr Betriebsführungen statt. Die Produktion kann täglich beobachtet werden. Geöffnet von 7 bis 12 Uhr und

16 bis 19 Uhr, sonn- und feiertags von 7 bis 11.30 Uhr und 17.30 bis 19.00 Uhr. Kontakt: Käsereigenossenschaft Bremenried e.G., Bregenzer Straße 96, 88171 Weiler im Allgäu, Tel. 08387/2658, Fax 08387/390716, info@ kaese-bestellung.de, www.kaese-betellung.de

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Die Produkte aus der Sennerei in Bremenried werden gleich nebenan im »Käslädele« verkauft – darunter neben Spezialitäten wie »Bremenrieder Romadur« auch Allgäuer Bergkäse (rechts) und frische Faßbutter (ganz rechts)

lag ein Angebot der Firma Hochland vor – entschied sich der Vorstand zu Beginn der 1960er-Jahre dafür, das Käsen weiterhin in Eigenregie durchzuführen. Immer wieder wurden die Produktionsmaschinen erneuert. Bis 1991 wuchs die Mitgliederzahl der Genossenschaft auf 27 Bauern an. 1996 ging der langjährige Betriebsleiter Anton Dornacher in den Ruhestand. Seitdem ist Helmut Berkmann Betriebsleiter. Im Jahr 1997 konnte das 100-jährige Jubiläum gefeiert werden. Wie die Käseherstellung abläuft, kann bei der Produktion in Bremenried täglich hautnah beobachtet werden, wenn sich die Käser in der Sennerei über die Schulter schauen lassen. Am interessantesten geht es dabei zwischen 9 und 10 Uhr vormittags zu. • Thomas Niehörster Anzeige

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Der Burgberger Schellenschmied Marcus Jack in seiner Werkstatt. Er fertigt Kuhschellen und Glocken für Pferdegeschirre nach überliefertem Vorbild im Schmiedefeuer

Brauchtum

Klingende Zierde aus dem lodernden Feuer Der charakteristische Klang der Kuhschellen ist eines der typischsten Geräusche im Allgäu. Ob auf den Alpweiden oder im Tal, ein Rind ohne diesen Halsschmuck ist einfach nicht komplett. Die Klangkörper für Weidetiere haben eine lange Geschichte. Kuhschellen werden im Allgäu heute noch von alteingesessenen Handwerkern hergestellt

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Fotos: Thomas Niehörster

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ie so oft beginnt die Geschichte in China. Bereits vor 5000 Jahren haben die Chinesen kleine Glocken aus weichem Metall gefertigt. Da sie die Kunst des Metallgießens noch nicht kannten, formten sie das Metall mit Hämmern. Auch in anderen asiatischen Ländern und in Ägypten stellten die Menschen kleine Glocken her, die sie ihren Tieren um den Hals banden, um sie wiederzufinden. Etwa um 600 n.Chr. brachten Mönche von ihren Reisen Glocken mit, um die Gläubigen zum Gebet zu rufen. Vor etwa 1000 Jahren entwickelten die Mönche den Glockenguss. Als »Abfallprodukt« daraus entstanden auch bei uns die Glöckchen für die Weidetiere. Die Metallmischung für den Glockenguss, die sogenannte Glockenbronze, besteht aus 77 Prozent Kupfer und 23 Prozent Zinn. Bei anderen Zusammensetzungen der beiden Metalle entsteht Messing, aus dem die meisten Kuhglocken gegossen werden. Ein Klöppel oder Schlegel, der beweglich in der Glocke aufgehängt ist, bringt diese beim Anschlag zum Klingen. Glocken, die den Weidetieren – Rindern, Ziegen, Schafen, Pferden, Eseln, Rentieren, Lamas, Kamelen, ja

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selbst Elefanten – umgehängt werden, – gibt es überall dort, wo Tiere auf offener Weide oder Waldweide gehalten werden. Sie dienen dazu, die Tiere im unwegsamen Gelände, besonders im Gebirge, auszumachen.

Links oben und unten: Marcus Jack bringt die Kalle (Klöppel) für eine Schelle in Form und passt sie ein. Oben: eine Schelle aus der Glocken- und Schellensammlung von Alois Fink

Altes Handwerk Schellenschmied Heute – und besonders nördlich des »Weißwurstäquators« – grasen die Kühe auf eingezäunten Weiden, was »Kuhglocken« überflüssig macht und damit auch den traditionellen Beruf des Schellenschmiedes. Aber nur fast. Denn in den Bergen, wo Kühe auf den Almen, die im Allgäu Alpen heißen, frei auf den Alpwiesen grasen, läuten sie noch immer. »Begleitet vom Läuten der Kuhglocken …«: Eine Floskel, die in keinem Allgäu-Krimi oder Reiseführer fehlt und genauso falsch ist wie die ersten Verdachtsmomente des Kommissars. Denn was im Morgengrauen den Wanderer beim Bergaufstieg als idyllische Musik begleitet, aber den Gast in den Abendstunden auch bis in den Tiefschlaf verfolgt, sind überwiegend die Kuh31


schellen. Während die Kuhglocken, die nur die Milchkühe tragen, gegossen werden, werden die Kuhschellen vom Schellenschmied aus Blech geformt. Die Gießereien für Kuhglocken existieren im Allgäu nicht mehr. Neben Gießereien zum Beispiel in Nürnberg oder in der Eifel gibt es weitere in Österreich und in der Schweiz.

Qualitätsfaktor Sägeblatt Das Blech für die Kuhschellen, die in der Schweiz als Treicheln bezeichnet werden, wurde früher in den Hammerschmieden erzeugt, heute wird Walzblech benutzt. Ob es nun wahr ist oder nur eine Legende: Einige Schellenschmiede schwören auf das Stahlblech eines Sägeblattes, das den besten Klang erzeugen soll. Aus dem Walzblech werden die zwei Schellenhälften zugeschnitten, mit dem Hammer in Form getrieben, gebogen und am Rand zugeschweißt. Schellenschmied Marcus Jack aus Burgberg im Oberallgäu ist einer dieser immer seltener werdenden Handwerker, die den klingenden Halsschmuck wie in früheren Zeiten herstellen. Alte Schellen erkennt man daran, dass die Ränder miteinander vernietet wurden. Innen erhält die Schelle eine Öse für den Klöppel, Kalle genannt, oben einen Steg für den Lederriemen, der dem Tier um den Hals gebunden wird. Bei den großen,

bis zu fünf Kilogramm schweren Zugschellen, die zum alljährlichen Viehscheid getragen werden, ist der (breitere) Riemen vielfarbig bestickt und verziert. In die Messingplatte der Schnalle werden zumeist das Herstellungsjahr und ein Hinweis auf den Besitzer graviert. Für Kälber, Ziegen und Schafe werden Schellen in entsprechender Größe und Form hergestellt. Während Kuhglocken überwiegend eine einheitliche Form und Größe haben, unterscheiden sich Schellen oft deutlich in der Größe und der Form. Sie haben ihrem Aussehen nach oder vom Ton her ganz eigene Namen wie Klöpfar, Bumpla, Froschmäula oder Katzbücher. Handgefertigte, individuelle Schellen haben für den Hirten den praktischen Nutzen, dass er die Tiere, die sie tragen, am Klang ihrer Schelle erkennt. Wer ein gutes Ohr dafür hat, kann heraushören, dass die Schellen einer Herde unter Umständen harmonisch aufeinander abgestimmt sind. Pferde tragen zur Arbeit das sogenannte »Geröll« – kugelförmige Schellen, die aus zwei runden Halbschalen zusammengefügt und auf einem Ledergurt befestigt sind. Je nach Durchmesser haben sie einen unterschiedlichen Klang, der aufeinander abgestimmt ist. Zu besonderen Anlässen tragen Pferde einen Ledergurt mit sogenannten »Pariser Glocken« aus Messing, die auch verchromt sein können. Schellen sind darüber hinaus im Allgäuer Brauchtum fester Bestandteil des »Häs«, der Vermummung der Klausen Thomas Niehörster und Bärbele. •

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Bergbauernmuseum

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Illustration: Dominik Ultes

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Nach dem Magen dreimal links Eine ganz besondere Attraktion zum Selbst-Erleben plant das Allgäuer Bergbauernmuseum in Diepolz für die Saison 2014. Die Besucher sollen im Wiedemannshof auf dem Museumsgelände eine übergroße Kuh »durchwandern« und dabei lernen, wie diese Gras in Milch verwandelt. Statt langweiliger Schautafeln eine fantastische Reise durch die Anatomie – mit praktischem Lerneffekt für Groß und Klein

ass Kühe nicht lila sind, haben zumindest die Kinder erfahren, die schon einmal das Bergbauernmuseum in Diepolz besucht haben. Vielleicht ist dabei auch der eine oder andere Erwachsene nachdenklicher geworden, der hier mehr über die »Königin der Alpen« erfahren und vielleicht sogar live miterlebt hat, wie aus Milch Käse entsteht.

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»Der Weg der Milch« In der gleichnamigen Son derausstellung, die im Bergbauernmuseum Diepolz für den Zeitraum vom 13. April bis zum 2. November 2014 geplant ist, werden die Besucher verfolgen können, was mit der Milch passiert, nachdem sie die Kuh verlassen hat, wie sie verarbeitet und veredelt wird

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Vom Kuhmaul bis zum Euter Nun ist zumindest der Startschuss für ein weiteres Abenteuer gefallen: Auf dem Wiedemannshof im Bergbauernmuseum Diepolz führt ab Ostern 2014 ein Weg mitten durch eine Kuh! Jedoch wird dazu weder eine Kuh geschlachtet, noch werden die Besucher zu Winzlingen geschrumpft. Vielmehr empfängt in einem neuen Ausstellungsraum im kommenden Jahr den Besucher ein überdimensionaler Kuhkopf. Durch

das weit geöffnete Maul geht es über die Zunge und die Speiseröhre in die verschiedenen Mägen der Kuh und dann entweder über das Hinterteil oder das Euter wieder hinaus. Bekanntlich hat der Mensch nur einen Magen, der Pommes Frites genauso wie Obst, Gummibärchen, Gemüse oder Hühnchen verarbeiten und in ihre Bestandteile zerlegen kann, die wir zum Leben brauchen. Warum hat die Kuh, die nur Gras frisst, dann gleich vier Mägen? Der Paarhufer frisst pro Tag unglaubliche siebzig Kilogramm Gras, Wiesenblumen und Kräuter und säuft dazu etwa einhundert Liter Wasser, was ungefähr so viel wie eine volle Badewanne ist. Doch dies ist nicht der Grund, warum eine Kuh gleich vier Mägen benötigt: Sie gehört zu den pflanzenfressenden Wiederkäuern. Und um sich nur von Pflanzen ernähren zu können, die nicht so leicht bekömmlich sind, brauchen Kühe ein besonderes Verdauungssystem. So

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Links: Wie das Verdauungssystem der Kuh und ihre vier Mägen funktionieren, zeigt ab kommendem Jahr ein großes Modell zum Selbst-Erkunden im Bergbauernmuseum Diepolz. Rechts: Im Wiedemannshof auf dem Museumsgelände finden sich die vierbeinigen Grasverarbeiter. Darunter: Die Kuhmilch schmeckt auch den kleinen Besuchern besonders gut. Ganz unten rechts: der Wiedemannshof mit gehörntem Gast

1) Der Pansen Die Kuh rupft mit ihrer Zunge das Gras ab und schluckt es, ohne viel zu kauen. Es landet jetzt im ersten Magen, dem Pansen. Diesen kann man sich wie eine große Gärkammer vorstellen. Hier wird das Gras mit viel Flüssigkeit eingeweicht. Zudem sitzen im Pansen der Kühe Bakterien und Einzeller, die das Futter für die Kuh zerkleinern.

2) Der Netzmagen Nach diesem Einweich-Bad im ersten Magen wird das Futter wieder in die Mundhöhle hochgewürgt und noch einmal richtig gut gekaut – wiedergekäut, wie es der Name der Tiere schon sagt. So wandert das Gras dann immer hin und her, bis es schön zerkleinert ist. Danach schwappt ein Teil weiter in den Netzmagen, wo nochmals die feinen Teilchen von den gröberen getrennt werden.

3) Der Blättermagen Die kleinen Teilchen gelangen weiter in den Blättermagen, der Rest wandert zur »Nachbearbeitung« zurück ins Maul. Im Blättermagen werden dann Wasser und Nährstoffe aufgesaugt.

4) Der Labmagen

hat jeder ihrer vier Mägen hat eine wichtige, unverzichtbare Aufgabe (siehe oben).

Begreifen und Mitmachen ist Trumpf Dass dies alles nun »begreifbar« wird, ist das Spannende daran – die Besucher müssen sich nicht mit den in vielen Museen üblichen Informationstexten auf Bildtafeln zufriedengeben, man ist vielmehr rundum vom Kuhmagen umgeben. Auf dem Weg, den das Gras durch das Tier nimmt, wird der Besucher zum Erkunden aufgefordert. Am Schluss hat er die Wahl zwischen zwei Ausgängen – entweder landet er als »Milch« in einer überdimensionierten Milchkanne oder im Hintern mit einem gewaltigen Kuhschwanz. In die Riesen-Milchkanne soll ein Milchautomat der Bergkäserei Diepolz integriert sein, aus dem die Besucher ein Molkegetränk Thomas Niehörster verkosten können. •

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Fotos: Johannes Johler, Allgäuer Bergbauernmuseum Diepolz/Andreas Baar

Der letzte Magen der Kuh, der Labmagen, ist dem Magen des Menschen sehr ähnlich. Mit Hilfe von Magensäure wird der Pflanzenbrei völlig zersetzt und wandert dann weiter in den Darm. Im Darm wird dann wie beim Menschen aus den Resten der Kot beziehungsweise der Kuhfladen, der sich schließlich auf der Weide wiederfindet.

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Musikfestivals

Klassischer Wohlklang auf Schlössern und Bergen An Spielorten im gesamten Allgäu wird in diesem Jahr unter Mitwirkung von Dirigenten und Musikern von Weltrang musiziert. Die Reihe »MusikHochGenuss« bietet Klassikfreunden Gelegenheit, acht verschiedene Festivals in der idyllischen Landschaft der Region zu erleben. Neben prominenten Instrumentalisten und speziellen Themenschwerpunkten zählen auch Konzerte an außergewöhnlichen Aufführungsstätten zu den Höhepunkten

ie schönsten Veranstaltungsorte zwischen Oberstdorf und Ottobeuren bieten in diesem Jahr den Fans klassischer Klänge großartige Konzerterlebnisse. Zur Reihe »MusikHochGenuss« haben sich 2013 acht Klassikfestivals zusammengeschlossen, um in der Region musikalische Spitzenleis tungen zu präsentieren. Die Jubilare Richard Wagner und Giuseppe Verdi werden mit Originalwerken und einem »Ope(r)n-Air« geehrt, bei dem sich die beiden Größen zum ersten Mal auf der Bühne unter freiem Himmel »begegnen«. Jedes Festival bringt dabei seine eigene künstlerische Handschrift ein. Den Anfang macht die KlassikBOX Allgäu in Kempten mit den Münchner Symphonikern als in der aktuellen Spielzeit fest residierendem Orchester. Zu den herausragenden Solisten gehören unter anderem Susanne Bernhard (Sopran) und Yosep Kang (Tenor),

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die am 2. Juni beim Konzert »Wagner ohne Worte – Verdi con Voce« zu hören sind. In prächtiger Kulisse musizieren die Mitwirkenden der Ottobeurer Konzerte vom 9. Mai bis 22. September. Die weltbekannte Basilika wird zum Podium für Werke von Giuseppe Verdi und Anton Bruckner – es spielen unter anderem das Orchester der KlangVerwaltung München und die Chorgemeinschaft Neubeuern unter Leitung von Enoch zu Guttenberg sowie das SWR-Radio-Sinfonieorchester Stuttgart. Ein Treffpunkt für Chöre aus acht Ländern ist der 13. Internationale Kammerchor-Wettbewerb in Marktoberdorf vom 17. bis 22. Mai. Der Wettstreit der Stimmen kann mit Ensembles aus der Schweiz, Deutschland, Finnland, Frankreich, Puerto Rico, Serbien, von den Philippinen und aus den USA aufwarten. Im Bauernhofmuseum Illerbeuren erklingen am 20. Mai

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Fotos: Jowan Gauthier, Ronnie Taylor; Gästeamt Bad Hindelang; MusikHochGenuss Fotos: Betram Maria Keller; Touristikamt Kur & Kultur Ottobeuren

Links: Die Basilika wird Konzertsaal bei den »Ottobeurer Konzerten«. Oben: Gesangswettstreit Internationaler KammerchorWetttbewerb Marktoberdorf. Rechts: »Ein Ort wird Musik«-Leiter Florian Meierott. Ganz rechts: die »Neuschwanstein-Konzerte«

Lieder aus goldenen Kehlen bei Konzerten aller Teilnehmerchöre auf dem ganzen Museumsgelände. Der Oberstdorfer Musiksommer lädt vom 25. Juli bis 16. August zu einer grenzüberschreitenden musikalischen Reise ein. Künstler wie das Trio Daniel Schnyder wechseln zwischen klassischer Musik und Jazz bei der Neuinterpretation von Kurt Weills »Dreigroschenoper« im Konzert »Jazz meets Weill & Gershwin« am 4. August in Kempten. Die Musiker geben nicht nur weltbekannte Lieder und Jazz-Standards von George Gershwin oder Duke Ellington wieder, sie haben auch keine Berührungsängste mit Vivaldi, Bach, Mozart und Wagner, dessen 200. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird. In Füssen zieht sich beim Festival »vielsaitig« vom 28. August bis 7. September das Thema »Macht« als roter Faden durch das Programm. Am 30. August trägt dem das »Verdi Quartett« mit »Der Tod und das Mädchen« von Franz Schubert Rechnung. Am 5. September wartet die Daisy Jopling Band mit violingeschwängertem Klassik-Rock auf. Das wohl berühmteste Märchenschloss der Welt ist Schauplatz für die »Neuschwanstein-Konzerte« vom 14. bis 22. September. Hier spielt unter anderem das Ensemble La Stagione Frankfurt Kammermusik von Georg Friedrich Händel, Alessandro Scarlatti, Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydn am

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Ganz links: Klassik-Rock-Violinistin Daisy Jopling ist Gast beim Festival »vielsaitig« in Füssen. Unten: Das »Words within Music Trio« wird beim Oberstdorfer Musiksommer den Stummfilm »Faust« live begleiten

14., 15. und 16. September. Das »Festival der Nationen« vom 27. September bis 5. Oktober bringt »Stars & Junge Weltelite« nach Bad Wörishofen – mit Klassikgrößen wie dem Violinisten David Garrett, der Cellistin Sol Gabetta und Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager. Am 3. Oktober liest Senta Berger mit Ensemble »Sie und Er« von Alfred Polgar. Das 9. Bad Hindelanger Musikfestival »Ein Ort wird Musik« vom 14. bis 19. Oktober beschließt den diejährigen »MusikHochgenuss«-Festivalreigen. Klassik zum Miterleben in intimer Atmosphäre bestimmt diese Konzertreihe unter Leitung von »Teufelsgeiger« FloMarius Lechler rian Meierott. •

Die »MusikHochGenuss«-Festivals im Überblick KlassikBOX Allgäu, Kempten Konzertsaison 2012/2014

Oberstdorfer Musiksommer 25. Juli bis 16.August

Ottobeurer Konzerte 9. Mai bis 22. September

Festival »vielsaitig«, Füssen 28. August bis 7. September

13. Internationaler Kammerchor-Wettbewerb, Marktoberdorf 17. bis 22. Mai

Neuschwanstein-Konzerte 14. bis 22. September

Festival der Nationen, Bad Wörishofen 27. September bis 5. Oktober Ein Ort wird Musik – 9. Internationales Bad Hindelanger Musikfestival 14. bis 19. Oktober

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Landschaftswandel

Wenn der Wald die Idylle verändert Die Kulturlandschaft des Oberallgäus und des Tannheimer Tals lebt vom Zusammenspiel von Wiesen, Wald und Bergen. Die einzigartige Landschaft zieht jährlich Hunderttausende von Urlaubern an. Allmählich droht durch den Rückgang der Weidebewirtschaftung und die Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung eine »Verwaldung« dieser Region

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chon vor 2000 Jahren begannen Bauern, ihr Vieh auf Bergwiesen zu weiden (Josef H. Reichholf, Warum die Menschen sesshaft wurden, S. Fischer Verlag, Frankfurt 2008). In Sagen, die im 1. Jahrhundert n.Chr. entstanden, heißt es, die Weiden seien dort so fett gewesen, dass die Kühe »dreimal am Tag« gemolken werden konnten. Aus der Milch wurde bereits in der Zeit um Christi Geburt ein Weichkäse hergestellt, mit dem die Bauern Handel mit den Römern betrieben, deren Heere durch das »Allgäu« zogen.

Kühe contra Bäume Ab 600 n.Chr. wurde die Oberallgäuer Landschaft erstmals durch Rodungen und Ackerbau der Alemannen beeinflusst. Im 12. Jahrhundert stieg die Bevölkerung so stark an, dass Bauern ihr Vieh auch im Tannheimer Tal weideten, das bis dahin nur zur Jagd genutzt worden war. Gerodete Flächen nahmen deutlich zu. Die einstmals »fetten Weiden« verschwanden 38

mit der »kleinen Eiszeit«, einer Periode relativ kühlen Klimas, die von Anfang des 15. bis ins 19. Jahrhundert andauerte. Gewaltige Einschnitte in die Landschaft verursachte der Erzabbau im 16. Jahrhundert am Grünten und im Ostrachtal. Für die Verhüttung wurden Unmengen von Holzkohle benötigt, viele Berghänge wurden kahl geschlagen.

Produktionsmacht Bauernstand Milch- und Ackerwirtschaft mit Gerste, Hafer und Kartoffeln, später ergänzt durch Flachsanbau und die Produktion von Leinen, brachten nur das Notwendigste zum Leben. Noch heute sind besonders an den Südhängen als charakteristische Überbleibsel die Terrassen der Ackerwirtschaft zu erkennen. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde im Allgäu die Hartkäserei eingeführt. Da die Region durch die Eisenbahn verkehrstauglich wurde, konnte der Käse exportiert werden, was einen gewissen Reichtum schuf. Die Sennalpen entstanden, auf denen Milchpro-

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dukte, darunter vorwiegend Käse, hergestellt wurden. Durch die Beweidung mit Kühen wurden die Bergwiesen gepflegt und das Gras kurz gehalten. Ziegen, die früher ebenfalls auf die Alpen getrieben wurden, hielten durch Verbiss Büsche und Baumschösslinge nieder. Die ganzjährige Verfügbarkeit von Milch ab dem 20. Jahrhundert durch die Stallhaltung von Kühen führte jedoch zu einer erheblichen Reduzierung der Sennalpen, an manchen Orten gar zu einem »Alpen-Sterben«. w

Beispiel für die Zukunft 1992 schlossen die 86 Bergbauern im Gemeindegebiet Bad Hindelang anlässlich der CIPRA-Jahrestagung einen Pakt: Sie verpflichteten sich, auch zukünftig ihre Flächen extensiv zu bewirtschaften. Diese Art der Landwirtschaft zeichnet sich durch naturbelassene, schonende Produk tionsweise aus – durch geringe Anzahl von Großvieh einheiten pro Hektar, ohne Einsatz von Kunstdünger und durch nur zwei- bis dreimalige Mahd im Jahr. In Hinter stein wird zum Beispiel überwiegend nur zweimal gemäht. So wurde der Regelkreis zwischen Landwirtschaft, Natur schutz und Tourismus geschlossen. »Hindelang – Natur & Kultur« wurde mit zahlreichen nationalen und internationalen Tourismus- und Umweltpreisen prämiert. Von den insgesamt noch 70 aktiven Betrieben sind heute 23 als ökologisch anerkannt. Davon sind sieben Betriebe Bioland-, 13 Naturland- und drei sonstige Bio-Betriebe. Alle Ostrach taler Bauern halten sich jedoch an die Grundlagen.

Fotos: Gemeindearchiv Hindelang; Dr. Markus Pingold

Die Siedlungsentwicklung von Sonthofen im Jahr 1930/1940 (links) und 2005

Die Landschaftsentwicklung im Ostrachtal 1927 (oben) und 2001 (vom Iseler fotografiert)


Fotos: Archiv Heimatbund Allgäu; Lala-Aufsberg-Archiv Heimatbund Allgäu; CIPRA/Peter Lauser

Oben und oben rechts: Entwicklung von Landwirtschaft und Siedlung im Illertal bei Immenstadt in den Jahren 1930/1940 und 2005

Wald auf dem Vormarsch So ist entgegen weit verbreiteter Meinung im Alpenraum der Wald wieder auf dem Vormarsch. Vergleichende Fotos belegen, dass die Waldzunahme nicht erst nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann. Sobald Mähwiesen und landwirtschaftliche Flächen aufgegeben werden, erobert der Wald sein Territorium zurück. Vor allem im südlichen Oberallgäu wuchs der Wald in den vergangenen Jahren um 10 bis 15 Prozent, in einigen Bereichen um bis zu 50 Prozent und mehr. Untersuchungen zeigen, dass der Zuwachs nicht auf die Aufforstungspolitik früherer Jahrzehnte zurückzuführen ist, sondern zu etwa 60 Prozent auf Samenflug. Grund dafür ist, dass viele bäuerliche Betriebe aufgegeben wurden oder nur noch als Nebenerwerb geführt werden können. In den Talböden bleibt immer mehr Vieh ganzjährig im Tal. Große Maschinen lassen sich nur auf dem Talboden einsetzen. Auch sind heutige schwere Rinderrassen weniger geländegängig als alte Haustierrassen und können an zu steilen Hängen nicht weiden, was dazu führt, dass zum Beispiel der Adlerfarn sich ungehindert ausbreiten kann. »Die Art der Kulturlandschaft vollzieht sich also nicht durch ei-

Bewahrer des Alpenraumes Die Alpenschutzkommission CIPRA Deutschland ist der Dachverband von Vereinen, die sich für die nachhaltige Entwicklung des Alpenraumes einsetzen. Sie engagiert sich für Tiere und Pflanzen in den Alpen, für Klimaschutzaktionen und für die gesunde und sichere Zukunft der Menschen im Alpenraum. Mit nationalen CIPRAOrganisationen in sieben Alpenregionen (Frankreich, Italien, Liechtenstein, Österreich, Schweiz, Südtirol, Slowenien) ist sie zu einem alpenweiten Netzwerk verbunden.

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CIPRA Deutschland Moosstraße 6 82279 Eching a. Ammersee Tel. 08143/2715011 E-Mail: deutschland@cipra.org www.cipra.org

nen aktiven Eingriff des Menschen, sondern durch die Einstellung von Maßnahmen«, erklärt Dr. Markus Pingold vom Institut für Geografie der FriedrichAlexander-Universität Erlangen das Phänomen.

Grundlage für den Tourismus Zudem haben sich die Siedlungsflächen – für Hotelanlagen, durch großzügigere Bauweise, für TourismusEinrichtungen sowie Anlagen für den Wintertourismus – in den letzten einhundert Jahren in etwa verdoppelt, wogegen die Bevölkerungsentwicklung seit 1950 konstant ist. Wird die landwirtschaftliche Nutzung aufgegeben, sind blumenreiche Mähwiesen, bunte Buckelwiesen und artenreiche Streuwiesen von Verbuschung bedroht, der der Wald folgt. Die Artenvielfalt verschwindet, die Landschaft verliert ihren charakteristischen Reiz. Hinzu kommt, dass im Tal durch Entwässerungsmaßnahmen, Düngung und den Einsatz von Maschinen die landwirtschaftliche Produktion maximiert werden konnte. Steile und schwierig zu bewirtschaftende Hangflächen und die »Hoibat« der Bergwiesen wurden aufgegeben. Eine attraktive Kulturlandschaft ist jedoch nicht nur Heimat und Lebensraum für eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt, sondern wirtschaftliche Grundlage des Tourismus. Umgekehrt enthält der Landschaftswandel das Risiko für den Verlust von Heimat. Mit Projekten wie »Hindelang – Natur & Kultur« (siehe S. 39) soll dieser Wandel aufgehalten werden.•Annette Müller Quellen: CIPRA Deutschland (www.erlebnis-alpen.de) Dr. Markus Pingold, Kulturlandschaft in Bad Hindelang – Wert und Wandel gewachsener Strukturen, Kurverwaltung Bad Hindelang, Bad Hindelang 2006 Thomas Niehörster, Moosweibchen, Wilde Männer und Dämonen, Ursus Verlag, Bad Hindelang 2010

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Panoramakarte

Viehscheidorte

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und Termine

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Markt Rettenbach

31. August

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Reutte – Höfen

7. September

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Bad Hindelang

11. September

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Schöllang

12. September

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Balderschwang

13. September

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Oberstaufen

13. September

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Oberstdorf

13. September

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Jungholz in Tirol

14. September

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Kranzegg

14. September

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Maierhöfen

14. September

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Pfronten

14. September

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Reutte – Musau

14. September

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Schattwald im Tannheimer Tal

14. September

14

Schwangau

14. September

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Seeg

14. September

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Nesselwängle im Tannheimer Tal

15. September

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Buching

16. September

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Nesselwang

16. September

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Unterjoch

16. September

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Gunzesried

17. September

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Wertach

18. September

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Bolsterlang

19. September

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Riezlern im Kleinwalsertal

19. September

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Grän-Haldensee

20. September

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Thalkirchdorf

20. September

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Eisenberg – Zell

21. September

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Haslach am Grüntensee

21. September

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Immenstadt

21. September

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Missen-Wilhams

21. September

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Obermaiselstein

21. September

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Pfronten – Röfleuten

21. September

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Reutte – Lechaschau

21. September

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Tannheim im Tannheimer Tal

21. September

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Weitnau/Wengen

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Haldenwang

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Alle Angaben ohne Gewähr

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Termine

Der Viehscheid im Allgäu und Umgebung Kranzkühe, bimmelnde Zugschellen, kühles Bier und zünftig aufspielende Musikkapellen: Wenn das Jungvieh von den Alpen zurück ins Tal getrieben wird, ist das im Allgäu ein traditioneller Anlass zum Feiern. Von Ort zu Ort läuft der Viehscheid unterschiedlich ab und hat seine eigenen Besonderheiten. Hier finden Sie eine Übersicht der Viehscheide und Alpabtriebe im Allgäu und in der unmittelbaren Umgebung wie Vorarlberg und Tirol

31. Au gu st Markt Rettenbach 10 Uhr, Pfarrgarten (zwischen Kirche und Feuerwehrhaus), ca. 35 Tiere

7. Se pte mbe r Reutte – Höfen 12.30 Uhr, Schollenwiesenlift in Höfen, ca. 40 Tiere - wird bei Schlechtwetter auf den 14. September verschoben - Auskunft beim Tourismusverband Reutte: +43 (0)5672/62336

11. Se pte mbe r Bad Hindelang 8.30 Uhr, Auf der Aach (Nähe der Hornbahn), ca. 900 Tiere - Fünf Rinderherden von den Alpen Hasenegg, Stierbach, Kühbach, Erzberg und Platte - Ganztätig musikalische Unterhaltung im Festzelt - Großer Kramermarkt

12. Se pte mbe r Schöllang 9 Uhr, südlicher Ortseingang von Schöllang, ca. 700 Tiere - Über 700 Tiere von Entschenalpe, Hintere Seealpe, Gutenalpe und Käseralpe - Festzeltunterhaltung mit Musikkapelle Schöllang und Rubihorn Musikanten - Pendelbusse von Fischen nach Schöllang

13. Se pte mbe r Balderschwang 9.30 Uhr, Ortsmitte am Feuerwehrhaus, ca. 300 Tiere - Kleiner und urtümlicher Viehscheid zur Rückkehr des Alpviehs Oberstaufen 8.30 Uhr, Höfen (Abzweigung nach Steibis), ca. 1000 Tiere - Pendelbusse zwischen Bahnhof Oberstaufen und Scheidplatz - Ab 14 Uhr Bergsommerausklang mit Schellenverlosung - Ab 20 Uhr Stimmung im Festzelt Oberstdorf 9 Uhr, im Ried (Renksteg), ca. 1000 Tiere - Pferdekutschenfahrt vom Megèver Platz zum Renksteg - Viehscheid mit Vieh von den Alpen Bierenwang, Traufberg, Haldenwang, Rappenalpe, Biberalpe und der Taufersbergalpe - Pendelbus vom Busbahnhof Oberstdorf zum Scheidplatz

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14. Se pte mbe r Jungholz in Tirol 10 Uhr, Feuerwehrhaus Jungholz, ca. 100 Tiere Kranzegg 9 Uhr, Kranzegg, Ortsausgang Richtung Vorderburg, ca. 380 Tiere - Einziger Viehscheid im Oberallgäu mit fünf reinen Kuhherden und mindestens vier Jungviehherden - Festliche Umrahmung durch »Kranzegger Herbstfesttage«

Schattwald im Tannheimer Tal 13 Uhr, Feuerwehrhalle, Dorfmitte, ca. 80 bis 100 Tiere Schwangau 12.30 Uhr, Kreuzung in Hohenschwangau, ca. 180 Tiere - Jungvieh von der Alpe Jägerhütte und der Altenberger Alm - Gemütlicher Ausklang im Schwanseepark Seeg 13 Uhr, Festzeltplatz gegenüber der Feuerwehr, ca. 80 Tiere - Ab 11 Uhr Bewirtung durch den Schützenverein Seeg - 13 Uhr Eintreffen der Schumpen von der Alpe Beichelstein - Kuhglocken-Verlosung - Es spielt die Harmoniemusik Seeg

15. Se pte mbe r Nesselwängle im Tannheimer Tal 11 Uhr, Feuerwehrhalle beim Gemeindehaus, ca. 100 Tiere

16. Se pte mbe r

Maierhöfen 11 Uhr, Festgelände Maierhöfen, ca. 250 Tiere - Mit 30 Kilometern von den Bergweiden nach Maierhöfen legt der Viehzug die weiteste Strecke im Allgäu zurück - Ab 8 Uhr Krämermarkt mit regionalen Anbietern - Nach dem Scheid Allgäuer Heimatabend mit Trachtenverein, Goißenschnalzern und Tanz - Am Vorabend Viehscheidfest im Festzelt Pfronten 9.30 Uhr, beim Schulzentrum in Pfronten-Heitlern, ca. 500 Tiere - Jungvieh von sieben Alpen - Großer Festumzug mit Heimat- und Brauchtumsabend am 13. September - Traditionelle »Pfrontar Viehscheid-Däg« vom 9. bis 21. September mit Ausflügen zu Alpen, Bauernhöfen oder Brauerei, Kranzkronen selber binden, Foto-Ausstellung, Besuch beim Schellenschmied Reutte – Musau 14 Uhr, an der Feuerwehrhalle Musau, etwa 20 Kühe und 80 Stück Jungvieh - Unterhaltung durch Allgäuer Musikkapelle Schwarzenberg - Vielfältiges Kinderprogramm

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Buching 9.30 Uhr, Festplatz neben dem Maibaum, ca. 30 Tiere - Traditioneller Viehmarkt auf dem Festplatz (kein Viehscheid!) - Krämermarkt und Festzeltbetrieb mit Blasmusik - Einzug des geschmückten Viehs um 9.30 Uhr - Buchinger Herbstfest mit Unterhaltungsabend Nesselwang 10 Uhr, am Feuerwehrhaus, An der Riese 25, ca. 100 Tiere - Vor dem Einzug auf dem Scheidplatz Sammeln der Tiere an der Talstation der Sommerrodelbahn - Abends Viehscheid-Hoigarte mit Live-Musik im Festzelt Unterjoch 10.30 Uhr, Unterjoch Ortseingang/ Busparkplatz, ca. 50 Tiere


20. Se pte mbe r Grän-Haldensee im Tannheimer Tal 11 Uhr, Dorfmitte, ca. 190 Tiere Thalkirchdorf 9.15 Uhr, Talstation des Schwandliftes, ca. 700 Tiere - Ab 10 Uhr Spiel der Musikkapelle Thalkirchdorf - Traditionelle Schellenverlosung - Bustransfer zwischen Festplatz und dem Oberstaufener Bahnhof ab 18 Uhr

Gunzesried 8.30 Uhr, Ortseingang Gunzesried, ca. 1400 Tiere - Größter Viehscheid im Allgäu - 13 Viehherden von 18 Alpen - Begleitet von der Blaskapelle BihlerdorfOfterschwang - Ab 11 Uhr Festzelt und Krämermarkt - Pendelbusse von 7.30 Uhr bis 16 Uhr

18. Se pte mbe r Wertach 8.30 Uhr, Industriestraße zwischen Getränkemarkt Fleischmann und Wertstoffhof, ca. 750 Tiere - Gilt als einer der ältesten und größten Viehscheide im Allgäu - Rinder von den Alpen Sorg I und II, Untere Reuterwanne, Untere Bichleralp, Schnitzlertalalp, Vordere Köllealp - Umrahmung durch Wertacher Herbstfest mit Krämermarkt, Alphornblasen, Maibaumversteigerung, Schellenverlosung und großen Unterhaltungsabenden

19. Se pte mbe r Bolsterlang 10 Uhr, am Gasthof Goldbach, südlicher Ortseingang, ca. 650 Tiere Riezlern im Kleinwalsertal 8 Uhr, Riezlern, unterster Parkplatz nach der Kanzelwandbahn rechts (Breitachbrücke), ca. 600 Tiere - Kleiner Bauernmarkt mit landwirtschaftlichen Artikeln - Rahmenprogramm mit Walser Buura und Live-Musik

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21. Se pte mbe r Eisenberg – Zell 10.15 Uhr, Ortsteil Zell, ca. 80 Tiere Haslach am Grüntensee 11 Uhr, am Feuerwehrhaus Haslach, ca. 100 Tiere Immenstadt 9 Uhr, Viehmarktplatz Immenstadt, ca. 800 Tiere - Einziger städtischer Viehscheid im Allgäu - Festzelt mit Musik und Krämermarkt - Ab 14 Uhr Scheidschellenwürfeln Missen-Wilhams 9.30 Uhr, Am Freibad 5e, Missen, ca. 300 Tiere Obermaiselstein 9 Uhr, Festplatz, Dorfmitte, ca. 1400 Tiere - Einer der größten Viehscheide im Allgäu - Eintreffen des Alpviehs von zwölf Alpen zwischen 9 Uhr und 13 Uhr - Festzelt mit Live-Musik, Bieranstich bereits am 22. September - Ab 20 Uhr Scheidball mit Verlosung der Viehschellen an die Älpler Pfronten – Röfleuten 10 Uhr, Forsthaus an der Peter-Heel-Straße, Pfronten-Röfleuten, ca. 50 bis 80 Tiere Reutte – Lechaschau 9 Uhr, Schiedgasse in Lechaschau, ca. 800 Schafe - Almabtrieb mit Schafen aus dem Schwarzwassertal - Scheid mit anschließendem Schafscheren - Einzug der geschmückten Kühe und Ziegen um 14 Uhr

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Fotos: Daniel Fürst, Volker Wille; Kleinwalsertal Tourismus; Tourismus- u. Kulturverein Missen-Wilhams e.V; Tourismusbüro Weitnau; Zeichnungen: Dominik Ultes

17. Se pte mbe r


Tannheim im Tannheimer Tal 13 Uhr, Parkplatz der Tannheimer Lifte, ca. 650 Tiere

Weitnau/Wengen 12.30 Uhr, An der Dorfhalle in Wengen, ca. 130 Tiere - Bauernmarkt ab 10 Uhr - Ab 17 Uhr Tanz und Unterhaltung - Vieh von der Alpe Wenger Egg

28. Se pte mbe r Haldenwang 10 Uhr, s체dlicher Ortseingang Haldenwang, ca. 110 Tiere von der Alpe Berg Alle Angaben ohne Gew채hr Anzeige

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Interview

»Wir sind authentisch, das schätzen die Gäste« Als einer der erfolgreichsten Urlaubsorte in Deutschland ist Oberstdorf beliebtes Reiseziel für zahlreiche Urlauber aus allen Ecken der Republik. Heidi Thaumiller, die 47-jährige Tourismusdirektorin der Gemeinde, versucht in ihrer Arbeit, die Brücke zwischen innovativen Marketing-Ideen und traditionellen Wurzeln zu schlagen. Wir haben mit ihr gesprochen

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lpsommer & Viehscheid 2013: Frau Thaumiller, als Tourismusdirektorin in einem der von der Natur verwöhntesten Orte in ganz Deutschland, läuft ihr Job da eigentlich nicht wie von selbst? Heidi Thaumiller: Das wäre ja wünschenswert – und ich könnte dann nur noch mit den Gästen auf den Wanderungen mitlaufen. Nein, mein Job läuft natürlich nicht wie von selber, gerade, weil wir hier eine Top-Destination sind. Wir haben das Geschenk der schönen Natur, dafür können wir nichts, das haben wir hier »mitbekommen«, und dieses Geschenk müssen wir natürlich auch ausspielen. Und das ist schon eine intensive Arbeit. Wir sind in einer der schönsten Regionen Deutschlands, darauf können wir stolz sein. Aber im Endeffekt muss man erst mal dankbar sein, dass man hier leben darf.

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Vor einigen Jahren war es noch schwieriger, die »Ur-Einheimischen« am Ort zu mehr Offenheit gegenüber den Gästen zu bewegen. Inwiefern hat sich das geändert? Ich empfinde die Oberstdorfer nicht als gastunfreundlich, absolut nicht. Wir haben jetzt gerade aktuell eine Imageanalyse mit dem Mittelstands-Institut (an der Fachhochschule Kempten, Anm. d. Red.) durchgeführt. Die Gäste haben hierbei eine Bewertung von 80 Prozent für Gastfreundschaft in Oberstdorf gegeben. Der Oberstdorfer ist eben authentisch und identifiziert sich mit seinem Ort. Aber das ist ja auch der Grund, warum die Gäste kommen. Sie schätzen genau die Art, wie man in Oberstdorf »so ist«. Aber Freundlichkeit und Serviceorientierung sind das A und O. Wie würden Sie die Tourismus-Strategie für das Oberstdorf des 21. Jahrhunderts beschreiben?

verbracht werden. Die Leute wollen aber auch »die Welt sehen«. Wo steht der Ort derzeit im gesamtdeutschen Vergleich? Oberstdorf ist mit 2,4 Millionen mit Abstand die größte Destination im Allgäu, was die Übernachtungen angeht. Im Landkreis Oberallgäu erzielen wir ein Drittel aller Übernachtungen, in Bayern sind wir der größte Urlaubsort. Bad Füssing erzielt als einziger Ort mehr Übernachtungen in Bayern, wird aber von mir aufgrund seiner Schwerpunktsetzung als Kurort nicht als klassischer Urlaubsort definiert. Außerdem ist Oberstdorf als einzelner Ort (Regionen und Verbünde ausgenommen) mit Abstand die größte alpine Destination Deutschlands. Und schließlich stehen wir unter den »Top 5« der Urlaubsorte Deutschlands – wobei es hier wiederum um einzelne Orte, nicht um Regionen geht. w

Die Tradition spielt eine wichtige Rolle: Heidi Thaumiller bei der Übergabe des »Schtuimändle« (Steinmännchens), das die Meilensteine der touristischen Entwicklung von 1872 bis 2012 symbolisiert, an das Heimat museum Oberstdorf und den 1. Vorsitzenden des Museumsvereins, Albert Vogler

Es gibt in Oberstdorf zwei Schwerpunkte, das Wintererlebnis und die Wandervielfalt. Wir wollen uns künftig als Vier-Jahreszeiten-Urlaubsort präsentieren mit den Schwerpunkten »Bewegung«, »Erlebnis«, »Gesundheit« und »Dorf«. Hier wird in nächster Zeit ein Umbruch stattfinden – bisher waren wir ja hauptsächlich auf Ski Alpin und Wandern konzentriert. Nun wollen wir uns etwas breiter aufstellen und vor allem den Gast bei seiner Leidenschaft »abholen«. Warum kommt er nach Oberstdorf? Er will sich bewegen, er will etwas erleben, er will etwas für seine Gesundheit tun und er möchte das »Dorf-Flair« genießen. Was macht die Gemeinde zum authentischen Allgäuer Ort? Authentizität ist für mich gelebte Tradition. Das haben wir in Oberstdorf. Wir haben eine gute Zusammenarbeit mit den hiesigen Vereinen, die ja die Tradition wahren und leben. Da wäre zum Beispiel der Trachtenverein in Oberstdorf oder unser jährliches Klausentreiben als gelebtes Brauchtum am Ort. Wir haben eine großartige Musikkapelle, die von den Gästen sehr geschätzt wird, und auch die Heimatabende sind sehr beliebt, weil sie eben noch »echt« sind. Wie unterscheidet sich das Publikum, das heute hier Urlaub macht, von dem früherer Jahre? Der gesamte Reisemarkt hat sich inzwischen geöffnet – früher ist niemand nach Tadschikistan oder nach Costa Rica gefahren, damals hat die Familie noch hauptsächlich im eigenen Land Urlaub gemacht. Als ich ein Kind war, hatten wir Gäste, die im Sommer drei Wochen und im Winter zwei Wochen nach Oberstdorf gekommen sind. Das gibt es jetzt so kaum mehr. Wir haben aber auch Gäste, die fünf bis sechs Wochen im Jahr kommen, und das immer wieder. Grundsätzlich geht die Aufenthaltsdauer aber generell zurück, nicht nur hier. Der Trend geht hin zu mehreren kürzeren Reisen, die auch gerne im eigenen Land

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Aktives Mitmachen ist gefragt Fotos: Tamara Biedebach, Marius Lechler, Christine Übelhör; Tourismus Oberstdorf

Heimweh nach Oberstdorf – Urlauber teilen ihre Urlaubserinnerungen im Netz auf sozialen Plattformen wie Facebook, Twitter, Youtube, Panoramio, Flickr und anderen mit. Die Einträge werden an einer »Pinnwand« mit Link auf Oberstdorfs Internetangebot aufgelistet. Oberstdorf Entdecker – In dem interaktiven Reiseführer können Gäste Wandervorschläge, Sehenswürdigkeiten, Tipps zum Einkehren und Einkaufen usw. online veröffentlichen. Gäste-Kurdirektor – Seit 25. März bis zum 10. Mai läuft für Interessenten aus ganz Deutschland auf der Internetseite des Tourismusortes die Bewerbungsfrist für den Posten des »Oberstdorf-Botschafters«. Ab Mitte April wird auf Facebook abgestimmt. Die drei bestbewerteten Kandidaten treten in einem Finale in Wettkämpfen gegeneinander an. Der Gäste-Kurdirektor nimmt ab Juli 2013 bis Juni 2014 bei mehreren Aufenthalten in Oberstdorf an zahlreichen Aktionen und Veranstaltungen teil und berichtet über den Ort im Internet. Weitere Informationen zu den Aktionen sind im Internet auf www.oberstdorf.de zu finden.

derbarsten Natur wiederfinden. Was die zukünftige Entwicklung angeht: Wenn wir uns die Alterspyramide ansehen, ist unser Ort auch für Ältere geradezu ideal geeignet. Was verbirgt sich hinter Angeboten wie »Heimweh nach Oberstdorf« und »Oberstdorf Entdecker«?

Ganz oben: Beim Bockbierfest in Oberstdorf lässt sich die Tourismusdirektorin sogar auf eine öffentliche Schlittenpartie mit Bürgermeister Laurent O. Mies (ganz rechts) ein. Oben: Heidi Thaumiller im Gespräch mit »Gäste-Kurdirektorin« Tamara Biedebach (links) und Kollegen aus der Veranstaltungsabteilung

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In Oberstdorf gehören die Gäste immer mehr zur älteren Generation, auch, weil die Gesellschaft durch den Generationenwandel immer älter wird. Wie gehen Sie sowohl auf diese Besucher in der zweiten Lebenshälfte als auch auf die jungen Urlauber ausreichend ein? Unser Durchschnittsalter ist sogar eher nach unten gegangen, es liegt bei 46,7 Jahren. Man meint oft, Oberstdorf sei hauptsächlich ein Anziehungspunkt für altes Publikum. Das stimmt aber nicht: In der Besucherschicht von 41 bis 50 Jahre haben wir die meisten Gäste, genau gesagt 21 Prozent. Wir haben also ein jüngeres Publikum als früher, und wer bei uns ganz klar die Hauptzielgruppe darstellt, ist die Mehrgenerationenfamilie. Oberstdorf ist aber ebenfalls prädes tiniert für ältere Gäste: Wir brauchen beide – sowohl die jungen als auch die älteren Urlauber. Für die Jüngeren gibt es sportliche Angebote oder zum Beispiel das Winterfest. Durch unsere Tallage sind wir wiede rum geeignet für die Älteren, die hier die Natur erleben können, indem sie innerhalb von zehn Minuten zu Fuß den Ort verlassen und sich sofort in der wun-

Wir sind bei Tourismus Oberstdorf jetzt seit zwei Jahren in der digitalen Welt sehr gut etabliert, man könnte auch soziale Netzwerke dazu sagen. »Heimweh nach Oberstdorf« ist ein Slogan, der von mir erfunden worden ist, um die Sehnsucht des Gastes nach unserem Ort in ein Schlagwort zu packen. Die Urlauber können mit dem Angebot im Internet über Urlaubserlebnisse berichten und ihren Aufenthalt in sozialen Netzwerken bewerten. Der »Oberstdorf Entdecker« dagegen ist ein Internet-Urlaubsreiseführer: Gäste schreiben ihre Erlebnisse auf und bekommen Punkte, werden bewertet – und mit diesen Punkten können sie dann auch Prämien in Oberstdorf einlösen. Im Endeffekt geht es bei beiden Angeboten um Empfehlungsmarketing in sozialen Netzwerken. Ein weiteres tolles Projekt geht ab Frühjahr online, das wird die digitale Alpinberatung sein. Wir werden die erste Destination sein, die sämtliche Informationen zu Hüttenanstiegen, Wetterverhältnissen, GPS-Koordinaten, zum aktuellen Wetterbericht und vielem mehr online präsentiert. Das ist jetzt ein seit zwei Jahren laufendes Projekt, das wir demnächst offiziell vorstellen. Wie weit sind Sie inzwischen, was die weitere Einbindung der »digitalen Welt« angeht? Ich denke, Oberstdorf ist ein sehr digitaler Kurort, wir wollen auch vor Ort die Erlebbarkeit dieser modernen Ausrichtung vermitteln. Der historische Rundwanderweg in Oberstdorf wird mit QR-Codes versehen, die

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mit einem Smartphone gelesen werden können, damit sich der Gast jeweils an der Stelle, an der er steht, auch online zusätzliche Informationen auf sein mobiles Gerät herunterladen kann. Wir haben im Oberstdorf Haus und in der Tourist Information am Bahnhof Flatscreens installiert, um dem Gast auch dort das digitale Erleben zu ermöglichen. Wir bieten im Oberstdorf Haus kostenloses WLAN für unsere Gäste an. Daneben hatten wir die digitale Werbekampagne »Gäste-Kurdirektor«, die im vergangenen Jahr bombastischen Erfolg hatte. Diesen suchen wir in diesem Frühjahr erneut. Wie ist Ihr persönlicher Hintergrund, was Touristik und Marketing angeht?

Packen Sie als Tourismusdirektorin die Dinge vor Ort auf eine besondere Art an? Ich bin eine Einheimische und stark verwurzelt mit Oberstdorf. Man hat dann einfach auch ein anderes Gespür für die Menschen – schließlich bin ich selbst Oberstdorferin mit Leib und Seele und »schwätz inghuimisch«. Ich kenne die gewachsenen Strukturen und Befindlichkeiten, was meine Arbeit erleichtert. Im Prinzip muss man den Menschen mit einem offenen Herzen begegnen – ob das nun der Gast ist oder der Gastgeber oder mein Nachbar. Das ist meine Grundhaltung. Wenn man ehrlich ist und authentisch, dann bedingt sich der Rest von ganz alleine. Das Gespräch führte Marius Lechler.

Ich bin in der Gastronomie aufgewachsen, habe mit vier Jahren schon hinter der Theke gestanden und Zeit meines Lebens Gäste um mich herum gehabt. Der Umgang mit dem Gast ist für mich eine Selbstverständlichkeit – als Gastronomentochter sowieso. Nach einer Ausbildung und langjähriger Tätigkeit als Bankkauffrau habe ich mit 31 das Fachabitur gemacht und anschließend studiert, im Grundstudium mit Konzentration auf Tourismus, im Hauptstudium Unternehmensberatung und -entwicklung sowie Marketing als Schwerpunkte. Letztendlich bedingt sich mein touristischer Hintergrund durch meine Herkunft und durch mein Tun.

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Foto: Ralf Gerard/Verein Alpine Gastgeber

Service

Wo der Urlaub wie bei guten Freunden wird Während des Alpsommers ist es für Allgäu-Besucher oft schwer, eine Unterkunft zu finden, die Komfort und regionale Verbundenheit vereint. Die »Alpinen Gastgeber« sind hier ein echter Tipp. In dem Vermieternetzwerk, das 151 Betriebe wie Gasthöfe, Pensionen sowie Privat- und Ferienwohnungsvermieter aus dem Allgäu, aus Oberbayern, Tirol und dem Salzburger Land vereint, ist Authentizität Kernkompetenz em als Gast persönlicher Umgang und Individualität sowohl bei der Wahl des Aufenthaltes im Feriengebiet Allgäu als auch bei der Gestaltung des Urlaubes wichtig sind, für den könnten die in Deutschland und Österreich tätigen »Alpinen Gastgeber« als richtige Wahl in Frage kommen. Den Mitgliedern des Vereins ist es wichtig, ihre Gäste nicht nur aktiv zu betreuen, sondern ihnen auch näherzubringen, dass sie hier bei Menschen logieren, die sich wirklich auskennen. Wie Silvia Pfeil, die Geschäftsstellenleiterin der »Alpinen Gastgeber« betont, ist eines der wichtigsten Merkmale des länderübergreifenden Zusammenschlusses, dass die teilnehmenden Gastgeber individuell auf jeden Gast eingehen und ihm besondere Erlebnisse während seines Aufenthaltes ermöglichen, wie dies die Betreuung in einem Hotel nicht unbedingt kann. »Die Gastgeber vor Ort sind per se immer authentisch, da sie im Ort verwurzelt sind«, erklärt Pfeil. »Daher ist es ihnen möglich, Geheimtipps für Wanderungen oder kulinarische Hinweise auf schöne Gasthäuser und Restaurants zu geben.« Im Allgäu gehören laut Silvia Pfeil zu dem Verbund aktuell 25 Unterkünfte in den Regionen West-, Oberund Ostallgäu. Dies sei zwar ein Rückgang im Vergleich zum vergangenen Jahr, als in dem Zusammenschluss im Allgäu noch 40 Betriebe organisiert waren.

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Häuser mit persönlicher Note Zur touristischen Koopera tion »Alpine Gastgeber« gehören derzeit 151 familiär geführte Betriebe – darunter 25 in den Regio nen West-, Ober- und Ostallgäu. Der Zusammenschluss wird von der Euro päischen Union gefördert. Informationen gibt es unter Alpine Gastgeber, Maximi lianstraße 2, A-6020 Innsbruck, Tel. +43 (0)512/ 566566-0, E-Mail: info@alpine-gastgeber.com, www.alpine-gastgeber.com

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Die Geschäftsstellenleiterin sieht hier dennoch gute Entwicklungsmöglichkeiten: »Ich bin davon überzeugt, dass wieder neue Mitglieder zu den ‚Alpinen Gastgebern’ hinzukommen werden. Hierfür müssen wir zukünftig neue Impulse setzen.« Den Gästen in ihren Betrieben während des Aufenthaltes vielfältige Möglichkeiten zu bieten, haben sich die Mitglieder des Vermieternetzwerkes auf die Fahne geschrieben. Daher gibt es eine Unterteilung nach der Spezialisierung der Unterkünfte in einer von vier Kategorien: Urlaub für Sportler, Entdecker, Kinder und Gesundheitsurlauber. Jeder Gastgeber bietet nach einer dieser Säulen, auf die er sich spezialisiert, besondere Angebote, Zusatzleistungen und Extras an. Dies reicht vom Bergführer, der den Gästen ein Gipfelerlebnis ermöglicht, über das Kochen regionaler Spezialitäten bis zum umfangreichen Kinderprogramm oder Gesundheitsurlaub, bei dem zum Beispiel die heilende Wirkung von Kräutern vermittelt wird. Entsprechende Angebote macht der Zusammenschluss über seine Mitgliedsbetriebe auf seiner Internetseite. Silvia Pfeil ist überzeugt vom Konzept der »Alpinen Gastgeber«: »Wir brauchen Vermietung und Gastronomie in kleinen Betrieben, denn hier wurzeln Tradition und Kochkunst. Und nur diese kleinen und mittleren Betriebe bringen den Tourismus in seiner Vielfalt zur Marius Lechler Entfaltung«. •

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Leckere Flammkuchen und Pfälzer Spezialitäten Öffnungszeiten: 17.00 – 23.00 Uhr, Dienstag Ruhetag Am Anger 10 | 87538 Fischen Tel. 08326/366467 | Fax 08326/366468 www.pfaelzer-weinstub.de

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Um Großereignisse wie die Viehscheide im Allgäu fotografisch einzufangen, ist es unerlässlich, früh genug vor Ort zu sein

Fotografie

Tipps für gelungene Bilder zwischen Berg und Tal Moderne Kamera-Ausrüstungen sind inzwischen nicht mehr nur für Profifotografen erschwinglich. Bei einem Besuch im Allgäu während des Alpsommers kommen sie dann ausgiebig zum Einsatz. Damit die Aufnahmen bei der Wanderung zur Alpe und während der Motivsuche in den Allgäuer Dörfern noch besser werden, verraten wir Tricks, die das Einfangen Ihrer schönsten Erinnerungen mit der Kamera erleichtern

Unten: Ungewöhnliche Winkel wie die Froschperspektive machen ein Motiv interessanter. Rechts: Auch Details können fotografisch faszinieren

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Fotos: Dominik Ultes, Volker Wille

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otograf Dominik Ultes erklärt, worauf es schon beim Kauf der geeigneten Ausrüstung ankommt: »Die Kamera sollte gut in der Hand liegen und für die eigenen Kenntnisse nicht zu kompliziert sein.« Auch günstige Kameras lieferten heutzutage qualitativ zufriedenstellende Fotos. Wer mehr fotografieren wolle, werde sich früher oder später die Frage stellen, ob er sich eine Spiegelreflexkamera leisten solle, erklärt Ultes. Er fügt hinzu: »Die Kamera muss vor allem einem selbst gefallen, nicht den Fotozeitschriften.« Nachfolgend gibt er weitere Tipps, wie die Bilderjagd im Allgäu zu erfolgreichen Ergebnissen führen kann.

Vor dem Fotografieren • Die Kamera auf korrekte Funktion überprüfen (Testfotos machen) • Vollständig geladene Akkus und Ersatz einpacken • Darauf achten, dass die Speicherkarte der Kamera genügend freien Speicher hat (wenn möglich, Reserve-Speicherkarten mitnehmen) • Bequemer bei Außenaufnahmen im Sitzen oder auf den Knien: eine Unterlage aus Schaumstoff einpacken (als alternativer Nässeschutz: eine Plastiktüte) • Die Morgenstunden für den Fotoausflug einplanen, am Morgen oder Abend ergeben sich oft die schöns ten Lichtstimmungen • Tipp für öffentliche Veranstaltungen oder Feste: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst (die besten FotografierStandorte beim Viehscheid sind immer schnell besetzt)

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Beim Einfangen der Motive • Gegen Vollautomatik-Programme bei modernen Kameras ist für Standard-Nutzer, die sich nicht wirklich mit Belichtungszeiten oder Blenden auskennen, nichts einzuwenden – mit weiteren Programmen wie zum Beispiel dem Sportprogramm können sich bewegende Objekte wie Tiere besser abgelichtet werden • Wichtig: für bestmögliche Aufnahmen und das Abpassen des richtigen Moments in jeder Situation mehrere Fotos machen, nicht nur eines oder zwei (Bilderserien sind vor allem für bewegliche Motive wie Rinder oder Alphirten geeignet) • Nach Möglichkeit mit der Sonne im Rücken und nicht gegen das Licht fotografieren • Stets das komplette Umfeld im Auge behalten und Bilder in alle Himmelsrichtungen schießen (je häufiger der Standpunkt wechselt, desto vielseitiger die Foto-Ausbeute) • Mit unterschiedlichen Blickwinkeln experimentieren (Frosch-, Vogel- oder Kleinkindperspektive) • Auch auf kleine Ausschnitte konzentrieren, diese können ebenfalls attraktiv sein • Vorsicht beim Scharfstellen: Der automatische Fokus stellt in der Regel das für ihn nächste Objekt scharf – so kann ein ins Bild ragender Ast scharf und das eigentliche Motiv unscharf werden • Den digitalen Zoom vermeiden: Er ist nur eine künstliche Vergrößerung und bedingt Qualitätsverlust • Der Sucher ist dem Fotobildschirm oft überlegen, was das Finden von Motiven angeht • Moderne Smartphones kommen qualitativ leider oft nicht an »richtige« Kameras heran – speziell »diesige« Lichtsituationen geraten hier sehr schnell gerastert Marius Lechler und verpixelt •

Oben ganz links: Beispiel für die Bedeutung des Fotografierens mit der Sonne im Rücken. Oben Mitte: Bei dieser Aufnahme liegt der Fokus auf dem Objekt im Vordergrund – der Hintergrund wird ausgeblendet. Oben rechts: Beispiel Detailfotografie, darunter: besondere Lichtstimmung in den Morgenstunden. Links: Bildkomposition durch Vogelperspektive

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Tierportrait

Echte Originale vom Horn bis zu den Hufen Wer als Urlaubsgast ins Allgäu kommt, begegnet ihnen beinahe auf Schritt und Tritt: Die Rinder mit dem charakteristischen braunen Fell gehören einfach zum Landschaftsbild dazu. Dass es beim Braunvieh jedoch wichtige Unterschiede gibt und das Original Braunvieh sogar zu den gefährdeten Rinderrassen gehört, ist weniger bekannt. Doch engagierte Züchter setzen sich mit viel Idealismus für den Erhalt der robusten Rasse ein

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Unten: eine frühe Abbildung des Allgäuer Braunviehs aus der Zeit um 1820

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Fotos: Philipp Mayer, Volker Wille; Archiv Allgäuer Bergbauernmuseum Diepolz; Schwäbisches Bauernhofmuseum Illerbeuren

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chon seit Jahrhunderten ist das Braunvieh im Voralpen- und Alpengebiet verbreitet. Es geht zurück auf das Torfrind der Alpenrandseen, das vermutlich kleinste und älteste europäische Hausrind, das von etwa 2000 bis 800 v.Chr. aus dem Osten in den zentraleuropäischen Gebirgsraum (Allgäu, Schwaben, Oberbayern, die Ostschweiz und Vorarlberg) gekommen war. Die Zuchtarbeit begann vor etwa 600 Jahren in der Zentralschweiz. Da die Rinder damals – mehr als heute – unterschiedlichen Umweltverhältnissen ausgesetzt waren, entwickelten sich verschiedene Landschläge wie Allgäuer, Montafoner, Schwyzer, Lechtaler und andere. Diese Arten sind als robust und langlebig bekannt und können als Milch- und Fleischproduzenten zweifach genutzt werden. Der Rinderpest fielen im 19. Jahrhundert rund zwei Drittel des Rinderbestandes im Allgäu zum Opfer. Das fehlende Zuchtvieh wurde vorwiegend über Importe aus der Schweiz bezogen, um die Zucht zu vereinheitlichen und neu aufzubauen.

Konzentration auf Milch Im Allgäu haben sich unter den Braunvieh-Rassen, die heute auf den Weiden zu sehen sind, vor allem zwei Arten herausgebildet: Das »Original Braunvieh« und die Tiere mit Anteilen der amerikanischen Rinderrasse »Brown Swiss«, deren Einkreuzung ab etwa 1967 begann. Das hatte vor allem wirtschaftliche Gründe: Die Milchleistung der Kühe sollte verbessert werden – die Braunviehpopulation entwickelte sich zur milch-

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betonten Rasse. Nun ergab sich aber ein Problem: »Der Anteil von Original Braunviehkühen ging dramatisch zurück«, erklärt Stefan Immler, Experte für das Original Braunvieh beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Kempten. Kritisch sei die Lage dann laut Angaben des Bayerischen Landesamtes für Landwirtschaft für die Rinderrasse Mitte der 1980er-Jahre geworden. Nachdem 1980 der letzte deutschblütige Allgäuer Braunviehstier mit dem Namen Amlex geschlachtet worden war, habe einige Jahre später die Gefahr bestanden, dass der Bestand an Original Braunvieh gänzlich verloren zu gehen drohte.

Auch diese beiden Exemplare gehören zur Rinderrasse Original Allgäuer Braunvieh. Die als »Gurtenvieh« bezeichneten Tiere weisen dank einer Laune der Natur eine hellere Pigmentierung rings um Bauch und Rücken auf. Mutterkuh und Kalb werden im Schwäbischen Bauernhof museum Illerbeuren gehalten

Landwirte mit Idealismus Diese Rinderrasse, die eigentlich die ursprüngliche Form der Nutztiere im Allgäu ausmacht, war somit zeitweise sogar vom Aussterben bedroht. Daher formierten sich 1987 Züchter aus Bayern und BadenWürttemberg, um das Original Braunvieh zu erhalten. 1995 wurde der Allgäuer Original Braunviehzüchterverein gegründet. Für Xaver Rietzler, einen der Vorsitzenden der Rettungsgemeinschaft, entwickelt sich die Lage der immer noch auf der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) stehenden Tiere aber inzwischen positiv. »Es gibt mehr Landwirte, die sich wieder für das ‚Original’ entscheiden«, sagt er. Es gehöre eine bewusste Entscheidung dazu, den Erhalt der Rasse aktiv zu unterstützen. Er hebt aber hervor: »Idealismus gehört 57


Kalbin, Schumpen, Rind und Kuh Die Begriffsverwirrung, wie das Tier, das einem auf der Weide ein »Muh« entgegenruft, korrekt benannt wird, kann relativ groß sein. Nach der Geburt tragen Tiere im ersten Lebensjahr die Bezeichnung Kalb, im zweiten Lebensjahr heißen sie Kalbin, im Allgäu wird der Begriff Schumpen oder Jungrind

halt einfach auch dazu.« Die Mitglieder des Vereins, rund 100 an der Zahl, seien im gesamten bayerischen und württembergischen Allgäu, aber vereinzelt auch im Saarland, in Nordrhein-Westfalen und in Hessen zu finden.

Aktuell rund 570 Tiere

Oben: Im Allgäuer Bergbauern museum in Diepolz wurde dem Nutztier wahrhaft ein Denkmal gesetzt. Unten: Original Braunvieh in der Mutterkuhhaltung

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Obwohl auch Stefan Immler vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten betont, dass das Original Braunvieh mit einem Gesamtbestand von weniger als 1000 Tieren immer noch als gefährdete Rasse gilt, unterstreicht er, dass die Bemühungen der Landwirte, die traditionelle Rinderrasse des Allgäus zu erhalten, besonders von Bedeutung seien. »Zum Ende des Jahres 2012 betrug die Gesamtzahl der Original-Braunvieh-Kühe 571 Stück. Diese Gruppe der Original-Tiere wird in zwei Kategorien unterteilt, wobei die Rinder der Kategorie A keinen Fremdblutanteil aufweisen.« Die Tiere der Kategorie

verwendet. Als Rind gilt das dreijährige Tier ab der ersten Trächtigkeit. Die Bezeichnung Kuh ist korrekt, nachdem ein Rind das erste Kalb geboren hat. Männliche Tiere heißen Stier oder Ochse. Der Unterschied: Ochsen sind kastriert. Unabhängig von Alter und Geschlecht gilt der Name Rind für alle muhenden Vierbeiner.

B wiesen dagegen einen Anteil von bis zu 12,5 Prozent fremden Blutes der eingekreuzten Rinderrasse »Brown Swiss« auf. Die ganz und gar reinblütigen Allgäuer Vierbeiner mit braunem Fell finden sich wiederum unter den »A-Tieren«. Auch hier hat Stefan Immler aktuelle Zahlen parat: »Die Anzahl der Original Allgäuer Kühe bestand Ende 2012 aus 201 Tieren«, ergänzt er.

Ideal für die Alpwirtschaft Das sehr robuste, anpassungsfähige und langlebige Original (Allgäuer) Braunvieh, das unter anderem bei Bio-Landwirten in der Region überaus beliebt ist, verursacht auf den hochgelegenen Sommerweiden weniger Trittschäden, da die Tiere ruhig und etwas leichter sind. Gerade auf den Alpen ist das von besonderer Bedeutung, da hier die empfindliche Grasnarbe möglichst nicht aufgerissen werden sollte, damit sie beim nächsten Regen nicht ausgewaschen wird. Darüber hinaus sind die Rinder besonders genügsam, was sie zum idealen Nutztier der Allgäuer Landwirte – vor allem derjenigen, die ihre Paarhufer auf die Marius Lechler Alpen bringen – macht. •

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Kulinarisches

Eine Allgäuer Delikatesse, weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt – Kässpatzen

So viel mehr als nur Bergkäse und Bier

Das Traditionsgericht Brenntar wird in Heimenkirch bei Aktionstagen der Volkshochschule heute noch vom Dorfaktionskreis Heimenkirch im Paul-Bäck-Haus gekocht

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Fotos: Manuel Geimer; Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Für flüchtige Beobachter vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennbar, bietet das Allgäu eine Vielfalt traditioneller Gerichte, die selbst verwöhnte Gaumen begeistern. Dies sind neben Klassikern wie Kässpatzen auch zahlreiche weitere Spezialitäten. Wir stellen eine kleine Auswahl vor

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ehlspeisen spielten und spielen in der Allgäuer Küche eine dominierende Rolle. Da die Region lange sehr arm war, prägten sie den Speisezettel. Auf den Tisch kam, was billig war: Mehl, Fett, Eier und Sauerkraut, später kam der Käse dazu. Die Gerichte, die früher als Arme-Leute-Essen galten (wie Kaiserschmarrn, Schupfnudeln, Krautwikkel, Kässpatzen oder Maultaschen), haben sich zu Spezialitäten der regionalen und überregionalen Küche entwickelt. Im Allgäu gibt es noch zahlreiche dieser Gerichte, die typisch für die Region sind.

Allgäuer Kässpatzen Das wahrscheinlich nach Allgäuer Bergkäse und Allgäuer Emmentaler bekannteste Gericht aus der Region, bei dem ein Teig aus Mehl, Eiern, Milch, Wasser und einer Prise Salz durch einen Spätzlehobel in kochendes Wasser gedrückt wird. Die fertigen Spatzen werden nach dem Aufkochen mit geriebenem Bergkäse oder Romadur lagenweise angerichtet und mit darübergestreuten, in Butter gerösteten Zwiebeln serviert.

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Fotos: Wolfgang Bietsch, Leutkirch; Rkolarsky/Wikimedia Commons; Heimplätzer Werbefotografie

Ganz links: »G’schupfte Nudla« (sehr gern mit Kraut) werden auch »Buabespitzle« genannt. Links: Die Flädlessuppe ist ein Klassiker der Allgäuer Küche

Brenntar (Schwarz-Mus)

Allgäuer Lumpensuppe

Überlieferungen zufolge gibt es den Brenntar wohl seit dem 18. Jahrhundert. Die kohlenhydratreiche Speise aus Musmehl, einem grießig gemahlenen braunen Vollkornmehl aus im Ofen gerösteten Körnern von Dinkel oder Weizen, das mit altem Bergkäse vermischt und mit Bratkartoffeln serviert wird, wurde zu früheren Zeiten hauptsächlich von Menschen aus der Landwirtschaft gegessen. Es gibt auch eine süße Variante mit Apfelmus und Kaffee.

Roter und weißer Pressack (Schwartenmagen), Schinkenwurst, Allgäuer Backsteinkäse und rote Zwiebeln werden in einer Mischung aus Essig, Öl, Zucker, Salz und Pfeffer mariniert. Dazu passen Bratkartoffeln und ein gutes Bauernbrot.

Flädlessuppe Eine der einfachsten und doch schmackhaftesten Kombinationen im Suppenteller: in Streifen geschnittene Pfannkuchen in einer Rinderbrühe. In Österreich auch als Frittatensuppe bekannt.

Schupfnudeln Aus gekochten und zerstampften Kartoffeln entstehen gemeinsam mit Mehl, Salz und Butterschmalz fingerdicke Teigwaren, die ein Allgäuer Allroundtalent der besonderen Art ergeben – die Schupfnudeln. Die ursprünglich ländliche Spezialität kann mit herzhaften Wildgerichten oder als eigene Mahlzeit mit Sauerkraut und Salat aufgetischt werden.

Holdermuas

Ganz oben: Zur Lumpensuppe passen Bauernbrot und ein kühles Bier, ebenso wie zum sauren Käs (oben)

Saurer Käs In der Region überaus beliebte einfache Brotzeit: In einer Mischung aus Essig, Öl, Salz und Pfeffer marinierte Zwiebeln werden über Romadurscheiben angerichtet, mit Schnittlauch garniert und gemeinsam mit Brot serviert.

Allgäuer Wurstsalat Nicht nur beim Besuch auf einer Alpe eine beliebte Mahlzeit: ein Salat aus dünnen Lyonerwurst-Scheiben, gewürfeltem Allgäuer Emmentaler oder Bergkäse sowie Gurkenscheiben (oder -würfeln), der mit einer Soße aus Öl, Essig, Salz, Pfeffer und einer Prise Zucker angemacht wird und dann mindestens eine Stunde ziehen sollte.

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Gut zu lagern und sowohl für den Frühstückstisch als auch den Nachspeisenteller geeignet ist das Mus aus Holunderbeeren, Pflaumen, Birnen, einer Zimtstange, etwas Milch und Mehl sowie Zucker nach Marius Lechler Geschmack. •

Tipps zum Selberkochen Wer mit den Gerichten aus der Allgäuer und Oberschwäbischen Küche selbst kulinarisch vertraut werden möchte, findet im Kochbuch »Ehrlich regional – (h)ausgemachtes Kochvergnügen« des Lindauer Kochs Ralf Hörger zahlreiche authentische Rezepte und Informationen. Hrsg. von Ralf Hörger, 188 Seiten, zahlreiche Farbfotos, Preis: 14,99 Euro,

ISBN 978-3-00-039960-2, erhältlich in den Filialen der Einzelhandelsketten Feneberg und Kaufmarkt

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Alpwirtschaft

Was Walli und Angie am Berg unterscheidet Seitdem der Mensch Tiere domestiziert, gibt er ihnen auch Namen. Dies ist zwar heute bei Nutztieren wie Rindern nicht mehr notwendig, im Allgäu jedoch immer noch weit verbreitet. Neben dem Namen nutzen Alphirten noch zahlreiche weitere Merkmale, um die Tiere voneinander zu unterscheiden

D

ie Hirten, die die Kühe auf den Senn- und Merkmalen wie Größe, Färbung des Fells, spezielle Jungviehalpen (Galtalpen) im Allgäu verZeichnungen im Fell, Exemplare mit oder ohne Hörsorgen, müssen sich innerhalb kürzester ner. Darüber hinaus spiele auch das Geläut, besonders Zeit mit einer Menge von unterschiedlichen Tieren bei Nebel, eine wichtige Rolle, da die Kuhschellen unvertraut machen und diese auseinanderhalten können. terschiedliche Tonhöhen besitzen. Es können kleinere Herden mit etwa 20 bis 30 Tieren Auch Andi Dengel, Hirt auf der Alpe Stockach bei oder auch weniger sein, manchmal bewegt sich die Rettenberg, weiß aus langjähriger praktischer ErAnzahl aber auch in ganz anderen Dimensionen: fahrung, worauf es beim Benennen und Erkennen der »Einige Alpen können mit 200 bis Tiere ankommt: »Die Kühe 300 Tieren ‚beschlagen’, das heißt, erhalten ihre Namen nicht »Größe, Fellfärbung, für die Zeit des Alpsommers Zeichnungen, Hörner und das nur, um sie auseinanderhalbestückt sein«, erklärt der Geten zu können. Bei Kälbern Geläut spielen eine Rolle« schäftsführer des Alpwirtschaftliist es so, dass sie den Anchen Vereins im Allgäu e.V., Dr. fangsbuchstaben des MutterMichael Honisch. Zur eindeutigen Zuordnung trage kuh-Namens bekommen, um die Linie weiterverfoljede Kuh Ohrmarken, die anhand von sogenannten gen zu können.« So heiße das Kalb von Kuh Walli Beschlägerlisten Aufschluss über die Identität eines dann zum Beispiel Wanda. Tieres geben. Eine weitere wichtige Regel bei der Namensgebung »Doch die Älpler wissen immer, von welchem Bauern fügt der Alphirt hinzu: »Eine Kuh bekommt ihren Nadie Tiere kommen. Tiere aus demselben Betrieb grup- men erst, nachdem sie ihr erstes Kalb geboren hat.« pieren sich oft auch auf der Alp zueinander«, führt Somit sei Jungvieh, im Allgäu als Schumpen bezeichnet, Honisch aus. Daneben gebe es eine Reihe von weiteren grundsätzlich namenlos. Zu den beliebten Namen bei 62

Alpsommer

&

Viehscheid 2013


Fotos: Volker Wille; Archiv Allgäuer Bergbauernmuseum Diepolz

Oben: Der Alpzug, ein beliebtes Postkartenmotiv seit etwa 1900. Der Alphirte vergibt an die Tiere, die er auf den Sommerweiden betreut, temporäre Namen, die nur auf der Alpe benutzt werden. Sie sind oft an Eigenschaften oder Aussehen der Kühe angelehnt. Links oben: Ein Unterscheidungsmerkmal für die Hirten – der Buchstabe für den Betrieb, aus dem das Tier kommt. Ganz links: Ob die Wiederkäuer behornt sind oder nicht, ist eines der einfacheren Hilfsmittel. Links: Eindeutig identifiziert werden kann jedes Rind über die Ohrmarken und Beschlägerlisten, in denen die Tiere verzeichnet sind

seinen eigenen Kühen zählt er unter anderem »Walli«, stika des Muttertieres an«, ergänzt der 33-jährige »Astrid«, »Angie«, »Gretel« oder auch »Gems«. Und Landwirt. Ein guter Alphirt könne sich die einzelnen auch heute noch würden die Paarhufer im Allgäu gerTiere der Herde, die er betreue, innerhalb von drei ne so benannt wie bereits in früheren Jahrhunderten. Tagen einprägen, sagt er und fügt an: »Begabung geAndi Dengel verweist auf die traditionelle Art der Alphört auf jeden Fall dazu. Entweder jemand hat ein wirtschaft und deren Methode, um die verschiedenen Auge dafür oder eben nicht.« Tiere auf der Alpe eindeutig voneinander unterschei- Auch Dr. Michael Honisch unterstreicht den Wert der den zu können: »Früher gab es noch keine Ohren- Erfahrung, um die Kühe fachmännisch zuordnen zu marken, und damals mussten sich können: »Ein Alphirt, der das die Bauern am Berg auch zurechtvon Kindesbeinen an lernt und »Ein guter Alphirt kann finden.« Dazu gebe es aber Methodamit vertraut ist, lernt, ein Rind sich die Tiere innerhalb den, die auch heute noch angebereits anhand kleiner Merkmawandt we rden: So werde neben von drei Tagen einprägen« le zu unterscheiden«, sagt er. dem Schwanz des Rindes am Sowohl Honisch als auch Dengel Beckenknochen mit einer Nagelschere ein Stück Fell betonen, dass die Tätigkeit als Alphirte mit Bergin Form der Initialen des Betriebes sowie eine römi- romantik wenig zu tun habe: »Als Hirt hat man Versche Zahl herausgeschnitten. Dies helfe, die Kuh zu- antwortung für Lebewesen zu tragen, und das soll gezuordnen, jedoch nur so lange, bis das Fell nachge- wissenhaft ablaufen«, hebt Andi Dengel hervor. Man wachsen sei. müsse auf der Alpe mit der Natur und schlechten Weitere Merkmale seien, dass sich jedes Tier vom an- Wetterverhältnissen umgehen. Vor allem aber müsse deren unterscheide und seine Eigenheiten habe. »Je sich der Hirt mit seiner Arbeit identifizieren, um sie Marius Lechler älter es wird, desto mehr nimmt es oft die Charakteri- gut zu machen, so Dengel. •

Alpsommer

&

Viehscheid 2013

63


Kolumne

Scharf nôchdenkt über

Alpsommer Max Adolf ist Kabarettist, Buchautor und von Herzen Allgäuer: www.allgaeukabarett.de Der Rucksack liegt bereit, die Bergschuhe sind geputzt,

Gaststätten und Hütten, die boomenden Traktoren-

und die meisten Wochenenden habe ich mir für diesen

partys, die ganzen Bierfeste, Weinfeste, Après-Ski-Par-

Sommer frei gehalten. Dieses Jahr wird es mir nicht

tys, da ist doch auch nicht überall Allgäu drin, obwohl

wieder passieren, dass ich kaum zu einer Bergtour

Allgäu draufsteht! Viele ähnliche Ideen wie das »All-

komme. Letztes Jahr habe ich noch so davon ge-

gäuer Dorf« sind meiner Meinung nach schon umge-

schwärmt, wie schön der Alpsommer im Allgäu ist ,

setzt und wir haben uns eben daran gewöhnt.

und dann hat mich leider wieder einmal die Realität

Die Zeit geht voran und bringt Veränderungen mit

der Arbeitswelt eingeholt.

sich. Der Umbau oder Neubau von Hütten des Deut-

Trotzdem, allein schon mit meiner Frau zusammen

schen Alpenvereins gehört da auch dazu und sorgt bei

Pläne zu schmieden, welche Touren wir gehen werden,

der Tageszeitung für viele Leserbriefe. Hütten, die über

ist toll. Dabei sitzen wir abends auf unserem Balkon

100 Jahre an ihrem Platz gestanden sind, sollen erneu-

vor der herrlichen Kulisse des Grünten und kommen

ert werden. Viele wollen das nicht: »Es soll alls so blie-

aus dem Schwärmen nicht mehr raus. Wenn dann im

be wie nes scho allat gwea isch!« Wenn wir die Hütten

Juni die Kühe bei uns im »Große Bearg« Einzug halten,

aber auch die nächsten 100 Jahre nützen wollen, müs-

begleitet uns für ein paar Wochen das melodische Ge-

sen wir sie so erneuern, dass man gut darin leben kann

läut der Kuhglocken, bevor das Jungvieh weiter Rich-

und sie in vieler Hinsicht den modernen Anforderun-

tung Berghofer Waldalpe getrieben wird.

gen und Weiterentwicklungen entsprechen. Zu Hause

Das ist schön wie im Traum. Ein anderer Traum wird

gehen wir ja auch nicht mehr aufs Plumpsklo oder le-

gerade in Füssen geplant. Da soll ein »Allgäuer Dorf«

gen uns auf einen mit Buchenlaub gefüllten Sack. Wie

als Touristenattraktion gebaut werden. Bei den Einhei-

die Hütten optisch neu gestaltet werden, darüber lässt

mischen und besonders bei Organisationen der Hei-

sich sicherlich streiten, aber neue Ideen können nicht

matpflege wie dem Heimatbund Allgäu ist das ein

schaden. Ich bin mir sicher, dass die Planer behutsam

großes Reizthema. Ich kenne die Pläne für dieses Pro-

vorgehen werden und uns der Aufenthalt auf den Hüt-

jekt zu wenig, um ein Urteil abgeben zu können, aber

ten nicht vermiest wird.

ich wünsche mir, dass der Kommerz nicht zu über-

Jetzt bin ich ganz von meinem schönen »Alpsommer-

mächtig wird. Solche Pläne sind im Allgäu allerdings

traum« abgekommen. Macht nichts: Unsere Berge

nichts Neues: Schauen wir auf die ganzen Sommerro-

bleiben schön und vor allem bestehen, während wir

delbahnen, Vergnügungsparks, den Rummel um die

Menschen diese Pracht nur eine kurze Zeitspanne ge-

Viehscheide, wo man sich sogar zu einer »After Vieh-

nießen können. Also, Rucksack nauf und ab gohts in

scheid Party« versteigt, unzählige sogenannte urige

den Alpsommer 2013!

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wandern & genießen

D A S M A G A Z I N Z U M WA N D E R T A G – J E T Z T B E S T E L L E N A U F W W W. H E I M A T - A L L G A E U . I N F O

64

Alpsommer

&

Viehscheid 2013


Freizeit Froschmaul und Katzenbauch im Museum Sonthofen: Die Schellen- und

gäu kennt man vor allem die große

des Heimathauses ist größtenteils

Glockensammlung des Heimathau-

Froschmaulschelle, Bumpler ge-

eine Schenkung von Dr. Heinz

ses Sonthofen im Rahmen der Dau-

nannt, die sogenannte Klepfer –

Schmidt aus Sonthofen. Gezeigt

erausstellung »Mit Handschlag«

eine Flachschelle mit rechteckiger

werden viele Stücke sowie Bildma-

zeigt die verschiedenen Klangkör-

Öffnung – und die Rundschelle,

terial. Die Schau ist dienstags bis

per, die im Allgäu gebräuchlich

auch Katzenbauch genannt. Die

donnerstags, samstags und sonntags

sind. Die Schau gibt Einblick in

Schellen- und Glockensammlung

von 15 bis 18 Uhr geöffnet.

Kurz und wichtig Heimathaus Sonthofen Sonnenstraße 1 87527 Sonthofen Tel. 08321/3300 E-Mail: heimathaus@sonthofen.de www.sonthofen.de

(red)

eine Zeit, als es auf dem Sonthofener Viehmarkt sogar Affen gab und ein Handel noch mit Handschlag besiegelt wurde. Glocken und Schellen dienten seit Jahrhunderten als Amulette zum Schutz vor bösen Geistern, waren Schmuck und Prestigeobjekt. Jede Schelle hat ihren eigenen Klang. Den Ton beFoto: Ansgar Czilwik

stimmt der Schellenschmied, indem er Größe und Form, Stärke des Eisenblechs und Gewicht des Klöppels variiert. Jede Gegend hat ihren eigenen Schellentyp: Im All-

Die Vielfalt der Schellen und Glocken im Allgäu zeigt die Dauerausstellung im Heimathaus Sonthofen

»Geierwally« gratuliert zu 20 Jahren Freilichtbühne Elbigenalp: Seit 20 Jahren besteht

ler Heimatdichter und Volksautor

in Elbigenalp im Lechtal die Geier-

Mitterer hatte 1992 seine Adaption

wally-Freilichtbühne mit ihrer be-

des historischen Stoffes exklusiv für

eindruckenden Naturkulisse. Der

das Freilichttheater verfasst. Anna

Aufführungsort feiert in diesem

Stainer-Knittel, die als Geierwally

Sommer 20-jähriges Bestehen. Da-

in die Geschichte des Lechtals ein-

her wird ab 6. Juli bis einschließlich

gegangen ist, sollte ihm zu diesem

31. August jeden Freitag bis Mon-

Zweck als Vorlage und Inspiration

tag jeweils um 20.30 Uhr das Stück

dienen. In Elbigenalp, dem Ge-

aufgeführt, das der Bühne ihren

burts- und Heimatort der wahren

Namen gab: »Die Geierwally« von

Geierwally, hat der bekannte My-

Felix Mitterer unter der Regie von

thos seinen Ursprung.

(red)

Thomas Gassner und der künstleWolf. In den vergangenen beiden Jahren wurde die Freilichtbühne mit neu gestalteten Zuschauerrängen und einem VIP-Bereich, die die markante Felskulisse umrahmen, als Vorbereitung für dieses Jubiläum umgebaut. Der bekannte Tiro-

Alpsommer

&

Viehscheid 2013

Kurz und wichtig Kartenvorverkauf: Tourismusverband Lechtal Untergiblen 23 A-6652 Elbigenalp Tel. +43 (0)5634/5315-12 Fax +43 (0)5634/5316 E-Mail: geierwally@lechtal.at www.geierwally.at

Foto: Freilichtbühne

rischen Leitung von Bernhard

Auf der umgebauten Freilichtbühne in Elbigenalp wird ab 6. Juli die »Geierwally« gespielt


Freizeit Wetterschau, Musik und Handwerk Schwäbisches Bauernhofmuseum Illerbeuren Museumstraße 8 87758 Kronburg-Illerbeuren Tel. 08394/1455 Fax 08394/1454 E-Mail: info@bauernhofmuseum.de www.bauernhofmuseum.de

Kronburg-Illerbeuren: Das Schwäbische Bauernhofmuseum Illerbeuren wartet in diesem Sommer mit einem vielfältigen SommerproFotos: Tanja Kutter/Bauernhofmuseum Illerbeuren

Kurz und wichtig

gramm auf, bei dem von einer neuen Sonderschau bis zum nächtlichen Museumsfest ein breites Spektrum abgedeckt wird. Die große Sonderausstellung »Gutes Wetter – Schlechtes Wetter« vom 26. Mai bis 15. September zeigt, wie Jahreszeiten und Wetter auf dem Land auf den Feldern wie im Haus seit jeher den Arbeitsrhythmus

Oben: Im Volksglauben wurden Holzscheite mit einem Drahtoder Eisenring befestigt und ins Osterfeuer gesenkt. Durch die Segnung des Osterfeuers waren auch die Scheite geweiht. Diese wurden in den Häusern, hauptsächlich im Stall, zum Schutz vor Unheil und Gefahren bewahrt, im Acker vergraben oder im Herdfeuer verbrannt, um das Haus vor Gewitterschäden zu schützen

Rechts: In der Museumsnacht am 10. August können die Besucher das Bauernhofmuseum in ungewohnter Atmosphäre erleben. Ganz rechts: Die Handwerkertage am 14. und 15. September warten mit zahlreichen Vertretern alter Handwerke wie den Seilern auf

66

Beim Tag der Volksmusik kommen über 200 Musikgruppen nach Illerbeuren

der

im Museum. Über 200 Volksmusi-

Vorführungen von Gauklern, Mu-

Menschen bestimmten. Das

kanten und Tänzer aus ganz

sikern, Tänzern und Feuerartisten,

Beobachten und Wissen um Witte-

Schwaben und darüber hinaus

die für außergewöhnliche Atmo-

rungsverhältnisse war für die bäu-

kommen an diesem Tag nach Iller-

sphäre sorgen.

erliche Wirtschaft von größter Be-

beuren – vom Bodensee und der

Bereits zur liebgewonnenen Tradi-

deutung, obwohl die technischen

Schwäbischen Alb bis von Augs-

tion geworden sind die Handwer-

Hilfsmittel einfach waren. Von

burg und im Süden bis vom

kertage, in diesem Jahr am 14. und

handschriftlichen Wetteraufzeich-

Forggensee im Ostallgäu. Die Mu-

15. September. Mehr als 80 Akteure

nungen und Wetterfahnen bis hin

sikanten spielen je nach Wetter und

zeigen dem Publikum, wie im alten

zum Goethe-Barometer sind Ge-

Laune vor den Häusern oder in den

Handwerk mit einfachsten Werk-

rätschaften zu sehen, die die Wet-

Stuben der historischen Gebäude

zeugen und Geräten funktionale

tervorhersage erleichtern sollten.

im Bauernhofmuseum.

und zugleich schöne Produkte ent-

Auch höheren Mächten wurde Ein-

Spektakulär und stimmungsvoll

standen. Rund 50 Handwerke wer-

fluss auf das Wetter nachgesagt:

geht es in der Museumsnacht am

den vorgeführt, vertreten sind ne-

Geweihte Wetterkerzen und Wet-

10. August zu, die nur alle zwei Jah-

ben bekannten Berufen wie Töpfer,

tersegen sollten den Menschen und

re im Bauernhofmuseum stattfin-

Wagner, Schmied, Polsterer oder

sein Vieh vor Unwetter beschützen.

det. Von 20 Uhr bis Mitternacht

Zimmerer auch Hutmacher, Buch-

Es werden Museumsstücke aus

finden auf dem durch Fackeln und

binder, Seiler, Täschner oder Schin-

ganz Bayern gezeigt.

Kerzen erleuchteten Museumsge-

delmacher. Die Besucher begegnen

Am 14. Juli treffen sich Freunde

lände besondere Darbietungen statt

darüber hinaus der Hinterglasma-

traditioneller

und

– darunter der musikalische Stun-

lerin, dem Filigranschnitzer oder

Volkstänze am Tag der Volksmusik

denschlag aus dem Feuerwehrhaus,

der Perlenstickerin.

Volksmusik

(red)


Freizeit »Duftwandeln« im Käse-Kräuter-Sommer Gunzesried: Beim Käse-Kräuter-

durch den Kräutergarten und viel-

Sommer dreht sich in Gunzesried

fältigen Köstlichkeiten aus der ge-

vom 1. Juli bis 30. September alles

sunden Kräuterküche wird ein um-

rund um die Themen Käse, Kräuter

fangreiches Kinderprogramm ge-

und Natur. Eine Vielzahl von Ver-

boten.

(red)

anstaltungen, Mitmach-Angeboten, geführten Wanderungen und vieles mehr lockt die Besucher in diesen Wochen ins »Schatzkästchen Gunzesrieder Kräutertal«.

Unter dem Motto »Der richtige Zeitpunkt – Blütenzauber« wandern die Teilnehmer des 10. Käse-Kräuter-Sommers durch den Gunzesrieder Kräutergarten

ter-Sommer mit dem Kräutergartenfest zum 10-jährigen Jubiläum seinen Höhepunkt. Der Tourismusverein Gunzesried lädt dazu auf den Kappelbichl ein. Neben einem liebevoll gestalteten Kreativ-

Foto: Gästeinformation Blaichach

Am 28. Juli erreicht der Käse-Kräu-

Kurz und wichtig Gästeinformation Blaichach Immenstädter Str. 7 87544 Blaichach Tel. 08321/6076950 E-Mail: gaesteamt@blaichach.de www.blaichach.de

markt, fachkundigen Führungen

Zwischen Chorgestühl und Madonna Buxheim: Bis 31. Oktober wird

sind zum Beispiel das grandiose

seum« am 5. Mai Gregorianischen

jeden Sonntag um 14 Uhr eine

barocke Chorgestühl von Ignaz

Gesängen und Renaissance-Musik

Gästeführung durch die ehemalige

Waibl in der Kartausenkirche und

in der Kartause lauschen oder wäh-

Kurz und wichtig

Reichskartause Buxheim, die best-

eine Terrakottamadonna aus dem

rend der Allgäuer Gartentage am

erhaltene

Kartausenmuseum Buxheim An der Kartause 15 87440 Buxheim Tel. 08331/61804 E-Mail: info@heimatdienst-buxheim.de www.heimatdienst-buxheim.de

im

frühen 15. Jahrhundert in der

22. und 23. Juni ein Meer von Blü-

deutschsprachigen Raum, angebo-

Kartausenanlage

Pfarrkirche. Für das Jahr 2013 wur-

ten in der Kartause bewundern.

ten (Eintritt: 6,50 Euro pro Person).

de wieder ein umfangreiches Kul-

Das gesamte Programm ist auf der

Eine Voranmeldung ist nicht erfor-

turprogramm entwickelt: So kann

Internetseite der Kartause Buxheim

derlich. Beeindruckend anzusehen

man zum »Sommerabend im Mu-

zu finden.

(red)

Anzeige

Foto: Heimatdienst Buxheim e.V.

Betender Kartäuser im barocken Chorgestühl von Ignaz Waibl

Alpsommer

&

Viehscheid 2013

67


Freizeit Mit Römern auf Entdeckungstour Kempten (Allgäu): Im Archäologi-

dem vierten Sonntag im Monat die

begeisterten Gruppen eine »Röme-

schen Park Cambodunum (APC)

Möglichkeit, sich von einer römi-

rin« oder ein »Römer« als Beglei-

in Kempten gibt es von Anfang Mai

schen Theatergruppe leiten zu las-

tung zur Seite gestellt. An jedem

bis Ende Oktober Führungen ganz

sen. Diese »entführt« die heutigen

dritten Sonntag im Monat kann ein

besonderer Art zu erleben: Statt mit

Besuchergruppen in voller »Rö-

spielkundiger, voll gewandeter

einem »normalen« Führer, der die

mermontur« mit Spielszenen an

»Römer« auch die Betreuung von

Geschichte der einstigen Römer-

verschiedenen Stationen im Ar-

Kindern übernehmen. Die Füh-

stadt erklärt, über das Forum oder

chäologischen Park in den Alltag

rungen im Archäologischen Park

den Tempelbezirk zu gehen, gibt es

vor 2000 Jahren. An jedem zweiten

Cambodunum (APC) beginnen je-

für die Besucher ab 1. Mai an je-

Sonntag im Monat wird geschichts-

weils um 11 Uhr.

(red)

Kurz und wichtig Foto: Stadt Kempten (Allgäu)

Archäologischer Park Cambodunum (APC) Hauptkasse und Tempelbezirk Cambodunumweg 3 87437 Kempten Info und Führungen: Tel. 0831/2525-369 E-Mail: museen@kempten.de www.kempten.de Römische Theatergruppen bringen den Besuchern des Archäologischen Parks Cambodunum (APC) die Geschichte näher

Kurz und wichtig Villa Jauss Fuggerpark 7 87561 Oberstdorf Tel. 08322/940266 www.villa-jauss.de

68

Foto: Lala-Aufsberg-Archiv Heimatbund Allgäu e.V.

»Kirchturm-Idyllen« von Lala Aufsberg

Drei junge Allgäuer Frauen auf dem Weg zum Trachtenfest in Altstädten, fotografiert von Lala Aufsberg im Jahr 1939, zu sehen in der Ausstellung »... über die Dörfer«

Oberstdorf: Die Allgäuer Fotogra-

einer verschworenen menschlichen

fin Lala Aufsberg war Weltreisende,

Gemeinschaft ist Mittelpunkt der

Workaholic und vor allem eine lei-

Schau, die eine Auswahl von Bil-

denschaftliche Chronistin ihrer

dern aus dem Lala-Aufsberg-Ar-

Heimat. Unter dem Titel »... über

chiv des Heimatbundes Allgäu

die Dörfer – Idyllen zwischen An-

zeigt. Die Fotos der Ausnahmefoto-

ger und Kirchturm« können die

grafin sind zwischen den 1930er-

Besucher der Fotoschau über die

und 1950er-Jahren entstanden. Mit

Fotokünstlerin vom 8. Juni bis

großformatigen Bild-Inszenierun-

7. Juli in der Villa Jauss in Oberst-

gen und einer Serie klassischer

dorf sie bei ihren Motiv-Streifzü-

Schwarz-Weiß-Abzüge von Lala

gen begleiten. Das Allgäuer Dorf

Aufsbergs Originalnegativen lässt

als Mikrokosmos, als Ort der Ge-

die Bilderschau ein Stück Allgäuer

borgenheit und als Lebensraum

Geschichte lebendig werden. (red)

Alpsommer

&

Viehscheid 2013


Freizeit Reise ins Herz des Grünten Burgberg: Mit Aktions- und The-

zahlreiche Informationen über die

mentagen startet die »Erzgruben-

Geologie des Grünten und des All-

Erlebniswelt am Grünten« in die

gäus, den Eisenerz-Bergbau in ver-

neue Saison. Bei Familientagen mit

gangenen Jahrhunderten, über die

»Grubi-Olympiade«, den Schau-

Verhüttung bis hin zur altherge-

schmiedetagen, Nachtwanderun-

brachten Schmiedekunst. Danach

gen, Former- und Gießerkursen

führt die Tour bis hinein ins Innere

wird den Besuchern die vielfältige

des Grünten. Bei einer zweistündi-

Bergbaugeschichte am Grünten

gen geführten Rundwanderung

nahegebracht. Mit dem Erzgruben-

geht es über alte Grubenanlagen

bähnle geht es von Burgberg hinauf

wie zum Beispiel die »Theresien-

zum Museumsdorf. Dort gibt es

grube«.

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Foto: Erzgruben-Erlebniswelt

(red)

Die »Grubis« erzählen vom früheren Leben und Arbeiten der Bergknappen und geben alte Sagen vom Venedigermännle oder vom Goldbrünnele preis

Artisten und Gaukler erobern die Stadt Immenstadt: Vom 12. bis 14. Juli belebt das Festival »Jahrmarkt der Träume« aufs Neue das Immenstädter Foto: Petra Raith

Stadtzentrum. Straßenmusiker, Artisten und Clowns zeigen dann Kunststücke und Zaubertricks. Am 12. Juli heißt es um 20 Uhr Vorhang auf für die »Nacht der Träume« mit einem UnterhaltungsproZahlreiche Artisten sind beim Jahrmarkt der Träume zu sehen (oben Stelzen läuferin Petra Raith beim Festival 2010)

Kurz und wichtig Stadtverwaltung Immenstadt Referat Kultur- und Eventmanagement Marienplatz 3-4 87509 Immenstadt i. Allgäu Tel. 08323/9988542 Fax 08323/99886542 E-Mail: info@immenstadt.de www.gauklerfestival-immenstadt.de

gramm in der Hofgarten-Stadthalle. Zahlreiche Künstler verwandeln am 13. Juli von 14 bis 24 Uhr und am 14. Juli von 11 bis 18 Uhr die Plätze und Gassen der Stadt in ein magisches Freilufttheater. Im Klostergarten erwartet die Kinder am gesamten Wochenende ein lustiges und buntes Mitmach-Programm. Seit 1990 findet in Immenstadt bereits zum 7. Mal ein ganzes Wochenende lang dieses große Gauklerspektakel statt. Zum Programm des Festivals gehört darüber hinaus ein großer Kunst- und Handwerkermarkt.

(red) 69


Freizeit Regionale Gerichte sind in aller Munde Diepolz: Passend zum Jahresthema

nungen mit der Allgäuer Küche«.

der »typischen« Allgäuer Speziali-

»Essen und Trinken« zeigt das

Ob Zwiebelrostbraten und Kraut-

täten ist lang. Von ganz persönli-

Bergbauernmuseum in Diepolz

krapfen, Weißlacker und Gschwol-

chem Zungenglück und Gaumen-

vom 15. Juli bis 3. November die

lene, Pfannkuchen, Zwetschgen-

qualen erzählen Allgäuer in der

Sonderausstellung »Von Kässpat-

datschi oder natürlich die unver-

Ausstellung.

zen und Döner-Buden – Begeg-

meidlichen Kässpatzen: Die Liste

und Gastarbeiter berichten von

Heimatvertriebene

kulinarischen Neuheiten, die mit ihnen eingewandert sind. Und schließlich kann sich auch das Allgäu der Globalisierung nicht entziehen, wenn überall Espresso kredenzt und Garnelen auf Rucola serviert werden. Ihren Höhepunkt findet die Ausstellung beim Aktionstag »Essen und Trinken im Allgäu« am 28. Juli von 10 bis 18 Uhr mit umfangreichem Programm rund

Foto: Claudia Chauvin, Riedis

um den Gaumen.

(red)

Von Zwiebelrostbraten bis Schupfnudeln (links) – in der Sonderausstellung im Bergbauernmuseum dreht sich alles um die regionale Küche des Allgäus

Europas höchste Fotoausstellung Oberstdorf: Im Mittelpunkt des

Auf verschiedenen Fotowanderun-

»Suchers« beim 1. Oberstdorfer

gen können sich Interessierte direkt

Fotogipfel von 19. bis 25. Mai ste-

auf Motivsuche begeben. Live-Jazz,

hen Leben, Natur und Brauchtum

eine Fotobörse und eine Fotovisi-

rund um den südlichsten Ort

onsshow machen den 1. Oberst-

Deutschlands.

Ausdrucksstarke

dorfer Fotogipfel zu einem span-

Portraits, Landschaftsaufnahmen

nenden Ereignis für alle Fans der

und weitere kunstvolle Fotografien

Fotografie.

(red)

werden bei den insgesamt drei AusFoto: Tourismus Oberstdorf

stellungen renommierter Fotokünstler ins rechte Licht gerückt. Namenhafte Dozenten der Fotoszene lassen bei ihren Seminaren Hobby- und Profifotografen an den Oberstdorf hält für Fotografen viele Motive parat: Wie man zum Beispiel die Heini-Klopfer-Skiflugschanze am besten in Szene setzt, wird beim 1. Oberstdorfer Fotogipfel demonstriert

70

Auslöser und zeigen, wie außergewöhnliche Bilder entstehen und digital bearbeitet werden können.

Kurz und wichtig Tourismus Oberstdorf Fotogipfel Oberstdorf Prinzregenten-Platz 1 87561 Oberstdorf Tel. 08322/700-264 Fax 08322/700-266 E-Mail: info@fotogipfel-oberstdorf.de www.fotogipfel-oberstdorf.de


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Freizeit Hoch hinaus und flott ins Tal Immenstadt: Zu den besten Frei-

der Bergstation der Sesselbahn

Kletterwald Bärenfalle, Bayerns

zeittipps für alle Sommerurlauber

direkt zum »Rodelwirt« neben der

größtem Hochseilgarten. Er bietet

im Allgäu zählen die Anlagen der

Talstation. Beim Nachtrodeln vom

170 verschiedene Herausforderun-

Alpsee Bergwelt. Wer es rasant

26. Mai bis 9. Juni und vom 4. Juli

gen in 16 Parcours zwischen einem

mag, für den ist der »Alpsee Coas-

bis 8. September wird der Betrieb

und 15 Metern Höhe. Für weniger

ter« das Richtige. Auf drei Kilome-

dank Flutlichtanlage jeden Mitt-

aufregende Aktivitäten bietet das

tern Länge führt Deutschlands

woch und Samstag bis 22 Uhr ver-

gut ausgebaute Wanderwegenetz

längste Ganzjahres-Rodelbahn von

längert. Hoch hinaus geht es im

Erholung vom Alltag.

(red)

Raser im Allgäu: Durch 68 Kurven und über 23 Wellen führt der »Alpsee Coaster« ins Tal

Kurz und wichtig

Foto: Alpsee Bergwelt

Alpsee Bergwelt GmbH & Co. KG Ratholz 24 87509 Immenstadt Info-Telefon: 08325/252 Tel. (Büro) 08323/960580 Fax 08325/927693 E-Mail: info@alpsee-bergwelt.de www.alpsee-bergwelt.de

Allgäu im Finale der nachhaltigsten Regionen Das Allgäu steht im Finale des deutschlandweiten Wettbewerbes um den Titel der nachhaltigsten Tourismusregion 2012/2013, der Mitte Mai vergeben wird

Alle Bewerber in der Konkurrenz der nachhaltigen Tourismusregionen unter www.bundeswettbewerbtourismusregionen.de

72

Foto: Allgäu GmbH

Kurz und wichtig

Berlin: Das Allgäu, der Bayerische

gionen war erstmals gemeinsam

Wald, die Insel Juist, der Schwarz-

vom Bundesumweltministerium,

wald und die Uckermark haben es

dem Bundesamt für Naturschutz

in die Endrunde des Bundeswett-

(BfN) und dem Deutschen Touris-

bewerbes für nachhaltige Touris-

musverband e.V. (DTV) ausge-

musregionen 2012/2013 geschafft.

schrieben worden. Nachdem sich

34 Bewerber aus ganz Deutschland

eine Expertenjury Mitte April vor

waren hierfür anhand von 50 Kri-

Ort ein Bild von den Finalisten ge-

terien beurteilt worden. Punkte gab

macht hat, wird die Siegerregion

es zum Beispiel für die Förderung

Mitte Mai bekannt gegeben. Ziel

von Energiesparmaßnahmen und

des Wettbewerbes ist, das Engage-

nachhaltiger Mobilität vor Ort, die

ment für einen nachhaltigen Tou-

Stärkung regionaler Wirtschafts-

rismus in den Regionen zu stärken

kreisläufe und Kultur. Der Wettbe-

und sie als attraktive Reiseziele

werb für nachhaltige Tourismusre-

breiter bekannt zu machen. (red)

Alpsommer

&

Viehscheid 2013


Freizeit Bauernhaus-Museum feiert alte Klänge und Künste Wolfegg: Zwei spezielle Höhe-

Workshops ein umfangreiches Pro-

punkte hat das Bauernhaus-Mu-

gramm geboten wird. Am 29. und

seum Wolfegg Ende Juni und Ende

30. Juni wird so der Bedeutung und

August jeweils zwei Tage lang zu

Herkunft von Musik als wesentli-

bieten. Am 29. Juni beginnt auf

chem Bestandteil der Gesellschaft

dem Gelände die Veranstaltung

nachgespürt. Auch wird die Frage

»Musik im Museum«, bei der von

erforscht, wie sie die Kultur Ober-

musikalischen Darbietungen bis zu

schwabens geprägt und geformt

Eine Entdeckungsreise zu alten, oft vergessenen Handwerken bietet das Museumsfest mit zahlreichen Vorführungen

hat. Den Auftakt macht am 29. Juni um 17 Uhr der Männerchor des Oberschwäbischen ChorverbanFotos: Gottfried Brauchle; Bauernhaus-Museum Wolfegg

des, am 30. Juni gibt es unter anderem Bodypercussion, Tanz und die Vertonung von Allgäuer Sagen zu erleben. Am 31. August von 11 bis 18 Uhr und am 1. September von

Kurz und wichtig

10 bis 18 Uhr gibt sich eine Vielzahl

Bauernhaus-Museum Wolfegg Vogter Straße 4 88364 Wolfegg Tel. 07527/95500 Fax 07527/955010 E-Mail: info@bauernhaus-museum.de www.bauernhaus-museum.de

von Handwerkern beim Museumsfest die Ehre und zeigt vergessene Handwerkskünste. Außerdem finden Vorführungen mit Bauerngruppen, Musik, Tanz und ein Kinderprogramm statt.

Ende Juni werden in Wolfegg sowohl alte als auch neue Klänge erforscht

(red)

Oberjoch: Am 8. September findet

nem kleinen Markt die Zutaten für

auf dem Dorfplatz in Oberjoch von

die angebotenen Speisen erhalten

11 bis 17 Uhr zum ersten Mal der

können. Es werden ausschließlich

»Allgäuer Genusstisch« statt, bei

frisch zubereitete einheimische

dem traditionelle Allgäuer Spezia-

Mahlzeiten angeboten – Kraut-

litäten zum Probieren und (Wie-

krapfen, Brenntar, Allgäuer Wurst-

der-)Entdecken angeboten werden.

salat oder andere typische Gerichte.

Regionale Geschäfte und Wirte in-

Dazu gibt es frisch gezapftes Bier.

formieren und verwöhnen vor Ort

Außerdem wird an den Ständen die

mit leckeren Gerichten. Auf diese

Zubereitung für zu Hause erläutert.

Weise soll Gästen, aber auch den

Der »Allgäuer Genusstisch« ist eine

Allgäuern selbst die bodenständige

Einrichtung Firma aurelia Allgäuer

und herzhafte lokale Küche näher-

Naturprodukte in Weiler-Simmer-

gebracht werden. Die Besucher sol-

berg, die sich der Bewahrung klas-

len die Gerichte in kleinen Portio-

sischer Nahrungsmittel aus der Re-

nen kosten und gleichzeitig auf ei-

gion gewidmet hat.

Alpsommer

&

Viehscheid 2013

Foto: Aurelia Nachbaur

Auf dem Dorfplatz Spezialitäten genießen

Im Herbst lädt der »Allgäuer Genusstisch« in Oberjoch zum Genießen ein Anzeige

(red) 73


Alpnamen

Oben: Die Alpe Schlappold am Fellhorn bei Oberstdorf auf 1760 Metern Höhe ist die größte und höchstgelegene Sennalpe Deutschlands

Zwischen Gaißbichel und Zweifelsgehren Jedes Jahr werden rund 30.000 Rinder auf die Alpen im Allgäu getrieben. Wo die Wurzeln für deren Namen liegen, ist heute oft nicht mehr ersichtlich. In seiner Sammlung »Allgäuer Alpnamen« aus dem Kunstverlag Josef Fink hat Thaddäus Steiner die Namen noch bestehender und bereits aufgegebener Alpen erforscht. Wir stellen einige Beispiele vor

Buralp

Roggental

Gemeinde Aach, jetzt Gemeinde Oberstaufen (Oberallgäu): Der Name deutet sich als »Alpe mit einem besonderen Wirtschaftsgebäude«, von althochdeutsch būr: »Haus besonderer Art«.

Forstbezirk Schwangau (Ostallgäu): Hier liegt der Ursprung des Alpnamens etwas verborgener. Die Benennung stammt von »felsiges Tal«, zu römisch »rocca«, der Fels.

Gaißbichel

Schlappold

Am Tannberg (Vorarlberg): Hier ergibt sich der Name schlicht und einfach aus der (ursprünglichen) Nutzung, wie bei vielen anderen Allgäuer Alpen auch: »Hügel, an dem die Geißen weiden«.

Gemeinde Oberstdorf (Oberallgäu): Die Herkunft dieser Alp-Bezeichnung lässt sich zweifach deuten: Entweder wurde sie assimiliert aus »slatmolt« (Sumpfboden) oder hat eventuell sogar einen Wort-Ursprung, der zurück bis ins Vordeutsche reicht.

Hittenliten

Foto: Mit freundlicher Genehmigung des Kunstverlags Josef Fink

Stuiben Alp-Forschung mit System Das umfassende Nach schlagewerk »Allgäuer Alpnamen« von Thaddäus Steiner umfasst 180 Seiten und zahlreiche Fotos. Kar toniert, Preis 14,80 Euro. Der Band ist erhältlich unter der Best.-Nr. 241 bei EDITION ALLGÄU, Lachener Weg 2, 87509 ImmenstadtWerdenstein, Tel. 08379/728616, Fax 08379/728018; Online-Shop: www.heimat-allgaeu.info

Kleinwalsertal (Vorarlberg): Für die Herkunft dieses Alpnamens gibt es zwei Deutungsmöglichkeiten: Entweder bezieht er sich auf Bergabhänge, an denen eine (oder mehrere) Hütte(n) stehen. Oder es handelt sich um die »Leite des Hitto«. Als Vergleich kann hier der Ortsname Hüttenberg in der Gemeinde Blaichach herangezogen werden (ca. 1340): »Hittenberg« meint den »Berg des Hitto«.

Ornach Gemeinde Bolsterlang (Oberallgäu): Bei der Alpe oberhalb von Bolsterlang im Oberallgäu leitet sich der Name wie bei vielen anderen Beispielen auch aus der Natur ab: Er bezeichnet die Mengenform zu »Orne« (Ahorn).

Teils Gemeinde Bad Hindelang, teils Tannheimer Tal, Gemeinde Schattwald (Tirol): Der Name dieser Alpe leitet sich her vom Begriff »Stäuber« (entweder vom Bach mit Wasserfall oder vom benachbarten Berg ausgehend).

Zweifel(s)gehren Gemeinde Burgberg (Oberallgäu): Ursprünglich Teil der Alpe Grünten. Die historische Herkunft dieses Namens erschließt sich wie folgt: »Gehren [ein keilförmig zulaufendes Stück Land, Anm. d. Red.], über den ‚Zwiefalt’, d.h. Zwiespältigkeit, Streit besteht« (zwischen der Alpe Grünten und der Gemeinde Burgberg). • Marius Lechler

Alpsommer

&

Viehscheid 2013


Anzeigen

Alpsommer

&

Viehscheid 2013

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Kräuterland

Heilsames Grün im Allgäu neu entdeckt Die positive Wirkung von Kräutern zeigt sich während des Alpsommers nicht nur in der Qualität der Milch, die die Kühe geben, die sich von den Pflanzen auf den Alpweiden ernähren. Der Verein Allgäuer Kräuterland e.V. hat sich zur Aufgabe gemacht, altes Wissen über einheimische Kräuter neu zu beleben und zu vermitteln

Fotos: Designgruppe Koop; Tourismusverband Tannheimer Tal

D

Ganz oben: Kräuterboschen in Niedersonthofen, oben ein Steinbeet im Kräuterdorf Jungholz, das das einzige seiner Art im österreichischen Bundesland Tirol ist

Pflanzen-Schau im Schloss Vom 27. April bis 7. Mai ist im Schloss Immenstadt die Wanderausstellung »Wild wuchs – Allgäuer Kräuter im Wandel der Zeit« zu sehen. Der 1. Allgäuer Wildkräuterkongress findet dort am 27. und 28. April statt.

76

Informationen unter: Verein Allgäuer Kräuter land e.V., Geschäftsstelle Nadenberg 13, 88161 Lindenberg im Allgäu, Tel. 01803/572883, E-Mail: info@allgaeuer-kraeuterland.de, www.allgaeuer-kraeuterland.de

er Verein wurde im Jahr 2001 gegründet und zählt derzeit 620 Mitglieder in ganz Deutschland, in Vorarlberg sowie in der Schweiz hat, wobei die meisten aus dem gesamten Allgäu kommen. Er bezweckt mit seiner Arbeit unter anderem, den Schutz und die Pflege besonders erhaltenswerter Standorte, an denen einheimische Wildkräuter zu finden sind, voranzutreiben und diese somit zu bewahren. Unter dem Motto »Wir machen das Allgäu farbig« wollen die Mitglieder des Vereins Allgäuer Kräuterland den Umgang mit Kräutern in allen Bereichen des Lebens zum Wohlergehen von Mensch und Natur vertiefen, wie Christine Giera erklärt, die unter anderem die Geschäftsstelle des Zusammenschlusses organisiert. Ein weiteres Anliegen des Vereins, das damit zusammenhängt, ist die Förderung der Artenvielfalt in der Region Allgäu. Dazu gehören auch fachliche Beratung für Kräuterinteressierte, tatkräftige Unterstützung beim Anbau von einheimischen Kräutern und Wildkräutern sowie Fortbildungen, Seminare und praktische Workshops. Ein besonders beliebtes Angebot sind die Kräuterführungen zu verschiedenen Themen wie »Zauberkräuter für Kinder«, bei denen kleinen Wanderern die Wunder der Natur in Form der grünen Begleiter am Wegesrand nähergebracht werden, »Kräuter des Sommers« oder »Alpen- und Bergkräuter«.

Alpsommer

&

Viehscheid 2013


Oben: Besucher entdecken die Erlebnisausstellung »Wildwuchs«, unten der Schauraum zu Kräutern auf der Roten Liste

Auf dem Herd und im Museum Zu den Spezialisten des Vereins gehören derzeit auch mindestens 100 aktive Wildkräuterfrauen aus dem gesamten Allgäu, die ihr teilweise über Generationen gesammeltes Wissen weitergeben und Kurse, Kräuterprodukte, Urlaub auf dem Kräuterlandhof und mehr anbieteten. Doch diese besonders Kräuterkundigen halten nicht nur Vorträge – darunter sind zum Teil überregional bekannte Kräuterexperten als Referenten wie die Allgäuer Autoren Susanne Fischer-Rizzi und Wolf-Dieter Storl – oder nehmen mit den Mitgliedern des Zusammenschlusses an Kräutermärkten teil. Die in Lindenberg/Westallgäu ansässige Anlaufstelle bietet auch Kochkurse mit Wildkräutern an. Eine ganz andere Verwendungsmöglichkeit für die Pflanzen wird in der Wanderausstellung »Wildwuchs« gezeigt, die als Gemeinschaftsprojekt des Vereins Allgäuer Kräuterland mit dem Allgäuer Bergbauernmuseum in Diepolz konzipiert wurde. Hier hat der Verein sein Wissen für die Besucher der Schau unmittelbar erfahrbar gemacht: Sie können an Erlebnisstationen tasten, hören, schmecken, sehen und fühlen, welchen Einfluss Kräuter, die von alters her eine wichtige Rolle in der Heilkunde spielen, auf Sinne und Seele haben. Noch bietet das Allgäu eine große Vielfalt dieser Pflanzen, von denen viele mittlerweile auf der Roten Liste stehen. Ziel der Ausstellung, die interessante Fakten

Alpsommer

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Viehscheid 2013

Fotos: Allgäuer Bergbauernmuseum Diepolz; Gästeinformation Waltenhofen

Fotos: Gästeamt Stiefenhofen/Thomas Gretler; Verein Allgäuer Kräuterland e.V.

Links: Der Allgäuer Kräutergarten »Artemisia« in Stiefenhofen soll ein Ort der Begegnung zwischen den Menschen und den alten heimischen Heilpflanzen sein

zur Kräutergeschichte vorstellt und den Besuchern auch weniger bekannte Aspekte dieser Pflanzen näherbringt, ist es, den Respekt und die Wertschätzung gegenüber Wildkräutern als wichtigem Bestandteil der Natur zu fördern. Die Wanderausstellung macht vom 27. April bis zum 7. Mai im Schloss Immenstadt Station.

Oben: Auch im Bergbauernmuseum Diepolz wird ein Garten mit Allgäuer Kräutern gepflegt

Kongress und Kräuterdörfer Das aktuellste Projekt des Vereins ist der 1. Allgäuer Wildkräuterkongress am 27. und 28. April, ebenfalls im Schloss Immenstadt. Neben Fachvorträgen und praktischen Workshops, in denen zum Beispiel Salben und Balsame hergestellt werden, wird dort auch ein Pflanzenmusical aufgeführt. Über die Tätigkeit des Vereins hinaus reichen die Aktivitäten der von »Allgäuer Kräuterland« zertifizierten Kräuterdörfer, von denen es in der Region Allgäu drei gibt: Niedersonthofen, Stiefenhofen und Jungholz (der in einer österreichischen Enklave liegende Ort Jungholz ist gleichzeitig einziges Kräuterdorf Tirols). Die Gästeinformationen bieten hier den Besuchern Kurse und Kräuterwanderungen an. Dies alles im Namen der Natur, um den Menschen, die das Allgäu erleben wollen, eine intakte Flora mit einem vielfältigen Angebot an Kräutern präsentieren zu können. • Marius Lechler 77


Medien

Leichte Wanderungen

erfordern keine alpinen Höchstleis-

der DVD »Karls Käs« ist auch die

Genusstouren im Allgäu, Klein-

tungen oder extreme Kondition. Im

CD »Bitte sag nie Tschüß zu mir«

walsertal und Tannheimer Tal

Buch schwarz markierte Touren

von Karl Gehring und den »Wild

verlangen ein wenig mehr Ausdauer.

Bend Dogs« erhältlich.

42 Strecken zwischen Oberstdorf

Das Buch deckt neben Ober-, West-

und Füssen hat Gerald Schwabe auf

und Ostallgäu auch das Tannheimer

Ein Film von Martin Kilger,

rund 150 Seiten gesammelt. Dies

Tal und das Kleinwalsertal ab.

DVD-Video, Spieldauer: 43 Mi-

reicht von Spaziergängen über Alp-

nuten, Extras (u.a.): Interview

hütten-Ausflüge bis zu Gipfeltouren.

Von Gerald Schwabe, ca. 150

mit Demeter-Bäuerin Susanne

Unter meist zwei- bis vierstündigen,

Seiten, mit rund 100 Farbabbil-

Schwärzler, Livemusik von Karl

leichten und mittelschweren Wan-

dungen, kartoniert, Preis: 14,90

und den Wild Bend Dogs, Preis:

derungen finden sich Tourentipps

Euro, ISBN 978-3-7633-3088-1,

15,- Euro, erhältlich unter

zu Aussichtsgipfeln mit relativ kur-

Bergverlag Rother, München 2013

http://shop.kilgermedia.de

zem Anstieg, Moor-Rundwege oder Talwanderungen entlang von Berg-

Allgäu

bächen zu Berghütten. Die Strecken

Mit Neuschwanstein, Oberschwaben und Allgäuer Alpen

Buchtipp Allgäu-Reiseführer gibt es zuhauf, in vielen wird die Region jedoch nicht entsprechend wiedergegeben.

Carl Hirnbein

Karls Käs

Der über 300-seitige Band aus dem

Der Allgäu-Pionier

»Es kommt nicht auf die

Trescher Verlag überrascht mit

Minute an – es muss passen«

Tiefgang und vielen Informationen aus Kultur, Kulinarik und Natur.

Auf Filmemacher und Autor Leo Hiemer übte Carl Hirnbein, der

Es ist schwer, ein »Allgäuer Origi-

Neben Offensichtlichem – Kühe,

einen starken Einfluss auf die Entwicklung des Allgäus zur

nal« in einem Film authentisch und

Käse, Berge, Brauchtum – wird

»Käseregion« hatte, schon lange eine besondere Faszination aus.

ohne Klischees wiederzugeben. Der

auch Interessantes jenseits von Tou-

Seine Recherchen räumen mit liebgewonnenen Klischees über

Dokumentation »Karls Käs« über

ristik-Klischees vorgestellt: Allgäuer

den Erneuerer der Allgäuer Landwirtschaft auf, der mit der

Karl Gehring, den Betreiber der

Rezepte stehen neben Historischem,

Einführung der Weichkäse-Produktion in der Region eine Pio-

Kappeler Alp bei Pfronten im

Ausflugs- und Wandertipps für

nierleistung vollbrachte. In »Carl Hirnbein – Der Allgäu-

Ostallgäu, gelingt das aber ausge-

Familien.

Pionier« wird der Gutsbesitzer und Abgeordnete, der zugleich

zeichnet. Karl, Alphirt, Wirt und ein

Stadtpläne

fortschrittlicher Denker war, neu betrachtet. Sein Engagement

ganz spezieller Typ, erzählt vom All-

und Über-

für eine deutsche Republik brachte ihn in Widerspruch zum

tag auf 1350 Metern Höhe. Der Le-

sichtskarten

bayerischen Königreich. Auch Hirnbeins leidenschaftliche För -

benskünstler und Musiker lässt die

runden das

derung des Tourismus im Allgäu greift der Autor auf. So wird

Zuschauer teilhaben an einer spe-

Werk ab.

die Hirnbein-Biografie von Leo Hiemer zur soliden Grundlage

ziellen Art der Bergkäseherstellung

für die Forschung und zugleich zur spannenden Lektüre.

auf der Alpe. Schritt für Schritt wird

Von Doris

aus der Rohmilch ein Käselaib, dem

Wiedemann, 312 Seiten,

Von Leo Hiemer, 176 Seiten, zahlreiche Fotos und Illus-

man hinterher ansehen muss, dass

200 Farbfotos und Abbildungen,

trationen, Hardcover, Preis: 24,80 Euro, Best.-Nr. 046, zu

er wie früher vom Älpler selbst ge-

28 Stadtpläne und Übersichts-

beziehen bei EDITION ALLGÄU, Lachener Weg 2,

macht wurde. Die 45-minütige Do-

karten, farbige Klappkarten,

87509 Immenstadt-Werdenstein, Tel. 08379/728616,

kumentation zeigt einen faszinie-

broschiert, Preis: 14,95 Euro,

Fax 08379/728018, www.heimat-allgaeu.info

renden Menschen, für den das Wort

ISBN 978-3-89794-217-2,

»Unikum« wirklich passt. Neben

Trescher Verlag, Berlin 2013

78

Alpsommer

&

Viehscheid 2013


Einblicke in unser Shop-Sortiment

Bestell-Nr. Euro Bildbände Naturpark Nagelfluhkette Lala Aufsberg – Historische Bilder aus dem Allgäu Leo Schnellbach – Allgäuer Bergsommer Allgäu-Panoramen – Gerald Schwabe Allgäu-Bildband – Gerald Schwabe Kunstwerk Alpen

026 029 034 352 395 400

24,80 24,80 24,80 12,75 19,95 49,90

Romane & Krimis Liebe Furcht Vergänglichkeit Grünten-Mord Ifenfeuer Schutzpatron – Kluftingers sechster Fall Inningers Testament Falkenjagd Rosskur

043 244 247 351 392 402 407

12,80 14,80 14,80 19,95 14,90 8,99 9,99

Geschichtliches & Erzählungen Bergsommer: Mein Jahr als Hirt, Wirt und Senn Staatsschutzsache: Verschwörung Alpenbund Carl Hirnbein – Der Allgäu-Pionier Damals im Oberallgäu Tiroler Wanderhändler Die Dampflokzeit in Schwaben Matthäus Klöpf – Der Mann im Moos

044 045 046 313 383 384 393

12,80 12,80 19,80 19,90 29,95 19,95 9,90

Dialekt & Humor Ma schwätzt ja bloß Allerhand und Duranand Ma sott lache Schwäbisches Wörterbüchle Lachendes Allgäu Allgäuerisch von A bis Z Die Allgäuer Liebeserklärung

289 294 296 302 309 314 372

11,70 11,70 11,70 10,10 10,10 15,00 11,70

Kochen & Genießen Allgäuer Käse-Küche Allgäuer Kochbüchle D’ schwäbisch’ Kuche Mahlzeit! Das Kluftinger Kochbuch Hunger ist der beste Koch

260 261 277 349 414

14,80 11,80 12,80 19,95 11,70

Bestell-Nr. Euro Wandern im Allgäu Alpenüberquerung Oberstdorf-Meran Von Hütte zu Hütte Allgäuer Hüttenbuch Allgäuer Gipfelbuch Urige Einkehr quer durchs Allgäu Allgäuer Bergnamen Allgäuer Bergfieber Das große Familienwanderbuch Allgäu Die schönsten Wanderungen zu Burg, Käse und Alp Panoramawege zwischen Allgäu und Berchtesgaden Oberallgäu und Kleinwalsertal Bruckmanns Wanderführer – Maximiliansweg Alpenblick und Schwabenmeer Wanderungen im Oberallgäu – 32 Tourenkarten Leicht Bergauf – Die schönsten Wanderungen Hüttenwandern – Allgäuer und Lechtaler Alpen

215 216 217 218 234 242 321 337 339 341 342 344 355 387 397 398

8,50 9,90 13,90 11,80 6,80 14,80 24,95 19,95 12,95 19,95 12,95 12,95 5,95 9,95 14,95 19,95

Kalender Allgäu Bild-Kalender 2014 Panoramakalender »Allgäuer Ansichten 2014« Original Kuh-Kalender 2014 Zeitloses Allgäu Schwäbische Kochrezepte Allgäuer Heimatkalender 2014

011 012 013 258 290 318

12,80 24,80 12,80 19,95 5,00 3,90

Zeitschriften »wandern & genießen« Probeheft »HEIMAT ALLGÄU« Probeheft »allgäu ALTERNATIV«

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EDITION ALLGÄU


Alpsommer-Film

Zwei Allgäuer Damen und ihr Weg zum Film Dass ihre Rinder Starqualitäten haben, ist den Landwirten im Allgäu wohl sicher schon lange klar. Zieht doch der Abschluss des Alpsommers mit seinen zahlreichen Viehscheiden regelmäßig Fernsehteams nicht nur aus Bayern an. Dass zwei der braunbefellten Schönheiten jedoch zu wahren »Filmstars« aufsteigen, ist aber doch eher ungewöhnlich. Wir werfen einen Blick hinter die Kulissen dieser Produktion

Ganz oben: Die beiden weiblichen »Stars« in »Mit Fell und Horn am Fellhorn« von Matthias Siegle lassen es sich auf der Alpe Bierenwang gutgehen. Oben: das Filmplakat zu der Produktion der Filmakademie Baden-Württemberg

80

D

er Filmemacher Matthias Siegle wollte dem Abschlussfilm, der sein Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg krönen sollte, ein Thema geben, dass seiner Leidenschaft als Tier-Dokumentarfilmer entsprach. So entstand die Idee, das Leben zweier Jungrinder auf einer Oberallgäuer Alpe zu »portraitieren«, ihren Sommer am Berg bis hin zum Viehscheid zu begleiten und die zwei tierischen »Stars« als Hauptdarsteller der Produktion auftreten zu lassen. Menschen spielen nur die zweite Geige – hier geht es um die Kuh. Das Konzept für »Mit Fell und Horn am Fellhorn – Zwei Jungrinder und ihr Sommer« stand, und so machten sich Diplom-Biologe Matthias Siegle und sein Team 2011 kurz vor Beginn des Alpauftriebes auf den Weg nach Oberstdorf. Seine beiden »leading ladies« fand der Regisseur im Stall von Hans Wirth, dem Oberalpmeister in Oberstdorf. Die Kameras begleiten die zwei Rinderdamen, die laut Filmbeschreibung »durch nichts voneinander zu trennen sind«, in ihrer ersten Hauptrolle beim Auf-

trieb zur Alpe Bierenwang auf der breiten SüdostFlanke des Fellhorns. Dort setzt sich der Film schwerpunktmäßig mit dem Thema »Alpweiden als Kulturlandschaft« auseinander. Dem Zuschauer wird direkt vor Ort am Beispiels Kuh erklärt, dass diese Alpweiden nicht auf natürliche Weise, sondern erst durch Einwirkung der Rinder entstehen. So fressen die Tiere bestimmte Pflanzen, andere wiederum nicht. Darüber hinaus verdichten sie durch ihren Tritt den Boden, was sich auf die Kulturlandschaft sowie deren Bewohner auswirkt.

Tierische Abenteurer im Blick Matthias Siegle übernahm bei dem Film auf der Alpe Bierenwang auf 1737 Metern Höhe nicht nur Regie und Produktion, sondern führte auch die Kamera, um seinen behornten Damen ganz nah zu kommen. Er erzählt: »Die Dreharbeiten wurden entweder von mir al-

Alpsommer

&

Viehscheid 2013


Fotos: Christopher Lorenz, Vera Mayrhofer; Filmakademie Baden-Württemberg 2012

Oben: Andrang beim Viehscheid in Oberstdorf. Links und rechts: Auf den Sommerweiden der Alpe Bierenwang entdecken die Jungrinder Pflanzen wie die Silberdistel und zahlreiche Tiere wie zum Beispiel Murmeltiere. Unten: Matthias Siegle bei Dreharbeiten auf dem Oberstdorfer Scheidplatz

leine oder im Team mit zwei bis drei weiteren Studenten (für Kamera und Ton) von der Filmakademie Baden-Württemberg durchgeführt. Gedreht wurde mit einer HD-Kamera sowie einer HD-Fingerkamera und einer Zeitlupenkamera für Spezialaufnahmen.« Besondere Handlungsstränge wurden von dem Dokumentarfilmer eingearbeitet, um in »Mit Fell und Horn am Fellhorn« noch weitere Tiere vorzustellen, denen die beiden Jungrinder während ihrer Sommer-Abenteuer begegnen. So geraten unter anderem das Murmeltier, der alpine Gebirgsgrashüpfer, die Stubenfliege oder der Fichtenkreuzschnabel ins Visier der Kameralinse. Auch die Arbeit der Hirten wird vorgestellt, allerdings spielen Menschen in dieser Geschichte tatsächlich nur eine Nebenrolle. Neben dem informativen Aspekt seiner Dokumentation wollte Matthias Siegle den Humor nicht vergessen, daher ist er sowohl im Bild als auch im Spechertext ausreichend berücksichtigt – wie es zum Ton einer Entdeckungsreise zweier Jungrinder auf die Sommerweide passen sollte.

Alpsommer

&

Viehscheid 2013

Finale als ganz großes Kino Zum großen Finale mit den beiden wiederkäuenden »Akteurinnen« ließen es die Filmemacher dann – wie es sich für einen solchen Höhepunkt mit Actionszenen gehört – geradezu in Hollywood-Manier an nichts fehlen: »Der letzte Drehtag war der Viehscheid am 13. September 2011 in Oberstdorf, wobei für den Anfang und das Ende des Films noch Winterbilder kurz vor Weihnachten gedreht wurden«, gewährt Matthias Siegle einen Blick hinter die Kulissen. »Am Viehscheid wurden jedoch gleichzeitig drei HD-Kameras und ein Kamerakran eingesetzt«, fügt er hinzu. Genug Aufwand also, um nichts vom aufregenden Treiben beim krönenden Abschluss des Abenteuers für »seine« beiden Kühe zu verpassen. Seine Dokumentation »Mit Fell und Horn am Fellhorn« stellte Matthias Siegle im Jahr 2012 bereits auf mehreren Filmfestivals vor. Informationen über eine eventuelle TV-Ausstrahlung Marius Lechler gibt es jedoch noch nicht. • 81


Preisrätsel

An dieser Stelle finden Sie in unserer Printausgabe das Preisrätsel Das Gewinnspiel ist allen Lesern der Printausgabe vorbehalten. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir die Fragen nicht in der ePaper Version zur Verfügung stellen. Wenn Sie sich jedoch die Chance auf einen der Hauptgewinne sichern möchten, bestellen Sie jetzt die Alpsommer & Viehscheid Printausgabe unter: EDITION ALLGÄU Lachener Weg 2, 87509 Immenstadt-Werdenstein Tel. 08379/728616 Fax 08379/728018 info@heimat-allgaeu.info oder dirket in unserem Online-Shop www.heimat-allgaeu.info für nur 2,- Euro (zzgl. 1,45 Euro Versand)

Und das gibt’s zu gewinnen

1.Preis

1. Preis: Alpsommer-Wochenende auf der Alpe Obere Kalle bei Immenstadt im Allgäu für vier Personen. Enthalten sind zwei Übernachtungen mit Halbpension. Die Anreise erfolgt privat. Zur Verfügung gestellt von der Alpe Obere Kalle.

2. Preis: 2 Karten für die »Serenade in 2000 m Höhe«

Fotos: Christoffer Leitner; Alpe Obere Kalle; Photographie Monschau

beim Oberstdorfer Musiksommer 2014 am 5. August 2014 um 19 Uhr auf der Panorama-Terrasse der NebelhornbahnBergstation. Zur Verfügung gestellt vom Oberstdorfer Musiksommer.

3. Preis: 1 x ein Wellness-Paket für zwei in der Oberstdorf Therme: 2 x 4 Stunden Sauna und Therme, 2 x Massage zur Auswahl (25 Min. Relaxing- oder Rückenmassage) und 2 x Tages gericht im Restaurant. Zur Verfügung gestellt von der Oberstdorf Therme.

4. Preis: 2 x 2 Tageskarten für den »Allgäu Skyline Park« in Bad Wörishofen, der »beste Freizeitpark Bayerns« mit über 60 Attraktionen.

5. Preis: 5 x je ein Buch »Bergsommer – Mein Jahr als Hirt, Wirt und Senn« sowie 5 x je ein Buch »Carl Hirnbein – Der AllgäuPionier«, beide aktuell erschienen in der EDITION ALLGÄU.

82

2.Preis

3.Preis Alpsommer

&

Viehscheid 2012




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