DIE ERNÄHRUNG VOLUME 47 | 02.2023

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DIE E RNÄHRUNG

Österreichische Zeitschrift für Wissenschaft, Recht, Technik und Wirtschaft VOLUME 47 | 02. 2023 ABSTRACTED IN CHEMICAL ABSTRACTS ABSTRACTED IN SCOPUS Von Feldbach in die Welt Seite 4
in
Backbranche
17 ÖSTERREICHISCHE POST AG MZ 14Z040109 M SPV PRINTMEDIEN GMBH, FLORIANIGASSE 7/14, 1080 WIEN © ADOBE STOCK –FRESHIDEA
Trends
der
Seite

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INHALT 04

WIRTSCHAFT economy

4 Von Feldbach in die Welt

8 Expertenforum – Drei Fragen an Lebensmittelexperten

17 Trends in der Backbranche

21 Pflanzenschutzmittel sichern Qualität und Versorgung

24 Die Börse für Landwirtschaftliche Produkte in Wien

26 Vermarktung von Schweinen — 30

30 Labors dringend gesucht

Liebe Leserin, lieber Leser,

blicken Sie mit uns nach vorne. In dieser Ausgabe von DIE ERNÄHRUNG widmen wir uns den Trends bei Lebensmitteln. Zahlreiche Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft haben ihre Erwartungen an die Zukunft geäußert. Wir haben diese für Sie in spannenden Beiträgen zusammengefasst.

39 Alternative Proteine aus dem 3D-Drucker 40 Lactate regulates gene expression via epigenetic modifications 43 RECHT

43 Splitterflug aus der Sektflasche: Haftung der Kellerei?

44 Das große Krabbeln in unseren Lebensmitteln? Wohl kaum.

Im CEO-Interview kommt Philipp Hörrlein von Feldbacher Fruit Partners zu Wort. Als Geschäftsführer eines international erfolgreichen steirischen Unternehmens spricht er über die Herausforderung, in Zeiten hoher Inflation innovativ zu sein. Weiters setzen wir uns mit aktuellen Hot Topics auseinander. Welche Trends gibt es in der Backbranche? Starten Insekten als Lebensmittel durch und was sind die rechtlichen Voraussetzungen dafür? Und welche Chancen bietet der 3D-Druck? Zudem rücken wir erstmals Lebensmittelbörsen in den Fokus. Lesen Sie mehr über die Aufgaben der Getreide- sowie der Schweinebörse und ihre Funktion in der Lebensmittelkette.

Alle befragten Expertinnen und Experten sind sich einig: Es braucht eine starke Lebensmittelproduktion im eigenen Land. Qualität, Sicherheit und Genuss heimischer Produkte sind der Garant für eine stabile Versorgung. In diesem Sinne: Lassen Sie uns weiter daran arbeiten.

3 inhalt content
TECHNIK technology
32 Nachhaltigkeit lässt sich verpacken
34 Ist das noch frisch?
38 Keime sind überall 39 WISSENSCHAFT science
law
volume 47 | 02. 2023 E RNÄHRUNG | NUTRITION
46 Impressum und Offenlegung

VON FELDBACH IN DIE WELT

DIE ERNÄHRUNG SPRACH MIT PHILIPP HÖRRLEIN, GESCHÄFTSFÜHRER

DER FIRMEN FELDBACHER FRUIT PARTNERS GMBH UND SNACK & BACK CP

GMBH, ÜBER TRENDS, DIE AKTUELLEN ENTWICKLUNGEN AUF DEN MÄRKTEN IN ZEITEN VON PREISSTEIGERUNGEN IN ALLEN VORSTUFEN UND HOHER INFLATION, ÜBER INNOVATIONEN UND INSEKTEN, WERBEVERBOTE

UND

NACHHALTIGKEIT.

Die Ernährung: Als heimisches Unternehmen bieten Sie eine breite Vielfalt von Müsli- und Cerealien-Riegel an – für die nationale und internationale Markenartikelindustrie, Handelsmarken und Merchandising-Artikel. Welcher Bereich hat sich rückblickend am besten entwickelt?

Philipp Hörrlein: Wir freuen uns, dass sich in den letzten Jahren vor allem hochwertige Produkte gut entwickelt haben. Das sind Riegel, die aus unterschiedlichen Gründen dem Zeitgeist gesunder bzw. bewusster Ernährung und dem Nachhaltigkeitsgedanken entsprechen. Dazu gehören Claims wie hoher Ballaststoffgehalt, weniger kcal oder Zucker oder hoher Proteingehalt, aber auch natürliche Zusammensetzungen, wie hoher Frucht- und Nussgehalt oder der Verzicht auf Palmöl.

Wie erwarten Sie die zukünftige Entwicklung?

Hörrlein: Wir setzen weiterhin auf Qualität und gehen daher von einer guten Entwicklung aus.

Welche Bedeutung haben der Export generell und der Binnenmarkt im Speziellen?

Hörrlein: Unser Anteil an Lieferungen, die in den Export bzw. den EU-Binnenmarkt gehen, betreffen 100 %. Wir

sind ein international ausgerichtetes Unternehmen.

Inflation und Preise speziell bei Lebensmitteln sind ein heiß diskutiertes Thema. Welche Auswirkungen haben die Situation bei Rohstoffen, Energie und Lieferketten etc. auf die Produktion und die Kosten?

Hörrlein: Es war aufgrund der allseits bekannten Lieferschwierigkeiten und unendlich langen Vorlaufzeiten in den letzten Jahren sehr herausfordernd, unseren Kunden Liefertreue zu vernünftigen Preisen zu garantieren. Seit dem letzten Jahr stellen uns Energiekosten im Speziellen und die Inflation im Allgemeinen vor große Probleme.

Wie gehen Sie als heimisches Unternehmen mit diesen Herausforderungen um?

Hörrlein: Wir sind einem internationalen, fast globalen Markt ausgesetzt. Wir appellieren daher an die Politik, uns vor allem im Bereich der Energie keinem Wettbewerbsnachteil auszusetzen und die Inflation mit Hilfe geeigneter Maßnahmen zu dämpfen.

Wie hat sich die starke Inflation auf die Umsätze ausgewirkt? Werden manche Produkte/Produktgruppen jetzt stärker oder weniger stark nachgefragt?

Hörrlein: Die Preissensibilität der KonsumentInnen nimmt vor allem bei günstigen Produkten merklich zu.

Wie sehen Sie den österreichischen Markt? Gibt es hier aus Ihrer Sicht spezielle Entwicklungen oder Tendenzen?

Hörrlein: Keine, die wir nicht international wahrnehmen würden.

Wie gehen Sie mit Innovation und Produktentwicklung um – Stichwort Merchandising?

Hörrlein: Wir investieren kontinuierlich in Produktentwicklung und wollen Trends mitgestalten.

Die Grundvoraussetzung für das Funktionieren von Produktentwicklung bei gleichzeitig hoher Auslastung sind der kulturelle und organisatorische Gleichklang zwischen diversen Bereichen wie F&D (Finance & Development), Produktion und QM (Qualitätsmanagement); und selbstverständlich ein hohes Maß an Kompetenz in den angesprochenen Bereichen.

Wie sehen Sie die Entwicklungen in Bezug auf Insekten als Proteinquelle – ein neuer Markt?

Hörrlein: Dies ist im Moment für uns bzw. für unsere Kategorie kein Thema.

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OSKAR WAWSCHINEK
© FELDBACHER FRUIT PARTNERS

Zum Unternehmen

Welche Rolle spielt bei Ihnen Nachhaltigkeit – von der Energieversorgung bis zu Rohstoffen und Verpackungen?

Hörrlein: Wir monitoren Bereiche in unserem Unternehmen, die Strom und Wasser verbrauchen. Dies ermög-

Die Feldbacher Fruit Partners GmbH wurde 1976 gegründet. Gemeinsam mit dem Tochterunternehmen Snack & Back CP GmbH werden am Standort Feldbach 150 Mitarbeitende beschäftigt. Unser Kerngeschäft liegt in der Produktion von frisch geriebenem steirischen Kren sowie in der Herstellung von Müsli- und Cerealien-Riegel.

Zweites Standbein des Unternehmens ist der Ein- und Verkauf von Obst und Gemüse.

Philosophie:„Wir denken an das Unmögliche, um das Mögliche zu erreichen.“

Fakten zum Unternehmen:

Konzernumsatz 2022: 38,5 Mio.

Mitarbeitende 2022: 150

Exportquote Snack & Back CP GmbH: knapp 100%

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about
© SNACK & BACK CP GMBH
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© SNACK & BACK CP GMBH

licht uns, an der kontinuierlichen Reduktion von Energieverbrauch zu arbeiten.

Darüber hinaus werden von unseren Kunden nachhaltig hergestellte Zutaten, aber auch recycelte und recyclebare

Zur Person

Biographie Philipp Hörrlein wurde 1979 in der Metropolregion Nürnberg geboren und ist dort aufgewachsen. Er ist Absolvent der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Fachrichtung Handel.

Im Jahr 2003 erfolgte sein Eintritt ins Familienunternehmen Feldbacher Fruit Partners GmbH, in dem er seit 2011 Geschäftsführer für Finanzen, Controlling, IT und Beteiligungen ist. Seit 2015 ist Philipp Hörrlein Gesellschafter der Feldbacher Fruit Partners GmbH (Muttergesellschaft der Snack & Back CP GmbH). Seine Hobbys sind Laufen, Rennradfahren und Kulinarik.

Basis-Materialien für Packstoffe nachgefragt und verlangt.

Wie gehen Sie mit den zunehmenden Ansätzen zur Regulierung von Lebensbereichen, speziell im Hinblick auf Zuckergehalt, um? Es werden ja sogar Werbeverbote speziell für Kinder diskutiert …

Hörrlein: Wir verfügen über eine breite Palette an Produkten, die wir unseren KundInnen jederzeit anbieten können. Wir sind es auch aus der Vergangenheit gewöhnt, uns auf Veränderungen (etwa Palmöl) entsprechend einzustellen. Am

Ende entscheidet aber immer der/die MarkeninhaberIn über das jeweilige Produkt.

Könnte aus Ihrer Sicht eine verstärkte Ernährungsbildung helfen, dass die Menschen einen besseren Zugang zum Thema Ernährung entwickeln?

Hörrlein: Wenn Sie mich so direkt fragen, würde ich Ihnen auch direkt antworten, nämlich, dass meiner Meinung nach die beste Ernährungsausbildung den Hausverstand nicht ersetzen kann. Und dieser impliziert – wie allgemein kolportiert – eine sinnvolle Mischernährung zusammen mit regelmäßigem Sport und – ganz wichtig - Freude am Leben.

Haben Sie Wünsche an die Bundesregierung – speziell im Hinblick auf Standort und Energie?

Hörrlein: Mein Wunsch an die Politik betrifft die oben angesprochenen Themen „Energiekosten“ und „Inflation“.

Was ist Ihr Lieblingsessen?

Hörrlein: Ich freue mich über alles, was gut zu unserem ‚wie frisch geriebenen‘ SteirerKren passt, etwa ein schöner gebratener Zander mit Püree und Kren, oder – ganz einfach – eine traditionelle steirische Kren-Suppe.

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person
©
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FELDBACHER FRUIT PARTNERS

DREI FRAGEN AN LEBENSMITTELEXPERTEN OSKAR

1. Der Lebensmittelmarkt wurde die letzten Jahre stark gefordert – welche Trends wird 2023 bringen?

2. Welche langfristigen Entwicklungen sehen Sie und wie bereiten Sie sich darauf vor?

Trends kommen und gehen, aber ich bin davon überzeugt, dass Qualität und Authentizität von Dauer ist. Manner gibt es seit über 130 Jahren, die Mannerschnitte feiert heuer ihr 125jähriges Jubiläum. Aber wir ruhen uns nicht auf der Vergangenheit aus, sondern halten die Marke frisch. Am Trend der Zeit sind wir sicherlich mit unserer veganen Range, das Thema ist ganz klar aus der Nische in den Mainstream gerutscht und wird auch zukünftig immer wichtiger zentraler. Aber auch das Thema Nachhaltigkeit – und zwar nicht tolle Konzepte am Papier, sondern echte Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit – wird für Konsument*innen immer wichtiger.

Heimische Marken sind in Österreich stark nachgefragt. Dieser Trend wurde durch die Pandemie verstärkt und hat gezeigt, wie verbunden die Konsumenten z. B. mit STROH sind und mit wie viel Emotion die Marke besetzt ist. STROH Inländer Rum als ein fixer Bestandteil der Kulinarik ist Teil der DNA der Markenkultur und darf in einer guten Küche hierzulande einfach nicht fehlen. Das gemeinsame Genusserlebnis ist während der Pandemie im kulinarischen Alltag – neben gesunder Ernährung und Nachhaltigkeit – in den Fokus gerückt und scheint zu bleiben. Unsere Konsumenten sind experimentierfreudiger geworden. Hoffentlich entstehen noch viele interkulturelle Rezeptkreationen mit STROH.

3. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich wünschen?

Die letzten Jahre waren so herausfordernd wie nie – jedenfalls habe ich in 27 Jahren Süßwaren nie etwas Vergleichbares erlebt. Einerseits kommt es im Moment darauf an, wie gut Unternehmen aufgestellt sind, auf der anderen Seite, wie schnell sie sich an die vielfältigen Herausforderungen anpassen und reagieren können. Manner ist auf beiden Ebenen gut aufgestellt. Aktuell bereiten wir uns sowohl in der Produktentwicklung aber auch im Einkauf, der Technik und der Produktion – eigentlich in sämtlichen Bereichen – auf die Herausforderungen der Zukunft vor. Vor allem die Themen Lieferketten, Nachhaltigkeit und Fachkräftemangel sind hierbei im Fokus.

Als Vater zweier Kinder wünsche ich mir, dass wir die Klimaziele gemeinsam erreichen.

Corona oder der Ukraine-Krieg und die damit verbundene Energiekrise haben uns Flexibilität gelehrt. Unser mit Hausverstand agierendes Team versucht mit den täglichen Herausforderungen eines produzierenden Unternehmens umzugehen. Preissteigerungen spüren wir durch die Teuerungen der Vorlieferanten. Einsparungen versuchen wir beim nötigen Energieverbrauch zu erzielen. Auf internationaler Ebene unterstützen wir individuell die lokalen Trends rund um STROH, sei es als eine unkomplizierte Zutat in der Mixologie oder als eine vielschichtige in der Kulinarik. STROH hat sich in den letzten Jahren zum Exportschlager entwickelt - 75 % des Umsatzes werden im Ausland erzielt.

Neben Planungssicherheit wäre für STROH ein anhaltendes Bekenntnis zu österreichischen Traditionsmarken und Genuss wünschenswert. Seit mittlerweile 190 Jahren überzeugen STROH-Produkte durch ihren authentischen und aromatischen Geschmack. Wenn wir mit dem Bekenntnis zum gemeinsamen Genusserlebnis einzigartige Momente im Alltag schaffen können, dann haben wir einen Beitrag zur Wertschätzung der heimischen Genusskultur geleistet. Wir wollen diese als kulinarischer Botschafter zum Teil der Kulinarik in anderen Ländern werden lassen.

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EXPERTENFORUM
WAWSCHINEK
©MANNER- M ARKETING
Mag. Andreas Kutil, Geschäftsführer Josef Manner & Comp. AG
©STROH
Mag. Karin Trimmel, Geschäftsführerin Sebastian Stroh GmbH

Immer mehr Menschen achten auf einen bewussteren Konsum: Weniger Fleisch, vegetarisch oder vegan, weniger süß und kalorienärmer. Auch Regionalität und Nachhaltigkeit spielen im Lebensmittelbereich eine immer größere Rolle.

Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Gesundheit wird weiter wachsen. Produktportfolios werden sich diesen Entwicklungen verstärkt anpassen. Pfanner füllt den Großteil seines Sortiments in recyclefähigen Getränkekartons ab; jüngst wurden in diesem Gebinde mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherte funktionelle Mehrfruchtsaftgetränke entwickelt. Der Megatrend Digitalisierung macht auch im Lebensmittelmarkt nicht Halt, so wird auch der Online-Verkauf zunehmen und die stationäre Dichte des LEHs abnehmen. Pfanner bietet sein Sortiment bspw. auch über Amazon an.

Günstigere Preise auf Rohwaren.

Ass. Prof. Dipl.-Ing. Dr. nat. techn. Klaus Dürrschmid, Institut für Lebensmittelwissenschaften, BOKU, Wien

Auch in den nächsten Jahren wird Nachhaltigkeit in der Lebensmittelversorgung General-Thema bleiben. Auffinden und für die menschliche Ernährung Nutzbarmachen von neuen alternativen Rohstoffen vor allem im Proteinbereich werden wichtige Themenbereiche sein. Dabei geht es um die technischen Prozesse zur Verarbeitung der Rohstoffe und die Energie, die hiefür aufgewendet werden muss. Ein weiterer wichtiger Aspekt dieser Transformation im Lebensmittelbereich ist die Miteinbeziehung der Konsument:innen, ohne deren Akzeptanz der notwendige Wandel nicht möglich erscheint. Daher werden auch Consumer Science und Ernährungspsychologie zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Zentrale langfristige Entwicklung in der Lebensmittelforschung und im Speziellen der Sensory and Consumer Science sind Entwicklung und Anwendung von Methoden, die starke Praxisrelevanz aufweisen und tatsächliche Erkenntnisse über das Erleben und Verhalten von Menschen gegenüber Lebensmitteln im Alltagsleben erzielen. „Raus aus dem Labor, hinein ins wirkliche Leben.“ könnte das Motto lauten. Versuche an Orten, wo Lebensmittel verzehrt oder gekauft werden, sind angesagt. Eventuell werden es Virtual Reality Methoden ermöglichen, Konsument:innen ohne großen Aufwand in gut kontrollierte experimentelle Situationen zu versetzen. Wir fokussieren seit einiger Zeit in der Forschung auf observationale Techniken und das impliziert Methoden, bei den sich die Testpersonen möglichst real-to-life verhalten.

Derzeit muss man sich eine friedliche Entwicklung in Europa und der ganzen Welt hin zu o ff enen, demokratischen Gesellschaften der Freiheit wünschen. Das ist Voraussetzung dafür, dass wir die großen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte bewältigen können: die Dämpfung des Klimawandels bzw. das Management seiner Auswirkungen auf ökologische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Systeme.

1. Die Lebensmittelforschung wurde die letzten Jahre stark gefordert –welche Trends wird 2023 bringen?

2. Welche langfristigen Entwicklungen sehen Sie?

3. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich wünschen?

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©PFANNER
Mag. Peter Pfanner, Geschäftsführer und Miteigentümer Hermann Pfanner Getränke GmbH
©GIANMARIA GAVA

EXPERTENFORUM

DREI FRAGEN AN LEBENSMITTELEXPERTEN

1. Der Lebensmittelmarkt wurde die letzten Jahre stark gefordert – welche Trends wird 2023 bringen?

2. Welche langfristigen Entwicklungen sehen Sie und wie bereiten Sie sich darauf vor?

Der Trend zu Convenience und Snacking bleibt weiter stark. Das zeigt auch der Erfolg von Ben’s Orginal Express-Reis, der zu den absoluten Lieblingen der ÖsterreicherInnen zählt. Mit der neuen Geschmacksrichtung „Griechisch“ begegnen wir auch dem Fusion-Trend, der eine kulinarische Globalisierung des Alltags bringt. Beim Snacken sind ernährungsbewussten KonsumentInnen ausgesuchte und hochwertige Inhaltsstoffe wichtig, wie sie unsere BeKind-Riegel bieten. Nachhaltigkeit bei Produktion und Verpackung zählt: Unser Ziel ist es, dass 100 Prozent unserer Verpackungen wiederverwendbar, recycelbar oder kompostierbar sind.

3. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich wünschen?

Die Auswirkungen des Klimawandels und der sozialen Ungerechtigkeiten zeigen, dass die Schaffung einer sicheren, gesunden und nachhaltigen Welt unser dringendstes Ziel sein muss. Mit dem „Sustainable in a Generation“-Programm verfolgt Mars seit 2017 das Ziel, Rohstoffe, Lieferketten und Verpackungen umzugestalten, und so das Leben und Einkommen aller Menschen in unserer Wertschöpfungskette zu verbessern. Seit 2023 kommt z.B. der gesamte Kakao in unseren Schokoladeprodukten in Europa aus 100 % verantwortungsvollen Quellen. Auch der Fisch stammt gemäß Mars Richtlinien zu 100 % aus nachhaltigen Quellen. Die Richtlinien werden unter anderem mit dem WWF kontinuierlich weiterentwickelt.

Die Leitphilosophie von Mars ist geprägt von Fünf Prinzipien, die uns seit jeher von anderen Unternehmen unterscheiden. Eines dieser Prinzipien ist die Gegenseitigkeit, denn von einem fairen Umgang miteinander profitieren alle Beteiligten. Ich wünsche mir, dass Regierungen und Wirtschaftsführer erkennen, dass wir die Herausforderungen durch Klimawandel und Kampf gegen die Armut nur gemeinsam bewältigen können. Nachhaltiges Wirtschaften ist eine komplexe Aufgabe, zu der alle einen Beitrag leisten können und müssen, damit der positive gesellschaftliche und ökologische Wandel gelingen kann.

Massive Kostensteigerungen in praktisch allen Bereichen treiben die Preise, die KonsumentInnen stöhnen unter der Inflation. Das hat zur Folge, dass verstärkt auf möglichst günstige Angebote zurückgegriffen wird. Sogar Bio-Lebensmittel, die gegenüber den negativen Markttrends lange Zeit resilient schienen, spüren jetzt die Auswirkungen. Aus der Perspektive derjenigen, die sich bewusst ernähren möchten, gibt es aber nach wie vor eine gute Nachricht: Das breit segmentierte Lebensmittelangebot ermöglicht weiterhin eine vielfältige und ernährungsphysiologisch hochwertige Versorgung in jeder Preisklasse.

Einfach gesagt geht es zunehmend darum, beim Genießen ein gutes Gewissen zu haben. Genuss ist individuell und die Lebensmittelwirtschaft bietet für jeden Anspruch etwas. Beim guten Gewissen wird es schwieriger. Es ist ein hoher Anspruch, sich mit hochwertigen Lebensmitteln zu versorgen und dabei Imperativen unserer Gesellschaft, also dem Klimaschutz, der Nachhaltigkeit, fairen Lieferketten, dem Tierwohl, der Verpackungsreduktion, der Regionalität usw. Rechnung zu tragen. Sich auf diese Entwicklung vorzubereiten, bedeutet vor allem, bei Ernährungs- und Lebensmittelthemen evidenzbasiert, klar und praxisorientiert zu kommunizieren.

Für das f.eh wünsche ich mir vor allem, dass es unserer Arbeit weiterhin gelingt, überzeugenden Nutzen für Multiplikatorinnen, Gesellschaft und Wirtschaft zu stiften. Wir wollen in der heutigen Medien- und Kommunikationsgesellschaft Information anbieten, die relevant ist und bei den Zielgruppen ankommt. Diesem Ziel dient unser präzises Monitoring der Themenlagen, die im Zusammenhang mit Lebensmitteln und Ernährung verhandelt werden. Das f.eh möchte aber mehr: Immer wieder gelingt es uns Themenführerschaft zu übernehmen. Das stellen die Themen unserer Veranstaltungsformate unter Beweis, unser Web-Auftritt und unser Magazin "ernährung heute".

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©WILKE
Dr. Marlies Gruber, Geschäftsführerin forum. ernährung heute
©MARS AUST RIA
Kim Smet, Geschäftsführer Mars Austria

Trotz Inflation und Faktoren wie Unsicherheit, Krieg, reduzierte Kaufkraft, sind wichtige Themen wie Tierwohl, Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung in der Lebensmittelbranche weiter starke Themen. Trends wie Protein – low carb, wenig Fett und kein Zucker – sind weiter anhaltend und lassen aber auch die Gegenbewegung mit Indulgence Produkten zu. Hier entwickeln sich gerade zwei Seiten – die gesunde, bewusste Ernährung und der volle Genuss mit der Bereitschaft, sich etwas besonders zu gönnen. Zudem bin ich davon überzeugt, dass neue Konzepte in Richtung Mahlzeitersatz erst am Anfang stehen und sich hier noch eine interessante Bandbreite öffnen wird.

Langfristig wird Regionalität immer mehr an Bedeutung gewinnen: Klima, Corona, Krieg – wir leben in aufwühlenden Zeiten, in denen wir auch die Nachteile globalisierter Wertschöpfungsketten zu spüren bekommen. Umso wichtiger ist es, die heimische Landwirtschaft und Wertschöpfung stark zu halten. Wir haben in Österreich den großen Luxus, durch kurze Transportwege und kleinstrukturierte Landwirtschaft eine sehr hohe und frische Produktqualität anbieten zu können. Wir hoffen hier sehr auf fortbestehende Kooperation mit dem heimischen Handel.

Also europäisch und menschlich – Frieden ! Geschäftlich, dass etwas Normalität einkehrt und dass die Konsumenten wieder Lust und auch die notwendige Kaufkraft haben.

Die Trends werden stark von der Entwicklung der allgemeinen Marktlage abhängen. Werden die Preise weiter steigen? Wird sich das Konsumniveau deutlich abschwächen? Wird mehr gespart? All diese Faktoren wirken sich auf die Lebensmittelmärkte aus. Landwirte sind gefordert, Effizienz zu steigern und höhere Standards, z.B. in der Tierhaltung, einzuführen. Konsumenten kaufen geplanter und mit einer Tendenz zum Kauf von günstigen Handelsmarken. Der LEH reagiert mit noch mehr Aktionen, besonders bei Butter und Fleisch. Eine Spirale, die zu Lasten des Werts von Lebensmitteln geht. Diese gilt es rasch zu unterbrechen.

Langfristig werden Nachhaltigkeit, Bio, Tierwohl und Klimaschutz an Bedeutung gewinnen. Der Klimawandel ist bei allen angekommen und zeigt seine Auswirkungen. Das schärft das Bewusstsein für Veränderung. Die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen: im nachhaltigen Anbau, bei der Sicherung des Ernteertrags und in einer Tierhaltung, die kritisiert wird, Klimakiller Nr. 1 zu sein. Wir müssen Konsumenten informieren und aufzeigen, wie Landwirte darauf reagieren, welche Zugänge und Konzepte sie ausprobieren und was Konsumenten selbst tun sollten, um die heimische Versorgung zu sichern: Wertschätzung von Lebensmitteln und bewusste Wahl regionaler Produkte.

Wir sind überzeugt, dass alle mehr an einen Strang ziehen müssen. Mit alle meinen wir die gesamte Wertschöpfungskette: Vom Landwirt, über den Verarbeiter bis hin zum Handel und den Konsumenten, NGOs eingeschlossen. Wir sind alle gefordert, uns noch stärker in Richtung mehr regionale Kreisläufe und auch mehr Tierwohl zu bewegen.

Snacks sind für viele Konsument*innen gerade in schwierigen Zeiten eine unverzichtbare Abwechslung. Dass Snacks traditionelle Mahlzeiten ersetzen und in ihrer Bedeutung zunehmen, zeigt die neue Ausgabe unserer „State of Snacking“ Studie, die Mondelēz International jährlich durchführt. 71 % der Konsument*innen geben an, mindestens zweimal am Tag zu snacken. 78 % der Befragten tun dies mit Bedacht und Genuss.

Wenn man an Schokolade, Kekse und Co. denkt, so sind das in erster Linie Genussprodukte. Gleichzeitig fragen sich immer mehr Konsument*innen, woher die Zutaten kommen. Besonders in der jüngeren Zielgruppe wird verstärkt auf Nachhaltigkeit und Regionalität geachtet. Wir sind uns bei Mondelēz International unserer Verantwortung und unserer Möglichkeiten, Dinge zum Positiven zu verändern, bewusst und setzen uns deshalb auf verschiedenen Ebenen für Nachhaltigkeit ein. „Cocoa Life“ und „Harmony“ sind unsere beiden starken Programme, mit denen wir uns für nachhaltige Kakao- bzw. Weizenproduktion einsetzen.

Wir haben jüngst unsere Strategie „Vision 2030“ bekannt gegeben, die Nachhaltigkeit bei Mondelēz International als wichtige Säule für strategisches Wachstum unterstreicht. Wir wissen auch, dass die Herausforderungen, z. B. bei nachhaltiger Beschaffung, systemischer Natur sind und sie kein einzelner Akteur entlang der Wertschöpfungskette allein lösen kann. Ich wünsche mir daher eine noch intensivere Zusammenarbeit zwischen der Politik, Interessensvertreter*innen sowie der Wirtschaft.

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©NÖM
Mag. Alfred Berger, Vorstand der NÖM AG
AG
©AMA-MARK ETING/SAZEL
Mag. (FH) Christina Mutenthaler-Sipek, MBA, Geschäftsführerin AMA-Marketing GmbH
©MILKA/ALE X ANDERTUMA

1. Der Lebensmittelmarkt wurde die letzten Jahre stark gefordert – welche Trends wird 2023 bringen?

2. Welche langfristigen Entwicklungen sehen Sie und wie bereiten Sie sich darauf vor?

Durch die Coronakrise und den Ausbruch des Krieges haben wir uns einerseits mit massiven Kostensteigerungen im Bereich unserer Rohstoffe und Verpackungsmaterialien und andererseits mit Verfügbarkeitsengpässen konfrontiert gesehen. Auch die Energiekosten sind explodiert. Das waren Herausforderungen, wie sie die Bäckerbranche noch nie erlebt hat. Diese Themen werden uns auch 2023 beschäftigen. Gleichzeitig wird das Vermeiden von Lebensmittelverschwendung immer wichtiger. Hier setzen wir zahlreiche Initiativen, wie zum Beispiel unsere Kooperation mit Too Good To Go, die Zusammenarbeit mit sozialen Einrichtungen und auch unser Kochbuch „Drauf & Drunter“, das neben Tipps zur Lagerung von Brot und Gebäck im Haushalt zahlreiche Rezepte zur Verwertung von Brot- und Gebäckresten parat hat.

3. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich wünschen?

Bei den Kaufentscheidungen der Konsument:innen wird regionale Herkunft in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Für uns bei Ankerbrot war und ist der Fokus auf Regionalität immer schon eine Selbstverständlichkeit. Wir verarbeiten ausschließlich österreichisches Mehl, Hefe, Salz und setzen auch bei den restlichen Rohstoffen - wann immer es möglich istauf österreichische Herkunft.

2023 ist ein ganz besonderes Jahr für die Ankerbrot-Gruppe. Der Ausbau unseres Standortes in Lichtenwörth geht zügig voran. Wenn alles weiterhin nach Plan verläuft, werden wir dort im Herbst 2023 die modernste Bäckerei Österreichs in Betrieb nehmen. Mit den neuen Produktionsgegebenheiten werden wir unsere Kunden noch flexibler und mit höchsten Qualitäts-Ansprüchen versorgen können.

Mein Wunsch für unser Unternehmen ist daher ganz klar: Ein erfolgreiches Hochfahren des Betriebes in Lichtenwörth. Über 130 Jahre Tradition wird dann mit modernsten Anlagen eine zukunftsweisende Symbiose eingehen.

Die jüngste Vergangenheit war gekennzeichnet von Polykrisen, die zu Volatilitäten geführt haben, die wir bis zu diesem Zeitpunkt nicht kannten. Steigende Preise und in gewissen Segmenten Verhaltenheit bis Rückgang des Kaufverhaltens führen zum ersten großen Trend, Einsparpotentiale zu finden. Ein weiterer Trend in Europa ist verstärkt veganes Ernährungsverhalten. Viele innovative Lebensmittel gehören bereits zum Standardeinkauf vor allem junger Konsumenten. Der Megatrend Ressourcenschonung beginnt 2023 Fahrt aufzunehmen.

Ressourcenmanagement, Lebensmittelresilienz und Nachhaltigkeit sind langfristige Entwicklungen. Wir haben zahlreiche Projekte im Bereich von Energieautarkie, Abfallvermeidung und Wiederverwendung umgesetzt, Prozesse geplant und Weiterbildung forciert. Wir werden zukünftig Arbeitskräfte durch qualifizierte Zuwanderung integrieren müssen. Das braucht Führungsqualität, interessante Aufgaben und gut organisierte Arbeitsabläufe. Innovations- und Wissensmanagement werden zentrale Aufgaben sein. Und schließlich sehe ich zukünftig integrierte Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette: Automatisierung bei Logistik und Produktion, Digitalisierung bei Qualitätssicherung, Qualitätsmanagement und gezielte Zusammenarbeit mit Lieferanten und Kunden.

Ich wünsche mir Chancengleichheit für alle Menschen beim Zugang zu Wasser und sicheren Lebensmitteln. Weiters weltweite Balance in der Menge der Nahrung statt Über fl uss und Hunger sowie ressourcenschonende Herstellung qualitativ hochwertiger Lebensmittel und wertschätzender Umgang damit. Ich wünsche mir, dass natürliche Inhaltsstoffe von Lebensmitteln genutzt werden und Bewusstseinsbildung über ausgewogene Ernährung für alle.

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DREI
EXPERTENFORUM
FRAGEN AN LEBENSMITTELEXPERTEN
©PFAHNL BA CKMITTELGMBH
Eva Pfahnl, Head of R&D, Quality Management, Pfahnl Backmittel GmbH
©KATHARINA SCHIFFL
Walter Karger, Geschäftsführer der Ankerbrot-Gruppe

Ich bin stolz, dass wir in der Spitz Unternehmensgruppe die Herausforderungen der letzten 2 Jahre gemeinsam gut bewältigt haben. Alle Mitarbeitenden leisten dazu täglich ihren Beitrag. Gleichzeitig sind wir immer noch mit einer umfassenden Volatilität auf den Beschaffungsmärkten konfrontiert. Das heißt, dass uns diese Situation in unseren Geschäftsprozessen und auch im Hinblick auf das Einkaufsverhalten in herausfordernden Zeiten weiterhin stark beschäftigen wird. Wir sehen beispielsweise eine erhöhte Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Produkten im Preiseinstiegsbereich.

Produktinnovationen können derzeit nicht mit dem vollen Fokus vorangetrieben werden, weil die volatile Situation das nicht zulässt. Wenn sich diese Rahmenbedingungen wieder ändern, sind wir agil aufgestellt, um rasch darauf reagieren und hier Schwerpunkte setzen zu können. Übergeordnete

Priorität liegt bei uns insgesamt auf nachhaltiger Entwicklung unserer Geschäftsprozesse. Damit meinen wir nicht nur unser Produktsortiment, sondern beispielsweise langfristige Eigenständigkeit in der Energieversorgung in Richtung Ausbau Photovoltaik oder Wasserkraft.

Ganz klar: die Stabilisierung der geopolitischen Lage. Damit einhergehend vor allem für die vom Krieg direkt Betroffenen die soziale Situation und insgesamt die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Aus der COVID-Pandemie kommend sind wir weltweit seit über einem Jahr mit den Auswirkungen der Kriegswirren in der Ukraine konfrontiert. Im Unternehmenskontext bedeutet das, wir sind fremdgetrieben und eigenschränkt in unserer Agilität und Planbarkeit. Unternehmerische Stabilität und Sicherheit sind damit in vielerlei Hinsicht gefährdet, was es langfristig als Unternehmen schwierig macht.

Kreative Geschmackserlebnisse erhalten noch mehr Aufmerksamkeit. Weg von der Limo mit klassischer Zitrone hin zum aufregenden Durstlöscher, der an Limoncello oder Zitronenkuchen erinnert. Man will sich etwas gönnen. Und im besten Fall sich und der Umwelt etwas Gutes tun. Das hohe Gesundheitsbewusstsein resultiert in einer noch größeren Auswahl an „Better for me“-Produkten: Immun-Booster, gesteigertes Wohlbefinden, mehr Power, etc. Bei letzterem Produktversprechen erwarten wir einen Anstieg von Koffein-RTD’s. Im Fokus: Natürliche Koffein-Quellen, z.B. Guarana, Mate oder die grüne Kaffeebohne.

Functional Foods und Drinks sind nicht mehr wegzudenken – wobei der Geschmack top sein muss. Neben den bereits Genannten werden Benefits nachgefragt, die u.a. die kognitive Leistung oder die Darmgesundheit unterstützen. Zuckerreduzierte Lebensmittel werden den Markt auch weiterhin begleiten. Hierbei halten wir Augen und Ohren offen, beobachten die Märkte, passen unsere Rezepturen ggf. an und testen laufend Süßungsalternativen – hier gilt jedoch auch: Der Geschmack muss überzeugen.

Nun, salopp gesagt wünsche ich mir mehr Versorgungssicherheit entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Eine gesunde und bewusste Ernährung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die Konsumentinnen und Konsumenten legen dabei verstärkt Wert auf die positive Wirkung von Lebensmitteln, auf das eigene Wohlbefinden und das Immunsystem. Gleichzeitig bleiben die Ansprüche an Geschmack und Genuss unverändert hoch. Sich bewusst gesund zu ernähren ist ein Trend, dem wir mit innovativen Produktkonzepten für die weiterverarbeitende Industrie verstärkt Rechnung tragen.

Die Ausweitung der Ernährung auf pflanzliche und biologische Basis wird weitergehen. Sie ist auch Ausdruck des wachsenden Interesses an mehr Klimaschutz und Biodiversität. Speziell pflanzliche Ernährung wird der Verbraucher immer mehr als ergänzende Quelle für gesunde, nachhaltige und natürliche Ernährung wählen. Dabei geht es nicht mehr nur um Alternativen zu Fleisch und Milchprodukten, sondern um die Aufnahme von mehr pflanzlichen Lebensmitteln in die Ernährung insgesamt. AGRANA verbindet diese Ansprüche segmentübergreifend und in verschiedenen Produktkonzepten etwa im Stärkebereich, wo wir Getreideproteine wie Weizengluten als pflanzliche Fleischalternative in den Mittelpunkt rücken wollen.

Dass der schreckliche von Russland geführte Krieg, der großes Leid und Zerstörung verursacht und Millionen Menschen in die Flucht getrieben hat, rasch beendet wird. Auch wenn es hier derzeit wenig Grund für Optimismus gibt. Neben menschlichem Leid sind auch die wirtschaftlichen Folgen enorm, nicht nur in der Ukraine, sondern auch international. Dazu zählen noch größer gewordene Volatilitäten bei Rohstoffpreisen, enorm gestiegene Energiepreise und unterbrochene Lieferketten. Ich bin froh sagen zu können, dass AGRANA trotz Pandemie und Krieg keine Versorgungsengpässe in ihren Werken hatte. Kundenbelieferungen konnten durch den immensen Einsatz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter uneingeschränkt stattfinden.

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©SPITZ GMB H
©M.SCHNITZ LER
©AMA-MARK ETING

DREI FRAGEN AN LEBENSMITTELEXPERTEN

1. Der Lebensmittelmarkt wurde die letzten Jahre stark gefordert – welche Trends wird 2023 bringen?

2. Welche langfristigen Entwicklungen sehen Sie und wie bereiten Sie sich darauf vor?

Für uns ist und war der Trend zu Genuss, vegetarischem und veganem Essen sowie die Verarbeitung der ganzen Kartoffel –quasi „from Nose to Tail“ – wichtig und prägend. Auch Regionalität sowie vegetarische und vegane Ernährung sind zu einer bewussten Entscheidung geworden. Ein Großteil unserer köstlichen 11er Kartoffelspezialitäten ist dafür perfekt und zusätzlich lactose- und glutenfrei. Ungebrochen steht Nachhaltigkeit im Fokus. Als Familienunternehmen achten wir stark auf Regionalität und beziehen alle Kartoffeln aus Österreich und Bayern. Dies garantiert regionale Herkunft und hohe Qualität unserer 11er Kartoffelspezialitäten.

3. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich wünschen?

Der „Kampf“ um agrarische Flächen wurde durch den Krieg in der Ukraine noch einmal befeuert. Jeder Verarbeiter spürt die große Nachfrage nach Rohsto ff en, verschärft durch zunehmend restriktivere Regulierungen bei Düngung und Pflanzenschutz. Das ist grundsätzlich gut und nützlich für die Natur, bedeutet allerdings oft geringere Erträge. Langfristig führt das zu teureren Lebensmitteln. Wir bei 11er arbeiten seit mehreren Jahrzehnten mit unseren Vertragsbauern zusammen. Wir bekommen so qualitativ hochwertige Rohstoffe von uns bekannten Lieferanten. Das gibt Sicherheit für beide Seiten.

Entbürokratisierung – ein oft verwendetes Schlagwort, obwohl kaum etwas davon zu spüren ist. Im Gegenteil – mehr Regularien binden Kapazitäten und behindern Produktivität. Mein Wunsch: Entbürokratisierung zunehmend in die Tat umsetzen und damit Entlastung für alle erreichen.

Die letzten Jahre waren für viele sehr herausfordernd. Was sich dadurch aber verstärkt hat, ist ein höheres Bewusstsein für Nachhaltigkeit und das eigene Wohlbefinden. Wir sehen, dass wir mit unseren Produkten mit Mehrwert, wie ganz aktuell Vöslauer Flavours Pfirsich-Lime Plus Zink oder Vöslauer Sport+ Magnesium voll im Trend liegen. Ganz generell gewinnt Near Water, also Mineralwasser mit Geschmack, ohne bzw. mit wenig Kalorien, immer mehr an Bedeutung, in diesem Segment ist Vöslauer aktuell Marktführer. Was vor allem in anstrengenden Zeiten gerne konsumiert wird, sind unsere Produkte, die den Energiehaushalt unterstützen wie Vöslauer Flavours Ingwer-Lemon Plus Koffein oder Balance Juicy Plus Mate – Limette.

Die Themen Gesundheitsbewusstsein, Nachhaltigkeit und Transparenz spielen bei Konsument:innen schon heute eine zentrale Rolle und werden auch künftig ihre Entscheidungen beeinflussen. Mit unserem Credo, jedes Produkt nachhaltiger als seinen Vorgänger zu gestalten, zielen wir genau darauf ab, was von unseren Konsument:innen auch positiv wahrgenommen wird. Ein Ergebnis davon ist unsere – die bisher einzige – PET-Mehrwegflasche am österreichischen Markt, die langfristig gesehen unverzichtbar sein wird. Deshalb und wegen unserer ehrgeizigen Nachhaltigkeitsziele wollen wir bis 2030 unseren Mehrweganteil verdoppeln und auf 40 % ausweiten.

Dass es der Lebensmittelindustrie schneller bewusst wird, dass sie ein wichtiger Hebel ist, um Nachhaltigkeit voranzutreiben. Daher setzen wir uns sehr ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele, um immer besser zu werden. Lebensmittel sind eben nicht mehr nur Mittel zum Zweck, sondern sollen positiv zu Wohlbefinden und Gesundheit beitragen. Vor allem aber muss ein Umdenken in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaschutz stattfinden. Dazu bräuchte es jedoch politische Rahmenbedingungen, die mehr Förderung und Unterstützung bieten, anstatt „schlechtes“ Verhalten zu sanktionieren.

E RNÄHRUNG | NUTRITION volume 47 | 02. 2023
EXPERTENFORUM
©VÖSLAUER M INERALWASSER
Mag. Birgit Aichinger, Geschäftsführerin Vöslauer Mineralwasser GmbH GMB H
©STUDIO FA S CHING
Mag. Thomas Schwarz, Geschäftsführer 11er Nahrungsmittel GmbH

Die Krisen der letzten Jahre zwingen alle Marktteilnehmer - vom Lebensmittelproduzenten und -handel bis hin zum Verbraucher - sich an die geänderten Rahmenbedingungen anzupassen. Das ist aber gerade derzeit nicht immer ohne Abstriche möglich. Auch in den nächsten Jahren werden wir alle mit etwas „weniger“ auskommen müssen. In Sachen Trends stehen aus Gesundheits- und Nachhaltigkeitsgründen vegetarische und vegane Produkte, als Alternative zu traditionellen (Fleisch)Speisen, nach wie vor hoch im Kurs. Innovative Technologien und Konzepte sorgen hier für neue Interpretationen hinsichtlich Textur und Geschmack.

Die jüngsten Herausforderungen haben uns gezeigt, dass vieles nicht planbar und Flexibilität mehr denn je gefragt ist. Auch die Abhängigkeit von globalisierten Lieferketten wurde uns teils schmerzlich bewusst gemacht. In der VIVATIS-Gruppe setzen wir, so wie bereits seit vielen Jahren, wo möglich auf regionale Rohstoffe aus Österreich. Wir forcieren die österreichische Wertschöpfung, indem wir mit unseren Standorten und Produktionen hier ansässig sind und somit auch rund 3.500 Arbeitskräften Beschäftigung bieten. Diesen Weg wollen wir auch zukünftig gehen und dadurch gesund und qualitativ weiterwachsen.

Ich wünsche mir, dass Lebensmittel wieder mehr an Wertigkeit erlangen. Aktuell werden jährlich 130-140 kg an noch genießbaren Lebensmitteln, das sind umgerechnet 800 - 1.000 Euro pro Haushalt, weggeschmissen. Das ist sowohl moralisch, ökologisch als auch ökonomisch ein Wahnsinn! Erfreulich ist, dass sich die jungen Generationen immer mehr den Themen Einkaufs- und Essverhalten aber auch den sozialen Aspekten im Zusammenhang mit Lebensmittelproduktion und -konsum verschreiben. All jene Unternehmen, die ihren Kund:innen hier entsprechende Anschlussmöglichkeiten bieten, werden profitieren.

Die aktuelle Krise stellt die Lebensmittelbranche vor noch nie dagewesene Herausforderungen. Zu den massiven Preiserhöhungen bei Rohstoffen und Verpackungsmaterial kommt eine europaweite Energiekrise hinzu, der wir uns mit unternehmensspezifischen Lösungen stellen müssen. 2023 wird voraussichtlich um nichts leichter. Es ist zu erwarten, dass die Kosten noch weiter steigen werden. Ein weiteres Problem ist der Fachkräftemangel in Österreich. In Zukunft werden nur jene Unternehmen die Nase vorne haben, die rechtzeitig darauf schauen, dass sie kompetente Mitarbeiter haben. Wiesbauer bietet deshalb mit speziellen Ausbildungs-Programmen jungen Nachwuchskräften spannende berufliche Perspektiven.

Die Endverbraucherpreise werden sich aufgrund der Inflation langfristig auf einem hohen Niveau halten, wodurch sich die Einkaufsgewohnheiten weiter verändern werden. Schon jetzt kaufen die Konsument:innen bewusster und insgesamt weniger ein. Deshalb ist gerade in Zeiten wie diesen die Markenstärke ein zentraler Wettbewerbsfaktor. Gefragt sind neben Innovationen vor allem Produkt-Klassiker, die besten Geschmack und eine gleichbleibend hohe Qualität garantieren. Wiesbauer arbeitet daran, insbesondere bestehende Produkte beispielsweise durch neue zeitgemäße oder recycelbare Verpackungen noch attraktiver zu machen.

Ich würde mir wünschen, dass die Handelspartner in der Zusammenarbeit stärker auch wirklich partnerschaftlich agieren. Die Kosten steigen weiter, aber die entsprechenden Preiserhöhungen im LEH, die für die Branche überlebensnotwendig sind, sind zum Teil noch immer nicht umgesetzt. Das macht ein positives Wirtschaften derzeit nahezu unmöglich und setzt die Lebensmittelhersteller enorm unter Druck. Deshalb sind dringend gemeinsame Maßnahmen erforderlich, um die Verkaufspreise entsprechend anzupassen.

Die Nachfrage nach ultrafrischen Salatund Gemüse-Convenience-Produkten ist ungebrochen – vor allem in Restaurants, wo diese auch angesichts des Fachkräftemangels entscheidende Vorteile bringen. Beim Thema Ernährungsbewusstsein nimmt die Zuckerreduktion einen wachsenden Stellenwert ein. Als führender Lebensmittelhersteller sorgen wir für zuckerfreie Alternativen und passen unsere Rezepturen an. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft fokussieren wir bei Verpackungen auf Glas sowie innovative Verpackungsmaterialien, bei denen der gesamte Weg vom Rohstoff bis zur Entsorgung nachhaltig umgesetzt wird.

Die Verfügbarkeit von Rohstoffen zu sichern, ist ein zentrales Zukunftsthema. Aufgrund der efko Beteiligungsstruktur, bei der 49 % des Unternehmens im Besitz von 128 Landwirt:innen sind, haben wir sehr verlässliche Lieferant:innen. Parallel dazu gehen wir auch den Weg der Eigenproduktion, um so zum Beispiel das efko Tochterunternehmen Vitana auch zukünftig verlässlich mit Rohstoffen zu beliefern. Dafür produzieren wir – gemeinsam mit einem Landwirt in Leopoldsdorf – Produkte in Folientunneln, die in dieser Form die ganze Saison in Österreich nicht ausreichend verfügbar sind.

Ich würde mir wünschen, dass die Handelspartner wieder den Wert bekommen, den sie verdienen.

Die Preise von Rohstoffen waren in den vergangenen Jahrzehnten zu niedrig und für Landwirt:innen nicht oder nur zum Teil kostendeckend. Das erklärt auch den Preisanstieg von Lebensmitteln im Handel, der über der gesamten Inflationsrate liegt. Um die hohe Eigenversorgungspotenz in Österreich garantieren zu können, müssen alle Stakeholder entlang der Wertschöpfungskette angemessene Preise bekommen.

wirtschaft economy 15 volume 47 | 02. 2023 E RNÄHRUNG | NUTRITION
©VIVATIS
©WIESBAUE R
©WIESBAUE R

1. Der Lebensmittelmarkt wurde die letzten Jahre stark gefordert – welche Trends wird 2023 bringen?

Die Aspekte der Nachhaltigkeit und des Gesundheitsbewusstseins bleiben wesentliche Trends. Ganz konkret zeigt sich das etwa in der steigenden Nachfrage an pflanzenbasierten Produkten, der wir auch mit immer neuen Produktinnovationen nachkommen. Abgesehen davon wird uns die Thematik der Preise sicher noch begleiten – daher werden die richtigen Angebote weiterhin eine wichtige Rolle spielen.

2. Welche langfristigen Entwicklungen sehen Sie und wie bereiten Sie sich darauf vor?

Neben Nachhaltigkeit ist eCommerce eine Entwicklung, die auch immer stärker in den Lebensmittelmarkt vordringt. Käufer im stationären Handel werden vermehrt durch die online-Suche vorab des Kaufes beeinflusst. Hier ist eine enge Zusammenarbeit mit den jeweiligen Partnern gefragt.

Ich wünsche mir, dass wir zu etwas mehr Stabilität zurückfinden: zunächst in der Ukraine, dann bei den Preisentwicklungen und der Inflation, um uns mit voller Kraft auf die wirklich große Herausforderung der Klimakrise konzentrieren zu können.

3. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich wünschen?

Unsere Konsument:innen legen nach wie vor zunehmenden Wert auf Nachhaltigkeit – sowohl in Bezug auf Umwelt als auch Gesundheit. Mit unseren Verpackungsinitiativen wollen wir als Coca-Cola System in Österreich diesen Wünschen gerecht werden und setzen wichtige Maßnahmen zugunsten von Ressourcenschonung und Emissionsreduktion: Fest mit der Flasche verbundene Verschlüsse, die Erweiterung unseres 100% rPET Portfolios auf alle Limonaden und Powerade, sowie kartonbasierte Umverpackungen. Wir werden dem Trend gerecht, dass immer mehr Menschen weniger Zucker bei gleichzeitig großartigem Geschmack konsumieren wollen und ergänzen unser Portfolio verstärkt um zuckerfreie und zuckerreduzierte Getränke.

Als 24/7 Getränkeanbieter treiben wir laufend nachhaltige Weichenstellungen voran – Plastikabfall bleibt ein Problem für Menschen und Umwelt, bis wir unser Ziel einer lückenlosen Kreislaufwirtschaft erzielt haben. Wir unterstützen das in Österreich ab 2025 verpflichtende Pfand auf Getränkeeinwegverpackungen ebenso wie die angebotsbezogene Mehrwegquote im Lebensmittelhandel. Da alle Verpackungsarten ihre Vor- und Nachteile mit sich bringen, setzen wir auf einen Mix und investieren kontinuierlich in Verpackungsinnovationen – kein Trend, sondern eine Notwendigkeit für eine nachhaltigere Umwelt.

Beim Thema Verpackungen entstehen negative Bilder in unseren Köpfen – unachtsam weggeworfenes Plastik in der Natur, hoher CO 2 -Ausstoß von Fabriken und viele andere unschöne Szenarien. Mein Wunsch wäre, dass wir in Zukunft mehr anspornende und positive Bilder vor unserem inneren Auge sehen. Es geht darum gemeinsam daran zu arbeiten, neue, nachhaltige Wege zu beschreiten.

E RNÄHRUNG | NUTRITION volume 47 | 02. 2023
EXPERTENFORUM DREI FRAGEN AN LEBENSMITTELEXPERTEN
©COCA-COL A HBC ÖSTERREICH/R A I N RE RASUH
Herbert Bauer, General Manager, Coca-Cola HBC Österreich
©NESTLÉ
Cédric Boehm, Geschäftsführer Nestlé Österreich

TRENDS IN DER BACKBRANCHE

DAS

WISSENSFORUM BACKWAREN E.V. HAT

2022

ERHOBEN, WELCHE

THEMEN

BACKZUTATEN-HERSTELLER BESCHÄFTIGEN. DABEI WURDEN RUND 100 TRENDS IDENTIFIZIERT UND NEUN AUFGRUND IHRER

BESONDEREN BEDEUTUNG ALS MEGATRENDS EINGESTUFT.

Backwaren im gesellschaftlichen Wandel

Brot und andere Backwaren spielen im deutschsprachigen Raum eine derart zentrale Rolle, dass fast alle gesellschaftlichen Entwicklungen einen Einfluss darauf haben. Seien es strukturelle Veränderungen wie die Digitalisierung, die Globalisierung, gesetzliche Anpassungen oder Veränderungen im Konsumverhalten, Letzteres häufig getrieben von neuen Lifestyles, aber auch von Aspekten der Ethik und Verantwortung.

Gemeinsam mit seinen Mitgliedern hat das Wissensforum Backwaren e.V. 2022 einen umfassenden TrendReport erstellt. Ziel war es, größere und kleinere Trends der Branche zusammenzutragen, zu clustern und ihre Bedeutung und weitere Entwicklung einzuschätzen. Dabei ging es nicht nur um reine Food-Trends, sondern auch um Arbeitsund Herstellungsprozesse, denn auch diese sind stetigen Veränderungen unterworfen. Herausgekommen ist eine komplexe TrendMap, die rund hundert Subtrends und neun Megatrends erfasst.

Das Konzept von Megatrends und Subtrends

Der Begriff Megatrends wird vom Zukunftsinstitut definiert. Ein Megatrend hat demnach eine Dauer von mehreren Jahrzehnten, zeigt Auswirkungen in allen gesellschaftlichen Bereichen, ist ein globales Phänomen sowie vielschichtig und mehrdimensional.

Subtrends sind kleinere Trends, die diese Kriterien nicht oder nicht vollständig erfüllen. Sie kommen und gehen schneller als

Megatrends. Meist können sie einem oder auch mehreren Megatrends zugeordnet werden.

Megatrends in der BackzutatenBranche Im Zentrum des TrendReports des Wissensforum Backwaren e.V. stehen neun Megatrends: Gesundheit, Nachhaltigkeit, Innovation, Indulgence, Tradition/Nostalgie, Globalisierung, Transparenz/Kommunikation, Digitalisierung und Effizienz. Vor allem den vier Megatrends Gesundheit und Nachhaltigkeit sowie Transparenz/ Kommunikation und Digitalisierung wird in den kommenden Jahren eine wachsende Bedeutung prognostiziert. Die restlichen Megatrends werden als konstant eingestuft, nur bei einem besteht die Vermutung, dass er mit der Zeit kleiner werden könnte: Globalisierung.

Megatrend Gesundheit – Der vielfältige Dauerbrenner Das Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung nimmt seit

Jahrzehnten zu und hat durch die Corona-Pandemie weiter an Bedeutung gewonnen. Vor allem im Subtrend Vegan/Plant Based wird das größte Wachstumspotenzial gesehen. In die Plant-Based-Idee spielt auch der Trend „Better for you“ hinein. Gemeint ist sinngemäß „nicht perfekt, aber besser“. Ein gutes Beispiel hierfür ist ein weiterer Subtrend: Zuckerreduktion. Ein Kuchen mit weniger Zucker ist die bessere Wahl –„Better for you“.

Die Stichworte Nutri Food bzw. „enriched“ beschreiben eine neue Form des Functional Food. Ging es bei Functional Food noch um eine „künstliche“ Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitaminen und Mineralstoffen, erfolgt dies bei Nutri Food über eine gezielte Auswahl von Zutaten. Durch den Einsatz bestimmter Rohstoffe werden also die Nährwerte optimiert. Bei Backwaren können so etwa höhere Ballaststoff- oder Proteingehalte erreicht werden. High-Protein/Protein enriched wurde aufgrund seiner Bedeutung als eigener Subtrend definiert. Nutri Food/„enriched“ dürfte auch in den kommenden Jahren eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Etwas weniger stark im Fokus, aber ebenfalls als wichtiger Teil des Megatrends Gesundheit identifiziert: FreeFrom (Gluten, Laktose etc.), Fermentation (Sauerteig, Vorteige), Darmgesundheit (Pro- & Präbiotika) und Leguminosen.

Megatrend Nachhaltigkeit – Der wichtigste Baustein in und für die Zukunft Die Branche ist überzeugt: Nachhaltigkeit wird in den kommenden Jahren noch weiter an Bedeutung gewinnen. Dabei wird ein ganzheitlicher Denkansatz in den Mittelpunkt gestellt: Es geht nicht nur um ökologische, son-

wirtschaft economy 17 volume 47 | 02. 2023 E RNÄHRUNG | NUTRITION
CHRISTOF CRONE Christof Crone © STEFFEN HÖFT

dern auch um soziale und ökonomische Aspekte und darum, alles miteinander zu vereinen.

Von immer größer Bedeutung wird außerdem der ökologische Fußabdruck von Rohmaterialien. Hier spielt auch das Thema lokal/regional eine Rolle. Die Entwicklung hin zu regionalen Produkten geht jedoch weit über den Nachhaltigkeitstrend hinaus. Die letzten Jahre haben die Anfälligkeit internationaler Lieferketten deutlich vor Augen geführt. Aber auch der Wunsch nach mehr Transparenz und Kommunikation der Verbraucherinnen und Verbraucher spielt hier hinein. Verbraucher möchten ihren Beitrag zu mehr Klimaschutz leisten, für sie sind daher Informationen über Herkunft und Produktion von Lebensmitteln entscheidend.

Zero Waste – in all seinen Facetten – wird ebenfalls den Nachhaltigkeitstrend in Zukunft mitbestimmen. Dazu gehört die Vermeidung von Verpackungsmüll ebenso wie die Vermeidung von Lebensmittelabfällen sowie die Entwicklung nachhaltiger Verpackungsmaterialien.

Megatrend Innovation – Der Motor der Branche Innovation war und ist immer wichtig in der Welt der Backzutaten. Die zunehmende Häufigkeit und Entwicklungsgeschwindigkeit von Innovationen lässt sich mit dem Schlagwort „Manyvation“ auf den Punkt bringen.

Die Backzutaten-Branche hat dabei vor allem zwei Säulen ausgemacht, eine technologische und eine gustatorische,

aus denen künftig Neuheiten zu erwarten sind. Zum einen geht es um die (Weiter-)Entwicklung neuer Technologien, wie etwa funktionaler Ingredients (Rohstoffe, Enzymtechnologie) zur Beeinflussung der Funktionalität von Produkten (z. B. längeres Mindesthaltbarkeitsdatum MHD, aber auch Nutri Food), sowie um Verfahrenstechniken (z. B. Energieeffizienz bei Gärunterbrechungen, die auf Kühlung angewiesen sind).

Zum anderen wird es weiterhin ein Schwerpunkt der Branche sein, für Verbraucherinnen und Verbraucher immer wieder neue, besondere Geschmackserlebnisse zu schaffen. Dies kann über neue Geschmacksrichtungen gelingen, über neue Geschmackskombinationen, besondere oder besonders intensive/ausgeprägte Aro-

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Backzutaten-TrendMap

matiken oder auch sensorische Besonderheiten, z. B. in der Textur durch größere Cremigkeit, Körnererlebnis u .ä.

Megatrend Indulgence – Die Lust auf Genuss Der Trend Indulgence (Genuss) bedient inzwischen zwei gegensätzliche Strömungen: Auf der einen Seite das Schwelgerische, bisweilen Luxuriöse. Dazu gehört etwa das FoodPorn-Phänomen mit seinen Ausprägungen in Richtung „over fill/over the top“: extra viel Füllung, extra viel Topping, extra kalorienreiche Kombinationen. Auf der anderen Seite steht der Healthy Hedonism, der darauf abzielt, Genuss und Gesundheit zu verbinden. Daraus hervor geht auch der Subtrend New Snacking, also „Fast Good“ statt „Fast Food“. Unabhängig von FoodPorn oder He -

althy Hedonism zeichnet sich ein Bedürfnis nach Individualisierung ab, sowohl was das Genusserlebnis selbst als auch die Portionsgröße angeht, was auch mit der Zunahme der Single-Haushalte zu tun hat. Der Trend geht daher spürbar zu hochwertigen Monoportionen, also kleinen „Ein-Personen-Portionen“, die schnell verzehrt sind und für den Esser etwas Besonderes darstellen.

Megatrend Tradition/NostalgieBack to the Roots Früher war nicht alles besser und das soll auch mit den Begriffen Tradition/Nostalgie hier nicht zum Ausdruck gebracht werden. Vielmehr geht es um das Zurück zu den Ursprüngen, das Rückbesinnen auf die traditionelle Herstellung, das Handwerk – au-

thentisch, ehrlich, leidenschaftlich. Und auf das Wesentliche, das Puristische. Mit Blick auf die Zutaten heißt das z. B. Clean Label, Qualität, Urgetreide und am besten lokal/regional.

Neben der traditionellen Herstellung sind es aber auch die traditionellen Gebäcke, die wieder vermehrt Anklang finden: Klassiker, die viele schon aus ihrer Kindheit kennen und sie immer wieder dorthin zurück entführen, wie etwa der beliebte Käsekuchen. Ein Hauch von Heimweh-Küche und Soul Food schwingt hier mit und ist bedeutend unter anderen im der Silver Society, die in unserer älter werdenden Gesellschaft einen immer größeren Platz einnimmt. Auch die Local Heroes spielen in den Traditionstrend hinein, regionale Spezialitäten mit überregionalem Potenzial wie etwa Franzbrötchen, Laugengebäck oder Seelen.

Megatrend Globalisierung – viele Facetten und die Frage: Quo vadis?

Die Globalisierung kommt nicht nur in puncto Lieferketten zum Tragen, auch unser Geschmack ist globaler worden. Exotische Zutaten haben Einzug gehalten und es kam zu Cross-over-Varianten, in denen entweder Aromen verschiedener Länder gekreuzt wurden (Fusion-Küche) oder gleich ganze Gebäckarten (Cronuts, Cruffins etc.). Bei uns spielen durch die direkte Nachbarschaft die mediterranen Genusswelten eine besondere Rolle. Großen Einfluss haben außerdem die USA: American Bakery erfreut sich hierzulande (Anm.: Deutschland) großer Beliebtheit.

In produktionstechnischer Hinsicht hat die Globalisierung vielfältige Möglichkeiten zur Gestaltung von Wertschöpfungsketten geschaffen und damit zur Kostenoptimierung, die auch auf das Thema Preissensibilität beim Verbraucher einzahlt. Damit einher gehen aber auch Fragen der Widerstandsfähigkeit internationaler Wertschöpfungsketten (Supply Chain Resilience) sowie der Nachverfolgbarkeit (Blockchain). Mit alten und neuen Labeln soll hier mehr Transparenz geschaffen werden, darunter RSPO, UTZ, Fair Trade und der EcoScore zur Einstufung der Nachhaltigkeit eines Produkts.

Die Globalisierung ist der einzige Megatrend, bei dem ein bedeutender Teil der

wirtschaft economy 19 volume 47 | 02. 2023 E RNÄHRUNG | NUTRITION

Branche davon ausgeht, dass er in den nächsten Jahren kleiner wird.

Megatrend Transparenz/Kommunikation – Wissen ist gewollt Kommunikation ist heute von zentraler Bedeutung. Das hat wesentlich mit den neuen und vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Kommunikation zu tun, aber auch mit einer immer komplexer gewordenen Welt, in der das Bedürfnis erstarkt, diese zu verstehen. Verbraucher wollen wissen, woher Lebensmittel kommen, wie sie hergestellt werden und wie sie ökologisch, gesundheitlich und sozial zu bewerten sind.

Die Food-Kompetenz – also das Wissen um Ernährung und Lebensmittel – ist in der Bevölkerung allgemein gestiegen und nimmt weiter zu. Umso wichtiger ist für Unternehmen die Information von Kundinnen und Kunden, aber auch von Fachkräften geworden, um offene Fragen zu beantworten, Vorurteilen zu begegnen und für Transparenz und Authentizität zu sorgen. Das deutsche Wissensforum Backwaren e.V. selbst zeigt, wie Transparenz und Kommunikation an Bedeutung gewonnen haben. Ursprünglich gegründet als Informationszentrale für Fachpersonen, hat der Verband inzwischen auch die allgemeine Aufklärung auf der Agenda, um mit gängigen Mythen und Vorurteilen aufzuräumen. Hierfür betreibt das Wissensforum Backwaren e.V. unter anderem die Webseite klartext-backzutaten.de.

Megatrend Digitalisierung – ein neues Zeitalter Der Megatrend Digitalisierung hat die Arbeitswelt verändert und wird es mit fortschreitender Technik weiter tun. Doch nicht nur die Arbeitswelt, auch das Konsumverhalten hat sich angepasst. Einkäufe haben sich in vielen Bereichen in die digitale Welt verlagert. In der Backzutatenbranche rechnen viele damit, dass Mischformen aus analogem und digitalem Shopping in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden, ebenso wie Augmented Reality, Virtual Reality und künstliche Intelligenz. Im Bereich der Digitalen Kommunikation sind es dementsprechend vor allem Online-Shops und auch Social Media, denen eine große Mehrheit wachsende Bedeutung attestiert. Neben der Block-Chain-Technologie und Möglichkeiten zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen mittels digitalen Tools zur Retourenminimierung – Stichwort Zero Waste – ist es außerdem die Personalisierte Ernährung, bei der gleich mehrere Megatrends aufeinandertreffen und der eine entsprechend wichtige Bedeutung in der Zukunft zugeschrieben wird.

Megatrend Effizienz – mit wenig viel erreichen Effizienz spielt auf unterschiedlichen Ebenen eine (zunehmende) Rolle. Da gibt es das Operative, die Arbeitswelt, die allein schon durch die Digitalisierung in den letzten Jahrzehnten um ein Vielfaches effizienter geworden ist. Auch Agilität und Flexibilität sind heute

mehr denn je gefragt. Das alles lässt sich unter dem Begriff New Work subsumieren. Auch die „vernetzte“ Backstube arbeitet heute digitaler, automatisierter. Auf einer anderen Ebene geht es vor allem um Optimierung von Prozessen, Wertschöpfungsketten und Kosten. Hierzu gehören auch Themen wie Energieeffizienz, nicht nur mit Blick auf die Kostenoptimierung, sondern auch auf das Thema Nachhaltigkeit und letztlich auch auf die Preissensibilität beim Verbraucher. Die gestiegenen Kosten für Energie und Rohstoffe machen möglichst effiziente Ressourcennutzung wichtiger denn je.

Eine dritte Ebene betrifft den privaten Bereich. Hier ist Zeit kostbar geworden und will effizient genutzt werden. Das zeigt sich in der gestiegenen Nachfrage nach Snacks, Convenience- und ToGo-Produkten und in dem von Hanni Rützler bereits im Foodreport 2020 beschriebenen Phänomen der Snackification, der Entzerrung von Mahlzeiten und dem Übergang von Frühstück, Mittagessen und Abendbrot in „Mimas“, kurz für Minimahlzeiten. Dass Snacks und Mimas durchaus auch gesund sein können und sollen, darauf zahlt New Snacking ein, das Genuss und Gesundheit – sowie Effizienz – verbindet.

Christof Crone, Geschäftsführer Wissensforum Backwaren e.V., Berlin

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AM EU-KOMMISSIONSENTWURF DER NEUEN VERORDNUNG ZUR NACHHALTIGEN

VERWENDUNG VON PFLANZENSCHUTZMITTELN (SUR) UND AM STRENGEN ZULASSUNGSREGIME NICHT RASCH ETWAS ÄNDERN. ÜBERZOGENE REGELN

UND UNERFÜLLBARE VORGABEN GEFÄHRDEN ZUNEHMEND UNSERE

VERSORGUNGSSICHERHEIT BEI WESENTLICHEN LEBENSMITTELN. TROTZ GEGENTEILIGER BEHAUPTUNGEN WIRD DAMIT AUCH DIE DIVERSITÄT

IM ANBAU UND FOLGLICH DIE BIODIVERSITÄT REDUZIERT.

FERDINAND LEMBACHER

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Notfallzulassungen von Pflanzenschutzmitteln erschütterte im Frühjahr 2023 die österreichische Zuckerwirtschaft. Anbau und Verarbeitung von österreichischem Zucker sind mangels ausreichender Werkzeuge gegen Schädlinge massiv in Gefahr. Und dies, obwohl begleitende Monitorings ausreichende Sicherheit der verwendeten Beizmittel für Bienen attestieren. Ohne genügend wirksame Schutzmittel für die Rübe werden die Bäuerinnen und Bauern das Produktionsrisiko auf Dauer aber nicht tragen können. Das wird auch Folgen für den Verarbeitungsstandort Österreich haben.

Massiver Rückgang wichtiger Kulturen

Noch wird die Klage über fehlende Betriebsmittel als "Gejammer der Agrarlobbyisten" dargestellt. Noch ist für den Durchschnittskonsumenten in den

Regalen auch kein Mangel an Produkten erkennbar, internationalem Warenaustausch sei Dank. Dabei mehren sich aber die Produktionssektoren, in denen der kontinuierliche Entfall von Betriebsmitteln das Risiko für die bäuerlichen Betriebe zunehmend unkalkulierbar macht – zuerst in flächenmäßig kleinen, aber umso wichtigeren Produktionsbereichen wie Obst und Gemüse. Der massive Rückgang des Anbaus von Ölpflanzen, insbesondere Raps, ist nicht Folge von weniger Nachfrage, sondern durch den Wegfall von Pflanzenschutzmitteln bedingt.

Wir teilen das Ziel der EU-Kommission, den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu fördern. Und das nicht erst, seit die europäische Politik den Pflanzenschutz als Thema für politische Profilierung entdeckt hat. Der nachhaltige Einsatz ist für uns vielmehr seit vielen Jahren gelebte Realität. Österreich ist sogar Vorreiter beim integrierten Pflanzenschutz, bei dem alle verfügbaren vorbeugenden, nicht-chemischen Maßnahmen wie Sorten- und Saatgutwahl,

moderne Anbauverfahren, Fruchtfolge, mechanische Maßnahmen, Precision Farming oder auch die Verwendung digitaler Monitoring-Instrumente primär eingesetzt werden. Erwähnt sei auch der Bio-Flächenanteil mit 26%, Spitzenwert in Europa. Die Landwirtschaftskammer stellt den bäuerlichen Betrieben mit dem LK-Warndienst eine Onlineplattform zur Verfügung - mit regionalisierten Informationen über das aktuelle Auftreten von Schädlingen und Schaderregern. Ein Gewinn für Umwelt und (Land-)Wirtschaft, ermöglicht dieses Instrument doch zielgenauen, effizienten Mitteleinsatz. Auch mit Beratungsmaßnahmen, Schulungen, Feldtagen, Artikeln, Broschüren und Videos unterstützen wir die Bäuerinnen und Bauern, so gut es geht. Chemische Maßnahmen sind als ultima ratio trotzdem eine unverzichtbare Ergänzung. Erwerb und Verwendung von Pflanzenschutzmitteln sind ausschließlich regelmäßig geschulten Fachkräften vorbehalten. Das Motto beim Einsatz dieser streng geprüften Mittel lautet seit Jahren: "So wenig

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wie möglich, so viel wie notwendig". Der Vergleich mit anderen Ländern bestätigt, dass Österreich je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche deutlich weniger Pflanzenschutzmittel einsetzt.

Der Lebensmittelsicherheitsbericht der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit), für den tausende Proben analysiert werden, weist für Lebensmittel österreichischer Herkunft regelmäßig deutlich geringere Beanstandungs-Prozentsätze (eigentlich Promillesätze) aus als für europäische und noch mehr für internationale Produkte. Die Beanstandungen betreffen überwiegend mikrobielle Kontamination, irreführende Kennzeichnung oder Verunreinigungen. Nur in seltenen Ausnahmefällen werden überhöhte Rückstände von Pflanzenschutzmitteln festgestellt. Das größte Risiko ist und

bleibt falsche Ernährung und ungesunder Lebensstil.

Ideologisch motivierte Forderungen

Die Herangehensweise der EU-Kommission und die ideologisch motivierte Forderung mancher Europa-Parlamentarier:innen, frei nach dem Motto "Wer bietet mehr", pauschal Pflanzenschutzmittel um 50% oder gar 80% zu reduzieren, sind keinesfalls sinnvoll, sondern vielmehr Beleg für mangelnde Sachkenntnis und Seriosität. Das Datenmaterial aus den Mitgliedstaaten ist nicht vergleichbar, es werden Äpfel mit Birnen verglichen und das bereits erreichte Ausgangsniveau wird nicht berücksichtigt.

Ein Beispiel aus Österreich: Herkömmliches CO2, ein natürlich vorkommender Bestandteil der Luft, wird in speziellen geschützten Lagerräumen zur Behandlung von Saatgut und Produkten gezielt und rückstandfrei eingesetzt. Obwohl natürlich vorkommend, wurde es in Österreich als Pflanzenschutzmittel registriert und zugelassen und folglich in der dafür vorgesehenen Statistik geführt. Es umfasst mittlerweile 39% der in Österreich eingesetzten Pflanzenschutzmittel, ökologisch und für Konsument:innen völlig ohne Risiko. In anderen Ländern wird es in der Statistik nicht einmal geführt! CO2 ist auch der wesentliche Grund, warum die österreichische Statistik in den letzten zehn Jahren einen spürbaren Anstieg bei Pflanzenschutzmitteln aufweist. Die Menge der eingesetzten „chemisch-synthetischen Mittel“

© ADOBE STOCK – OTICKI E RNÄHRUNG | NUTRITION volume 47 | 02. 2023

hat sich durch zahlreiche Bemühungen im Rahmen des integrierten Pflanzenschutzes hingegen um 17,5% reduziert. Die regelmäßigen Aussendungen von „Umweltorganisationen“ haben allerdings das Ziel, die Aufregung zu bewirtschaften und stellen daher einen „Anstieg“ in den Vordergrund.

Menge sagt nichts über Risiko aus

Die in der Statistik erfasste Verkaufsmenge sagt aber im Grunde auch nichts über ein allfälliges Risiko aus. Die im SUR-Entwurf vorgeschlagene Risikobewertung unterscheidet vier Kategorien, der Großteil der eingesetzten Pflanzenschutzmittel ist in der 2. Kategorie mit einem Risikofaktor 8 bewertet. Der nor-

male Luftbestandteil CO2 ist hier ebenfalls enthalten.

Selbst die angedachte Risikobewertung ändert nichts daran, dass manche Pflanzenschutzmittel bereits mit wenigen Gramm pro Hektar ihre Wirkung erreichen und andere erst mit einigen Kilogramm. Die Angabe der Masse sagt nichts über ein allfälliges Risiko aus. Schon jetzt sind Pflanzenschutzmittel in Europa zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie der Umwelt strengsten gesetzlichen Regeln unterworfen. Das gilt sowohl für konventionelle als auch für die Biolandwirtschaft zugelassene Mittel. Die Prüfvorschriften in Europa gehören zu den umfangreichsten weltweit und gewährleisten mit den darauf basierenden Bewertungen ein gesundheitliches Schutzniveau, das Maßstäbe setzt. Die Wirkstoffe, aber auch die daraus formulierten Mittel durchlaufen ein Zulassungsverfahren mit strengen Anforderungen an Toxikologie und Anwendung. Dieser gesetzliche Rahmen gewährleistet bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung den sicheren Einsatz gemäß dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik unter strengem Schutz für die menschliche Gesundheit.

Trotz Unterstützung für das Ziel einer noch nachhaltigeren europäischen Landwirtschaft lehnt die Landwirtschaftskammer Österreich einen undifferenzierten Mengenansatz und das Negieren wissenschaftlicher Standards und echter Risikofaktoren entschieden ab.

Mehr Bürokratie, mehr Betriebsaufgaben befürchtet

Österreichs Landwirtschaft ist gekennzeichnet von kleinen und mittelgroßen Familienbetrieben. Im Vorschlag zur SUR werden überbordende bürokratische Maßnahmen gefordert, die gerade diese Betriebe besonders treffen. Während der Hauptsaison auf den Feldern sollen sie mit Bürokratie überfrachtet werden, die in anders strukturierten Ländern ein „Büro“ im Hintergrund erledigt. Jede Landwirtin und jeder Landwirt, der Pflanzenschutzmittel einsetzt, muss schon jetzt jeden Einsatz dokumentieren: Was, wann, wo, wie viel und warum.

Die stark generalisierenden SUR-Zielsetzungen berücksichtigen die bisherigen Bemühungen unzureichend. Wie diverse Studien zeigen, hätten die vorgesehenen Maßnahmen eine Reduktion der Erträge im zweistelligen Prozentbereich zur Folge, für spezielle Sektoren auch deutlich mehr. Die heimischen Produkte würden durch Importprodukte aus anderen Ländern ersetzt, in denen Pflanzenschutzmittel verwendet werden, die bei uns schon lange verboten sind.

Kaum mehr Mittel für zentrale Kulturen

Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln in der EU sind seit 2009 so streng geregelt, dass es für zentrale Kulturen und Schädlinge nur ein oder gar keine Mittel mehr gibt. Und dabei sprechen wir von wichtigen Grundnahrungsmitteln wie Erdäpfeln, Raps, Zuckerrüben, Erbsen, Gemüse oder Obst. An einem solchen Punkt als politisch Verantwortliche 50% oder gar 80% der eingesetzten Pflanzenschutzmittelmengen reduzieren zu wollen, ist absolut unverantwortlich! Europa darf bei Lebensmitteln nicht in die gleiche Abhängigkeit geraten wie bei Gas und Energie.

Auch der EU-Bauern- und Genossenschaftsverband COPA-COGECA kritisiert die undifferenzierte Mengenreduktion mehrfach. Ernährungssicherheit und Souveränität müssen aufgrund der Ereignisse der letzten Monate und Jahre verstärkt berücksichtigt werden. Wir brauchen generell keine einseitigen Strategien, sondern echte Nachhaltigkeit: eine Balance zwischen Ökologie, Ökonomie und Sozialem. Die europäische Landwirtschaft trägt zudem soziale Verantwortung, auch andere Regionen der Welt mit Lebensmitteln zu versorgen. Es ist geradezu zynisch, die Frage der Lebensmittelversorgung ausschließlich aus der Perspektive der wohlhabendsten Region der Welt zu betrachten. Der wahre Kampf gegen Lebensmittel-Verschwendung beginnt nicht in der Küche, sondern auf den Feldern.

volume 47 | 02. 2023 E RNÄHRUNG | NUTRITION kommentar comment 23
Ferdinand Lembacher, Generalsekretär der LK Österreich, Wien

DIE BÖRSE FÜR LANDWIRTSCHAFTLICHE PRODUKTE IN WIEN

BEREITS SEIT 1869 ERFOLGEN AN DER BÖRSE FÜR LANDWIRTSCHAFTLICHE

PRODUKTE IN WIEN PREISNOTIERUNGEN UND MARKTBEOBACHTUNGEN.

NEBEN DEM ERLASS VON HANDELSBRÄUCHEN (USANCEN)

DIENT DIE BÖRSE ABER AUCH ALS SCHIEDSGERICHT UND ERSTELLT SACHVERSTÄNDIGENGUTACHTEN. EIN ÜBERBLICK.

Preisnotierungen zählen laut Produktenbörsegesetz und den Statuten der Börse für Landwirtschaftliche Produkte zu ihren zentralen Aufgaben. Diese erfolgen bei einer wöchentlichen Sitzung jeweils am Mittwoch-Nachmittag, zu der alle Mitglieder geladen sind. Dazu zählen Vertreter der Lebensmittel- und Futtermittelkette vom Landwirtschaftsbetrieb über Aufkäufer, Händler, Makler bis zu Verarbeitern. Die Basis für die Preisnotierung ist in einem Regulativ festgelegt und berücksichtigt die in der Vorwoche gehandelten Preise für Produkte aus dem Geschäftsbereich, Großhandelspreise mit definierter Parität, den Lieferzeitraum und das Erntejahr. Dabei werden Anträge durch einen Preisausschuss aus Mitgliedern und externen Experten geprüft und freigegeben. Die notierten Preise werden jeweils im Kursblatt auf www.boersewien.at verlautbart. Damit können Marktverläufe und Zusammenhänge zwischen regionalen Preisen und den Futures-Kursen an Warenterminbörsen abgebildet werden, die für Entscheidungsträger auf regionaler und europäischer Ebene in der Krisenvorsorge oder der Agrarpolitik herangezogen werden können. Die Produktenbörse wird von ihrem Präsidenten Kommerzialrat DI Josef Dietrich geleitet und nach außen vertreten. Er wird durch das Präsidium (5 Personen) beraten bzw. vertreten. Wesentliche Entscheidungen werden durch die Börse-Kammer getroffen, wie z. B. Wahl des Präsidenten und des Präsidi-

ums, Beschluss von Voranschlägen oder dem Rechnungsabschluss.

Gründung 1869

Die Börse für Landwirtschaftliche Produkte wurde bereits 1869 gegründet. Kernaufgabe war immer, den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten zu unterstützen. Zur Gründungszeit und auch heute geschieht das, indem ein Ort der Begegnung geboten wird, Informationen über die Marktlage der letzten Tage ausgetauscht werden und einheitliche Regeln für den Handel und zur Streitschlichtung festgelegt werden.

Handelsbräuche

Die Börse legt Handelsbräuche fest. Usancen werden nur bei Verträgen angewandt, die klar mit Berufung auf diese Usancen abgeschlossen wurden. Im Anschluss an österreichisches Recht werden dabei Detail-Definitionen zu den wichtigsten, praxisbezogenen Problemfällen im Verlauf des Abschlusses und der Erfüllung von Verträgen getroffen. Die Kapitel reichen von „Zustandekommen eines Vertrags“ bis „Abnahme“, „Abruf“, „Erfüllung/Lieferung“ bzw. „Nicht-Erfüllung“, „Gewichts- und Qualitätsfeststellung“, „Beanstandung“, „Lieferverzug“, bis zu „Zahlung“ (Aufzählung nicht vollständig). Grundsatz der Wiener Börse-Usancen ist die faire Zusammenarbeit („Treu und Glauben“) von Käufer und Verkäufer. Der Vorteil

für beide liegt in klaren Handlungsanweisungen für effiziente und sichere Vertragserfüllung.

Weitere Expertisen

Beurteilung von Warenmustern durch Vertreter der Praxis.

Schiedsgericht: rasche und sehr kostengünstige, inappellable Klärung von Streitfällen.

Marktbeobachtung: wöchentlicher Bericht zu internationaler und regionaler Marktentwicklung

Information/Schulungen: bei Veränderungen in den Rahmenbedingungen (Agrarpolitik, Usancen etc.)

Veranstaltungen: Donaubörse (zentraleuropäisches Branchentreffen), Produktpräsentationen, etc.

Mehrwert für Mitgliedsbetriebe

Rund 129 Mitgliedsbetriebe aus der Lebens- und Futtermittelkette profitieren von Expertisen, dem Schiedsgericht, Veranstaltungen, Anträgen zur Preisermittlung, der gemeinsamen Weiterentwicklung der Usancen und Schulungen sowie von der mietfreien Nutzung des Veranstaltungsbereichs in der Taborstraße für eine Firmenveranstaltung pro Jahr.

24 wirtschaft economy E RNÄHRUNG | NUTRITION volume 47 | 02. 2023
ERNST GAUHS

Internationale Leitbörsen

Wie auch die Börse für Landwirtschaftliche Produkte in Wien bilden internationale Warenterminbörsen globale Entwicklungen ab. Davon abgeleitet und mit zeitlicher Verzögerung entstehen unterschiedliche, regionale Marktniveaus. Die Differenzen entstehen in liberalisierten Märkten „nur“ durch regionale Angebots- und Nachfrageverhältnisse und Logistik-Kosten. Externe (meist staatliche) Eingriffe wie Zölle, Ausfuhrstopp, Kriege u. ä. sorgen für zusätzliche Volatilität bis hin zu Versorgungsengpässen.

Warenterminbörsen (Futures, keine Commodities): Euronext Paris bzw. Chicago Board of Trade, Winnipeg Commodity Exchange.

Warenbörsen (Commodities, keine Futures): Hamburg, München, Bologna, Mailand

Futures-Börsen reagierten auf Krieg

Die Länder um das Schwarze Meer haben sich in den letzten Jahrzehnten zur weltweit größten Export-Region von Getreide und Mais entwickelt. Mit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine war plötzlich die Verfügbarkeit von großen Mengen für die Deckung der globalen Nachfrage in Frage gestellt. Die Futures-Börsen reagierten auf den Kriegsausbruch heftig: Zwischen Mitte Februar 2022 und Anfang Mai sprangen an der Euronext die Preise für Weizen-Futures von etwa € 280/t auf über € 400/t (+143 %); Mais-Futures von € 250/t auf € 350/t (+140 %) und Raps sogar von € 690/t auf € 1 044,25 am 20.4.2022 (+151 %). Je pessimistischer die Beschaffung aus anderen Welt-Regionen eingeschätzt wurde, desto heftiger fiel die Risikoprämie aus. Mit der Vereinbarung eines geschützten See-Korridors für Exporte aus der Ukraine wurden diese Preis-Aufschläge wieder teilweise reduziert. Die Versorgungslage blieb jedoch weiterhin angespannt. Trockene Wetterphasen in einem der Haupt-Produktionsgebiete dieser Erde oder auch nur zunehmende Unsicher-

Zur Person

Biographie Kommerzialrat DI

Josef Dietrich – Präsident der Börse für Landwirtschaftliche Produkte

Studium an der Universität für Bodenkultur

1983 – 2003 ÖRWZ/RWA AG Bereich Getreide, Futtermittel

2003 – 2018 Goodmills, zuletzt Geschäftsführer der Mühlen-Holding;

2010 bis heute Präsident der Börse für Landwirtschaftliche Produkte in Wien.

heit betreffend die Verlängerung des Export-Korridors führten zu raschen Preissteigerungen.

Kaum Auswirkungen bei Pandemie

Der Ausbruch der Covid-Pandemie hatte auf die globalen Getreidemärkte kaum Auswirkungen. Die Preissteigerungen, die schon vor Kriegsausbruch stattgefunden hatten, waren mehr durch den laufenden Abbau der weltweiten Lagerreserven aufgrund schwacher Erntemengen in den letzten Jahren verursacht. Auch auf dem regionalen Markt hat sich die Pan-

demie kaum ausgewirkt. Die Lagermengen entlang der üblichen Marktströme waren zu jedem Zeitpunkt ausreichend. Die größte Gefahr ging von überschießenden staatlichen Eingriffen aus, wie etwa einer angedrohten Schließung von Grenzen innerhalb des Binnenmarktes, zum Beispiel durch Quarantäne-Zwang für Lkw-Fahrer. Diese Gefahren konnten jedoch in Zusammenarbeit von Interessensverbänden, Regierungsvertretern und der EU-Kommission (Stichwort „GreenLines“) rechtzeitig entschärft werden.

Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien

Zahlen, Daten, Fakten

Mitglieder: quer über die Lebens- und Futtermittel-Kette vom Landwirtschaftsbetrieb über Aufkäufer, Händler, Makler bis zu Verarbeitern, Interessensvertretungen (Kammern) insgesamt 129 Firmen und 235 Mitglieder.

Gehandelte Produkte: alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse und deren Verarbeitungsprodukte sowie Futtermittel und Futter-Zusatzstoffe – hauptsächlich Getreide, Mais, Ölsaaten und Ölschrote, Hülsenfrüchte, Mohn, diverse Nebenprodukte aus der Verarbeitung von Getreide, Zuckerrüben und Mais (wie Kleie, Melasse, Maiskleber).

Gründung 1853 als „Wiener Frucht- und Mehlbörse“, dem Wiener Magistrat unterstellt; seit 1869 selbständig.

wirtschaft economy 25 volume 47 | 02. 2023 E RNÄHRUNG | NUTRITION
person
©
PETRA SPIOLA

VERMARKTUNG VON SCHWEINEN

Organisation, Funktion und Ablauf der Österreichischen Schweinebörse

DIE GENOSSENSCHAFT ÖSTERREICHISCHE SCHWEINEBÖRSE E. GEN. IST DIE

GEMEINSAME VERMARKTUNGSORGANISATION VON DREI SCHWEINEERZEUGERGEMEINSCHAFTEN: VLV IN OBERÖSTERREICH (VERBAND LANDWIRTSCHAFTLICHER VEREDELUNGSPRODUZENTEN FÜR OÖ), STYRIABRID IN DER STEIERMARK

SOWIE ERZEUGERGEMEINSCHAFT (EZG) GUT STREITDORF IN NIEDERÖSTERREICH.

Alle drei Organisationen sind wie deren Verbund in der Österreichischen Schweinebörse e. Gen. (Ö-Börse) nicht auf Gewinn ausgerichtet. Zur Finanzierung der Dienstleistungen werden Vermarktungskostenbeiträge von Mitgliedern und Vermittlungsprovisionen von Schlachtbetrieben eingehoben.

B egründet wurde die Zusammenarbeit kurz nach dem EU-Beitritt mit dem Ziel, durch die Bündelung des Angebotes eine relevante Marktstellung unter den damals neuen Rahmenbedingungen am EU-Binnenmarkt zu erzielen. Rückblickend kann man von einer Erfolgsgeschichte sprechen. Im Laufe der Jahre bzw. Jahrzehnte konnte sich die Organisation einen Marktanteil von ca. 50 % erarbeiten. Gut 90 % der österreichischen Schweineproduktion ist in den drei genannten Bundesländern beheimatet, in ähnlicher Größenordnung liegt die Kapazität der heimischen Schlachtbetriebe in diesen Regionen. Damit ist bereits die Branche genannt, mit der die Ö-Börse in direkter Geschäftsbeziehung steht.

Die Schweinebörse ist also das relevante Bindeglied zwischen Schweinebauern und Schlachtbetrieben. Die Hauptverantwortung besteht in der ganzheitlichen Abwicklung des Schlachtschweinegeschäftes. Das heißt, Landwirte melden das Angebot an schlachtreifen Tieren telefonisch bzw. elektronisch in unsere Büros. So entsteht Woche für Woche bis Mittwochmittag ein genauer Überblick über das ös-

terreichweite Angebot für die kommende Woche. Je nach Jahreszeit variiert die wöchentliche Menge zwischen 30.000 und 45.000 Stück, in den Sommermonaten eher im oberen, im Winterhalbjahr eher im unteren Bereich. Die nicht kostendeckende Ertragslage auf vielen Betrieben in der Coronazeit sowie gesetzlich vorgeschriebene hohe Investitionen in Stallbauten zwangen tausende Landwirte zur Aufgabe der Schweinehaltung. Die Bruttoeigenerzeugung sank 2022 um 5 %, auch 2023 wird ein Minus im selben Ausmaß erwartet.

Wöchentliche Preisbildung und phasenweise hohe Volatilität

Nach erfolgreicher Zuteilung der Bedarfsmengen zu den Abnehmern folgen Preisverhandlungen zwischen Vertretern der Anbieter, im Wesentlichen sind das die Geschäftsführer der 3 EZG und den Abnehmern, vertreten durch die fünf namhaftesten Schlachtunternehmen Österreichs. Die Verhandlungsführer fixieren dann jeden Mittwoch um 14.30 Uhr den neuen Preis. Es wird um einige Cent/kg Schlachtgewicht nach oben oder unten gefeilscht oder man ist sich einig, den „neuen“ Preis auf Vorwochenniveau zu fixieren. Die Verhandlungslinien werden dabei von der Formel „Angebot und Nachfrage regeln den Preis“ bestimmt. Neben der Bewertung der nationalen Verhältnisse spielt die internationale Entwicklung eine maßgebli-

che Rolle. Allen voran ist Deutschland ein wesentlicher Gradmesser.

Einen außerordentlichen und einmalig hohen Preissprung nach oben gab es in KW 10/2022. Grund war die „Preisexplosion“ bei Futtermitteln als Ergebnis des Krieges in der Ukraine, da die Versorgung aus der Kornkammer Europas für viele Futtermittelkonzerne am Binnenmarkt kurzzeitig gänzlich ausfiel. Nachwirkungen dieses geopolitischen Dramas sind bis heute aufrecht. Die bis dato außerordentlich hohen Futtermittel- und Energiekosten haben unter anderem europaweit zu einer Rücknahme der Schweineproduktion im Ausmaß von 5–7 % geführt, wodurch sich die Schweinepreise seither permanent auf Rekordniveau bewegen.

26 wirtschaft economy E RNÄHRUNG | NUTRITION volume 47 | 02. 2023
©
DANIEL KOEPPL Johann Schlederer JOHANN SCHLEDERER

Tiertransport und Schlachtprozess

Der Transport der schlachtreifen Schweine zu den Schlachtbetrieben erfolgt auf unterschiedliche Weise. Zum einen transportieren Landwirte die eigenen Schweine direkt

zum Schlachthof, zum anderen wird ein Großteil der Tiere durch den professionellen Fuhrpark der Erzeugergemeinschaften und Viehhändler zur Schlachthoframpe geliefert. Ein weiterer Anteil wird durch die eigene Beschaffungslogistik der Schlachtunternehmen bewerkstelligt. Ein amtlicher

Tierarzt begutachtet die Tiere auf einwandfreien Gesundheitszustand, bevor Betäubung und Schlachtung der Tiere erfolgen. Nach den Bearbeitungsschritten entlang der Schlachtlinien, inklusive der Schlachttier- und Fleischuntersuchung durch amtliche Tierärzte, werden die inzwischen

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wirtschaft economy volume 47 | 02. 2023 E RNÄHRUNG | NUTRITION 27
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Wöchentlicher Ablauf der Österreichischen Schweinebörse

zweigeteilten Schlachttiere klassifiziert und verwogen.

Neutrale Klassifizierung und Verwiegung

Die zentrale Schnittstelle für die Börsenvermarktung ist die Qualitätsbewertung der Schlachtkörper und deren Verwiegung. Externe, von der AMA (Agrarmarkt Austria) zugelassene Unternehmen, wickeln mit deren Mitarbeitern, sogenannten „Klassifizierern“, diese Arbeit ab. Dabei werden die am Schlachtförderband vorbeigezogenen Schlachtkörper identifiziert (ursprünglicher Besitzer Landwirt), klassifiziert (Muskelfleischanteil gemessen) und verwogen. Bei AMA-Gütesiegel-Schweinen wird zusätzlich der pH-Wert gemessen, welcher zur Überprüfung der inneren Fleischqualität dient. Alle erhobenen Daten werden auf elektronischem Weg an die zentrale Datenbank der ÖFK (Österreichische Fleischkontrolle GmbH) geschickt.

Datenkontrolle –Rechnungserstellung und Geldtransfer

Die Ö-Börse bietet ihren Mitgliedern eine garantierte Abnahme der schlachtreifen Tiere sowie die Garantie der Auszahlung des Erlöses binnen einer Woche

nach Lieferung. Zur Erfüllung dieser Serviceleistungen für die schweinehaltenden Mitglieder bedarf es einer raschen Rechnungserstellung. Die dafür notwendigen Daten werden durch unsere drei Börsenbüros von der oben beschriebenen ÖFK-Datenbank übernommen und in unsere Abrechnungsprogramme eingespielt.

Davor erfolgt noch eine Überprüfung der Daten auf Übereinstimmung mit dem vom Landwirt erstellten Lieferschein. Die Größe einzelner Schlachtschweinepartien bewegt sich von 20 – 200 Stück. Jedes Schwein erhält - je nach Klassifizierung und Verwiegung - einen extra berechneten Wert und der Landwirt den dafür errechneten Erlös. Für den Landwirt wird eine Gutschriftsrechnung erstellt und der Gesamtbetrag der Schlachtpartie binnen einer Woche nach Lieferung auf das Konto angewiesen und gleichzeitig die elektronische Rechnung online übermittelt.

An die Schlachtbetriebe wird eine Sammelrechnung der jeweiligen Wochenpartien erstellt und ebenfalls elektronisch in Rechnung gestellt. Damit ist der Ablauf einer Woche von der Schweineanmeldung bis zur Auszahlung abgewickelt. Dieser Vorgang wiederholt sich an der Ö-Börse 52 Wochen im Jahr. Schlachtbetriebe müssen Sicherstellungen wie z. B. Bankgarantien hinterlegen, um gewünschte Mengen an der Schweinebörse beziehen zu können.

Breites Sortiment an Qualitätsprogrammen

Circa 2/3 der börsengehandelten Schweine stammen aus dem AMA-Gütesiegelprogramm. Knappe 10 % davon kommen von Schweinehaltern, die ihre Tiere in den Tierwohl-Programmen TW60 und TW100 halten. Das bedeutet 60 % mehr Platz, Stroheinstreu, geteilte Liege- und Aktivitätsflächen bzw. im TW100 zusätzlichen Auslauf, Narkosekastration, Schwanz-Kupierverbot sowie gentechnikfreie Fütterung mit ausschließlich regional zertifizierten Futtermitteln.

Das restliche Drittel sind standardmäßig gehaltene Schweine, die auf dem Niveau gesetzlicher Anforderungen gehalten werden. Im Rahmen der Ö-Börse werden auch die für die Mehrleistung der Tierwohl-Schweinebauern erforderlichen Aufschläge mit der Abnehmerseite, d.h. Schlachtbranche, Fleischgroßhandel und Lebensmitteleinzelhandel ausverhandelt. Die Österreichische Schweinebörse hat sich im sogenannten Masterplan-Schwein zum Ziel gesetzt, die Tierwohl-Sparte in den nächsten zehn Jahren auf einen Anteil von 20 % zu steigern.

28 wirtschaft economy E RNÄHRUNG | NUTRITION volume 47 | 02. 2023
Dr. Johann Schlederer, Geschäftsführer Österreichische Schweinebörse, Linz Notierungspreise 1995–2023 Schweinebörse2023 Schweinebörse

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Das Gebäude erfüllt höchste nachhaltige Standards und wird nach Leed, WiredScore und Well zertifiziert.

Individuelle Anpassung möglich

Das neue Laborgebäude in der Muthgasse wird von der Bodenplatte bis zum First auf nachhaltige Bauweise getrimmt. Neben Photovoltaik zur Energieerzeugung wird auch Geothermie zum umweltfreundlichen Heizen und Kühlen eingesetzt. Darüber hinaus ist die klare Vorgabe des Bauherren SIGNA hinsichtlich des Materialeinsatzes möglichst energieeffizient zu bauen. Nachdem die Haustechnik am Dach sämtliche Flächen benötigt, wurde beispielsweise die Photovoltaikanlage in die Fassade integriert. Flexibilität ist das Gebot in Bezug auf spätere Umnutzung. Denn das Innenleben des Hauses ist variabel anpassbar und daher individuell konfigurierbar. „Wir haben wenig tragende Wände, die Konstruktion ist zum überwiegenden Teil in Stützen aufgelöst. Abgesehen von den Brandabschnitten ist ein Höchstmaß an Flexibilität gegeben“, sagt Architekt Paul Thrakl von Hoffmann Janz Architects. Das betrifft damit auch eine potenzielle Adaptierung der Gebäudefunktion am Ende der Lebensdauer.

LABORS DRINGEND GESUCHT

GUTE INFRASTRUKTUR IST DIE GRUNDLAGE FÜR SPITZENLEISTUNGEN. AKTUELL FEHLEN QUALITATIV HOCHWERTIGE FLÄCHEN. EIN BAUPROJEKT SOLL DIESE LÜCKE JETZT SCHLIESSEN.

Von Medizin und Chemie über Biologie, Pharmazeutik und Produktionstechnologien bis hin zu Landwirtschaft – Life Science ist so vielfältig und bunt wie das Leben selbst. Gemessen an der Anzahl der Patentanmeldungen spielen Wiener Unternehmen in diesem Bereich europaweit in der Top-Liga. „Es tut sich hier irrsinnig viel und wir dürfen in Zukunft viele innovative Lösungen in allen Bereichen der Biotechnologie erwarten“, prognostiziert BOKU-Vizerektor Christian Obinger.

Einer von vielen Treibern dieser Entwicklung ist die Bestrebung im Sinne der Nachhaltigkeit Abfälle zu recyceln oder zu verwerten. Plakatives Beispiel: T-Shirts aus Holzabfällen. Um diese Entwicklungen weiter zu forcieren, braucht es passenden Raum. Und der fehlt in der Donaumetropole an allen Ecken und Enden. Das soll sich nun ändern: Nur einen Steinwurf von der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) und den bestehenden Unternehmen in der Muthgasse 11 in Wien-Döbling errichtet Signa ein neungeschossiges Gebäude mit rund 13.000 m²

Labor- und 7.000 m² Bürofläche. Hier sollen schon bald Startups und renommierte Unternehmen Tür an Tür mit den Spezialisten der benachbarten BOKU für das Leben forschen und entwickeln. „Der Life-Science-Standort Wien wird durch die Realisierung dieses Projekts enorm bereichert und ist eine hochinteressante Entwicklungsmöglichkeit für viele bestehende, aber auch neue Unternehmen“, ist Signa-Vorstand Claus Stadler überzeugt. Mit Innofly von Otto Kanzler wurde ein modulares Konzept erarbeitet, das sich an alle Bedürfnisse anpasst.

Flexibel lösbar

Laboreinheiten von 50 und/bis 65 m² können je nach Bedarf zusammengelegt werden. Inklusive Nebenräume und Arbeitsplätze beträgt die Gesamtfläche eines Stockwerks damit nahezu 2.500 m². Bei der größeren Variante besteht die Möglichkeit, einen Nebenraum abzutrennen. Jedes Modul kann individuell eingerichtet werden. Die Laborräume sind mit moderner Elektrik und Klimatisierung ausgerüstet.

E RNÄHRUNG | NUTRITION volume 47 | 02. 2023 © OLN_V1
ENTGELTLICHE
EINSCHALTUNG

Sonderausstattung wie Verrohrungen für Sondergas, Zuleitung von vollentsalztem Wasser, Anschlussmöglichkeiten für 24-Stunden-Abluft sowie Kühlleistung für interne Lasten sind verfügbar. Die perfekte Ergänzung dieser Ausstattung ist die unmittelbare Nähe zu den technischen Einrichtungen der BOKU. Denn durch die Möglichkeit diese Labors ebenfalls zu nutzen, steht an diesem Standort einer erfolgreichen Produktentwicklung nichts mehr im Wege (siehe nebenstehendes Interview).

Untrennbar verbunden

Generell ist der Standort Muthgasse untrennbar mit der BOKU als ‚Universität der Lebenswissenschaften‘ und Zentrum der biotechnologischen Forschung und Lehre verknüpft. Die Universität fördert Ausgründungen mit ihrer „BOKU:BASE“. Ziel dieser Einrichtung ist „unternehmerisches Denken und Handeln zu fördern“ und als „Anlaufstelle für Innovation“ zu dienen. Gerade die letzten Jahre der COVID-19 Pandemie haben eines deutlich aufgezeigt: Innovationen im biomedizinischen Bereich sind in vielen Bereichen des täglichen Lebens ein entscheidender Faktor bei der Beantwortung wichtiger Zukunftsfragen.

Der Bedarf an Büro- und Laborflächen wird also weiter steigen. Impulse wie das neue Laborgebäude in der Muthgasse 9 sind notwendig, um engagierten Wissenschaftlerinnen den notwendigen Raum für ihre Forschung zu geben. Der Baubeginn ist für 2024 geplant.

www.labor-muthgasse.at Kontakt: vermietung@signa.at

Hoher Innovationsbedarf

BOKU-VIZEREKTOR CHRISTIAN OBINGER FORCIERT

DIE ANSIEDLUNG VON UNTERNEHMEN AUS

DEM LEBENSMITTELBEREICH IN DER WIENER MUTHGASSE.

Experten zufolge fehlen in Wien geeignete Laborflächen für junge Unternehmen aus der Biotechnologieszene. Wie beurteilen Sie die Lage?

Das sehe ich auch so. Viele Biotech-Firmen, darunter zahlreiche BOKU-Ausgründungen sind derzeit irgendwo an der Peripherie der Stadt aktiv, wo sie zwar ein Laborgebäude und ein Büro haben, ihnen aber die hochwertige Forschungsinfrastruktur und die im Biotech-Bereich so wichtige Anbindung an die Universität fehlt.

Wie profitiert die BOKU von dieser unmittelbaren Nähe? Und im Umkehrschluss wie profitiert jemand, der mit seiner Firma in der Nähe der BOKU arbeitet?

Ein Unternehmen in der Nähe der BOKU profitiert davon, das wissenschaftliche Umfeld und die hochwertige Forschungsinfrastruktur der Universität nutzen zu können und darüber hinaus vom unmittelbaren Kontakt zu jungen Arbeitskräften. Außerdem ist die BOKU im Biotechbereich mit Gott und der Welt über unzählige Forschungsprojekte ‚verbandelt‘ und das ist ein Riesen-Mehrwert für eine jun-

ge Firma. Viele Fördergeber verlangen bei der Einreichung von Projekten die Zusammenarbeit zwischen Firmen und einer Universität. Und das ist dann im Umkehrschluss auch der Punkt, an dem die Uni wieder profitiert.

Lebensmitteltechnologie ist ein Bereich, den Sie in der Muthgasse sehr stark forcieren wollen. Warum? Es ist das Bestreben der BOKU, den Bereich Lebensmittelwissenschaften- und Technologie am Standort Muthgasse unbedingt zu stärken und auszubauen. Gerade dort wird in den kommenden Jahren extremer Innovationsbedarf entstehen. Jeder redet von nicht tierischen Lebensmitteln oder Ersatzprodukten. Wir investieren jetzt gerade wieder in teure Geräteausstattung in die Core Facility „Food and Bioprocessing“ am Standort Muthgasse, die es erlaubt neue Produkte zu entwickeln. Die Muthgasse soll künftig nicht nur für Innovation in Biotech, sondern auch für Innovation in der Lebensmitteltechnologie stehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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© SIGNA © MICHAEL HETZMANNSEDER

NACHHALTIGKEIT LÄSST SICH VERPACKEN

AKTIVE VERPACKUNGEN, SMART PACKAGING ODER RECYCELBARE

BIOKUNSTSTOFFE: NACHHALTIGE LEBENSMITTELVERPACKUNGEN SIND

AKTUELL GEFRAGTER DENN JE. WIR STELLEN IHNEN DREI INNOVATIONEN VOR.

Längere Haltbarkeit: Aktive Verpackungen Das Wachstum von Keimen verringern oder unangenehme Aromen verhindern: Diese Aufgaben übernehmen aktive Verpackungen. Sie treten gezielt mit dem Lebensmittel in Wechselwirkung.

Ihre aktiven Bestandteile gehen auf dieses über oder entziehen ihm bestimmte Stoffe. Durch aktive Verpackungen können Lebensmittel somit geschützt und ihre Haltbarkeit verlängert werden.

Ein Beispiel sind spezielle Folien oder Kartonbeschichtungen, die bei Obst und Gemüse die Feuchtigkeit regulieren und dieses so länger haltbar machen. Aktive Verpackungen können auch die Gasatmosphäre rund um das Füllgut verändern, Sauerstoff aufnehmen oder antimikrobielle Wirkungen erzielen. Zu den weiteren Funktionen gehören die Abgabe von Antioxidantien (die die Oxidation verzögern) oder von konservierenden Stoffen wie Ethanol in die Verpackung. Ein Beispiel für eine aktive Verpackung ist die MAP-Technologie (Modified Atmosphere Packaging). Sie eignet sich besonders für Frischfleisch, Käse, Fertiggerichte oder Aufbackbrote. Lebensmittel, die unter modifizierter Atmosphäre verpackt sind, tragen auf der Verpackung einen vorgeschriebenen Hinweis: „unter Schutzatmosphäre verpackt“. So funktioniert MAP: Eine bestimmte Gasatmosphäre rund um das Füllgut hilft, die Qualität der Rohware zu erhalten und diese länger haltbar zu machen. Auch Vakuumverpackungen gehören in diese Kategorie – dabei wird die Gasatmosphäre entfernt. Zudem können auch bestimmte Gasgemische, wie Argon (Ar), Kohlenmonoxid (CO) oder Lachgas (N2O) beim Verpacken zugeführt werden. Welche Methode zum Einsatz kommt, ist vom jeweiligen Produkt ab-

hängig. Es darf nur Füllgas verwendet werden, das von der EU geprüft und für diesen Zweck zugelassen ist.

Smarter Mehrwert: Intelligente Verpackungen Effiziente Kontrolle und langfristige Kostenersparnis: Das ermöglichen sogenannte intelligente Verpackungen. Diese modernen Verpackungssysteme bieten einen Zusatznutzen zur gewohnten Verpackung: Sie sind mit Indikatoren ausgestattet, die bestimmte Auskünfte über das Produkt geben können. Durch intelligente Verpackungen können Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Lebensmittelunternehmen auf einen Blick sehen, ob die Kühlkette unterbrochen wurde, eine Gefahr für Salmonellen besteht und die Ware noch in Ordnung ist. Messinstrumente wie Frischeindikatoren, Zeit-Temperatur-Indikatoren, Gasindikatoren oder Kohlendioxidindikatoren liefern direkt Informationen über die Qualität oder lassen indirekt Rückschlüsse auf diese zu. Neben dem Mindesthaltbarkeitsdatum können so weitere wichtige Informationen zu mehr Sicherheit beitragen. Eine weitere Funktion ist der Einsatz von Funkchips, mit diesen können Produkte automatisch von Kassen erfasst werden. Das spart Zeit und minimiert das Risiko von Diebstählen.

Nachhaltige Lösungen: Verpackungen aus Biokunststoffen Die Verbesserung der Umweltverträglichkeit ist aktuell eine der größten Herausforderungen bei Lebensmittelverpackungen. Darauf reagieren die Lebensmittel- und Verpackungshersteller mit neuen Entwicklungen. Ein Beispiel sind Verpackungen aus Biokunststoffen: Darunter fallen einerseits Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen wie zum Beispiel Mais, Weizen oder Zuckerrohr. Andererseits

zählen Kunststoffe dazu, die industrietechnisch biologisch abbaubar sind. Bioabbaubare Verpackungen haben ähnliche Eigenschaften wie Polypropylen (PP). Einer der am häufigsten eingesetzten Biokunststoffe ist Polylactid (PLA). Dieser Kunststoff entsteht aus der Fermentation von Maisstärke und ist häufig als Folie in Verwendung. PLA kann innerhalb von sechs bis 12 Monaten vollständig biologisch abgebaut werden. Das Material ist auch für den Lebensmittelbereich zugelassen, da es gesundheitlich unbedenklich ist. Diese Art der Verpackung zersetzt sich unter der Einwirkung von Mikroorganismen, Feuchte und Wärme. Zurück bleiben Kohlendioxid, Wasser und Biomasse.

Verpackungslösungen für neue Anforderungen Neben den vorgestellten Alternativen gibt es auch Innovationen bei traditionellen Verpackungen. Mit Gewichteinsparungen – etwa durch Leichtverpackungen – können zum Beispiel CO2-Emissionen beim Transport vermieden werden. Auch Lebensmittelverpackungen aus recycelten Materialien werden immer häufiger eingesetzt – diese müssen von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Vorfeld als sicher eingestuft werden.

Von bequem bis nachhaltig, von Single-Packung bis „to go“: Mit dem stetig wachsenden Angebot an Lebensmittelprodukten und den steigenden Erwartungen der Konsumentinnen und Konsumenten entwickeln sich auch Lebensmittelverpackungen immer weiter. Es gibt keine Vorlage dafür, welche Packmittel für welche Produkte geeignet sind. Daher wird laufend an neuen Innovationen gearbeitet.

Quelle: www.oesterreich-isst-informiert.at

32 E RNÄHRUNG | NUTRITION volume 47 | 02. 2023 technik technology

IST DAS NOCH FRISCH?

Im Lebensmittelbereich sichern schnelle und zuverlässige Analysen vor Ort nicht nur die Qualität, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz. Dank der rechtzeitigen Erfassung von nachlassender Frische in der gesamten Lieferkette können Lebensmittelverluste minimiert werden. Und Verbraucher sind weniger enttäuscht, wenn sich die im Laden schmackhaft anmutende Avocado daheim als überreif entpuppt.

In Anbetracht von Verknappung und Verteuerung von landwirtschaftlichen Rohstoffen stellt die zuverlässige Analyse einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Menschheit mit sicheren, gesunden und frischen Lebensmitteln dar.

Frischeprüfung mittels Nahinfrarot-Spektralanalyse

Im Bereich der Analyse von Materialien im Allgemeinen, speziell aber im Fall von Lebensmitteln und ihrer Frische, ist die Nahinfrarot (NIR) Spektralanalyse ein bewährtes Verfahren im Laboreinsatz. Hochgenaue Geräte sind in der Lage, präzise Aussagen über den Produktzustand zum Zeitpunkt der Messung zu liefern.

Problematisch wird es jedoch, wenn sich die Probe im Zeitraum zwischen der Probennahme und der Messung im Labor verändert oder wenn die Ergebnisse schnell benötigt werden. Viele neue Anwendungen könnten von der NIR Spektralanalyse profitieren, wenn es gelingt, die Systeme für den mobilen Einsatz ausreichend zu miniaturisieren und kostengünstig bereit zu stellen. Die Verwendung von mikro-elektromechanischen Systemen (MEMS) ermöglicht hochkompakte Systeme, die in großen Stückzahlen kosteneffizient gefertigt werden können. Die Qualität der Messungen ist trotz der geringen Größe für viele wichtige Anwendungen konkurrenzfähig.

Die erfassten Daten werden vor Ort oder online chemometrisch ausgewertet und daraus spezifische Merkmale extrahiert. Hierdurch werden beispielsweise unmittelbare Aussagen zur Reife und Frische von Lebensmitteln möglich. Ebenso können andere Anwendungen wie die Überprüfung korrekter Mischverhältnisse in der Lebensmittelverarbeitung, schnelle Warenein- und -ausgangkontrollen oder die Selektion in Recycling- oder Weiterverwertungsprozessen bedient werden.

Aktuelle Arbeiten des Fraunhofer IPMS kombinieren hierfür eine einfache Tech-

nologie für die MEMS Komponente mit einem großen adressierbaren Spektralbereich des Systems und einem hohen Maß an Modularität. Kernstück ist ein MEMS Scannerspiegel, der die einfallenden kollimierten Lichtbündel auf ein im System montiertes Gitter ablenkt. Dabei ist eine Auswahl verschiedener spektraler Beugungsgitter möglich, welche für spezifische Anwendungen optimiert und eingesetzt werden können. Das aktuelle Demonstrationssystem adressiert den bewährten Spektralbereich von 950 nm bis 1900 nm mit einer spektralen Auflösung von 10 nm. Aktuell erreicht das System ein Bauvolumen von ca. 2 cm³. Eine weitere Miniaturisierung ist jedoch möglich. Die Messungen erfolgen in typischen Anordnungen je nach Probenbeschaffenheit, beispielsweise in Transmission bei flüssigen Medien oder ausreichend transparenten Festkörpern oder in diffuser Reflexion bei wenig transparenten Proben mit ausreichenden Streuquerschnitten. Die optische Ankopplung des Spektrometers ist als Freistrahloptik oder über angekoppelte Fasern möglich.

Spektralanalyse liefert vielseitige Anwendungsmöglichkeiten „Im Kontext der Bewertung von Qualitätsparametern von Lebensmitteln wurde

E RNÄHRUNG | NUTRITION volume 47 | 02. 2023
DIE KORREKTE IDENTIFIKATION VISUELL ÄHNLICHER STOFFE WIE ZUCKER UND SALZ HAT EINE GROSSE TRAGWEITE IN DER LEBENSMITTELZUBEREITUNG. KOMPLEXE ZUSAMMENSETZUNGSANALYSEN KÖNNEN JEDOCH AUCH AUSSAGEN ÜBER QUALITÄT, REIFE ODER FRISCHE VON ERZEUGNISSEN ERMÖGLICHEN. © ADOBE STOCK – MTRLIN

gezeigt, dass Druck- und Schadstellen am Beispiel von Äpfeln sehr frühzeitig erkannt werden können, so dass eine geeignete Selektion die Verwertung mit höchstmöglicher Wertschöpfung zulässt und die vermeidbare Vernichtung minimiert wird“, sagt Dr. Heinrich Grüger, Wissenschaftler am Fraunhofer IPMS. Quantitative Analysen sind unter Nutzung entsprechender mathematischer Modelle ebenfalls möglich. Für die Bewertung der Qualität von Olivenöl wurde die Zusammensetzungsanalyse implementiert. Im Kontext der landwirtschaftlichen Erzeugung reichen die Zielanwendungen von der Bewertung des Ackerbodens über Saat, Wachstum und Reife bis hin zur Reststoffverwertung, beispielsweise in Biogasanlagen. „Die Miniaturisierung des Systems und der geringe Energiebedarf ermöglichen künftig auch den Einsatz in mobilen Anwendungen. Die Integration in ein Hostsystem, beispielsweise ein Handheld, Tablet oder perspektivisch sogar ein Smartphone, profitiert zusätzlich von zahlreichen Synergieeffekten“, fährt Grüger fort.

So können Prozessor, Speicher und Energieversorgung des Hostsystems genutzt und der Zugriff auf für die Auswertung wichtige Datenbankinformationen ermöglicht werden. Über die Bildauswertung mittels der Kamera könnte eine wichtige Eingrenzung des Messobjekts erfolgen und damit die Präzision der Resultate erhöht werden. Bei komplexeren Messaufgaben, beispielweise inhomogenen Objekten, kann der Nutzer durch Kamera und Anzeige geführt werden, so dass die Messung an der vorgesehenen Stelle mit korrekten Abstand erfolgt. Hierdurch werden auch wissenschaftliche Laien in die Lage versetzt, anspruchsvolle Messaufgaben schnell und zuverlässig zu erledigen. Die Einsatzszenarien reichen unter anderem für tragbare Profisysteme mit entsprechend hoher Messgenauigkeit für den Einsatz im landwirtschaftlichen Kontext von der Bodenbewertung über die Überwachung des Wachstums bis zur Reifebewertung für die Ernte, anschließend in der Verwertung der Erzeugnisse, d.h. Lagerung, Logistik und im Vertrieb. Am „Point of Sales“ ist die Selektion der

Güter in der Auslage eine wichtige Anwendung, um Waren kurz vor dem Verlust von Frische noch preisreduziert für den sofortigen Verbrauch zu verkaufen, statt diese am Folgetag zu entsorgen. Andererseits können einfachere Systeme für den privaten Nutzer entwickelt werden, beispielsweise integriert im Mobiltelefon oder als Zubehörgerät mit kabellosen Schnittstelle.

Hierdurch wird der Verbraucher in die Lage versetzt, Messungen zu Qualität und Frische vor dem Kauf durchzuführen und eine bewusste Entscheidung auf Basis von Informationen zu treffen. Speziell für Früchte, die nach dem Verkauf noch reifen – ein prominentes Beispiel ist die Avocado – wird die Auswahl zuhause unterstützt, um die auf den Höhepunkt der Reife befindlichen Lebensmittel zum Verzehr auszuwählen. Rechtzeitiger Verbrauch schnell verderblicher Lebensmittel leistet zudem einen wichtigen Beitrag zur Minimierung der Lebensmittelverschwendung.

Quelle: Fraunhofer-Institut www.fraunhofer.de

35 technik technology

INNOVATIVE UND NACHHALTIGE KUNSTSTOFFVERPACKUNGEN FÜR DIE LEBENSMITTELINDUSTRIE

JOMA entwickelt und erzeugt funktionelle Kunststoffverpackungen auf höchstem Qualitätsniveau, für die Lebensmittel-, und Pharmazeutische-Industrie. Laufende Innovationen haben dabei unsere Rolle als nachhaltiger Verpackungsproduzent am Markt gestärkt.

Die vielseitigen Securibox-Behälter in der JOMA Nature Linie aus 100 % Biokunststoff finden breiten Anwendungsbereich in der Lebensmittelindustrie. Die Behälter mit Ori-

ginalitätsring werden international eingesetzt, um Endkunden optimalen Pro -

duktschutz und anwenderfreundliche Funktionalität zu garantieren.

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Als Marktführer im Segment der Gewürzmühlen und Steuer bieten wir innerhalb des re:cycle Sortiments unsere Gewürzmühle aus 100 % recycelten PET an. Durch den Materialkreislauf und reduzierten Materialeinsatz wird die nachhaltige Kreislaufwirtschaft gerödert. Dabei ist rPET der einzige Kunststoff welcher für den strikten Kontakt mit Lebensmittel zugelassen ist.

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Feines Schokokonfekt durch T.Sano-Drehkolbenpumpe. Die Tornado T.Sano Drehkolbenpumpe fördert in der Lebensmittelindustrie bei der Herstellung von Schokolade schonend und präzise. Zartschmelzendes Konfekt, dass erst auf der Zunge zergeht, bedarf eines sensiblen Herstellungsverfahrens.

Die hygienisch sichere Tornado-Drehkolbenpumpe vom Typ T.Sano sorgt für eine schonende, kontinuierliche Förderung der Schokoladen-Mischungen bei gleichbleibender und genau kontrollierbarer Durchflussmenge. Die Nussstückchen, die in der Schoko-

lade oft enthalten sind, können bei diesem Pumpenmodell auch problemlos gefördert werden, da sich die T.Sano durch sehr kleine Spaltmaße auszeichnet.

Pumpengehäuse und -deckel sind zudem beheizbar, so dass eine Förderung bei 45 °C und damit Geschmeidigkeit sowie Glanz der fertigen Schokolade sichergestellt sind. Die weitere Verarbeitung der Schokolade wird so auf hoher Qualität sichergestellt.

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MOOSHAMMER: QUALITÄT AUS EDELSTAHL

Qualitätsprodukte aus den Bereichen Hygienemanagement, Entwässerungs-, Förder-, Lagertechnik sowie Türen, Betriebseinrichtung und Bauelemente sind die Spezialgebiete des oberösterreichischen Unternehmens. Der Fokus liegt auf der Erfüllung individueller Kundenwünsche schon in der

Planungsphase, zum Service gehört auch die Montage vor Ort. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Lebensmittelindustrie. Neben der Industrie zählen führende Handwerksbetriebe in ganz Österreich, Bayern und den Grenzgebieten zu den Kunden des Unternehmens –insbesondere Betriebe in der Fleischverarbeitung, im Lebensmittelhandel, Schlachthöfe, Molkereien, Bäckereien, Käsereien, Brauereien und Getränkehersteller, die Fisch- und Geflügelindustrie, Gewürzverarbeitung, Chemische Industrie usw., wie zahlreiche namhafte Referenzen belegen.

www.mooshammer.at

MESSER: VORTEILE DER GASKÜHLUNG

Es gibt eine Reihe von Gründen, für die Mischerkühlung in der Lebensmittelindustrie ein Verfahren mit tiefkalten Gasen zu wählen. Die wohl wichtigsten sind der Qualitätserhalt, die Reduzierung der eingesetzten Mittel sowie die Erhöhung der Produktivität durch Prozessautomatisierung oder durch bessere Ausnutzung der Maschinenkapazität. Die tiefe Kälte der Gase und das direkte Einleiten in den Mischer sorgen für die schnellstmögliche Abkühlung und verkürzen so den Prozess. Der Gaseintrag lässt sich nach Menge und Zeit genau dosieren, damit ist eine sehr präzise Temperaturführung möglich. Der

direkte Kontakt zum Produkt erlaubt die auch energetisch optimale Ausnutzung des Kältemittels.

Häufig gibt es auch gar keine Alternative: Die Gaskühlung ist zum Beispiel das einzige gut funktionierende Verfahren zur Herstellung von Produkten wie Formfleisch. In der Kombination ihrer Vorteile erweist sich die Mischerkühlung mit tiefkalten Gasen in den meisten Prozessen als überlegene Lösung. Die Clapet-Düsen und die Variomix-Verfahren von Messer sind auf effiziente Kühlung und weitestgehende Automatisierung hin optimiert. www.messer.at

Lebensmittelgase

Länger anhaltende Qualität, ansprechende Optik, sprudelnde Frische – die Aufgaben, die Gase in der Lebensmittelindustrie erfüllen, sind vielfältig.

Typische Anwendungen sind das Frosten und Verpacken, das Kühlen während der Mischprozesse, das Karbonisieren von Getränken oder die Transportkühlung zur Aufrechterhaltung einer lückenlosen Kühlkette.

Unsere Gases for Life erfüllen alle europäischen lebensmittelrechtlichen Vorschriften und HACCP- Anforderungen.

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Messer Austria GmbH Industriestraße 5 2352 Gumpoldskirchen Tel. +43 50603-0 Fax +43 50603-273 info.at@messergroup.com www.messer.at
Gasabsaugung Dosierventil
ClapetDüsen

KEIME SIND ÜBERALL

DAS RISIKO VON LEBENSMITTELKONTAMINATIONEN DURCH MIKROORGANISMEN BESTEHT WÄHREND DER GESAMTEN VERSORGUNGSKETTE.

Als Rekontamination wird ein nach dem Haltbarkeitsschritt stattfindender Eintrag von verderbs- und krankheitserregenden Mikroorganismen in das Lebensmittel bezeichnet. Für die Lebensmittelproduktion relevant sind die Übertragungswege, welche in Folge Rekontaminationen verursachen können: dazu gehören das Betriebspersonal, der Kontakt zu Oberflächen und die Luft als Kontaminationsquelle. Eine Rekontamination von Lebensmitteln mit pathogenen Mikroorganismen kann zu gesundheitlicher Gefährdung führen und muss deshalb ein grundlegender Bestandteil des Qualitätsmanagements eines Lebensmittelunternehmens sein.

Um bedarfsgerechte Präventions- und Reinigungsmaßnahmen zu etablieren, ist eine systematische Herangehensweise essentiell. Diese inkludiert die Identifikation von Schwachstellen für Keimherde der Verarbeitungsprozesse sowie der bestehenden Prozessumgebung genauso wie das Festlegen von geeigneten Maßnahmen zur effektiven Risikobewältigung.

Das Personal kann Mikroorganismen direkt oder indirekt, wie z.B. durch den Kontakt zu Oberflächen oder über die Luft, übertragen. In diesem Zusammenhang schreibt der Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene unter anderem Vorschriften zur persönlichen Hygiene der Betriebsmitarbeitenden und zu deren Supervision und Einschulung in die Lebensmittelhygiene im Bezug auf deren Arbeitsaktivität vor.

An produktberührenden als auch an nicht produktberührenden Oberflächen können Mikroorganismen oder andere Verunreinigungen von Betriebsmitarbeitenden, aus der Luft, oder von anderen Materialien aggregieren. Diese wurden dementsprechend als bedeutende Quelle für Lebensmittelverunreinigungen identifiziert. Das hygienische Design und die Materialauswahl haben einen wesentlichen Einfluss auf die Anhaftungseigenschaften von Mikroorganismen, ebenfalls stellt bedarfsgerechte Reinigung und Desinfektion eine Kontrollmaßnahme dar. Über die Luft können Mikroorganismen als Bioaerosole übertragen werden. Mikroorganismen

Ursache der Kontamination Übertragungsweg

können in Flüssigkeiten wachsen (z. B. verschüttetes Produkt, Spül- oder Abwasser) und anschließend durch das Versprühen oder Verspritzen während des Lebensmittelherstellungs- oder des Reinigungsprozesses aerosolisiert werden.

Durch den Luftstrom, das Personal, Rohmaterialien und/oder eine unzulängliche Reinigung können Bioaerosole übertragen werden. Tabelle 1 liefert einen Überblick, welchen Effekt das Lüftungssystem auf bestimmte Kontaminationsursachen bzw. Übertragungswege hat. Ebenfalls wird das jeweilige Risiko für die Lebensmittelsicherheit eingeschätzt.

Aus der Broschüre „Handlungsempfehlungen für die Produktionshygiene in der Lebensmittelindustrie“ ISBN 978-3-200-07736-2

Mit freundlicher Genehmigung der AutorInnen: Zand, E., Stollewerk, K., Schottroff, F., Drausinger, J., Jäger, H. mit weiteren Beiträgen von Brockmann, G., Peham, J., Barisic, I., Wassermann, K., Schönher, C., Mauermann, M., Forsthuber, D., Marksteiner, A., Sieder, F., Furtner, P.

Effekt des Lüftungssystems Risikoeinschätzung für Lebensmittelsicherheit

Material (z. B. Verpackung) Oberfläche gering mittel – hoch

Personal Kleidung, Schuhwerk, verstärkt durch mangelnde Personalhygiene gering mittel – hoch

Interner Transport Manipulation durch Transportanlagen gering mittel – hoch

Frische Luft

Staub und Pulver

Interne Luftanlage

Spray-Aeroolisierung

Pneumatischer Transport, Crimpen

hoch hoch mittel hoch

mittel mittel hoch hoch

Kondensation Kontakt hoch hoch

Oberflächen der Produktionsanlagen Kontakt mit Materialien gering hoch

Reinigungsvorgänge Spritzen, Sprühen, Wschen, Vakuolisierung hoch hoch

Ausrüstung und Anlagen

Pneumatisches Abgas-System, Druckluft hoch mittel – hoch

Erscheinungsbild des Gebäudes Gebäudekonstruktion, geringe Ventilation durch Fenster und Türen, mangelhafte Gebäudegestaltung und Konstruktion

gering mittel – hoch

Tabelle 1: Einfluss von Kontaminationsquellen und des Lüftungssystems auf die Risikoeinschätzung für die Lebensmittelsicherheit

(adaptiert von Veskovic et al.,2019)

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09.–11.05.2023

TORONTO, KANADA

SIAL Toronto 2023

www.sialcanada.com

16.5.2023

WIEN & ONLINE

f.eh im Dialog: Portion Size Matters: Reden wir über Portionsgrößen www.forum-ernaehrung.at

11.05.2023

WIEN & ONLINE

Der LVA-Hygienetag www.lva.at

23.6.2023

WIEN ÖGE-Frühjahrssymposium

„Ausgewählte Ernährungsrisiken und Strategien zur Vermeidung – Traditionelle und alternative Proteinquellen: Rückstände und Kontaminanten im Fokus“

www.oege.at

DIE ERNÄHRUNG Österreichische Zeitschrift für Wissenschaft, Recht, Technik und Wirtschaft ∙ NUTRITION Austrian journal for science, law, technology and economy redaktion@ernaehrung-nutrition. at Offizielles Organ des Fachverbands der Nahrungs- und Genussmittelindustrie Österreichs und des Vereins zur Förderung der österreichischen Lebensmittelwirtschaft (foodalliance) ∙  Herausgeber: Fachverband der Lebensmittel industrie; A-1030 Wien, Zaunergasse 1–3 ∙ Wissenschaftlicher Beirat: A.o. Univ.-Prof. DI Dr. Sabine Baumgartner, Generaldirektor Univ.-Prof. Dr. iur. et rer. pol. Walter Barfuß, Ao. Univ.-Prof. i. R. DI Dr. nat. techn. Emmerich Berghofer, Dr. Michael Blass, Hon.-Prof. Dr. Konrad Brustbauer,

Ass.-Prof. DI Dr. nat. techn. Klaus Dürrschmid, Dr. Barbara Hartl, Prof. Dr. Christian Hauer, Univ.-Prof. Dr. Ing. Henry Jäger, OR Dr. Leopold Jirovetz, Univ.-Prof. i.R. DI Dr. nat. techn. Wolfgang Kneifel, Univ.-Prof. Dr. Jürgen König, Dr. Andreas Natterer, Ass.-Prof. Dr. Peter Paulsen, Dr. Elisabeth Reiter, Univ.-Prof. Dr. Petra Riefler, Assoc. Prof. Dr. Regine Schönlechner, Univ.Prof. Dr.med.vet. Karin Schwaiger, Univ.-Prof. Dr. Werner Schroeder, LL.M, Univ.-Doz. Mag. Dr. Manfred Tacker, Univ.-Prof. Dr. med. vet. Martin Wagner Dipl. ECVPH ∙ Chefredakteur: DI Oskar Wawschinek, MAS, MBA ∙ Redaktion

Wissenschaft: Ass.-Prof. DI Dr. nat. techn. Klaus Dürrschmid ∙ Redaktion Recht: Mag. Katharina Koßdorff Verleger: SPV Printmedien Gesellschaft m.b.H.; A-1080 Wien, Florianigasse 7/14;

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