Portrait von Eva-Maria Admiral (JOYCE 3/16)

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LEBEN

EVA-MARIA ADMIRALS Ü „ BERLEBENSLAUF“ Das Leben der Schauspielerin Eva-Maria Admiral ist von extremen Höhen wie von schmerzhaften Demütigungen geprägt. Wie kann sie nach all solchen Erfahrungen trotzdem an einen liebenden Gott glauben? Ein Porträt von Maren Hoffmann-Rothe.

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ch habe ihr Buch gelesen und bin bewegt. Das also ist Eva-Maria Admiral. Das ist die Geschichte dieser Schauspielerin, der ich vor 18 Jahren zum ersten Mal begegnet bin. Damals standen wir auf der gleichen Bühne. Ich habe zum ersten Mal als Moderatorin auf der Bühne und vor der Kamera gestanden und sie damals gerade frisch freiberuflich als Schauspielerin nach zehn Jahren am renommierten Burgtheater in Wien. 18 Jahre später sitzen wir zum ersten Mal bei einem Glas Wasser zusammen. Und reden, vor allem über sie: „Als Kind war mein Vater ein bisschen wie Gott. Er war für mich dieser große, unheimliche General, dem alle gehorchen. Wenn er in ein Restaurant kam und sagte ‚Ich will den Tisch‘, dann sind alle gelaufen. Ich habe ganz lange nicht verstanden, wie viel Böses da auch drinsteckt. Ich habe nie bei meinem Vater auf dem Schoß gesessen. Wenn ich im Wohnzimmer war und gehört habe, dass der Vater kommt, dann musste ich sofort das Wohnzimmer verlassen und in den Kindertrakt gehen.“

Fotos: www.claudiaboerner.at

NICHT ERWÜNSCHT

„Ich hatte von Anfang an keine Chance“, erinnert sich Eva-Maria, denn der Erbe und Nachfolger für die Firma, ihr vier Jahre älterer Bruder, ist schon geboren. Ein weiteres Kind ist nicht erwünscht. Eva-Maria ist nicht erwünscht. Während der Schwangerschaft mit ihr hungert sich ihre Mutter fast zu Tode. Vier Monate zu früh kommt sie auf die Welt. Fast ein Jahr ist sie im Krankenhaus. „Ohne Berührungen von meinen Eltern.“ Sie war und wird nie die Prinzessin des Vaters. Sie wird eine Leistungstochter in einer Leistungsgesellschaft. „Ich lernte schon sehr früh, dass es für den Wert eines Mädchens, einer Frau, enorm wichtig war, schlank zu sein, besser noch dünn – und hübsch. Es verging kein Tag, an dem nicht dreimal täglich auf die Waage gestiegen wurde. Eine Frau, die eine Kleidergröße über 36 trägt, muss schon sehr undiszipliniert sein, war ein unausgesprochenes Dogma in unserer Familie.“ Ihr Überlebenskampf, der schon nach der Zeugung beginnt, scheint nicht zu enden. Als Kind im katholischen Mädcheninternat wird sie seelisch und körperlich missbraucht. Dass sie auch das überlebt, das hat sie ein ganzes Stück ihrer Mumi, ihrer geliebten Großmutter, zu verdanken.  17


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„Ohne meine Großmutter wäre ich nicht mehr. Sie hat einmal einen Satz zu mir gesagt, der mir wirklich das Leben gerettet hat. Ich war ungefähr sieben. Ich hatte ja schon gemerkt, dass es nicht viel Sinn macht und auch nicht gut ist, dass ich da bin. Sie hat das beobachtet und sagte zu mir diesen Satz: ‚Weißt du, Eva-Maria, du hast zwei Dinge: Du hast Bernsteinaugen, und du bist sehr intelligent.‘ Und ich habe ihr das geglaubt! Ab dem Moment war ich so gut in der Schule. An meinem Hochzeitstag, am 1. April 1986, hat sie mir offenbart, dass sie das erfunden hat, weil sie gespürt hat, dass sie irgendetwas erfinden muss, damit ich glaube, dass irgendetwas an mir besonders ist. Ich hatte tatsächlich immer geglaubt, ich hätte Bernsteinaugen. Ich habe das nie kontrolliert. Ich habe nie geguckt, wie ein Bernstein aussieht. Bis zu meinem Hochzeitstag hatte ich das geglaubt. Ich konnte lächeln, als sie es mir dann offenbart hat.“ DI E ER FAHRUNG VON GOT TES GEGENWART

Nach dem Schulabschluss geht sie nach Frankreich. Hier lernt sie Französisch, Baguette essen und die Liebe Gottes kennen. Ihre Freundin Michaela erzählt ihr immer wieder aus ihrem Leben und von ihren Erlebnissen mit Gott. Gottes Gegenwart während eines Bach-Konzertes in der Kathedrale von Chartres, und ein Besuch in der Gemeinde der Freundin tun den Rest. „Ich lande in der Hölle, hatte die Nonne gesagt. Doch dann lernte ich dank meiner Freundin Michaela den wahren himmlischen Vater kennen. Mit Gott-Vater hatte ich die meisten Probleme, als ich Gott kennengelernt habe. Dieser Vater war für mich ein stra„M IT G OTT - VATE R fender Gott, der mir jegliche HATTE IC H DI E M E ISTE N Freiheit, Freude am Leben verbietet. Der erste Weg war PRO BLE M E , ALS IC H G OTT Jesus. Was mir an Jesus maßlos gefallen hat, war seine KE N N E NG E LE RNT HABE . “ Beziehung zu Frauen. Und Gott-Vater? Das dauert. Ich merke, dass ich da immer wieder zurückfalle. Ich projiziere meinen Vater hinein. Gott-Vater eint Vater und Mutter in sich, und das ist beides nicht angenehm für mich. Mein Trick ist: Ich lese die Bibel nicht auf Deutsch. Ich lese nur französisch, italienisch und englisch. Sobald ich die Worte nicht mehr in meiner Muttersprache höre, bekomme ich die negativen Bilder nicht so schnell.“ 18

Die Beziehung zu Gott wird die Grundlage und der Mittelpunkt ihres Lebens. Vom ersten Tag an weiß – nein, ahnt sie, dass sie nicht mehr alleine ist. Mit ihrer Beziehung zu Gott kommt auch die Entscheidung, Schauspielerin zu werden. Bei der Aufnahmeprüfung werden von den 2.000 Bewerbern nur zwölf genommen. Es sind acht Männer und vier Frauen – und Eva-Maria Admiral ist eine davon. Dabei ist ihr sehnlichster Wunsch von Anfang an, dass Begabung und Ausbildung für das eingesetzt werden, was ihr am meisten am Herzen liegt, und dass das Theater wieder den Platz einnimmt, den es ursprünglich einmal hatte. „Vom Grundgedanken her hatte Theater die Funktion, Verkündiger zu sein, Träger einer zum Teil sogar prophetischen Botschaft. In den Anfängen des Theaters ging es darum, dem Volk, das meist nicht lesen konnte, biblische Geschichten zu veranschaulichen und ihnen dadurch Gott nahezubringen.“ Das ist der Wunsch von Eva-Maria Admiral und ihrem Ehemann Eric Wehrlin: Theaterproduktionen zu machen, die von Gott erzählen, und das Publikum dahin zu führen, ihren Schöpfer kennenzulernen. ENTERBT UND VERSTOSSEN

In ihrer Familiengeschichte kehren Ruhe und Frieden nicht ein. Im Gegenteil. Als erwachsene Frau wird sie enterbt. „Wenn ich nicht so beinhart enterbt worden wäre und ich nicht das Konvolut der Aktenordner gesehen hätte, in denen es nur darum ging: ‚Wie können wir Eva-Maria ausschalten, wie können wir diesen Schritt machen, legal und rechtlich, wie können wir Vermögen verschieben?‘ Wenn ich das nicht gesehen hätte, hätte ich nie geschafft zu sagen: ‚Okay, ich lasse es. Ich habe es jetzt verstanden.‘ Bis zu meinem 40. Lebensjahr hatte ich es nicht verstanden. Ich bin jedes Weihnachten und jedes Ostern hingefahren. Ich habe keinen Moment ausgelassen, wo es nicht möglich gewesen wäre, sich anzunähern. Wie ein kleiner Hund bin ich nachgelaufen. Richtig kapiert habe ich es erst, als ich die Akten gesehen und dabei Sätze gelesen habe wie: ‚Wie lösen wir das Problem Eva-Maria?‘“ Die Trotzkraft des Geistes, wie sie sie nennt, hat sie daran festhalten lassen, dass sie trotz ihrer Vergangenheit immer noch jemand anderes werden kann als die Verstoßene, Unerwünschte und Enterbte. „2. Korinther 5,17: Ich bin eine neue Kreatur in Christus. Diese Trotzkraft liebe ich so. Ich empfinde dieses


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‚trotz‘ als sehr positiv. Meine Eltern sollen es nicht erreichen, dass ich in der Frühe nicht mehr aufstehen will.“ Und sie steht auf. Tag für Tag. DER MANN IHRER TRÄUME

Seit 30 Jahren ist Eric an ihrer Seite. In ihrem Buch schreibt sie rückblickend: „Eric ist schüchtern. Wir lernen uns an der Schauspielschule kennen. Er ist ebenfalls Student. … Ich verliebe mich auf den ersten Blick in ihn. Seine ruhige, ausgeglichene Art steht im Kontrast zu mir, dem Wirbelwind. Er ist für mich der Mann, von dem ich als Mädchen immer geträumt habe.“ Gemeinsam leben sie, genießen, reisen und arbeiten sie. Gemeinsam erleben sie auch den Verlust ihrer Familie, den Verlust ihrer ungeborenen Kinder, Eva-Marias Darmerkrankung mit ihren Operationen und andere kritische Momente, wie nach der intensiven monatelangen Tour mit „Oskar und die Dame in Rosa“, die im Krankenhaus endet. Diagnose Meningoenzephalitis, eine kombinierte Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute. Zu dem Zeitpunkt lebensbedrohlich für Eva-Maria. „Ein Schlüssel für mich war sicherlich mein Nahtoderlebnis. Ansonsten hätte ich es nie so begriffen, ergreifen können. Ich habe es nie so klar gesehen. Face to face. Ich bin vor Gott gestanden und meine ‚Werke‘ sind von mir abgefallen. Das war so eine Erleichterung – dieses Gefühl ‚Lass es doch weg. Was hast du für eine wahnsinnige Last.‘ Da kommt dann der Vers dazu, den Jesus sagt: ‚Meine Last ist leicht und mein Joch ist sanft.‘ Gnade. Wobei das Lichtjahre entfernt ist von dem, was wir hier auf Erden unter Gnade verstehen. Ich kann es nicht in Worte fassen. Das sind andere Dimensionen, für die ich keine Worte, keinen Ausdruck mehr habe. Einiges ist seitdem nicht mehr für mich relevant. Alle, die mich danach getroffen haben, haben zu mir gesagt: ‚Du bist so entspannt.‘ – Also, für meine Verhältnisse entspannt.“

Foto: ICF München

DINGE, ÜB ER DIE MAN NICHT SPRICHT

Seit der Beerdigung des Vaters hat sie keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie. „Dieses Buch ist nicht für Menschen, die alles im Griff haben. Dieses Buch ist nicht für die, die in allem geheilt sind, nicht für Menschen mit einer glücklichen Kindheit. Dieses Buch ist den Übriggebliebenen gewidmet “, sagt Eva-Maria Admiral über ihre Biografie. Es ist mutig, so offen über diese Vergangenheit zu sprechen und sie schwarz auf weiß in „Mein Überlebenslauf“ festzuhalten. Sie, die definitiv nicht den Eindruck einer Übriggebliebenen macht. Schließlich waren die Kritiken überwältigend, Preise wie „Beste Nachwuchsschaupielerin“ erhebend und die Aufträge und Angebote gut. Sie ist gut in dem, was sie macht. Auch wenn sie selbst immer wieder erstaunt war, als sie die Aufnahmeprüfung zum Max-Reinhardt-Seminar in Wien geschafft hat, als sie die Ausbildung zur Schau-

Im Anschluss an ihre Ausbildung spielte Eva-Maria Admiral zehn Jahre am Burgtheater Wien.

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ZWISCHEN DRUCK UND GNADE

Immer wieder findet sie sich in ihrem Leben zwischen Druck und Gnade. Sie spürt ihre Prägung als Leistungstochter in einer Leistungsgesellschaft, kennt nun aber auch das Ruhen in der Gnade Gottes. Seit der Geschichte mit dem Bauchfellkarzinom im vergangenen Jahr ist sie gnädiger mit sich geworden. „Ich habe keine Angst mehr zu scheitern. Ich muss nicht mehr den perfekten Plan haben. Das gibt eine unheimliche Freiheit. Ich kann heute viel mehr Dinge probieren und sehr fröhlich sein. Ich probiere etwas und scheitere dann fröhlich. Ich bin hier nur auf der Durchreise. Mein Zuhause ist da, wo ich schon war. Der Himmel ist wirklich mein absolutes Zuhause.“

Louisa, 41 Jahre*, unterstützt IJM mit einer monatlichen Spende im Kampf gegen Kindersklaverei.

Sie keins.

MAR E N H O F F MAN N-R OTH E

arbeitet als Mediatorin und Moderatorin und lebt mit ihrer Familie in Wetzlar.

Avisha*, 9 Jahre, muss jeden Tag viele Stunden auf einem Müllberg in Indien arbeiten.

i EVA-MAR IA ADM I RAL Literaturstudium an der Universität Sorbonne, Paris Schauspielausbildung am Max-Reinhardt-Seminar in Wien Zehn Jahre am Burgtheater Wien Seit 1997 freie Schauspielerin in Österreich, Deutschland und der Schweiz u.a. „Oskar und die Dame in Rosa“, „Glückskabarett“

Weil Kinder in vielen Ländern keine Rechte haben, können sie jederzeit zu schwerster Arbeit gezwungen werden. IJM kämpft gegen moderne Sklaverei: mit Ihrer Hilfe! Im Kampf gegen Sklaverei und Menschenhandel. Weltweit. www.ijm-deutschland.de

Seminarleiterin für Stimme und Präsentieren 2015 veröffentlicht sie ihre Autobiografie „Mein Überlebenslauf“ (Brunnen-Verlag) www.admiral-wehrlin.de info@admiral-wehrlin.de

Gib Recht! 21

International Justice Mission Deutschland e. V. plainpicture/cultural/Christine Schneider

* Zum Schutz unserer Klientin verwenden wir ein Pseudonym und ein Symbolbild.

spielerin schaffte und dann auch noch eine Stelle am größten deutschsprachigen Theater in Wien erhielt. „In meinem Buch gibt es die offizielle Biografie, die erfolgreiche, und die inoffizielle: Dinge, über die man normalerweise nicht spricht. Ich kenne so viele enterbte Töchter, das kannst du dir nicht vorstellen. Kein Mensch wird das offen zugeben, das kommt im Gespräch nicht vor: ‚Ich bin enterbt worden.‘ Es ist so ein Makel. Nach dem Motto: ‚Wieso ist die enterbt worden? Die muss ja was haben. Da muss was komisch an der sein.‘ Das ist so behaftet mit einem Tabu. Da gibt es auch viele Punkte in meiner Biografie. Man spricht auch nicht über seine Fehlgeburten. Ich habe wirklich bis zur vierten Fehlgeburt gedacht, dass es mein Fehler ist. ‚Du kannst ja nicht einmal das schaffen.‘ Und irgendwann hat mir dieser katholische Arzt gesagt: ‚Sie haben alles richtig gemacht.‘ Da habe ich es verstanden.“

. t h c e R t a h ie S


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