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Nachsitzen vor Gericht

«Gerechtigkeit erhöhet das Volk» steht am Bezirksgericht Bülach quer über den Eingang. Genau das verlangt auch der Kläger, ein 34-jähriger Kosovare. Er hat zwei Polizeibeamt*innen angezeigt, die ihn vor drei Jahren frühmorgens aus dem Bett geklingelt haben und in seine Wohnung eingedrungen sind. Wobei es nicht einmal um ihn ging: Die Polizei suchte seinen Bruder.

Der war vier Tage zuvor auf einem Motorrad bei einer Geschwindigkeitsübertretung erwischt worden. Zwar hatte die Polizei sowohl eine gültige Laser-Messung als auch ein Video der Fahrt und sogar ein Geständnis. Nun wollte man zusätzlich die Fahrtenschreiber-App auf dem Mobiltelefon des Töfffahrers auswerten. Auch besagtes Handy hatten die Behörden bereits beschlagnahmt – was aber fehlte, war der Code. Diesen wollten die beiden Polizist*innen an jenem Morgen beschaffen.

Warum sie ihn beim Kläger im vorliegenden Fall vermuteten, ist unklar. Der Polizei hatte sein Bruder gesagt, dass er bei seiner Freundin wohne – sein Anwalt hatte auch deren Nummer und hätte ihn jederzeit kontaktieren können. Bezüglich der Gewaltanwendung lüge der Kläger, der eine Beamte habe ihn zwar gestreift, als er die Wohnung betrat, aber nicht an der Hand gepackt, den Arm auf den Rücken gedreht und ihn an die Wand gedrückt.

von der Polizei, hat er dem zuständigen Einzelrichter zuvor gesagt. Nicht nur wegen dem Vorfall selbst. Als er die Anzeige machen wollte, habe man ihn ausgelacht. Einen ganzen Tag lang klapperte er die Posten ab – erst im vierten Anlauf klappte es.

Enttäuschend ist auch das Schweigen der Polizist*innen während der Verhandlung. Das Aussageverweigerungsrecht gilt zwar auch für sie – doch wünschte man sich mehr von ihnen als schmallippige Verweise auf Aussagen bei der Staatsanwaltschaft.

Stattdessen lassen sie ihre Rechtsvertreter eine Auswahlsendung juristischer Abwehrsalven abfeuern. Erstens brauchte man keinen Durchsuchungsbefehl, weil es ja a) gar keine Hausdurchsuchung im eigentlichen Sinn gewesen sei, und b) selbst wenn, dann habe es die besagte Anordnung der Staatsanwaltschaft gegeben, c) gemäss Polizeiverordnung in diesem Fall gar keine nötig gewesen wäre und d) Gefahrenverzug gegeben war – also eine Sachlage, bei der ein Schaden eingetreten wäre oder Beweismittel verloren gegangen wäre. Konkret: Der Bruder des Beschuldigten hätte die Daten in der App via Cloud löschen können.

Damit können sie den Einzelrichter nicht überzeugen. «Sie haben doch eine Polizeiausbildung!», sagt er zu den beiden. Die Beamt*innen hätten wissen müssen, dass die Voraussetzungen für das Betreten der Wohnung nicht gegeben waren. Er spricht die beiden des Amtsmissbrauchs und Hausfriedensbruchs und den einen Beamten wegen Tätlichkeiten schuldig –keine Bagatellen, wie der Richter anfügt. Vielleicht haben sie die Lektion nun verstanden.

An dieser Stelle berichten wir alle zwei Wochen über positive Ereignisse und Entwicklungen.

Dem Geschädigten, der den Prozess in den Zuschauerrängen mitverfolgt, fällt es sichtlich schwer, den Ausführungen der Verteidigung zuzuhören. Er sei enttäuscht