Klimaneutrale Transporte sind möglich

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Tool zur Bilanzierung von Schadstoffen aus dem Gütertransport

Klimaneutrale Transporte sind möglich Auch wenn die Beförderung von Gütern auf der Schiene per se zu den umweltfreundlichsten Möglichkeiten im Transportgeschäft zählt, kommt sie doch nicht ganz ohne Kohlendioxidemissionen aus. Die Schweizer Güterbahn bietet deshalb den klimaneutralen Bahntransport mit einer Kompensation der Treibhausgase an. Um den gesamten Zyklus des Bahntransportes realitätsnah abzubilden, werden auch Emissionen berücksichtigt, die beim Rangieren oder beim Bau von Infrastrukturanlagen entstanden sind.

Von Nicolas Perrin

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und 100 Mal um die Erde oder über 4 Millionen Kilometer haben die Transporte von SBB Cargo im letzten Jahr zurückgelegt. Wären diese nicht über die Bahngleise, sondern per Lastwagen auf der Strasse erfolgt, hätte dies die Umwelt mit gut 1,1 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) mehr belastet. Rund 3 850 000 Lastwagenfahrten mit ihren schädlichen Emissionen wurden so durch die Verlagerung auf die Güterbahn überflüssig. Der Schienengüterverkehr leistet einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung der Umwelt und des Klimas: Pro Tonne Fracht und zurückgelegtem Kilometer gelangen mit einem europäischen Güterzug durchschnittlich 29 Gramm CO2 in die Atmosphäre. Beim Transport mit einem Grosslastwagen mit Schadstoffnorm Euro 5 sind es dagegen 81 Gramm. Die Einsparung ist also beachtlich, wenn Frachten auf die Bahn verladen werden – und je länger die Strecken sind, desto grösser ist der Gewinn für das Klima. Den Unterschied machen dabei die CO2 -arme Antriebsenergie und die Energieeffizienz der Bahn, denn elektrischer Strom verursacht grundsätzlich weniger CO2 als fossile Brennstoffe wie Benzin oder Diesel. Dies gilt im Speziellen für das Netz der SBB, da der Schweizer Bahnstrom zu 75 Prozent aus Wasserkraft stammt. Die Schiene hat zudem einen geringen Rollwiderstand, der Luftwiderstand eines ganzen Zuges

Nicolas Perrin CEO von SBB Cargo und Mitglied der Geschäftsleitung der SBB AG, Basel.

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ist klein, der Elektromotor hat einen hohen Wirkungsgrad und die Bremsenergie fliesst zurück ins Stromnetz. Tool für Schadstoffvergleich Die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene verbessert die Ökobilanz einer Firma nachhaltig. SBB Cargo hilft dabei mit verschiedenen Angeboten, diesen Umweltvorteil sichtbar zu machen. So kann mit der Software «EcoTransITWorld» (vgl. www.ecotransit. org), einem kostenlos zugänglichen Tool zur Bilanzierung von Schadstoffen aus dem Gütertransport, der Energieverbrauch und die Emissionen von Bahn, Lastwagen, Schiff und Flugzeug berechnet und miteinander verglichen werden – und das für fast jede Transportstrecke weltweit. Neben den direkten Emissionen beispielsweise aus dem Lkw-Auspuff werden in dem Berechnungsinstrument bereits auch alle vorgelagerten Emissionen aus der Treibstoff- oder Stromerzeugung berücksichtigt. Im Expertenmodus des Tools lassen sich seit Kurzem zudem auch Parameter wie Beladungsgrad und Leerfahrtenanteil für jedes einzelne Transportmittel definieren. Wird die Ware umgeschlagen, können die Resultate durch die Art des Umschlags (Massengut, Flüssigkeit, usw.) beeinflusst werden. Für den Transport per Lkw sind zusätzlich die Schadstoffklassen Euro 4 und 5 verfügbar. Die Verbindung mit «Google Maps» ermöglicht eine Veranschaulichung der gewählten Route. Auch für Transporte des kombinierten Verkehrs liefert die Software verlässliche Resultate. Die Berechnungen berücksichtigen auch nationale Einflussgrössen, beispielsweise die Topografie oder die Art

4 – 2011, Umwelt Perspektiven, Postfach, 8308 Illnau

der Stromerzeugung für die Bahn. Denn ein Bahnkilometer in Osteuropa ist unter Ökobilanzgesichtspunkten eben nicht dasselbe wie ein Bahnkilometer in Schweden: Während in Skandinavien oder auch in der Schweiz vor allem mit umweltfreundlichem Strom aus Wasserkraft gefahren wird, stammt die Elektrizität in Osteuropa zu grossen Teilen aus Kohlekraftwerken und belastet die Umwelt entsprechend stärker. Individuelles Emissionsreporting Mit Hilfe des Softwaretools stellt die Güterbahn ihren Kunden einmal im Jahr kostenlos ein individuelles Emissionsreporting zur Verfügung. Der übersichtliche Bericht zeigt die Schadstoffbelastungen auf, die von den Schienentransporten in einem bestimmten Zeitraum verursacht werden. Dieser Bericht enthält sämtliche Schadstoffemissionen aus Traktion und Energieherstellung sowie den Energieverbrauch, welche die Transporte mit der Güterbahn verursacht haben. Der Vergleich mit den Emissionen eines entsprechenden Transports auf der Strasse macht die realisierte Einsparung deutlich. Dieser Emissionsreport über alle abgewickelten Transporte lässt sich einfach in betriebliche Umweltmanagementsysteme integrieren und in Öko-Bilanzen ausweisen. Doch auch wenn die Beförderung von Gütern mit der Bahn die umweltfreundlichste Möglichkeit im Transportgeschäft ist, kommt sie doch nicht ganz ohne CO2 Emissionen aus. Deshalb bietet die Güterbahn zusammen mit der internationalen Klimaschutzorganisation Myclimate den klimaneutralen Bahntransport an. Dabei macht sich die Güterbahn die Tatsache zunutze, dass das CO2 keine Ländergrenzen kennt und es für das Klima


Standards fehlen noch Allerdings gibt es für die Klimaneutralität noch keine allgemein gültigen Standards. So bieten einige Logistikunternehmen «klimaneutrale Transporte» an, bei denen lediglich die direkten Emissionen aus dem Betrieb berücksichtigt werden, ohne beispielsweise die Rangierleistungen sowie den Bau und Unterhalt der nötigen Infrastruktur – wie etwa Gleise, Brücken oder Tunnels – mit einzubeziehen, welche ebenfalls CO2 -Emissionen verursachen. Die Stiftung Myclimate versteht deshalb unter «Klimaneutralität» die Kompensation aller klimawirksamen Emissionen unter Berücksichtigung des vollen Lebenszyklusansatzes, das heisst, es werden alle Emissionen sämtlicher Prozesse eingerechnet, die für Entwicklung, Entstehung, Verpackung, Transport, Unterhalt, Betrieb, Verkauf, Auslieferung und Entsorgung eines Produktes wichtig sind. Bei den klimaneutralen Transporten der Güterbahn wird zunächst mit Hilfe der Software «EcoTransITWorld», das bereits bei der Erstellung der individuellen Umweltreportings zum Einsatz kommt, die Ökobilanz eines Gütertransports innerhalb von Europa verkehrsträgerübergreifend ermittelt. Das Tool ist eine gute Basis für das Reporting der direkten Emissionen, aber für den umfassenden Lebenszyklusansatz von Myclimate reichen die damit ermittelten CO2 -Emissionen für einen Bahntransport noch nicht aus. Deshalb wird das Berechnungsergebnis um Daten aus der weltweit führenden Ökobilanzdatenbank «Ecoinvent» erweitert. Diese berücksichtigt zum Beispiel auch den CO2 -Ausstoss von Dieselloks beim Rangieren und in der Nahzustellung. Ebenso findet eine Bilanzierung der Bahninfrastruktur statt. Der Anteil der Infrastruktur an den Gesamtemissionen mag zwar bei starken Verschmutzern wie dem Lkw oder bei Bahnen mit emissionsreichem Strommix verhältnismässig gering sein, bei einem Bahntransport in der Schweiz aber kann sie wegen des sauberen Bahnstroms bis zu 75 Prozent ausmachen. Für die Berechnung der klimaneutralen Schienentransporte wurden beide Systeme miteinander kombiniert, sodass sie sich nun optimal ergänzen. So erhält man ein wirklich umfassendes Bild der Klimabelastung, die kompensiert werden muss. SBB Cargo ist damit die erste Gü-

Foto: SBB Cargo

keine Rolle spielt, wo schädliche Gase freigesetzt oder eingespart werden. Ausschliesslich die Menge entscheidet über die verursachten oder vermiedenen Schäden. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, unvermeidliche Treibhausgasemissionen durch Klimaschutzmassnahmen an einem anderen Ort zu neutralisieren.

Der Güterzug verursacht durchschnittlich 29 Gramm CO2 , der Lkw 81 Gramm CO2 .

terbahn in Europa, die bei der Kompensation sämtliche Aspekte berücksichtigt. Gemessen wird die Menge des Ausstosses an schädlichen Treibhausgasen in Tonnen CO2 -Äquivalente (CO2eq). Denn nicht nur das Kohlendioxid ist ein Treibhausgas, auch andere Emissionen wie Methan, FCKW oder Distickstoffoxid verstärken den Treibhauseffekt und müssen deshalb berücksichtigt werden. Strommix ist entscheidend Für den Transport von einer Tonne Güter auf dem Schienenweg von Hamburg nach Gallarate in Norditalien mit der Schweizer Güterbahn fallen laut der Berechnung der Klimaschutzorganisation insgesamt rund 38 Kilogramm CO2eq an. Um deren schädliche Auswirkung auf das Klima auszugleichen, wären Investitionen in Klimaschutzprojekte in einer Grössenordnung von 0,92 Euro erforderlich. Bei einem Transport von Genf nach St. Gallen kommt die transportierte Tonne dagegen nur auf 0,08 Euro zu stehen, da hier lediglich 3,5 Kilogramm CO2eq anfallen. Zwei Gründe sind hauptsächlich dafür verantwortlich: Einerseits wird die Infrastruktur durch die kürzere Strecke weniger in Anspruch genommen. Andererseits verursacht der saubere SBB-Strommix im Vergleich zum Bahnstrom in Deutschland und Italien deutlich weniger CO2 . Diese kleinen Beträge rechnen sich bei weiten Strecken und schweren Lasten schon mal hoch. Doch Umweltschutz gibt es nun mal nicht zum Nulltarif und die Unternehmen müssen sich auch bewusst sein, dass die Klimaneutralität für Transporte mit der Güterbahn deutlich günstiger kommt als zum Beispiel die Klimaneutralität für die Beförderung der gleichen Gütermenge mit dem Lastwa-

gen. So würde beispielsweise die Emissionskompensation für den Transport von Hamburg nach Gallarate per Lkw mindestens dreimal soviel kosten.

Mit dem Tool können Schadstoffe des Gütertransportes berechnet und verglichen werden.

CO2 -Beiträge gewinnen Schon seit dem Jahr 2009 erstellt die SBB Cargo für ihre Kunden individuelle Emissionsreportings mit Energieverbrauch, Schadstoffausstoss und Einsparungen ihrer Güterverkehre und bietet in Kooperation mit der Non-Profit-Organisation Myclimate sogar komplett klimaneutrale Gütertransporte an. Nun folgt der nächste Schritt: Die Schweizer Güterbahn lanciert den «Prix éco» und prämiert in drei Kategorien Unternehmen, die im Vergleich zu 2010/2011 durch den Schienentransport am meisten CO2 eingespart haben. Unter dem Motto «Jedes Gramm zählt – CO2 -sparen und gewinnen» erhalten die Sieger je 5000 Franken als Kompensationsbeitrag an die Klimaschutzorganisation, um einen Transport ihrer Wahl komplett klimaneutral abzuwickeln. Anmeldeschluss zur Teilnahme ist der 30. September 2011. www.sbbcargo.com/prixeco

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