allgäuALTERNATIV - Frühjahresausgabe 2013

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Gast-Editorial

Windenergie, Wirtschaft und Tourismus ie Diskussion über Windenergiestandorte im Allgäu bewegte im vergangenen Jahr viele Menschen. Nachdem der Regionale Planungsverband Allgäu Suchräume für Windenergiestandorte erarbeitet hatte und diese öffentlich diskutierte, bildeten sich im Umfeld vieler potenzieller Standorte Bürgerinitiativen gegen Windenergie. Neben der Angst vor großen Windkraftanlagen vor der eigenen Haustür stand bei vielen Menschen die Sorge um die Auswirkungen für den Tourismus häufig im Vordergrund der Diskussion – denn das Allgäu lebt ja schließlich von seinen Gästen. Aber lebt das Allgäu wirklich vom Tourismus? Nun ja, mit einem Anteil von rund 13% an der Gesamtwertschöpfung gehört der Tourismus in der Tat zu den wichtigen Wirtschaftsfaktoren im Allgäu, aber der Maschinen- und Fahrzeugbau oder die Lebensmittel- und Verpackungsindustrie sind nicht weniger wichtig – nur als Wirtschaftsfaktoren nicht so präsent. So hat das gesamte produzierende Gewerbe einen Anteil von 32% an der Wertschöpfung im Allgäu. Aber was hat dies mit der Windenergie zu tun? Dazu muss man etwas weiter ausholen: Deutschland hat richtigerweise die Energiewende beschlossen, und allerorts wird viel in erneuerbare Energien – vor allem Windenergie und Photovoltaik – investiert. Dabei ist Windenergie an der Küste aber auch im Binnenland schon heute eine der preisgünstigsten Arten, Strom zu erzeugen. Na prima, werden sich einige denken, die wissen, dass norddeutsche Bundesländer sich teilweise schon das Ziel gesetzt haben, dreimal so viel Strom zu erzeugen, wie sie verbrauchen, dann beziehen wir unseren Strom eben von der Küste, dazu brauchen wir keine Windkraftanlagen im Allgäu. Doch halt – ein Blick auf die Entwicklung Bayerns nach dem zweiten Weltkrieg belehrt uns eines Besseren. Anfangs war Bayern ein Nehmerland und wurde durch die anderen Bundesländer über den viel diskutierten Länderfinanzausgleich unterstützt. Damals wurde Strom in Deutschland zu einem großen Teil aus Kohle erzeugt, und die gab es vor allem im Ruhrgebiet – in Bayern war der Strom teurer. Dann, mit dem Ausbau der Kernenergie, hatte Bayern reich-

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lich und billigen Strom zur Verfügung und die Wirtschaft im Freistaat entwickelte sich prächtig (die Entwicklungskosten und Risiken der Kernenergie trug und trägt nach wie vor der Bund). Heute werden die Weichen gestellt, wo der Strom aus erneuerbaren Energien für Deutschland in Zukunft herkommen wird – Windstrom von der Küste und von Offshore-Anlagen, der mit langen Übertragungsleitungen in den Süden transportiert wird, oder eher dezentral aus vielen Anlagen aus allen Regionen in Deutschland. Und nicht erst in 20 Jahren, wenn die vielen AnMartin Sambale, lagen alle abgeschrieben sind und Geschäftsführer eza! noch billig Strom produzieren können, werden wir die Kosten für die Stromübertragung deutlich beim Strompreis spüren. Wenn unser Strom von der Küste kommen sollte, dann drohen uns um die Übertragungskosten höhere Strompreise als den Erzeuger-Regionen in Norddeutschland. Und damit sind wir wieder bei der Eingangsfrage: Womit verdienen wir im Allgäu unser Geld? Können wir es uns mit Rücksicht auf den Wirtschaftsstandort Allgäu überhaupt leisten, auf Windenergie in größerem Stil zu verzichten? Und dabei ist noch gar nicht gesagt, dass Windenergie dem Tourismus schaden würde. Auch der Sender am Grünten und verschiedenste Bergbahn- und Straßenprojekte haben zu ebenso großen und weithin sichtbaren Veränderungen unseres Landschaftsbildes geführt, ohne dass deshalb Gäste ausblieben. Vielleicht sollten wir dies bedenken, wenn die regionalen Planungsverbände Allgäu und Donau-Iller die nächsten Schritte bei der Fortschreibung des Regionalplans machen.

Foto: eza!

Liebe Leserin, lieber Leser,

Ihr Martin Sambale Geschäftsführer eza! energie- & umweltzentrum allgäu

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Inhalt

Impressum

Gast-Editorial Windenergie, Wirtschaft und Tourismus Seite 3

Haustechnik Mit Hybrid-Heizung sparen

Seite 37

Energieeffizienz im Altbau Ein Pionier aus Vorarlberg

Seite 6

eza!-Partner Das Vorbild-Netzwerk

Seite 38

Seite 9

Batteriespeicher Ein Container, der brummt

Seite 40

Richtig dämmen Baufritz sammelt Späne

Seite 43

Kraftwärmekopplung im Jungendheim Wir müssen Vorbild sein

Seite 44

Verlag und Herstellung: Verlag HEPHAISTOS EDITION ALLGÄU

Beratung Aha-Effekt für Hausbesitzer

Lachener Weg 2 87509 ImmenstadtWerdenstein Tel. 08379/728616

Bürgerinitiative Weitblick in die Zukunft

Seite 12

Hochschulprojekt Energielandschaft Allgäu Figurbetont in die Zukunft Verdichtung für Freiraum

Seite 14 Seite 16 Seite 19

Maschinenbau Windflügel voll im Griff

Seite 22

Wolfgang E. Schultz Wildwuchs am Markt

Seite 24

Photovoltaik Das Dach – ein Strom-Esel?

Seite 26

Unendliches Verfahren Das Generationenprojekt

Seite 30

Meldungen Vordenker unter Querdenkern Seite 47 Historische Straßenleuchten umrüsten Seite 47 Führungen durch AÜW-Wasserkraftwerk Seite 48 Ein Blick nach Südwesten Seite 48 Bessere Förderbedingungen für Sanierung Seite 48 Cent-Parade gegen die Armut Seite 48 Grüner Strom für Rock-Konzerte Seite 49 Den Übeltätern auf der Spur Seite 49 Mit Sonnenstrom übers Montafon Seite 49 Umfrage: Wasser privatisieren? Seite 50 Firma Dorr würdigt »Soziale Stadt« Seite 50 Verlangsamen weiße Dächer Klimawandel? Seite 51

Regional und ökologisch Bier aus Oberschwaben

Seite 33

E-Mobilität Bergsteiger mit Akku

Seite 52

Scheidegg Klimaschutz mit System

Seite 34

Holzbau Das Sägezahn-Holzhaus

Seite 54

Fax 08379/728018 info@heimat-allgaeu.info www.allgaeu-alternativ.de

Herausgeber: Peter Elgaß

Redaktion: Viola Elgaß (v.i.S.d.P.) Julia Jordan Annette Müller Thomas Niehörster Gekennzeichnete Beiträge stellen die Meinung des Verfassers, nicht aber des Verlages dar.

Bianca Elgaß Ramona Klein Dominik Ultes

Anzeigen: Sven Abend (Ltg.) Kathrin Geis Tel. 08379/728616 gültige Anzeigenpreisliste: 1/2012

Bankverbindung Verlag: Raiffeisenbank Oberallgäu-Süd eG Konto 7282770 BLZ 73369920

Druck und Bindung: Kastner & Callwey Medien GmbH Jahnstraße 5 85661 Forstinning

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Fotos: Ematec, emiglia, M&M HolzHaus GmbH, Volker Wille; Titelfotos: M&M HolzHaus GmbH, Stadt Immenstadt, Viola Elgaß

Layout:

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Bürgerbeteiligung Wie funktioniert die Genossenschaft? Seite 56 Bioenergie Sparprogramm Biomeiler

Seite 58

Bio-Geschäftsidee Zwei Allgäuer heizen ein

Seite 60

Wasserstoff Energie in den Tank packen

Seite 64

Energiesparen Noch im März Prämie sichern

Seite 67

Energiesystem Die Wohnanlage spart

Seite 68

Recycling ZAK-Prinzip: Abfall erzeugt Energie

Seite 70

Wohlfühlklima Gesunde Lösung für Kinderkrippen

Seite 72

Vorschau

Seite 74

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Redaktions- und Anzeigenschluss für die nächste Ausgabe ist der 29. April 2013.

Unser Titel zeigt die Baustelle Hundegger in Hawangen (Bericht Seite 54)

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Energieffizienz im Altbau

Pionier aus Vorarlberg

Fotos: Volker Wille

Siegfried Steurer sucht Energiespar-Potenziale

Es gibt sie: Menschen, die sich mit eigenen Ansichten und starker Überzeugung aufgemacht haben, einst belächelt, heute anerkannte Pioniere. Als Siegfried Steurer beim Vater als Installateur anfing, ging man vom Schwarzenberger Zuhause zu dritt auf Montage – heute steht er einer 20-köpfigen Belegschaft vor, führt das Unternehmen vom 2008 fertiggestellten Geschäftshaus – Büro, Werkstatt und Lager unter einem Dach –, verkehrsgünstig an der Hauptstraße gelegen

austechnik ist seit 20 Jahren die Leidenschaft von Siegfried Steurer. Er hat Energie als Zukunftsthema erkannt und für sich entfaltet, anfangs auf der Baustelle geschult, später in zahlreichen Fortbildungen auf den Stand der Technik gebracht, ein Experte und durch den Mut des Tüchtigen ein Pionier, heute in Vorarlberg eine der Top-Adressen auf diesem Gebiet. Er hat alle Wellen energetischer Ertüchtigungen gesehen, beginnend mit Solarkollektoren, gefolgt von Biomasse, Wärmepumpen, kontrollierte Lüftung, Photovoltaik. »Da hat sich viel getan – der Energieverbrauch ist sehr deutlich gesunken.« Steurers Unternehmen bewältigt heute jährlich etwa 75 Wohnhäuser, eine Handvoll Wohnanlagen und Gewerbebauten, dazu zahlreiche Sanierungen. Große Projekte gelingen, denn: Planung und Ausführung liegen in einer Hand, bei aller Professionalität darf sich keine Routine einschleichen. Jedes Projekt ist Herausforderung, wird von der Grundlage her durch-

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dacht. Und es umfasst selbstverständlich und kostenneutral auch solche Leistungen, die andernorts an Ingenieurbüros vergeben sind. Typisch für einen Handwerksbetrieb eben. Und typisch für einen Wälder: Er hat Bodenhaftung bewahrt. Die Auftragslage würde ein rasantes Betriebswachstum nahelegen, doch nach einem kurzen Ausflug in die Welt flexibler Arbeitsverhältnisse steht für ihn fest: »Bei mir schafft nur, wen ich kenne, am besten, wer hier die Lehre gemacht hat. Unser Wachstum ist nachhaltig.« Er bewohnt mit Frau und fünf Kindern ein altes Wälder Bauernhaus am Waldrand, vor einigen Jahren erworben, mit fachlichem Rat und viel Eigenarbeit saniert. Der Strickbau des Wohnteils blieb erhalten, außenseitig geringfügig unter neuen Schindeln gedämmt, Dach, Tenne und Bergeraum über dem alten Stall neu aufgerichtet. Der Raum der Tenne ist mit Vorraum, Küche, Essplatz und großzügiger Vergla-


Von außen unterscheidet sich das Haus der Familie Steurer kaum von anderen Wälder-Häusern

sung zum Garten im Süden Lebensmittelpunkt; der vormalige Bergeraum ist Reserve für später. Platz für eine lebendige Familie. Auch da finden sich ein sonniger Platz und Ruhe für ein Gespräch. Gebrauchen müsse man es doch erst mal, das Haus, und hinreichend Komfort soll es bieten. »Man hat’s ja zum Leben, das ist ja der Reiz hier, die Kinder raus und rein, da liegt nicht alles im rechten Winkel, und die Sachen kriegen Lebensspuren – das war vor uns schon so, das alte Holz hat da einiges zu erzählen.« So ist das mit Pionieren: Selbstdenker sind es, eigenes Erleben macht den Anfang. Daher kam: sorgsam mit Ressourcen umgehen, keine Energie verschwenden. Damit eckte man einst leicht an. Und wie er damals Staunen hervorrief, so heute, wenn er Unerhörtes ausspricht: »Wir erleben einen Zwiespalt: Deutlich weniger Heizenergie wird mit immer teureren Apparaten zur Verfügung gestellt. Die Häuser brauchen ein Drittel der Energie, die Technik ist um

20 bis 40 Prozent teurer. Energie sparen reicht nicht, man will noch Energie verkaufen. Das geht an dem, was ein Haus sein soll, vorbei. Dabei ersticken die Leute unter den Kosten für ein einfaches Haus.« In den Köpfen sei einiges in Unordnung geraten, allein die Worte zeigen's und wie damit umgegangen wird: »Passivhaus, +Haus, Minergie-Haus, 3-LiterHaus – jeder kommt mit was anderem daher. Komponenten werden gegeneinander gerechnet, Wandaufbauten gegen installierte PV-Leistung. Wenn ich entsprechend installiere – auf dem Dach, im Garten –, da erziele ich freilich tolle Werte. Das ist keine Kunst, bestenfalls Rechenkunst. Bei vielen der gepriesenen Häuser weiß ich als Installateur schon auf den ersten Blick: Da ist's nicht weit her! Gute Werte einer Wand werden mit riesigen Glasflächen verrechnet, am Ende – tatsächlich gemessen – liegt das Ganze über den versprochenen Werten. Das ist weit verbreitet, schaut sehr ähnlich aus, ist fast eine Mode.«

Drinnen gewährt das Haus aber ungewöhlich moderne und praktische Einblicke

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Energetisch top und trotzdem historisch heimelig: Der Scheitholz-Kachelofen trocknet Wäsche und verströmt Wärme und Flair

Der Autor Florian Aicher - Jahrgang 1954, geboren in Ulm - Studium der Architektur in Stuttgart - Praktika in Stuttgart, München, Buffalo (USA) - selbstständig seit 1985 - Mitglied WerkKreis e.V. Leutkirch-Illerwinkel - Lehrtätigkeit: Gastprofessuren an der HBK Saar, Saarbrücken, und an der HfG Karlsruhe - seit 2005: Büro und Wohnung in Rotis/Allgäu - Fachautor für Bauwelt, edition:schwaben, Spektrum, Reisemagazin Bregenzerwald, Vorarlberger Nachrichten u. a.

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Dabei sei es mit dem Versprechen noch lange nicht zu Ende: »Heute lese ich in der Zeitung zur Zukunft der Technik im Haus: ‚Moderne Heinzelmännchen – den Menschen soll geholfen werden’. Automatisierung, Steuerung, smart houses, handy-gesteuert, Häuser übernehmen das Denken – Märchenstunde für Fortgeschrittene! Die wenigen kWh werden automatisiert, der Kunde überfordert. Das ist doch absoluter Wahnsinn!« Siegfried Steurers Ziel lautet: je einfacher, desto besser. Und im Wohnhausbau ist das auch einfach. »Ein gutes, dichtes Haus mit Komfort und schlanker Technik. Richtige Größe, nicht jeder Raum gleich warm, Keller kalt, große Fenster zur Sonne und ansonsten bescheiden – wie im Wälderhaus. Dann ist die Haustechnik um eine Welt einfacher und günstiger.« Mit der Architektur hat man also zu rechnen – und mit den Stoffen. Eine neue Diskussion geht durchs Land. »Mit dem Life-Cycle-Tower kommen neue Impulse, werden wichtige Fragen gestellt, nach den Stoffen, Energieströmen – da liegt Holz ziemlich gut. Auch beim Betrieb: Je mehr um Energie debattiert wird, umso mehr fasziniert mich der Stückholzofen – da könnten wir uns von langen Energieströmen abkoppeln. Dazu die Frage nach Apparaten und Technik: Brauchen wir alles, was uns angedient wird? Eine Frage der Ressourcen und Ansprüche.« Die Zukunft? »Das größte Potenzial bleibt der Mensch. Der Verbraucher muss sein Wunschkonzept richtig programmieren. Nach einem halben Berufsleben als Pionier meine ich: Innovation ja! Aber gesunden Menschenverstand einschalten, Systeme mit immer mehr Technik ausschalten und: vom Wälderhaus lernen – bei heutiger Bautechnik reicht ein Kachelofen mit Solarboiler.« Florian Aicher


Beratung

Aha-Effekt für Hausbesitzer Aller Anfang ist nicht immer schwer

Fotos: eza!

Die Allgäuer Kommunen und das Energie- und Umweltzentrum Allgäu (eza!) haben gemeinsam die Beratungskampagne »Sanieren mit GRIPS« gestartet, um Hausbesitzer noch mehr für das Thema energetische Sanierung zu sensibilisieren – mit Erfolg. 45 Minuten Intensivberatung waren schon vielfach der Startpunkt zum Energie- und Geld sparen

st das eigene Haus energetisch auf einem guten Stand? Welche Maßnahmen können umgesetzt werden, um die Energieeffizienz zu erhöhen? Solche und ähnliche Fragen beschäftigen Hausbesitzer gerade jetzt, wo ständig steigende Strom- und Heizkosten das Familienbudget belasten. Um dem entgegenzusteuern, bietet das Energie- und Umweltzentrum Allgäu (eza!) in Zusammenarbeit mit mehreren Allgäuer Kommunen den Bürgern kostenlose Kurzchecks an. »Sanieren mit GRIPS« heißt die Kampagne, die in Wasserburg, Sonthofen und Kempten bereits erfolgreich gestartet ist und in weiteren Gemeinden fortgesetzt wird. Neben Infoveranstaltungen und einer Exkursion ist eine 45-minütige Beratung vor Ort beim Hauseigentümer der Kern der Kampagne. Dabei klären die eza!-Experten die Hausbesitzer über energetische

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Schwachstellen ihres Hauses und sinnvolle Sanierungsmaßnahmen auf. Der Fokus des Beratungsangebotes liegt auf Ein- und Zweifamilienhäusern, die gebaut wurden, bevor die dritte Wärmeschutzverordnung im Jahre 1995 in Kraft getreten ist. »Unsanierte Altbauten zählen zu den größten Energieverbrauchern in Deutschland«, betont Kemptens Klimaschutzmanager Thomas Weiß. Tatsächlich sind 75 Prozent der Energie, die bundesweit für Raumwärme und Warmwasser verbraucht wird, Immobilien zuzuschreiben, die vor der Verabschiedung der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1979 gebaut wurden. 70 Prozent dieser Gebäude verfügen über keine Dämmung, 70 Prozent aller Heizungsanlagen entsprechen nicht dem heutigen Stand der Technik. »Auch in Kempten gibt es viele ältere Häuser, deren Wärme- und Energieverbrauch gesenkt werden

Bei einer Musterberatung in Kempten machte sich eza!-Energieberater Wolfgang Rengstl (rechts) ein Bild vom Haus der Familie Kunz. Auch die Heizung stand beim Kurzcheck auf dem Prüfstand. Kemptens Klimaschutzmanager Thomas Weiß (links) und Richard Hiepp, Beauftragter des Stadtrates für Landwirtschaft und Umwelt (Zweiter von rechts), ließen sich mit Gabriele Kunz die energetischen Schwachstellen erklären

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Beratung

Grün ist gut und rot schlecht – vom Dach bis zum Keller werden die Ergebnisse des Kurzchecks gesammelt. Am Ende wissen die Besitzer, wo ihr Haus in energetischer Hinsicht steht und was zu tun ist

kann«, sagt Weiß. »Die Aktion ‚Sanieren mit GRIPS‘ soll Hausbesitzer informieren und motivieren, energetische Sanierungen durchzuführen«, fügt der Klimaschutzmanager hinzu. Daher habe sich die Stadt Kempten dazu entschlossen, die Kampagne auch in der Allgäumetropole zu starten. In einem ersten Testlauf wurde der kostenlose Beratungsservice interessierten Hausbesitzern im Stadtteil Kempten-Lenzfried angeboten. Die Resonanz war gut. »Die Stadt Kempten hat sich das Thema Klimaschutz schon lange auf ihre Fahnen geschrieben«, erklärt Weiß. »Bei den kommunalen Gebäuden ist in puncto energetische Optimierung auch schon viel passiert. Jetzt gilt es, die Bürger noch stärker einzubinden.« eza!-Geschäftsführer Martin Sambale sieht in den Kurzchecks eine gute Möglichkeit für Hausbesitzer, schnell und praxisnah Informationen zu bekom10

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men – und zwar von neutraler Stelle. »Vor Ort erkennt der Fachmann schon nach kurzer Zeit, wo die Schwachstellen liegen und welche Investitionen sinnvoll sind.« Günter Edeler gehört zu diesen Fachleuten. Der Diplom-Ingenieur ist Energieberater und war im Rahmen der Kampagne »Sanieren mit GRIPS« auch in Kempten unterwegs. »Da gab es immer wieder AhaErlebnisse bei den Hausbesitzern«, hat der DiplomIngenieur bei seinen Kurzcheck-Besuchen feststellen können. »Dass beispielsweise auch die Kellerdecke gedämmt werden sollte, wussten doch einige Leute nicht.« Zudem machen viele Hausbesitzer »einen großen Bogen um das Thema Fassadendämmung«, musste Edeler erfahren – aus Angst vor Schimmelbildung. Dabei ist gerade eine gut verpackte Außenwand, die für höhere Oberflächentemperaturen an den Innenwänden sorgt, ein wirksames Mittel gegen Schimmel, versucht der Fachmann den Laien dann immer zu erklären. Die Entscheidung, die alten Fenster gegen neue auszutauschen, fällt dagegen leichter, lautet Edelers Eindruck, was sich mit den Erfahrungen der anderen Energieberater-Kollegen deckt. Auch die Dachsanierung wird schneller mal in Angriff genommen. »Am sinnvollsten ist es aber, die gesamte Hülle zu dämmen und sich nicht auf das Dach oder den Einbau neuer Fenster zu beschränken«, betont Wolfgang Rengstl, der wie Edeler als eza!-Energieberater Kurzchecks vornimmt. »Das wäre so, als ob man im Winter zwar eine Mütze aufsetzt, aber dazu Shorts trägt.« Die Wärme würde dann eben an anderer Stelle entweichen. Standardlösungen gibt es bei der Sanierung von Altbauten keine, betont Wolfgang Rengstl. Es müsse nach individuellen und stimmigen Gesamtkonzepten gesucht werden, fügt der Bauingenieur hinzu. Der Kurzcheck im Rahmen von »Sanieren mit GRIPS« ist ein erster Schritt dazu. »Wir wollen damit die Leute für das Thema energetische Sanierung sensibilisieren«, erklärt Martin Sambale. »Der Informationsbedarf ist immer noch sehr groß.« Gabriele und Klaus Kunz aus Kempten haben das Angebot des kostenlosen Kurzchecks gerne angenommen und waren überrascht, was Wolfgang Rengstl bei seinem Besuch auf der Negativliste alles notiert hat und welches Energieeinsparpotenzial in ihrem Haus steckt. »Es ist gut, von unabhängiger und kompetenter Seite aufgeklärt zu werden«, meinte anschließend Klaus Kunz. »Die detaillierten Informationen sind für uns eine wertvolle Grundlage, um gezielt die notwendigen Änderungen anzugehen.« Gleich Nägel mit Köpfen machte Dr. Wilhelm Vachenauer in Lenzfried. Gleich nach dem Kurzcheck rückten die Handwerker an und dämmten das Dach seines Hauses Baujahr 1985 in Lenzfried. Auch ein Teil der Fenster wurde bereits ausgetauscht. Demnächst geht es mit der Sanierung weiter. »Packen wir’s an«, hatten sich die Vachenauers gesagt, nachdem der


Energieberater ihnen die Schwachstellen offenbart hatte. »Herr Edeler hat uns die Augen geöffnet. Der Kurzcheck war für uns eine sehr wertvolle Hilfe«, betont der 60-Jährige und kann anderen Hausbesitzern nur dringend empfehlen, das Angebot ebenfalls in Anspruch zu nehmen. Die Hausbesitzer, die im Rahmen des Kurzchecks beraten werden, erfahren auch, ob und, wenn ja welche Fördermöglichkeiten und zinsgünstigen Darlehen es für die geplanten Sanierungsmaßnahmen gibt. Was beispielsweise viele Hausbesitzer nicht wissen: Auch für die Planung und Baubegleitung gibt es einen Zuschuss bis zu 4000 Euro von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) – sofern ein anerkannter Experte (Ingenieur, Architekt oder Techniker) damit beauftragt wird. »Nach unserer Erfahrung lassen sich durch einen unabhängigen und kompetenten Architekten, Ingenieur oder Techniker, der als Baubegleiter eine Sanierung überwacht und die Handwerker koordiniert, Fehler in der Planung und Bauausführung vermeiden«, betont Sambale. »Das verhindert unnötige Mehrkosten und hilft, Energiesparpotenziale besser auszuschöpfen – sowohl bei Komplettsanierungen als auch bei Einzelmaßnahmen.« Die ersten Erfahrungen, die bei der Aktion »Sanieren mit GRIPS« gesammelt wurden, sind über-

Energetische Sanierungsmaßnahmen lohnen sich. Die Energiekosten sinken, und die Wohnraumqualität steigt. Bei den eza!-Kurzchecks erfahren Hausbesitzer, welche Maßnahmen sinnvoll sind

Drei Fachleute beim GRIPS-Jahreskongress (v.l.): Sylvia Schramm (Allgäuer Überlandwerk), Arno Pöhlmann (Lechwerke) und Charlotte Wallin (TH Kempten)

aus positiv, freut sich eza!-Geschäftsführer Martin Sambale. Andere Allgäuer Kommunen wollen deshalb dem Beispiel von Wasserburg, Sonthofen und Kempten folgen. »Wir zeigen den Hausbesitzern, wie sie die Energiekosten senken und gleichzeitig die Wohnqualität deutlich erhöhen können – und das kommt gut an.« Weitere Informationen zum Thema Sanierung unter www.eza-allgaeu.de

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Bürgerinitiative

WEITblick in die Zukunft Bürgerinitiative für eine windkraftfreie Region »Für alternative Energien in unserer Region ohne Windkraftriesen«, so lautet der Slogan der im Juni 2012 gegründeten Bürgerinitiative WEITblick. Engagierte Bürgerinnen und Bürger aus den Gemeinden Weitnau und Maierhöfen haben sich zusammengeschlossen, weil sie die Energiepolitik in ihrer Heimat aktiv mitgestalten und verträgliche Alternativen zu geplanten Windparks im Allgäu finden wollen

m Juni 2011 hat der Oberallgäuer Kreistag beschlossen, 70 Prozent des Oberallgäuer Stromverbrauchs bis ins Jahr 2022 mit regenerativ erzeugter Energie aus der Region zu decken. Um den Ausbau der Windkraft in Bayern zu beschleunigen, hat die bayerische Regierung im Dezember 2011 das Genehmigungsverfahren für den Bau von Windkraftanlagen vereinfacht. Auch im Allgäu soll der Windkraft substanziell Raum gegeben werden. Um eine sogenannte »Verspargelung der Landschaft« zu vermeiden, wird nun vom Regionalen Planungsverband Allgäu in der gesamten Region nach Standorten für die Konzentration von Windkraftanlagen gesucht. In der Praxis bedeutet dies, dass auf einer vom Planungsverband bestimmten Fläche große Industrie-Windparks errichtet werden können. Die Landschaft dort gilt dann als »verbraucht«, und weitere Windtürme und andere Industrieobjekte können hinzugebaut werden. Auf die Menge und die Höhe der Anlagen hat die betroffene Gemeinde keinen Einfluss. »Jede Gemeinde sollte mit ihren Bürgern selbst entscheiden können, welche Form der regenerativen Energiegewinnung für sie am verträglichsten und geeignetsten ist«, so die Ansprechpartner der Initiative.

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Im Frühjahr 2012 wussten weite Teile der Bevölkerung noch nichts über das geplante Vorhaben. Aus diesem Grund fand bereits im Juli 2012 die erste WEITblick-Informationsveranstaltung im vollbesetzten Saal des Gasthauses »Goldener Adler« in Weitnau statt. Dieser Veranstaltung folgten ein Fachvortrag für die Verantwortlichen in den Gemeinden, Informationsstände auf den örtlichen Märkten und eine groß angelegte Unterschriftenaktion. »Von Anfang an haben wir sehr viel Wert auf sachliche Information und eine transparente Zusammenarbeit mit den Gemeinden gelegt.« Auch die gemeinsame Arbeit und der Austausch mit anderen Windkraft-Bürgerinitiativen in der Region sind für die Mitglieder der Initiative sehr wertvoll.

Zu viele ungelöste Probleme »Wir sind nicht grundsätzlich gegen jede Form von Windkraft. Aber groß angelegte Windparks mit Industrietürmen von bis zu 250 Metern Höhe auf unseren Allgäuer Hügeln und über den Dörfern sind nicht vertretbar. Die bedrängende Wirkung und die massive Landschaftsveränderung sind der Bevölkerung nicht zuzumuten«, so die WEITblicker. Mit Sor-


ge erwähnen sie hier auch die geringen Abstandsflächen von teilweise nur 600 Metern und die mögliche Belästigung der Anwohner durch Schlagschatten und Geräusche. Weitere ungelöste Probleme in der Windenergie sieht die BI in der fehlenden Grundlastfähigkeit, mangelnden Speichermöglichkeiten und den nur schwer regulierbaren Stromspitzen. Auch die Wirtschaftlichkeit der Anlagen im Allgäu wäre aufgrund fehlender konstanter Windhöffigkeit in Frage zu stellen. Selbst die Bundesregierung rudert in Sachen Windkraft zurück: Laut Umweltminister Altmaier finde momentan in Deutschland eine starke WindkraftÜberplanung statt, was die Energiewende sogar in Gefahr bringe. »Das alles kann man im Allgäu doch nicht einfach ignorieren«, so die Initiative. Auch die Touristiker schlagen Alarm: »Der Tourismus im Allgäu ist eine große Einnahmequelle mit jährlichen Zuwachsraten und schafft Arbeitsplätze. Sein Markenzeichen ist die unverbrauchte Voralpenlandschaft und kann mit den Merkmalen der norddeutschen Tourismusbranche nicht über einen Kamm geschert werden«, weiß Hotelbetreiber und Mitinitiator Markus Rainalter. Laut einer Umfrage unter den AllgäuTopHotels sprechen sich alle Mitgliedsbetriebe eindeutig gegen die Errichtung von Windkraftanlagen im Allgäu aus. In der Gruppe vertreten sind auch Allgäuer Landwirte. Sie sehen sich in ihrer Existenz bedroht, denn die Feriengäste auf den Höfen könnten ihren Urlaub künftig in windkraftfreien Gebieten ein paar Kilometer weiter südlich verbringen. Skeptisch sieht Biobäuerin Christine Bajohr die Lage: »Die Vermarktung unserer Erzeugnisse würde durch einen im Bergbauerngebiet entstehenden Windkraft-Industriestandort an Glaubwürdigkeit verlieren.«

Aus diesem Grund hat sich die WEITblickAlternativengruppe gegründet. Sie trifft sich regelmäßig im »Hanuselhof« in Hellengerst und heißt alle Interessierten herzlich willkommen. Die Gruppe um Architekt Hans-Peter Meyer organisiert Veranstaltungen und besucht Vorträge über alternative Energiegewinnung und Stromspeichermöglichkeiten. »Es wird in vielen Bereichen geforscht. Einige interessante Technologien haben sich bereits bewährt, andere stehen kurz vor der Marktreife. Das Allgäu hat nun die einmalige Chance und die Verpflichtung, Pionierarbeit in Sachen Energiewende zu leisten«, so Meyer.

Gemeinden wollen windkraftfrei bleiben Im Rahmen des informellen Verfahrens haben sich u.a. die Kommunen Buchenberg, Waltenhofen, Weitnau, Missen-Wilhams, Grünenbach, Oberstaufen und Immenstadt gegen die Ausweisung von Windkraftstandorten ausgesprochen. »Es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen trotz enger Zeitvorgaben und wirtschaftlicher Interessen die Stellungnahmen der einzelnen Bürgermeister und Gemeinderäte respektieren. Denn eine erfolgreiche Energiepolitik muss auch einen gesellschaftlichen Wandel mit sich ziehen, der von allen Beteiligten getragen werden kann. Dieser muss in den Köpfen der Menschen beginnen und darf nicht durch politische Entscheidungen ,verordnet‘ werden«, so das Resümee der Bürgerinitiative WEITblick. Manuela Müller-Gaßner Info: www.initiative-weitblick.de

Nach Alternativen wird gesucht

Sie stehen stellvertretend für alle Mitglieder der Bürgerinitiative WEITblick (von links): Hans-Peter Meyer (Rechtis), Christine Bajohr (Sibratshofen), Markus Rainalter (Hellengerst), Andrea Landerer (Weitnau), Hubert Rupp (Sibratshofen) und Manuela Müller-Gaßner (Sibratshofen). Nicht auf dem Foto: Florian Babl (Sibratshofen) und Christian Peinemann (Waltrams)

Fotos: Manuela Müller-Gaßner

Der Vorwurf, die Bürgerinitiative würde nach dem »Sankt-Florians-Prinzip« vorgehen, weisen die WEITblick-Ansprechpartner von sich: »Wo die Gemeinden und Bürger sich gegen industriell betriebene Windkraftanlagen aussprechen, sollte auf diese Form der Energiegewinnung völlig verzichtet werden. Es gibt bereits erprobte und grundlastfähige Alternativen, was die Energiebilanzen einzelner Gemeinden jetzt schon sehr positiv aufzeigen. Man muss den Kommunen lediglich etwas mehr Zeit geben, dann kann aus eigenem Antrieb eine verträgliche und in die Region passende Energiewende stattfinden.«

Es geht um ihre Zukunft: Die Jugendgruppe der Initiative hat sich regelmäßig getroffen, um das Thema Windkraft von allen Seiten zu beleuchten. Ihre Ergebnisse, Meinungen und Erwartungen haben sie in einem Brief an die verant wortlichen Politiker zusammengefasst. Er kann auf der Homepage unter www.initiative-weitblick.de gelesen werden. Die Mitglieder der WEITblickJugendgruppe (hinten von links): Maximilian Steigner, Paul Rosner, Laura Müller; in der Mitte: Regina Weinpel, Bastian Huber, Katharina Reich; vorne: Theresa Reich. Nicht auf dem Foto: Lisa Neuser, Bernadette und German Stöhr


Hochschul-Projekt

Energielandschaft Allgäu Zwischen Tourismus und Landschaftsarchitektur

Fotos: Elgaß

Ein Projekt von Studenten zweier Studiengänge brachte überraschende Erkenntnisse. Der »etwas andere Blick« verblüffte die 250 Besucher bei der Präsentation in der Hochschule Kempten. Mancher Vorschlag rief aber auch Schmunzeln bei den Praktikern hervor. Wir werden einige der Ideenskizzen in dieser und den nächsten Ausgaben von allgäuALTERNATIV vorstellen

eit Oktober vergangenen Jahres beschäftigen sich Studenten der TU München (Landschaftsarchitektur) und der Hochschule Kempten (Tourismus und Maschinenbau) mit der Energiewende im Allgäu und der Frage wie die nötigen Maßnahmen positiv und gestaltend in die Allgäuer Kulturlandschaft integriert werden können. Die Abschlusspräsentation vor rund 250 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft leitete Prof. Dr. Sören Schöbel von der TU München mit seinem Vortrag ein. Drei der zehn Konzepte wurden von den Studenten selbst vorgetragen. In der anschließenden Podiumsdiskussion wurden die Ergebnisse und deren Chancen für das Allgäu diskutiert. Teilnehmer auf dem Podium waren Prof.

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Die Akteure der Hochschulen in der »Denkwerkstatt«

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Dr. Alfred Bauer (Tourismus) und Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Mayer (Energie- und Umwelttechnik) von der Hochschule Kempten, Prof. Dr. Sören Schöbel (Landschaftsarchitektur) von der TU München, Prof. Karl Ganser (Geograf und Stadtplaner/ehem. Direktor IBA Emscher Park), Oberbürgermeister Stefan Bosse (Vorsitzender des Regionalen Planungsverbandes Allgäu) und Michael Lucke (Geschäftsführer Allgäuer Überlandwerke, AÜW). In dieser Diskussion wurde deutlich, dass es eine Kluft zwischen der derzeit gepflegten Planung und Verwirklichung auf der einen Seite und den Ideen der Fachprofessoren und ihrer Studenten auf der anderen Seite gibt. Auffällig war, dass alle Praktiker, sowohl auf dem Podium als auch im Publikum, den Studenten großes Lob aussprachen für einen neuen, ungewöhnlichen Ansatz, eine Zukunftsaufgabe anzugehen. Gleichzeitig aber wurde deutlich, dass bei der wertfreien Herangehensweise an die Kombination von Energie und Landschaft Lösungen gesucht wurden, die wenig Chancen auf Verwirklichung haben (z.B. Energiespeichern in geschützten Allgäuer Mooren). Aber in fast allen Konzepten stecken Ideen, die weiter verfolgt werden sollen (z.B. die Einrichtung eines Allgäuer Informationszentrums »Energie«). Michael Lucke und Stefan Bosse – beide in Verantwortung, praktische Umsetzung voranzutreiben – bestätigten: »Wir nehmen Anregungen mit und danken den Studenten für ihre erfrischenden Vorschläge.« Ab 6. März werden die Ergebnisse der breiten Öffentlichkeit für eine Woche im Forum Allgäu in Kempten ausgestellt und präsentiert.


Energielandschaft

Die Augen zu und weitermachen wie bisher – das funktioniert nicht. Totalverweigerung bringt uns auch nicht weiter. Die Energiewende wird Spuren im Allgäu hinterlassen. Wie diese Fußtritte eines gesellschaftlichen Wandels in der Region aussehen können, darüber haben sich die Kemptener Architekten Jörg Heiler und Peter Geiger Gedanken gemacht. Grundsätzlich kann man derzeit zwei Wege beobachten, mit der Allgäuer Kulturlandschaft im Zuge der Energiewende umzugehen. Der erste Weg will die »traditionelle« Allgäuer Kulturlandschaft (deren Bild auch den Tourismus prägt) bewahren und zeitgenössische Eingriffe oder Veränderungen möglichst verhindern oder zumindest „verstecken“. Dies ist de facto nicht möglich, da die Landschaft schon immer einem stetigen Wandel durch soziale und gesellschaftliche Bedingungen unterworfen ist. Der zweite Weg sieht die Veränderungen durch die Infrastrukturen der Energiewende als unvermeidbare Notwendigkeit an, die die Allgäuer Kulturlandschaft zwar nicht »schöner« machen, an die sich die Menschen im Laufe der Zeit aber gewöhnen.

Ein dritter Lösungsversuch Ein dritter, bisher nicht begangener Weg könnte die Strukturen der Energiewende bewusst als neue Elemente und Merkmale gestaltend in die Landschaft integrieren und sozusagen eine weitere Allgäuer Kulturlandschafts-Schicht hinzuzufügen. Eine organisch auf dem Vorhandenen aufbauende Schicht, die vielleicht noch in 200 Jahren als bewahrenswerter Teil der Kulturlandschaft einer früheren Zeit geschätzt wird. Das Beschreiten dieses dritten Weges stellt die Frage, ob die »traditionelle Kulturlandschaft« und die heute gegebene »tatsächliche Landschaft« (geformt durch Veränderungen unserer Zeit wie Energie, Verkehr, Tourismus, Gewerbe) stimmig zusammengebracht werden können. Die qualitätvolle und zeitgenössische Gestaltung der Allgäuer Kulturlandschaft ist die Motivation von uns als Architekten und Stadtplaner und vom Kooperationspartner dieses Projektes, dem Bund Deutscher Architekten BDA.

Den Anstoß geben Aus diesem Grund freut es uns sehr, dass wir die Hochschule Kempten und die Technische Universität München für dieses Studienprojekt begeistern konnten. Die Beschreitung dieses Weges soll in die breite Öffentlichkeit kommuniziert werden. Für die Unterstützung bei dieser schwierigen Aufgabe konnten wir die Agentur sons aus Kempten gewinnen. Was verstehen wir unter Gestaltung einer Kulturlandschaft und deren Qualitäten? Wahrnehmung und Erleben von Landschaft sind häufig mit einem ent-

sprechenden Bild einer Landschaft verbunden. Die Qualität einer Landschaft wird deswegen bei den meisten Menschen an diesem Bild gemessen. Es gibt jedoch weitere Qualitäten, die durch die Veränderung der Landschaft im Zuge der Energiewende gestärkt werden können.

Foto: heilergeiger

Der dritte Weg – Alternative aus Sicht der Architektur

Jörg Heiler und Peter Geiger

Veränderung im Bild • Vielfalt von öffentlichen Räumen mit Aufenthaltsqualität (Tradition der Zugänglichkeit der mitteleuropäischen Landschaft. Man denke an die gerade entstehenden Photovoltaikfelder, die abgesperrt und somit kein öffentlicher Raum sind). • Ermöglichungsraum und »Bühne« für Aktivitäten, Situationen und Erfahrungen (z.B. Stauseen wie der Rottachspeicher als künstliche Infrastruktur bieten neben ihrer eigentlichen Nutzung andere Gebrauchsmöglichkeiten, insbesondere für Freizeitaktivitäten an. Was kann hier die neue Energieinfrastruktur leisten? Erforderliche Zufahrten und Leitungstrassen können neue Verbindungen und Wege ermöglichen). • Sinnlich erfahrbare Atmosphäre. • Orientierung bei der Bewegung durch die Landschaft (z.B. könnten die neuen Energieinfrastrukturen einen Weg begleiten). • Stärkung des Raumerlebnisses (spürbar in Situationen wie z.B. dem »Allgäuer Tor«, die durch Energie-Infrastrukturen verstärkt und deutlicher gemacht werden können). Qualitäten wie diese sollten durch die neuen Energie-Infrastrukturen gestärkt werden oder in diesen integriert sein, um langfristig sowohl in der Bevölkerung als auch von den Gästen im Allgäu geschätzt zu werden.

Chance für das Allgäu Es gibt für gestaltete Energielandschaften als integraler Bestandteil einer Kulturlandschaft keine oder kaum Beispiele. Darin liegen eine große Chance und ein starkes Potenzial für das Allgäu. Der beschriebene dritte Weg kann zu einem Alleinstellungsmerkmal für das Allgäu werden. Zudem könnte dieser Weg dazu beitragen, die Menschen im Allgäu als Unterstützer bei den Herausforderungen der Energiewende zu gewinnen, und helfen, dass sich Einheimische und Gäste mit den Veränderungen in der Allgäuer Kulturlandschaft identifizieren.

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Hochschul-Projekt

Figurbetont in die Zukunft Windräder und Solarbänder suchen Anlehnung Für das Verständnis der Allgäuer Landschaft ist die Morphologie wohl das wichtigste Element überhaupt. Dies wird auch darin bestätigt, dass die meisten Kulturlandschaftsstrukturen wie z.B. die Siedlungen, die Infrastruktur oder die Landnutzung deutlich von der Morphologie gezeichnet sind. Allerdings haben sich im Laufe der Zeit die verschiedenen Strukturen zunehmend überlagert und die Morphologie mehr und mehr in den Hintergrund gerückt. Dieser Entwurf nähert sich wieder an die morphologischen Strukturen an und macht diese mithilfe verschiedener Arten regenerativer Energieerzeugung lesbarer nhand der Morphologie kann man das Allgäu in insgesamt vier prägnante Regionen unterteilen: Täler, Drumlins, Vorberge und Gebirgsgrenze. Alle vier Täler haben einen charakteristischen Nord-Süd-Verlauf gemeinsam, der für das Konzept jeweils auf eine klare Linie reduziert wurde. Diese wird im Entwurf durch den Einsatz von Windkraftanlagen entlang der oberen Hangkante verstärkt. Hierdurch wird eine weitreichende Sichtbarkeit erzeugt, die auch den Eingang ins Allgäu markiert. Die Täler können aufgrund ihrer Dimensionen in zwei unterschiedliche Typen eingeteilt werden. Es existieren je zwei breite und zwei schmale Täler. Der Rhythmus der Windradlinien wird individuell an die beiden Taltypen angepasst. Südlich der Täler dominieren die Drumlins, die der Region ihr typisches Landschaftsbild verleihen. Ein Drumlin besitzt immer eine steile und eine flache Seite, wodurch eine tropfenartige Hügelform entsteht.

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Felix Gutmann, Martina Lehmann, Freya Zörntlein

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Zeichnungen: Felix Gutmann, Martina Lehmann, Freya Zörntlein

Energielandschaft

Beispielhaft aufgezeigt: Wildblumenwiesen und Windkraftanlagen entlang der Vorberge (linke Seite), Miscanthus-Plantagen an den Drumlins (diese Seite)

Eine weitere Auffälligkeit ist, dass die Drumlins stets in Schwärmen auftreten. Genau diese Anhäufung wird im neuen Energiekonzept hervorgehoben, indem Miscanthus-Felder zwischen den Drumlins flächendeckend als Strukturelemente eingesetzt werden, um sowohl die Skulpturalität des einzelnen Hügels als auch die Figur des Schwarmes zu betonen. Hierzu werden die Flächen anhand vorhandener Flurstücksgrenzen eingeteilt und bepflanzt, sodass deutlich wird, welche Hügel eine Einheit bilden. Miscanthus kann pelletiert und somit verbrannt werden und ist eine schnell wachsende, anspruchslose sowie pflegeleichte Kurzumtriebspflanze, die keiner zusätzlichen Düngung bedarf. Außerdem ist Miscanthus im Gegensatz zu Mais ein ganzjähriges Element in der Landschaft, da er über den Winter stehen bleibt und erst im Frühjahr abgeerntet wird. Die dritte morphologische Struktur, die für das Allgäu prägend ist, sind die Vorberge im Bereich zwischen Kempten und Immenstadt. Die Weitläufigkeit und die sanften, runden Formen der Vorberge zeichnen diese Region aus. Besonders die enorme Ausdehnung der Berge im Ost-West-Verlauf wird durch Solarbänder parallel zum Hang betont. Ein Band besteht insgesamt aus drei Reihen von Solarmodulen, die den Höhenlinien folgen, auf die Waldstruktur vor Ort reagieren und diese hervorheben. Die Nutzung von Solarenergie ist durch die flache Neigung und die vergleichsweise hohe Globalstrahlung an diesem Standort besonders geeignet. Die verschiedenen Südhänge der Vorberge verfügen über unterschiedliche Wald-Offenlandtypen, die im Entwurf durch Rodung oder Neupflanzung verstärkt werden. Auf den Hängen wird extensive Weidenutzung durch Schafe betrieben. Die letzte Region befindet sich am Fuße der Alpen bei Immenstadt und markiert die Grenze zwi-

schen den Vorbergen und den Kalkalpen, in deren Mitte ein tiefes Tal liegt. Das Gebiet zeichnet sich zum einen durch den plötzlichen Höhenumbruch, zum anderen durch den Kontrast zwischen harten und weichen Formen im Panorama aus. Der Kontrast zwischen den Vorbergen und dem Gebirge wird in das Konzept integriert und soll verstärkt werden. Dies gelingt jedoch nur, wenn man sowohl die Wirkung im Panorama als auch die direkte Wirkung aus der Nähe berücksichtigt. Hierzu werden Windräder auf einem Plateau entlang des »Vorderen Prodels« aufgestellt (bei Thalkirchdorf im Naturpark Nagelfluhkette), die die optische Grenze zwischen Vorbergen und Gebirge verstärken. Stehen die Windräder am Steilhang des Gebirges, werden gleichzeitig

Begriffserklärungen Der Tobel ist die Landform eines mehr oder minder sanften Hochtales mit dem Durchbruchstälchen eines Sturzbaches. Durch das größere Einzugsgebiet und das starke Gefälle des Gewässers und den damit verbundenen Gerölltransport unterscheidet sich ein Tobel von anderen Schluchtformen. Morphologie oder Landformenkunde ist ein Teilgebiet der Physischen Geografie und untersucht die Formen und formbildenden Prozesse der Oberfläche der Erde und der Planeten. Hierbei gibt es Überschneidungen mit anderen Geowissenschaften wie der Geologie, der Kartografie, der Bodenkunde und der Klimatologie.

Miscanthus ist der lateinische Begriff für das Stielblütengras. Dieses Gras gehört zur Gattung der Süßgräser und umfasst 14 bis 20 Arten. Miscanthus ist vorwiegend in feuchten Wiesen und Sümpfen von Afrika bis Ostasien beheimatet, insbesondere findet sich eine Reihe von Arten in China und Japan. Während das Chinaschilf (Miscanthus sinensis) vor allem als Zierpflanze genutzt wird, ist das Riesen-Chinaschilf (Miscanthus giganteus) eine bedeutende Energiepflanze. Sie wird gegen Ende des zweiten Wuchs-Jahres geerntet. Kurzumtriebspflanzen sind schnell wachsende Bäume, Sträucher und Gräser. Sie werden fast ausschließlich zur Energieerzeugung gepflanzt und verwertet.

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Hochschul-Projekt durch die vertikalen Elemente die Dimension und der rasche Anstieg des Gebirges betont. Bei der Anordnung der Windräder wird auf die vielen Tobel eingegangen, die sich in dieser Region befinden und eine quer verlaufende Struktur am Hang darstellen. Die Windkraftanlagen fassen die jeweiligen Tobel ein und markieren sie. Sie stehen stets dort, wo die Tobel das

Gebirge zerteilen, und fassen diese zu beiden Seiten ein. Um die Eigenart des Plateaus zu bewahren, stehen die Windräder an der Waldgrenze und zerschneiden somit nicht das Offenland. Eine Berücksichtigung dieser Strukturen bewahrt den Charakter des Allgäus und macht es gleichzeitig möglich, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten.

Windräder sollen an der Waldkante stehen und sich ins Bild der Vorberge einfügen. Unten: Unter den Solarbändern entsteht Magerrasen

Offenhaltung durch Solaranlagen Durch die Installation von Solaranlagen im Offenland wird der Boden teilweise stark beschattet, und der Bodenwasserhaushalt verändert sich. Außerdem sind die südlich exponierten Hänge besonders gut geeignet, um vorhandene Magerrasenbiotope zu ergänzen und zu verbessern. Im Gegensatz zu dem heute so intensiv genutzten Wirtschaftsgrünland beherbergen die Magerrasen eine ungemein vielfältige Insektenwelt und sind reich an Blüten der verschiedensten Farben und Formen. Sie haben daher eine hohe Bedeutung für die Tier- und Pflanzenwelt. Um diesen Reich-

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tum besser vor dem weiteren Rückgang bewahren zu können, sollen die Magerrasen von Schafen beweidet werden, die problemlos unter den Solarbändern grasen können. Gefährdete Arten wie z.B. Gewöhnliches Katzenpfötchen Antennaria dioica und Frühlings-Enzian Gentiana verna können sich auf diesen Flächen ansiedeln. Die Solaranlagen in Kombination mit der Beweidung garantieren außerdem, dass die Hänge auch langfristig zu einem gewissen Anteil offen gehalten werden und die wertvollen Lebensräume erhalten bleiben.


Energielandschaft

Verdichtung für Freiraum Siedlungs-Veränderungen und Energieformen Städte sollen verdichtet, die Einzelgehöfte in Dörfer überführt und die Berghänge und Bergregionen entsiedelt werden. Diese Naturräume können energetisch und touristisch genuzt werden. Auch in diesem Entwurf stecken mögliche Chancen für die Allgäuer Landschaft

Die Verdichtung der Bebauung im Talraum zu größeren Dörfern ermöglicht eine bessere Infrastruktur mit Dorfläden, Schulen, Gasthäusern und Gemeinschaftseinrichtungen. Oben: Beispiel für zersiedelten Talraum. Unten: Verdichtung zu »erlebenswerten« Dorfstrukturen

Flusslauf und Stadt Durch seine Versorgungs- und Transportfunktion liegt dieser Typ sehr zentral. Die Städte fungieren als Oberzentren des Allgäus. An ihnen konzentriert sich auch die Infrastruktur. Auf den Dächern der Siedlungen und des Gewerbes gibt es noch viele energetisch ungenutzte Flächen. Solar- und Photovoltaikanlagen könnten darauf errichtet werden. Besonders durch die Nutzung erneuerbarer Energien ergibt sich

eine große Differenz an Stromgewinnung zwischen Tag und Nacht beziehungsweise zwischen Sommer und Winter. Gerade im Winter werden aber besonders viel Strom und Wärme benötigt. Um dies auszugleichen und den Überschuss an Strom zu speichern, wird das Pumpspeicherkraftwerk in Warmatsgund im Oberallgäu ausgebaut, und weitere könnten im Auenüberflutungsbereich errichtet werden.

Berggrenze und Dorfkette Entlang der Autobahn A7 (Ulm-Füssen) häufen sich größere Dörfer. Die Autobahn stellt gleichzeitig die Grenze zwischen den von Nordwest nach Südost verlaufenden Ausläufern der Alpen dar. Auch hier häufen sich Industrie und Infrastruktur. Solarenergie erweist sich als sinnvolles Energie- und Landschaftselement.

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Hochschul-Projekt Dörfer. Gestaltungsmerkmal ist im Allgäu traditionell die Holzbauweise. Sie wird auf besten energetischen Standard gebracht. In diesem Bereich bietet sich die Gewinnung von Windenergie an.

Landwirtschaft und Mehrhofdorf

Julia Ulrich, Tobias Drexl und Gabrijela Tokic

Waldgebiet und inhomogene Siedlungen

Voralpine Molassezüge und Einödhöfe Die einzelnen Höfe und Einödhöfe in den Bergen sollten weitgehend umfunktioniert werden. Leer stehende Gebäude können zur Heulagerung verwendet werden. Alternative Lösungen für diese Höfe liegen im sanften Tourismus. In den Bergen liegende Höfe könnten zu Outdoor-Tour-Zentren werden. Wanderungen von Hof zu Hof könnten ein neues touristisches Angebot werden. Ziel sollte sein, die Besiedelung der Alpen wieder rückgängig zu machen, um der natürlichen Vegetation (Bergahorn/Buchenwälder/Nadelwälder/Wiesen) erneut Raum zu geben. Die lineare Anordnung von Windkraftanlagen betont den Landschaftstyp des Molassehügels und fügt sich harmonisch in die dahinterliegende Bergkulisse ein.

Zeichnungen: Julia Ulrich, Tobias Drexl und Gabrijela Tokic

Die Straßen- und Haufendörfer werden durch zerstreute Waldflächen unterbrochen. Um einen Treffpunkt für die Einwohner zu schaffen und um höhere Lebensqualität durch Stärkung der Gemeinschaft und ein attraktives Kulturangebot zu erzeugen, sollen sich Straßendörfer zu Haufendörfern entwickeln. Da es immer weniger Landwirte gibt und die bestehenden Betriebe immer größer werden, stehen wieder Strukturänderungen bevor, ähnlich der Vereinödung vor 250 Jahren. Derzeit sind viele Dörfer Schlafdörfer, in denen viele Pendler wohnen. Gasthäuser, Läden und Schulen werden geschlossen. Das Land gilt derzeit als bäuerlich geprägter Naturraum, während das Dorf einen durch eigene Gewohnheiten und Bauten geprägten Kulturraum darstellt In den neuen Dörfern wird die Zersiedelung durch Raumplanung und Verdichtung verhindert. Die Ortskerne werden gestärkt durch neue Dorfbegegnungshäuser, Gemeindehäuser, Dorfplätze und Busverbindungen. Die Kultur als notwendiger Teil des Gemeindelebens wird in Form von Bibliothek oder Musikräumen gestärkt. Kindergarten, Bürogebäude, Dorfläden und Cafes ergänzen die neuen, verdichteten

Die Allgäuer Mehrhof-Dörfer setzen sich üblicherweise aus zwei bis fünf landwirtschaftlichen Höfen zusammen. Sie liegen häufig in regelmäßigen Abständen punktuell in der Landschaft. Unser Ziel ist der Zusammenschluss einiger Höfe zu Dörfern. Als passende Energieform könnte Biogas aus einer Wildblumensaat erzeugt werden, die für eine hohe Biodiversität sorgt.

Mehrhofdörfer statt der Zersiedelung mit Einödhöfen und landwirtschaftliche Planung der Freiräume

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Maschinenbau

Windflügel voll im Griff Revolution bei der Montage von Rotorblättern Der Allgäuer Maschinenbauer Ematec AG in Memmingerberg revolutioniert die Montage und Demontage von Rotorblättern an Windkraftanlagen. Die Ematec-Konstrukteure haben in Zusammenarbeit mit dem Windenergieanlagenhersteller Nordex SE einen riesigen Greifer entwickelt, mit dem sich Rotorblätter schneller und vor allem sicherer montieren lassen ie Ematec-Neuheit heißt im Fachjargon »Rotorblatt-Traverse« und wird beispielsweise schon bei der Montage des größten Windparks in Bayern, dem Windpark Zöschingen im Landkreis Dillingen, eingesetzt. Hier werden bis zum Frühjahr acht Windräder vom Typ Nordex N117/2400 installiert, die jährlich 40 Millionen kWh Strom erzeugen und damit 12.000 Haushalte versorgen. »Mit unserer Traverse erhöhen wir die Arbeitssicherheit auf der Baustelle enorm. Außerdem ist eine effektive Einzelblattmontage der Rotorblätter möglich, und es wird über den gesamten Montagezeitraum nur ein einziger Kran benötigt. Das senkt den Kostenauf-

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Die Rotorblatt-Traverse von Ematec im praktischen Einsatz

wand und bietet darüber hinaus auch den Projektund Betreibergesellschaften ganz neue Chancen und Perspektiven für die Realisierung von anstehenden Windparkprojekten«, erklärt Manfred Eberhard, Vorstand der Ematec Aktiengesellschaft. Größter Vorteil der Einzelblattmontage gegenüber der bisher noch weit verbreiteten Sternmontage ist der wesentlich geringere Flächenverbrauch. »Es muss deutlich weniger Waldfläche gerodet werden, und im Falle einer nötigen Demontage zum Austausch von Rotorblättern müssen später nicht noch einmal Bäume abgeholzt werden. Wir leisten hier also auch einen entscheidenden Beitrag zur Schonung unserer Umwelt. Von daher werden Einzelblattmontagen ganz klar die Zukunft in der Anlageninstallation sein, weil Sternmontagen nicht mehr wirtschaftlich und auch politisch kaum mehr durchsetzbar sein werden«, so Eberhard.

Unfälle sind ausgeschlossen Am meisten profitieren die Montage- und Installationsfirmen von den Vorteilen der neuen RotorblattTraverse RBT. Denn der Gebrauch auf der Baustelle ist einfacher und vor allem sicherer: »Unser System umgreift die Rotorblätter komplett und fixiert sie, ohne die Oberfläche des Flügels zu beschädigen, aber doch so fest, dass sie sich auch während der Montage bei Wind nicht lösen können. Unfälle durch herunterfallende Rotorblätter sind gänzlich ausgeschlossen«, berichtet der Firmenchef. Die Handhabung der Ematec-Traverse ist denkbar einfach. Die Neuheit aus Memmingerberg lässt sich ganz bequem auf einem Tieflader transportieren. »Von der Ankunft auf der Baustelle an dauert es gerade mal 30 Minuten, bis das erste Rotorblatt auf dem Weg nach oben zur Nabe ist. Lange Umbauarbeiten oder Rüstzeiten für die Montage entfallen genauso wie die Kosten für einen zweiten Kran«, erklärt Eberhard. Zum Transport und bei Nichtgebrauch wird die Obertraverse einfach innerhalb des Greifers abgelegt. Dadurch ergibt sich eine sehr kompakte Einheit, die sich mit einem einzigen Kranhub auf- und abladen lässt. Die RBT bleibt dabei stets einsatzbereit montiert. 22

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Die Rotorblatt-Traverse im Einsatz

Die Ematec-Erfolgsgeschichte 1997 bis 2013

Die Ematec-Neuheit ermöglicht das Greifen der Rotorblätter in jeder Drehlage. Das Rotorblatt kann direkt vom Trailer oder auch vom Boden aufgenommen werden. Es wird von Vielgelenk-Greifarmen und großflächig gummierten Druckplatten umfasst, die formschlüssige Blattsicherung wird durch eine umgreifende Halteklaue gewährleistet. Um die Windangriffsfläche so gering wie möglich zu halten, lassen sich die Rotorblätter in einem Winkelbereich von -10 bis +95 Grad neigen. »Dadurch erreichen wir bei bestimmten Rotorblättern die Reduzierung der Windangriffsfläche um die Hälfte. Das gibt dem Monteur eine hohe Arbeits- und auch Projektsicherheit, denn er kann mit unserer Traverse selbst noch bei Windgeschwindigkeiten und Windböen sicher arbeiten, die mit anderen Systemen nicht mehr möglich sind«, erklärt Eberhard. Gegenüber ähnlichen Systemen wartet die Ematec-Traverse noch mit einem entscheidenden Alleinstellungsmerkmal auf: Die Konstruktion der Allgäuer Ingenieure lässt sich in der Längsachse um +/– 6 Grad neigen. Ein nicht hundertprozentig im Schwerpunkt erfolgter Blattanschlag kann problemlos ausgeglichen werden, ohne dass ein mehrmaliges Anschlagen und Austarieren des Rotorblattes über den Bediener nötig wäre. Außerdem lässt sich das Rotorblatt die ganze Zeit über in horizontaler Lage transportieren.

Die Ematec AG hat derzeit 40 Mitarbeiter. Auf dem ehemaligen Kasernen- und Flughafengelände in Memmingerberg stehen der Firma seit dem Ausbau im letzten Jahr 3000 Quadratmeter Fertigungsfläche und 400 Quadratmeter Bürofläche auf einem Betriebsgelände von rund 11.000 Quadratmetern zur Verfügung. Begonnen hat alles 1997 in gekauften Bürocontainern in Benningen. Damals wurde noch in einem Schwesterbetrieb montiert. Dipl.-Maschinenbauingenieur Manfred Eberhard erinnert sich: »Im April ging es als Einmannbetrieb los. Nach vier Wochen wurde der erste Mitarbeiter eingestellt. Die erste Konstruktion war unser Firmenlogo, die erste Maßnahme die Sicherung der Ematec-Domains für das Internet. Die erste kaufmännische Aktion war der Erwerb einer Kaffeemaschine.« Schon nach drei Monaten hatte Ematec fünf Mitarbeiter. Zum Jahresende 1997 waren es bereits zehn. Die Firmenentwicklung verlief

im Eiltempo. Der erste Aufbagger auf einem MAN-Chassis war ebenso ein Meilenstein wie die Flugzeugberge- und Schleppstangen, Montagekräne, Krananlagen, Handhabungstechnik und Lastaufnahmemittel. Nach fünf Jahren hatte Ematec bereits 19 Mitarbeiter. Nach zehn Jahren wird aus der Einzelfirma eine Aktiengesellschaft, sie zieht nach Memmingerberg in eigene Produktionsräume. 2008 können sich die Mitarbeiter über Genuss-Scheine am Erfolg der AG beteiligen. 2012 werden die Räumlichkeiten großzügig erweitert. Zuletzt kommt sogar noch ein Gesundheitszentrum hinzu. Ematec AG Am Ziegelstadel 3 87766 Memmingerberg Tel. 08331/9487-0 Fax 08331/9487-40 info@ematec.de, www.ematec.de Vorstand: Manfred Eberhard

Die perfekte Kombination von Dreh- und Neigefunktion bringt dem Anwender auch beim Blattanschluss an der Nabe große Vorteile, denn das Blatt kann millimetergenau an die Bohrlöcher für die Befestigungsschrauben angeschlossen werden. Mithilfe von hydraulisch einschwenkbaren Aufhängelaschen kann die Rotorblatt-Traverse sicher und zeitsparend an den Kranhaken angeschlagen werden. Der Anschlag erfolgt über die Fernsteuerung, ein manuelles Eingreifen ist nicht erforderlich. Beim Arbeiten mit der Ematec-Traverse sind die Rotorblätter bestens vor Beschädigungen geschützt. Die Greifplatten sind kardanisch gelagert und passen sich automatisch der Blattkontur an. Die Gummidruckplatten gewährleisten einen stets sicheren Halt, auch bei nasser Witterung. Sie sind licht- und alterungsbeständig und hinterlassen daher keine Greifspuren. Höchste Arbeitssicherheit und Funktionalität bietet die Traverse durch die redundante Ausführung aller technischen Ressourcen bis hin zur Energieversorgung. Der zusätzliche Notfallmotor kann im Bedarfsfall nicht nur über die Funkfernsteuerung, sondern auch per Hand gestartet werden.

Fotos: Ematec

Millimetergenau arbeiten

Das großzügige Firmengelände in Memmingerberg

Die Montagehalle wurde im letzten Jahr erweitert

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Meinung

Wildwuchs am Markt Wolfgang E. Schultz über Energiezukunft allgäuALTERNATIV hat den Kopf der Allgäuer Schultz-Firmengruppe, Wolfgang E. Schultz, gebeten, als Unternehmer mit 2100 Mitarbeitern und als Vordenker in Sachen Energieeffizienz die derzeitigen Entwicklungen im Energiebereich lokal und global zu betrachten und zu kommentieren. Einige aktuelle Aktivitäten kommen dabei nicht gut weg Deutschland ist eine Industrienation. »Made in Germany« ist die Basis unserer Lebensqualität. Ich nehme an, dass wir die halten wollen. Eine Industrienation muss Energie im großen Maßstab erzeugen. Der vielfach zitierte Ansatz, wonach jeder HäusleBauer seinen eigenen Strom auf dem Dach erzeugt, ist unwirtschaftlich. In der Konsequenz logisch wäre, dass jedermann wieder selber Hosen schneidert, Schuhe fertigt und seinen eigenen Käse herstellt. Hosen schneidern kann kaum noch jemand, aber eigenen Strom erzeugen, das kann jeder.

Fotos: Magnet-Schultz

Sicherheit ist wichtig

Wolfgang E. Schultz spricht von Fehlentwicklungen

eine Position baut auf Säulen auf. Da ist einmal das ökonomische Prinzip: »Mit geringst möglichem Aufwand ein maximales Ergebnis erzielen!« Dieses Prinzip ist auch ökologisch stimmig und wirksam. Insbesondere Photovoltaik ist eine schlimme Verletzung des ökonomischen Prinzips, hier wird mit größtem Aufwand das kleinste Ergebnis erzielt. Die 20 Milliarden Photovoltaik-Förderung in Deutschland von 2005 bis 2010 hätten die energetische Sanierung von einer halben Million Wohnungen bezahlt und 250 Millionen Euro für den Kauf von Öl und das damit verbundene CO2 gespart! Die Mieter und das Handwerk hätten viel und nachhaltig davon gehabt, erst recht bei heutigen Ölpreisen! Die viel zitierte Stromkostenexplosion war bereits vor 2010 absehbar und kommt 2018 erst so richtig zum Tragen, wenn Kernkraftwerke abgeschaltet werden, die Netze (vielleicht) verfügbar sind und die Solarpanele ohne Förderung entsorgt und ersetzt werden müss(t)en.

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Dem Straßenverkehr sind seit 1960 in Deutschland etwa 500.000 Menschenleben zum Opfer gefallen, der Kernkraft kein einziges. Sehr viele Maßnahmen haben die Anzahl tödlicher Unfälle von jährlich 15.000 (Stand in West-Deutschland im Jahre 1960 bei deutlich geringerer Verkehrsdichte) auf immer noch bedauerliche 5000 (ganz Deutschland) senken können. Wer Energie aus Biomaterial für »sicher« hält, möge doch bitte die Unfallstatistik der Land- und Forstwirtschaft ansehen. Zur Sicherheit gehört für die Industrienation unbedingt auch die Versorgungssicherheit zu wettbewerbsfähigen Kosten! Unsere Erwartung: »Durchdachte« Lösungen müssen nachhaltig, ressourcenschonend, CO2 -degressiv und wettbewerbsfähig sein. Seit 2009 ist meine Konsequenz: die einzelnen Schritte nach Wirksamkeit zu priorisieren.

Steigerung der Energie-Effizienz • Altbausanierung einschließlich Ersatz alter Heizanlagen spart Gas, Öl, Strom und CO2, steigert die Behaglichkeit und ist in Deutschland darüber hinaus auch beschäftigungsintensiv! • Bereich Neubau: Niedrig-Energie-Häuser, u.a. mit Wärmepumpen und Wärmerückgewinnung, Solarthermie-Dächer, aber keine Photovoltaik-Dächer (abgelegene Hütten einmal ausgenommen). • Weitere Beispiele, zu denen große industrielle Anstrengungen für Energie-Effizienz bekannt sind: Verbrennungsmotoren, Kraft-Wärmekopplung (räum-


Einer der größten Allgäuer Arbeitgeber Magnet-Schultz (MSM) in Memmingen ist eine international dynamische, familiengeführte Firmengruppe mit 2100 Mitarbeitern und Betrieben in Deutschland, der Schweiz, den USA, Großbritannien und Italien. Die Produkte und Dienstleistungen von MSM sollen den Kunden und Mitarbeitern Sicherheit geben. Sorgfältige

liche Nähe und Ausgewogenheit der Verbraucher von Strom und Wärme sind erforderlich). • Schulung des Energiespar-Bewusstseins beim Endverbraucher. • Globale Aufforstung (positive Wirkung auf den CO2- und Wasserhaushalt. Allein im Mittelmeerraum ist ein riesiges und beschäftigungswirksames Potenzial!) • Erneuerbare Energien dort einsetzen, wo sie amortisationsfähig sind. Ich halte es mit folgender Reihenfolge nach Wichtigkeit: Wasserkraft; Geo- und Solarthermie; Holz- und Bio-Abfall (z.B. KWK, ZAK) und Windenergie. • Netzausbau und intelligente Netzsteuerung (die gibt es eigentlich schon lange, sie muss nur, muss nur auf das zusätzliche Angebot eingestellt werden). • Kernkraftwerke weiter betreiben, bis neue Quellen und Netze installiert sind, die die Erwartungen in Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und CO2Einsparung erfüllen und wettbewerbsfähig sind.

Umsetzung im Großen Wir müssen auf eine prioritätengerechte neue Allokation der Fördermittel achten. Auf die Priorisierung aufgebaut wird die zukünftige Energie- und Effizienz-Beratung und -Schulung. Es gilt, Visionen zu fördern, das können sein: die Kern-Fusion, Hochspannungs-Gleichstromübertragung, Supraleitung und Wasserstoffantriebe. Auch bei dieser Priorisierung werden die Kosten steigen, allerdings milder als infolge des Wildwuchses, der seit 2005 geschehen ist. Magnet-Schultz (MSM) konnte 2012 den 100. Geburtstag in Memmingen feiern und geht jetzt in die

Ausbildung, motivierendes Betriebsklima, hohe Investitionen, starke Innovation und Präsenz auf den Weltmärkten erhalten den Spitzenplatz. Wolfgang E. Schultz ist ein bodenständiger Unternehmer mit jahrzehntelanger Erfahrung auf dem internationalen Parkett und trotzdem ein profunder Allgäu-Kenner und -Gönner.

vierte Generation! Auch dieses sehr seltene Ereignis und die sehr hohe Nachfrage nach unseren Ausbildungsplätzen (zur Zeit rund 60 neu pro Jahr) bestätigen eindrucksvoll die Akzeptanz in der Region. Unsere Hightech-Innovationen und Investitionen für elektromagnetische Aktoren und Sensoren sind eine hohe Motivation für qualifizierte Arbeitskräfte. Das Allgäu ist für uns ein guter Standort, weil die vorrangigen Kriterien Arbeitsmarkt, Qualifizierung, Verkehrsanbindung vom hohen Freizeitwert ergänzt werden und unser Produkt nicht transportintensiv ist. Die Personal- und Energiekosten sind auch hier hoch und steigen weiter. Unsere Materialkosten liegen etwa auf internationalem Niveau.

Anstrengungen von MSM Produkte und Dienste: MSM hat bereits 1960 »Gütefaktoren« definiert, nach welchen rohstoff- und energiebewusst nachhaltige, langlebige Produkte entwickelt und qualifiziert werden. Das beachten wir heute mehr denn je und für steigende Ansprüche! MSM verwendet die gängigen und bewährten Technologien energiesparender Betriebe wie z.B. Wärmerückgewinnung und betreibt Recycling. Jährliche Rohstoffbilanzen zeigen erhebliche Fortschritte. Wir untersuchen ein weiteres Kraft-Wärmekopplungsprojekt (wohl wissend, dass wir nur wenig Wärme brauchen). Mit großem Aufwand wurden seit 2000 auch unsere Altbauten wärmeisoliert und Wärmedämmverglasungen eingebaut. Solardächer lehnen wir als Kostentreiber ab. Auch privat haben wir die Wärmeisolierung maximiert und leben energiebewusst.

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Photovoltaik

Das Dach – ein Strom-Esel? Das AÜW-Solarkataster geht online Ist mein Haus für eine Solaranlage zur Stromgewinnung geeignet? Hinter dieser Frage verbirgt sich bislang unerkanntes oder ungenutztes Potenzial für die solare Stromerzeugung auf vielen Dächern von Gebäuden. Per Mausklick stehen demnächst auf den Internetseiten des AÜW und der AllgäuStromKooperation frei zugängliche Informationen darüber zur Verfügung, wie gut sich ein Dach zur Nutzung von Solaranlagen eignet – für alle Dächer im Allgäu ls neuen Beitrag zu Energiewende und Klimaschutz ermöglicht der AllgäuStrom-Partner Allgäuer Überlandwerk (AÜW) im Rahmen des Projektes »Integration regenerativer Energien und Elektromobilität« (IRENE) allen Allgäuerinnen und Allgäuern künftig via »Online-Solar-Kataster« leichten Zugang zu Informationen, ob und wie gut sich ein Dach zur Nutzung von Solaranlagen eignet. Verfügbar wird der neue, kostenfreie Service sowohl auf der Internetseite der AllgäuStrom-Kooperation als auch des AÜW sein. »Viele Dächer von Gebäuden bergen ein bislang ungenutztes Potenzial für die solare Stromerzeugung. Mit dem Online-Solar-Kataster wollen wir Allgäuer Hausbesitzerinnen und Hausbesitzern eine leicht zugängliche Hilfe für eine erste Einschätzung anbieten, ob ihre Dachflächen für eine solare Nutzung in Frage

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kommen«, erklärt AÜW-Geschäftsführer Michael Lucke. »Energiewende und Klimaschutz beginnen vor der eigenen Haustür«, zeigt er sich überzeugt davon, dass der neue Service Hausbesitzer dazu animiert, dabei tatkräftig mitzuwirken. Dass das Potenzial enorm groß ist, ergab die vom AÜW im Rahmen des Projektes »Integration regenerativer Energien und Elektromobilität« (IRENE) in Auftrag gegebene Solarpotenzialanalyse. »Wenn alle geeigneten Dachflächen konsequent mit Solarmodulen bestückt werden würden, könnten wir nach neuesten Analysen zwischen 310 und 500 Gigawattstunden Strom pro Jahr liefern«, rechnet Dr. Michael Fiedeldey, Technischer Leiter des AÜW, vor. »Mit unserem neuen Service möchten wir möglichst viele Hausbesitzer für ein lokales Mitwirken am Klimaschutz gewinnen«, nennt Michael Lucke ein wichtiges Ziel des neuen


Fotos: AÜW, Peter Elgaß

Waren für die Erstellung der Orthofotos – für den Kartengebrauch entzerrte Luftbilder – im Rahmen der Solarpotenzialanalyse im Allgäu unterwegs (v.l.): der Pilot sowie der Operator Mag. Martin Ulz von der Befliegungsfirma Forest Mapping Management zusammen mit Günter Kraus von der Firma RIWA GmbH – Gesellschaft für Geoinformationen und Dr. Michael Fiedeldey, Technischer Leiter des AÜW

Die Solarpotenzialanalyse Methodische Grundlage des Solarkatasters Allgäu ist die Ableitung von diversen geometrischen Daten aus dreidimensionalen Luftbildern der fünf Konzessionsgebiete. Die räumlichen 3D-Luftbilder stammen aus einer Befliegung, die im Zeitraum Juli bis August 2012 im Allgäu stattfand. Über ein spezielles Fernerkundungs- und Vermessungsverfahren werden räumliche Objekte aus ihrer fotografisch festgehaltenen Strahlung rekonstruiert und Ober flächenmodelle erzeugt, die Gebäude, Gelände und Vegetation des Allgäus zeigen. In Verbindung mit der digitalen Flurkarte können so Dachflächen identifiziert und mit ihren spezifischen geometrischen Eigenschaften – insbesondere Lage, Firstausrichtung, Neigung – beschrieben werden. Ein Rechenmodell liefert schließlich die Mittelwerte der

bürgerfreundlichen, Service. Um die mittleren potenziellen Solarerträge errechnen zu können, wurde bereits eine Solarpotenzialanalyse (siehe Kasten oben) für die Gebiete der fünf AllgäuStrom-Partner Allgäuer Kraftwerke GmbH, Allgäuer Überlandwerk GmbH, Energieversorgung Oberstdorf GmbH, Energieversorgung Oy-Kressen eG sowie Energiegenossenschaft eG Mittelberg durchgeführt. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse wurden übersichtlich in drei Ertragskategorien klassifiziert und werden spätestens Mitte März 2013 im Internet veröffentlicht. Sie teilen sich auf in sehr gute Solareignung der Dachflächen (über 95 Prozent der maximal möglichen Einstrahlung), gute Solareignung der Dachflächen (90 bis 95 Prozent der maximal möglichen Einstrahlung) und bedingt geeignete Solareignung der Dachflächen (80 bis 90 Prozent der maximal

potenziellen Solarerträge, die sich aus den gesammelten Eigenschaften jeder Dachfläche ergeben. Der optimierte Rechenprozess berücksichtigt nur Solarpotenzialwerte für Gesamtdachflächen über zwölf Quadratmeter. Kleine Nebengebäude wie Gartenhäuschen, Schuppen oder Carports, die für Solaranlagen wenig geeignet sind, werden nicht berechnet. Da die maximal mögliche Einstrahlung je nach geografischer Lage variieren kann, wurde für jede Gemeinde ein eigener Wert ermittelt. Die Einteilung muss daher immer im Bezug zu diesem Wert gesehen werden, für Kempten ergeben sich beispielsweise 1340,5 kWh/pro Quadratmeter und Jahr. Selbstverständlich wurden alle möglichen nach Tages- und Jahreszeit variablen Verschattungen durch Geländeformationen, Vegetation oder Bebauung berücksichtigt.

Oben: die Technik im Inneren des Flugzeuges

möglichen Einstrahlung). So können Hausbesitzer leicht feststellen, ob ihre Dachflächen grundsätzlich für die solare Nutzung geeignet sind. »Berücksichtigt werden Ausrichtung und Neigung der Dachfläche sowie deren Verschattung durch Nachbargebäude, Masten, Bäume oder Böschungen. Eine Rolle spielen außerdem die Geländeformen, der tageszeitabhängige Sonnenverlauf mit seiner variablen Strahlungsintensität sowie klimatische Basisdaten für unsere Region«, erläutert der Technische Leiter des AÜW. »In der Solarpotenzialanalyse nicht erfasst sind die Statik und der Zustand der Dächer«, so Dr. Fiedeldey. Die gesammelten, zusammengefassten und optisch aufbereiteten Erkenntnisse der fünf Konzessionsgebiete der AllgäuStrom-Partner »sollen Allgäuer Hausbesitzerinnen und Hausbesitzern eine erste unverbindliche Orientierung geben, ob sich ihre

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Photovoltaik Dächer grundlegend für Solarenergie eignen. Sie ersetzen jedoch nicht die individuelle Beratung und Analyse durch Fachleute«, ergänzt AÜW-Geschäftsführer Lucke. Innerhalb des Projektes IRENE erforscht das AÜW zusammen mit Partnern, wie erneuerbare Energien, Stromverbrauch und der Einsatz von Elektromobilität in einem Smart Grid – intelligente Stromnetze, denen für die sichere Energiezukunft des Allgäus eine entscheidende Rolle zukommt – abgestimmt werden können. Das Projekt IRENE wird vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert und hat eine Laufzeit von zwei Jahren.

Ist dieses Dach voll ausgelastet?

Datenschutz wird beachtet »Veröffentlicht werden lediglich entsprechend farblich markierte Gebäudeansichten, die ausschließlich zur privaten Information der Allgäuerinnen und Allgäuer gedacht sind. Es sind keine Personen, Kraftfahrzeugkennzeichen, Hausnummern oder Ähnliches erkennbar, die Rückschlüsse auf individuelle Eigenschaften ermöglichen würden«, macht Lucke deutlich. »Eine kommerzielle Nutzung der Daten wird nicht gestattet.«

Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer, die die Solareignung ihrer Dachflächen nicht im Internet publiziert haben möchten, konnten bereits seit einigen Wochen schriftlich Widerspruch einlegen und können das auch weiter tun. »Dann wird das Haus im Kataster verdunkelt und ist somit nicht mehr sichtbar«, erklärt Lucke. »Die Möglichkeit zum Widerspruch besteht im Übrigen nicht nur vorab, sondern während der gesamten Veröffentlichungsdauer.« Ein entsprechendes Formular steht als Download bereit unter www.allgeaustrom.de oder www.auew.de

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Wasserkraft

Das Generationenprojekt Eine unendliche Genehmigungs-Geschichte Die Staustufe bei Türkheim: Über fünfzig Jahre liegen die ersten Planungen zurück

Windkraft-Gegner führen als Alternative oft den weiteren Ausbau der Wasserkraft ins Feld. Allerdings ist der Ausbau der Wasserkraft im Gegensatz zur Windkraft nicht »privilegiert«. Was das im schlimmsten Fall bedeutet, zeigt das Beispiel eines Wasserkraftwerks an der Wertach bei Türkheim ie Idee zur Errichtung einer Wasserkraftanlage zur Gewinnung von acht Millionen Kilowattstunden Strom an einem bestehenden Wasserfall im Markt Türkheim im Unterallgäu hatte bereits 1960 der Vater von Alois Ruf. Im Zuge der dem Hochwasserschutz dienenden Flussbegradigung wurde nördlich von Türkheim an der Wertach eine sechs Meter hohe Staustufe erbaut. Damals kaufte Rufs Vater die Anliegergrundstücke auf und erstellte eine erste Planung für ein Wasserkraftwerk, die er bei der zuständigen Behörde, dem bayerischen Wirtschaftsministerium, als Voranfrage einreichte. Eine Stimme zu wenig im Marktrat machte die Pläne zunichte. Ruf Senior sollte eine »energierechtliche Freigabe« beibringen, die belegen sollte, dass sich das Kraftwerk wirtschaftlich rechnet. Nach langen und zähen Verhandlungen mit den Lechwerken einigte man sich im Jahre 1972 auf einen niedrigen Preis von ca. 1,5 Pfennig pro Kilowattstunde (kWh). Das war dem Ministerium zu wenig. Die Genehmigung wurde nicht erteilt.

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Nach dem Tod von Ruf Senior im Jahre 1974 führte der Sohn das Verfahren fort. Die allgemeine Situation der Wasserkraftstromerzeuger verbesserte sich nach der ersten Energiekrise im Jahre 1973 deutlich. Grund für einen neuen Genehmigungs-Anlauf. Zum neuen Antrag mussten neue kostspielige Gutachten angefertigt werden. Das Landratsamt drohte Alois Ruf 1976 mit einer endgültigen Ablehnung. Der Marktgemeinderat Türkheim befürchtete Ungezieferbefall in dem stehenden Wasser sowie Hochwassergefahr. Das Landratsamt wollte nicht über die Bedenken des Marktrates hinweggehen. Ruf zog seinen Antrag zurück, nachdem auch noch selten auftretende Orchideenarten und brütende Eisvögel von den Gegnern entdeckt worden waren. Als 1986 der Unfall im Atomkraftwerk Tschernobyl Teile Europas verstrahlte, gewannen die erneuerbaren Energien an Bedeutung. Ruf packte seine Pläne wieder aus. Er gewann sogar den damals amtierenden Landrat Hermann Haisch für das Projekt. Dennoch war die Marktgemeinde Türkheim von dem Vorhaben


Wasserkraftnutzung an der Wertach Ort

Fallhöhe

Durchfluss

Leistung

Betreiber

Inningen[1]

2600 kW

BEW

Bobingen[1)

2600 kW

BEW

Großaitingen

2400 kW

BEW

Mittelstetten

2400 kW

BEW

Schwabmünchen

2600 kW

BEW

Hiltenfingener Wehr

900 kW[2]

Siebnacher Wehr

2060 kW[2]

Ettringen, unteres Wehr (Lang Papier)

800 kW[2]

Ettringen, oberes Wehr

407 kW

Türkheim, unteres Wehr

1150 kW

LEW

Wehr bei Waltermühle Türkheim ohne Wasserkraftnutzung Seitenkanal Mühlbach, Abzweigung am Irsinger Wehr

504 kW

Irsinger Wehr ohne Wasserkraftnutzung Irsingener See

1700 kW[3]

Stadtwerke Bad Wörishofen

Bingstetter See Wasserkraftwerk Frankenhofen (Frankenhofner See)

7,22 m

12,5 m³/s

750 kW + 750 kW

VWEW

Wasserkraftwerk Schlingen (Schlingener See)

6,60 m

12 m³/s

620 kW + 620 kW

VWEW

Ingenrieder Wehr

2,50 – 3,30 m

13 m³/s

310 kW

Wasserkraftwerk Leinau (Seitenkanal)

6,87 m

14 m³/s

796 kW[4]

VWEW

Seitenkanal Mühlbach in Kaufbeuren

9 m³/s

diverse

Privat

Hirschzeller Wehr in Kaufbeuren (Mühlbach-Abzweig)

ca 0,5 m³/s

Fotos: Alois Ruf

Leinauer Wehr in Kaufbeuren

Kraftwerk Hirschzell (Bärensee)

7,66 m

12,5 m³/s

765 kW + 765 kW

VWEW

Kraftwerk Biessenhofen (Bachtelsee)

9,33 m

12,5 m³/s

920 kW + 920 kW[4]

VWEW

Wasserkraftwerk Ebenhofen

6,20 m

12 m³/s

500 kW

VWEW

Grüntensee

18 m

5,25 m³/s + 5,25 m³/s

520 kW + 520 kW

WWA Kempten

nicht zu überzeugen. Die alten Ängste vor Hochwasser und einer Verschlechterung der Lebensqualität wurden wieder geäußert. Der Landrat war jedoch um eine Kompromisslösung bemüht und empfahl Ruf, die Stauhöhe derart zu verändern, dass nur sechs Millionen kWh Stromleistung anstelle der zuvor geplanten acht erzeugt werden konnten. Dank dieser Senkung konnte der Landrat die Genehmigung trotz der vehement dagegen kämpfenden Kommune erteilen. Durch die geplante Änderung ergaben sich zusätzliche Kosten für aufwendige Gutachten. Zwei Personalwechsel in der juristischen Abteilung des Landratsamtes führten zu weiteren Verfahrensverzögerungen. Der Planfeststellungsbeschluss wurde schließlich im Jahre 1991 gefasst. Seit der ersten Projektidee bis zu diesem Moment waren insgesamt 31 Jahre verstrichen. In den Jahren 1993 bis 1995 erfolgten der Bau der Wasserkraftanlage und deren Anschluss an das öffentliche Versorgungsnetz. Das Projekt wurde ausschließlich über Fremdkapital finanziert.

Inzwischen gehört die Wasserkraftanlage zum Ortsbild Türkheims. Die umgebaute Wehranlage erhöht die Abflussmöglichkeit im Hochwasserfall um ein Drittel, was sich besonders bemerkbar machte, als im Jahre 1999 das »300jährige Hochwasser« Türkheim heimsuchte. Außerdem hatte bis zum Bau des Wasserkraftwerks das alte, sechs Meter hoch stauende Betonwehr die Fischwanderung verhindert. Nach dem Bau des neuen Kraftwerkes entstand der erste naturnahe Fischpass mit einem Durchfluss von 100 Litern pro Sekunde als Umgehungsgewässer. Im Nachhinein betrachtet Alois Ruf die »energierechtliche Freigabe« nach dem Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) als größtes zu bezwingendes Hemmnis. Der Kraftwerksbetreiber hat im letzten Jahr beantragt, alle Reserven zu aktivieren, die in der Anlage stecken. Ohne bauliche Veränderungen könnten bei einer Erhöhung der Stauhöhe um 60 Zentimeter rund zehn Prozent (600.000 kWh) Strom mehr erzeugt werden. Und wieder gibt es Proteste, diesmal auch aus dem nahen Gewerbegebiet an der Ettringer Straße.

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Wasserkraft

Neuregelung des Wasserrechts Zum 1. März 2010 erfuhr das Wasserrecht eine gesetzliche Neuregelung. Für die Nutzung der Wasserkraft ist insbesondere die Erweiterung der Vorschriften über die Bewirtschaftung oberirdischer Gewässer relevant. Nach § 33 WHG (Wasserhaushaltsgesetz) ist das Aufstauen, Entnehmen und Ableiten von Wasser nur zulässig, wenn eine ausreichende Mindestwasserführung gewährleistet wird. Gemäß § 34 WHG darf die Errichtung, wesentliche Änderung oder der Betrieb einer Stauanlage nur zu-

Alois Ruf würde gerne noch etwas mehr Energie »ernten«, aber die Genehmigungen lassen auf sich warten

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Dort fürchtet man Nachteile bei Hochwasser. Ruf kann das nicht verstehen. Er führt ins Feld, dass sich die Wertach inzwischen im betroffenen Bereich um etwa einen Meter eingetieft habe und deshalb keine Nachteile für die Bedenkenträger entstehen könnten. Diesmal steht der Genehmigungsbehörde mit Landrat Hans Joachim Weirather ein ausgewiesener Fachmann vor. Er war davor Leiter des Wasserwirtschaftsamtes in Kempten. Und Weihrather macht klar, dass diesmal nur eine beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis nötig ist, also ein verhältnismäßig wenig aufwendiges Verfahren. Man könne sogar eine probeweise Stauziel-

gelassen werden, wenn die Durchgängigkeit des Gewässers erhalten oder wiederhergestellt wird, soweit dies für die Bewirtschaftungsziele des Gewässers er forderlich ist. § 35 WHG konkretisiert die ökologischen Anforderungen an Wasserkraftanlagen. Eine Nutzung darf demnach nur zugelassen werden, wenn auch geeignete Maßnahmen zum Schutz der Fischpopulation ergriffen werden. Damit soll sichergestellt werden, dass Fische bei ihrer Wanderung grundsätzlich unbeschadet an der Wasserkraftanlage vorbeikommen.

erhöhung ins Auge fassen, die jederzeit zu widerrufen wäre, wenn sich irgendwo daraus Nachteile ergeben. Nach wie vor wehren sich aber die Nachbarn. Eine Entscheidung steht noch aus. Alois Ruf ist auch Mitinhaber einer neuen Wasserkraftanlage in Füssen am Lech. Dort dauerte der Kampf um die Genehmigung lediglich fünf Jahre – im Vergleich zur Türkheimer Anlage eine Rekordzeit. Das neue Wasserkraftwerk soll mit 20 Millionen kWh die doppelte Versorgungsleistung seines Vorgängers generieren und ermöglicht durch seine Bauweise, dass der Lechfall immer im Fluss bleibt.


Regionales

Bier aus Oberschwaben Aus Überzeugung regional und klimaneutral

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ebraut mit der Kraft der Sonne« – unter diesem Label haben sich einige bayerische Brauereien zusammengeschlossen, umweltund klimaschonend Bier herzustellen und zu verkaufen. Eine gute Idee. 2010 bot ein pfiffiger Pizzeria-Besitzer im Norden Siziliens das Solar-Bier einer fränkischen Brauerei an. Ein absoluter Renner bei den jungen Leuten und bei den Urlaubern auf der Insel. Aber: fränkisches Bier, gebraut nach dem bayerischen Reinheitsgebot unter Beachtung aller denkbaren umweltund klimaschonenden Grundsätze, auf Sizilien? Geht da nicht jeder gute Vorsatz wieder flöten? Eine Frage, die sich Geschäftsführer Gottfried Härle von der Brauerei Härle in Leutkirch nicht stellen muss. Denn ein Merkmal der Traditionsbrauerei ist die Bodenständigkeit. Die zehn unterschiedlichen HärleBiere werden weder nach Hamburg noch nach Amerika oder Sizilien geliefert. Sie werden in der Region vertrieben. Gebraut in Oberschwaben, getrunken im ganzen Allgäu. Diesem Grundsatz haben sich natürlich noch andere Allgäuer Brauereien verschrieben, und darauf sind wir Allgäuer auch stolz. Bei Härle in Leutkirch geht man aber noch einen großen Schritt weiter: Seit 2009 setzt Härle in seiner Brauerei ausschließlich erneuerbare Energieträger ein – also Holzhackschnitzel aus der Region und Strom aus Wasserkraft, Wind, Biomasse und Sonne. Die Leutkircher sind damit die erste Brauerei in Deutschland, die ihre Biere zu 100 Prozent klimaneutral herstellt und vertreibt. Der betriebliche Frischwasserbedarf wurde auf ein Minimum reduziert. Alle Zulieferungen kommen aus nächster Nähe, die Braugerste zum Beispiel ausschließlich aus Oberschwaben.

Den notwendigen Strom beziehen die Brauer in Leutkirch von der grünen LichtBlick AG, und zwölf Prozent des Bedarfs werden aus drei PhotovoltaikAnlagen auf den eigenen Dächern erzeugt. Auf der Homepage der Brauerei erfahren die Kunden nicht nur, dass in Leutkirch hervorragende Biere gebraut werden, sondern auch, dass seit 1896 in vier Generationen »Brauerei-Leidenschaft« gelebt wurde und wird. Unter dem Stichwort »Umweltmanagement« lernen die Besucher der Internet-Seite zudem, dass erste Schritte in Sachen Umwelt bereits 1991 unternommen wurden. Fast kein Jahr verging ohne Investitionen in Qualität und Umweltbewusstsein. Kein Wunder, dass sich Gottfried Härle seit 2010 »über einen wahren Preisregen« freuen darf: Beim Deutschen Nachhaltigskeits-Preis in Düsseldorf kam Härle unter die drei Besten. In Stuttgart wurde der Brauerei der »Umweltpreis für Unternehmen – Kategorie Handwerk« des Landes Baden-Württemberg verliehen. Und dann folgte in Erfurt der »Förderpreis nachhaltiger Mittelstand«, den die EthikBank zusammen mit den Volks- und Raiffeisenbanken alle zwei Jahre vergibt. Produkte der Brauerei Härle wird man auch zukünftig – schon wegen der CO2-trächtigen Lieferwege – vergeblich auf Sizilien suchen. »Darauf zu verzichten fällt nicht schwer, wenn man in einem so schönen Landstrich wie dem Allgäu leben und Bier brauen darf«, weiß Gottfried Härle. Und er beweist, dass das keine leeren Worte sind: Die Brauerei Härle beteiligte sich finanziell an der Gestaltung einer Ausstellung zur Erhaltung der Adelegg, spendete Geld für den Ankauf einer Biotopfläche bei Adrazhofen und unterstützt die Stiftung Kulturlandschaft Günztal.

Fotos: Richard Mayer, Brauerei Härle

Auszeichnung für Nachhaltigkeit: Gottfried Härle (ganz rechts) zusammen mit anderen Preisträgern

Gottfried Härle ist stolz darauf, im Allgäu Bier brauen zu dürfen. Seine Biere sind nicht für den Export gedacht. Kurze Transportwege, lokale Märkte, klimaneutrale Produktion und ganzheitliches Umweltmanagement liegen ihm und seinen 30 Mitarbeitern am Herzen. In Anbetracht von Pferdefleisch-Skandalen und globalen Lebensmittel-Mauscheleien ein Lichtblick – besonders für qualitätsbewusste regionale Verbraucher

Ganz oben das aktuelle Logo der Brauerei, darunter ein früheres Werbeschild und unten ein Hinweis auf betriebsnahe Felder

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energy award

Das stolze Scheidegger KlimaTeam bei der Verleihung des Energy Award lässt sich mit dem Minister fotografieren

Klimaschutz mit System Mustergültige Energiepolitik in Scheidegg Sieben Allgäuer Kommunen sind bislang mit dem European Energy Award für ihre Energie- und Klimaschutzaktivitäten ausgezeichnet worden, Scheidegg ist eine davon. Durch die Teilnahme an diesem Programm und den Austausch mit anderen beteiligten Kommunen ist seine Gemeinde vor teurem und unkoordiniertem Aktionismus bewahrt worden, glaubt Bürgermeister Ulrich Pfanner

er Aufwand, findet Bürgermeister Ulrich Pfanner, hat sich auf jeden Fall gelohnt. Nicht nur, weil am Ortseingang auf Schildern mit der Auszeichnung geworben werden kann und die »European Energy Award«-Urkunde im Scheidegger Rathaus hängt. Als Beweis dafür, dass die Westallgäuer Marktgemeinde besondere Erfolge beim Thema Energiesparen und Klimaschutz vorzuweisen hat. Der European Energy Award (eea), so Pfanner, habe mit seinem Qualitätsmanagementsystem und Zertifizierungsverfahren, bei dem die Energie- und Klimaschutzaktivitäten der Kommune erfasst, bewertet, geplant, gesteuert und regelmäßig überprüft werden, die Gemeinde bei ihren Bemühungen um eine

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nachhaltige Energiepolitik deutlich vorangebracht. »Maßnahmen ergreifen, das Ganze bestätigen lassen und das Monitoring im Zuge der eea-Zertifizierung fortführen – dadurch bleibt der Prozess im Gang«, hat der Scheidegger Bürgermeister festgestellt und weist auf einen weiteren positiven Aspekt hin: »Unsere energiepolitischen Bemühungen sind in diesem Zuge dokumentiert worden und verschwinden nicht einfach im Informationsnirwana.« Angesichts der positiven Erfahrungen kann Pfanner anderen Gemeinden nur dazu raten, denselben Weg einzuschlagen und sich am eea-Verfahren zu beteiligen – zum Wohle der Gemeinde und ihrer Bürger, aber auch, um das große Ganze voranzubrin-


Fotos: eza! und Viola Elgaß

gen. »Jede Kommune muss in ihrem Verantwortungsbereich aktiv werden«, findet Pfanner. »Nur so kann die Energiewende gelingen.« Scheidegg ist neben Wasserburg, Wildpoldsried, Pfronten, Sonthofen, Bad Grönenbach und Kempten eine von sieben Allgäuer Kommunen, denen bislang der European Energy Award verliehen wurde. Deutschlandweit nehmen mehr als 250 Städte und Gemeinden an dem Programm teil. Am Anfang steht dabei die Analyse des Ist-Zustandes, die Frage also, welche Energie- und Klimaschutzprojekte bereits realisiert wurden. Die Ergebnisse fließen in ein StärkeSchwäche-Profil ein. Noch nicht ausgeschöpfte Potenziale der Kommunen können identifiziert und Prioritäten definiert werden. In Scheidegg wie auch in den anderen teilnehmenden Allgäuer Gemeinden wurden dafür Energieteams gegründet als Entwicklungszentralen und Motoren der energiepolitischen Programmarbeit in der Kommune. Sie bestehen aus Mitarbeitern der Gemeindeverwaltung, Mitgliedern des Gemeinderates, aber auch aus engagierten und interessierten Bürgern. Unterstützt werden die Energieteams von Experten des Energie- und Umweltzentrums Allgäu (eza!), so auch in Scheidegg. Die Begleitung von zertifizierten eea-Beratungsstellen, zu denen eza! zählt, ist sogar zwingend vorgeschrieben. »Ohne Hilfe seitens der Fachleute wäre es auch nicht gegangen«, betont Jürgen Hörmann, Leiter des Scheidegger Energieteams und des Hauptamtes im Markt Scheidegg. Dr. Thorsten Böhm von eza!, der die Gemeinde Scheidegg im eea-Verfahren begleitet, beschreibt seinen Beitrag als »Hilfe zur Selbsthilfe«. Unter anderem unterstützte er das Energieteam dabei, auf der Grundlage der Ist-Analyse ein Energie-Leitbild und ein Aktivitätenprogramm zu entwickeln, das es anschließend umzusetzen galt. Im Bereich Mobilität, einem von sechs zu bewertenden Analysefeldern, war Scheidegg mit einem gut ausgebauten öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sowie zahlreichen Rad- und Wanderwegen ohnehin »gut aufgestellt« (Böhm). »Das ist typisch für einen Fremdenverkehrsort«, erklärt Böhm. Dafür herrschte in anderen Sektoren Nachholbedarf, wie die Potenzialanalyse ergab. Größtes Projekt, das zur Aufbesserung der CO2Bilanz in Angriff genommen wurde, war der Bau eines Hackschnitzelheizwerks. Die Anlage mit einer Leistung von 3,4 Megawatt versorgt über ein 3,5 Kilometer langes Leitungsnetz mehrere Kurkliniken sowie Firmen und kommunale Gebäude mit Fernwärme. Als weitere Maßnahme setzte man mithilfe eines Punktesystems im Neubaugebiet »Hitzenbühl« Anreize für energieoptimiertes Bauen. Außerdem konnte dank eines effektiven Energiemanagements der Energieverbrauch in den kommunalen Gebäuden deutlich reduziert werden, in der Scheidegger Schule wurden gar 30

Zwei Klima-Förderer feiern den Erfolg: Umweltminister Marcel Huber (l.) und Bürgermeister Ulrich Pfanner aus Scheidegg im Welstallgäu

Die Menschen im Ort haben gemeinsam ein Ziel verfolgt. Scheidegg bekam den Energy Award

European Energy Award Der European Energy Award (eea) ist ein europäisches Qualitätsmanagement zur nachhaltigen Umsetzung der kommunalen Energie- und Klimaschutzplanung. Im Rahmen des eea-Verfahrens beraten und begleiten Fachleute – im Allgäu von eza! – die Städte, Gemeinden und Landkreise bei der Planung und Realisierung von energieund klimaschutzpolitischen Zielen und Maßnahmen. • Kommunen, die durch den effizienten Umgang mit Energie und die verstärkte Nutzung von erneuerbaren Energieträgern eine bestimmte Punktzahl erreichen, winkt die Auszeichnung mit dem European Energy Award. • Über 1000 Landkreise, Städte und Gemeinden nehmen in ganz Europa am eea teil. • Mehr als 250 Landkreise, Städte und Gemeinden nehmen in Deutschland am eea teil. • Die Teilnahme am eea wird vom bayerischen Umweltministerium im Rahmen des CO2-Minderungsprogramms gefördert. Der Freistaat übernimmt 40 Prozent der anfallenden externen Kosten (Beratung und Lizenzkosten). • Infos unter www.eza-klimaschutz.de

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energy award Die Grafik rechts hält fest, auf welchen Gebieten Scheidegg bereits über den geforderten Kriterien für den Energy Award liegt und wo noch Nachholbedarf ist. Im Schnitt müssen es über 50 Prozent sein. Fotos unten: Projekte in Scheidegg, die zum Erreichen des Zieles beitrugen – das energieoptimierte Kurhaus, das Hackschnitzelheizwerk und Einsparungen im Verbrauch durch technische Verbesserungen

Prozent weniger Strom verbraucht. Gleichzeitig vermietet die Gemeinde mehrere Dächer von kommunalen Gebäuden für die Erzeugung von Solarstrom. »Scheidegg hat seine Hausaufgaben zu einem Großteil erledigt«, sagt Bürgermeister Pfanner, schränkt aber gleich im nächsten Atemzug ein, man wolle sich keinesfalls auf den Lorbeeren der eea-Auszeichnung ausruhen. Und dass sich die Vertreter der mit dem European Energy Award ausgezeichneten Kommunen zurücklehnen, soll auch unbedingt verhindert werden – unter anderem durch ein externes Reaudit, das alle drei Jahre ansteht. Zudem baut Böhm auf den Ehrgeiz der Allgäuer eea-Gemeinden. Denn es gibt noch eine Steigerung: den European Energy Award in Gold, und für den sind die Vorgaben nochmals deutlich höher. Statt 50 Prozent der möglichen Punkte müssen dafür 75 Prozent erreicht und das Ergebnis muss durch ein externes Audit wiederum bestätigt werden. Böhm bezeichnet den European Energy Award als »freundschaftlichen Wettbewerb« unter den Gemeinden, bei dem es aber nicht in erster Linie darum gehe, den anderen hinter sich zu lassen, sondern sich gegenseitig zu befruchten. Der Austausch und das Lernen vom anderen, das Abschauen voneinander sind ausdrücklich erwünscht und in Böhms Augen Kernstück des European Energy Award. »Es soll nicht jede Gemeinde das Rad neu erfinden«, betont der eza!-Experte. Deshalb seien die regelmäßigen Treffen der verschiedenen Energieteams aus den Gemeinden und jährliche gemeinsame Exkursionen, die eza! organisiert, so wichtig. 36

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Im September 2007 fand in Scheidegg die Auftaktsitzung zur Teilnahme am European-EnergyAward-Wettbewerb statt, im Herbst 2012 überreichten Bayerns Umweltminister Marcel Huber und Thomas Kreuzer, Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, Scheideggs Bürgermeister Ulrich Pfanner im Rahmen eines Festabends die eea-Urkunde. Das Beispiel der Westallgäuer Gemeinde zeigt, dass es sich beim European Energy Award keineswegs um ein Gütesiegel handelt, das im Schnellverfahren erworben wird. Strategisches Handeln und Nachhaltigkeit stehen im Vordergrund. So soll bis 2020 der Strombedarf in Scheidegg zu 100 Prozent aus regenerativen Energiequellen gedeckt und der CO2-Ausstoß um 30 Prozent gesenkt werden, heißt es im energiepolitischen Leitbild der Gemeinde, das im Zuge des eea-Prozesses erstellt wurde. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, wird unter anderem der Bau eines Windparks im deutsch-österreichischen Grenzgebiet forciert, mit dem Bürgermeister Ulrich Pfanner als treibender Kraft – für einen Tourismusort ein ungewöhnliches Bestreben. Auch Scheidegg und seine Bürger müssten eben ihren Beitrag zur Energiewende leisten, betont Pfanner. Auf dem Weg dorthin, sagt der Rathauschef, könne die Teilnahme am European Energy Award einer Kommune wichtige Impulse geben und auch helfen, Fehler zu vermeiden. Der eea-Prozess mit der detaillierten Bestandsaufnahme und einem gut durchdachten Maßnahmenkatalog, glaubt Ulrich Pfanner, »hat den Markt Scheidegg wohl vor teurem und unkoordiniertem Aktionismus bewahrt.« Roland Wiedemann


Haustechnik

Mit Hybrid-Heizung sparen Solar mit Holz und Öl gekoppelt im Altbau Die außergewöhnliche Architektur des Hauses erhalten und trotzdem Energie sparen – unter diesem Motto kaufte und modernisierte Familie Dimar im oberschwäbischen Laupertshausen ein 37 Jahre altes Einfamilienhaus. Ein Bericht über ein ganzheitliches Sanierungskonzept, bei dem Öl als Energieträger nicht komplett aus dem Konzept verbannt wurde

ls wir uns für das Haus entschieden haben, stand bereits fest, dass eine energetische Sanierung nötig ist«, erzählt Dr. Waldemar Dimar. »Ursprünglich wollten wir nur die Heizung erneuern. Nach Gesprächen mit Energieberater und Architekt haben wir uns dann aber doch für das Komplettpaket entschieden.« Innerhalb von nur sechs Monaten waren alle Maßnahmen von der Heizungserneuerung bis zur Gebäudedämmung abgeschlossen. »Dadurch ist unser Energiebedarf um mehr als drei Viertel gesunken«, freut sich der Bauherr. Herzstück der Sanierung ist die neue HybridHeizung: Die Kombination aus Öl-Brennwertheizung, Solarthermieanlage und einem ins Heizsystem eingebundenen Holz-Kamin verteilt die Wärmeversorgung auf mehrere Säulen. In der warmen Jahreszeit übernimmt die Sonne die Warmwasserbereitung, in den Übergangsmonaten unterstützt sie zusätzlich die Raumheizung. Der Holzkaminofen gibt etwa ein Drittel der Wärme direkt an den Wohnraum ab, der Rest wird über einen Wärmetauscher in das Heizsystem eingespeist. Erst, wenn Solaranlage und Kaminofen den Wärmebedarf nicht mehr decken können, schaltet sich automatisch das Öl-Brennwertgerät hinzu. In einem zentralen, 990 Liter fassenden Pufferspeicher wird die Wärme aus allen Quellen bevorratet und verteilt. Neben der Heiztechnik wurde auch die Gebäudehülle verbessert: Eine 16 Zentimeter starke Außen-

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wanddämmung, eine 28 Zentimeter dicke Dämmschicht im Dach sowie eine zwölf Zentimeter hohe Dämmung der Kellerdecke sorgen dafür, dass nur wenig Wärme nach außen entweicht. Auch die neuen Fenster mit Drei-Scheiben-Wärmeschutzverglasung sowie eine neue Haustür halten die Wärme im Haus. Für die gesamte Investition von knapp 200.000 Euro hat die Familie Dimar neben staatlichen Fördermitteln auch einen Zuschuss der »Aktion EnergieGewinner« des Instituts für Wärme und Oeltechnik (IWO) einplanen können. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Nach der Komplettsanierung verbraucht das Haus nur noch rund 1600 Liter Heizöl pro Jahr – und das bei einer Wohnfläche von 180 Quadratmetern. Vom Energieverschwender zum Energie-Musterhaus – das umfassend sanierte Haus der Familie Dimar mit effizienter Heiztechnik, verbesserter Dämmung an Fassade, Dach und Keller sowie neuen Fenstern und Türen

Zuschuss von Öl-Heizern Vorbildliche Sanierungen in älteren ölbeheizten Häusern fördert das Institut für Wärme und Oeltechnik (IWO) im Rahmen der »Aktion Energie-Gewinner« – wenn dabei nicht ganz auf die Ölheizung verzichtet wird. So auch bei Fotos: IWO

Familie Dimar Laupertshausen, deren Sanierung das IWO mit 14.972 Euro gefördert hat. IWO-Projektleiter Christian Halper: »Vielen

Ölheizern ist nicht bewusst, dass mit effizienter Öl-Brennwerttechnik auch ein Altbau zu einem Niedrigenergiehaus werden kann.« Interessierte Hausbesitzer können sich bis Ende 2014 mit ihrem Sanierungsvorhaben als »Energie-Gewinner« bewerben. Weitere Infos, detaillierte Beispielberechnungen und Bewerbungsunterlagen der Aktion sind im Internet unter www.oelheizung.info/ energiegewinner zu finden.

Die Haussanierung der Dimars wurde vom IWO bezuschusst

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eza!-Partner

Das Vorbild-Netzwerk Was die eza!-Partner alles können Fotos: Felkner, Müller/Schurr, Solux, Archiv

Als im Herbst 2002 das eza!-Partner-Netzwerk für energieeffizientes Bauen und Sanieren mit Allgäuer Firmen gegründet wurde, war das ein Novum in Deutschland. Zehn Jahre später genießt das Netzwerk mit derzeit 134 Partner-Betrieben immer noch deutschlandweit Vorbildcharakter als gewerkeübergreifende Informationsplattform. allgäuALTERNATIV stellt in lockerer Folge unterschiedliche eza!-Partner, ihre Stärken und ihre Arbeitsgebiete vor

Strahlende Gesichter bei der Jubiläums-Veranstaltung im Kornhaus Kempten

Architekt Felkner

Michael Felkner

Info: Dipl.-Ing.Univ. Michael Felkner Architekt und Stadtplaner Architekturbüro Michael Felkner Niedersonthofener Straße 8 87448 WaltenhofenOberdorf Tel. 08379/7468 Fax 08379/7121 felkner@architekt-felkner.de www.architekt-felkner.de www.allgaeu-haus.de www.allgaeuer-mondholz.de www.der-ritterhof.de

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Das Architekturbüro Michael Felkner hat sich bereits um das Thema Energie, Energieeffizienz, Ökologie bemüht, bevor es eza! gab. Felkner: »Wir waren Mitglied in den Arbeitsgruppen Passivhaus und Ökologie, die vor 15 Jahren entstanden sind, und wir haben die ersten Passivhäuser im Allgäu gebaut. eza! profitiert einerseits von unserer Mitgliedschaft, da ich auch aktiv in der Fortbildung bei eza! tätig bin, und andererseits profitieren wir von der Öffentlichkeitsarbeit von eza!« Der Architekt aus Waltenhofen hält im gesamten deutschsprachigen Raum Vorträge. Dabei bekommt er immer wieder die Rückmeldung, dass im Allgäu wohl alles anders ist. Vor allem, was das Thema des energieeffizienten Bauens anbelangt. »Hier im Allgäu haben sich nur wenige meiner Kollegen diesem Thema verschrieben. Dennoch können wir als 'Leithammel' dieser Entwicklung davon leben, dass wir keine normalen rückständigen Bauwerke mehr planen müssen – wer zu uns kommt, der denkt zukunftsgerichtet.« 1998 begann Felkner mit der energetischen Sanierung des eigenen

ehemaligen Bauernhofes und setzte damit Zeichen, die 2007 mit der Verleihung des KfW-Energieeffizienzpreises (1. Platz) gewürdigt wurden. Vor einem Jahr hat Felkner das Alpseehaus mit der NaturkundeAusstellung im Immenstädter Ortsteil Bühl fertig gestellt (www.alpseehaus.de). Es ist ähnlich innovativ in punkto Energie und Ökologie wie vor fünf Jahren das Gemeindezentrum in Ludesch auf Vorarlberger Seite. »Das hat uns viel Lob unserer Vorarlberger Kollegen eingebracht. Leider wird dieses Leuchtturmpro-

jekt von der Allgäuer Politprominenz – egal welcher Couleur – (noch) nicht als solches erkannt«, sagt er. Im Westallgäu saniert Felkner gerade eine denkmalgeschützte ehemalige Schule zu einem Dorfgemeinschaftshaus. Obwohl denkmalgeschützt, wird dieses Gebäude energetisch und ökologisch gesehen besser ausfallen als 90 Prozent aller Neubauten. In der Projektentwicklungsphase ist auch ein achtgeschossiges »Hochhaus« in ökologischer Holzbauweise – Passivhausstandard versteht sich von selbst.

»Portal in den Naturpark« – das Alpseehaus in Bühl bei Immenstadt


m2s – müllerschurr.architekten Das Marktoberdorfer Architekturbüro ist im Bereich energiesparendes Bauen tätig, sowohl im Neubau wie in der Sanierung mit der Hinwendung zum Passivhaus- bzw. Plus-Energiehaus-Standard. In den letzten Jahren wurden hauptsächlich öffentliche Aufträge wie Schulprojekte und Kindergärten/-krippen betreut. Aber Private Bauherren im Einfamilienhaus-Bereich sind auch Zielgruppe. Alexander Müller: »Durch unsere enge Verbindung zu eza! und die planerische Betreuung des eza!Hauses war es für uns selbstverständlich, dem Netzwerk eza!-Partner von Anfang an beizutreten. Wir schätzen die fachlich hochwertigen eza!-Partner-Tage, an denen wir uns und auch unsere Mitarbeiter auf dem Stand der laufenden Entwicklung halten können und auch über unseren eigenen Tellerrand hinaus Informationen aus anderen Fachbereichen erhalten.« In den letzten zehn Jahren sind nach Meinung der Architekten aus

Marktoberdorf die Mindestanforderungen an den Gebäudestandard deutlich gestiegen, vor allem die Vorgaben für die Gebäudehülle. Die Hersteller und die Industrie haben nachgezogen, sodass eine breite Palette an geeigneten Produkten zur Auswahl steht. In die Zukunft blickend, sind die beiden Architekten überzeugt: »Es zeichnet sich ab, dass die europäische Forderung ab 2020 Passivbzw. PlusEnergiehaus-Niveau Standard wird. Damit verringert sich ein wesentlicher Anteil an unserem aktuellen Energieverbrauch. Schon heute erscheint es uns sinnvoll (und ist auch wirtschaftlich), Gebäude und Sanierungen mit dieser energetischen Zielsetzung zu planen und umzusetzen. Ein weiteres Augenmerk gilt es auf die Nachhaltigkeit und die regionale Wertschöpfung zu legen.« Im Landkreis Unterallgäu wurde von m2s die Mittel- und Realschule in Babenhausen um einen zertifizierten Passivhausbau erweitert

Oben: elegante Lösung für eine Kinderkrippe, ein Spezialgebiet der beiden Architekten Alexander Müller (l.) und Jochen Schurr (r.)

und aufgestockt. Im Bestand konnten die Fachbereiche neu strukturiert und zusammengelegt werden, sodass nun für beide Schulen zeitgemäße Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Neben dem hohen Komfort des Erweiterungsbaues ist räumlicher Zusatzgewinn für Schüler und Lehrer durch die Verglasung des Zwischenraumes zum Bestandsbau und durch die großzügige Pausenhalle im Erdgeschoss mit entstanden.

Info: m2s – müllerschurr.architekten Alexander Müller Jochen Schurr Birkenweg 11 87616 Marktoberdorf Tel. 08342/42047-0 Fax 08342/42047-29 office@muellerschurrarchitekten.de www.muellerschurrarchitekten.de

Solux Die Solux GmbH ist in den Bereichen Solarstrom, Lüftungsanlagen und Wärmepumpen sowie Naturbaustoffe seit nahezu 20 Jahren tätig. Zur eza!-Partnerschaft hat sich Solux als eines der ersten Allgäuer Unternehmen entschieden. »Wir bekennen uns zum eza!-Ehrenkodex, der für uns als qualifizierter und kompetenter Betrieb 'Ehrensache' ist. Aus der eza!-Partnerschaft, verbunden mit den regelmäßigen Fortbildungen, zu deren Teilnahme sich die Partnerbetriebe verpflichten, gewinnen und intensivieren wir Kontakte zu anderen, gleich gesinnten Betrieben und vertiefen unser Wissen in den Vorträgen und Gesprächen«, verlautet aus der Solux-Geschäftsleitung. In den zehn Jahren der Mitgliedschaft haben sich im Allgäu zum

einen das Wissen und zum anderen die Bereitschaft zu Investitionen in erneuerbare Energien und energiebewusstes Bauen tief verankert. Solux wird die Energiewende weiterhin mit Planung, Bau und Service von und für Solarstromanlagen sowie Techniken zur Energieeinsparung und Energieeffizienzsteigerung und mit umweltschonenden Naturbaustoffen unterstützen. Eines der letzen Projekte führte Solux für den Markt Wiggensbach aus: »Wir haben 2012 Solarstromanlagen mit einer Leistung von insgesamt 273 kWp auf gemeindlichen Dächern montiert. Sie liefern jedes Jahr mehr als 240.000 kWh sauberen Strom. Zum Vergleich: Damit können ca. 70 Durchschnittshaushalte mit vier Personen versorgt werden. Einen großen Teil

Dreh- und Angelpunkt bei Solux sind Solaranlagen – aber auch Energieund Lüftungstechnik

des erzeugten Solarstromes nutzt der Markt Wiggensbach direkt in Schule, Rathaus und Gasthaus Kapitel und verringert so seine Abhängigkeit von künftigen Energiepreissteigerungen. Denn Solarstrom ist heute schon deutlich günstiger als Strom aus der Steckdose.«

Info: Solux GmbH An der Stiftsbleiche 1 87439 Kempten (Allgäu) Tel. 0831/64413 Fax 0831/64513 info@solux.de

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Batteriespeicher

Ein Container, der brummt Der IRENE-Energiespeicher in Wildpoldsried Per Kran schwebte er an seinen Standort in Wildpoldsried, und dort brummt er nun leise vor sich hin. Das Brummen bedeutet, dass Strom fließt im EnergieContainer. Was für manchen Bürger noch etwas unheimlich ist, stellt für die Studenten der Hochschule Kempten ein wertvolles Forschungsprojekt dar.

Technische Daten Hersteller: Siemens AG Batterietechnologie: Lithium-Ionen Nutzbare Kapazität: 138 kWh Gesamte Batterieleistung: 300 kW Maße (LxBxH): 7,3 m x 2,5 m x 3,1 m Gewicht: 16 t

lektrische Energiespeicher können eine von vielen Komponenten in einem aktiven Verteilnetz darstellen. Im Rahmen des Forschungsprojektes IRENE wurde Ende letzten Jahres ein stationärer Energiespeicher in das Ortsnetz in Wildpoldsried integriert. Der rund 16 Tonnen schwere Container mit Batterien – eigentlich müsste es ja Akkus heißen – steht in der Salzstraße in Wildpoldsried. Mit dem Zwischenspeicher ist es möglich, Schwankungen im Energieversorgungsnetz auszugleichen. Der Batteriespeicher befindet sich nahe der Netzstation für einen Ortsteil, in dem ein hoher Anteil installierter regenerativer Leistung aus Wind und Biogas vorhanden ist. Damit wird unter realen Bedingun-

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gen getestet, welche technischen und wirtschaftlichen Vorteile sich durch Einsatz solcher moderner Energiespeicher für das Stromversorgungsnetz ergeben. Der Speicher besteht aus Lithium-Ionen-Zellen, die zu Strings verbunden sind. Die Strings sind über eine leistungselektronische Einheit mit dem 400VNiederspannungsnetz verbunden. Bei einem Energieüberschuss im Netz werden die Batterien im Container aufgeladen, um dann zu Zeiten mit hohem Verbrauch die Lastspitzen durch Rückspeisung abzudecken. Der Container hat eine Größe von 7 x 2,5 Metern. Die nutzbare Kapazität der Batterien beträgt rund 138 kWh, die Maximalleistung 300 kW. Als Betreiber des Containers erweitert das Institut für angewandte Batterieforschung (IABF) der Hochschule Kempten mit diesem Speicher das Forschungsspektrum um stationäre Energiespeicher.

Wildpoldrieds Bürgermeister Arno Zengerle (ganz rechts) lässt sich die Funktion des Speichers erklären

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Batteriespeicher

Was Batterien können Forschung an der Hochschule Kempten Das Institut für angewandte Batterieforschung (IABF) der Hochschule Kempten wurde im Mai 2011 gegründet. Ziel des Institutes ist es, fachbereichsübergreifend angewandte Forschung an Batterien zu betreiben. Bisher lag der Fokus auf den Energiespeichern für Elektrofahrzeuge. In Zukunft werden auch Energiespeicher für den Einsatz in Stromnetzen untersucht

ie hervorragende Ausstattung des Kemptener Instituts mit Mess- und Prüfeinrichtungen erlaubt sowohl elektrische als auch thermische und mechanische Untersuchungen in Bezug auf Funktionalität und Lebensdauer von unterschiedlichen Speichern. Wichtige Themen sind neben der Lebensdauerprognose die Ladezustandsanalyse und bei der Elektromobilität die Reichweitenprognose. Die Speicherkapazität einer Batterie hängt sowohl vom Alter als auch von anderen Bedingungen wie Temperatur und Nutzungsart ab. Weitere Themen sind z.B. Batteriemanagementsysteme, mechanische Vibrationsfestigkeit (im Auto treten immer Vibrationen auf) sowie Sicherheits-Aspekte. Derzeit ist das Kemptener Institut mit der Ausführung mehrerer Forschungsprojekte befasst, die vom Bundeswirtschaftsministerium und vom Freistaat Bayern finanziert werden.

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Fotos: Hochschule Kempten

Das Institut versteht sich als Beratungs- und Forschungseinrichtung des Allgäus. Es bestehen nationale und internationale Kooperationen mit anderen Forschungsinstituten und Industrieunternehmen. Neben wissenschaftlichen Mitarbeitern sind und werden auch künftig Studierende durch Projekt- und

Für Laien verwirrend: Einblick in das Labor des Institutes für angewandte Batterieforschung

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Batteriespeicher

Forschen und Studieren mit modernen Geräten in attraktiver Umgebung: Die Hochschule Kempten hat das nötige Ambiente

Abschlussarbeiten an aktuellen wissenschaftlichen Fragestellungen beteiligt. Das von der Fakultät Elektrotechnik eingeführte Teilzeitstudium Electrical Engineering im Masterstudiengang eignet sich dazu, Studium, Forschung und Einkommen zu verbinden und sich profilbildend weiter zu qualifizieren. In besonderen Fällen besteht für wissenschaftliche Mitarbeiter auch die Möglichkeit zur Promotion. Die Verzahnung von praxisnaher Forschung mit der Lehre und die

Die Hochschule Kempten Die staatliche Hochschule bildet Akademikerinnen und Akademiker in den Bereichen Ingenieurwissenschaften, Betriebswirtschaft und Tourismus, Informatik und Multimedia sowie Soziales und Gesundheit aus. Rund 5000 Studierende sind derzeit in 13 grundständigen Studiengängen und sechs Masterstudiengängen eingeschrieben. 120 Professorinnen und Professoren bewerkstelligen den Großteil der Vorlesungen, unterstützt von ca. 200 Lehrbeauftragten aus der freien Wirtschaft. Rund 200 nicht wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten den Hochschulbetrieb in Verwaltung, Fa-

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kultäten und Laboren am Laufen. Der 42.000 Quadratmeter große Hochschulcampus bietet mit modernen Lehrgebäuden, Laboren, Bibliothek und Mensa beste Studienbedingungen. Rund 80 Partnerhochschulen auf der ganzen Welt ermöglichen es, einen Teil des Studiums im Ausland zu absolvieren. Anschrift: Hochschule Kempten Bahnhofstraße 61 87435 Kempten (Allgäu) www.hs-kempten.de

Einbeziehung von Studierenden erlauben es, aktuelle technische und betriebswirtschaftliche Fragestellungen an Studierende heranzutragen und die Ergebnisse in der Lehre zu integrieren. Hierdurch wird gewährleistet, einschlägige Industrieunternehmen mit Absolventinnen und Absolventen zu versorgen, die bereits über ein fundiertes praktisches und theoretisches Fachwissen der angewandten Batterieforschung verfügen.


Richtig dämmen

Baufritz sammelt Späne Hoiz - die ökologische Dämmung Gute Dämmwerte möchte heute jeder NeubauHerr haben. Vielfach wird und wurde deshalb der Kunststoff Styropor eingebaut. In letzter Zeit gibt es aber immer mehr Zweifel an den HartschaumProdukten. Wer keinen Kunststoff als Dämmstoff haben will, kann auch »reine Natur« aus dem Allgäu verwenden iese Natur-Dämmung heißt Hoiz und wurde vor fast 20 Jahren im Hause Baufritz von Seniorchef Hubert Fritz in Erkheim entwickelt. Das Allgäuer Unternehmen Baufritz gilt als Pionier im ökologischen Holz-Systemhausbau. In Erkheim ist man besonders stolz darauf, nicht nur ökologisch, sondern auch energetisch hervorragende Häuser zu bauen. Der Dämmstoff Hoiz besteht aus Hobelspänen. Ein wichtiger Pluspunkt der Hoiz-Bio-Dämmung ist, dass die benötigten Materialien nicht erst zum Herstellungsort transportiert werden müssen. Denn der Grundstoff, die Späne als Holzwertstoff, sind bereits vor Ort. Sie fallen beim Hobeln verschiedener Weichholzarten in der Produktion in Erkheim an. Verwendet werden vor allem Fichte, Tanne und Kie-

Fotos: Baufritz

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Eines von rund 3500 Häusern mit der Hoiz-Dämmung

fer in reiner Sortierung. Ein Teil der Späne wird außerdem von Hobelwerken aus der Region zugekauft. Feinteile werden vor der Veredelung ausgesiebt. Die Behandlung der Maschinen-Hobelspäne erfolgt mit reiner Molke (Brandverhalten) und wenigen Prozent Soda-Laugenzusatz (Pilzbefall). Eine umweltfreundliche Entsorgung ist so gewährleistet. Eingebracht wird diese Hightech-Dämmung dicht, setzungsfrei und durch automatische Befüllung und Verdichtung äußerst schnell. Dies geschieht mit eigens entwickelten Befüllanlagen. Die naturverträglichen Zusätze ergeben eine günstige Entsorgungssituation. Bei der Energiebilanz schlagen ca. 30 kWh je Kubikmeter eingebauten Dämmstoffes zu Buche. Auch der Energieverbrauch bei der Herstellung ist denkbar gering. Hier müssen nur 5 % der für die Herstellung von Styropor nötigen Energie aufgebracht werden. Sehen lassen kann sich auch die Wärmeleitfähigkeit mit λR = 0.049 W/(m·K). Gemeinsam mit Experten verschiedenster Institutionen wie der Fachhochschule Rosenheim, der Technischen Universität München (Holzforschung München), der Materialprüfanstalt Nordrhein-Westfalen oder des Forschungsinstituts für Wärmeschutz München wurde Hoiz geprüft, erforscht und kontinuierlich weiter optimiert. Der Dämmstoff hat sich mittlerweile in über 3500 von Baufritz errichteten Gebäuden bewährt. Seit 2012 ist er als einziger nachhaltiger Bio-Dämmstoff Cradle to Cradle-Gold zertifiziert.

Ein Schnitt durch die mit Spänen gedämmte Holzfassade zeigt, dass das DämmMaterial abgeschlossen in der Mitte verfestigt wird

Dagmar Fritz-Kramer erhält Bayerische Staatsmedaille Der Bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil lobte Dagmar Fritz-Kramer, Firmenchefin der Baufritz GmbH in Erkheim im Allgäu, in seiner Laudatio Ende letzten Jahres für die Innovationskraft von Baufritz, die Nachhaltigkeit mit Funktionalität und Design überzeugend in Einklang bringe. Obwohl der Allgäuer Holzhausexperte immer mehr exportiert, freute sich der Bayerische Staatsminister besonders über die Entscheidung, die Produktion

ausschließlich in Erkheim im Allgäu zu belassen. Auch das vorbildliche Engagement von Dagmar Fritz-Kramer für ein nachhaltiges Wirtschaften sowie Ressourcenschonung und Energieeinsparung hob er hervor. Für die Erkheimer Unternehmerin ist diese Auszeichnung »nicht nur eine wunderbare Bestätigung der Firmenphilosophie 'Gut für Mensch und Natur', sondern auch ein Ansporn, sich immer weiterzuentwickeln«, so Fritz-Kramer.

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Kraftwärmekopplung

Wir müssen Vorbild sein Jugendhaus »Elias«: Baustein der Sozialethik Was verbindet ein Blockheizkraftwerk (BHKW) und eine energetische Sanierung mit der kirchlichen Sozialethik? Auf den ersten Blick sehr wenig. Heimleiter Wolfgang Wirtensohn vom Jugendhaus Elias in Seifriedsberg ist grundlegend anderer Meinung. Eine christliche Überzeugung müsse Beispiel geben und Taten zur Folge haben. Und darum flog nicht nur die alte Ölheizung aus dem Heim raus, auch die Energieversorgung wurde grundlegend verändert

as Jugendhaus »Elias« in Seifriedsberg, ist eine Bildungsstätte der Diözese Augsburg. Die Entscheidung für eine Blockheizkraftwerk begründet Hausleiter Wolfgang Wirtensohn mit der Schöpfungsverantwortung: »Eine Einrichtung der Jugendarbeit nachhaltig zu betreiben, ist täglich eine neue Herausforderung. Dabei ist jeder Christ berufen – und ich meine damit auch Personal und Gäste –, Zeugnis abzulegen für Gottes Liebe zu uns Menschen wie auch zu seiner Schöpfung: den Tieren und Pflanzen, der Erde und dem gesamten Kosmos. Gottes Schöpfung ist nicht nur Geschenk, sondern der verantwortungsbewusste Umgang mit ihr auch Aufgabe. In diesem Sinne sollte ein Jugendhaus geführt sein, sein Personal sollte ökologisch und ökonomisch wirtschaften.« Vor allem gehe es als kirchliche Einrichtung darum, gegenüber der jungen Zielgruppe Vorbild zu sein: »Das heißt, Engagement zu zeigen für eine lebenswerte Zukunft und beispielhaft die Verantwortung für das Wohlergehen künftiger Generationen wahrzunehmen.«

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Ein Haus der Begegnung »Elias« bietet über 110 Übernachtungsplätze in Ein- und Mehrbettzimmern, Vollverpflegung, zehn Tagungs- und Gruppenräume, die Elias-Halle als Versammlungsstätte, Kapelle. Freizeiteinrichtungen wie

Bestandene Probe Hausleiter Wolfgang Wirtensohn zum Betrieb des EC-Power-XRGI: »Wegen der 110 Betten besteht bei uns ja ein sehr hoher Warmwasserbedarf. Das heißt, unsere Gäste gönnen dem Motor keine Ruhepause. Trotzdem kam es bisher nicht zu einer einzigen Störung. Ich gehe nach dieser

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bestandenen Probe davon aus, dass sich auch das Wartungsinterval von 8500 Stunden bestätigen wird.« Laut Enerquinn läuft die Anlage seit dem 8. Juni 2011. Im Jahr 2012 hat sie in 7541Betriebsstunden exakt 114.946 kWh Strom und 222.620 kWh Wärme produziert.

Turn-, Tischtennishalle, Disco für die Regentage und Grillplätze, wenn die Sonne scheint. Ein Niederseilgarten und ein Sportplatz gewährleisten Fitness-Unterhaltung verschiedener Art. Jährlich verbucht das Haus 22.000 Übernachtungen, überwiegend von Schulklassen, die zu Orientierungstagen oder in die Funktion von »Elias« als Schullandheim einziehen. Darüber hinaus steht es freien Beleggruppen, etwa Pfarreien, Schulen, Verbänden, Firmlingen, Ministranten, Behinderten-, Musik- und Sportgruppen offen.

Geübt im Finden Die Leitung des »Elias« ist darin geübt, mit vertretbaren finanziellen Mitteln Techniken mit hoher Effizienz zu finden. Schon vor der Planung der neuen Heizung setzte sie nachhaltige Maßnahmen um. 2002: Neue Heizungssteuerung im Bereich Festsaal-Turnhalle – Absenkung der Hallentemperatur auf 17 °C. 2003: Neue, sparsamere Turnhallenbeleuchtung und Ausgestaltung des Festsaales mit Energiesparlampen, in den Folgejahren Austausch aller Leuchtmittel zugunsten von Energiesparlampen, sofern möglich. 2004: Einsatz von Wasserperlatoren; Absenken der Vorlauftemperatur; Heizkörperthermostate auf niedrigeren Höchstwert eingestellt; Wasserverbrauch durch Druckminderung gesenkt; Umstellung der Essenausgabe auf Buffet-Basis – durch weniger Nahrungsmittelverbrauch und bessere Wiederverwendbarkeit deutliche Einsparungen bei den Lebensmittelmengen; Einbau von bedarfsgesteuerten WarmwasserZirkulationspumpen; Einbau einer Strom-LastspitzenReduzieranlage; Senkung des Verbrauchs von WC-Papierhandtüchern durch den Austausch gegen Handgebläse- und Papierhalter-Einzelblatt-Systeme. 2003 bis 2009: Austausch sämtlicher Außenfenster in gesamten Haus.


Gäste und Gästezimmer

Sozialethische Ziele des Hauses »Elias«

Fotos: Enerquinn/Haus Elias

Sozialethisch strebt die kirchliche Institution die Vermittlung von Werten wie Freiheit, Toleranz, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit an, konkret: • Belastung und Gefahr für die Umwelt vermeiden und verringern • umweltfreundliche Produkte, Verfahren, Dienstleistungen und Waren aus artgerechtem Anbau, artgerechter Tierhaltung und aus dem »Fairen Handel« bevorzugen • ökologische Ziele bei der Auswahl von Geschäftspartnern berücksichtigen, dabei auch sozialverträgliches Handeln lernen, das heißt, die Verantwortung für die soziale

2006: Prüfung des Einbaues einer Photovoltaikanlage, Prüfung der heizungstechnischen Trennung der Hauptgebäude und Prüfung der Rentabilität des Austausches der Turnhallenfenster – alle Vorschläge wurden aus Gründen der Unrentabilität verworfen. 2009/2010: Bau eines neuen wärmegedämmten Meditationsraumes mit einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (mithilfe von diözesanen Sondermitteln und Mitteln des Bayerischen Jugendrings). 2010: Auch auf psychologische Mittel verzichtete das Jugendhaus nicht, um die Bewirtschaftungskosten im Griff zu behalten. Das Haus gab sich ein Farbkonzept mit bunten, warmen, freundlichen, hellen Farben, die alleine schon mehr Behaglichkeit und Wärme suggerieren. Den aufgezählten Maßnahmen gingen verschiedene Analysen des BFE (Institut für Energie und Umwelt GmbH, Mühlhausen), der eza! (Energie und Umweltzentrum Allgäu, Kempten) und der MDG (Medien-Dienstleistungs GmbH, München) voraus. Einen zeitnahen Energiecheck führte 2009 das Augsburger Ingenieurbüro für Haustechnik Ulherr durch und öffnete mit dem Gutachten der dezentralen, ressourcensparenden, zeitgleichen Produktion von Strom und Wärme die Tür in den Heizungskeller des Jugendhauses »Elias«. Für die Sanierung der Heiztechnik mit dem Blockheizkraftwerks-Modul und einem Gasbrennwertkessel stellten die Diözese Augsburg und der Bayerische Jugendring Sondermittel zur Verfügung. Soweit war als die Kellertüre weit geöffnet. Nur eine Frage war noch zu klären.

Knobelaufgabe für Genies Der Betrieb eines Blockheizkraftwerkes mit BioErdgas ist für Mathematiker eine echte Herausforderung. Warum? Wer Bio-Erdgas aus nachwachsenden

Gerechtigkeit im Jugendhaus und in der weiten Welt wahrnehmen (etwa Erhalt der Arbeitsplätze, fairer Einkauf) • das Prinzip der Regionalität betrachten, um weite Produktions- und Handlungswege zu vermeiden • Nachhaltigkeit, also langfristiger Blick auf die zur Verfügung gestellten Mittel und bewusster Umgang damit • Verbrauch von Energien und natürlichen Ressourcen reduzieren, die Erzeugung und Nutzung von regenerativen Energien fördern – unter anderem deshalb die Kraftwärmekopplung

Rohstoffen (NaWaRo), zum Beispiel Mais, im Motor verbrennt und den gewonnenen Strom ins öffentliche Netz einspeist, erhält derzeit nach dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) mindestens 22 Cent pro Kilowattstunde (kWh) vergütet. Jetzt wird es kompliziert: Allerdings muss er für das NaWaRo-Gas an den Gaslieferanten mehr bezahlen als für einfaches Bio-Erdgas, das aus Kompost, Abfall, Speiseresten oder Gülle gewonnen wird. Was ist nun rentabler: preiswerteres Bio-Erdgas einkaufen und den Strom selbst nutzen, oder teures NaWaRoGas kaufen, den Strom einspeisen und sich zur Eigennutzung aus dem öffentlichen Netz bedienen? Denn von der Einspeisevergütung, die sich aus Grund-, KWK-, Technologie-, Gülle-, Formaldehyd- und eben den sieben Cent/kWh NaWaRo-Bonus zusammensetzt, gehen diese sieben Cent verloren, wenn der Betreiber Nicht-NaWaRo-Bio-Erdgas für die Kraftwärmekopplung bezieht. Damit müsste die Kalkulation sämtliche Variablen wie Größe der Anlage, Anteil Eigennutzung, Stromtarif, Biogastarif, NaWaRo-Gastarif und Jahresgesamtlaufzeit einbeziehen. »Das Ergebnis kann immer nur eine Momentaufnahme sein. Der einfachere Weg ist der, sich für einen Gasanbieter zu entscheiden und periodisch den Gasvertrag anhand der Daten des Blockheizkraftwerk-Betriebs zu überprüfen.« Peter Lechleiter, Kundenberater und Mitarbeiter des BHKW-Spezialisten Enerquinn aus dem süddeutschen Weingarten, weiß, wovon er spricht. Er hat bei einer Vielzahl solcher Anlagen den Planern und Betreibern zu Seite gestanden. Das Jugendhaus »Elias« bezieht vorerst Gas aus nachwachsenden Rohstoffen für seine »EC-PowerKWK-Anlage«. Seit Frühjahr 2011 ist diese Anlage im kirchlichen Dienst. Der Typ »XRGI 15« mit 15 kW elektrisch und 30 kW thermisch ergänzt den ebenfalls neu installierten Brennwertkessel, und beide zusammen ersetzen die veraltete, ineffiziente Ölheizung.

Minderung ohne Verzicht »Ein Sozialverhalten der aufgelisteten Art (zusammengefasst in dem obenstehenden Kasten) ist nun mal nicht eine Selbstverständlichkeit, erst recht nicht bei Jugendlichen«, klärt Wolfgang Wirtensohn auf. Die Einrichtung Jugendhaus steht vor dem Problem,

Info: Jugendhaus »Elias« Jugendbildungsstätte und Jugendgästehaus der Diözese Augsburg Seifriedsberg 12 87544 Blaichach Tel. 08321/67390, Fax 08321/71744 www.jugendhaus-elias.org Partner bei der Planung und dem Einbau der neuen Heiz-Anlage: EC Power GmbH Leonhard-Weiss-Str. 1 73037 Göppingen Tel. 0700/11044010 Fax 07161/6548829 www.ecpower.eu

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Kraftwärmekopplung Im BHKW befinden sich drei Wärmetauscher: am wassergekühlten Motor, am wassergekühlten Generator sowie ein Abgaswärmetauscher. Die drei Energieströme fließen über einen der beiden mittleren Flexschläuche (Vor- und Rücklauf) zum blauen Wärmesammler rechts, den auch der Brennwertkessel beschickt. Ebenfalls im Bild: ganz unten die Kondensatleitung, oben der Gasanschluss (Flexschlauch), die Abgasleitung und der Stromanschluss

Das XRGI 15 deckt genau die Grundlast der kirchlichen Einrichtung ab. Wegen des hohen Warmwasserbedarfes selbst im Sommer dürfte die Laufzeit des XRGI an die 7000 Stunden/Jahr heranreichen. Elektrische Leistung modulierend 6 - 15,2 kW, thermische Leistung 17 - 30 kW, Gesamtwirkungsgrad bis 92 Prozent. Seit Anfang 2012 liefert EC Power auch den Typ XRGI 20 mit 20/40 kW elektrisch/thermisch

Hausleiter Wolfgang Wirtensohn (rechts) und Enerqinn-Berater Peter Lechleiter vor der Wärmeverteilung. Die ausgekoppelte Wärme geht zum Wärmetauscher im horizontalen Verteilerbalken (unten) und von dort weiter entweder in Richtung Netz, also hydraulische Einbindung ins Gebäude, oder in die Pufferspeicher

die Wünsche der Gäste mit den Nachhaltigkeitszielen in Einklang zu bringen. »Gerade junge Gäste denken und verhalten sich wenig energiebewusst: beim Heizen, beim Umgang mit Strom oder Duschen, beim Produzieren von Müll. Nahrungs- und Genussmittel kaufen sie beinahe ausschließlich nach dem Geschmack ein, ohne auf gesunde und umweltschonende Grundstoffe zu achten. Hauseigene Einrichtungen werden äußerst intensiv genutzt, ohne das Ganze zu sehen und Verantwortung dafür zu übernehmen.« Der Betreuer klagt nicht, er schildert die augenblickliche Situation. Deshalb müsse die Hautechnik einen Teil des Fehlverhaltens kompensieren. Das BHKW von Enerquinn in Weingarten hat für ihn ökonomische wie ökologische Funktion: »Innerhalb von zehn Jahren erreichten wir nahezu eine Verdoppelung der Auslastung auf 22.000 Übernachtungen. Damit stieg allerdings auch der Energie- und Ressourcenverbrauch. Gleichzeitig sollte der jährliche diözesane Zuschuss um nahezu 30 Prozent gesenkt werden. Und trotzdem durften nachhaltiges Bewirtschaften und begrenzte finanzielle Mittel kein Widerspruch sein.« Viele Veränderungen an der »Hardware« zwischen 2002 und heute haben ihm geholfen, diesen Knoten zu lösen.

Die Rücklaufanhebung sorgt für eine konstante Kühlwasser temperatur von 75 °C

Wer ist Enerquinn? Die Enerquinn Energiesystemtechnik GmbH aus dem oberschwäbischen Weingarten gehört zu den führenden Experten für die Full-Service- Planung und -Umsetzung von Blockheizkraft werken und Photovoltaikanlagen. Die Kompetenz des Ingenieursbüros besteht in der Kombination von Wärme- und Stromversorgung. Vorwiegend im süddeutschen Raum wurden bereits mehrere hundert Anlagen installiert. Die Enerquinn GmbH hat bei der Realisierung des Projektes im Jugendhaus »Elias« mit dem Planungsbüro/Ingenieurbüro zusammengearbeitet und die Dimensionierung und Auslegung des Blockheizkraftwerks übernommen.

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Enerquinn übernimmt die Fernüberwachung sowie die Wartung des Blockheizkrafwerkes in Seifriedsberg. Die Weingartner planen, vertreiben und betreuen BHKWs zwischen 15 und 500 kW. Derzeit werden in der Region Oberallgäu weitere Projekte mit elektrischen Leistungen von 250 kW und 15 kW realisiert. enerquinn Energiesystemtechnik GmbH Grimmastraße 10, 88250 Weingarten Tel. 0751/1897057-0 E-Mail: info@enerquinn.de www.enerquinn.de


Meldungen

Zum »Vordenker 2012« wurde das Allgäuer Überlandwerk (AÜW) im Rahmen der Querdenker-AwardVerleihung in München erklärt. In die Wertung mit ein flossen unter anderem das Engagement im Projekt der »Integration regenerativer Energien und Elektromobilität« (IRENE) sowie die Beteiligungsmodelle beim Solarpark Ursulasried.

Beim Querdenker-Award werden Auszeichnungen an die besten und kreativsten Impulsgeber, Ideenzünder und Zukunftsmacher verliehen. Ausgezeichnet werden »Vordenker«, »Erfinder«, »Innovationen« sowie neue als auch bereits etablierte Unternehmen für ihre herausragenden Erfolge, ihre Unternehmensleistungen oder ihre

Marktführerschaft. Bei der Ehrung mit dem »Querdenker-Award« handelt es sich um den dritten Preis, den das AÜW im Jahr 2012 in Bezug auf seine Innovationen gewonnen hat. Bereits Mitte April wurde das AÜW als das »innovativste Stadtwerk 2012« ausgezeichnet und im Juni folgte das Gütesiegel »Top 100«.

Foto: Christian Siebold

Vordenker unter den Querdenkern

Otmar Ehrl, der Gründer des Querdenker-Clubs, überreicht den Querdenker-Award an AÜWGeschäftsführer Michael Lucke

Historische Straßenleuchten effizient umrüsten im Vergleich zur LED-Neuinstallation weniger als die Hälfte. Insgesamt machen Straßen- und Parkbeleuchtung rund 40 Prozent der gesamten Stromkosten zahlreicher Kommunen aus. Auch die »Lichtstimmung«, die den Charme vieler Altstädte im Allgäu ausmacht, bleibt erhalten und soll durch die neuen LED-

Leuchten nicht beeinträchtigt werden: »Unterschiedliche Lichtfarben von neutralweiß bis warmweiß erzeugen unterschiedliche Lichtstimmungen von nüchtern-sachlich bis heimelig-gemütlich«, so Osram.

Foto: Rainer Sturm/pixelio.de

Mit dem LED-Modul »Decorative Street Lighting« (DSL) der Siemens-Tochterfirma Osram lassen sich selbst historische Leuchten aller Hersteller auf LED umrüsten. Das Modul reduziert den Stromverbrauch einer Leuchte, die zuvor mit Quecksilberdampf-Entladungslampen ausgestattet war, um mindestens 60 Prozent. Der Umbau kostet

Historische Straßenlaternen können jetzt unkompliziert auf energiesparende LED-Lampen umgerüstet werden – der Altstadtcharme bleibt dabei erhalten Anzeigen

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Meldungen

Termine und Kontakt Führungen immer Donnerstag (17.30 Uhr) und Samstag (9.30 und 11 Uhr), Dauer eine Stunde, Eintritt frei. Nur nach Voranmeldung unter Tel. 0831/2521-9999 oder per E-Mail: fuehrungen@auew.de

Von außen haben es schon viele bewundert: Das mehrfach mit Architekturpreisen ausgezeichnete Wasserkraftwerk an der Keselstraße in Kempten. Wer wissen möchte, wie es im Inneren des Kraftwerkes aussieht und direkt miterleben will, wie mit Wasser umweltfreundlicher Strom produziert wird, kann zwi-

schen April und September 2013 einen Blick hinter die Kulissen werfen. Dabei kommen nicht nur Architekturfreunde auf ihre Kosten, sondern alle, die sich für regenerative Energieerzeugung interessieren. Das zentrale Thema der Führungen ist die Stromproduktion aus Wasserkraft.

Foto: AÜW

Führungen durch das AÜW-Wasserkraftwerk

Das Kemptener Wasserkraftwerk steht ab April wieder für kostenlose Besichtigungen offen

Foto: Friedrich Böhringer

Ein Blick nach Südwesten

Kunst und Energiezukunft – im neuen »Energieland« Liechtenstein passt das zusammen

Liechtenstein ist Europas erstes Energieland. Seine Gemeinden tragen jetzt alle den European Energy Award. Die Auszeichnung zum ersten Energieland Europas ist ein Grund zum Feiern – und eine Aufforderung an andere Länder. Damit Gemeinden den European Energy Award bekommen, müssen sie in sechs Kategorien von Energieeffizienz-Maßnahmen ihre Punkte sammeln. Alle vier Jahre wird die Zertifizierung überprüft und anspruchsvoller: Während die

teilweise Abschaltung der Straßenbeleuchtung noch recht einfach ist, ist die Motivation der Bevölkerung, auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen schwieriger. Wichtig ist, dass alle Gemeinden in Sachen Klimaschutz an einem Strick ziehen: Liechtenstein will bis 2020 ein Fünftel weniger Treibhausgase ausstoßen. Damit das gelingt, muss jeder Liechtensteiner 1,4 Tonnen Kohlendioxid einsparen oder anders gesagt, 10000 Kilometer mit dem Rad anstelle mit dem Auto fahren.

Verbesserte Förderbedingungen für Gebäudesanierung Die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) verbessert die Förderbedingungen für die Programme zur energieeffizienten Sanierung von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen. Dabei werden sowohl direkte Zuschüsse zu Investitionen (Programmnummer 430) angehoben als auch die Kreditbedingungen zinsverbilligter Darlehen (Programmnummer 151) verbessert.

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Dazu Klimaschutzbeauftragter Johannes Fischer vom Landratsamt Ostallgäu: »Gerade in Zeiten niedriger Zinsniveaus und hoher Energiepreise lohnt sich die Investition in die Wertsteigerung der eigenen Immobilie. Sowohl bei einer groß angelegten Sanierung als auch bei Einzelmaßnahmen ist eine fachkundige und neutrale Beratung im Vorfeld sinnvoll. Neben dem eigenen Geldbeutel kann so auch die

Umwelt geschont werden.« Die Höhe der Förderung ist jeweils abhängig von der erreichten Sanierungsqualität. Im Rahmen des einmaligen Zuschusses werden seit dem 20. Dezember 2012 bis zu 25 Prozent der förderfähigen Investitionskosten gefördert (bisher 20 Prozent). Beim Darlehensprogramm werden ab dem 1. März 2013 die Tilgungszuschüsse auf bis zu 17,5 Prozent (bisher 12,5) angehoben.

Cent-Parade gegen die Armut Um eine bedürftige Familie aus Memmingen finanziell zu unterstützen, spendeten Mitarbeiter der LEW Lechwerke ihre Rest-Centbeträge aus der monatlichen Gehaltsabrechnung – zusammen kamen insgesamt 3000 Euro. Die Idee nennt sich Cent-Parade: Monat für Monat verzichten rund Dreiviertel 48

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der LEW-Mitarbeiter in Schwaben freiwillig auf die Centbeträge in ihrer monatlichen Gehaltsabrechnung. Der zusammenkommende Betrag wird vom LEW-Vorstand verdoppelt und bedürftigen Menschen in der Region gespendet. »So helfen wir seit 20 Jahren Menschen, die unverschuldet in Not geraten

sind«, sagte der LEW-Betriebsratsvorsitzende Thomas Siprak im Vorfeld der Spendenübergabe, die im Amtszimmer des Memminger Oberbürgermeisters stattfand. Dort empfing der Rathauschef die Mutter samt Kindern, die sich zwar etwas nervös, aber überglücklich über die Hilfe zeigten.


Meldungen

Strom ist viel zu teuer, um unnötig viel davon zu verbrauchen. Die Rede ist von Stromfressern, die Kilowatt um Kilowatt killen. Die LeihStrommessgeräte des Allgäuer Überlandwerkes (AÜW) sollen den Geld-aus-den-Taschen-Ziehern den Garaus machen. Ebenfalls ausleihbar sind die sogenannten Lichtkoffer. Darin befinden sich verschiedene Energiesparlampen, deren Einsatzmöglichkeiten und Stromersparnis jeder zu Hause testen kann. Beide Verleihangebote sind kostenlos. Bei Interesse wenden Sie sich per E-Mail an: stadtsaege@auew.de.

Foto: Oberschwabenhallen Ravensburg GmbH

(v.l.): Willi Schaugg, Geschäftsführer Oberschwabenhallen Ravensburg, Jürgen Henninger, Vertriebsleiter Technische Werke Schussental

Seit Jahresbeginn versorgt die Technische Werke Schussental GmbH & Co. KG (TWS) die Oberschwabenhalle in Ravensburg mit Ökostrom. Die Versorgungskriterien waren dabei komplex, denn die Oberschwa-

benhalle alleine benötigt jedes Jahr rund 410.000 Kilowattstunden Strom – so viel wie gut 100 Vierpersonenhaushalte. Besondere Leistungsspitzen sind Rock-Konzerte, die bis zu 2.500 Kilowattstunden Strom benötigen. Der längerfristige Vertrag mit der TWS über 100 Prozent Ökostrom aus Wasserkraft ermöglicht der Oberschwabenhallen Ravensburg GmbH eine Planungsund Preissicherheit.

Foto: Thorben Wengert / pixelio.de

Grüner Strom für Rock-Konzerte Den Übeltätern auf der Spur

Mit Sonnenstrom übers Montafon Mit der gewonnenen Solarenergie wird ein Drittel des Gesamtstrombedarfes der ganzen Seilbahn abgedeckt. Während 1000 Stunden Betrieb im Jahr verbraucht die Sesselbahn am Golm 180.000 Kilowattstunden. 60.000 davon produziert die Solaranlage – das entspricht etwa dem Jahresverbrauch von 15 Einfamilienhäusern. Je nach Lage und Leistung einer Bahn, kann durch dieses neu ent-

wickelte System sogar eine beachtliche Reduktion des Energiebedarfes von bis zu 50 Prozent erreicht werden. Eine Idee auch fürs Allgäu?

Foto: Doppelmayr

Die Sechser-Sesselbahn auf dem Hüttenkopf im Skigebiet Golm/ Montafon ist weltweit der erste Skilift mit integriertem Solarkraftwerk. Errichtet wurde er von Illwerke Tourismus, einer Tochter des Vorarlberger Stromkonzerns. Das technische Know-how steuerten der Seilbahnspezialist Doppelmayr und die Photovoltaikfirma Königsolar bei. Zu Jahresbeginn wurde die neue Bahn eröffnet.

Jeder dritte Sessel fährt mit Sonnenstrom aus Photovoltaikmodulen auf den Hüttenkopf im Montafoner Skigebiet Golm Anzeige

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Meldungen

Fotos: Pixelio, Archiv, Landratsämter, Stadtverwaltungen

Die aktuelle Umfrage: Wasser privatisieren?

Von links oben nach rechts unten: Hans-Joachim Weirather, Johann Fleschhut, Ulrich Netzer, Gebhard Kaiser, Stefan Bosse und Ivo Holzinger

Der Vorschlag aus Brüssel zur Privatisierung der Wasserversorgung schlägt hohe Wellen. Eigentlich soll die neue Richtlinie über die Vergabe von Konzessionen zur Trinkwasserversorgung Klarheit schaffen: Organisieren Gemeinden ihre Wasserversorgung teilweise oder vollkommen privat, dann sollen die Aufträge zukünftig EU-weit ausgeschrieben werden. Das beste Angebot gewinnt. Bisher können Gemeinden selbst entscheiden, wer unter welchen Bedingungen ihren Bürgern das Trinkwasser liefert. Das soll sich nun ändern. allgäuALTERNATIV hat sich bei den Allgäuer Landräten und Oberbürgermeistern umgehört, wie deren Meinung zum Europa-Projekt ist. Geantwortet haben Gebhard Kaiser (LR Oberallgäu), Hans-Joachim Weirather (LR Unterallgäu) und Johann Fleschhut (LR Ostall-

gäu) sowie Ivo Holzinger (OB Memmingen), Ulrich Netzer (OB Kempten) und Stefan Bosse (OB Kaufbeuren). Alle Landräte und Oberbürgermeister lehnen die Einmischung aus Brüssel einhellig ab. Am deutlichsten wurde Ivo Holzinger: »Die Dienstleistungsrichtlinie ist in diesem Punkt völlig überflüssig. Brüssel sollte sich hier nicht in unsere Angelegenheiten einmischen.« Johann Fleschhut machte sich generell Gedanken: »Zwar gibt es im Ostallgäu überwiegend kleinstrukturierte Wasserversorgungen in kommunaler Hand, die voraussichtlich nicht unter die Richtlinie fallen werden. Wir dürfen unser wichtigstes Lebensmittel, das Trinkwasser, jedoch nicht leichtfertig dem wirtschaftlichen Gewinnstreben von Unternehmen preisgeben.« »Mit Trinkwasser darf kein Gewinnstreben zulasten der Bürger und deren Gesundheit verbunden sein«, sagt Johann Fleschhut. Im Tenor sind sich hier auch alle Befragten einig. Landräte wie Oberbürgermeister werden die Entwicklung beobachten und gegebenenfalls reagieren: »Selbstverständlich verfolgen wir die Diskussion auf europäischer Ebene mit großem Interesse und stehen in regelmäßigem Kontakt mit anderen Wasserversorgungsunternehmen sowie dem Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW)«, meint Stefan

Bosse. Und Landrat Gebhard Kaiser plädiert für absolute Transparenz für die Kommunen: »Wir bereiten uns vor, in dem wir im Rahmen der Bürgermeisterversammlung das Thema ansprechen. Mir ist bei uns im Oberallgäu keine Kommune bekannt, die jetzt Interesse hat, ihre Wasserversorgung an Private zu veräußern.« Hans-Joachim Weihrather ergänzt: »Träger der Wasserversorgung sind die Gemeinden. Wir legen größten Wert darauf, dass sie aktuell informiert sind.« Auch Ulrich Netzer sieht keine Notwendigkeit, sich vom bisherigen System zu verabschieden: »Dieses Konzept der Daseinsvorsorge hat sich nunmehr seit Jahrzehnten bewährt und stellt unserer Ansicht nach die optimale Lösung dar, an der es auch weiterhin festzuhalten gilt.« Auf mögliche Folgen, sollte Brüssel sich für die neue Verordnung entscheiden, weist Ivo Holzinger hin: »Sollte die Richtlinie kommen, werden wir in Memmingen die Wasserversorgung als eigenständige Einheit führen. Das kostet aber mehr Bürokratie und damit mehr Geld. Deshalb ist der Brüsseler Vorschlag abzulehnen und alle deutschen Europaabgeordneten müssen diese Richtlinie ablehnen, was leider nicht bei allen der Fall ist.«

Firma Dorr würdigt Projekt der »Sozialen Stadt« Über eine Spende von 2500 Euro durch die Allgäuer Entsorgungsfirma Dorr durfte sich ein sozial engagierter Arbeitskreis aus Memmingen freuen. Der »Lebendige Westen« mit zehn Mitgliedern hat schon vieles angestoßen im multikulturellen Stadtteil MemmingenWest: Von Krabbelstube über Tanz50

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tee bis Lachyoga. Sie wollen die Projekte auch dann weiterführen, wenn einmal keine Fördermittel im Rahmen des Städtebauprogramms »Soziale Stadt« mehr fließen. Mit genügend Rückendeckung aus der Bevölkerung soll aus dem Arbeitskreis in Zukunft ein aktiver Bürgerverein werden.

Um dies zu erreichen, sind sie jetzt mit einer Spende von Dorr bedacht worden. Laut Dorr-Geschäftsführer Werner Voth ist es langjährige Tradition des Unternehmens, Jahr für Jahr soziale Projekte an den drei Dorr-Standorten im Allgäu – Memmingen, Kempten, Kaufbeuren – zu unterstützen.


Meldungen Weiße Dächer könnten Klimawandel verlangsamen Das weiße Dach von Babenhausen darf bleiben. Endgültig

Foto: Baufritz

Weiße Dachflächen könnten durch ihre Licht-Reflektion (Albedo-Effekt) das Aufheizen von Städten wesentlich verlangsamen – und das ohne fragwürdige Nebenwirkungen oder Folgen für die Umwelt. Eine im März 2012 veröffentlichte Studie der NASA bestätigt: Durch weiße Dächer sinkt in heißen Sommermonaten in New York City die Dachtemperatur um durchschnittlich 25 Grad Celsius. In Deutschland kann die Idee für politische Differenzen sorgen: In der Gemeinde Babenhausen im Unterallgäu beispielsweise wurde ein Ökodesignhaus mit einem weißen Dach geplant und gebaut, aber vom Landratsamt aus Gründen des homogenen Erscheinungsbilds zunächst nur für ein Testjahr genehmigt: Es seien laut Bebauungsplan

nur rote Dächer erlaubt. Bei anderen Häusern in Ortsrandlage durften dagegen schwarzgedeckte Dachflächen realisiert werden – zwar mit Auflagen, aber zeitlich unbeschränkt. Warum wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Das versteht auch Babenhausens Bürgermeister Otto Göppel nicht. Er und der Gemeinderat unterstützten das weiße Dach und damit die Initiative

der Baufirma Baufritz, ein für seine nachhaltigen Konzepte und Innovationen mehrfach ausgezeichnetes Unternehmen. Es handele sich um ein relativ flaches Dach am Ortsrand, das nicht gleich ins Auge steche, beschwichtigte der Bürgermeister. Das überzeugte offenbar auch das Landratsamt: Nach der Zustimmung der Gemeinde lenkte die Aufsichtsbehörde ein. Anzeige

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E-Mobilität

Bergsteiger mit Akku E-miglia 2012: Bewährungsprobe für E-Autos allgäuALTERNATIV ist nicht unbedingt ein Verfechter des Motorsports. Wenn aber eine Rallye für E-Mobile stattfindet, die zudem von einem Allgäuer Motorsportler geleitet wird, schauen wir schon mal genauer zu

Teilnehmerfahrzeuge bei der e-miglia 2012: Mercedes A-Klasse E-Cell, Team TÜV Süd (großes Bild oben), Lampo 3, Team Protoscar (Mitte). Das TWIKE Active (unten) gewann den Effizienzpreis

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t. Moritz, bekannt als mondäner Ferienort, darf sich seit August 2012 auch »e-migliaStadt« nennen. Zum zweiten Mal in der Geschichte dieser neu kreierten Rallye nur für elektrisch angetriebene Fahrzeuge war 2012 das Zentrum im Engadin das Ziel der e-miglia. Unter den beteiligten Fahrzeugen – die Teilnahme an der E-Rallye steht jedem offen, der so ein Auto sein eigen nennt – sah man u. a. einen BMW Mini E, einen Lampo 3, Mercedes E-Cell, Nissan Leaf, Peugeot iON, Tesla Roadster, TWIKE Active, Zerotracer und Zero Motorcycle. Wem ein »Lampo 3« nichts sagt, der sollte sich auf der entsprechenden Internet-Seite kundig machen, dass ein E-Auto keineswegs langweilig gezeichnet sein muss, um E-Furore zu machen. Lautlos ohne Geräuschemissionen führte die e-miglia, eine Gleichmäßigkeitsrallye, durch die Alpenländer Deutschland, Österreich, Italien und die Schweiz. Die durchschnittlichen Verbrauchskosten für die 817 Kilometer lange Gesamtstrecke, die mit Steigungen gespickt war, betrugen – und hier reiben sich »Benziner« erstaunt die Augen – gerade einmal 20 Euro. Alle beteiligten Fahrzeuge (vom TÜV Süd technisch abgenommen) haben bewiesen, dass die extremen Anforderungen der Rallye für E-Autos kein Pro-

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Richard Schalber organisierte die e-miglia 2012

- Höhenmeter bergauf: 11.000 m - Höhenmeter bergab: 10.048 m - Gesamtlänge: 817 km - davon 485 Kilometer bergauf - höchster Punkt: Edelweißspitze, 2500 Meter - 4 Länder – 4 Tagesetappen - Durchschnitts-Verbrauch: ca. 100kw/h auf 800 km = 20 Euro

Fotos: e-miglia

blem sind. Die Rallye diente auch dazu, Erfahrungen und Erkenntnisse zu gewinnen, die der E-Mobilität zugutekommen. Vom Zweirad über Dreirad bis Vierrad-Normalo, von Ein-Mannstärke bis zu 600 PS, von 120 km/h bis 220 km/h Spitzengeschwindigkeit und Reichweiten von 100 bis 350 Kilometern war alles vertreten. Rallye-Leiter Richard Schalber aus Vorderhindelang im Allgäu ist es nach 2011 wiederum gelungen, ein Event auf die Beine zu stellen, das allen Teilnehmern Chancengleichheit bot. Die E-Mobilität auf der Straße – in welcher Form auch immer – muss und wird kommen. Die e-miglia 2012 hat gezeigt, wie konkurrenz- und leistungsfähig, zudem dynamisch elektrische Mobilität heute bereits ist. Jedoch wird es noch ein langer Weg werden, der wohl eher in anderen Kontinenten entschieden wird als in Europa, um ein familientaugliches, preisgerechtes Auto mit E-Antrieb in Serie zu bauen. Daher wird bereits geplant, eine e-miglia auch in Amerika und Asien zu veranstalten. Thomas Niehörster

Die e-miglia 2012 in Zahlen Die Sieger: 1. Platz: Hans Haslreiter und Wolfgang Schöner, Team LG Solar 2. Platz: Volker Blandow und Stefan Rentsch, Mercedes Benz A-Klasse E-Cell Effizienzpreis: TWIKE-Team mit umgerechnet 4,7 l Verbrauch auf 800 km

Elektrisierend: der Nissan Leaf

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Objektbau

Das Sägezahn-Holzhaus M&M in der Architektur-Champions-League Über einen besonderen Großauftrag darf sich der Nesselwanger Holzbauspezialist M&M Holzhaus freuen. Die Ostallgäuer erhielten den Zuschlag für den Bau des neuen Verwaltungsgebäudes der Hans Hundegger Maschinenbau GmbH aus Hawangen. Mit der pfiffigen Idee, das über 1100 Quadratmeter große Bürogebäude als Sägeblatt zu konzipieren, trafen die M&M-Holzhaus-Architekten Hans Möst und Christian Gehring voll ins Schwarze. Wir freuen uns natürlich sehr über den Zuschlag und das Vertrauen von Hans Hundegger und seinem Team. Denn das Projekt ist für uns gleichzeitig der Einstieg in den Objektbau. Dass wir gleich mit so einem prestigeträchtigen Auftrag in das neue Geschäftsfeld starten dürfen, macht uns sehr stolz. Das ist ein echter Meilenstein«, freut sich Geschäftsführer Dipl.-Ing. Martin Müller. Bisher waren die Holzbauspezialisten von M&M Holzhaus in Nesselwang im Alpenraum und in den Beneluxländern vor allem durch ihre baubiologischen und ökologischen Einfamilien- und Doppelhäuser bekannt. In den vergangenen 20 Jahren realisierte das Unternehmen über 550 solcher Hausprojekte. Dieses Know-how und die langjährige Erfahrung aus dem baubiologischen und ökologischen Holzhausbau kam dem M&M-Holzhaus-Team nun auch bei der Planung des neuen Hundegger-Verwaltungsgebäudes zugute. Hundegger ist ein Allgäuer Unternehmen mit Sitz in Hawangen bei Memmingen. Das Unternehmen ist in 42 Ländern vertreten und gilt als Weltmarktführer für moderne Holz-Abbundanlagen. Neben der Bauleitung über den Holzbau haben die Spezialisten von M&M Holzhaus auch die Bau-Koordinierung über die anderen Gewerke übernommen und sorgen so auch für eine reibungslose Umsetzung ihrer innovativen Planung.

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Info M&M Holzhaus GmbH Füssener Straße 57 87484 Nesselwang Tel. 08361/9210-0 Fax 08361/9210-20, info@mm-holzhaus.de, www.holzhaus.de

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Nicht nur außen ist die zweistöckige SägeblattOptik ein Hingucker, auch innen besticht die neue Hundegger-Heimat mit einem innovativen und freundlichen Aussehen, die sternförmig angelegten Innenzüge des Komplexes sind komplett aus Massivholz. Die Außenwände des Hundegger-Sägeblatts sind als sogenannte Massiv-Holz-Mauer (MHM) mit einem 25 cm starken Massivholz-Wandkern ausgeführt, so dass der Gebäudekomplex dem Standard eines Minimalenergiehauses entspricht. »In Kombination mit Brettstapel-Elementen ist die Verwendung von MHMMauern besonders effektiv, denn das ermöglicht eine kurze Bauzeit und bietet gesunde und angenehme Arbeitsräume. Für uns ist allgemein die Holzbauweise die Bauweise der Zukunft, auch für den Objekt- und Gewerbebau«, erklärt Architekt Christian Gehring. Der Hundegger-Auftrag setzt dem guten Geschäftsjahr 2012 von M&M Holzhaus die Krone auf. »Wir haben im vergangenen Jahr erneut unser hohes Level von ca. 40 Häusern halten können, wobei der Trend hier nach wie vor hin zu großzügig dimensionierten Häusern geht. Auch auf das Geschäftsfeld des privaten Wohnungsbaus hat der Hundegger-Auftrag ausgestrahlt. Wir haben in den vergangenen Wochen deutlich mehr Anfragen erhalten als im Vergleichszeitraum der Vorjahre«, freut sich das M&M-Holzhaus-Team.


Aufgrund der guten Auftragslage und der Nachfrage auf hohem Niveau sieht sich M&M Holzhaus weiter auf Wachstumskurs. »Wir suchen laufend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter«, sagt Martin Müller mit Blick auf das derzeit 30-köpfige Team. Mit dem Hundegger-Projekt geht für Martin Müller und Hans Möst ein Traum in Erfüllung. Zum 20-jährigen Bestehen vor zwei Jahren hatten die Chefs von M&M Holzhaus den Wunsch formuliert, irgendwann einmal ein öffentliches Gebäude, ein mehrstöckiges Mehrfamilienhaus oder gar ein Hochhaus aus Holz in die Realität umzusetzen. »Mit dem Gebäude in Hawangen sind wir jetzt sozusagen in die Champions League des Holzbaus vorgestoßen. Mit diesem Auftrag demonstrieren wir, was für tolle Sachen im Holzbau möglich sind. Somit haben wir unser Ziel erreicht«, erklärt Müller.

Fotos und Animationen: M&M

Holz, massives Holz, wohin man blickt: Das Sägezahn-Gebäude von Hundegger in Hawangen in diversen Bauphasen

Oben: Ein Wandteil kommt »angeflogen«. Links: Die Animationen zeigen eindrucksvoll, wie das markante Gebäude des HolzbearbeitungsMaschinenbauers einmal aussehen wird. Mit diesem Objekt ist die M&M Holzbau GmbH in neue Dimensionen des Objektbaues eingestiegen.

Hundegger: Auf dem richtigen Holzweg Seit Jahren ist die Firma Hundegger aus Hawangen Weltmarktführer auf dem Gebiet CNC-gesteuerter Abbundmaschinen (=computergesteuerte Holzschnittanlagen) mit einem Marktanteil von mehr als 90 Prozent. Die universellen, flexiblen Maschinen werden in allen Holzbausparten vom Zimmereiabbund, Lohnabbund, Holzrahmenbau, Blockhausbau, Fertighausbau, Leimholzabbund bis hin zur Fertigung von Spielplatzgeräten eingesetzt. Firmengründer Hans Hundegger arbeitete nach seiner Ausbildung zum Maschinenbauer zunächst als Konstrukteur in einer Fabrik für Schreinereimaschinen. Um das elterliche Sägewerk zu rationalisieren, begann er Ende der 1970er Jahre nebenberuflich mit der Entwicklung und dem Bau von Maschinen für Sägewerke. 1978 gründete er seine eigene Firma. 1981 begann Hans Hundegger, inspiriert von

Jakob Maier, dem Chef eines Türkheimer Holzbau-Unternehmens, mit der Entwicklung der weltweit ersten vollautomatischen Abbundmaschine. Diese wurde 1985 ausgeliefert. Nach wenigen Jahren war die Nachfrage nach diesen Maschinen so enorm, dass Ende 1987 die Produktion von Sägewerksanlagen eingestellt wurde, um sich voll auf die Weiterentwicklung und Vermarktung der Abbundmaschinen zu konzentrieren. Info: Hans Hundegger Maschinenbau GmbH Kemptener Straße 1 87749 Hawangen Tel. 08332/92330 Fax 08332/923311 info@hundegger.de www.hundegger.de Geschäftsführer: Hans Hundegger

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Bürgerbeteiligung

Solardach auf dem Feuerwehrhaus Herlazhofen – gebaut und betreut von der Energiegenossenschaft Leutkirch

Energiegenossenschaft – wie funktioniert das? Damit jeder Interessierte an der Energiezukunft teilhaben kann, auch wenn er weder Grundbesitz noch ein »solardachtaugliches Haus« hat, werden immer häufiger Energie-Bürgergenossenschaften gegründet, die Energieprojekte selbst in die Hand nehmen oder sich an lokalen Anlagen beteiligen. Im Westallgäu hat man damit bereits gute Erfahrung ichael Krumböck ist Aufsichtsratsvorsitzender der Energiegenossenschaft Leutkirch eG. In dieser Funktion hat der Umweltbeauftragte der Stadt Leutkirch (22.000 Einwohner) genauen Einblick in die Projekte der Energiegenossenschaft, die derzeit rund 300 Mitglieder und ein gezeichnetes Kapital von 700.000 Euro hat. Die Leutkircher Genossenschaft betreibt Solaranlagen auf städtischen Gebäuden, kümmert sich um lokale KraftWärme-Kopplung und hat sich bei der Investition in Nahwärme-Projekte eingebracht. Nicht ohne Stolz verweist Krumböck darauf, dass Leutkirch zum vierten Mal mit großem Abstand den ersten Platz in der Solar-Bundesliga belegte. 35 Millionen Megawatt werden in Leutkirch und in den Ortsteilen mit Solaranlagen gewonnen. Die Energiegenossenschaft steuert dazu aus ihren 17 Dächern 500.000 Megawatt bei. Inzwischen ist die Genossenschaft auch Partner in einer Flächenvoltaik-Anlage mit zehn Hektar.

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Michael Krumböck, Aufsichtsratsvorsitzender der Energiegenossenschaft Leutkirch eG

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Die Energiegenossen in Leutkirch haben sich seit der Gründung 2009 (84 Gründungsgenossen mit einem gezeichneten Kapital von 80.000 Euro) überwiegend auf Solar-Projekte konzentriert, weil Wasserkraft und Geothermie in der Nachbarstadt in Baden-Württemberg keine große Rolle spielen. Auch die WindenergieGewinnung sei dort nur bedingt möglich, weil nur wenige windhöffige Standorte zu finden sind. Genauere Untersuchungen, so Krumböck, seien derzeit im dortigen Planungsverband im Gange. Man sei gespannt auf die Ergebnisse. Sollte es brauchbare Standorte geben, werde die Genossenschaft sich auch in Windenergie-Projekte einbringen. Michael Krumböck mahnte, von Energiegenossenschaften keine Wunderdinge zu erwarten: »Renditen von acht und zehn Prozent, wie sie noch vor einigen Jahren in Hochglanzprospekten versprochen wurden, sind unrealistisch.« Aber immerhin konnten die Mitglieder der Energiegenossenschaft Leutkirch kürzlich


PV-Anlage auf dem Gemeindehaus Winterstetten

Photovoltaikanlage auf dem Flachdach des Gymnasiums Leutkirch

Fotos: Energiegenossenschaft Leutkirch/Himml

die erste Ausschüttung für das Jahr 2011 entgegennehmen: vier Prozent! Und auch die Stadt Leutkirch sah erstmals Gewerbesteuer-Einnahmen durch die Genossenschaft: 8000 Euro schon im dritten Geschäftsjahr – ein hoffnungsvoller Anfang. Michael Krumböck tritt auch anderweitig auf die Erwartungsbremse: »Energiegenossenschaften sind nur sinnvoll, wenn konkrete Projekte anstehen. Nur zum ‚Geldeinsammeln’ ist eine Genossenschaft überflüssig. Denn wenn die Mitglieder eine Rendite von vier Prozent erwarten und das Geld auf der Bank mit ein bis zwei Prozent ‚parken’, machen sie kein gutes Geschäft.« Und auch einer anderen Realität müsse man sich stellen: »Eine Genossenschaft wird vom genossenschaftlichen Prüfungsverband überwacht. Die Prüfungen sind aufwendig und kosten Geld.« Allerdings könne man mit einer Energiegenossenschaft Bevölkerungsschichten an der Energiewende beteiligen, die sonst keine Möglichkeit haben. In der Bürgergenossenschaft Leutkirch können sich Einwohner der Stadt und der Umlandgemeinden Anteilsscheine zu 100 Euro kaufen. Bei 10.000 Euro oder 100 Anteils-Scheinen ist die Obergrenze erreicht – mehr wird für eine Einzelperson nicht ausgegeben. Man wolle damit ganz bewusst verhindern, dass sich finanziell besser Gestellte höher »einkaufen«. Das sei auch in der Satzung sichergestellt: ob Mitglied mit einem Anteil oder Mitglied mit 100 Scheinen, bei der Generalversammlung habe alle nur eine Stimme. BürgerEnergie Wangen nennt sich eine weitere Westallgäuer Genossenschaft, die Mitglieder aus den Orten Wangen, Achberg, Amtzell, Argenbühl und Kißlegg aufnimmt. Ziele laut Satzung sind »Umsetzung kommunaler, regionaler Energieprojekte mit erneuerbaren Energien«. Die Genossenschaft versteht sich als Klimaschutz- und Energietreuhänder für alle Bürger, Unternehmen, Vereine, öffentlichen Einrichtungen rund um Wangen. Auch diese Gruppe installiert und betreibt Solaranlagen auf öffentlichen und privaten Gebäuden. Sieben Projekte wurden bisher durchgezogen, weitere sind in Planung. Alle bisherigen Anlagen sind Solardächer. Wie viele andere Bürgergenossenschaften kann sich auch die BürgerEnergie Wangen derzeit nicht über Kapitalmangel beklagen. Es werden nur noch in der Höhe begrenzte Anteile akzeptiert. Die BürgerEnergie Wangen hat eine hervorragende Homepage mit Kurzportraits aller bisher verwirklichten Anlagen. Die Genossenschaft hat eines ihrer Solardächer über die Homepage »transparent« gemacht. Jeder Besucher der Seite kann live die Leistungsdaten der Anlage auf dem Dach des Feuerwehrhauses in Wangen einsehen und die Statistiken auswerten. Darüber hinaus ist die Satzung der Genossenschaft für jedermann zu lesen – für Beitrittswillige gibt es ein Formular zum Download.

Die Leistung der Anlage auf dem Feuerwehrhaus in Wangen ist im Internet abrufbar

Kontakte und Info Energiegenossenschaft Leutkirch eG Jacqueline Schwärzler, kaufmännischer Vorstand Gänsbühl 7 88299 Leutkirch im Allgäu info@eg-leutkirch.de www.eg-leutkirch.de

BürgerEnergiegenossenschaft Region Wangen eG Marktplatz 1 88239 Wangen im Allgäu www.buergerenergie-Wangen.de Generelle Informationen über Bürgergenossenschaften finden Sie unter www.genossenschaftsverband.de und www.neuegenossenschaften.de

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Bioenergie

Besuchergruppe vor dem Biomeiler von Herbert Siegel (rechts) in Missen im Oberallgäu

Sparprogramm Biomeiler Das Badewasser kommt aus dem Kompost Biomeiler sind mit Sicherheit eine der kostengünstigsten Lösungen, um saubere Heizenergie zu erzeugen. Sie entziehen speziell aufgebauten Komposthaufen Wärme und sind daher auch unter dem Begriff »Kompost-Heizung« bekannt. Herbert Siegel aus Missen im Oberallgäu fährt seit Jahren gut damit ie Anlage besteht aus wenigen relativ einfachen Komponenten: Rohrleitungen, Wasser und ein Komposthaufen aus gehäckseltem Strauch- oder Zweigholz. Der einzige bewegliche Teil in solch einer Anlage ist eine Heizungspumpe. Dieser einfache Aufbau reduziert Wartungskosten und Ausfallrisiko. Entwickler dieses Systems ist der französische Agronom Jean Pain (1928 bis 1981). Ihm gelang es, durch einen natürlichen Verrottungsprozess zugleich Warmwasser, Warmluft, Biogas und hochwertigen Kompost zu gewinnen.

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Der Kompost-Heizer aus Missen Herbert Siegel aus Missen-Unterwilhams bezieht das Warmwasser für seine sechsköpfige Familie gänzlich aus seinem Biomeiler, der Anfang Oktober 2010 bei einem Durchmesser von 4,8 Metern und einer 58

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Höhe von zwei Metern mit 60 Kubikmetern Hackschnitzel befüllt wurde. Für die Warmwassergewinnung verlegte er einen Halb-Zoll-Schlauch mit einer Länge von 100 Metern spiralförmig. Im Biomeiler wird der Vorgang, der sonst einen Heustock zum Brennen bringen würde, bewusst herbeigeführt. In den ersten 60 Tagen Betriebszeit registrierte ein angebrachter Zähler nur für das Brauchwasser eine Leistung von 170 Kilowatt. Die gewonnene Energie konnte Siegel zwei Jahre nutzen. Zur Unterstützung seiner Heizanlage, die rund 280 Quadratmeter Wohn- und Geschäftsfläche beheizt, verlegte er zusätzlich noch einen Ein-Zoll-Schlauch mit einer Länge von 300 Metern. Für die Befüllung im Jahr 2012 hat Herbert Siegel bei gleicher Größe des Biomeilers einen noch längeren Schlauch für die Warmwasserversorgung verwendet.


Fotos: Heiner Cuhls

Vorbereiten der Wärmetauscher-Rohrschlangen: Mit Kabelbindern wird das Rohr auf einer zugeschnittenen Baustahlmatte befestigt

Wässern, wässern, wässern: Der fertige Biomeiler sollte an die 70 Prozent Feuchtigkeit haben

Ein Biomeiler »läuft« über 12 bis 18 Monate und generiert in dieser Zeit Wärme für Haus und Brauchwasser

Am besten ist es, die Rohre mit Raschelsäcken abzudecken. Sie schützen beim Abbau die Rohre vor der Forke und lassen sich einfach abtragen

Die Erfahrung hat ihn gelehrt, dass ähnlich wie bei Zapfanlagen ein Schlauch eingesetzt werden sollte, der die Geruchsstoffe des Biomeilers möglichst nicht an das Brauchwasser abgibt.

Ein natürlicher Vorgang Das Besondere an diesem System ist, dass es nur geringer materieller Ressourcen bedarf, um einen Biomeiler aufzubauen, in Gang zu setzen und zu nutzen. Er funktioniert nach dem Prinzip der Kompostierung, bei dem aerobe (= von Sauerstoff lebende) Bakterien organisches Material in Wärme, Kohlendioxid (CO2) und Ammonium umwandeln – ein natürlicher Prozess, der alltäglich um uns herum auf und im Erdboden vor sich geht. Das Kohlendioxid ist dabei das am wenigsten erwünschte Produkt. Da es sich aber ohnehin im Kompostierungsprozess bildet, generiert der Biomeiler kein zusätzliches Kohlendioxid. Vielmehr wird es eingespart, wenn der Biomeiler Gas und Öl als Brennstoff ersetzt. Das Ammonium hingegen wird durch die Bakterien in Nitrate und Nitrite umgewandelt, die wertvolle Düngemittel in Landwirt-

Der Aufbau eines Biomeilers mit einem Volumen von 100 Kubikmetern kostet rund 1700 Euro. Eine Alternative gerade für private Energiesparer

schaft und Gartenbau sind. Kompostierung ist der grundlegende natürliche Kreislauf, der organische Stoffe in ihre erneut brauchbaren Bestandteile zerlegt. Mit einem solchen Meiler lässt sich gut und gerne ein gedämmtes Einfamilienhaus, das über eine NiedrigTemperatur-Heizung verfügt, versorgen. Man benötigt dabei keinen Kamin, dadurch keine Kaminkehrerkosten und natürlich keinen Heizkessel. Aber auch Häuser mit herkömmlichen Heizkörpern ließen sich so beheizen, wenn man statt der Wasserrohre stärkere Leitungen verlegt, in denen Luft erwärmt wird, die dann dem Haus zugeführt wird. Zusätzlich könnte noch Gas gewonnen werden, das ein entsprechend ausgerüstetes Auto antreibt. Thomas Niehörster

Weitere Informationen zur »Kompost-Heizung«… …zum Aufbau, zur energetischen Ausbeute, Fragen und Antworten zum Biomeiler gibt das Unternehmen Native Power, das sich auf dezentrale Energieerzeugung für den Eigenbe-

darf spezialisiert hat. Regelmäßig bietet die Firma auch Seminare und Workshops zu dem Thema an. Weitere Informationen auf www.native-power.de

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Bio-Geschäftsidee

Zwei Allgäuer heizen ein BioHeat – Neuheit für Bioreaktoren Anfang 2010 hatte der Ostallgäuer Landwirt Hermann Specht Probleme mit seiner Biogasanlage: »In unserem Fermenter wurde es langsam immer kühler. Mitte Februar hatten wir nur noch 33 Grad Celsius.« Den Grund für den Leistungsabfall fand Specht schnell: »Die inneren Heizrohre waren verdreckt und verkrustet.« Mit seinem Partner löste er das Problem und erschloss sich eine neue Geschäftsidee

eben den verdreckten Heizrohren war auch das Gär-Restelager voll und verschärfte das Problem. »Wir mussten das schnell lösen, bevor das Frühjahr kam«, sagt Specht. In einem Bioreaktor müsse immer eine konstante Temperatur herrschen, sonst verliere der Fermenter Leistung und produziere weniger Gas. Und das führe wiederum zu finanziellen Einbußen. Aus dieser Not entstand der externe Wärmetauscher »BioHeat«. Mit dem Gerät stießen Specht und sein Partner Anton Schmid in eine Lücke: »Es gab damals keine überzeugende Lösung auf dem Markt«, berichtet Specht. Dabei waren er und Schmid fünf Jahre zuvor noch auf einem konventionellen Weg: Landwirtschaftsmeister Specht hatte eine Milchlandwirtschaft im Baisweiler Ortsteil Großried mit bis zu 65 Stück

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Hermann Specht und Anton Schmid vor ihrer Neuentwicklung BioHeat

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Allgäuer Braunvieh, Mechanikermeister Schmid aus Ingenried in der Gemeinde Pforzen einen Betrieb mit 45 Stück Vieh. Ihre Flächen im nördlichen Ostallgäu waren sehr ertragreich, weshalb beide mehr Futter erwirtschafteten, als sie in ihren Betrieben benötigten. Zwar verkauften sie auch Futter und Heu, aber »das war nichts wert, da es eine Überproduktion von Nahrungsmitteln gab«, sagt Specht. Zudem stand auch der Milchpreis nicht besonders gut und lag 2004 bei rund 27 Cent pro Liter. Als dann das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) verabschiedet wurde, sahen sie einen Weg, dieser Entwicklung entgegenzusteuern: »Da gab es für uns einen neuen Absatzmarkt, die Biogasproduktion, in der wir unser überschüssiges Futter sinnvoll im eigenen Betrieb verwerten konnten«, erzählt der 34-Jährige. Zu-


Fotos: Markus Frobenius

Fruchtwechsel: Frisches Gras wächst im abgeernteten Feld

An der kreisrunden Form und am aufgeblähten Ballondach erkennt man die Biogas-Anlagen

mal die Biomasse im Bereich der regenerativen Energie keine Konkurrenz für die Nahrungsmittelproduktion ist. »Die Lebensmittelknappheit in anderen Ländern ist eher ein Verteilungsproblem, das politische Ursachen hat«, meint Specht. 2005 ließen er und Schmid eine Biogasanlage für 150 Kilowatt (KW) bauen. 2007 erweiterten sie sie auf 500 KW. Inzwischen haben sie drei Vollzeit- und drei Teilzeitmitarbeiter, die in der Biogasanlage mit zwei Blockheizkraftwerken 25 Tonnen Tagesbedarf an Biomasse wie Mais, Gras und Getreide verarbeiten. Dabei achten die beiden Betreiber auch auf eine nachhaltige Fruchtpflege von Mais, Getreide und Gras auf den Feldern der Zulieferer. »Damit erreichen wir eine ausgeglichene Humusbilanz«, so Specht. In der Anlage werden 500 KW Strom und 650

KW Fernwärme produziert sowie Holz und Heu getrocknet. So weit, so gut. Doch dann trat das Problem mit den »Verbackungen« im Fermenter auf. Damit die darin eingesetzte Biomasse in einem anaeroben Prozess in mehreren Schritten zu Biogas und Gärrest abgebaut werden kann, ist eine durchschnittliche Temperatur zwischen 38 und 52 Grad Celsius vonnöten. Um sie zu erreichen, werden die Fermenter über zusätzliche Rohre beheizt. Diese jedoch verkrusten im Laufe der Zeit. Das Auswechseln der Rohre ist freilich risikoreich und teuer: Erst, wenn im Frühjahr wieder Gülle ausgebracht werden darf, kann auch der Fermenter leer gepumpt werden. »Das Öffnen des Hauptfermenters ist mit vielen Risiken verbunden. Vorübergehend herrscht bei solchen Aktionen eine gefährliche, explosive Atmosphäre«, berichtet der Freie Biogas-

Begriffserklärungen Ein Blockheizkraftwerk (BHKW) ist eine modular aufgebaute Anlage zur Gewinnung elektrischer Energie und Wärme, die vorzugsweise am Ort des Wärmeverbrauchs betrieben wird, aber auch Nutzwärme in ein Nahwärmenetz einspeisen kann. Sie nutzt dafür das Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung.

Hygieneverordnung unterliegen und unbehandelt nicht landwirtschaftlich entsorgt werden dürfen. Prinzipiell kann zwischen zwei Arten der Behandlung unterschieden werden: drucklos als Hygienisierung oder auch Pasteurisierung bei 70°C für eine Stunde oder als Drucksterilisation bei 133°C für 20 Minuten.

Ein Fermenter, häufig auch als Bioreaktor bezeichnet, ist ein Behälter, in dem zerkleinerte Pflanzen unter möglichst optimalen Bedingungen kultiviert (auch: fermentiert) werden. Als Gärrest wird der flüssige oder feste Rückstand bezeichnet, der bei der Vergärung von Biomasse in einer Biogasanlage zurückbleibt. Wegen seines hohen Gehalts an Nährstoffen wird er meist als landwirtschaftlicher Dünger verwendet. Auch die Bezeichnung Biogasgülle wird verwendet.

Der Wärmetauscher (auch Wärmeübertrager oder Wärmeaustauscher) ist ein Apparat, der thermische Energie von einem Stoffstrom auf einen anderen überträgt. Eine ausgeglichene Humusbilanz ist ein wesentliches Kriterium für nachhaltigen Pflanzenbau. Silomais zählt wie Rüben oder Kartoffeln zu den humuszehrenden Früchten, was häufig als Kritikpunkt am Maisanbau geäußert wird.

Hygienisierung: Biogasanlagen werden neben pflanzlichen Energieträgern auch mit Substraten beschickt, die der

Weitere Informationen: www.sse-maschinen.de

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Bio-Geschäftsidee

Die zähen Verbackungen an den Rohren im Fermenter sind auf dem Bild oben gut zu erkennen

Die Neuentwicklung »BioHeat« von Specht und Schmid spart Zeit, Geld und Arbeit

Berater Toni Baumann aus Wangen. Denn in dem Fermenter könnten Gase entstehen, die »toxische und explosionsfähige Konzentrationen annehmen.« Zudem könne die Arbeit in dem Behälter vergeblich sein: »Das Entfernen der an den Heizkörpern angebackenen Krusten ist eine Sisyphus-Arbeit. Eine Mischung aus koaguliertem Eiweiß und kristallisiertem Magnesium-Ammonium-Phosphat haftet wasserunlöslich an den Heizrohren und kann nur mit Höchstdruckreiniger, Sandwasserstrahl, Turbobürsten, oder anderem Spezialgerät entfernt werden. 62

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»Die Arbeit ist deshalb besonders frustrierend, weil jeder, der so eine Anlage fährt, genau weiß, dass sie in wenigen Jahren wieder auf ihn zukommen wird«, so Baumann. Und schließlich führen diese Reparaturen zu Betriebsunterbrechungen, die mehrere Wochen dauern können, bis wieder ein Volllastbetrieb möglich ist. All diese Gefahren und Nachteile können durch den Einsatz des »BioHeat« vermieden werden, da das Gerät extern angeschlossen wird: »Der Gärprozess bleibt dabei unangetastet und es gibt keine Betriebsunterbrechung«, erläutert Specht. Die dauernde Funktionstüchtigkeit der Biogasanlage ist aber auch wichtig, weil der Gärrest als Dünger in einen Kreislauf einfließt: Er speist nämlich die Pflanzen, die als Biomasse verbraucht werden. »Deshalb dachten wir uns selbst etwas aus«, fügt er an. Nach mehreren Versuchen hatten sie eine »optimale« Heizung gebaut: einen »Doppelrohrwärmetauscher« aus Edelstahl, dessen Kupplungen in einem speziellen Verfahren angefertigt sind. Die Anzahl der Doppelrohre kann aufgrund der Modulbauweise von zwei bis 24 variiert und damit auf den jeweiligen Bedarf ausgerichtet werden – dementsprechend ist der Preis von der Leistung und den Gegebenheiten vor Ort abhängig. Zwischen dem Außen- und dem Innenrohr fließt warmes Wasser, während die Gülle im inneren Rohr ist. Ende 2010 gründeten Specht und Schmid dann die »SSE Energietechnik«. Mittlerweile haben die beiden in dem Betrieb rund 70 dieser Heizsysteme gebaut und sie bundesweit verkauft – einige Anlagen sind jedoch auch schon in Österreich im Betrieb. Die Installation und Wartung übernehmen die beiden allerdings nur noch im Allgäu und der näheren Umgebung. Die Nutzung des Heizsystems ist obendrein vielfältig und deshalb perspektivisch: So könne die Biomasse vor der Hygienisierung oder zwischen Vorgrube und Hauptfermenter vorgewärmt werden. Außerdem könne die Anlage zur Unterstützung der Ersatzaufheizung als Hauptheizung oder Nachheizung eingesetzt werden, erläutert Specht. Zwar haben er und Schmid seit 2009/10 kein Vieh mehr, doch mit ihrem Mischbetrieb sind sie nun zufrieden: Specht ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Großried, während Schmid liiert ist und in Ingenried lebt. Die Biogasanlage mit den Blockheizkraftwerken, der Trockenanlage, den Maschinenhallen und dem Energietechnikbetrieb haben sie auf einen Hof zwischen beiden Ortsteilen zusammengelegt. Für die Montage der Wärmetauscher bleibt auch noch Zeit, da die durchschnittliche Hof-Feld-Entfernung nur 2,5 Kilometer beträgt. »Biogas und seine effiziente Nutzung sind eine nachhaltige und unabhängige Form der Energiegewinnung«, lautet deshalb das Fazit von Specht. Markus Frobenius


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Wasserstoff

Energie in den Tank packen Wind und Sonne werden »eingeweckt« Das Allgäu liegt nicht zentral in Deutschland – und auch nicht im Schnittpunkt der Energietrassen. Dezentrale Energie-Lösungen zu untersuchen und einzusetzen, ist das Gebot der Stunde. Wasserstoff scheint Potenzial im Energiemix zu haben. allgäuALTERNATIV hat deshalb einen Ausflug weit in den Norden der Republik gemacht

auerthal ist nicht der Nabel der Welt. Wahrhaftig nicht. In Brandenburg, nicht weit von der polnischen Grenze, findet man den Ort – wobei der Begriff Ort eigentlich auch nicht zutrifft. Dauerthal ist eine kleine grüne Insel, nur ein paar Gebäude und Hallen inmitten riesiger Ackerflächen. Dauerthal, das ist die Firma Enertrag. Eine Aktiengesellschaft, die sich so beschreibt: »Wir sind ein auf Nachhaltigkeit spezialisiertes europäisches Energieunternehmen, das Strom ausschließlich aus erneuerbaren Quellen produziert – hauptsächlich aus Windenergie. Enertrag verfügt als Schrittmacher der Energiewende auch über eine umfassende und gefragte Kenntnis im Bereich der Speichertechnologien auf der Basis von Wasserstoff.« Warum taucht dieser norddeutsche Windriese in einer Zeitschrift für das Allgäu auf, werden Sie sich jetzt fragen. Die Antwort ist gar nicht schwer: Wir brauchen im Allgäu grundlastfähigen Strom. Den liefern weder die wenigen Windräder in Bayern noch die

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Fotos: Enertrag

Drei Elektrolyseure bei der Endmontage und vor der Auslieferung an die Kunden

Solardächer und Solarparks, die derzeit überall installiert werden. Die großen Stromtrassen, von denen alle reden, werden noch lange auf sich warten lassen. Also müssen kurz- und mittelfristige Lösungen für unsere Region gefunden werden. Enertrag hat dieses Problem erkannt: Wind- und Sonnenstrom wird erst richtig wertvoll, wenn man ihn speichern kann. Darum gründete man in Dauerthal 2010 eine Tochterfirma, die Enertrag HyTech GmbH, die sich mit der Umwandlung von Strom in Wasserstoff in einem Hybridkraftwerk beschäftigt. Diese Umwandlung findet in einem Elektrolyseur statt. Die Oberallgäuer Tüftler Peter Schmeller und Richard Schalber (wir berichteten in unser Ausgabe 1/12 über das wasserstoffbetriebene Auto der beiden aus Bad Hindelang) haben bei diversen Vorträgen in der Region aufgezeigt: Die Umwandlung vom Windund Sonnenstrom in Wasserstoff bringt schwankende Stromausbeute in planbare Verteilwege. Statt Strom unter hohem Leitungsverlust auf Landschaft belasten-

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Stromnetz Der stets saubere Windstrom des Hybridkraftwerks reist über das Enertrag-eigene Einspeisenetz mit einem 220/110kV-und sechs 110/20kV-Umspannwerken direkt in das europäische Verbundnetz zum Verbraucher.

Windkraftanlagen Drei Windenergieanlagen mit je 2 MW Nennleistung sind über ein Mittelspannungskabel mit der Elektrolyseanlage direkt elektrisch verbunden. Dieses Mittelspannungskabel ist eingebunden in das Mittel- und Hochspannungsnetz, das über das Umspannwerk Bertikow direkt in das 220kV-Höchstspannungsnetz der 50 Hertz Transmission GmbH einspeist.

Blockheizkraftwerk Auch eine prima Erfindung, denn was braucht der Mensch? Strom und Wärme, und beides liefert das Blockheizkraftwerk als Teil unseres Hybridkraftwerkes. Läuft mit einem Gemisch aus unserem WindWasserstoff und Biogas. 100% klimaneutral und flexibel je nach Bedarf.

Fernwärme Der Blockheizkraftwerk-Teil in unserem Hybridkraftwerk erzeugt Strom. Die dabei entstehende Wärme oder thermische Energie gelangt durch ein wärmegedämmtes Rohrsystem direkt in die Wohngebäude und kann prima zum Heizen oder zur Warmwasseraufbereitung genutzt werden.

Mischventile Der gespeicherte Wind in Form von Wasserstoff wird mit Biogas gemischt, um daraus wieder Strom und diesmal auch Wärme zu erzeugen.

Wie immer kommt es dabei auf die richtige Mischung an. So kann ein optimaler Mix aus Biogas und Wind-Wasserstoff den Output verdoppeln.

Biogas-Speicher Bei Bedarf produziert das Hybridkraftwerk Strom, wozu Biogas mit dem gespeicherten Wind in Form von Wasserstoff gemischt wird. Biogas entsteht durch Vergärung von Biomasse wie Gülle, Pflanzen oder dem Inhalt Ihrer Bio-Tonne.

Wasserstofferzeugung Das Herzstück des ersten Hybridkraftwerkes ist ein 500-kW-DruckElektrolyseur, der aus Windstrom durch Elektrolyse von Wasser Sauerstoff und Wasserstoff erzeugt. Er kann jederzeit flexibel je nach Bedarf und Windsituation eingesetzt werden. Weht beispielsweise so viel Wind, dass die Energie den Bedarf übersteigt, fließt der Windstrom in den Elektrolyseur, der den Wind speicherbar macht.

Wasserstoffspeicher Hier wird der Wind »eingefangen« und in Form von Wasserstoff gespeichert. Das Gas kann sogar in vorhandenen Erdgasspeichern auf Vorrat gehalten werden, bevor es bei Bedarf wieder in Strom umgewandelt oder als reiner Treibstoff genutzt wird.

Kraftstoffe Alternative Antriebsformen machen nur Sinn, wenn ihr »Benzin« CO2-frei gewonnen wird. Unser Wind-Wasserstoff wird nach Eröffnung des neuen Flughafens Berlin-Brandenburg an der ersten CO2-freien Tankstelle der Welt erhältlich sein.

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Wasserstoff

Wer ist Enertrag? 430 Mitarbeiter von Enertrag sorgen mit ihrer Kompetenz europaweit für ein erfolgreiches Betreiben von eigenen und betreuten Windkraftanlagen. Von der Planung, Technologie-Entwicklung und Finanzierung über den Bau und die Betriebsführung bis zur Einspeisung in das eigene Stromnetz mit dazugehörigen Umspannwerken und europaweitem Anschluss ist Enertrag eines der wenigen Unternehmen weltweit, das jedes notwendige Glied in der Produktionskette von nachhaltiger Windenergie bedient.

Begonnen hat das alles mit dem Bau der ersten eigenen Windenergieanlage 1992/ 93. Inzwischen zählt Enertrag zu den führenden Windstromerzeugern mit mittlerweile über 500 errichteten Windenergieanlagen und 1,9 Milliarden Kilowattstunden Stromerzeugung jährlich. Das ist ausreichend für den Haushaltsbedarf von über 1,3 Millionen Menschen. Das spart pro Jahr etwa 1,3 Millionen Tonnen CO2, 1400 Tonnen Stickoxide und 420 Tonnen Feinstaub, so die Berechnung des Bundesumweltministeriums.

den Stromtrassen herbeizuschaffen, kann er – umgewandelt in Wasserstoff – über das vorhandene Gasleitungsnetz zum Verbraucher gelangen. Da gerade im Allgäu viele kleinere Ortschaften und Gehöfte nicht am Gasleitungsnetz hängen, wären kleine unabhängige Elektrolyseure mit Wasserstoffspeichern im Inselbetrieb für unsere Region denkbar und sinnvoll. Ein Arbeitsfeld, für das Schmeller und Schalber trotz Unterstützung durch den Oberallgäuer Landrat Gebhard Kaiser und die Grünen-Landtagsabgeordneten Adi Sprinkart und Thomas Gehring immer noch praktische Hilfe aus fachlich interessierten mittelständischen Betrieben suchen. Die Enertrag-Tochter aus Brandenburg beweist mit ihren Aktivitäten, dass »Power to Gas« keine Technologie vom anderen Stern mehr ist. Bereits Ende 2011 wurde ein Hybridkraftwerk im uckermärkischen Prenzlau in Betrieb genommen. Der 600-kW-Prototyp bot Enertrag HyTech die Möglichkeit, Material und Haltbarkeit zu prüfen und Effizienzsteigerungen im täglichen Betrieb zu erreichen. Michael Wenske, Projektleiter Wasserstoff: »Mit dem atmosphärischen Elektrolyseur in Prenzlau verfügen wir über ein erprobtes System mit einer installierten Leistung von 600 kW und mehr als 120 Normkubikmetern Wasserstoff pro Stunde.« Kürzlich hat das Unternehmen die Vorserienproduktion von größeren Elektrolyseuren aufgenommen: Drei Zwei-Megawatt-Elektrolyseure wurden an die Kunden ausgeliefert. Wenske weiter: »Bereits jetzt haben wir das Know-how für eine Sechs-Megawatt-Anlage, die 1000 Normkubikmeter Wasserstoff pro Stunde schafft.« Einen Auftrag für eine solche Anlage haben die Dauerthaler Tüftler schon vorliegen. Forschung und Entwicklung gehen im ruhigen Fleckchen Dauerthal weiter. So setzt man bei der Betrachtung zukünftiger Energiesysteme mit dem alkalischen Druckelektrolyseur auch auf eine weitere neue Produktlinie. Den Prototyp hat Enertrag HyTech an das Wasserstoffforschungszentrum der Brandenbur66

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Hier wird die neue Wasserstofftankstelle vorgestellt. Harmloses Abfallprodukt beim Fahren ist Wasserdampf

Grundsteinlegung der Multi-Energie-Tankstelle

gischen Technischen Universität Cottbus (BTU) geliefert. »Bei diesem wird mit einem Betriebsdruck von bis zu 60 bar getestet. Ziel ist es, die Einspeisung von Wasserstoff in ‚Mitteldruckleistungsnetze’, also in normale Gasleitungen, zu realisieren«, berichtet man bei Enertrag. Dabei wird Wasserstoff unter hohem Druck produziert und so bereits innerhalb des Produktionsprozesses komprimiert. Das erspart den energieintensiven Zwischenschritt der Gasverdichtung mittels eines Kompressors. Bei allen Untersuchungen in Brandenburg geht es darum, Elektrolyseure zu bauen, wie sie den Anforderungen der Energiewirtschaft in allen Belangen entsprechen. Zentrale Begriffe hierbei sind integrierte Power-to-Gas-Kraftwerke und CO2-freie Mobilität auf Basis von Wasserstoff. Konzentrierte Entwicklungsarbeit und Forscherdrang abseits der großen Zentren funktionieren nahe der polnischen Grenze zwischen Äckern und Getreide – was Dezentralität angeht, hat das Allgäu mindestens ebenso gute Voraussetzungen. Ob gute Ideen auch in einer Region der grünen Wiesen und Bergwälder gedeihen, wird die Zukunft zeigen.


Energiesparen

Im März Prämie sichern Alte Heiz-Pumpen raus! Was viele nicht wissen: Nicht die alten Gefrierschränke sind die Spitzenreiter unter den Stromfressern, sondern veraltete, ungeregelte Heizungsumwälzpumpen. AllgäuStrom unterstützt gemeinsam mit Installateuren aus dem Allgäu und dem Kleinwalsertal den Austausch von alten Heizungsumwälzpumpen. Bis 31. März 2013 können Sie sich noch die Prämie von 50 Euro sichern

eizungsumwälzpumpen sind das Herzstück jeder Öl-, Gas- oder Pelletheizung: Sie fördern das warme Wasser vom Heizkessel durch die Leitungen zu den Heizkörpern. Doch Bruno Wagner, Energieberater beim Allgäuer Überlandwerk und Partner von AllgäuStrom, rät zur Vorsicht: »Veraltete, ungeregelte Heizungsumwälzpumpen sind die Spitzenreiter unter den Stromverschwendern. Sie arbeiten stets mit voller Kraft, ganz gleich, ob die Wärme gerade benötigt wird oder nicht«, erklärt er. »Das treibt die Stromkosten in die Höhe.« Wer jedoch auf eine geregelte Hocheffizienz-Umwälzpumpe der Energieeffizienzklasse A umsteigt, profitiert doppelt: Neben der Stromersparnis, die schnell einmal über hundert Euro pro Jahr beträgt, bekommt er 50 Euro als Zuschuss. »Geräte mittlerer Preisklasse amortisieren sich oft bereits nach zwei bis zweieinhalb Jahren, denn der Tausch kostet ungefähr – inklusive Arbeitszeit, Kleinmaterial und einer Stunde Arbeitszeit gerechnet – zwischen 390 und 450 Euro«, so Wagner. Die Aktion ist eine gemeinsame Initiative von AllgäuStrom und Installateuren im Allgäu und Kleinwalsertal. Ziel ist es, so viele Kunden wie möglich für den Umstieg auf geregelte und effiziente Heizungsum-

Fotos: Archiv

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Ältere Umwälzpumpen (Foto oben) können Stromfresser sein. Neue Modelle (oben links) werden bezuschusst

wälzpumpen zu ermutigen, um damit den Energieverbrauch im Allgäu zu reduzieren. »Bereits rund 500 Kunden haben das Angebot genutzt«, verrät Bruno Wagner. »Wer das ebenfalls tun will, kann sich bis Ende März noch dafür entscheiden.«

Hier gibt es Gutscheine Eine Übersicht aller teilnehmenden Installateure finden Interessierte im Internet unter www.allgaeustrom.de Den Gutschein für den 50-Euro-Zuschuss können AllgäuStrom-Kunden telefonisch beantragen oder persönlich abholen bei ihrem jeweiligen AllgäuStrom-Energielieferanten, die im Einzelnen sind:

Allgäuer Kraftwerke GmbH: (08321) 269-119 Allgäuer Überlandwerk GmbH: (0800) 2521-320 Energiegenossenschaft Mittelberg eG: (08366) 271 Elektrizitätsgenossenschaft Rettenberg eG: (08327) 1217 Elektrizitätswerk Hindelang eG: (08324) 9300-15 Energieversorgung Oberstdorf GmbH: (08322) 911-0 Energieversorgung Oy-Kressen eG: (08366) 692 Weißachtal-Kraftwerke eG: (08386) 486-0 Energieversorgung Kleinwalsertal GmbH: 0043/(0)5517/5204-0

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Energiesystem

Die Wohnanlage spart... ...dank dem Wissen von Allgäuer Spezialisten Viel zu oft sind die sogenannten Häuslebauer im Fokus der Anbieter von Energiespar-Konzepten. Die Fachleute der RENNERGY System AG in Buchenberg haben nun in Kempten den Beweis angetreten, dass auch große Wohnanlagen älteren Datums auf Sparkurs gebracht werden können. Eine Wohnanlage mit 82 Wohneinheiten wurde auf »schlanke Energie« getrimmt

as- und Ölpreise steigen jährlich, genauso die Stromkosten. Das merkt der kleine Hausbesitzer ebenso wie der Wohnungsinhaber oder der Mieter in einer Wohnanlage beim Blick auf die Abrechnung. Insbesondere, wenn die zentrale Heizanlage im Wohnblock in die Jahre gekommen ist. Wer nach Alternativen sucht, wird schnell feststellen: Holz-Pellets sind im langjährigen Vergleich gegenüber den fossilen Brennstoffen deutlich günstiger, aktuell liegt dieser Preisvorteil bei 42 Prozent. Das Heizen mit einer Pellet-Anlage ist sparsam und ökologisch. HolzPellets erlauben nämlich einen schnellen Umstieg auf eine regenerative Energieversorgung, sie sind praktisch in der Anlieferung, gut lagerbar, hocheffizient und Natur pur. Auch wenn Photovoltaik derzeit von Umweltminister Peter Altmaiers Öko-Bremse betroffen ist: Richtig eingesetzt – überwiegend für die Eigennutzung – bietet die Photovoltaik immer noch viel Spar-Potential. Die Photovoltaikanlage empfinden die meisten

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82 Wohneinheiten hat diese Anlage in Kempten

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Menschen nicht mehr als Fremdkörper auf den Hausdächern, sondern als einen wichtigen Bestandteil der Haustechnik, um Stromkosten zu sparen. Es stellt sich die Frage, ob mit klugen Kombinationen von Pellets und PV auch Lösungen für große Wohneinheiten gefunden werden können. Nach solch einer modernen, umweltschonenden, nachhaltigen und sparsamen Gesamtlösung hat auch eine Kemptener Hausverwaltung für ihr zu betreuendes Objekt gesucht. Die 82 Wohnparteien forderten für die Wohnanlage eine Senkung der Energiekosten, eine umweltfreundliche und zuverlässige Gesamtlösung sowie eine rasche Modernisierung und Amortisation der Anlage. RENNERGY System AG aus Buchenberg wurde als Partner bei der Eigentümerversammlung gewählt. Das Unternehmen aus dem Allgäu überzeugte als Systemhersteller im Bereich regenerativer Energien und bekam den Zuschlag für das Gesamtprojekt. RENNERGY konzipierte, plante und realisierte das komplette Heiz- und Energiesystem in der Wohnanlage. Die Aufgabe bestand darin, zwei Ölkessel (Baujahr 1991) mit je 285 kW durch eine effiziente Pelletanlage mit zweimal 199 kW zu ersetzen. Der hohe Energiebedarf von jährlich 800.000 kWh und die gestiegenen Brennstoffkosten der letzten Jahre sprachen eindeutig für Pellets. Der vorhandene kellergeschweißte Öltank wurde von RENNERGY fachgerecht ausgebaut und entsorgt. Der dadurch frei gewordene Raum wurde im Nu zu einem Pelletlager umfunktioniert. Die 82 Wohn-Parteien können nun ihren kompletten Jahresbedarf an Pellets dort lagern. Ein kleines Kunststück bestand darin, die Hauptkomponenten wie Pelletkessel und Pufferspeicher über ein Außenfenster in die tiefer gelegene Heizzentrale zu bekommen. Hierfür hatten die Buchenberger ebenfalls eine Lösung. Die bleibt allerdings Betriebsgeheimnis. Die erzeugte Wärme der Pellet-Kessel, die einen Leistungsbereich von 60 bis 398 kW in Kaskade (Beschickung von einem Lager auf mehrere Brenner) auf-


Auf dem Flachdach sind PV-Elemente aufgeständert

Fotos: RENNERGY

weisen, wird über eine hocheffiziente Heizungsumwälzpumpe der Energieeffizienzklasse A in das vorhandene Heizungsnetz gepumpt. Ein Pufferspeicher mit 3900 Litern Inhalt und eine intelligente Pufferspeicherlogik sorgen dafür, dass die Wärmeerzeuger und die Wärmeabnehmer hydraulisch entkoppelt sind. Zudem wird in den Pufferspeichern ganzjährig die Wärme des Photovoltaik-Heizmoduls eingespeist. Für die Deckung des hohen Warmwasserbedarfs und der ständig wechselnden Warmwassermengen der Wohnanlage wurde ein Speicherladesystem integriert. Während der Wärmeüberträger die kontinuierliche Grundversorgung übernimmt, deckt der zusätzliche Speicher die Bedarfsspitzen ab. Dabei wurde das gesamte System so ausgelegt, dass es mit der zur Verfügung stehenden Heizenergie auskommt und auf jeden Fall die maximal benötigten Trinkwarmwassermengen liefern kann. Bei den derzeitigen Energiepreisen wird mit der neu eingesetzten Pelletheizanlage eine voraussichtliche Brennstoffkosteneinsparung von circa 36.800 Euro und eine CO2-Reduzierung von 208.000 Kilogramm im Jahr erzielt. Die weitere Aufgabe bestand darin, möglichst viele Photovoltaik-Module auf das Flachdach zu montieren. Eine Herausforderung waren hier die unterschiedlichen Höhen der Attika und verschiedene schon vorhandene Bauteile auf dem Dach der Wohnanlage. RENNERGY profitierte hier von der guten Marktkenntnis und Erfahrung. Durch die Kombination von Träger- und Befestigungssystemen unterschiedlicher Hersteller gelang die optimale Nutzung des Flachdaches. Die Solarleitungen konnten über einen bestehenden Abluftschacht in den Heizraum verlegt werden und einfach an das Photovoltaik-HeizModul angeschlossen werden. Dort befinden sich zwei Wärmetauscher mit je 12 kW Heizleistung. Die im Wärmetauscher erzeugte Wärme wird über die Heizungspumpe in den oben beschriebenen Pufferspeicher eingeschichtet. Über diverse Sicherheits-Systeme mit Vorwahl-Möglichkeiten werden Durchflussmengen, Temperaturen und optimale Einstellungen bei unterschiedlichen Sonneneinstrahlungen gesteuert. Das PV-Heiz-Modul ist ohne anfälligen Wechselrichter aufgebaut und kann sofort ohne Anmeldung beim Stromversorger betrieben werden. Es gibt jedoch auch eine weitere Variante: Produziert die Anlage im Sommer mehr Strom, als Wärme benötigt wird, kann er zu normalen Tarifen ins Netz eingespeist werden. Hierfür ist allerdings eine Anmeldung beim Energieversorger notwendig. Bei dem neu eingesetzten PV-Heiz-System von RENNERGY werden circa 18.000 kWh Leistung pro Jahr erzeugt, die ungefähr 443.000 Liter Wasser im Pufferspeicher von 40° auf 75° Grad Celsius erwärmt und so zusätzlich circa sieben Tonnen Pellet-Einsparung pro Jahr mit sich bringt.

Im Keller »versteckt« befindet sich die Energiezentrale

Die schematische Darstellung der Elemente im Brauchwasserkreislauf

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Recycling

Abfall erzeugt Energie Das Konzept des ZAK – viel mehr als Müll Die Landkreise Lindau und Oberallgäu sowie die Stadt Kempten haben sich 1991 als entsorgungspflichtige Körperschaften im Zweckverband für Abfallwirtschaft Kempten (ZAK) zusammengeschlossen. Hochmoderne Anlagentechnik und intelligentes Energiemanagement sind die Grundpfeiler des ZAK-Energiekonzeptes. Seitdem optimiert der Zweckverband seine Infrastruktur – bis zum heutigen Tag. Nutznießer sind die Bürger. allgäuALTERNATIV wagt einen Blick hinter die Kulissen iel des ZAK ist es, die abfallwirtschaftlichen Aufgaben »Vermeiden, Verwerten und Entsorgen« für über 290.000 Einwohner gemeinsam zu lösen. Das heißt konkret: die Restmüllmengen zu minimieren, die Entsorgungssicherheit zu garantieren und abfallwirtschaftliche Anlagen bereitzustellen. Hierzu zählt das, was der Bürger vor Ort sieht, die Wertstoffinseln und Wertstoffhöfe. Was er meist nicht sieht, sind die Vergärungsanlagen für Bioabfälle sowie das Müllheizkraftwerk in Kempten. Rund 90 Mitarbeiter sind dafür verantwortlich. Die Leerung der Müllgefäße erfolgt übrigens durch private Firmen. Die ZAK-Anlagen nutzen die anfallende Verwertungsenergie optimal zur Erzeugung von Strom und Wärme. Neben dem Müllheizkraftwerk (MHKW) und dem Holzheizkraftwerk (HHKW) in Kempten entstand im Laufe der letzten 20 Jahre ein Verbund an leistungsstarken Energielieferanten: Holzheizwerke in Sonthofen und Scheidegg, an denen der ZAK beteiligt ist, sowie zwei Vergärungsanlagen in Kempten-Schlatt und Burgberg, hochtechnische Anlagen zur umweltgerechten Verwertung der anfallenden Abfälle: Restmüll, Forstreste, Altholz, Grün- und Bioabfall. Der erzeugte Strom geht in das öffentliche Netz. Die Fernwärme wird über ZAK-eigene Netze vermarktet und an die Verbraucher abgegeben.

Z Photovoltaikanlage Waltenhofen-Herzmanns

Müll- und Holzheizkraftwerk Kempten

70.123 Tonnen weniger CO2 Die umweltfreundliche Energieerzeugung in den ZAK-Anlagen ersetzt schadstoffintensive Energiequellen. Dies erspart der Region nicht nur den Einsatz von 37 Millionen Litern Heizöl (oder 37 Millionen Kubikmeter Erdgas), sondern auch beeindruckende 70.123 Tonnen CO2-Emmissionen. Jahr für Jahr. Da stellt sich natürlich die Frage: Entwickelt sich der ZAK vom Abfallwirtschaftsbetrieb immer mehr zum Energielieferanten? Thomas Settele, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit beim ZAK: »Zum Teil ja. Fakt ist, dass der ZAK die Herausforderungen einer abfalltechnischen Revolution in den 1990er-Jahren konsequent umgesetzt hat. Weg von der unsortierten Müllverbrennung, hin zur stoffspezifischen Verwertung. Das war 70

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ein grundsätzlicher Wandel, aus der Not geboren: Müllnotstand, randvolle Deponien. Moderne Abfallwirtschaft, wie sie der ZAK 1991 formulierte, hat mit Energie zu tun, und das bedeutet immer auch Energieeffizienz.« Jeder, der Wertstoffe trennt und sammelt, trägt zum Energiesparen bei, weil Recycling immer weniger Energie verbraucht als die Neuproduktion. Aluminium- und Eisenrecycling ist beispielsweise in höchstem Maße energieeffizient. Man denkt beim Thema ZAKEnergie eher an die beiden Heizwerke für Müll und Holz oder an die Vergärungsanlagen. Das ist alles die gleiche Seite der Medaille. Der ZAK hat primär den Auftrag, Abfälle zu sammeln und zu verwerten bzw. für deren Verwertung zu sorgen. Wenn das sorgfältig geschieht, wird Energie gespart. Die bei den Verwertungsprozessen anfallende Energie wird genutzt. Strom und Wärme entstehen bei der thermischen Verwertung und aus der Vergärung.

Die logische Konsequenz Der ZAK hat sich verstärkt darum bemüht, Ökologie und Ökonomie unter einen Hut zu bringen. Nachhaltigkeit und umweltfreundliche Technik sind Teil einer modernen Abfallwirtschaftspolitik. Hier gezielt zu investieren, ist sinnvoll und rechnet sich für den Gebührenzahler. Energie aus den ZAK-Anlagen ist nicht nur umweltfreundlich, sie ist auch rentabel.

Fernwärme – ein Erfolgsmodell Bis zum heutigen Tag wurde das ZAK-Fernwärmenetz in Kempten kontinuierlich auf eine Länge von rund 40 Kilometern ausgebaut. Etwa 230 Kunden werden vom ZAK mit 150 Millionen Kilowattstunden pro Jahr versorgt. Diese Energieleistung entspricht dem Verbrauch von 16,5 Millionen Litern Heizöl. Gerade bei der Wärmenutzung profitiert die Stadt Kempten besonders. Wärme kann man nicht ohne hohe Verluste kilometerweit transportieren. Die ZAK-Energie wird so zu einem wesentlichen Mosaikstein für das anspruchsvolle Klimaschutzziel der Stadt Kempten. Etwas zehn Prozent der Kemptener CO2-Emmissio-


Energie aus Grün- und Bioabfall Die beiden ZAK-Vergärungsanlagen in Kempten-Schlatt und Burgberg verfügen über einen hochmodernen Standard, was Technik und Ausstattung betrifft. Diese Technik verlangt aber auch einen hohen Betreuungs- und Wartungsaufwand. Zwei Anlagen auf diesem Niveau zu betreiben, ist langfristig zu teuer. Der ZAK hat sich deshalb zu einer Spezialisierung der beiden Anlagen entschlossen. In der kleineren Anlage in Burgberg werden in Zukunft ausschließlich Grünund Gartenabfälle kompostiert und vergoren. Pro Jahr sind das rund 13.000 Tonnen. Die Anlage erzeugt dabei rund 1.500 MWh Strom, was dem Bedarf von ca. 610 Haushalten entspricht. Der Vorteil: Die Verwertung von Grüngut ist mit einem deutlich niedrigeren Betreuungsaufwand verbunden. Das lässt die Betriebskosten drastisch sinken. Außerdem wird die ausschließliche Verarbeitung von Grüngut mit dem NaWaRo-Bonus (Bonus für Strom aus nachwachsenden Rohstoffen) gefördert.

Die größere Anlage in Kempten-Schlatt wird für die Verarbeitung und Verstromung von rund 18.000 Tonnen Bioabfällen und Grünschnitt genutzt. Es werden rund 4.330 MWh Strom erzeugt. Das entspricht dem Bedarf von ca. 1730 Haushalten. Der Vorteil der Konzentration: Bioabfälle und Speisereste bringen eine deutlich höhere Energieausbeute als die Verarbeitung von gemischten Abfällen. Solaranlagen brauchen Fläche. Bevor landwirtschaftlich wertvolle Flächen dafür beansprucht werden, gilt es, bestehende Infrastruktur zu nutzen. Der ZAK kauft keine neuen Grundstücke, sondern nutzt die Wertstoffhöfe oder brachliegendes altes Deponiegelände wie in Waltenhofen-Herzmanns. Nun gilt die Altdeponie als »Konversionsfläche« und kommt so zu neuer Bedeutung: als Standort für einen groß angelegten Solarpark. Der erzeugte Strom (rund 612 MWh) wird ins Netz des Allgäuer Überlandwerkes eingespeist und versorgt umgerechnet 245 Haushalte pro Jahr. Sonnenenergie zur Stromerzeugung nutzt der ZAK auch an verschiedenen Wertstoffhöfen sowie auf den Dächern der beiden Vergärungsanlagen. In diesem Verbund zusammen mit den Solarparks Herzmanns und Wildpoldsried erzeugen alle Anlagen zusammen ca. 1,9 Millionen kWh pro Jahr.

Fotos: ZAK

nen spart die umweltfreundliche Energieerzeugung aus dem Müll- und Holzheizkraftwerk bereits heute ein. Umgerechnet ca. 36.500 Haushalte können pro Jahr mit Wärme und Strom versorgt werden.

Vergärungsanlage Kempten-Schlatt

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Wohlfühlklima

Gesunde Krippen-Lösung Ökologischer Holzbau ist bezahlbar Ab September haben Eltern und Kinder einen Anspruch auf einen Platz in der Kinderkrippe. Die Kommunen sind verpflichtet, Plätze einzurichten, sonst drohen Klagen. Auch im Allgäu haben noch lange nicht alle Gemeinden »aufgerüstet«. Vielfach muss erst noch gebaut werden. Gerade in unserer Region sollte dabei der heimische Baustoff Holz besondere Berücksichtigung finden Kinder fühlen sich in einer Umgebung aus Holz besonders wohl

aut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes fehlen in Deutschland rund 200.000 Kinderkrippen-Plätze. Um dieses Angebot möglichst bald bereitstellen zu können, haben das Bundesministerium für Familie und die Bankengruppe KfW Anfang Februar zwei neue, zinsgünstige Förderprogramme für den Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten aufgelegt. 350 Millionen Euro stehen zur Verfügung. Nach Meinung von Experten der Initiative HolzProKlima (HPK) sollten Kommunen und andere Träger von Kindertagesstätten unbedingt den Werkstoff Holz als Baumaterial in ihre Überlegungen einbeziehen. Lars Schmidt, Fachmann und Mitinitiator von HPK sowie zweifacher Familienvater, kennt die entscheidenden Vorteile der Holzbauweise: »Holz ist ein sehr vielseitiger, optisch ansprechender und umweltfreundlicher Werkstoff. Wenn Kommunen auf Holzbauten setzen, halten sie die Kosten gering und setzen auch ein ökologisches Zeichen.«

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Immenstadt baut aus Holz

Foto: Olaf Baumann/Despang, Archiv

Die Stadt Immenstadt hat sich beim Neubau des Kindergartens St. Nikolaus, in dem auch KrippenGruppen untergebracht sind, ganz bewusst für einen einstöckigen Holzständerbau entschieden. Mit ein Grund dafür: Kurze Transportwege sparen Zeit, Geld und CO2. Holzbauten und Inneneinrichtungen aus Naturholz fördern die Gesundheit, die Lernfähigkeit und damit die ganzheitliche Entwicklung von Kindern. Laut der 2008/09 durchgeführten Studie »SOS – Schule ohne Stress« senkt der nachwachsende Rohstoff die Herzfrequenz und hat eine beruhigende Wirkung auf den Menschen. Holz schafft eine angenehme Atmosphäre, in der sich Faktoren wie Kreativität und das Wohlbefinden von Kindern nachweislich verbessern. »Wir stehen vor der Herausforderung, in kürzester Zeit neue Kinderkrippen zu bauen, um der Nachfrage gerecht zu werden. Holzbauten, die durch die sogenannte Trockenbauweise im Durchschnitt binnen sechs Monaten bezugsfertig sind, eignen sich sehr gut, die bisherigen Lücken zu schließen«, erläutert Schmidt. 72

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Die Kostenrechnung geht auf Holz ist besonders dort wirtschaftlich, wo es um leichte, aber hochstabile Anwendungen geht. Bauhölzer und Holzwerkstoffe weisen, auf ihr Gewicht bezogen, eine sehr hohe Festigkeit und Tragfähigkeit auf. Moderne Verarbeitungs- und Verbindungstechniken ermöglichen die Herstellung außergewöhnlich großer Holzbauteile wie Dachkonstruktionen oder ganze Gebäudeteile. Somit eignet sich Holz ideal für den Bau neuer Kindergärten und Krippen, die ja meist einstöckig gebaut werden. Auch die durchschnittlichen Bau-

kosten sprechen für die Holzbauweise: Pro Betreuungsplatz liegen sie bei rund 9000 Euro. Der Einsatz von Holzbauten ist also eine kostengünstige Lösung für Kommunen, die den Ausbau neuer Einrichtungen bisher noch nicht begonnen haben.

Schutz für Umwelt und Klima Aus ökologischer Sicht sind Betreuungseinrichtungen für die Kleinen aus Holz nachhaltiger als Massivbau-Einrichtungen. Holz ist die umweltfreundliche Alternative zu energieintensiven Stahl- oder Betonbauten. Schon beim Bau wird Energie gespart. Der neue Kindergarten in Immenstadt wurde als Holzständerbau ausgeführt

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Vorschau auf die Themen der Sommer - Ausgabe von

allgäu ALTERNATIV Energie erzeugen Bioenergie: Windkraft: Wasserkraft: Photovoltaik: Strom:

Alternative Pflanzen – besser als Maismonokultur? Die Ergebnisse des Planungsverbandes 16 Studie: Im Oberallgäu schlummern noch Potenziale Eigennutzung ist weiterhin attraktiv Neue Angebote der regionalen Anbieter

Mobilität Elektroautos: E-Bike:

Ein regionaler Überblick zu Kauf, Miete und Probefahren Radregion Allgäu – das E-Bike ist dabei

Wirtschaft: Unternehmen: Dämmstoffe: Recycling: Kraft-Wärmekopplung: Sanierung:

Wir berichten über Allgäuer Vorreiter-Betriebe Die Chancen des Handwerks bei der Energiezukunft Regionale Konzepte, große Wirkung, kurze Wege Mülltrennung – wie aus Abfall wieder Wertstoff wird Was der Markt vor Ort bietet Alles über Fördermittel, Programme und Hilfsangebote

Regionales: Holz: Holzbau: Waldwirtschaft:

Pellet-Beschaffung – wer bietet günstige Preise an? Allgäuer Beispiele – perfekt für den Export Holzforum Allgäu: Facewood – das neue Internet-Projekt

Reportage Forschung: Projekt »Energielandschaft Allgäu« - Fortsetzung Aus Stadt und Land: Energetische Allgäuer Leuchtturmprojekte Wintergärten: Was gibt der regionale Markt her? Heimische Geldinstitute: Lokale Anlagemöglichkeiten – Fehlanzeige? Bürgerinitiativen: Engagement für bessere Energiekonzepte

Die nächste Ausgabe erscheint am 1. Juni 2013

Fotos: Volker Wille, Kurt Michel_pixelio.de; Thorben Wengert_pixelio.de; RainerSturm_pixelio.de

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