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Wie eine englische Orgel nach Eisenberg kam

Dieser Beitrag wurde im Auftrag des Landratsamtes des SHK erstellt Wie eine englische Orgel nach Eisenberg kam

Was fast wie ein Märchen klingt, ist die Geschichte einer bald acht Jahre währenden, nicht nachlassenden intensiven Anstrengung einer Gruppe musikliebender Mitglieder der evangelischen Kirchgemeinde, ihren Traum von einem vollkommenen Orgelklang in der geschichtsträchtigen Stadtkirche Wirklichkeit werden zu lassen.

Als am 14. November des vergangenen Jahres die von Albert Keates 1909 erbaute englische Orgel in der Eisenberger Stadtkirche St. Peter feierlich geweiht wurde und Gemeinde sowie Gäste erstmalig den Klang der neuen Orgel vernahmen, freuten sich ganz besonders die fünf Mitstreiter des kirchlichen Orgelausschusses, die sich unter der engagierten, sachkundigen Leitung von Kantor Philipp Popp für dieses Orgelprojekt ideenreich und auf vielfältige Weise eingesetzt hatten. Es war der Schlusspunkt und zugleich krönende Abschluss eines langen und nicht immer leichten Weges, den sie gemeinsam mit ihrem Kantor und der verlässlichen Unterstützung des Gemeindekirchenrates zurückgelegt hatten. Zu Anfang war eine Menge an Überzeugungsarbeit zu leisten, in den Kirchgemeinde, gegenüber der Denkmalpflege und bei den vielen Behörden. Stillstand und Enttäuschungen blieben nicht aus. Und musste man sich nicht immer selbst hinterfragen, ob es überhaupt zu schaffen ist, solch eine enorme Summe an Geld für das Orgelprojekt aufzutreiben? Zwar war 2013 schon länger bekannt, dass die unter Denkmalschutz stehende 1977 erbaute Böhm-Orgel erheblichen Reparaturbedarf aufwies, also dringend repariert, gereinigt und generalüberholt werden musste. Trotz des beeindruckenden historischen Gehäuses der Vorgängerorgel von 1884 entsprach aber die musikalische Qualität der zu DDR-Zeiten eingebauten kleineren Orgel nicht den musikalischen Möglichkeiten und klanglichen Anforderungen ihrer Vorgängerin. So entstand nach und nach die Idee, zur klanglichen Ergänzung eine zweites Instrument aus der Zeit der Spätromantik zu erwerben, welches eine ideale Ergänzung zur Böhm-Orgel darstellen würde. Man suchte also und fand durch die Vermittlung eines auf Orgeln spezialisierten Händlers bald eine Orgel, die über 100 Jahre in einer kleinen methodistischen Kirche in Rotherham, einem Ort bei Sheffield in Mittelengland, geklungen hatte. Das mit einer Grundfläche von nur 1,60 x 2,55 Meter kleine Instrument verfügt über zwei Manuale, 9 Register und lässt sich in den Bereich der „symphonischen Orgel“ einordnen. Anfang 2014 wurde das Instrument für ca. 11.000 Euro (Ankauf und Transport) von der Kirchgemeinde erworben und zuerst in Eisenberg, dann bei der Orgelbaufirma Kutter in Friedrichroda eingelagert. Parallel dazu liefen die für solch ein umfangreiches Projekt erforderlichen Abstimmungen mit dem Orgelsachverständigen der Landeskirche, dem Landesamt für Denkmalpflege, der Bau-

abteilung des Kirchenkreises und dem Gemeindekirchenrat. Dazu gehörten gleichermaßen die Vorbereitung von Ausschreibungen, die Erarbeitung von Finanzierungsplänen, Beantragung von Fördermitteln und Zuschüssen. Hierbei konnte sich Kantor Philipp Popp als umtriebiger „Motor“ des Projektes immer wieder auf seine Mitstreiter im Orgelausschuss verlassen, wo jeder entsprechend seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten ganz konkrete Aufgaben übernahm. Eine besonders kreative Herausforderung war die Gewinnung von Unterstützern und Spendern. Beharrlich warb man Jahr für Jahr um finanzielle Unterstützung. So wurden Benefiz-Konzerte durchgeführt, zwei CD’s produziert, Spendenbriefe verschickt, Pfeifenpatenschaften ins Leben gerufen, Verkaufsstände zum Landmarkt organisiert, ja sogar eine Sonderbriefmarke gab es. Immer wieder informierte man die Öffentlichkeit durch Schautafeln in der Kirche, Flyer und Presseberichte. Besonders originell zeigte ein Wand-Puzzle im Kirchenraum nachvollziehbar an, wieviele Gelder schon eingegangen waren. Ein beispielhafter Kraftakt, den Kantor und Orgelausschuss über insgesamt acht Jahre stemmten. Insgesamt wurden über 150.000 Euro in zwei Bauabschnitten für die Reparatur der Böhm-Orgel und für die Restaurierung, Reinigung und den Neuaufbau der englischen Orgel verbaut. Davon wurden etwa 60.000 Euro gespendet, vorrangig von Eisenberger Bürgern und Firmen der Region. Eine große und nachhaltige Gemeinschaftsleistung vieler, um das Musikleben in Eisenberg qualitativ noch anspruchsvoller zu gestalten. Da die Orgel gern als „Königin der Instrumente“ bezeichnet wird, Orgeln sind immer Unikate, gibt es in Eisenberg – musikalisch gesehen – nun drei Königinnen, drei sehens- und vor allem hörenswerte Orgeln, die berühmte Donat-Trost-Orgel in der barocken Schlosskirche, die BöhmOrgel von 1977 in der Stadtkirche und seit kurzem die englische Keates-Orgel, welche jene Klangfarben ergänzt, die Ende des 19. Jahrhunderts auch in der Poppe-Orgel, der Vorgängerin der Böhm-Orgel, vorhanden waren. Neu ist in der Stadtkirche, dass beide Orgeln elektronisch miteinander verbunden sind, so dass der Organist nur einen Spieltisch braucht. Zusätzlich gibt es ein kabelloses Keyboard, mit dem die englische Orgel auch aus dem Kirchenschiff bespielt werden kann. Dies alles war eine große Herausforderung und technische Meisterleistung von Orgelbaumeister Kutter aus Friedrichroda, der hier mit seinen Mitarbeitern neue Wege ins digitale Zeitalter gegangen ist. Für den Kulturstandort Eisenberg ist es ein Gewinn, denn welche kleinere Thüringer Stadt hat schon drei so profilierte Orgelinstrumente zu bieten. Für die Konzertbesucher und die Hörer der Kirchenmusik in den Gottesdiensten wird es ein musikalischer Genuss werden, solch ein Ensemble an harmonischen Klängen zu erleben, die sich ergänzen. Ein großer Dank geht an Kantor Philipp Popp, an die fünf Mitglieder des Orgelausschusses, den Gemeindekirchenrat von Eisenberg und an alle, die immer an dieses Projekt geglaubt und es unterstützt haben. Wie ist das doch mit den Märchen? Meistens haben sie ein glückliches Ende!

Dörthe Rieboldt

Evangelische Kirchgemeinde Eisenberg Kirchenbüro, Markt 11 | 07607 Eisenberg | Tel.036691/25110 pfarramt.eisenberg@ gmx.de | Kantor Philipp Popp | philipp-popp@gmx.de

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