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«Ich wünschte mir mehrere Chancen»

Tsige, Surprise-Verkäuferin

«Mein Leben ist zu einem Teil schön, zu einem anderen schwierig. Die schöne Seite ist: Ich bin mit meinen sechs Kindern und meinem Mann als Familie zusammen. Nur ist genau das handkehrum finanziell schwierig. Das Sozialamt sagt mir, wir hätten als Einzelpersonen mehr Geld zur Verfügung. Die beiden Kleinen fragen mich oft, ob wir nicht auch einmal in den Urlaub fahren können, aber das geht nicht mit den monatlich 370 Franken, die wir pro Person für den Grundbedarf zur Verfügung haben. Ich habe mit meiner Sozialarbeiterin gesprochen und sie hat gesagt, wenn die Kinder ein Klassenlager haben, wird das ermöglicht. Aber Ferien liegen nicht drin.

Ich glaube aber, es wird alles besser werden. Zwei meiner Kinder arbeiten schon und zwei weitere sind nun in der Lehre. Ich hoffe, dass sie schnell eine Stelle finden. Sie werden dann in der Schweiz eine Lehre abgeschlossen haben, das sind gute Voraussetzungen. Wir Eltern haben in unserem Heimatland keine gute Schule besucht, und wegen der Sprache finde ich keine Arbeit. Auch das Alter ist ein Faktor, der es für mich und meinen Mann schwierig macht, etwas zu finden. Selbständig sein Geld zu verdienen ist immer gut, aber wir schaffen es nicht, weil unsere Voraussetzungen schlecht sind. Ich wünschte mir, dass es mehrere Chancen gäbe im Leben. Dass es Möglichkeiten gäbe zu arbeiten. Eigenes Geld zu verdienen, etwas Neues in Angriff zu nehmen. Eine Perspektive zu haben. Deshalb hoffe ich umso mehr, dass meine Kinder mehr Chancen im Leben haben werden als ich.» DIF

«Neulich erschrak ich über mich selbst. Ich war im Lidl und sah eine Werbung für einen Rasierer, eine Frau und ein Mann strecken beide den Arm in die Höhe und ihre Achsel in die Kamera. Die Frau sah aus – ich sage mal –wie ich, normal halt. Und ich hatte sofort den Gedanken: Sie ist viel zu dick für ein solches Plakat. – Hallo? Was soll das? Wie tief das auch in mir verankert ist!

Sogar Heidi Klum achtet jetzt darauf, dass nicht mehr nur Striche zu Germany’s Next Topmodel kommen. Sondern auch Frauen mit Rundungen und allem. Gleichzeitig nimmt der Einfluss von Influencerinnen zu. Überall sehe ich die Super-Multitasking-Frau, die immer gut aussieht und an den schönsten Orten mit den schönsten Menschen rumhängt. Happy Life! Das hat ja auch etwas total Materialistisches. Vielleicht musst du gar nicht mehr dünn sein oder die perfekten Masse haben. Aber du musst teure Ketten tragen und Markenhosen und die richtigen Strähnchen in den Haaren. Wie viel Zeit junge Menschen auf Tiktok in perfekte Fotoreels stecken, sie gut zusammenschneiden und mit einer passenden Hintergrundmusik hinterlegen. Und sich präsentieren für Likes, Likes und noch mehr Likes. Klar, ich merke es selbst: Der Suchtfaktor von Tiktok ist enorm.

Mittlerweile ist es mir egal, was andere über mich denken. Ich meine, ich laufe mit meiner Hündin in einem Wägeli herum. Ist doch gut, wenn ich die Leute zum Lachen bringe. Mir muss wohl sein in meinem Körper und in meinen Kleidern. Auch wenn andere diese vielleicht seltsam oder unpassend finden, nicht der neusten Mode entsprechend. Wenn ich den ganzen Tag mit meiner Hündin unterwegs bin, dann bin ich halt nicht die Superfrau, die immer schön frisiert ist, dann habe ich halt mal Dreck unter den Nägeln.

Und das tönt vielleicht blöd, aber: Heute schäme ich mich fast zu sagen, dass ich lesbisch bin. Ich wurde zum Glück nie blöd angemacht oder gemobbt deswegen, das haben alle einfach akzeptiert. Aber mit den Grundsätzen der LGBTQ+-Bewegung konnte ich mich nie identifizieren. Das wurde so aufgebauscht, zum Teil ins Extreme gezogen. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen denken: ‹Ach nein, nicht schon wieder dieses Thema!› Man hört ja ständig davon.» LEA