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Verkäufer*innenkolumne

Eines Tages geschah es …

Was machsch du da? Diese Frage höre ich oft aus Kindermund, wenn ich in der Bahnhofunterführung zu Rapperswil meine Surprise-Hefte verkaufe. Und stets schwingt bei dieser Frage in der Stimme, im Tonfall eine nicht in Worte zu fassende Verwunderung mit, die sich zudem in grossen Augen und fragenden Gesichtern widerspiegelt. He ja, Zeitungen und Hefte kauft man am Kiosk. So hat es das Kind gelernt, so hat es das auch schon gesehen, und es selber war auch schon dabei, mit der Oma, wenn sie am Kiosk ihre Hefte kauft, und es, das Kind, hat bei dieser Gelegenheit auch ein Heftli bekommen, von der Oma.

Natürlich erzähle ich dem Kind nichts über den Hintergrund von Surprise. Danach hat es auch nicht gefragt. Es hat nicht gefragt: Warum machsch du das? Es hat gefragt: Was machsch du da? Ich sage ihm also: Ich verkaufe dieses Heft. Ahaaa, macht es und mimt Wissen um die Welt. Mit meiner Antwort ist es sichtlich zufrieden und zieht munter weiter seines Weges. Und dann war da der eine kleine Junge, der vor mir stehen blieb und mich gefragt hat: Häsch du kei Gäld? Diese Frage aus seinem Mund beweist: Er weiss schon mehr über Surprise und über das, was dahintersteckt.

Fest steht: Man erwacht nicht eines Morgens, womöglich eines sonnigen Morgens, und sagt aus heiterem Himmel oder aus einer unbestimmbaren Laune heraus, ohne Not und Dringlichkeit: So, mir reicht’s. Ich hänge meinen Job an den Nagel. Ich will Surprise-Verkäufer werden.

Das ist auch nicht die Idee, die hinter Surprise steckt. Erst in der Not, die viele Gesichter und Gewänder trägt, zieht man in Erwägung, sich bei Surprise zu melden. Wir alle rund 450 SurpriseVerkäufer*innen haben unsere guten Gründe, das zu tun, was wir tun.

So auch ich. Denn eines Tages geschah es …, und das Leben ist nicht mehr so, wie es einmal war. Um einer weitverbreiteten, aber irrigen Meinung vorzubeugen: Es zwingt uns kein Amt und keine Behörde. Wir alle stellen uns aus freien Stücken mit dem Heft in der Hand auf die Strasse. Irrig ist auch die Meinung, SurpriseVerkäufer*innen seien zu nichts anderem fähig, als Surprise zu verkaufen. Wer in unserem Heft regelmässig das Verkäufer*innen-Porträt auf Seite 30 liest, weiss: Diese Ansicht gehört ins weite Land der Märchen, aber beileibe nicht in die Wirklichkeit. Es ist bemerkenswert, was für Fähigkeiten sich in unseren Reihen finden.

URS HABEGGER, 66, verkauft Surprise seit 14 Jahren in der Bahnhofunterführung in Rapperswil. In wenigen Stichworten sein beruflicher Werdegang: 1971 – 1975 Lehre zum Schriftsetzer; Zusatzausbildung zum Reprofotografen; Lehrlingsausbilder-Diplom; Abteilungsleiter. Und dann geschah es.

Die Texte für diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und Stephan Pörtner erarbeitet. Die Illustration zur Kolumne entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.