Alpsommer & Viehscheid 2012 - Sonderausgabe von HEIMAT ALLGÄU

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SONDERHEFT

Schutzgebühr 4€

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Viehscheid 2012

Diskussion: Allgäuer Kühe mit oder ohne Horn? Hirtenleben: Auf dem Weg zum Viehscheid Alphorn: Einzigartiges Instrument der Berge



Fotos: Volker Wille, Bildkistl.com

Editorial

Einzigartig:

Sehen Sie das auch so?

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inzigartig. Wenn Bewohner des Allgäus über ihre Heimat sprechen, wird ihnen vielleicht dieser Begriff in den Sinn kommen, um die Region zu beschreiben. Die Menschen hier sind stolz auf ihre Bräuche und Feste, leben ihre Traditionen, sind aber auch offen für Neues. Jedes Jahr zieht das Allgäu zahlreiche Urlaubsgäste und Besucher von nah und fern an. Sie genießen die Schönheiten der Landschaft und die Gastfreundschaft der Einheimischen.

Wir stellen zwei Musikkapellen vor, die beim Scheid aufspielen. Zu einer vollständigen Tracht beim Viehscheid gehört immer auch ein prächtiger Gamsbart auf dem Hut. Otto Schall aus Oberstdorf ist der letzte Gamsbartbinder im Allgäu. Wir haben ihn besucht. Aber auch vor kontroversen Themen machen wir nicht halt: Wir lassen gegensätzliche Meinungen zu Wort kommen, ob Allgäuer Kühen ihre Hörner entfernt werden sollten oder nicht.

Besonders während des Alpsommers, den unsere Rinder auf den Alpen in Mittel- und Hochlagen verbringen, und in der darauffolgenden Viehscheid-Saison zeigt sich das Allgäu von seiner buntesten Seite. Die Viehscheide, bei denen die Tiere wieder ihren Besitzern übergeben werden, sind für die Region eine Zeit der Feste. Nur noch im Allgäu und in einigen Orten in Vorarlberg und Tirol hat sich der alte Brauch erhalten.

Einer unserer Fotografen begleitete den jungen Alphirten Christian Vu (21) von der Alp ins Tal. Er gibt einen Einblick in seine Arbeit für das Finale des Alpsommers. Außerdem hat der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Dieter Lattmann (86) für uns seine Erinnerungen an einen Sommer im Jahre 1975 auf einer Alpe bei Oberstaufen-Steibis aufgezeichnet, den er dort als Helfer verbrachte.

Zahlreiche Akteure und Helfer bauen die Gatter fürs Vieh auf. Andere errichten das Festzelt und dekorieren es. Wochenlang vorher haben Kunsthandwerker, Musikanten und Helfer gearbeitet und geprobt. Ohne sie wäre der traditionelle Höhepunkt am Ende eines erlebnisreichen Alpsommers nicht möglich. Sowohl die »große Freiheit« für das Jungvieh im Bergsommer als auch die Atmosphäre vor und während dem Viehscheid haben wir in dieser Zeitschrift für Sie festgehalten.

Wir laden Sie ein, das Allgäuer Brauchtum in seiner ganzen Vielfalt zu entdecken, einen tieferen Einblick in die Alpwirtschaft zu gewinnen oder sich einfach nur von unserer Region, den Menschen und den Tieren faszinieren zu lassen. Wir freuen uns, wenn auch Sie zum Schluss sagen: »Einzigartig...«

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Marius Lechler, Chefredakteur

Ihr Marius Lechler 3


Inhalt

Impressum Verlag und Herstellung Verlag HEPHAISTOS, EDITION ALLGÄU 87509 ImmenstadtWerdenstein Tel. 08379/728616 Fax 08379/728018 info@heimat-allgaeu.info www.heimat-allgaeu.info facebook.de/allgaeu.braunvieh

Redaktion Marius Lechler (v.i.S.d.P.), Viola Elgaß, Martina Michl, Ilka Schöning, Volker Wille Tel. 08379/728616, E-Mail: info@heimat-allgaeu.info

Mitarbeit Marion Bässler, Annette Müller Gekennzeichnete Beiträge stellen die Meinung des Verfassers, nicht aber des Verlages dar.

Layout Bianca Elgaß, Ramona Klein, Dominik Ultes

Anzeigen Sven Abend (Ltg.), Sonja Sprinkart Tel. 08379/728616; gültige Anzeigenpreisliste: 1/2012

Bankverbindung Verlag In Deutschland: Raiffeisenbank OberallgäuSüd eG, Konto 7282770, BLZ 73369920 IBAN (Intern. Bank Acc. Nr.) DE97 7336 9920 0007 1269 99 BIC-Code GENODEF1SFO In Österreich: Raiffeisen Zentralkasse Tirol, Innsbruck, BLZ 36000, Konto 643.361 ISSN 0948-6593 Postvertriebsstück B 5177

Fotos: Marion Bässler, Viola Elgaß, Volker Wille; Oberstdorfer Musiksommer; Tourismusverband Tannheimer Tal; Hans Wiesenhofer/Kleinwalsertal Tourismus; Titelfotos: tigital/Rudolf Schrätzlmayer, Volker Wille; Tourismusverband Lechtal

Lachener Weg 2

36 Editorial

Seite 3

Attraktives Braun im beliebten Kultkalender EDITION ALLGÄU zeigt die schönsten Kühe Seite 7 Der junge Hirte und das bockige Vieh Auf dem Weg ins Tal mit Christian Vu

Seite 8

Wie ein Haarbüschel zum Schmuckstück wird Portrait eines Gamsbartbinders: Otto Schall Seite 12 Ein perfekter Ton will gut geschnitzt sein Der Alphornbauer Stefan Wechs Seite 16 Wie das Alphorn die Allgäuer Gipfel stürmte Kurze Geschichte des Musikinstrumentes Seite 18 Ein Politiker unter Rindviechern Der Ex-Abgeordnete Dieter Lattmann erzählt Seite 22

Tierisch gutes Bier von Adler, Hase und Bär Historische Brauereien in Bad Hindelang Seite 26 Sie bringen Stimmung nach dem Alpabtrieb Musikkapellen und der Viehscheid Seite 30 »Oben ohne« oder naturgemäß mit Horn? Diskussion: Gefahr oder wichtiges Organ Seite 34 Sicherer Halt für den klingenden Schmuck Das Handwerk der Schellenriemenmacher Seite 36 Die junge Wilde aus dem Schrothkurort Kurdirektorin Bianca Keybach im Interview Seite 40 Viehscheidtermine im Allgäu und Umgebung Große Übersicht der Alpabtriebe Seite 44 Das goldene Rad der Allgäuer Bergwelt Wie der bekannte Bergkäse entsteht Seite 48 Zeitreise auf die Alp Bergbauernmuseum Diepolz feiert Jubiläum Seite 52 Musikalisches Jubiläum auf Schusters Rappen 20. Festival Oberstdorfer Musiksommer Seite 58

Exklusiv-Sponsor

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48 In familiärer Umgebung die Berge genießen Vermieternetzwerk Alpine Gastgeber Seite 60 Ganz schön züchtig Allgäuer Klassekälber seit 25 Jahren

Seite 62

Scharf nôchdenkt über Alpsommer Kolumne von Buchautor Max Adolf

Seite 66

Freizeit Glocken und Schellen zum Anfassen Wilderer im Lechtal Spaß und Sport am Alpsee

Seite 67 Seite 67 Seite 68

10 Jahre AllgäuSchau Vom »blauen« zum »grünen« Allgäu In weniger als zwei Stunden ins Allgäu Musikalische Festival-Vielfalt im Allgäu Altes Handwerk und Gemecker im Museum Kräuterschau im Jubiläumsjahr Neue Saison im Museumsdorf Von Kräutern und Käse Den Farben auf die Spur kommen Schloss oder Zahl?

Seite 68 Seite 68 Seite 69 Seite 70 Seite 71 Seite 72 Seite 72 Seite 74 Seite 75 Seite 75

Vom Uhuberg und der dreizinkigen Gabel Ursprünge Allgäuer Bergnamen Seite 76 Für Sie vorausgelesen – Allgäu-Bücher Seite 78 Das Viehscheid-Preisrätsel Allgäu-Urlaub zum Alpabtrieb zu gewinnen Seite 82 Panoramakarte Viehscheidorte und Termine im Überblick

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Anzeigen

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Kuh-Kalender

Attraktives Braun

im beliebten Kultkalender

Sie sind ein Symbol für den Alpsommer und für das Allgäu: die weidenden Allgäuer Kühe, die für Urlaubsgäste und Hobbyfotografen eines der beliebtesten Motive darstellen. Die attraktivsten »Braunvieh-Schönheiten« finden sich im Kuh-Kalender 2013 der EDITION ALLGÄU, der im Juli in den Handel kommt. Marius Lechler stellt schon jetzt den Jahresweiser vor

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m Jahr 2010 stellte der Kuh-Kalender der EDI- 150 Aufnahmen zur Bewertung online eintrafen. Ent- Oben ein kleiner Vorgeschmack TION ALLGÄU zum ersten Mal die fotogensten scheidend für die erfolgreiche Teilnahme waren neben auf den Kuh-Kalender 2013: Das Allgäuer Braunvieh-Vertreter auf 13 Monatsblät- der Bildqualität auch die Einzigartigkeit des Motivs und große Bild wurde von Benjamin tern vor. Mittlerweile hat er sich ein passendes Querformat. Durch Zapf fotografiert. Die kleinen Bilder stammen von Denise zum großen Erfolg entwickelt, der den Aufruf auf Facebook haben Neufert, bildkistl.com und »Die bunte Mischung an über das Allgäu hinaus viele Anes erstmals auch zwei JungfotoBenjamin Zapf (von oben). Motiven ist entscheidend grafen in den Kuh-Kalender ge- Das Kalender-Titelmotiv unten hänger gefunden hat. Der KuhKalender 2013 ist nun der vierte schafft. Denise Neufert aus hat Volker Wille beigesteuert für den Kuh-Kalender« Jahresweiser dieser Art mit MotiStiefenhofen im Westallgäu und ven attraktiver Allgäuer WiederBenjamin Zapf aus Blaichach im käuer. Hierbei werden völlig unterschiedliche Motive Oberallgäu steuerten je zwei Motive für den nächstjähgesucht – vom süßen Kälbchen bis zum eleganten Paarrigen Kalender bei. hufer. Die bunte Mischung, die die Fotografen liefern, Auch für den Kuh-Kalender 2014 können ist entscheidend. bereits jetzt Allgäuer Kuh-Aufnahmen an Bei der Motivauswahl für den Kuh-Kalender 2013 kam die EDITION ALLGÄU eingesendet wererstmals das soziale Netzwerk Facebook zum Einsatz. den. Alle ausgewählten Einsender erwartet Hier konnten von Mitte Oktober 2011 bis Mitte März ein kleines Fotohonorar, außerdem gibt’s 2012 unter www.facebook.com/allgaeu.braunvieh erst- kostenlose Exemplare vom Kalender. Die mals alle Kuh-Kalender-Fans ihren Favoriten selbst Teilnahmebedingungen stehen im Internet unauswählen oder mit eigenen Motiven an der Wahl teil- ter www.heimat-allgaeu.info/kalender • nehmen. Eingesandte Fotos wurden nach einer Vorauswahl zur Bewertung auf Facebook online gestellt. sind möglich über jede Buchhandlung oder Ein Stück Allgäu für daheim Die Bilder mit den meisten Stimmen kamen in die direkt im Online-Shop: www.heimatAlle Gewinnermotive sind zu finden im neuen Endauswahl, aus der die EDITION ALLGÄU im allgaeu.info. Noch schneller geht es telefonisch Kuh-Kalender 2013, der Mitte des Jahres Frühjahr 2012 die 13 besten Kuhfotos für den Kuhunter Tel. 08379/728016, Fax 08379/728018, erscheinen wird. Preis: 12,80 Euro, Best.-Nr. Kalender 2013 auswählte. Insgesamt wurden dem Veroder per E-Mail an info@heimat-allgaeu.info 040, ISBN 978-3-931951-62-7. Bestellungen lag fast 300 Bildmotive zugeschickt, von denen über

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Reportage

Der junge Hirte

und das bockige Vieh

Wer noch nie auf einem Viehscheid war und »Alphirt« hört, stellt sich oft einen älteren Mann mit Vollbart vor. Diesem Bild entspricht Christian Vu überhaupt nicht. Der 21-Jährige hilft seit über vier Jahren als Hirte beim Abtrieb der Schwingundalpe und beim Thalkirchdorfer Viehscheid. Im vergangenen September haben wir ihn von der Alp bis ins Tal begleitet. Viola Elgaß portraitiert seinen Alltag am Berg

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Fotos: Volker Wille

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och vom Morgennebel umwabert liegt die terlicherseits! Seine Großmutter ist auf einer GunzesAlpe Schwingund auf 1050 Höhenmetern auf rieder Alpe aufgewachsen, sein Großonkel war Hirt der Thalerhöhe, als Christian sie am Mitt- und Senn. Schon als kleiner Bub hatte er Interesse am wochvormittag erreicht. Dort angekommen, begrüßen Braunvieh und den Allgäuer Bergen. »Natürlich wird ihn bereits Herbert Bader und dessen Schwägerin man in meinem Alter hin und wieder deswegen von Margit Bader, die Alphirtin. Man tauscht sich kurz Freunden aufgezogen mit Kommentaren wie ‚Du und typisch allgäuerisch aus: »Alls reacht?« - »Scho!« Bauer...’, aber das ist alles nur Spaß und nicht ernst geUnd schon geht es »ans Schafmeint«, erzählt der junge Hirt. fen«. Ganz routiniert erledigt der »Beim Kranzbinden dürfen Der Viehscheid steht kurz bevor: Immenstädter seine Aufgaben vor Zunächst wird das Vieh ausgestallt. die Männer nicht ins der Hütte. Wenn er dafür Zeit Die Frauen machen sich ans Handwerk pfuschen« hat, kommt er bereits während Kranzbinden. Ob er dabei schon des Alpsommers immer mal wieeinmal helfen durfte? Christian der hinauf und legt Hand an. Zum Viehscheid ist er grinst: »Nee, das Kranzbinden ist reine Frauensache. Da jedes Jahr dabei, heuer schon zum fünften Mal. Davor darf kein Mann ins Handwerk pfuschen.« Margit Bader half er beim Abtrieb der Alpe Gund als Treiber anläss- versteht dieses Handwerk gut. Einen halben Tag braucht lich des Immenstädter Viehscheides. In Immenstadt ist sie für einen Kranz. Silberdisteln, herbstlicher Enzian der 21-jährige Christian Vu außerdem jeden Winter und Vogelbeeren zieren dann das Tannengrün. Der eineiner der Klausen beim traditionellen Klausentreiben. gearbeitete Spiegel soll böse Geister vertreiben. Obenauf Er wäre also einer von ganz vielen Allgäuer Hirten – wird dann das charakteristische Kreuz angebracht, das würde man nicht auf den ersten Blick sehen, dass er den göttlichen Beistand beim Abtrieb erbitten soll. vietnamesisches Blut in den Adern hat. Sein Vater Sobald der Kranz fertig ist, wird er »anprobiert«. Denn stammt aus Fernost, er selbst wurde aber in Kempten nicht jeder Schumpen, so nennt man die Jungtiere vor geboren. Das Bewusstsein für Allgäuer Brauchtum ihrer ersten Kalbung, ist begeistert von dem ungeund Tradition liegt ihm dennoch in den Genen – müt- wohnten Kopfschmuck. »Es kann schon mal passie-

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Ganz oben: Die Alphirtin Margit Bader flechtet frisch gepflückte Pflanzen in die Kranzkrone. Zu einem typischen Allgäuer Viehscheidkranz gehören unter anderem Silberdisteln (kleines Bild ganz links) und Hagebutten (ganz rechts). Beide wachsen in unmittelbarer Nähe der Alpe Schwingund (Foto dazwischen)

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Die großen Zugschellen, die nur beim Alpabtrieb getragen werden, sind meist Eigentum des Alphirten und werden jedes Jahr wieder verwendet. Mit Goldlack behandelt Herbert Bader die ausgeblichenen oder ramponierten Stellen (oben), damit sie beim Abtrieb ins Tal (Foto unten) wieder glänzen

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ren, dass wir das Kranzrind austauschen müssen, wenn das Vieh zu unruhig ist«, erklärt Christian. Doch die diesjährige Kranzträgerin macht ihre Sache gut. Mit vollem Kopfputz wird sie probeweise auf und ab geführt. Der Tag ist meist schneller vorbei, als man schauen kann. Erst spät kommen Hirten und Helfer ins Bett – zum vorletzten Mal vorm Scheidtag. Der Morgen graut am Donnerstag. Als erstes wird das Vieh eingestallt und »geimpft«. Damit ist keine richtige medizinische Impfung gemeint. Hirtin Margit geht durch den Stall und verabreicht jedem Tier ein paar Globuli, zur Beruhigung, damit sie ein bisschen gelassener sind am Viehscheidtag. »Die werden in die Nasenlöcher gesprüht, wir nennen das scherzhaft Impfung«, klärt Christian auf. Herbert kümmert sich draußen um die Zugschellen, die die Tiere beim Abtrieb tragen werden. Mit goldenem Lack sprüht er die ramponierten Stellen ein und bringt sie auf diese Weise wieder auf Hochglanz. Christian ist überall dabei, helfende Hände können die Hirten nicht genug haben.

Am Nachmittag darf das Vieh wieder nach draußen – zum letzten Mal in diesem Sommer –, und die ersten Mithelfer für den nächsten Tag treffen ein. Gemeinsam wird zünftig auf den kommenden Alpabtrieb angestoßen. Noch später als am Vorabend kehrt Ruhe auf der Alpe Schwingund ein. Am Tag geht es dann früh los – der Abschied vom Bergsommer steht bevor. Um sechs Uhr schlurfen, zum Teil noch etwas angeschlagen vom Vorabend, die ersten Helfer zum Brunnen. Das eiskalte Bergwasser macht sie schnell frisch. Munter geht es dann an den reichlich gedeckten Frühstückstisch. »Am Scheidtag wird immer groß aufgetischt«, so Christian. Anschließend wird das Vieh eingetrieben und geschrubbt. Die kleinen, bimmelnden Weideschellen werden abgenommen und durch die großen Zugschellen ersetzt. Für die Tiere ist das ungewohnt, und das zeigen einige auch ganz deutlich. Nach der deshalb nicht immer ganz einfachen Arbeit machen sich auch die Treiber fertig. Bequeme Jeans und Hemden wer-


den gegen festliche Lederhosen oder auch Dirndl ein- Heimat verkauft«, argumentiert er, »das ist doch nur getauscht – denn drunten im Tal erwarten zahlreiche noch ein Schaulaufen.« Zuschauer einen typischen Allgäuer Alpabtrieb. Die Eigentümer warten bereits ungeduldig, um beim Schließlich machen sich Vier- und Zweibeiner glei- Scheid ihr Vieh in Empfang zu nehmen. Rund 700 chermaßen herausgeputzt auf den Weg ins Tal. Nicht Rinder von 16 Alpen treffen sich beim Thalkirchdornur Christian wirft hin und wieder einen Blick über fer Viehscheid. Da kann es ganz schön Zeit in Andie Schulter zurück auf die einsame Schwingundalpe. spruch nehmen, bis alle Tiere wieder bei »ihrem Der Abtrieb verläuft weitgehend Bauern« ankommen. Letzten friedlich, wenn man vom ohrenEndes bekommt jedoch jeder »Die großen Touristenviehbetäubenden Läuten der SchelLandwirt sein Vieh zurück – scheide sind eigentlich nur len absieht. Wenn doch hier und vorausgesetzt, es gab keinen noch ein Schaulaufen« da ein brauner Vierbeiner ausUnfall während des Bergsomreißen will, sind die Treiber mers. Es macht viel Mühe, die schnell zur Stelle. Das kommt jedoch äußerst selten Schumpen in die Transporter zu verladen – sie waren vor, denn »der Herdentrieb ist ungemein stark«, wie über drei Monate absolute Freiheit gewohnt. Der eine Christian erklärt. Nach etwa eineinhalb Stunden Trab oder andere Vierbeiner zeigt sich unwillig, doch mit bergab kommt Thalkirchdorf in Sicht. viel Geschick und vor allem vereinter Schubkraft in Bevor jedoch der Viehzug auf den Scheidplatz am Nachbarschaftshilfe gelingt es den Hirten und Bauern, Schwandlift einzieht, wird die Kranzkuh noch einmal jedes Tier in den Hänger zu bugsieren. Am späten von der Herde getrennt. Ein weiteres Mal wird sie ge- Mittag sind alle Tiere verladen und werden entweder waschen, erst dann wird ihr der Kranz aufgesetzt. auf eine sogenannte »Nachweide« oder gleich in den »Würden wir sie schon auf der Alpe aufkranzen, hätte heimischen Stall transportiert. der Kranz den Weg ins Tal bestimmt nicht überlebt«, Anschließend geht das Fest für die Hirten, Helfer, so Christian. In dem dichten Gedränge von Kuhlei- Landwirte und Besucher erst richtig los. Im Bierzelt bern hätte wohl keine der aufgeregten Damen Rück- wird der freudige Anlass gebührend bei Bier und Musicht auf den kunstvollen Kopfschmuck genommen. sik gefeiert. Selbstverständlich ist ein Großteil der AnMit dem Kranzrind voran zieht schließlich der Zug auf wesenden in Tracht. Auch Christian und die übrigen den Scheidplatz ein. Zahlreiche Besucher haben sich Mithelfer der Schwingundalpe genießen ihren »Feierdort versammelt, um Tiere wie Hirten im Tal zu be- abend« und lassen den Tag Revue passieren. Beim grüßen, die Kranzrinder zu bestaunen und zu fotogra- nächsten und übernächsten Scheid will Christian wiefieren. Zuviel Trubel um Mensch und Tier? »In der dabei sein. Vielleicht sogar irgendwann selber den Thalkirchdorf ist es noch ganz angenehm, weil der Sommer auf der Alpe verbringen, als Alphirt. »Das Trubel nicht so groß ist«, behauptet Christian. Von muss man sich halt erst einmal leisten können«, meint den großen Touristenattraktionen um den Viehscheid er. Man müsse sehen, was die Zukunft bringt. »Aber hält er aber nicht so viel. »Ich finde, damit wird unsere machen möchte ich es auf jeden Fall.« •

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Damit der Kranz nicht auf dem Weg ins Tal beschädigt wird, bekommt das Kranzrind ihn erst kurz vorm Scheidplatz aufgesetzt (links oben). Der Rest der Herde zieht ohne Umwege in Thalkirchdorf ein (Mitte). Rechts oben verabschiedet sich Christian Vu nach getaner Arbeit von einem anstrengenden Viehscheidtag

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Handwerkskunst

Wie ein Haarbüschel

zum Schmuckstück wird

Der Oberstdorfer Otto Schall ist einer der wenigen, die die Kunst des Gamsbartbindens noch beherrschen. Marion Bässler besuchte den 72-Jährigen und erfuhr, wie er die Leidenschaft für das aussterbende Handwerk entdeckte und worauf es bei der Herstellung eines schmucken Gamsbartes ankommt


50 bis 60 Haare der gleichen Länge bilden ein Büschel. Mit Hilfe eines Reagenzgläschens oder eines ähnlichen Röhrchens und eines Fadens bindet Otto Schall die Haare zusammen

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u einer richtigen Tracht gehört ein Hut mit niemand ein. Er selbst ist durch seine Vorliebe für die einem echten Gamsbart – diese Tradition wird Bergwelt auf dieses besondere Hobby gestoßen: »Wir nicht nur im Allgäu, sondern nahezu im ge- sind früher oft in die Berge gegangen, haben Lawinen samten Alpenraum praktiziert. Laut Überlieferungen abgesucht und dabei häufig Gamsböcke gefunden«, habe Prinz Luitpold den Gamsbart in der Zeit um erinnert sich Otto Schall. 1850/1860 im Allgäu salonfähig gemacht, wie Otto Mit dem »Rupfen« der toten Tiere, deren Haare er Schall erzählt. Die Herstellung dem ehemaligen Oberstdoreines solchen Schmuckstückes sei fer Revierjäger Georg Kaufallerdings äußerst mühsam und »Zwanzig bis dreißig Stunden mann zur Herstellung von vor allem zeitaufwendig: »Zwanzig sitzt man schon dran, bis ein Gamsbärten brachte, verbis dreißig Stunden sitzt man diente er sich »ein Zubrot«. großer Bart fertig ist« schon dran, bis ein großer Bart Eben jener Georg Kaufmann fertig ist«, sagt Otto Schall, der legte es Otto Schall nahe, das durchaus weiß, wovon er spricht. Der Oberstdorfer ist Gamsbartbinden zu erlernen, damit die Tradition im gesamten Allgäu der einzige Gamsbartbinder und nicht ausstirbt. Mit reicher Beute begab sich der dazählt bayernweit zu den wenigen, die dieses alte Hand- mals 22-Jährige daher für eine ganze Woche zum ehewerk noch beherrschen. maligen Revierjäger, um sich ausbilden zu lassen. »Das In Mittenwald kennt er einen Kollegen, und in Oberist schon eine Umstellung, weil man ganz genau arbeibayern, so wurde ihm zugetragen, soll es noch einige ten muss«, so Schall. Dennoch hat er schnell »die Leiweitere Vertreter seiner Zunft geben. Sonst fällt ihm denschaft« entdeckt und wollte seine Tätigkeit bald

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S. 12 unten (von links): Die Haarbüschel werden der Länge nach sortiert und dann zum fertigen Gamsbart zusammengebunden (Mitte). Daneben: Gamsradln (links im Bild) und Hirschradln sind günstige Alternativen zum Gamsbart, für ihre Herstellung werden nur 600 bis 700 Haare benötigt. Hirschradln haben dabei den größeren, hellen Reifen

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Fotos: Marion Bässler

Rechts: Zufrieden begutachtet Gamsbartbinder Otto Schall das fertige Kunstwerk. Daneben das filigrane Zusammenbinden der einzelnen Haarbüschel

nicht mehr aufgeben. Bevor es jedoch an die Feinardie Herstellung eines Bartes muss man zehn Gämsbeit geht, sind einige andere Dinge zu beachten. Die böcke rupfen, da mindestens 10.000 Haare benötigt Haare, die für die Herstellung benötigt werden, findet werden. Damit das Haar in seiner kompletten Länge man nämlich nur bei männlichen Tieren ab einem erwischt wird und nicht abbricht, ist schon beim RupAlter von fünf Jahren. fen die richtige Technik entscheidend: »Von hinten Sie stammen jedoch nicht, wie auf Grund des Namens nach vorne jeweils kleine Büschel rupfen.« Bei einer irrtümlich vermutet werden könnte, aus dem Bart der sorgfältigen Lagerung halten sich diese dann »ein paar Böcke, sondern von deren Rücken. Da für den Hut- Jahre«. Das Handwerkszeug eines Gamsbartbinders ist schmuck lediglich die Rückenschnell aufgezählt und sogar äuhaare des Winterfells verwendet ßerst günstig zu erwerben: feine »Die richtige Technik werden können, ist die Zeit des Röhrchen, beispielsweise Reagenzist schon beim Rupfen Rupfens zudem auf November gläschen, ein guter Faden und ein und Dezember beschränkt. Als grünes Garn. Bevor das Binden entscheidend« Otto Schall seine ersten Gamsbeginnt, wäscht Otto Schall die bärte anfertigte, war diese jahreszeitliche Einschrän- Haare zunächst mit Seife und Shampoo. Sobald sie kung noch kein Problem, da die vielen Oberallgäuer wieder trocken sind, folgt das Sortieren nach Länge: Berufsjäger auch im Winter auf die Jagd gegangen »Für einen guten Bart braucht man fünfzehn verschiesind. Heute gehören die Wälder laut Schall überwie- dene Längen, weil alle zwei Millimeter ein neuer gend Schweizer Jägern, die meist nur bis September Kranz kommt.« auf der Pirsch sind. »Aber da haben die Gämsen noch Die vorsortieren Haare teilt der Oberstdorfer in kleine keinen Bart«, wirft der 72-Jährige ein. Büschel zu je 50 bis 60 Haaren, die er der Reihe nach Die Tatsache, dass viele Jäger das Interesse an der frü- in das Reagenzgläschen steckt und am unteren Ende her so wertvollen Trophäe verloren haben, stimmt den mit einem Faden bindet. Der Länge nach fügt er die Oberstdorfer Gamsbartbinder wehmütig, denn »das einzelnen Büschel dann sorgsam zu dem großen Handwerk leidet sehr darunter«. Aufgrund der verän- Kunstwerk zusammen, mit dem die Männer so gerne derten Jagdvorlieben ist er heutzutage vermehrt auf die Hüte ihrer Tracht schmücken, und bindet den Bart harte Winter angewiesen, in denen es meist durch La- mit dem grünen Faden. Da das Fell der Gämsen unwinenabgänge und Hungertod viel Fallwild gibt. Für terschiedliche Farbnuancen aufweist, entdeckt man bei den Gamsbärten farbliche Unterschiede. Allerdings weiß Otto Schall, dass der Markt mit vielen Fälschungen überschwemmt wird, die der Laie nicht als Haarige Angelegenheit solche erkennt. Um ein Original zu erwischen, ist es Für einen üblichen Gamsbart benötigt Otto Schall bis zur daher ratsam, bei einem Jäger anzufragen oder gleich Fertigstellung mehrere Tage, dabei werden mindestens einen Gamsbartbinder aufzusuchen. 10.000 Haare verarbeitet. Die Stelle, an der sie gezupft Für Oberstdorf ist die Fortführung dieser schönen werden, befindet sich am Rücken der Gämsen. Nur die Tradition auf längere Sicht gesichert, denn der Sohn Haare von männlichen Tieren ab einem Alter von etwa von Otto Schall, der selbst auf die Jagd geht, möchte fünf Jahren eignen sich für die Herstellung eines Gamsdas Handwerk seines Vaters weiterführen, wie der bartes. Lediglich das Winterfell, das sie im November und Dezember tragen, kann dafür verwendet werden. 72-Jährige glücklich erzählt. • 14

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Musik

Ein perfekter Ton

will gut geschnitzt sein

Der Alphornbauer Stefan Wechs aus Hinterstein betreibt in dem Oberallgäuer Ort diese traditionelle Art der Instrumentenherstellung bereits in zweiter Generation. Annette Müller durfte ihm dabei über die Schulter sehen und erfuhr von ihm die Geheimnisse auf dem Weg zu einem perfekten Alphorn

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ufgrund langjähriger Erfahrung beim Bau der Alpen-Musikinstrumente weiß Stefan Wechs, dass der Schlüssel zum schönen Klang bereits beim Aussuchen der richtigen Materialien beginnt: »An erster Stelle steht die Wahl des richtigen Baumes, aus dem das Alphorn entstehen soll«, erklärt er. »Die Alphörner bei uns werden aus Bergfichten gefertigt, die in hohen Lagen gewachsen sind. In der Höhe entwickeln sie sich langsam und gleichmäßig, sodass die Jahresringe sehr eng aneinanderliegen.« Nachdem der Stamm von den Ästen befreit und entrindet ist, wird er der Länge nach mit der Bandsäge in zwei Teile geschnitten. Der Alphorn-Experte Wechs führt die folgenden Schritte detaillierter aus: »Jede Hälfte wird mit dem Rundbeitel bis auf eine Wandstärke von drei bis fünf Millimetern ausgehöhlt und danach innen geschliffen« (siehe Fotos 1 und 2, S. 17). Die Qualität dieser Hornhälften zeigt sich in der Ausarbeitung der Wandstärke: je dünner diese ausfällt, desto höher die Wertigkeit. 16

Nach Geschmack mit Bemalung »Nun werden die beiden Hälften des im Entstehen begriffenen Instrumentes zusammengefügt und mit Holzleim verbunden«, erklärt der Allgäuer die Arbeitsschritte weiter (siehe Foto 3). Anschließend erhält das auf der Werkbank fixierte Rohr mit einem Ziehmesser seinen Feinschliff (siehe Foto 4). Im letzten Vorgang wird das Rohr lackiert beziehungsweise geölt (siehe Foto 7). Je nach persönlichem Geschmack lassen die Käufer von Alphörnern den unteren Schalltrichter (siehe Foto 6) mit regionaltypischen Motiven wie zum Beispiel dem Edelweiß und dem blauen Trichterenzian bemalen. Über eine Besonderheit dieser Schallerzeuger aus Holz weiß Stefan Wechs ebenfalls noch zu berichten, denn die Alphörner aus dem Hintersteiner Tal unterscheiden sich gegenüber anderen Instrumenten durch ein spezielles Merkmal: Um das etwa drei Meter lange Alphorn transportieren zu können, wird das Rohr hier

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Fotos: Wolgang B. Kleiner

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in zwei Hälften geteilt. Diese werden mit einer dem Durchmesser angepassten Messinghülse zusammengesteckt.

Der Klangkörper soll frei schwingen Eine Umwicklung des Alphorns mit Peddigrohr (siehe Foto 5) findet man im Gegensatz zum Schweizer Horn nur in dem Bereich, in dem das Längsrohr in den Schalltrichter mündet, da sie dort aus arbeitstechnischen Gründen notwendig ist. Der überwiegende Bereich des Hintersteiner Alphorns ist nicht umwickelt, damit das Holz des Tonerzeugers als Klangkörper frei schwingen kann. Die Zierringe bei dem seit Jahrhunderten gespielten Instrument, das jedoch im Allgäu bis in die 1950er-Jahre in seiner heutigen Form und als Musikinstrument keinerlei Bekanntheit besaß, bestehen zum Großteil aus Kirsch-, Birnen- oder Nussbaumholz. •

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Musiker und »Mächler« Stefan Wechs gehört als besonders musik-

musik Wechs. Die Begeisterung für den Alphornbau hat der kunstfertige »Mächler«

liebender Allgäuer zu den aktiven Mitgliedern

(Tüftler) von seinem Vater Herbert Wechs

der Oberallgäuer Musikgruppen Hintersteiner

übernommen, in dessen Tradition er das

Jodler, Buck-Wendlar-Museg und Familien-

althergebrachte Handwerk weiterführt.

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Musikgeschichte

Wie das Alphorn

die Allgäuer Gipfel stürmte

Zur Verständigung und zum Anlocken des Viehs leistete es den Berghirten in vergangener Zeit gute Dienste, heute kennen viele das Alphorn nur noch als Instrument der Volksmusik. Wie sich die Nutzung des Klangkörpers gewandelt hat und wie er in die Allgäuer Berge kam, darüber berichtet Annette Müller

Oben und rechts: Rund 50 Alphornbläser spielten bei der Internationalen Älplerletze im Jahr 2008 auf der Kanzelwand auf. Bei der Letze wird nach einem alljährlichen Brauch der letzte Alpsommertag feierlich verabschiedet

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n unwegsamen Gegenden wie dem Gebirge, in einem Alphorn dargestellt. Im 18. Jahrhundert verdem es nicht möglich war, größere Entfernungen schwand aus bislang unbekannten Gründen das Alpschnell zu überwinden, nutzten die Hirten lange horn nördlich der Alpen. Zeit ein weit hörbares Horn, um sich mit Signalen zu Bis in die 1950er-Jahre war das Alphorn in seiner heuverständigen oder vor Gefahr zu warnen. Die Hörner tigen Form und als Musikinstrument im Allgäu unbedienten darüber hinaus zum Beruhigen des Viehs und kannt. Zu dieser Zeit erforschte Hermann Regner aus am Abend zum Anlocken, um es zu melken. Die Marktoberdorf im Zuge seiner Doktorarbeit die GeMelodien und Rufe wurden als »Kühreigen« bezeich- schichte des Alphorns. Regner beauftragte Anfang net. Auch ersetzte das Alphorn in Gegenden ohne eine 1958 seinen Marktoberdorfer Musikfreund Dr. Hans Kapelle das Läuten zum Morgen- und Abendsegen. Frei, bei einem der bekanntesten Schweizer AlphornHörner von Rindern und Ziegen oder Rinden- und bauer, Lussi Walter aus Stans, ein Alphorn zu erwerHolzhörner kamen bei fast allen Hirtenstämmen ben. Regner und der damalige Bezirksheimatpfleger Europas und Asiens vor. Schon die Menschen der SteinDr. Dr. Alfred Weitenauer arrangierten 1958 mit dem zeit benutzten vor 35.000 Jahren hohle Knochen als ihnen bekannten Musikfreund Michael Bredl, Rektor Signalpfeifen und Musikinsder Hauptschule in Hindelang, ein trumente, wie man sie zum Treffen, bei dem es darum ging, »Das Didgeridoo und das Beispiel auf der Schwäbischen das Alphornblasen im Allgäu neu Schofarhorn waren frühe Alb in der Höhle »Hohle zu etablieren. Regner, der später Vorfahren des Alphorns« Fels« bei Schelklingen fand. eine Professur an der MusikhochNoch weitaus älter ist das schule in Salzburg erhielt, war sich Didgeridoo der australischen Aborigines. Es wurde mit seinen zwei Freunden einig, dass das Alphorn in aus einem ausgehöhlten Stamm des Eukalyptus geferdie Berge gehört. So überließ er Michael Bredl das ertigt. Das Entstehen der Didgeridoos wird auf einen worbene Alphorn, um dieses Ziel zu realisieren. Zeitraum vor 60.000 bis 100.000 Jahren datiert. Ein 1960 begannen die Brüder Albert und Herbert Wechs, weiterer Vorgänger unseres Alphorns ist das Schofar beide Schreinermeister in Hinterstein, mit dem Bau oder das Schofarhorn, ein altes Musikinstrument aus von Alphörnern. Die Hörner hatten – wie heute noch dem Vorderen Orient, auch Hallposaune genannt. Das – eine Länge von 3,60 Metern. Bei dieser Länge entaus Widder- oder Kuduhorn gefertigte Instrument hat stand ein Transportproblem, das dadurch gelöst wurseinen Ursprung in der jüdischen Religion und diente de, dass ab dem Jahr 1962 das Alphorn als zweiteiliges vor allem rituellen Zwecken. Die Heimatdichterin Instrument hergestellt wurde. Toni Gaßner-Wechs beschreibt in einem Epos, wie die Bauern in Oberdorf auf den Ruf eines Muschelhorns hin zusammentrafen. Aus dem Mittelalter sind lange, gestreckte Blasinstrumente bekannt, die erst später die nach vorn gebogene Form erhielten. Der älteste Nachweis im Allgäu ist im Bild der Anbetung Christi in der Bergkapelle »St. Anna im Rohrmoos« aus dem Jahr 1568 zu sehen. In der Wallfahrtskirche St. Coloman bei Schwangau ist im Hauptaltarbild von 1684 der Heilige Coloman inmitten einer Viehherde mit

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Zum Bau wird in der Regel abgelagertes Bergfichtenholz aus der Region verwendet. Das Alphorn wird, nimmt man den Längsschnitt, aus zwei Teilen zusammengesetzt. Das Rohr ist wie ein Drehkegel geformt und öffnet sich nach unten in einem Schalltrichter. Das Zerlegen des Instrumentes erfolgt durch ineinandergepasste Messingbuchsen. Im Laufe der Zeit sind zahlreiche unterschiedliche Alphörner entstanden, die von Mitgliedern heimischer Trachtengruppen und Musikformationen gespielt werden. Aber auch im Rheinland, in Franken und sogar in den USA sind Alphörner aus Hinterstein zu hören.

Fotos: Claude Miéville, Albert Wechs, Volker Wille

Oben links zeigt ein altes Foto die Alphorngruppe Hinterstein im Jahr 1960, unten testet der Erfinder Roger Zanetti das erste zusammenschiebbare »Alpflyinghorn« aus Karbon am Fuß des Matterhorns auf seinen Klang bei minimalem Gewicht

Neu auf dem Markt ist ein patentiertes Alphorn aus Karbon (Kohlefaser), das 4,30 Meter lang ist, sich aber auf 75 Zentimeter zusammenschieben lässt und nur knapp zwei Kilogramm wiegt. Erfinder ist der Schweizer Roger Zanetti, der das »Alpflyinghorn« zusammen mit einem Bootsbauer entwickelte. Er nannte es deshalb »Fliegendes Alphorn«, weil man das Instrument nun auch im Flugzeug mitführen kann. Die Tradition der Alphornbauer im Ostrachtal führt Stefan Wechs, Sohn von Herbert Wechs, in Hinterstein fort. Die Familie Wechs hat nicht nur eine lange musikalische Tradition, sondern ist in zahlreichen Gruppen seit mehreren Jahrzehnten prägend für die Volksmusik im »Das Alphorn ist ein Teil Allgäu. Begonnen hat dies mit unserer musikalischen ihrem Vorfahr Wendelin Familiengeschichte« Wechs, der um 1900 den Kirchenchor in Hinterstein leitete. Dessen Sohn Adalbert Wechs gründete 1925 mit Musikanten aus anderen Hintersteiner Familien die erste Jodlergruppe im Dorf. Die vier Söhne von Adalbert Wechs machten als »Gebrüder Wechs« das Ostrachtaler Liedgut in Bayern und weit darüber hinaus bekannt. Heute setzen diese Tradition die »Hintersteiner Jodler« fort. Claudius und Jonas Wechs, die Söhne von Stefan Wechs sind bereits fester Bestandteil der Gruppe und stehen für die fünfte Generation der musikalischen Familie. Als »Familienmusik Wechs« spielt Stefan Wechs gemeinsam mit Claudius und seiner Frau Sonja traditionelle Volksmusik. »Ein Teil unserer musikalischen Familiengeschichte«, wie Stefan Wechs stolz anmerkt, »ist das Alphorn. Es erstaunt unsere Gäste im Tal immer wieder, wenn sie erfahren, dass das Alphorn erst Ende 1950 im Allgäu als Instrument in der Volksmusik zum ersten Mal eingeführt wurde. Die handwerkliche Kunst des Alphornbaues, bei der ich meinem Vater über die Schulter schauen durfte, hat mich derart fasziniert, dass auch ich heute die Tradition fortsetze«, so Stefan Wechs (siehe auch S. 16). Besonders freue ihn, dass an der Sing- und Volksmusikschule Hindelang eine Gruppe für das Alphornblasen eingerichtet wurde, ergänzt der Instrumentenbauer. Das Alphorn, das weder Klappen noch Ventile hat, wird durch Anblasen des aus Holz gedrechselten Mundstückes gespielt. Je länger ein Instrument ist, desto tiefer klingt es. Im Allgäu werden überwiegend die F-Hörner mit einer Länge von 3,68 Metern gespielt. Ein C-Horn ist hingegen nur 2,45 Meter lang. Die leicht oder stärker gespannten Lippen des Bläsers bilden einen Widerstand gegen die Luft, die in das Instrument geblasen wird, und erzeugen durch Vibration Töne mit immer größer werdenden Schwingungszahlen. Je höher die Lippenspannung, desto schneller werden die Schwingungen und desto höher klingt der Ton. Je schwächer die Lippenspannung ist, desto tiefer wird der Ton. Der Grundton und die darauf aufbauende Naturtonreihe hängen hauptsächlich von der Länge des Hornes ab. Beim mehrstimmigen Spiel können daher nur Instrumente mit demselben Grundton zusammen gespielt werden. •

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Alpwirtschaft

Ein Politiker

unter Rindviechern Im Sommer 1975 verbrachte der damalige SPD-Abgeordnete Dieter Lattmann, der von 1972 bis 1980 für den Wahlkreis Kempten/Allgäu dem Bundestag angehörte, einen Sommer auf der Unterlauchalpe bei Steibis im Oberallgäu. Hier versuchte der Autor und Politiker, der sich dem Allgäu bis heute verbunden fühlt, einen Einblick in die Lebenswelt der Alpwirtschaft zu bekommen. Für »Alpsommer & Viehscheid 2012« hat er seine Erinnerungen an diese Zeit niedergeschrieben

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s ist lange her. Aber wenn ich an die Jahre mich im Oberallgäu bald zu Hause. Ich kam mir denke, in denen ich das Allgäu als Sozialdemo- manchmal wie ein politischer Landpastor vor, wenn krat im Bundestag zu Bonn vertreten durfte, ich mich bemühte, so oft es in Bonn keine Sitzungsleuchtet die Landschaft zwischen Oberstdorf und wochen gab, möglichst vielen aus der Bevölkerung Kempten, Oberstaufen und Lindau in all ihrer Schön- zwischen Nebelhorn und Hochgrat, Grünten und heit wieder in meinem GedächtPfänder zu erklären, was es mit nis auf. Die Region ist ein den Gesetzen auf sich hatte, die »Es war mir wichtig, die Bilderbuch. Das Allgäu (früher wir Bundestagsmitglieder beAllgäuer Arbeitswelt Alpgau, Alpgäu) singt und muschließen sollten oder wollten. siziert. In jahrhundertealten Am liebsten war mir der Somgründlich kennenzulernen« Rathäusern erzählen getäfelte mer mit der Allgäuer FestwoWände und bemalte Schränke wunderbare Geschich- che in Kempten als Mittelpunkt. Vor allem konnte ich ten. Aber politisch ist es nicht nur ein Schönwetterdann mein Wahlversprechen erfüllen, mich in der Allwahlkreis, den ich oft gemeinsam und manchmal gäuer Arbeitswelt in unterschiedlichen Berufen prakwiderspruchsvoll mit Ignaz Kiechle von der CSU und tisch umzutun. Es war mir wichtig, das Allgäu Hannsheinrich Schmidt von der FDP zu betreuen möglichst gründlich kennenzulernen. hatte. Die meisten Wähler wünschten, dass wir drei Auf diese Weise habe ich im Kaufhaus Horten in Mitglieder des Bundestags gut miteinander zurecht- Kempten zuerst Backwaren, dann Koffer verkauft. Ein kommen sollten. Aus München kommend, fühlte ich anderes Mal nahm mich eine Wäscherei bei sich auf,

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S. 22: Dieter Lattmann im Sommer 1975 inmitten muhender Schutzbefohlener am ungewohnten Arbeitsplatz auf der Unterlauchalpe bei OberstaufenSteibis. Links: die Kleinhirten der Alpe beim Viehscheid in Maierhöfen im Jahr 2009

Foto: Gästeamt Maierhöfen

zum ersten Mal gedeckt und würden im kommenden Frühjahr kalben. Zur Herde gehörte auch eine größere Zahl von Zweijährigen, die man Schumpen nannte. Sie hüpfen gern in Sprüngen herum wie alle Jugendlichen. Auf der Stelle sagte ich: »Da komme ich mit.« Er brummte ein ungläubiges Staunen vor sich hin und zündete seine erloschene Tabakspfeife wieder an. Um Vier stand ich auf und wartete pünktlich vor der Hütte, als der alte Hirte sich anscheinend etwas verdrießlich gestimmt zu mir gesellte. Er sagte nichts, sondern stieg nur vor mir her bergan. Zwischen Strünken und Geröll, quer laufenden Wurzeln und Latschenkiefern bewegten wir uns als Tandem aufwärts. Ganz allmählich stieg die Sonne, anfangs nur ein rötliches Vorglühen im Berggestein, über die Schroffen empor. Mit einem Mal ergossen sich ihre Strahlen wie ein Feuerausbruch auf die Hänge. Ich musste an meine Morgenwege auf der Straße oberhalb von Eckarts nach Akams denken. In dem Dorf, das zu Immenstadt gehörte, wohnte ich bei der Familie eines Berufsschullehrers zur Miete. Auf der Höhe vor dem Waldeingang standen die Kühe zur Linken hinter den Zäunen. Sie waren neugierig und gutmütig mit ihren Tonnenleibern, den berggewohnten Hufen und dem braungrauen Fell. Früh am Morgen war ich oft allein mit ihnen. Sie muhten im Chor und schaukelten die Euter. Wenn eine von ihnen näher kam, den trächtigen Leib wiegte und durch die Nüstern blies, folgte die Herde. Sie strömten Wärme aus da im Morgennebel und rochen nach Kälbern. Wir sahen einander an, das Tier und der Mensch. Es kam vor, dass ich ihnen in der geistig leicht behinderte junge Leute eine sinn- erzählt habe, wie wir das Bergbauernprogramm mit volle Tätigkeit fanden. Der Sonthofener Bürgermeister der Prämie pro Großvieheinheit gemacht haben. Auf Karl Blaser führte mich eine Woche lang in seinen mein Reden reagierten sie zutraulich und wollten mit kommunalpolitischen Alltag ein. Das Gymnasium in Riesenzungen meine Hand lecken. »Sind alle da«, sagOberstdorf ließ mich in seinen te der Hirte, als habe er sie im Schulalltag Einblick nehmen, »Die Kühe waren zutraulich Augenblick gezählt. Wir kehrund eine Druckerei stellte mich ten um. Unten empfing uns die und wollten mit ihren einige Tage an eine SchnellpresHüttenwirtin mit frisch gemolse. Ich freute mich, dass meine Zungen meine Hand lecken« kener Milch der Hüttenkuh. Bitten, als Abgeordneter hier Später zeige sie mir, wie man und dort mitarbeiten zu können, in der Regel zwar das Butterfass rührt. Das machte ich gern. Die Arbeit überrascht, aber positiv aufgenommen wurden. mit der Motorsense dagegen ging auf die Knochen. Das Eindrucksvollste, was ich bei solchen Hilfsdiens- Ich musste die Wiese aufwärts Farne, Kiefern, Berbeten kennenlernte, begegnete mir im Sommer 1975 auf ritzen, die eingewachsen waren, wurzelflach abschneider Unteren Lauch-Alpe. Sie liegt, durch ein Tal verden. Das erforderte einen heftigen, nicht zu starken bunden, auf der Höhe gegenüber Oberstaufen. Die Schwung mit dem schweren Gerät. Erst vom dritten Hüttenwirtin konnte mich gut als Gschwendner (Un- Tag an ging es besser. Am Abend meines ersten Arkrautmäher) gebrauchen. Ich war, um sie zu fragen, beitstages aber hatte Kaspar mir gestanden, er gehe da hinaufgewandert. Wenige Tage danach stellte ich sonst immer erst um sechs Uhr, nach den Kühen zu mich leicht ausgerüstet, auch mit Regenzeug und schauen. Er habe einfach nicht geglaubt, dass ein AbBergschuhen versehen, auf der Hütte ein. Mein Quargeordneter so früh auf den Beinen sei. Also trafen wir tier war das Matratzenlager für Bergsteiger. Gleich am einander von nun an um seine gewohnte Zeit. Am ersten Abend saßen der alte Hirte und ich beim Bier nächsten Abend ging er zum Du über. Natürlich habe auf der Bank mit Blick ins Tal beisammen. Erinnere ich die Hand genommen, die er mir entgegenstreckte, ich mich richtig, dass er Kaspar hieß? Jedenfalls war und wir haben ein Bier darauf getrunken. es dieser Hirte, der mir erzählte, er müsse jeden MorEs ging mir gut auf der Lauch-Alpe. Gegen Mittag kagen um halb fünf Uhr aufbrechen, um sich zu verge- men Wanderer in Gruppen zur Hütte. Sie waren zuwissern, ob sich nicht etwa eines der Tiere auf den frieden mit einfachen Mahlzeiten aus Brot und Käse, hochgelegenen Weiden verstiegen habe. Es handelte Milch, Joghurt und Eiern. Am Sonntag machte die sich, wie Kaspar mir erklärte. um Jungkühe. Sie waren Wirtin Kässpatzen. Das Bier brachte ein Fahrer mit ei-

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nem grob bereiften Jeep hinauf. »Warum machst Du Kuhglocken rings um die Dörfer beschwert: Es sei zu das eigentlich?« wollten die Wirtin und der Hirte wis- laut, man könne dabei nicht schlafen. Ein Journalist sen. »Ich habe 45 nach kurzer Kriegsgefangenschaft in der Allgäuer Zeitung fragte mich, was ich dazu sage. der Landwirtschaft gearbeitet, auf einem Gut nah bei Mir fiel ein: »Das Allgäu ohne Kuhglocken ist wie ein Hameln. Getreide, Kartoffeln, Zuckerrüben, Mühle Meer ohne Brandung.« Einmal gedruckt im Blatt, und Kuhstall. Hier im Allgäu ist alles anders. Ich sprach sich das herum. möchte mehr davon wissen.« Jährlich bin ich an die dreißigtausend Kilometer im Dem Hirten und zwei seiner Freunde hatte ich zum Allgäu mit meinem VW-Golf gefahren. Oft lag die Viehscheid im September eine Schelle am geschmück- Landschaft, durch die ich als »Fliegender Allgäuer« ten Lederriemen zum Verlosen versprochen. Als ich brauste, unter tief hängenden Wolken nassgrün und an einem gleißend blauen Tag nach Maierhöfen kam, fichtenschwarz vor meinen Augen. Meist aber flutete begrüßte mich der Vorsitzende der Alpwirtschaftli- bald wieder Licht durch die Täler. Überall Fensterglitchen Genossenschaft im Festzelt vor mehr als tausend zern und Luftschwirren. Die Schatten, aus denen Gästen als »unseren Bundestagsabgeordneten«. Ich Dorfbewohner in die Helle traten, waren scharf wie musste die Trachtenkapelle dirigieren, was eine Lage Torfabstiche. Sogleich breitete sich Festlichkeit aus. kostete. Und beim nächsten Viehscheid in Wertach Aus meiner Wohnung in Eckarts blickte ich vom durfte ich, weil von der CSU kein Abgeordneter erSchreibtisch auf das obere Illertal. Immenstadt war schienen war, den Zug ins Festzelt anführen, links und meine Basis, da hatte ich viele (nicht nur politische) rechts grüßend, mit unserem älteren Sohn an meiner Freunde. Mit Freude und Dankbarkeit denke ich an alle Seite. Damals hatten sich einige Unterstützung und viele AbenKurgäste über das Läuten der »Beim Viehscheid durfte ich teuer im Allgäu zurück. •

Fotos: Hanns-Jörg Anders/Stern/Picture Press; Volker Derlath; Tom Lindner/hoehenrausch.de

den Zug ins Festzelt anführen, links und rechts grüßend«

Literat und Freund des Allgäus Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Dieter Lattmann ist heute 86 Jahre alt. Er lebt mit seiner Frau Marlen, mit der er seit 62 Jahren verheiratet ist, im Wohnstift Augustinum München Nord. Sein jüngstes Buch »Einigkeit der Einzelgänger – Mein Leben mit Literatur und Politik« erschien 2006 im A1-Verlag München.

Die Unterlauchalpe heute, die mittlerweile von Renate und Herbert Fink bewirtschaftet wird

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Bierkultur

Tierisch gutes Bier von Adler, Hase und Bär

Die Gasthäuser im Ostrachtal waren seit eh und je wichtiger Erwerbszweig und gesellschaftlicher Treffpunkt innerhalb der Gemeinde Bad Hindelang. Viele der zu diesen Häusern gehörenden Brauereien sind heute nur noch den wenigsten Einheimischen bekannt. Wolfgang Keßler, Vorsitzender des Heimatdienstes Hindelang, erinnert an diese historischen Horte des Bierbrauens im Allgäu

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koholkonsum gelegen haben: Nach alten Überlieferungen hat früher beim Kartenspiel oft ein Kalb, eine Kuh oder gar ein Grundstück den Besitzer gewechselt.

Brauerei Krone 1864 heiratete der Gastwirt Johann Zeller die Tochter des Landwirts Michael Ernst. Auf dem Grundstück des Bauernhofes errichtete er eine Gastwirtschaft mit Metzgerei. 1885 fasste Zeller den Entschluss, selbst Bier zu brauen, und richtete ein Bräuhaus ein. Nach seinem Tod im Jahr 1892 wurde die Wirtschaft mit Brauerei an den seinerzeitigen Adlerwirt Ludwig Weber verpachtet, der wohl bis 1898 dort weiter braute. Am 6. April 1898 übernahm der Metzgermeister Georg Blanz das Anwesen »mit Hofraum und Bräuhaus«, wobei es ihm vermutlich eher um das Gebäude ging, denn er stellte nach dem Erwerb das Brauen umgehend ein. Bierkrüge und andere Brauutensilien aus jener Zeit sind nicht mehr vorhanden. Die Metzgerei hingegen erlangte große Bedeutung.

So oder ähnlich mag es einst in den Hindelanger Gasthöfen zugegangen sein. Bei einer hitzigen Diskussion über aktuelle Ereignisse durfte ein anständiges Bier nicht fehlen. Dies veranschaulichte O. Sitzmann 1890 in seinem Holzstich »Politiker«

Holzstich: O. Sitzmann, Fotos und Repros: Thomas Niehörster

Bärenbrauerei Die ehemalige »Bärenwirtschaft« existierte schon vor 1657 unter dem Namen »Scholl Johannes Bärenwirth«. Ab wann genau im dazugehörigen Nebenhaus Bier gebraut wurde, ist nicht überliefert. Anthoni Stich aus Vorderburg erwarb 1751 das Anwesen. Eine Notiz besagt, dass er mit dem von ihm erzeugten Bier ein weitbekannter Meister seines Fachs war. 1778 wurde die Brauerei an den Adlerwirt Göhl verkauft und 1779 ebenfalls der Gasthof, der bis 1854 bestand. Damit ging die Bärenbrauerei nahtlos in die Adlerbrauerei über. Der Name »Zum Bären« ging zusammen mit der Konzession 1812 nach Oberdorf.

Adlerbrauerei und Adlerwirt

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ragt man heute alteingesessene Hindelanger nach Brauereien, die einst im Ort bestanden, so fallen den meisten vielleicht drei ein – der Adlerwirt, der Hasenwirt und der Sonnenwirt. Soweit jedoch bekannt, ist die erste Erwähnung einer Brauerei in Hindelang bereits am 30. November 1688 in der »Urkunde 3811 Sonthofen Rettenberg« des Hochstifts Augsburg zu finden. In der Wirtsstube erfuhr man, was im Ort und außerhalb vor sich ging. Nach Feierabend beim Dämmerschoppen oder sonntags beim Frühschoppen saßen die Bauern und Handwerker zusammen. Sie besprachen die Gemeindepolitik und Ereignisse der Gegenwart. In den Nebenorten des Tales wurden hier tagsüber auch die Schulkinder unterrichtet, in dem Fall gab es für den Wirt nur ab Samstagnachmittag und am Sonntag Schankerlaubnis. Zur Führung einer Gastwirtschaft benötigte der Wirt eine besondere Erlaubnis – die »Tafern-Gerechtsame«. Dass es in den Wirtshäusern nicht immer friedlich herging, mag übrigens wohl nur zu einem Teil am Al-

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Fast eine »Brauereidynastie« war die Familie Göhl, die in allen drei größeren Hindelanger Brauereien vertreten war. Ahnherr des Geschlechts war der Oberstallmeister des Fuggergestüts, der bei der Verlegung des Gestüts aus Ungarn in das Ostrachtal mit übersiedelte. Sein Nachkomme Johann Michael Göhl heiratete 1765 die Adlerwirtstochter Katharina Schollin. Der »Adler« hatte illustre Gäste: 1848 übernachteten dort König Maximilian von Bayern und König Ludwig II. Während seiner Jagdaufenthalte in Hindelang nächtigte Kronprinz Luitpold im »Adler«, bis er im Hintersteiner Tal ein Jagdhaus für sich errichten ließ. Der Bräu des Adlers und der des Nordpols waren die ersten, die seinerzeit Bier auch in Flaschen abfüllten. Das Firmenzeichen war der sitzende Adler. Auf den Flaschen, die auch außer Haus gingen, stand statt »Adler-Brauerei« der Schriftzug »Brauhaus Hindelang«. Die Weizenbiergläser (auf der linken Seite zu sehen) der Adler-Brauerei zeigten neben der Aufschrift »Hin27


Die beiden historischen Postkarten zeigen oben links den Brauschuppen »Bruihüs«, in dem die »Hasenwirte« ihr eigenes Bier herstellten, rechts daneben eine alte Aufnahme der Gaststätte »Adler Post« (rechtes Gebäude). Das Gemälde rechts zeigt, wie der Gasthof »zur Sonne« einst ausgesehen hat. Unten ist das Etikett der ehemaligen Brauerei »zum Nordpol« im Hindelanger Ortsteil Bad Oberdorf zu sehen

Rechts: Der Bügelverschluss dieser Bierflasche ist mit dem Logo der Brauerei Sonne geprägt. Das Schwarz-Weiß-Foto ganz rechts zeigt den ehemaligen »Sunnewirt« Otto Schneider I mit seiner Frau Amalie und ihrem Sohn Otto II

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delanger Brauhaus« einen verschneiten Tannenbaum, der heute noch im Wappen von Bad Hindelang zu sehen ist. Gläser, Krüge und Flaschen aller Brauereien aus jener Zeit sind heute gesuchte Sammlerstücke.

Brauerei zur Sonne Die »Sonne« gehört zu den vier ältesten Gasthäusern im Kirchdorf. Das Haus wird erstmals 1620 im Pfarrarchiv erwähnt. Unter seinen Besitzern und Pächtern waren Bäcker, ein Käser und ein Maurermeister. Als erster Bräu wird Franz Josef Waibl aus Sonthofen genannt, der von 1795 bis 1810 in der »Sonne« Bier braute und eine »Huck«, also eine Krämerei betrieb. Es ist jedoch zu vermuten, dass hier bereits früher eigenes Bier gebraut wurde. Als 1896 Paul Neuchl Besitzer der Sonnenwirtschaft wurde, ließ er um 1900 den »Sonnensaal« bauen, der am 16. Juni 1901 eröffnet wurde. 1904 wurde der Braubetrieb unter der Leitung von Fritz Mader eingestellt. 1912 erwarb der Maurermeister und Baugeschäftsinhaber Otto Schneider das Gasthaus, das Brauhaus und den Saal. Bis 1928 war das ehemalige Brauhaus Tenne und Lagerhaus. Dann wurde es als »Gästehaus Amalie« völlig umgebaut. 1930 ging das ehemalige Brauhaus des Gasthofes »Adler-Post« in den Besitz des Sonnenwirtes über. In diesem Nebenhaus wurde das »Bad Hotel Sonne« eingerichtet, das 1977 einer Wohnanlage wich. Die »Sonne« ist das einzige der vier alten Gasthäuser Hindelangs, das heute noch existiert.

Hasenbräu Auch der Hasenwirt gehörte zu den vier ältesten Gaststätten im Tal. Die erste, noch erhaltene schriftliche Urkunde nennt 1656 einen »Scholl Johannes Hasenwirt«. Die Hasenwirtschaft hatte im Ostrachtal eine große Bedeutung. Das stattliche Haus hatte auf beiden

Giebelseiten Einfahrtstore und somit eine Durchfahrt für die Fuhrleute und Einstellraum für Ross und Wagen. Von 1844 an bestand die Hasenwirtschaft 75 Jahre lang ohne Unterbrechung im ehemaligen Hindelanger Schloss. Die Gaststube und ein kleiner Saal befanden sich im Erdgeschoss, ein großer Tanzsaal im zweiten Obergeschoss. Das Stadlgebäude war nordseitig unterkellert. Dessen Hausname hieß zuerst »Bruihüs«, später dann »Hasenwirt’s Stadl«. Der Hasenwirt im Schloss, Johann Anton Göhl, fiel 1918 im 1. Weltkrieg. Seine Frau Mathilde verkaufte 1921 den gesamten Besitz an die Marktgemeinde Hindelang. Nach einem Umbau entstand im Erdgeschoss die Gaststätte »Ratskeller«, die 1924 eröffnet wurde. Letzter Pächter des »Ratskellers« war ab 1945 Franz Narras, ein Hotelier aus Karlsbad, bis am 1. Oktober 1963 der »Ratskeller« endgültig geschlossen wurde. Eine große Gaststättenhistorie war damit beendet.

Brauerei zum Nordpol Im Jahr 1898 ließ der Gastwirt Magnus Brutscher in Bad Oberdorf in einem im Schatten der Berge liegenden Gebiet, in dem die Sonne auch im Sommer kaum scheint, den Gasthof »zum Nordpol« bauen. Nachdem er für sein Vorhaben, neben dem Gasthof eine eigene Brauerei zu errichten, auch seinen Schwager Joseph Laurer, Bäcker und Gastwirt, gewinnen konnte, wurde 1906 ein eigenes Brauhaus erbaut und ein Braumeister eingestellt. Nach dem Tod von Brutscher im Jahr 1910 führte seine Witwe Genovefa Brutscher zunächst zusammen mit Joseph Laurer den Betrieb weiter, 1924 kam die Brauerei dann zum Erliegen. Die erhaltenen grünen Ein-Liter-Flaschen mit der Aufschrift »Nordpol-Bräu Bad Oberdorf« sind wertvolle Sammlerstücke. Auf dem Etikett waren drei Eskimos mit Schneeschuhen abgebildet, die einen Bierkrug stemmen. Mit dem Werbetext »Das Bier vom Nordpol« wäre es heute sicher erneut erfolgreich. • Anzeige

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Blasmusik

Sie bringen Stimmung

nach dem großen Alpabtrieb

Wie die herrlich geschmückten Kühe, die unter klangvollem Läuten der Schellen ins Tal ziehen, gehört auch die heimische Blasmusik einfach zum Viehscheid dazu. Der Musikverein »Harmonie« Pfronten und die Musikkapelle Maierhöfen sind zwei Kapellen, die für ihre traditionellen Viehscheidauftritte bekannt sind. Marion Bässler hat die geschichtlichen Hintergründe beider Formationen beleuchtet und stellt sie vor


Fotos: Bildkistl.com, Musikverein »Harmonie« Pfronten, Musikkapelle Maierhöfen

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ei einem Blick ins Ostallgäu in die Gemeinde stützung von Gemeinde, Gönnern und privaten SpenPfronten direkt an der Grenze zum österrei- dern sowie umfangreichen Eigenleistungen konnte am chischen Bundesland Tirol fällt die ganz 18. Mai 2000 die erste Musikprobe in den eigenen vier besondere Verbindung des dortigen Musikvereins Wänden abgehalten werden. »Harmonie« Pfronten zum Viehscheid ins Auge. Er Im Jahr 1929 richtete der Musikverein, dessen Wurblickt nicht nur auf eine über 150-jährige Tradition zu- zeln auf das Jahr 1860 zurückgehen, einen der musirück, von 1998 bis 2002 hatte die Kapelle neben der kalischen und gesellschaftlichen Höhepunkte der musikalischen Gestaltung auch die komplette Organi- damaligen Zeit aus, das 4. Bayerisch-Allgäuer Musiksation des festlichen Ausklanges der Alpsaison inne. Bundesfest. Nach dem Zweiten Weltkrieg machten Der vorherige Festwirt beendete sein Wirken genau in sich die Pfrontener Blasmusik-Mitglieder an den mudem Zeitraum, als die »Harmosikalischen Wiederaufbau. nie« dringend finanzielle Mittel Im Mai 1960 feierte die Ka»Bis 2002 organisierte die für den Bau ihres eigenen Musikpelle ihr »Hundertjähriges«, heimes benötigte. Es entstand die Musikkapelle in Pfronten den 2010 wurde das 150. JubiläIdee, sich durch die Einnahmen um begangen. Seit nunmehr kompletten Viehscheid« des Viehscheidbetriebes die neue 41 Jahren lenkt Dirigent Jo»Vereinsheimat« zu finanzieren. Die Musiker riefen sef Mörz die musikalischen Geschicke, in dieser Form den vorabendlichen »Einzug ins Festzelt« ins Leben, ebenfalls eine Besonderheit. In seiner langjährigen Täder seither als liebgewonnene Besonderheit beim tigkeit hat er mit seinen Musikern ein abwechslungsPfrontener Viehscheid gepflegt wird. reiches Repertoire erarbeitet, gekennzeichnet durch Vom Bahnhof in Pfronten-Ried ziehen die gesamten eine Mischung aus älterer, traditioneller Blasmusik Vereine des Ortes mit Fahnenabordnungen in einem und Überschreibungen von klassischen, ursprünglich Umzug durch die Straßen bis ins Festzelt, wo der all- für Symphonieorchester gedachten Werken. jährlich von zahlreichen Gästen besuchte traditionelle Das äußere Erscheinungsbild der Interpreten änderte Brauchtumsabend stattfindet. »Von den Sportvereinen sich im Lauf der Zeit sogar mehrfach. Die erste einüber die Feuerwehr und den Trachtenverein bis hin zu heitliche Einkleidung erfolgte 1926 in Form von grüden Blumenfreunden sind alle dabei«, meint Rainer nen Lodenanzügen, der sogenannten Jägertracht. 1968 Ruf, Schriftführer der »Harmonie«, und erklärt, dass entschlossen sich die Musiker trotz heftiger Diskusdie Musiker mit der Einführung dieses Festumzuges sion in den eigenen Reihen mehrheitlich dafür, sich den Vorabend attraktiver machen wollten. Die Orga- dem allgemeinen Trend anzuschließen und zu einer nisation des Viehscheidbetriebes wurde aufgrund des Allgäu-Schwäbischen Tracht mit Lederbundhose, »enormen Aufwandes« allerdings wieder niedergelegt. roter Weste und grauer Joppe zu wechseln. Die rote »Mit dem Auf- und Abbau des Zeltes und den Auftrit- Weste wurde in den 1980er-Jahren kurzzeitig abgeten waren wir mit rund 100 Leuten im Einsatz, das ist schafft, aber bereits 1988 in Kombination mit einer einfach zu viel geworden«, erläutert Ruf. Das große dunkelgrauen Joppe wieder eingeführt. Den flachen Ziel konnte allerdings erreicht werden, dank UnterHut ersetzten die Musiker zwischen 1981 und 1988

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S. 30 oben: die Musikkapelle Maierhöfen beim Zug durch die Westallgäuer Gemeinde. Unten links: Impression vom Bühnenrand, daneben: die Harmoniemusik Pfronten in der von 1926 bis 1968 getragenen »Jägertracht«. Oben: konzentriertes Spiel der Maierhöfener beim Musikfest Oberstaufen

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Der Musikverein »Harmonie« bringt beim Viehscheid nicht nur gute Stimmung auf Pfrontens Straßen. Auch im Festzeit sorgt die Formation seit vielen Jahren für den richtigen Ton

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kurzfristig durch dunkelgraue Spitzhüte mit Spiel- und dem anschließenden Frühschoppen, der sich hahnfeder. meist bis in den späten Nachmittag zieht, ist »für jeden Knapp 60 Kilometer weiter westlich, in der Westall- zwar anstrengend, aber trotzdem schön«, so Thomas gäuer Gemeinde Maierhöfen, wurde die erste Musik- Spieler. Missen möchte diese Auftritte mit Sicherheit kapelle laut Thomas Spieler, dem 1. Vorsitzenden der keiner, denn der Viehscheid ist nicht nur vom AmMusikkapelle Maierhöfen, nachweislich im Jahre 1846 biente, sondern auch vom Gesamtpaket »ein Heimatgegründet. Nur sechs Jahre später fest der besonderen Art«. Da die löste sie sich zwar schon wieder Musikkapelle Maierhöfen über »Dieser zweitägige auf, wurde aber 1885 erneut ins ein großes Repertoire verfügt, Viehscheid-Marathon ist Leben gerufen. Nach einer weitestellen die geballten Auftritte die anstrengend, aber schön« Musiker vor keinerlei Probleme. ren Auflösung, bedingt durch den Ersten Weltkrieg, wurde 1920 mit Hinzu kommen zwei weitere der Gründungsversammlung der neuen Musikkapelle Aspekte, die die Kapelle auszeichnen: Zum einen gezu ihrer finanziellen Unterstützung auch der Musik- hören ihr zahlreiche Solisten an, die den Stücken eine verein gegründet. Nachdem sich die Kapelle finanziell besondere Note verleihen, zum anderen haben sie sich erholt hatte, wurde der Verein 1925 wieder aufgelöst. schon seit über zehn Jahren der böhmisch-mähriIm August 1953 feierten die Musiker das 100-jährige schen Blasmusik verschrieben. Gründungsjubiläum der Kapelle nach, das kriegsbe- Nicht nur die Gesamtkapelle gibt diese gerne zum Besdingt verschoben worden war, und konnten gleichzei- ten, das 1998 gegründete Gehrenbach-Ensemble widtig ihre neue Fahne einweihen. Drei Jahre nach dem met sich sogar gänzlich der Musikrichtung. Aus dieser 125-jährigen Gründungsjubiläum 1971 wurde mit tatVorliebe heraus entstand bei der Ausrichtung des kräftiger Eigenleistung und dank der Unterstützung Bezirksmusikfestes 2006 die Idee zur Einführung einer von Gönnern ein eigener Probenraum geschaffen. böhmisch-mährischen Kategorie. Nachdem die Momentan sind die Musiker gerade dabei, diesen zu Musikkapelle Maierhöfen damit eine Vorreiterrolle erweitern und zu modernisieren. innehatte, gehört die Gattung mittlerweile zum musiDie Krönung eines jeden Jahres ist für die Musikka- kalischen Standard des Ensembles. Treu geblieben pelle aber der heimische Viehscheid, bei dem die Mu- sind die Musiker trotz einiger Erneuerungen dem trasiker seit Bestehen traditionell immer dabei sind. ditionellen Stil ihrer Tracht aus roter Weste mit kleiWährend die Auftritte in anderen Orten schon mal auf nem Muster und grauer Jacke. Der Spitzhut ist dabei mehrere Gruppen aufgeteilt werden, bewältigt die Mu- das typische Merkmal der Maierhöfener Blasmusiker. sikkapelle Maierhöfen den zweitägigen »Marathon« Vor einigen Jahren wurden in der Kapelle zudem Edelalleine. Die Zeit vom samstäglichen Frühschoppen weißhosenträger einheitlich eingeführt, wie sie »einüber den Marsch zum Scheidplatz und den Auftritt im fach zum Allgäu dazugehören«, wie der Vorsitzende Zelt bis hin zur sonntäglichen Begleitung der Messe Thomas Spieler bemerkt. •

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Pro und Kontra

»Oben ohne«

oder naturgemäß mit Horn?

Zum Bild »glücklicher Kühe« gehören für viele Allgäu-Besucher Tiere mit Hörnern auf der Weide. Zum Schutz vor Verletzungen werden diese jedoch bei vielen Wiederkäuern entfernt. Darüber gibt es seit einiger Zeit Diskussionen zwischen Befürwortern und Gegnern. Wir stellen die Positionen von Susanne Schwärzler vom Bioring Allgäu e.V. und Johann Steurer, Verbandsverwalter der Allgäuer Herdebuchgesellschaft (AHG) in Kempten, gegenüber

Steurer: »Unfallgefahr nicht zu verantworten«

Alpsommer und Viehscheid 2012: Wie verbreitet ist das Enthornen im Allgäu? Haben Sie dazu belegbare Zahlen oder können Sie eine Schätzung abgeben?

Johann Steurer: Ich müsste hier zwar schätzen, doch die Abteilung Kempten der AHG hat im vergangenen Jahr rund 3000 Stück Jungvieh vermarktet, mit dem Export kamen wir auf etwa 4500 Stück Großvieh. Davon waren nur circa 40 bis 80 Exemplare mit Hörnern. Der Anteil der behornten Tiere, wie die Praxis zeigt, wird wohl keine zehn Prozent erreichen.

Susanne Schwärzler: Ich kann hier keine genauen Zahlen nennen, doch ich würde sagen, dass noch ungefähr zwischen fünf und zehn Prozent der Tiere Hörner haben, der Rest ist enthornt. Die Tendenz zu Tieren mit Hörnern ist aber wieder steigend. Der Bioverband Demeter zum Beispiel verpflichtet seine Bauern, dass ihre Tiere Hörner haben müssen. Bei anderen Bioverbänden sind aber enthornte Tiere möglich. Auf lange Sicht muss sich dies aber aus »biologischer« Sicht ändern, denn »Bio« heißt ja auch artgerecht.

Seit Jahren streiten Fachleute, Laien und Urlauber darüber, ob Allgäuer Kühen die Hörner entfernt werden dürfen oder nicht. Wie ist Ihre Meinung in dieser Diskussion?

Johann Steurer Er organisiert die Vermarktung von Großviehauktionen, Exporte sowie die Alpwirtschaft in der AHG. Er führt im Nebenerwerb einen Braunviehzuchtbetrieb mit 15 Tieren. Er meint: »Eine Kuh mit Horn hat mir immer gefallen, doch heute ist dies wegen der Verletzungsgefahr nicht mehr praktikabel.«

Von der Unfallgefahr her ist das Halten der Tiere mit Hörnern einfach nicht mehr zu verantworten und deswegen auch nicht mehr verbreitet – bis auf einige Bioverbände und kleinere Betriebe, die dies noch propagieren. Das Horn ist eine Waffe, wenn sich eine Kuh in die Herdendynamik nicht einfügt, führen die Rangkämpfe schnell zu gefährlichen Verletzungen. Mir gefällt eine Kuh mit Horn, Erfahrungswerte im täglichen Umgang haben aber dazu geführt, dass man einen Betrieb mit 30 bis 40 Kühen im Laufstall mit enthornten Tieren besser realisieren kann.

Das Horn gehört eindeutig zur Kuh, Enthornen ist mit Schmerz verbunden, und Schmerz ist Krankheit. Daher ist diese Praxis für mich definitiv keine Lösung. Ich bin für Qualität vor Quantität: Hätten wir ab morgen in den Betrieben nur noch Kühe mit Hörnern (eine Kuh mit Horn benötigt fast doppelt so viel Platz umbauten Raum wie ein Tier ohne Horn), wären die Herden bald nur noch halb so groß, der Milchmarkt würde entlastet, die Produkte würden hochwertiger, individueller und die Haltung der Tiere würde wieder tiergerechter.

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Hat das Entfernen der Hörner Auswirkungen auf die Milch oder das Fleisch der Tiere? Das wird oft propagiert, ist aber schwierig zu beweisen. Es gibt diverse Theorien hierzu, doch ich bin überzeugt davon, dass die Milch der Kühe mehr beeinflusst wird durch das, was das Tier zu fressen erhält, als durch die Tatsache, ob es seine Hörner noch hat oder nicht.

Das Horn ist ein Verdauungsorgan nach innen. Ich erlebe, dass das Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein von Hörnern Folgen für Milch und Fleisch hat. Milchallergiker vertragen Hörnermilch ohne Krankheitserscheinungen. Außerdem ist dazu im November 2011 erst eine aktuelle wissenschaftliche Studie abgeschlossen worden, die dies bestätigt hat.

Gibt es verhaltensbedingte Veränderungen bei Tieren, denen die Hörner genommen wurden? Wie man mit dem Tier umgeht, entscheidet, wie sich ein Tier verhält. Persönlicher Kontakt spielt hier eine wichtige Rolle. Dieser Kontakt ist viel zentraler als die Frage, ob das Tier Hörner hat oder nicht. Doch der bereits erwähnte Umgang mit den Tieren wird natürlich viel schwieriger, wenn sich der Landwirt vor den Hörnern der Kuh in Acht nehmen muss – ob dies nun beim Ausladen, beim Transport oder in anderen Situationen ist.

Hörner haben unter anderem Signalwirkung in der Herde und dienen zur Körperpflege (zur Reinigung von Verschmutzungen und zum Schutz vor Parasiten kratzen sich Rinder unter anderem mit Hörnern oder Hinterklauen oder reiben sich an Gegenständen; Anm. d. Red.). Tiere mit Horn sind ausgeglichener als hornlose Artgenossen. Die Hörner erfüllen eine wichtige Funktion beim Druckausgleich während des Wiederkäuens. Werden sie entfernt, vergrößert sich die komplette Kuh-Schädelform im Bereich der Stirnhöhle. Sie wölbt sich nach oben und vorne

Können Sie die Argumente Ihrer Gegner verstehen respektive tolerieren? Auf jeden Fall kann ich sie verstehen, doch im Endeffekt hat die Natur immer Recht. Wir als Menschen müssten uns nach dem Wesen der Kuh richten, doch ich kann natürlich auch die wirtschaftlichen Zwänge verstehen. Die Haltungsbedingungen sollten auf das Wesen der Kuh, nicht auf die Massentierhaltung in Laufställen abgestimmt werden. •

Susanne Schwärzler vom Arbeitskreis Hörner tragende Kühe im Bioring Allgäu hält diverse Vorträge zur Bedeutung der Hörner für das Lebewesen Kuh. Sie betreibt als Biobäuerin gemeinsam mit ihrem Mann Walter einen Demeter-Hof in KemptenHeiligkreuz. Sie sagt: »Das Horn gehört eindeutig zur Kuh. Enthornen ist für mich definitiv keine Lösung. Ein wichtiger Leitsatz heißt: ‚Gib, dann wird Dir gegeben.’ Wenn wir aus der Natur nehmen, wird uns genommen und das ist ja im Zuge der industriellen Landwirtschaft in allen Bereichen ganz deutlich spürbar.«

Schwärzler: »Das Horn ist ein Verdauungsorgan«

Fotos: Anne Bolle, Christine Räder, Volker Wille

Ich kann beide Standpunkte tolerieren, weil jeder Landwirt frei entscheiden kann, ob er enthornt oder nicht. Ich bin froh, dass dies nicht von der Berufsgenossenschaft vorgeschrieben wird. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, in welche Richtung die Entwicklung geht, doch jeder Landwirt ist hier glücklicherweise völlig frei, zu tun, was er tun möchte.

Susanne Schwärzler

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Brauchtum

Sicherer Halt

f체r den klingenden Schmuck

Beim Viehscheid ziehen nicht nur die Kr채nze, sondern auch die verzierten Schellenriemen die Blicke der Besucher auf sich. Vor knapp 25 Jahren hat Alfred Rothmayr die Herstellung der prachtvollen Lederriemen gelernt. Mittlerweile fertigt er sie gemeinsam mit seiner Tochter Bernadette in der heimischen Werkstatt an. Marion B채ssler erz채hlten die beiden, wie es dazu kam und in welchen Arbeitsschritten ein Schellenriemen entsteht

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S. 36: Bernadette Rothmayr führt die Tradition der Schellenriemenherstellung in der Werkstatt ihres Vaters fort. Links: Alfred Rothmayr beim Zuschneiden des Leders. Daneben: Präzision mit alten Werkzeugen gehört zu der filigranen Arbeit

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er kleine Arbeitsraum in Altstädten, in dem chen in verschiedenen Größen, einen Anreißzirkel die ledernen Schmuckstücke, die zum Vieh- und verschiedene Verzier-Eisen. Utensilien, die Alfred scheid unbedingt dazugehören, entstehen, ist Rothmayr zum Großteil von einem guten Sattler überbeengt und voller Materialien: »Es ist nichts Großes, nommen hat. Seine große, alte, schwarze Nähmaschiaber uns reichts«, sagt Alfred Rothmayr beim Betreten ne, die in der Werkstatt des Kunsthandwerkers so gute des kleinen Raumes im Keller seines Hauses in Altstäd- Dienste tut, findet man auf dem Markt kaum noch. ten. 1988 hat er sich hier die passende Werkstatt für Selbst beim Material wird es schwierig, denn hier ist sein seltenes Hobby eingerichtet, die Herstellung von die Stärke entscheidend. Schellenriemen. Seit zwei Jahren wird er dabei von sei- Bei einer kleineren Schelle reicht zwar ein 4,5 Milliner Tochter Bernadette unterstützt, die ebenfalls Ge- meter dickes Leder, für die großen müssen es schon fallen an der alten Handwerkskunst gefunden hat. 5,5 Millimeter sein. Aber »es gibt nicht mehr viele Bei Vater Alfred ist die Idee dazu mehr oder weniger Gerbereien, die das machen«, weiß der Altstädter aus der Not heraus geboren: Schellenriemenmacher. Wer da»Nachdem der Mann, der un»Bei der Zusammenstellung von ausgeht, dass die Gerbereien sere Schellenriemen gemacht die fertigen Streifen anliefern, des Werkzeugs beginnt hat, verstorben ist, hab ich wird ziemlich überrascht sein, schon die Herausforderung« wenn Alfred Rothmayr eine riemeine selber gemacht«, erinnert sich der Oberallgäuer. Was sich sige Rolle auf dem Boden ausso simpel anhört, ist zwar »kein Hexenwerk«, birgt je- breitet und sich erst mal ans Zuschneiden macht. doch einige Schwierigkeiten, da diejenigen, die das »Der Ausgangspunkt des Ganzen ist die Schelle«, erSchellenriemenmachen beherrschen, gerne für sich klärt er dabei. Abhängig von deren Größe reicht die behalten, worauf es ankommt. Alfred Rothmayr hat es Breite der Riemen von drei Zentimetern für kleinere sich daher selber beigebracht. »Ich habe Schellen zerWeidschellen bis 22 Zentimeter für Zugschellen, die legt und mich so reingeschafft«, erinnert er sich. dann am Viehscheid bewundert werden können. Nach Die Herausforderung beginnt allerdings schon bei der dem Herausschneiden des Bogens und dem Einritzen Zusammenstellung des richtigen Werkzeuges, denn des Innenbogens werden die Stellen markiert, an »viele Sachen bekommt man heutzutage gar nicht denen Bernadette oder Alfred Rothmayr anschließend mehr«. Die meiste Arbeit wird zwar mit Messern ge- die Löcher mit Hilfe eines Locheisens schlagen, bevor macht, für die Herstellung eines Schellenriemens be- es ans Verzieren geht. Während es bei den bisher benötigt man aber unter anderem auch noch zusätzliche schriebenen Schritten der Herstellung keine Unterspezielle Hilfsmittel wie Werkzeuge zum Kantenbre- schiede gibt, sind diese, was die Verzierung angeht,

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Fotos: Marion Bässler, Volker Wille

Die Bilder ganz oben zeigen, wie ein Schellenriemen ausgeschmückt werden kann (von links): ein Verziereisen, Verzierung mit Bändern und eine Schnitzerei mit einem Edelweißmotiv. Oben: der fertige Schellenriemen am »lebenden Modell« auf der Hinteren Seealpe bei Oberstdorf, rechts Detailaufnahme des Einbrennmotivs

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umso größer: Das reicht von großen Silberknöpfen, Mustern aus unterschiedlichen Nägeln, Goldnähten und Stickereien bis zu aufgemalten Motiven. »Jeder hat seinen eigenen Stil«, erzählt Bernadette Rothmayr. Da die Kunden der Familie zwar die verschiedenen Modelle und Designs bewundern, den Schellenriemenmachern aber künstlerische Freiheit gewähren, »ist das Motivbuch im Kopf«, wie Alfred Rothmayr lachend feststellt. An der hinteren Holztür zwischen seiner Werkbank und der Stange, an der einige geschnittene Riemen aufgehängt sind, finden sich etliche Fotos von fertigen Arbeiten. Wie viele dieser prachtvollen Lederbänder, mit denen die Glocken am Hals der Kühe befestigt werden, seither entstanden sind, vermag er ebenso wenig zu sagen wie die Anzahl, die er jährlich produziert. Meist gehen ab Mai die ersten Aufträge ein, allerdings erinnert sich Alfred Rothmayr noch gut an so manche Nachtschicht, die er gerade in seiner Anfangszeit einlegen musste. Während sich das Handwerk heutzutage wieder einer wachsenden Beliebtheit erfreut, gab es in den 1990er-Jahren nur äußerst wenige Schellenriemenmacher in unserer Region. Daher wurde Alfred Rothmayr durch neue Aufträge »Da die Kunden künstlerische gleich in seiner Anfangszeit »ins kalte Wasser geworfen«. Heute Freiheit gewähren, freut er sich darüber, dass er die ist das Motivbuch im Kopf« Arbeit im »Teamwork« mit seiner Tochter erledigen kann. »Ich wollte das vom Papa unbedingt lernen, weil es mir gefällt, so kreativ sein zu dürfen. Außerdem macht es mich stolz, wenn die Leute am Viehscheid einen Riemen bewundern, den ich gemacht hab«, sagt Bernadette. Für die Verzierungen hat sich die 16-Jährige hauptsächlich auf zwei Techniken spezialisiert, auf das Schnitzen und Brennen. Am liebsten schnitzt sie Blumen, aber auch Berg- oder Hüttenmotive haben es ihr angetan. Die Vorlagen zeichnet sie sich selbst auf Papier, bevor sie mit speziellen Schnitzmessern am Leder Hand anlegt. Am Brennen von Motiven reizt sie vor allem, dass mit der Technik farbliche Unterschiede möglich sind. Wenn das Muster steht, werden noch je nach Kundenwunsch die farbigen Fransen angenäht und die Schnallen angebracht. Nun bedarf es etwas Kraftaufwandes, um Schelle und neu angefertigten Riemen das erste Mal zusammenzufügen. Bis es soweit ist, haben Bernadette und Alfred Rothmayr zwischen drei und fünf Stunden Arbeit hinter sich. Wie lange die Herstellung eines Schellenriemens genau dauert, hängt von der Art der Verzierung ab. •

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Interview

Die junge Wilde

aus dem Schrothkurort

Mit spektakulären Gästeaktionen, die für Schlagzeilen sorgen, macht Oberstaufen seit einiger Zeit als »digitalster Kurort Deutschlands« von sich reden. Am Brückenschlag zwischen einer ihre traditionellen Wurzeln achtenden Allgäuer Gemeinde und einem Ort mit Platz für modernen Tourismus versucht sich die 32-jährige Kurdirektorin Bianca Keybach. Ilka Schöning hat sie nach ihren ungewöhnlichen Ideen befragt

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ls Bianca Keybach mir zum Auftakt des Interviews die Hand gibt, stelle ich fest, dass sie ein seltenes Kunststück beherrscht: Ihre Ausstrahlung ist dynamisch, selbstbewusst, souverän und gleichzeitig ebenso bodenständig wie unkompliziert. Fast, als stünde man einer guten alten Bekannten gegenüber. Sie gehört zu den Menschen, die Charisma besitzen – ein erster Eindruck, den ihre überraschende Offenheit während unseres Gespräches bestätigt.

Alpsommer & Viehscheid 2012: Frau Keybach, nach Ihrer erfolgreichen Aktion mit einem eigenen Schalter im Haus des Gastes, an dem die Besucher Oberstaufens sofort mit »Du« angesprochen werden, müssen wir Sie jetzt duzen? Bianca Keybach: Müssen nicht. Wir bieten das »Du« zwar jedem Gast an, wollen aber keinem auf den Schlips treten, jeder hat die Wahl zwischen »Du« oder »Sie«. Einzelnen ist das »Du« unangenehm, und das 40

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ist okay. Aber die meisten freuen sich darüber, die sagen: Wir sind hier im Urlaub in Bayern, auch die Einheimischen duzen sich hier gegenseitig, und wir möchten dazugehören. Der »Du-Schalter« war nur einer Ihrer Coups als Tourismus-Chefin. Noch mehr Aufsehen erregte die Aktion, als erstes deutsches Dorf den InternetDienst Google Street View offiziell zu sich einzuladen. Wie kam es dazu? Die Oberstaufener sind generell sehr offen. Das waren sie schon, als Dr. Hermann Brosig 1949 die Schrothkur hier beheimatete: Wer wollte schon nach dem Krieg auch noch in der Kur hungern müssen? Die Staufener dachten eben schon damals sehr aufgeschlossen, und so war es auch bei Google Street View. In Kombination mit unserem modernen Marketing, unserer querdenkerischen Art und Spontaneität hat das super funktioniert. Google Street View war ja das Sommerloch-Thema 2010, jeder war dagegen, und wir dachten uns: Warum eigentlich? Wenn man einen schönen Ort hat, gibt’s doch nichts Besseres, als wenn der fotografiert und kostenlos online gestellt wird! Eine unserer Gastgeberinnen hat also eine Torte mit der Aufschrift ‚Streetview – Willkommen in Oberstaufen’ gebacken, und wir präsentierten sie auf Facebook. Am nächsten Nachmittag war schon das Bayerische Fernsehen da, und schließlich hat es sogar Google selbst mitbekommen. Dort sah man natürlich auch den Nutzen einer Zusammenarbeit im CSU-Land Bayern, wo man die größten Kritiker vermutet hätte.

einer am Stammtisch sitzt und Dampf ablässt, dann wird der ja auch nicht aus der Wirtschaft rausgeschmissen! Nur Werbung unterbinden wir rigoros. Einerseits sind Ihre Aktionen sehr innovativ, andererseits sitzen Sie im Dirndl hier. Ein Zugeständnis an die Traditionalisten? Ich bin selber Allgäuerin mit Leib und Seele, trage gerne Dirndl – je nachdem, wie viel ich gegessen habe –, mag Funkenfeuer, Viehscheid und Kachelöfen, nur bin ich eben auch ein Kind des digitalen Zeitalters, ich mag auch mein Facebook. Aber ich kann ja auch mit dem Dirndl vorm Laptop sitzen! Wir in Oberstaufen haben für uns die Werte ‚Tradition’ und ‚Digitalität’ definiert, und die nehmen unsere Gäste auch an. Wo haben Sie diese Art Marketing gelernt? Ich habe Kurorte- und Destinationsmanagement studiert. Letztendlich entscheidend ist aber das Mensch-

»P« wie Powerfrau: Jubelnd nimmt Bianca Keybach 2011 den »PR Arward« entgegen. Den »Oscar der PR-Branche« erhielt sie für die gelungene Zusammenarbeit mit Google Street View

Auch »Du bist Oberstaufen«, wo der Urlauber sich ein personalisiertes Video machen lassen kann, ist beispielsweise ein Internet-Angebot. Lassen sich auch die Senioren unter Ihren Gästen darauf ein? Durch die digitalen Angebote werden unsere herkömmlichen ja nicht ersetzt, sondern nur ergänzt. Wer nur die »Klassiker« nutzt, fühlt sich vom digitalen Angebot nicht gestört. Wer aber dafür aufgeschlossen ist, hat einen zusätzlichen Kanal, den er sogar mitgestalten und über den er 24 Stunden am Tag mit uns in Verbindung treten kann. Wenn man durch die Stadt geht, sieht man außerdem auch ältere Gäste, die ihr Smartphone ganz selbstverständlich nutzen. Die tun das nur anders als die jüngeren, die überall einchecken und alles kommentieren müssen. Sie beobachten eher, was sich tut, und sprechen sich dann persönlich darauf an: »Ach, Du hast ja eine Schrothkur gemacht, das habe ich bei Facebook gelesen.« Sie moderieren Ihre Seite wirklich Tag und Nacht? Ja, wir haben alle immer unsere Smartphones in der Tasche und schauen mehr oder weniger unbewusst alle paar Minuten da drauf. Das erleichtert auch den Kundenkontakt: Viele Online-Anfragen lassen sich stellvertretend klären. Und auch negative Kommentare fliegen bei uns nicht raus. Wenn im echten Leben

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Diese enorme Verantwortung muss Sie nervös gemacht haben, als Sie mit 26 Jahren und gänzlich unerfahren als Oberstaufens Kurdirektorin anfingen. Sicher. Ich bin nach wie vor begeistert von dem Mut von Bürgermeister Walter Grath und des gesamten Gemeinderates, mir diese Stelle anzubieten, ich hätte mir das damals nie zugetraut. Geholfen hat mir wohl mein jugendlicher Leichtsinn, denn mir war in dem Moment nicht bewusst, was für eine Tragweite diese Entscheidung haben würde. Mittlerweile ist es mir bewusst, aber jetzt macht es nichts mehr: Jetzt weiß ich ja, wie’s läuft. Sie haben eine Steilvorlage geliefert, mit der Sie andere deutsche Gästeämter in Deutschland weit hinter sich gelassen haben. Werden Sie diesen hohen Standard weiterhin halten können? Wir haben ein Niveau erreicht, wo es schwierig wird. Anfangs waren die Erwartungen noch niedrig, da hat man quasi schon die Ehrenbürgerschaft dafür gekriegt, das Dirndl als Dienstkleidung einzuführen. Heute liegt die Latte sehr hoch. Aber nach Google Street View noch eins draufzulegen, ist fast unmöglich. Da muss man realistisch bleiben und aufpassen, sich keinen Druck zu machen: Gerade die Ideen, die uns so erfolgreich gemacht haben, sind entstanden, wenn wir unbefangen miteinander ausgegangen sind. Es ist nicht so, dass wir uns vorher einen Plan machen, Innovationsworkshops durchführen oder dergleichen.

Fotos: Viola Elgaß, Oberstaufen Tourismus

Warum ist Oberstaufen eine Reise wert?

Gestik, die Bände spricht: Mit Leib und Seele steht Bianca Keybach hinter Ihren Marketingcoups

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liche. Ich muss unseren Gastgebern oder meinem eigenen Team so vermitteln, wohin ich möchte, dass sie dann auch dahinterstehen. Es hilft die beste Diplomnote nichts, wenn man die Leute nicht für ein Konzept begeistern kann. Hier im Team hilft es enorm, dass wir ein freundschaftliches Verhältnis haben, denn unsere Ideen entwickeln wir gemeinsam. Wir gehen auch mal abends was miteinander trinken, und so blöd es klingt – in einer Sektlaune entstehen ganz verrückte Ideen, die man am nächsten Tag wieder aufgreift. Ganz wichtig ist auch unser Pausenraum. Hier treffen wird uns spontan, tauschen uns aus, machen außerplanmäßig ein kurzes Brainstorming, dabei kommt viel raus. Schön ist auch, dass sich die Politik raushält. Der Gemeindrat sagt: Wir haben eine Fachfrau, die die volle Verantwortung übernimmt, da kann sie auch die volle Entscheidungsbefugnis haben.

Auf der einen Seite hat Oberstaufen eine wunderschöne Bergkette, auf der anderen diese Weite: Viele Gäste kommen, weil sie Platzangst kriegen, wenn sie rundum von Bergen eingeschlossen sind. Sehr wichtig sind außerdem – auch für Einheimische – die Einkehrmöglichkeiten. Ob nun die Gastronomie im Nachtleben, das ja bei uns schon morgens um elf Uhr losgeht, wo man Lifemusik hören und gemütlich Wein trinken kann, oder unsere unzähligen Alphütten. Ich gehe hier selbst gerne Genusswandern, weil man alle halbe Stunde auf eine Hütte zum Einkehren stößt. Nicht zu vergessen das spezielle Flair von Oberstaufen, wo man den Tourismus nicht als notwendiges Übel und die Gäste als Fremde ansieht, die am liebsten daheimbleiben und das Geld schicken sollten. Sondern wo sie gemocht werden, wo sich Einheimische und Gäste in allen Lokalen mischen und Freunde werden. Tourismus ist hier Bestandteil der Kultur und nicht nur irgendein austauschbarer Wirtschaftszweig. Apropos Nachtleben: Es gab eine Zeit, da hatte Oberstaufen wegen seiner ausschweifenden Partyszene einen etwas anrüchigen Ruf… Stimmt, Anfang der 1990er-Jahre, wo viele deswegen nach Oberstaufen kamen, weil hier nur noch Party war. Da gab es Stammkurgäste, die sich daheim nicht

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Oberstaufens Vielfalt an Ideen

Oberstaufens Werte »Tradition« und »Digitalität« gekonnt in Szene gesetzt: Die smarte Kur-Chefin radelt mit einem Fahrrad, auf dem die Street-ViewKamera befestigt ist, an einer Gruppe Alphornbläser vorbei. Unten die Torte, die den Internet-Dienst auf den Kurort aufmerksam machte

Du-Schalter – An den Schaltern des Gästeamtes wird geduzt, sofern nicht anders gewünscht. Nach einer vorausgegangenen Umfrage bestanden von 15.000 Gästen nur zehn auf dem »Sie« Google Street View – Oberstaufen war 2010 das erste Dorf Deutschlands, dessen Straßen unter großem Medieninteresse bei dem interaktiven Dienst im Internet »begehbar« freigeschaltet wurden »Du bist Oberstaufen« – In einem Werbeclip zu Oberstaufen kann man sich selbst verewigen und das Ergebnis auf der Internet-Plattform Facebook mitteilen Oberstaufen Plus – Mit der Urlauber-Gästekarte kann man gratis die Angebote Oberstaufens inklusive der Skilifte nutzen sowie kostenlos parken Interaktiver Urlaubskatalog 2012 – Mit der Smartphone-Anwendung »Google Goggles« kann der Gast nach dem Fotografieren bestimmter Bilder OberstaufenVideos betrachten Weitere Informationen zu den Aktionen sind im Internet auf www.oberstaufen.de zu finden

zu sagen trauten, dass sie in Oberstaufen waren. Das ist heute nicht mehr so extrem, weil wir das so nicht mehr wollen. Ich sehe es so: Hier lernt man schnell und einfach Menschen kennen. Auch wer alleine herreist, fühlt sich nie einsam. Einige haben hier ihren Lebenspartner gefunden und kamen zum Heiraten wieder. Für Leute, die nicht alleine sein wollen, haben wir die Iphone-Anwendung »Kurschatten«. Damit

kann nicht nur die Kur organisiert werden, es werden dadurch auch Gäste und Einheimische mit ähnlichen Interessen zusammengebracht. Denn wir finden: In passender Gesellschaft macht das Leben mehr Spaß. Vielen Dank für das Gespräch. Anzeige

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Termine

Viehscheidtermine im Allgäu und Umgebung

Die Oberbayern und Österreicher nennen es Almabtrieb, der Allgäuer sagt Alpabtrieb oder eben Viehscheid. Wenn der Bergsommer sich dem Ende nähert, wird das Jungvieh von seinen Sommerweiden talwärts getrieben. Dort wird es beim Viehscheid den Besitzern feierlich übergeben. Traditionell wird das Ereignis mit Musik, der einen oder anderen Maß Bier und gutem Essen begangen. Nachfolgend eine Liste der Alpabtriebe im Allgäu und in der unmittelbaren Umgebung wie Vorarlberg und Tirol

1. S e p t e m b e r Reutte – Höfen 12.30 Uhr, Schollenwiesenlift in Höfen, ca. 40 Tiere Markt Rettenbach 10.30 Uhr, Pfarrgarten (zwischen Kirche und Feuerwehrhaus), ca. 35 Tiere

8. September Pfronten 9.30 Uhr, beim Schulzentrum in Pfronten-Heitlern, ca. 500 Tiere - Jungvieh von 7 Alpen - großer Festumzug mit Unterhaltungsabend am 7. September - Traditionelle »Pfrontar Viehscheid-Däg« vom 3. bis 15. September mit Ausflügen zu Alpen, Bauernhöfen oder Brauerei, Kranzkronen selber binden, Bergstecken schnitzen, Besuch beim Schellenschmied

den Schützenverein Seeg - 13 Uhr Eintreffen der Schumpen von der Alpe Beichelstein - Kuhglocken-Verlosung - Es spielt die Harmoniemusik Seeg - Ab 14 Uhr Bergsommerausklang mit Schellenverlosung - Ab 20 Uhr Stimmung im Festzelt

11. S e p t e m b e r Bad Hindelang 8.30 Uhr, Auf der Aach (Nähe der Hornbahn), ca. 900 Tiere - Fünf Rinderherden von den Alpen Hasenegg, Stierbach, Kühbach, Erzberg und Platte - Ganztätig musikalische Unterhaltung im Festzelt - Großer Kramermarkt

12 . S e p t e m b e r Schöllang 9 Uhr, südlicher Ortseingang von Schöllang, ca. 700 Tiere - Über 700 Tiere von Entschenalpe, Hintere Seealpe, Gutenalpe und Käseralpe - Festzeltunterhaltung mit Musikkapelle Schöllang und Rubihorn Musikanten - Pendelbusse von Fischen nach Schöllang

13 . S e p t e m b e r Seeg 13 Uhr, Festzeltplatz gegenüber der Feuerwehr, ca. 80 Tiere - Ab 11 Uhr Bewirtung durch 44

Oberstdorf 9 Uhr, im Ried (Renksteg), ca. 1000 Tiere - Pferdekutschenfahrt vom Megèver Platz zum Renksteg - Viehscheid mit Vieh von den Alpen Bierenwang,

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Traufberg, Haldenwang, Rappenalpe, Biberalpe und Taufersbergalpe - Pendelbus vom Busbahnhof Oberstdorf zum Scheidplatz

14 . S e p t e m b e r Balderschwang 9 Uhr, Ortsmitte am Feuerwehrhaus, ca. 300 Tiere - Kleiner und urtümlicher Viehscheid zur Rückkehr des Alpviehs Reutte – Lechaschau 9 Uhr, Schiedgasse in Lechaschau, ca. 800 Schafe - Almabtrieb mit Schafen aus dem Schwarzwassertal - Scheid mit anschließendem Schafscheren - 14 Uhr: Einzug der geschmückten Kühe und Ziegen

Immenstadt 9 Uhr, Viehmarktplatz Immenstadt, ca. 800 Tiere - Einziger städtischer Viehscheid im Allgäu - Festzelt mit Musik und Krämermarkt - Ab 14 Uhr Scheidschellenwürfeln Kranzegg 9 Uhr, Kranzegg, Ortsausgang Richtung Vorderburg, ca. 380 Tiere - Einziger Viehscheid im Oberallgäu mit fünf reinen Kuhherden und mindestens vier Jungviehherden - Festliche Umrahmung durch »Kranzegger Herbstfesttage« vom 7. bis 16. September

Nesselwang 9.30 Uhr, am Feuerwehrhaus, An der Riese 25, ca. 100 Tiere - Vor dem Einzug auf dem Scheidplatz Sammeln der Tiere an der Talstation der Sommerrodelbahn - Abends Viehscheid-Hoigarte mit Live-Musik im Festzelt Oberstaufen 8.30 Uhr, Höfen (Abzweigung nach Steibis), ca. 1000 Tiere - Pendelbusse zwischen Bahnhof Oberstaufen und Scheidplatz - Ab 14 Uhr Bergsommerausklang mit Schellenverlosung - Ab 20 Uhr Stimmung im Festzelt

Jungholz in Tirol 10 Uhr, Feuerwehrhaus Jungholz, ca. 100 Tiere Missen-Wilhams 9.30 Uhr, Am Freibad 5e, Missen, ca. 300 Tiere Eisenberg – Zell 10.15 Uhr, Ortsteil Zell, ca. 80 Tiere

15 . S e p t e m b e r Maierhöfen 11 Uhr, Festgelände Maierhöfen, ca. 250 Tiere - Mit 30 Kilometern von den Bergweiden nach Maierhöfen legt der Viehzug die weiteste Strecke im Allgäu zurück - Nach dem Scheid Allgäuer Heimatabend mit Trachtenverein, Goißenschnalzern und Tanz

Pfronten – Röfleuten 10 Uhr, Forsthaus an der Peter-Heel-Straße, Pfronten-Röfleuten, ca. 50 bis 80 Tiere Schattwald im Tannheimer Tal 13 Uhr, Feuerwehrhalle, Dorfmitte, ca. 80 bis 100 Tiere Schwangau 12.30 Uhr, Kreuzung in Hohenschwangau, ca. 180 Tiere Weitnau/Wengen 12.30 Uhr, An der Dorfhalle in Wengen, ca. 130 Tiere - Bauernmarkt ab 10 Uhr - Ab 17 Uhr Tanz und Unterhaltung - Vieh von der Alpe Wenger Egg

Gunzesried 8.30 Uhr, Ortseingang Gunzesried, ca. 1400 Tiere - Größter Viehscheid im Allgäu - 13 Viehherden von 18 Alpen - Begeleitet von der Blaskapelle BihlerdorfOfterschwang - Ab 11 Uhr Festzelt und Krämermarkt - Pendelbusse von 7.30 Uhr bis 16 Uhr

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Reutte – Musau 14 Uhr, an der Feuerwehrhalle Musau, etwa 20 Kühe und 80 Stück Jungvieh - Unterhaltung durch Allgäuer Musikkapelle Schwarzenberg - Kinderprogramm mit Bockstechen, Stelzengehen, Wasserzielspritzen - Schätzfragenspiel mit Preischancen 45


Nesselwängle im Tannheimer Tal 11 Uhr, Feuerwehrhalle beim Gemeindehaus, ca. 100 Tiere

17. S e p t e m b e r Buching 9.30 Uhr, Festplatz neben dem Maibaum, ca. 30 Tiere - Traditioneller Viehmarkt auf dem Festplatz (kein Viehscheid!) - Krämermarkt und Festzeltbetrieb mit Blasmusik - Einzug des geschmückten Viehs um 9.30 Uhr - Buchinger Herbstfest am 15. September mit Unterhaltungsabend

21. S e p t e m b e r Thalkirchdorf 9.15 Uhr, Talstation des Schwandliftes, ca. 700 Tiere - Ab 10 Uhr Spiel der Musikkapelle Thalkirchdorf - Traditionelle Schellenverlosung - Bustransfer zwischen Festplatz und dem Oberstaufener Bahnhof ab 18 Uhr Tannheim im Tannheimer Tal 13 Uhr, Parkplatz der Tannheimer Lifte, ca. 650 Tiere

Unterjoch 10 Uhr, Unterjoch Ortseingang/Busparkplatz, ca. 50 Tiere

18 . S e p t e m b e r Wertach 8.30 Uhr, Industriestraße zwischen Getränkemarkt Fleischmann und Wertstoffhof, ca. 750 Tiere - Gilt als einer der ältesten und größten Viehscheide im Allgäu - Rinder von den Alpen Sorg I und II, Reuterwannen, Obere und Untere Bichleralp, Schnitzlertalalp, Vordere Köllealp - Wertacher Herbstfest am selben Tag mit Krämermarkt, Alphornblasen, Maibaumversteigerung, Schellenverlosung und großen Unterhaltungsabenden

19 . S e p t e m b e r Riezlern im Kleinwalsertal 8 Uhr, Riezlern, unterster Parkplatz nach der Kanzelwandbahn rechts (Breitachbrücke), ca. 600 Tiere - Kleiner Bauernmarkt mit landwirtschaftlichen Artikeln - Rahmenprogramm mit Walser Buura und LiveMusik Bolsterlang 10 Uhr, am Gasthof Goldbach, südlicher Ortseingang, ca. 650 Tiere

20. September Grän-Haldensee 11 Uhr, Dorfmitte, ca. 190 Tiere 46

22. September Haslach am Grüntensee 11 Uhr, am Feuerwehrhaus Haslach, ca. 100 Tiere Obermaiselstein 9 Uhr, Festplatz, Dorfmitte, ca. 1400 Tiere - Einer der größten Viehscheide im Allgäu - Eintreffen des Alpviehs von zwölf Alpen zwischen 9 Uhr und 13 Uhr - Festzelt mit Live-Musik, Bieranstich - Ab 20 Uhr Scheidball mit Verlosung der Viehschellen an die Älpler

29. September Haldenwang 10 Uhr, südlicher Ortseingang Haldenwang, ca. 110 Tiere

Fotos: Markus Wagner, Gästeinformation Bolsterlang/Charly Höpfl, Gemeinde Kranzegg, Gästeamt Maierhöfen, Tourismus Pfronten; Zeichnungen: Dominik Ultes

16 . S e p t e m b e r


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Käseherstellung

Das goldene Rad

der Allgäuer Bergwelt

Als bekannte und schmackhafte Delikatesse ist der heimische Bergkäse weit über die Allgäuer Grenzen hinaus bekannt. Das Geheimnis seines Geschmacks liegt im Herstellungsprozess in den Sennereien und auf den Alphütten. Unser Leser Hans Georg Lappas aus Pfronten beschäftigte sich neben seiner ehemaligen Tätigkeit als Lehrer eingehend mit dem Entstehungsvorgang der Allgäuer Spezialität

Die Laibe des Allgäuer Bergkäses können zwischen 15 und 50 Kilogramm wiegen. Unten links geht es beim Senn aus dem Kleinwalsertal heiß her, daneben zwei Werkzeuge eines Senns: Schöpfkelle und Käseharfe

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Viel Muskelkraft braucht diese Sennerin aus dem Kleinwalsertal beim Herausheben der Käsemasse aus dem Kupferkessel. Verwendet wird dabei in der Regel ein grobmaschiges Käsetuch

D

ie Kreation dieses vielleicht bekanntesten die endgültige Qualität des Produktes Bergkäse wie Lebensmittels aus dem Allgäu verlangt vom der auf das Einbrennen folgende Arbeitsgang des Älpler auf dem Weg bis zum schmackhaften sogenannten »Brechens«. Endprodukt höchste Konzentration und große Erfah- Beim »Brechen« der zur Gerinnung gebrachten Milchrung. Im Folgenden will ich mich auf die Beschrei- Feststoffe, das der Senn mit seiner »Käs-Harfe« ausführt, bung der wichtigsten Einzelschritte bei der fällt der sogenannte »Bruch« an. Der Erfolg des gesamten Bergkäsegewinnung beschränken, dabei aber Regeln Prozedere hängt von der individuellen Vorgehensweise und Erfahrungswerte sowie biogerade beim Brechen ab. Das chemische Gesetzmäßigkeiten bedeutet, er hängt davon ab, ob »Das strikte Einhalten der besonders herausstellen. Die Arbeitsgänge ist maßgeblich es dem Senn kraft seiner Erfahteilentrahmte Milch findet sich rung und seines Feingefühls gefür die endgültige Qualität« am Morgen zusammengegoslingt, die koagulierte (geronnene) sen im großen, üblicherweise Milchmasse durch kontrollierte um die 400 Liter fassenden Kupferkessel, der, an einer Vertikal- und Diagonalbewegung der Harfe bis zu schwenkbaren Art Galgen hängend, von gleichmäßig jenem Grad zu zerschneiden, bei dem er die richtige nicht zu heftig brennendem Holzfeuer beheizt wird. Teilchengröße im »Bruch« erhält und nicht der von Die Milch ist auf exakt einzuhaltende 30 Grad Celsius ihm gering geschätzte »Staub« entsteht. zu bringen. Bei Erreichen der Temperatur erfolgt un- Ans Brechen schließt sich das Brennen des mit der verzüglich das »Einbrennen« mittels Kälberlab, ein en- Käseharfe fachgerecht zerkleinerten Kesselinhaltes an. zymatisch bedingter Vorgang des Gerinnens von in Beim »Käsbrennen« bewegen sich nach meiner Einder Milch enthaltenem Eiweiß und Fett. Umgangs- schätzung die Temperaturangaben in unterschiedlichen sprachlich wird dies Dicken genannt, die Älpler spreGrenzbereichen. In den für die Herstellung des Allgäuer chen beim Produkt des Dickens von »Dickete«. Bergkäses zuständigen Alpensennereien wird die KäDieser erste bedeutsame Vorgang bei der Käsegewin- semasse bei maximal 50 Grad Celsius »gebrannt«, in nung hat streng innerhalb von 30 bis 35 Minuten der Schweiz dagegen pflegt der Senn, soweit es den abzulaufen, die strikte Einhaltung der Gesamtreakti- bekannten Emmentaler angeht, traditionell die 55 onsdauer beim Einbrennen ist ebenso maßgeblich für Grad Celsius als Obergrenze beim Brennen festzulegen.

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Ganz oben links und oben links: Mit der Käseharfe bricht der damalige Senn der Alpe Oberbalderschwang Anfang der1990er-Jahre die Käsemasse, später prüft er die Qualität: Gelungener Käse »guhrt«, bleibt also am Finger kleben, im schlechteren Fall »nudelt« beziehungsweise fällt die Masse von der Hand herunter

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Fotos: Hans Georg Lappas, Volker Wille; Christa Branz/Archiv Vorarlberg Tourismus; Kleinwalsertal Tourismus

In der Alpe Oberbalderschwang presst der einstige Senn auf dem Foto aus den 1990er-Jahren die aus dem Kessel gehobene Käsemasse im sogenannten Worb aus

Über die daraus resultierenden Geschmacksunterschiede Käselaib stimulieren oder abschwächen. Dazu zählt – ich erlebe Käse-Gourmets, die sie als exorbitant vor allem der bakterielle Abbau des Milchzuckers, cheeinstufen – kann man sich angesichts derartig geringer misch der Laktose, zu Milchsäure im Käse. Diese regt Temperaturdifferenz nur wundern. Erst jetzt, nach die Bildung bestimmter enzymatischer Proteine an, dem Brennen, wird der Kessel von der Feuerstelle die für die geschmackstypischen Eigenschaften verweggeschwenkt, woraufhin sein Inhalt um etwa zwei antwortlich sind, die den Allgäuer Bergkäse nach meiGrad Celsius abkühlen muss. Nun schöpft der Senn ner persönlichen Wertschätzung zu dem machen, was aus dem Kessel eine kleine Probe, zerreibt sie zwischen er ist: ein in der Welt einzigartiges, so nicht und nirden Fingern und hebt die Hand mit nach unten ge- gends nachahmbares, in seinen feinen Geschmackswendeter Innenfläche. Ist der nuancen unerreichbares Produkt, Käse als gelungen und erstklassig ein sehr hochwertiger Vertreter aus »Den Mehrpreis für den zu bewerten, muss er »guhren«, der Kategorie Nahrungs- und GeAlp-Bergkäse nehme ich das heißt, die Bröckchen müssen nussmittel. nur zu gerne in Kauf« an seiner Innenhand haften bleiIm Blick auf mein hier angestimmben. Ist er jedoch als nicht sontes Lob auf den heimischen Bergkäderlich gut zu beurteilen, sagt der Käsmacher, er se sollte nicht übersehen werden, dass es hinsichtlich »nudelt« beim Zerreiben, wobei die Käsepartikel sich der Herkunft große Unterscheidungen zu machen gilt, von der Hand lösen. Unterscheidungen, aus denen gravierende QualitätsNachdem vom Einbrennen über den Bruch bis zum abweichungen resultieren. So muss von einem AllgäuEnde des Käsbrennens cirka zwei Stunden verstrichen er Alp-Bergkäse einerseits und von einem Allgäuer sind, wird das zu Käse mutierte Einweiß-, Fett-, KohLand-Bergkäse andererseits gesprochen werden. Erslehydratgemisch der Kuhmilch mit Hilfe eines grob- terer wird aus der Milch von Kühen gewonnen, die maschigen Leinensackes aus dem Riesenbehälter sich in Höhenlagen von etwa über 1200 Metern aus herausgehievt, in den sogenannten Worb eingebracht energiereichem und vergleichsweise weit aromatischeund darin durch Auspressen vom Großteil seines Flüs- rem Pflanzenangebot ernähren, während die in Tallasiggehaltes befreit. Der fertige Käselaib wird nun so- gen weidenden Kühe dieselben Nahrungsressourcen fort einer Behandlung durch Salzlake unterzogen. dort vielleicht nicht vorfinden. Dass ich für die meiner Für die volle Geschmacksausprägung sollte der All- Ansicht nach gewaltige geschmackliche, vielleicht auch gäuer Bergkäse bei seinem Reifungsprozess Raum- nährwertmäßige Vorrangstellung des Alp-Bergkäses temperaturen von möglichst konstanten zwölf Grad für gewöhnlich auch einen erheblichen Mehrpreis zu Celsius ausgesetzt sein und bei weder zu hoher noch zahlen habe, akzeptiere ich schon deshalb, weil ich aus zu niedriger Luftfeuchte gelagert werden. Umgebungs- eigenem Erleben um Mühe und Anstrengung, Fleiß temperatur und Feuchtigkeitsgehalt der Raumluft sind und Achtsamkeit derjenigen weiß, die mit der Herstelso wichtig, weil sie gewisse Reifungsmechanismen im lung dieses speziellen Käsetyps befasst sind. • 50

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Museumsgeschichte

Zeitreise auf die Alp

Geburtstag im Bergbauernmuseum Im Sommer 2002 öffnete das Allgäuer Bergbauernmuseum in Diepolz zum ersten Mal seine Pforten, Stalltüren und Scheunentore. Seitdem haben 650.000 Besucher das Freilichtmuseum besucht und dabei Interessantes über das harte Leben der Bergbauern und die Kulturgeschichte des Allgäuer Braunviehs erfahren. Viola Elgaß hat sich in der lehrreichen Einrichtung auf Zeitreise begeben


Links: Bei ihrer »Zeitreise« durch das Bergbauernmuseum können Kinder zeitgenössische Kleider und Joppen anprobieren. S. 52 unten links: das Engangsgebäude des Museums, daneben Mitte: Auf dem Wiedemannhof lassen sich die Milchkühe Streicheleinheiten gefallen. Unten: Im hofeigenen Heustock können Mutige den Sprung ins Heu wagen

Fotos: Andreas Baar, Volker Wille, Allgäuer Bergbauernmuseum

W

er sich an den vielen Allgäuer Viehscheiden sattgesehen hat, oder wenn es zum Beispiel bei Regen nichts wird mit einem Besuch auf dem Scheidplatz, ist das Bergbauernmuseum im Immenstädter Ortsteil Diepolz eine empfehlenswerte Alternative. Insbesondere Kinder sind begeistert von dem großen »Spielplatz«, der heuer sein zehnjähriges Jubiläum feiert und bei dem man – ganz nebenbei – viel über die Allgäuer Landwirtschaft von 1800 bis heute und damit auch über die Ursprünge des Alpabtriebs lernen kann. Mit den Planungen für das Immenstädter Stadtmuseum Hofmühle ergab sich für die Kommune im Jahr 1997 auch die Frage nach einem Museum, das die Agrargeschichte des Oberallgäus präsentiert. Als alteingesessenes Bergbauerndorf am südlichen Hang des 1250 Meter hohen Hauchenberges fiel die Wahl auf Diepolz als optimalen Standort. Im Herbst 2000 wurde der erste Spatenstich gemacht. Bereits in der Planungsphase gründete sich der »Förderverein Allgäuer Bergbauernmuseum« in Diepolz, der seit der Eröffnung die Trägerschaft ehrenamtlich ausübt.

Bergbauerei als Zeichen der Kultur Bergbauern, wie die Landwirte genannt werden, deren Bauernhof über einer Höhe von 1000 Metern liegt, arbeiten unter besonders schweren Bedingungen. Große Teile ihrer Flächen liegen in Berggebieten, die Vegetationszeit ist deutlich kürzer als in den Tallagen. Steile Hanglagen, karge, steinige Böden und lange, kalte Winter machen den Bergbauern das Leben schwer. Trotz staatlicher Förderung bringt ihre Arbeit wenig Ertrag. Rund 3000 Bauernhöfe gibt es noch zwischen Kempten und Oberstdorf, die Milchwirtschaft und Viehzucht betreiben. So steht es im Museumsführer von 2004. Heute sind es schon viel, viel weniger. Und ihre Zahl dürfte in den kommenden Jahren weiter abnehmen. Dabei leisten die Bergbauern einen wichtigen Beitrag für die regionale Kultur und insbesondere auch für das Allgäuer Landschaftsbild: Durch die Beweidung der hochgelegenen Flächen wird der Erosion beziehungsweise Hangrutschungen entgegengewirkt und eine Verwaldung verzögert. Die Weiden werden natürlich durch das Vieh gedüngt. Die Vermittlung der besonderen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bergbauern – in Vergangenheit und Gegenwart – ist das Ziel des Allgäuer Bergbauernmuseums.

Der Museumsbauer arbeitet »live« Zu den besten »Ausstellungsstücken« zählt deshalb Richard Wiedemann. Der Landwirt lebt und arbeitet mit seiner Familie auf dem Bauernhof mitten auf dem Museumsgelände. Nebenbei ist der Tausendsassa Elektriker, Hausmeister, »Kinderwiederfinder, Kuh- und Schafflüsterer«. Der Wiedemannhof wurde schon 1787 erwähnt und ist ein typischer Allgäuer Einhof: Haus, Stall und Scheune sind unter einem Dach in ei53


Kochen, Backen, Waschen, Nähen: Die Haushälterinnen im Sattler-Hof lassen sich gerne auf die Finger schauen

Kurz und wichtig: Allgäuer Bergbauernmuseum Diepolz 44 87509 Immenstadt Tel. 08320/709670 Fax 08320/9259852 E-Mail: info@bergbauernmuseum.de www.bergbauernmuseum.de

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ner Flucht untergebracht. Einen Teil der Scheune haben die Wiedemanns dem Museum zur Verfügung gestellt. Dort erfährt man alles über die Kulturgeschichte der Kuh. Am Melksimulator kann man testen, ob man als Magd oder Knecht tauglich wäre. Schon fast symbolisch für das Diepolzer Freilichtmuseum steht der Heustock. Das »Heihupfa« oder »Heijucka«, was soviel bedeutet wie »ins Heu springen«, ist Mutprobe und Spaß in einem. Seit 2008 zählt auch der Sattler-Hof zum Museum. Das über 300 Jahre alte Gebäude stand ursprünglich in Schöllang bei Oberstdorf und wurde Stein für Stein und Balken für Balken dort ab- und auf dem Museumsgelände wieder aufgebaut. Schubladen öffnen und die alten Ofenbänke auf Bequemlichkeit testen ist hier ausdrücklich erlaubt. Die Hauswirtschafterin lässt sich gerne beim Kochen und beim Aufräumen in der Stube beobachten und steht den Besuchern Rede und Antwort. Bei der »Zeitreise«, einem pädagogischen Angebot des Museums, schlüpfen Besucher, Kindergartenund Schulgruppen in alte Joppen, wie sie die Bauernkinder vor rund 100 Jahren trugen, und dürfen beim Brotbacken, Buttern oder Schupfnudeln kochen helfen. In der Rosshütte, die ebenfalls im Jahr 2008 aus dem Immenstädter Stadtwald nach Diepolz umgesiedelt wurde, wird die harte Arbeit der Holzer und der Bauern mit ihren Pferden veranschaulicht. Sehr be-

liebt ist die Hörstation in der Hütte, in der man zwei echten Holzern beim Singen lauschen kann. Bei der Einkehr in der Museumsalpe Höfle, 1872 als Sennalpe für etwa 100 Kühe gebaut, lassen sich Einblicke in die historische Alpwirtschaft, zum Beispiel in der rekonstruierten Sennküche oder der Hirtenstube, mit einer Allgäuer Brotzeit verbinden.

Rund um die Wildkräuter Für das Jubiläumsjahr 2012 sind wieder neue Aktionen geplant. Eine Sonderausstellung befasst sich mit dem Thema »Wildkräuter im Wandel der Zeit«. Mit verschiedenen neuen Kräuterkursen und Kräuteraktionstagen zum Essen oder für die Gesundheit wird das Thema den Besuchern ganzheitlich nahe gebracht (siehe auch Seite 72). Als Höhepunkt des Jahres gilt das Festwochenende vom 13. bis 15. Juli mit der »Museumsnacht traditionell und geheimnisvoll«, dem Aktionstag »Unser Museum stellt sich vor« und dem ganztägigen Musikprogramm »Das Museum spielt auf!« auf dem gesamten Gelände mit verschiedenen Musikkapellen und Bewirtung. Zusätzlich bietet das Bergbauernmuseum wie in jedem Jahr Aktionstage, Kurse und ein Kinderprogramm. •

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Klassikfestival

Musikalisches Jubiläum

auf Schusters Rappen

Einen runden Geburtstag feiert in diesem Jahr die bei Künstlern und Publikum beliebte Konzertreihe »Oberstdorfer Musiksommer«. Seit 20 Jahren steht hier klassische Musik im Mittelpunkt – 2012 ergänzt um originelle Ideen wie die Kombination von Konzerterlebnis und Wandern. Marius Lechler blickt voraus auf das Festival vom 26. Juli bis 16. August

A

ls Professor Peter Buck 1992 in Oberstdorf ein Klassikfestival im Allgäu mit einer Ausrichtung abseits des Massengeschmacks etablierte, war nicht absehbar, was aus dieser Idee einmal entstehen würde. Buck, der unter anderem an der Staatlichen Hochschule für Musik in Stuttgart lehrt, freut sich auf das Jubiläum in diesem Jahr. Solisten und Ensembles, die zur musikalischen Erfolgsgeschichte beigetragen haben, die mit Bucks künstlerischem Wirken verbunden sind oder auch ein Bühnenjubiläum begehen, gratulieren zum 20. Geburtstag.

Konzertantes Erleben in der Natur Zwei außergewöhnliche Klangerlebnisse bietet das Musikereignis, das 2012 unter dem Motto »20 Jahre – Wegbegleiter der Musik« steht und Spielorte von Oberstdorf bis nach Isny im Westallgäu und Otto58

beuren umfasst, erstmals in diesem Jahr: die Verbindung von Wandervergnügen in idyllischer Natur und musikalischer Unterhaltung bei zwei Konzertwanderungen zum Dichterhaus nach Kornau bei Oberstdorf und durch die Breitachklamm zur Alpe Dornach Ende Juli und Anfang August. Der Treffpunkt für die Tour zum Dichterhaus am 29. Juli ist um 9 Uhr am Oberstdorf Haus. Auf dem Weg nach Kornau begleiten Geschichten des schwäbischen Volksdichters Arthur Maximilian Miller die Teilnehmer. Im Dichterhaus, das an den Autor erinnert, klingt die Wanderung mit einer Musik- und Wort-Matinée aus, die von Schülern der Musikschule und des Gymnasiums Oberstdorf gestaltet wird. Bei schlechtem Wetter entfällt die Wanderung, das Konzert beginnt um 11 Uhr im Dichterhaus. Karten sind für 15 Euro erhältlich. Am 4. August geht es durch die Felskulisse der Breitachklamm bis zur Alpe Dornach. Natur- und Kulturgenuss verbinden Stefanie Schumacher auf dem

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Fotos: Charles Abarr; Alpe Dornach; Jodelergruppe Oberstdorf; Oberstdorfer Musiksommer

Günstiger im Vorverkauf Karten für die Konzerte des Oberstdorfer Musiksommers sind unter anderem beim Festivalbüro, Bahnhofplatz 3, 87561 Oberstdorf, Tel. 08322/700-447 oder -467, Fax 08322/700-448, E-Mail: info@oberstdorfer-musiksommer.de, www.oberstdorfer-musiksommer.de erhältlich. Hier gibt es auch eine Programmübersicht. An der Abendkasse beträgt der Zuschlag einen Euro.

Akkordeon und der beliebte ehemalige BR2-Moderator Michael Skasa als ihr lesender Partner beim virtuos-witzigen Musik- und Wort-Konzert »Ferien vom Urlaub«. Die Teilnehmer dieser Konzertwanderung treffen sich um 16 Uhr am Parkplatz Breitachklamm. Karten gibt es für 47 Euro. Bei schlechtem Wetter fällt die Tour aus, das Konzert startet um 18 Uhr in der Alpe Dornach. Die Teilnahme an beiden Wanderungen ist nur mit Konzertkarte möglich.

Volksmusik trifft klassische Klänge Auch für Musikliebhaber, für die die Verbindung unterschiedlicher Stile ihren eigenen Reiz hat, finden sich einige Spezialitäten: Unter dem Programmpunkt »Klassik auf den Spuren der Volksmusik« sind beim Jubiläumskonzert am 27. Juli im Oberstdorf Haus das TenHagen-Quartett, Peter Buck am Violoncello, die

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Jodlergruppe Oberstdorf, die Fischinger Hausmusik, die Walser Maika und die Raffele Musik HüttlingerMilz zu hören. Unter anderem lässt das 2011 mit dem Spezialpreis für Kammermusik ausgezeichnete TenHagen-Quartett die Allgäuer Wurzeln des Festivals erklingen, verbündet sich beim Concertino von J. G. Albrechtsberger mit Maultrommel und Gitarre und entdeckt die traditionelle Jodelgesangskunst. Ein weiterer Höhepunkt der dreiwöchigen Veranstaltungsreihe sind die für Zuschauer offenen Internationalen Meisterkurse (seit diesem Jahr unter dem Namen »Young Musicians Program Oberstdorf«) für vielversprechende Nachwuchstalente bei renommierten klassischen Musikern während des Festivals. Die »Beethoven’sche Macht der Musik« – interpretiert von jungen Musikern aus aller Welt im Kaisersaal in Ottobeuren am 15. August und im Oberstdorf Haus am 16. August – setzt schließlich den krönenden Schlusspunkt des musikalischen Ereignisses im Allgäu. •

S. 58 oben: Professor Peter Buck im Internationalen Meisterkurs mit jungen Musikern aus aller Welt. Oben links: Bei den 2012 zum ersten Mal veranstalteten Konzertwanderungen tritt Stefanie Schumacher am Akkordeon gemeinsam mit dem ehemaligen Radiomoderator Michael Skasa in der Alpe Dornach (ganz oben rechts) auf. Darunter: Beim Konzert »Klassik auf den Spuren der Volksmusik« trifft das TenHagen-Quartett auf die Jodlergruppe Oberstdorf

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Service

Rund 220 familiär geführte Betriebe gehören zur touristischen Kooperation »Alpine Gastgeber« – darunter 40 in den Regionen West-, Ober- und Ostallgäu. Die Vereinigung wird von der Europäischen Union gefördert. Nähere Informationen sind erhältlich unter Alpine Gastgeber, Bürgerstraße 15, A-6020 Innsbruck, Tel. +43(0)512/566566-0, E-Mail: info@alpinegastgeber.com, www.alpine-gastgeber.com

Foto: Ralf Gerard/Verein Alpine Gastgeber

Urlaub mit Persönlichkeit

In familiärer Umgebung die Berge genießen Gerade an die Viehscheidwochenenden ist es für Allgäu-Besucher besonders schwer, noch kurzfristig ein Quartier zu bekommen. Ein Geheimtipp sind hier zum Beispiel die »Alpinen Gastgeber«. In dem Vermieternetzwek haben sich rund 220 Betriebe wie Gasthöfe, Pensionen sowie Privat- und Ferienwohnungsvermieter aus dem Allgäu, aus Oberbayern, Tirol und dem Salzburger Land vereint. Sie kümmern sich um die Unterbringung – auch wenn »nichts mehr möglich« zu sein scheint. Marius Lechler über den Touristik-Zusammenschluss

W

er bei der Wahl des richtigen Urlaubsdomizils auf persönlichen Umgang und individuelle Betreuung Wert legt, könnte bei den Mitgliedern des in Deutschland und Österreich aktiven Vereins gut aufgehoben sein. Für die unter dem Dach der »Alpinen Gastgeber« zusammengefassten Pensionen, Ferienwohnungsanbieter oder Gasthöfe steht nach Angaben des Vereins herzliche, authentische Gastfreundschaft im Mittelpunkt. Laut Projektmanagerin Brigitte Hainzer ist ein besonderer Vorteil des Konzeptes, dass die Urlauber bei den »Alpinen Gastgebern« von den regionalen Kenntnissen der Vermieter durch individuelle Tipps und persönliche Empfehlungen profitieren. »Viele Gastgeber unternehmen nach Möglichkeit auch gerne selbst eine Wanderung mit ihren Gästen und zeigen ihnen ihre ganz persönlichen Lieblingsplätze der Region«, ergänzt sie. Die wichtigste Gemeinsamkeit der derzeit etwa 220 Mitgliedsbetriebe des Vereins ist gleichzeitig auch eines ihrer Qualitätsmerkmale: Die Vermieter bei den »Alpinen Gastgebern« sind ausnahmslos familienge-

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führt. Das Allgäu hat daran einen großen Anteil: 40 Unterkünfte befinden sich in den Regionen West-, Ober- und Ostalllgäu. Um den Urlaubern eine große Vielfalt an Freizeitaktivitäten zu bieten, haben die Gastgeber des Vermieternetzwerkes spezielle, auf die Besucher zugeschnittene Offerten, so Brigitte Hainzer – sei dies die geräumige Ferienwohnung, das separat dazu buchbare Frühstück oder gar die Halbpension. Darüber hinaus sind die Möglichkeiten, aus denen die Gäste wählen können, bei den Mitgliedern der Kooperation in Kategorien unterteilt. So werden Sportler, Entdecker, Kinder oder Gesundheitsurlauber besonders angesprochen. »Das kann ein erfahrener Bergführer sein, der seine Gäste auf die schönsten Gipfel der Region begleitet, ein leidenschaftlicher Koch, der mit ansprechenden Kochkursen Einblicke in die alpine Küche gibt, oder auch eine Kräuterexpertin, die ihren Gästen die Schätze der Natur näherbringt«, meint Brigitte Hainzer. Entsprechende saisonale Angebote finden sich auf der Internetseite des Zusammenschlusses. •

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Landwirtschaft

Ganz schön züchtig

Allgäuer Klassekälber seit 25 Jahren Während des Alpsommers und der darauffolgenden Viehscheid-Saison spielt das Allgäuer Braunvieh eine Hauptrolle für Landwirte und Gäste. Für die insgesamt zehn Jungzüchterclubs im Allgäu stehen Zucht und Pflege dieser Tiere sowie die Betreuung des bäuerlichen Nachwuchses im Mittelpunkt. Einer von ihnen, der Jungzüchterclub Oberallgäu-Süd, feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum. Marius Lechler hat einige Mitglieder der Vereinigung getroffen

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m Gasthof Grüntenblick im kleinen Ort Agathazell bei Sonthofen geht es an diesem Abend um weit mehr als nur Fachsimpelei und Gespräche über den heimischen Hof. Bei den Mitgliedern des Jungzüchterclubs Oberallgäu-Süd, die sich hier getroffen haben, um einem Vortrag über Einsatzmöglichkeiten des Melkroboters in kleinen Betrieben zu lauschen, wird nach dem informativen Teil vor allem viel gelacht und ein freundschaftlicher Austausch gepflegt. Der Zusammenschluss ist für seine Mitglieder sozialer Treffpunkt, Forum für Ideen und »vor allem kein Verein, in dem man zu allem verpflichtet ist«, wie Marlies Adelgoß aus Hochweiler erklärt. Ihr Bruder habe einen landwirtschaftlichen Betrieb, erklärt sie, sie selbst habe Hauswirtschafterin gelernt und danach zur Arzthelferin umgeschult. Der Jungzüchterclub sei offen für junge Leute, die Interesse an der Landwirt62

schaft haben, auch wenn sie keinen eigenen Hof bewirtschaften, meint auch Johannes Neß aus Au-Thalhofen, dem Ortsteil von Fischen. »Ich mache hier mit, weil das einfach ein g’heriger Haufen ist, wo man viel miteinander erlebt«, unterstreicht er.

280 Mitglieder aus dem Landkreis Die Clubmitglieder im Alter von 15 bis Mitte 30 unternehmen Ausflüge, erleben Betriebsführungen auf Höfen, die sich mit modernen Produktionsweisen befassen, und werden von diversen Referenten über das Neueste rund um landwirtschaftliche Methoden informiert. Dabei geht es mal zum gemeinsamen Skifahren, mal auf Lehrfahrt in eine Südtiroler Molkerei oder zur Besichtigung eines Betriebes, um sich dort über die Braunviehzucht vor Ort zu informieren. Insgesamt

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Fotos: Christoph Hauber; Jungzüchterclub Oberallgäu-Süd

Treff für Braunvieh-Fans Für nähere Informationen zum Jungzüchterclub Oberallgäu-Süd stehen der 1. Vorsitzende Christoph Hauber, Malerwinkelweg 8, 87527 Altstädten, Tel. 08321/5688, E-Mail franz.hauber@mylega.de, und Dietmar Steinert vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Kempten (AELF), Adenauerring 97, 87439 Kempten (Allgäu), Tel. 0831/52147-210, E-Mail dietmar.steinert@alf-ke.bayern.de, www.aelf-ke.bayern.de, zur Verfügung.

umfasst die Vereinigung rund 280 Mitglieder. Sie stammen im Westen des Landkreises Oberallgäu aus dem Umkreis von Oberstaufen bis nach Wertach im Osten sowie von Oberstdorf im Süden bis zur Umgebung von Niedersonthofen im Norden, so Donat Hindelang aus Greggenhofen bei Rettenberg. »Der Jungzüchterclub Oberallgäu-Süd als bäuerliche Nachwuchsorganisation ist über Allgäuer und Bayerische Jungzüchtergemeinschaft in die Bayerische Jungbauernschaft integriert«, erklärt Dietmar Steinert, Betreuer der Gruppe vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Kempten (AELF). Es nähmen etwa 40 Teilnehmer pro Veranstaltung die Angebote wahr. »Neben dem Altersschnitt unserer Teilnehmer ist auch die Vorstandschaft recht jung«, ergänzt Donat Hindelang, dessen Eltern einen Hof besitzen, auf dem er mitarbeitet. Auch der 1. Vorsitzende

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S. 62: Beim Kälbervorführwettbewerb auf der AllgäuSchau 2008 in Immenstadt konkurrieren die »Braunvieh-Schönheitsköniginnen« der Verbrauchermesse; ganz rechts im Bild: Dietmar Steinert, Betreuer des Jungzüchterclubs Oberallgäu-Süd. Oben links: leckere Belohnung für das Rind, daneben ein besonders prächtiges Exemplar. Links: der Jungzüchterclub auf Tour in Slowenien 2010

Christoph Hauber aus Altstädten ist unter 30. »Das Ziel des Jungzüchterclubs besteht darin, jüngere Leute an die Landwirtschaft heranzuführen«, fügt er hinzu.

Im Tierzelt auf der Messe AllgäuSchau 2012 feiert der 1987 gegründete Club 25-jähriges Jubiläum. Neben den Feierlichkeiten im Sommer werden die Nachwuchs-Landwirte und von den Finessen der Braunviehzucht faszinierten jungen Leute auch an einem weiteren Geburtstag teilnehmen: Der Jungzüchterclub Oberallgäu-Süd wird auf der vom 17. bis 20. Mai stattfindenden Verbrauchermesse AllgäuSchau in Immenstadt, die bereits zum zehnten Mal veranstaltet wird, im Tierzelt vertreten sein und dort auf 320 Quadratmetern verschiedene Tierarten von Oberallgäuer Bauernhöfen vorstellen. • 63


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Kolumne

Scharf nôchdenkt über

Alpsommer Max Adolf ist Kabarettist, Buchautor und von Herzen Allgäuer: www.allgaeukabarett.de Trotz der Tatsache, dass es kaum noch Frischmilch bei

frieden von einem schönen Plätzchen ins Tal schauen

uns im Allgäu gibt, weil der Verkauf von Frischmilch-

kann, denke ich mir immer wieder: Ist es wirklich nö-

produkten einem großen Konzern zu wenig Geld ab-

tig, der ganze Streit und das ganze Geschrei, die vielen

wirft, und trotz der Tatsache, dass immer öfter

Finten, das gierige Raffen, das Geldgenerieren? Warum

Lebensmittel zur Energieerzeugung verwendet wer-

sehen wir nicht, wie gut wir es eigentlich haben? Warum

den, freue ich mich auf den Alpsommer 2012.

geht es immer weiter im Hamsterrad? Eine Antwort

Bereits jetzt kommt die Sehnsucht nach dieser Zeit,

darauf habe ich noch nie gefunden. Wir sind halt keine

wenn die ersten Tiere wieder bergaufwärts zu ihren

vollkommenen Wesen, aber im Alpsommer, da be-

»Sommerquartieren« getrieben werden. Voller Unge-

komme ich wieder eine Ahnung von dem »Stückchen

duld warte ich darauf, dass die ersten Alpen beschlagen

heile Welt« bei uns im Allgäu.

werden, oder wie wir sagen: »Ma ziacht i dr’ Bearg ing«.

Dieser Begriff mag für manchen abgedroschen klin-

Ich freue mich auf das Geläut der Kuhschellen, dem

gen, für mich ist und bleibt er wichtig. Die zahlreichen

ich am Abend von meinem Balkon aus lauschen kann.

von nah und fern kommenden Gäste sehen das an-

Ich freue mich auf manche Wanderung und eine ge-

scheinend genauso. Mehr als 2,8 Millionen »Touris« ha-

mütliche Einkehr auf der Alp, auf das Jungvieh, das

ben das Allgäu 2011 besucht. Das ist doch unglaublich

neugierig herkommt und die Wanderer bestaunt. Ich

und ein Beweis dafür, wie schön es in dieser Region

freue mich auf eine Brotzeit mit Bergkäse und Wurst

ist. Weiter gemeinsam für dieses schöne Fleckchen

von der Bauernselbstvermarktung. Diesen Luxus lasse

Erde zu arbeiten und seine Schönheit zu erhalten, das

ich mir kein Jahr entgehen.

lohnt sich. Sinnloser Streit lohnt sich nicht. Tue recht,

Da vergisst man für eine Zeit den Streit um den Milch-

fürchte Gott und scheue niemand, das war das Motto

preis und um die Pleite einer Milchgenossenschaft, der

des Allgäuer »Alpkönigs« Carl Hirnbein. Dieser große

in vielen Dörfern für Unfrieden unter den Bauern ge-

Pionier hat schon gewusst, worauf es ankommt.

sorgt hat. Auf diesen Wanderungen vergesse ich auch

Schaffen wir weiter in diesem Sinne, und vielleicht sieht

meine eigenen Probleme mit der Arbeit und so man-

man sich ja nach getaner Arbeit bei einer gemeinsamen

chen Misserfolg in meinem Leben. Wenn ich dann zu-

Brotzeit auf der Alp!

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66

Alpsommer

&

Viehscheid 2012


Freizeit

Kronburg-Illerbeuren: Bis zum

dene Funktionen: zum Schutz vor

29. Juli werden unter dem Titel

bösen Geistern, zur Kennzeich-

»Tierglocken aus aller Welt« im

nung der Tiere oder als wichtiges

Schwäbischen Bauernhofmuseum

Kommunikationsmittel. Hunderte

Illerbeuren rund 200 Glocken des

von Exemplaren hat das Ulmer

Sammlerehepaares Frieda und Ru-

Ehepaar Daub in über 30 Jahren

dolf Daub ausgestellt. Die Historie

Sammelleidenschaft aus Europa,

der klingelnden Instrumente kann

Asien, Afrika und Amerika zusam-

anhand der exotischen und alten

mengestellt. Einige Stücke dürfen

Stücke nachvollzogen werden. Sie

angefasst und zum Läuten gebracht

reicht wahrscheinlich bis ins Jahr

werden, was die Ausstellung auch

3000 v. Chr. zurück. Im Lauf der

für jüngere Besucher interessant

Zeit erfüllten die Glocken verschie-

macht.

Kurz und wichtig, Schwäbisches Bauernhofmuseum Illerbeuren Museumstraße 8

(mm)

87758 Kronburg-Illerbeuren Tel. 08394/1455 Fax 08394/1454 E-Mail: info@bauernhofmusuem.de www.bauernhofmuseum.de

Foto: Schwäbisches Bauernhofmuseum Illerbeuren

Glocken und Schellen zum Anfassen

Einige Schellen in der Illerbeurer Ausstellung sind schon über 1000 Jahre alt, andere aus ungewöhnlichem Material oder mit exotischen Mustern verziert

Wilderer im Lechtal Elbigenalp: Die Geierwally Frei-

Geschichte eines unbelehrbaren

und verklärtes Bild des Wilderers,

lichtbühne Elbigenalp im Lechtal

Wilderers, der trotz drohender har-

sondern geht das Thema durchaus

bringt für ihre diesjährige Spielzeit

ter Strafen nicht auf die Jagd ver-

auch von der kritischen Seite an.

das Stück »Russa Weib« von Clau-

zichtet. Sowohl seine diplomatische

Bis zur Uraufführung wird der Zu-

dia Lang auf die Bühne. Vom 7. Juli

und mutige Ehefrau, die ihm stets

schauerbereich der Freilichtbühne

bis zum 25. August finden jeden

zur Seite steht, als auch seine Toch-

generalsaniert, außerdem wird eine

Freitag und Samstag Vorstellungen

ter werden »Russa Weib« genannt.

VIP-Lounge eingerichtet. Eintritts-

in beeindruckender Naturkulisse

Autorin Claudia Lang zeichnet in

karten kosten je nach Kategorie

statt. Erzählt wird die dramatische

»Russa Weib« kein bewunderndes

zwischen 22 und 42 Euro.

(mm)

Foto: Geierwally Freilichtbühne Elbigenalp

Die Bretter, die die Welt bedeuten, in der Geierwally Freilichtbühne Elbigenalp: Hier wird ab 7. Juli bis zum 25. August jeden Freitag und Samstag die Geschichte vom »Russa Weib« erzählt

Kurz und wichtig Kartenvorverkauf Tourismusverband Lechtal Andrea Weger A-6652 Elbigenalp Tel. +43 (0)5634/5315-12 Fax +43 (0)5634/5316 E-Mail: geierwally@lechtal.at www.lechtal.at/geierwally

67


Freizeit Spaß und Sport am Alpsee Mit

digkeit beträgt 40 Kilometer pro

Deutschlands längster Ganzjahres-

Stunde. Ein Umkippen der Schlit-

rodelbahn und Bayerns größtem

ten ist dank fixer Schienenführung

Hochseilgarten bietet die Alpsee

ausgeschlossen. Der Kletterwald

Bergwelt ein im Allgäu einzigarti-

Bärenfalle beinhaltet 16 Parcours

ges Freizeitangebot. Bei jeder Wet-

mit 170 Kletterelementen, die eine

terlage kann mit dem sogenannten

Bandbreite von einfachen Hinder-

»Alpsee Coaster« von der Bergsta-

nissen in Bodennähe bis zu Sprün-

tion an die Talstation gerodelt wer-

gen in 18 Metern Höhe abdecken.

den. Die fast drei Kilometer lange

Die gesamte Anlage ist TÜV-ge-

Bahn führt durch 68 Kurven und

prüft, beim Klettern sind professio-

350 Höhenmeter. Sechs bis zehn

nelle Trainer in der Nähe. Es sind

Minuten dauert die Abfahrt ins Tal

keine Vorkenntnisse im Klettern

über 23 Wellen und vier Brücken.

notwendig; die Ausrüstung wird

Regelmäßig findet das Nachtrodeln

gestellt. Kulinarische Bedürfnisse

statt, bei dem Flutlichter auch nach

werden in der Berghütte »Bärenfal-

Einbruch der Dunkelheit die Ab-

le« und im »Rodelwirt« an der Tal-

fahrt ermöglichen. Jeder Rodler

station gestillt. Informationen sind

kann seine Geschwindigkeit selbst

im Internet unter www.alpsee-

bestimmen; die Höchstgeschwin-

bergwelt.de zu finden.

Immenstadt/Oberstaufen:

Fotos: Alpsee Bergwelt

Kletterabenteuer im Hochseilgarten und den Rausch der Geschwindigkeit im »Alpsee Coaster« bietet die Alpsee Bergwelt

(mm)

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Immenstadt: Vom 17. bis 20. Mai

troauto ausprobiert werden. Neben

findet auf dem Viehmarktplatz in

dem vielfältigen Ausstellungsange-

Immenstadt täglich von 10 bis 18

bot ist im Tierzelt vom Amt für

Uhr die AllgäuSchau statt – in die-

Landwirtschaft und Forsten Kemp-

sem Jahr bereits zum zehnten Mal.

ten in Zusammenarbeit mit dem

Da das Thema »Elektromobilität«

Jungzüchterclub Oberallgäu-Süd die

im Mittelpunkt steht, können Seg-

tierische Vielfalt Oberallgäuer Bau-

ways, Elektro-Bikes und ein Elek-

ernhöfe (rechts) zu sehen.

Foto: Volker Wille

10 Jahre AllgäuSchau

(mm)

Vom »blauen« zum »grünen« Allgäu Sonthofen: In der Dauerausstellung des Heimathauses Sonthofen kann die wirtschaftliche Entwicklung des Allgäus vom Flachsanbau hin zur Milchwirtschaft nachvoll-

Im Heimathaus Sonthofen zeigt eine Dauerausstellung das Allgäu als einstiges Flachsanbaugebiet und Region der Käseherstellung

beider Verfahren werden dabei erläutert. In der Schau geht es außerdem um Persönlichkeiten, die die Käseherstellung im Allgäu etablierten, wie zum Beispiel Carl Hirnbein und Johann Althaus. 68

(mm)

Foto: Heimathaus Sonthofen

zogen werden. Die Einzelschritte


Freizeit In weniger als zwei Stunden ins Allgäu Memmingen: Ab 11. Juni starten vom Allgäu Airport in Memmingen wieder Flugzeuge nach Berlin und Hamburg. Nachdem Air Berlin die innerdeutschen Flüge eingestellt hatte, bietet nun die neue Marke Flytouropa solche Routen täglich außer samstags an. Berlin wird montags, mittwochs und freimingen um 8.15 Uhr) sowie dienstags und donnerstags um

68 Sitzplätze haben die Propeller-Maschinen, die die deutsche Fluggesellschaft Avanti Air ab Juni von Memmingen nach Berlin und Hamburg einsetzt

Foto: Avanti Air

tags um 6.05 Uhr (Berlin-Mem-

11.55 Uhr (Rückflug um 14 Uhr) angesteuert. Am Montag, Mitt-

um 8.35 Uhr) und um 17.55 Uhr

der Strecke Turboprop-Propeller-

Kurz und wichtig

woch, Freitag und Sonntag startet

(retour 20.10 Uhr) sowie am Mon-

maschinen der Fluggesellschaft

zusätzlich noch ein Flugzeug nach

tag, Mittwoch und Freitag um

Avanti Air. Ein einfaches Flugticket

Berlin um 18.05 Uhr (retour um

11.35 Uhr (Rückflug 13.50 Uhr).

kostet ab 111 Euro inklusive Steu-

20.15 Uhr). Nach Hamburg fliegt

Sonntags hebt um 13.35 Uhr ein

ern und Gebühren. Unter der

eine Maschine am Dienstag und

Flieger in die Hansestadt ab (retour

Adresse www.flytouropa.com kann

Donnerstag um 6:20 Uhr (Rückflug

15.50 Uhr). Eingesetzt werden auf

im Internet gebucht werden. (mm)

Allgäu Airport GmbH & Co. KG Am Flughafen 35 87766 Memmingerberg Tel. 08331/9842000 Fax 08331/98420019 E-Mail: info@allgaeu-airport.de www.allgaeu-airport.de

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Alpsommer

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Viehscheid 2012

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Freizeit Musikalische Festival-Vielfalt im Allgäu

Foto: Ellen Schmauss

Das Ensemble »FisFüz« spielt am 1. September um 20 Uhr Oriental Chamber Jazz mit »Mozart à la Turca« beim Festival »vielsaitig« in Füssen

Kempten: Unter der Dachmarke

Konzerte, Festival der Nationen

in Füssen vom 29. August bis 8. Sep-

»Musikhochgenuss« haben sich

und »Ein Ort wird Musik«. Die

tember. Im Jahr 1562 wurde in

acht renommierte Musikfestivals

Klassikbox in Kempten bringt unter

Füssen die erste Lautenmacher-

im Allgäu zusammengetan – Klas-

anderem die Münchner Symphoni-

zunft gegründet – ein Instrument,

sikbox Allgäu, Musica Sacra Inter-

ker auf die Bühne. Das Festival Mu-

das ursprünglich aus dem arabi-

national, Ottobeurer Konzerte,

sica Sacra International findet vom

schen Raum stammt. Bei den Neu-

Oberstdorfer Musiksommer, Festi-

25. bis 30. Mai in Marktoberdorf

schwanstein-Konzerten vom 15. bis

val »vielsaitig«, Neuschwanstein

statt; Interpreten aller Weltreligio-

23. September sind neun Abende

nen kommen dort zusammen.

mit dem Stuttgarter Kammerorches

Vom 17. Mai bis zum 23. September

ter und den Stuttgarter Philharmo-

erklingen die Ottobeurer Konzerte.

nikern geboten. Unter dem Motto

Im Kaisersaal der Benediktinerab-

»Klassik für alle – ein Fest für die

tei und in der eindrucksvollen Ba-

ganze Familie« wird das Festival

silika kommt die klassische Musik

der Nationen (28. September bis

besonders zur Geltung. Der Oberst-

6. Oktober) in Bad Wörishofen ver-

dorfer Musiksommer vom 26. Juli

anstaltet. Klassik zum Miterleben

bis 16. August findet in diesem Jahr

bestimmt das Konzept des Festivals

bereits zum 20. Mal statt (siehe

»Ein Ort wird Musik« in Bad Hin-

auch S. 58-59). Den Orient auf-

delang und im Ostrachtal (7. bis

leben lässt das Festival »vielsaitig«

13. Oktober).

(mm)

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70

Alpsommer

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Viehscheid 2012


Freizeit Altes Handwerk und Gemecker im Museum Wolfegg: Im Bauernhaus-Museum

um die Goiß«. Zur Unterhaltung

lädt kleine und große Museumsbe-

Wolfegg im Landkreis Ravensburg

treten verschiedene Trachten- und

sucher zum Verweilen ein. Schließ-

wird am 1. und 2. September je-

Musikgruppen sowie ein Drehor-

lich gibt es beim Museumsfest

weils von 10 bis 18 Uhr das tradi-

gelspieler auf. Ein umfangreiches

Feines aus der oberschwäbischen

tionelle Museumsfest gefeiert. Zu

Kinder- und Familienprogramm

Küche zu genießen.

Gast sind über 80 Handwerker und

(mm) Links: Tanz vor dem 1788 erbauten Fischerhaus. Links unten: Früh übt sich, wer beim »Geißentreffen« in Wolfegg mit seinem Tier einen guten Eindruck machen will.

Handarbeiterinnen, die ihre Fähigkeiten präsentieren und seltene, historische Werkzeuge und Gerätschaften zeigen. Die Besucher können Wagnern, Schnitzern, Küfern, Drechslern, Schreinern und Sattlern bei der Arbeit zusehen.

Kurz und wichtig

Es wird geschmiedet, Sensen wer-

Bauernhaus-Museum Wolfegg Vogter Straße 4 88364 Wolfegg Tel. 07527/9550-0 Fax 07527/9550-10 E-Mail: info@bauernhaus-museum.de www.bauernhaus-museum.de

den gedengelt, Körbe und Stühle geflochten. Auch ein Büchsenmacher, ein Schuhmacher und ein Bürstenbinder zeigen ihr Können, darüber hinaus werden bäuerliche Handarbeitstechniken vorgeführt. In den Museumsstuben wird geklöppelt, gestopft und gestrickt.

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Weberinnen zeigen am Webstuhl ihre Kunst. Eine Dreschergruppe führt das Dreschen von Getreide nach alter Methode durch, eine Dreschmaschine ist ebenfalls in Betrieb. In historischen motorbetrieben Mühlen wird das Getreide gemahlen. Bei vielen Handwerkern sind Mit-Anpacken und Ausprobieren absolut erwünscht. Gleichzeitig findet auf dem Gelände das 3. »Geißentreffen« statt. An beiden Festtagen sind auf dem Gelände des Freilichtmuseums über 150 Ziegen, Ziegenböcke und Kitze diverser Rassen zu bestaunen. Beim Wettmelken können die MuDarüber hinaus verspricht das Ziegenwettrennen Spannung. Auch im Rahmenprogramm mit Direktvermarktern von Ziegenprodukten wie Käse, Wurst, Bürsten aus Ziegenhaar,

Fellen

oder

Ziegen-

milchseife dreht sich »alles rund

Alpsommer

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Viehscheid 2012

Fotos: Bauernhof-Museum Wolfegg

seumsgäste selbst Hand anlegen.

71


Freizeit Kräuterschau im Jubiläumsjahr Diepolz: Die Sonderausstellung im zehnten Jubiläumsjahr des Allgäuer Bergbauernmuseums Diepolz (siehe auch S. 52-54) befasst sich mit dem Thema »Wildkräuter im Wandel der Zeit«. Ab Ostersonntag, 8. April, bis

4. November ist die Ausstellung täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Sie macht die Bedeutung und den Wandel der Kräuter sichtbar, spannt den Bogen von der Vergangenheit bis zur Gegenwart und versucht einen

Auf dem Gelände des Bergbauernmuseums gibt es einen Kräuterund einen Bauerngarten (links)

Allgäuer Bergbauernmuseum Diepolz 44 87509 Immenstadt-Diepolz Tel. 08320/709670 Fax 08320/9259852 Email: info@bergbauernmuseum.de www.bergbauernmuseum.de

Foto: Allgäuer Bergbauernmuseum

Kurz und wichtig

Blick in die Zukunft. Noch bietet das Allgäu eine große Kräutervielfalt. Das Wissen hierüber zu sammeln und den Respekt gegenüber Wildkräutern zu fördern, ist das Ziel der Ausstellung. Stationen, an denen die Besucher sich mit den einzelnen Kräutern beschäftigen können, und Alltagsanwendungen prägen die Wanderausstellung. Welchen Einfluss die Kräuter auf Sinne und Seele haben, kann in Diepolz ertastet, gehört, geschmeckt, gesehen und gefühlt werden. Jüngeren Besuchern bringt der Tannenbart »Bartl« die nützlichen Pflanzen kindgerecht nahe. Poetische Texte von Bärbel Bentele ergänzen die Wanderschau. Es kommen Allgäuer Pioniere vom Fach zu Wort, beispielsweise Susanne Fischer-Rizzi oder die früheren Wegbereiter wie Pfarrer Sebastian Kneipp und Pius Lotter. (mm)

Neue Saison im Museumsdorf

Allgäuer Natur- und Bergwerke GmbH Grüntenstraße 2 87545 Burgberg Tel. 08321/7884646 Fax 08321/672222 E-Mail: info@erzgruben.de www.erzgruben.de

72

dem Spielplatz austoben. Die Erzgruben–Erlebniswelt am Südhang des Grünten ist ein Museumsdorf, in dem das Leben und die schwere Arbeit der Knappen im EisenerzBergbau vom 14. bis 19. Jahrhun-

dert und die Geologie des Grünten sowie des Allgäus erforscht werden kann. Es ist von Burgberg aus mit dem Erzgrubenbähnle oder zu Fuß erreichbar, eine öffentliche Zufahrt gibt es nicht. (mm)

Foto: Erzgruben-Erlebniswelt am Grünten

Kurz und wichtig

Burgberg: Die Erzgruben-Erlebniswelt am Grünten in Burgberg startet am 28. April ab 12 Uhr in die neue Saison. Bis 28. Oktober kann sie täglich von 10.30 Uhr bis 17 Uhr besucht werden. Am Eröffnungstag finden nachmittags Vorführungen in der Schauschmiede statt, in denen ein Hufschmied Gebrauchsgegenstände aus früheren Zeiten schmiedet, zum Beispiel Nägel, Hufeisen und Schürhaken. Um 14 Uhr führt die Knappengruppe Burgberg einen Tanz vor, der einen Bestandteil der Oberallgäuer Geschichte darstellt und an die harte Arbeit der Bergleute erinnert. Als »Knappe« wird jemand bezeichnet, der eine Lehre im Bergbau erfolgreich abgeschlossen hat. Junge Besucher können am 28. April ein kleines Hufeisen schmieden, an einer Rallye teilnehmen oder sich auf Höhepunkt der Erzgruben-Erlebniswelt ist der Abstieg in den Untertagebau

Alpsommer

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Viehscheid 2012


Alpsommer

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Viehscheid 2012

2


Freizeit Von Kräutern und Käse Gunzesried: Vom 1. Juli bis zum 30.

ter und besuchen Kräutergärten

Gastwirten im Tal serviert. Die

September dauert der Käse-Kräuter-

sowie Sennalpen. Es gibt eine Kräu-

Kräuter, die in der Region des Gun-

Sommer in Gunzesried. Im Zuge

ter-Kochschule, außerdem ist es

zesrieder Tales wachsen, sind eine

des Projektes können die Besucher

möglich, mit tatkräftiger Unterstüt-

Grundlage für den besonderen Käse

an zahlreichen Workshops und

zung einer Kräuterfrau Salben und

dieses Gebietes, der beim Käse-

Wanderungen durch die Berge und

Seifen unter dem Motto »Kräuter

Kräuter-Sommer immer wieder

die umliegende Natur teilnehmen.

für die Seele, die Sinne und den

zum Probieren angeboten wird. Au-

Zusammen mit Landschaftsführer-

Gaumen« herzustellen. Für Fein-

ßerdem gibt es die Möglichkeit,

innen und -führern pflücken die

schmecker werden spezielle Kräu-

Wellness- und Kneippangebote wie

Wanderer dabei ihre eigenen Kräu-

termenüs mit vier Gängen bei den

Tautreten, Armbäder und Massagen

Foto: Gästeinformation Blaichach

Beim Käse-Kräuter-Sommer in Gunzesried bietet der Kräutergarten Möglichkeiten für Entdeckungstouren

zu nutzen. Am 22. Juli wird das Kräutergartenfest mit Frühschoppen und Musik auf dem Gunzesrieder Kapplbichl gefeiert. Kinder können sich schminken lassen und haben Gelegenheit zum Backen von Stockbrot, Spinnen von Wolle und Färben mit Pflanzen. Schließlich laden Kreativ- und Flohmarkt zum Stöbern ein.

(mm)

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Alpsommer

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Viehscheid 2012


Freizeit Den Farben auf die Spur kommen Kempten: Vom 1. Juli bis 26. Au-

samstags und sonntags von 10 bis

gust gilt es im Allgäu-Museum in

17 Uhr. Kinder bis sechs Jahre ha-

Kempten, die Mitmach-Ausstel-

ben freien Eintritt; ältere Kinder

lung »Farbenspiel« zu entdecken.

und Jugendliche zahlen 1,25 Euro,

Sie richtet sich an Familien mit

Erwachsene 2,50 Euro. Eine Fami-

Kindern und Jugendlichen, die hier

lienkarte kostet fünf Euro.

(mm)

mit Farben zu experimentieren.

Kurz und wichtig

Die Diplompädagoginnen Wiebke

Allgäu-Museum Großer Kornhausplatz 1 87439 Kempten (Allgäu) Tel. Info 0831/2525369 Tel. Eingang 0831/5402120 www.museen-kempten.de

Gross und Flora Fassnacht haben zehn Stationen entwickelt, an denen beispielsweise Farben selbst hergestellt werden können. Auch

Foto: Allgäu-Museum

die Möglichkeit haben, ausgiebig

Ordnungssysteme und farbliche Wirkung sind erlebbar. Geöffnet ist das Allgäu-Museum dienstags bis freitags von 10 bis 16 Uhr sowie

Das Allgäu-Museum gerät vom 1. Juli bis 26. August in Kinderhand: Bei der Schau »Farbenspiel« dreht sich alles um die kleinen Besucher

Schloss oder Zahl? ern auf unserem Geld – das passt!«

stein bei Füssen schmückt als Mo-

Seit dem Jahr 2006 gibt das Bun-

tiv eine neue Zwei-Euro-Gedenk-

desfinanzministerium jährlich eine

münze des Bundesfinanzministeri-

Serie von Gedenkmünzen unter

ums. Bundeskanzlerin Angela Mer-

dem Titel »Bundesländer« heraus.

kel überreichte im Februar das

Mit Schloss Neuschwanstein wurde

Motiv des Schlosses an den Bayeri-

nun eines der bekanntesten Wahr-

schen Ministerpräsidenten Horst

zeichen Bayerns und des Allgäus

Seehofer, der bei der Vorstellung

auf einem Sonder-Zahlungsmittel

der Münze anmerkte: »Mehr Bay-

verewigt.

(mm)

Fotos: Winfried Mateyka, Berlin; Dominik Ultes

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Füssen: Das Schloss Neuschwan-

Nun auch als Geldmünze im Wert von zwei Euro zu haben: Schloss Neuschwanstein bei Füssen

Alpsommer

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Foto: Kauk0r/wikipedia.de

Bergnamen

Vom Uhuberg

und der dreizinkigen Gabel Ein Blick in die Namensgeschichte zahlreicher Allgäuer Berge zeigt, dass die Benennungen der hoch aufragenden Gipfel heute zum Teil kaum mehr nachvollziehbare Wurzeln haben. Thaddäus Steiner hat sich mit deren Erforschung in seinem Buch »Allgäuer Bergnamen«, erschienen im Kunstverlag Josef Fink, ausführlich beschäftigt. Wir stellen einige Beispiele vor

Der Hauptkamm der Allgäuer Alpen mit der Mädelegabel (dritter Gipfel von rechts)

Blender Der Name des Berges bei Wiggensbach im Oberallgäu geht zurück auf eine Form der Waldwirtschaft, in der keine Kahlschläge gemacht, sondern jeweils nur die schlagreifen Bäume aus dem Wald geholt wurden, was man blendern oder pläntern nannte. Moderne Form: Plenterwirtschaft. Über den vom Ort Blenden (Gemeinde Wiggensbach) gebildeten Familiennamen Plender/Blender wurde dann der Berg benannt.

Grünten

Berg-Ursprünge auf 240 Seiten Die dritte Auflage des Buches »Allgäuer Bergnamen« von Thaddäus Steiner, 240 Seiten, zahlreiche Fotos, kartoniert, Preis 14,80 Euro, ist erschienen beim Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg 2011, ISBN 978-3-89870-389-5. Auch zu beziehen unter der Best.-Nr. 242 bei EDITION ALLGÄU, Lachener Weg 2, 87509 ImmenstadtWerdenstein, Tel. 08379/728616, Fax 08379/728018; Online-Shop: www.heimat-allgaeu.info

Für den Grünten bei Sonthofen, auch als »Wächter des Allgäus« bekannt, gibt es namentlich eine gute Verknüpfungsmöglichkeit mit den Schwarzwälder Grinden, von denen nur noch der Name Hornisgrinde lebendig ist. Durch etymologische (auf die Herkunft des Wortes bezogene) Verknüpfung mit Grind (Kopf) und den dortigen Landschaftsformen kommt Fritz Langenbeck zur Schlussfolgerung, dass bei den oben waldfreien, vermoorten Buntsandsteinbergen des Nord-Schwarzwaldes die bildhafte Bedeutung »schorfiger, vom Grind befallener Kopf« zugrunde liege, was auf den waldfreien oberen Gipfelbereich des Grünten zutreffen könnte.

Hauchenberg Ein etwa fünf Kilometer langer Grat über den Bergstätten in der Südseite und dem Weitnauer Tal im Norden. Über diesen lief die Grenze der Grafschaft Montfort-

Rothenfels. Das Bestimmungswort des Bergnamens dürfte althochdeutsch hûh »Uhu« sein, allerdings ist dann eine schwache Beugung vorauszusetzen. Die heute noch dichten Wälder der Nordseite dürften ein idealer Lebensraum für den Uhu gewesen sein.

Mädelegabel Die Namensgebung war im 19. Jahrhundert einigermaßen verwirrend, weil man unter »Mädelegabel« einerseits die drei heutigen Gipfel Trettachspitze, Mädelegabel und Hochfrottspitze verstand, andererseits wurden mit diesem Begriff auch alle als »Tretachspitz« bezeichnet. Schließlich wurde der eigentlich nur für alle drei (allenfalls zwei) Spitzen sinnvolle Name auf den mittleren der drei Gipfel bei Oberstdorf im Oberallgäu eingeschränkt. Deutung: (dreizinkige) Gabel über der Alpe Mädele. Die Alpe Mädele umfasste früher auch Untermädele und damit das Gebiet des Trettachursprungs, das früher als Geiß- und Schafweide genutzt wurde, wie wohl im Hochmittelalter die ganze Alpe.

Tegelberg Er macht vom Schwangauer Raum aus den gewaltigsten Eindruck in der Bergkulisse. Im 19. Jahrhundert bestiegen ihn Königin Marie und König Max II. von Bayern und errichteten an seinem Fuß das »Schweizerhaus«. Sein Name ist mit dem nur in Namen belegten althochdeutschen »tegar« (»groß, breit«) gebildet, das auch in Tegernsee und Degersee enthalten ist. •

Alpsommer

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Alpsommer

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Viehscheid 2012


Medien

Bauen am Berg

Willibald Spatz. Seine persönlichen

dieser Region. Informative und

66 Lieblingsplätze, darunter der

zum Teil humorvolle Texte des

Die Alpen des Landkreises

Eichhörnchenwald in Fischen, das

Leutkirchers Manfred Thierer er-

Oberallgäu

Künstlerhaus in Marktoberdorf und

gänzen die Aufnahmen perfekt. Ein

die Pestkapelle in Stiefenhofen, so-

idyllischer, hin und wieder auch

Der umfangreiche Band befasst sich

wie die elf schönsten Hallenbäder

aufregender Bildband, der nicht nur

mit den Alphütten als gebauten

wie zum Beispiel das Alpenbad in

in das Allgäu, sondern auch über

Häusern. Es dient als Nachschlage-

Pfronten und die Therme in Bad

dessen Grenzen hinaus locken will.

werk zu rund 600 Alphütten im

Wörishofen stellt er lebendig in

Oberallgäu, das einen Überblick

dem neu erschienenen Band vor.

Oberschwaben, Bodensee,

über die Entwicklung der Alpwirt-

Altbekanntes sowie echte Geheim-

Allgäu und Alb im Panorama,

schaft im Allgäu und die Bau-

tipps finden sich in dem liebevoll

von Manfred Thierer und Mar-

geschichte Entwicklung der Alphüt-

gestalteten Lesewerk, das sowohl

kus Leser, 136 Seiten, 80 Farb-

ten gewährt. Es informiert über die

für Urlauber wie auch für Einhei-

fotos, Hardcover, Preis: 69,90

Unterschiede der Hütten in den

mische interessant ist.

Euro, ISBN 978-3-933614-90-2, Biberacher Verlagsdruckerei,

noch voralpinen Regionen und im Hochgebirge und macht aufmerk-

Von Willibald Spatz, 192 Seiten,

sam auf verschiedene Einflüsse auf

ca. 80 Abbildungen, Paperback,

den Stil der Alphütten, wie sie aus

Preis: 14,90 Euro, ISBN 978-3-

dem Bregenzer Wald, Tirol oder

8392-1259-2, Gmeiner Verlag,

Ostschwaben kommen, sowie auf

Meßkirch 2012

Biberach 2011

Buchtipp

die allgäueigenen Charakteristika. Die Zeitspanne reicht dabei bis weit tos, Pläne und Detailzeichnungen

Tiefer Süden – Sanftes Land

komplettieren das Werk.

Oberschwaben, Bodensee,

in das 20. Jahrhundert hinein. Fo-

Allgäu und Alb im Panorama Von Martin Stankowski,

Wanderungen im Oberallgäu 32 Karten in der Box Ein origineller Wanderführer ist die neue Tourenkartenbox aus dem J. Berg Verlag. In der etwa 9 mal 13 Zentimeter messenden

352 Seiten, ca. 1000 Abbildungen,

Großformatige Ansichten aus den

Kartonbox finden sich 32 praktische, einfach aus der Schachtel

Hardcover, Preis: 39 Euro,

Städten Oberschwabens, an der Do-

entnehmbare Tourenkärtchen mit Wandervorschlägen für das

Best.-Nr. 388, zu beziehen bei

nau und der südlichen Alb, im All-

Oberallgäu. Ob durch den wilden Ostertaltobel bei der

EDITION ALLGÄU, Lachener

gäu und am Bodensee zeigen die

Gunzesrieder Säge, zur Kapelle von Oberried bei Sonthofen oder

Weg 2, 87509 Immenstadt-

Panoramafotos des Bad Waldseer

zu Deutschlands größter und höchstgelegener Sennalpe, der

Werdenstein, Tel. 08379/728616,

Fotografen Markus Leser. Über kul-

Schlappoldalpe am Oberstdorfer Fellhorn, für nahezu jeden

Fax 08379/728018; Online-Shop:

turhistorische und landschaftliche

Wanderwunsch findet sich ein passendes Kärtchen in der Box.

www.heimat-allgaeu.info

Sehenswürdigkeiten wie die Prädi-

Darauf gibt es Angaben zu Anfahrt, Einkehr, Höhepunkten und

kantenbibliothek in Isny und den

Tourenverlauf sowie eine ausführliche Wegbeschreibung.

Eistobel bei Maierhöfen hinweg sind

Einziger Kritikpunkt ist das Fehlen der Streckenlänge. Die

Allgäu

darin regionseigene Szenen

angegebene Gehzeit ist doch von Mensch zu Mensch individuell,

66 Lieblingsplätze und

wie die tierische »Miss-

eine Kilometerangabe wäre hier vielleicht sinnvoller gewesen.

11 Erlebnisbäder

wahl« beim Braunviehtag in Bad Waldsee zu sehen. Sie

32 Karten in der Box, 64 Seiten, Preis: 9,95 Euro, Best.-Nr.

Das Allgäu, eine der be-

halten Traditionelles und

387, zu beziehen bei EDITION ALLGÄU, Lachener Weg 2,

liebtesten Ferienregio-

Modernes fest, Bekanntes

87509 Immenstadt-Werdenstein, Tel. 08379/728616, Fax

nen, bietet »mehr als

und weniger Bekanntes und

08379/728018; Online-Shop: www.heimat-allgaeu.info

Kühe«, meint der Autor

vor allem das Besondere

Alpsommer

&

Viehscheid 2012

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Im Allgäu wird Gastfreundschaft groß geschrieben! Alpe Oberberg

Sennalpe Sonnhalde

Familie Beck Gunzesried 6 87544 Blaichach Tel. 08323/6784 (Sommer) 08321/9771 (Winter)

Jakl Köhler 87534 Oberstaufen-Buchenegg Tel. 08386/962418 www.alpe-sonnhalde.de

Frühaufsteher können beim Käsen zuschauen Brotzeiten, Übernachten auf Anfrage; 30 Kühe Besonderheit: Käsekeller kann besichtigt werden

45 Gehminuten ab Parkplatz Buchenegger Wasserfälle; Täglich geöffnet von 1. April bis 1. November 2012 Spezialität: Bachener Käs

Hompessenalpe Familie Herz Kalzhofen 10 87534 Oberstaufen Tel. 08386/4735 Direktverkauf von Milch und Käseprodukten, von 9.30 – 12.00 Uhr beim Käsen zuschauen; 20 Kühe, Besonderheit: erste Sennalpe mit Biolandanerkennung

Dreiangelhütte Oase der Ruhe für Radler und Wanderer Renate und Ernst Billian Tel. 0177/6726315 www.dreiangelhuette.de Täglich geöffnet vom 28. April bis 4. November 2012 Übernachtungen möglich, Brotzeit, Suppe, hausgem. Kuchen, Lage in sonniger Waldlichtung an der Südseite des Grüntens, Waldgrillplatz

Gräner Ödenalpe Elisabeth Wagner und Andreas Grad Tel. +43 676/3593480 oedenalpe@gmx.at www.oedenalpe.com geöffnet: Mai – Oktober 2012 Heiße Suppen, deftige Brotzeiten, Kaffee und Kuchen urige Stube und Sonnenterrasse, 12 Matratzenlagerplätze

Pfälzer Weinstub Irmi Klaus Am Anger 10 87538 Fischen i. Allgäu Tel. 08326/366467 Fax 08326/366468 pfaelzer-weinstub@web.de www.pfaelzer-weinstub.de Öffnungszeiten: 17.00 – 23.00 Uhr, Dienstag Ruhetag; Verschiedene Flammkuchen, Pfälzer Spezialitäten

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Alpsommer

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Viehscheid 2012


Alpe Laufbichl Beate Fink Hintersteinerstraße 7 87541 Bad Oberdorf Tel. 08324/519 Beim Käsen zuschauen, Brotzeiten, Sennalp-Bergkäse, Hirtenkäse, Bergbutter, Übernachtungsmöglichkeit, 60 Kühe, Besonderheit: Käse im Rucksackformat (4-5 kg)

Alpe Stubental Familie Müller Jausenstation 87491 Jungholz Tel. 0174/3453497, www.stubental-alpe.de Di., Do., So.: 10.00 bis 18.00 Uhr Mi., Fr., Sa.: 10.00 bis 22.00 Uhr Kinderspielplatz, kostenloser Liegestuhlverleih, Sonnenterrasse, hausgem. Kuchen, Eisbecher

Gasthaus zum Alpsee Franz Braun Seestraße 14 87509 Bühl am Alpsee Tel. 08323/6321 Fax 08323/987973 Der gemütliche Treffpunkt mit traumhaftem Biergarten - direkt am Großen Alpsee. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Alpsommer

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Viehscheid 2012


Preisr채tsel

Das Gewinnspiel finden Sie in der Printausgabe von Alpsommer & Viehscheid 2012

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Panoramakarte

Viehscheidorte

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und Termine

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Reutte – Höfen

1. September

2

Markt Rettenbach

1. September

3

Pfronten

8. September

4

Seeg

8. September

5

Bad Hindelang

11. September

6

Schöllang

12. September

7

Oberstdorf

13. September

8

Balderschwang

14. September

9

Reutte – Lechaschau

14. September

10

Nesselwang

14. September

11

Oberstaufen

14. September

12

Maierhöfen

15. September

13

Gunzesried

15. September

14

Immenstadt

15. September

15

Kranzegg

15. September

16

Jungholz in Tirol

15. September

17

Missen-Wilhams

15. September

18

Eisenberg – Zell

15. September

19

Pfronten – Röfleuten

15. September

20

Schattwald im Tannheimer Tal

15. September

21

Schwangau

15. September

22

Weitnau/Wengen

15. September

23

Reutte – Musau

15. September

24

Nesselwängle im Tannheimer Tal

16. September

25

Buching

17. September

26

Unterjoch

17. September

27

Wertach

18. September

28

Riezlern im Kleinwalsertal

19. September

29

Bolsterlang

19. September

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Grän-Haldensee

20. September

31

Thalkirchdorf

21. September

32

Tannheim im Tannheimer Tal

21. September

33

Haslach am Grüntensee

22. September

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Obermaiselstein

22. September

35

Haldenwang

29. September

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