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Dichten und Denken

Bei mir um die Ecke befindet sich ein Lokal, an dem steht: «Egal, wie dicht du bist, Goethe war Dichter» – natürlich alles in Grossbuchstaben, damit das Wortspiel etwas besser funktioniert. Ich finde das sehr lustig.

Der Spruch kam mir wieder in den Sinn, als ich Giuliano Musios Ankündigung im Maileingang hatte, er würde unser Heftthema «Dichten und Denken» gerne als «Abdichten und Ausdenken» interpretieren. Genau dieses Ausloten der Sprache und ihrer Möglichkeiten haben wir uns gewünscht. Und so haben wir Kim de l’Horizons Grossmeere im Heft und Lubna Abou Kheirs kindliches Ich, das zwischen Alltag und Metaphysik hin- und herschaukelt. Wir haben Jafar Saels markante lyrische Sätze, die Sprache und Leben ganz eng zusammendenken – zum Beispiel, wenn er schreibt: «Das Leben ist ein Fehler, weil wir es falsch lesen.»

Hamed Abboud geht dem Briefeschreiben

Illustrationen

11 und damit einer scheinbar so vertrauten Praxis nach, nimmt aber ihre biografische, kulturelle, soziologische und politische Dimension wie nebenher und doch sehr treffend auch noch mit.

Und Marguerite Meyer tut einen Schritt zurück und macht sich Gedanken darüber, wer sich das Dichten und Denken hier und heute überhaupt leisten kann. Eine weitere Frage könnte auch lauten: Wer wird gehört und gelesen im Literaturbetrieb? Oft nur ein Bruchteil derer, die die Welt mit Worten und Gedanken bereichern. Wir versuchen einen kleinen Teil dazu beizutragen, dass sich das ändern möge, und publizieren deshalb auch gezielt Texte geflüchteter Autor*innen –unter anderen solche, die wir auf dem Literaturportal «Weiter Schreiben Schweiz» entdeckt haben.

18 Lubna Abou Kheir Die

Marisa Zürcher macht Illustration und Grafik im Schatten des Prime Tower in Zürich, wo sie auch lebt. Davor studierte sie

Illustration Fiction mit Sicht auf den Pilatus. In ihren Bildern interessiert sie sich besonders für den Eigensinn der Sachen, deren Glanz und Verderben.

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