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DauerhaftgesenktDauerhaftgesenkt

Solche Lebensmittelspenden kritisiert der deutsche Soziologe Stefan Selke von der Hochschule Furtwangen als ambivalent. Spenden würden zwar kurzfristig helfen, um die Daseinsgrundlage der Betroffenen mit Nahrungsmitteln zu decken, sagt er im Interview mit dem Nürnberger Strassenmagazin «Strassenkreuzer». Struktu- rell ändere sich an der Armut aber nichts. Durch die «Armutsökonomie», wie Selke die Strukturen hinter den Lebensmittelabgabestellen nennt, sinke der Handlungsdruck des Staats; Armut werde nicht nachhaltig bekämpft. «Seit 30 Jahren sehen wir, dass Armut gar nicht so schlimm ist, weil es schliesslich die Tafeln gibt. Armut wird dadurch entskandalisiert und normalisiert», so Selke. Soziale Gerechtigkeit aus seiner Sicht würde bedeuten, selbstbestimmt konsumieren zu können.

Man könne die Armut zwar nicht bekämpfen, sie aber immerhin lindern. So tönt es bei Tischlein deck dich, der Schweizer Tafel wie auch bei Essen für Alle. Essen für Alle wurde während des Lockdowns im Frühling 2020 gegründet und verteilt samstags in Zürich und Schwyz Lebensmittel an 5000 Menschen. Gina Livnat vom Verein sagt: «Durch unsere Arbeit wird ein politisches Problem sichtbar.» Sabrina Munz von der Schweizer Tafel sagt: «Nichts tun und warten, ob der Staat reagiert, ist auch keine Lösung.» Tischlein deck dich, sagt Mina Dello Buono vom Verein, sei nicht primär aus dem Gedanken der Armutsbekämpfung entstanden, sondern aus der Idee, Lebensmittelabfälle zu vermeiden.

Recht auf Nahrung in Genf

Die Schweizer Ernährungsstrategie 2017–2024, die beim Innendepartement von Bundesrat Alain Berset (SP) angesiedelt ist, hat zum Ziel, dass alle Menschen unabhängig von ihrem sozioökonomischen Status «in eigener Verantwortung einen gesunden Lebensstil pflegen» können. Wie soll ermöglicht werden, dass Menschen mit wenig Geld autonom entscheiden können, was sie einkaufen und essen wollen? Doris Schneeberger vom zuständigen Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen verweist auf eine Untersuchung von 2014 der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in Zollikofen. Gemäss dieser ist eine ausgewogene und gesunde Ernährung zwar geringfügig teurer, doch auch mit kleinem Budget möglich (noch günstiger, halten die Autoren fest, wäre eine sehr unausgewogene Ernährung mit viel Teigwaren und Reis).

Projekte wie «GGGessen – gesund und günstig essen», «MigrantInnen leben gesund durch ausgewogene Ernährung und Bewegung» oder «Ernährung 60+» sollen, so Schneeberger, «die Ernährungskompetenzen der Bevölkerung» stärken. Im Kanton Genf will der Grand Conseil das Recht